Differentielle Diagnostik und Therapie depressiver Störungen bei Patienten mit somatischen Grunderkrankungen Prof. C. Buddeberg, Dr. B. Witte „Das schwarze Luder kam vor 34 Jahren ungefragt zu mir und hockt seither breitfüdlig auf und in meiner Psyche. Und zum Zweck seines Besuches hat sich das Miststück bis dato nicht geäussert.“ Woggon, B: 1998, S. 96 Wie kommt es zu einer Depression? Biologische Faktoren Familie und Erziehung VerlustErfahrung Erhöhte Anfälligkeit Andauernde Belastungen (Krankheit, Überforderung) Chronische Belastungen Belastende Lebensereignisse Ausbruch der Depression Depressive Störungen Epidemiologie • • • • Stichtagprävalenz 3-5% Lebenszeitprävalenz 25% Geschlechterunterschied F/M 2:1 Patienten Allgemeinpraxis ca. 10% Einmonatsprävalenz (Range: 5% Italien – 18% England) • Stationäre Patienten (Medizin) 20-30% Ambulante und stationäre Patienten nur 50% Diagnose der depressiven Störungen. Symptomatik des depressiven Syndroms Affekte Denken Antrieb Selbstgefühl Vegetative Funktionen, Vitalgefühle Risikogruppen und Rezidivneigung Risikogruppen • Chronische Kranke • Alleinstehende • Reifungskrisen: – – – – Schwangerschaft Postpartalzeit Wechseljahre Pensionierung • Nicht/zu wenig diagnostiziert: Jugendliche und ältere Menschen Rezidivneigung • Bei mehr als 50% der Patienten mehrmaliges Auftreten depressiver Störungen Einteilung depressiver Störungen nach ICD-10 F3 Affektive Störungen F 31 Bipolare affektive Störung F 32 Depressive Episode F 33 Rezidivierende depressive Störungen F 34 Anhaltende affektive Störungen F 34.0 F 34.1 Zyklothymia Dysthymia HADS-D Hospital Anxiety and Depression Scale – Deutsche Version Die HADS – D dient der Erfassung von Angst und Depressivität bei Patienten mit körperlichen Erkrankungen Kann bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 15 Jahren eingesetzt werden Ist in 2-6 Minuten zu beantworten und in 1 Minute auszuwerten HADS-D Hospital Anxiety and Depression Scale – Deutsche Version Die HADS – D erfasst ängstliche und depressive Symptomatik während der vergangenen Woche Ist ein Screeningverfahren zur Diagnostizität behandlungsbedürftiger depressiver und Angststörungen Besteht aus einer „Angst“- und „Depressions-Skala“ mit je 7 Items HADS (leer) HADS ausgefüllt Depression ist, wenn... ein durchaus ansehnlicher, begabter und intelligenter Mann, im Bekannten- und Freundeskreis beliebt und angesehen, sich fühlt wie der letzte Dreck. man zu Beginn der Party drei bis vier Glas von irgend etwas säuft, nur um sich für die Interaktion fit zu machen. der Betreffende das Gefühl hat, er möchte dazugehören, was die anderen auch annehmen, er aber den Eindruck hat, letztlich doch nicht ganz dazuzugehören, und deshalb im Kollektiv einsam ist. über sich selbst über die Umw elt „ich mache alles falsch!“ „andere schaffen immer mehr!“ „alle lehnen mich ab!“ „nichts macht mir Freude!“ über die Zukunft „ich bin ein Versager!“ „ich bin zu nichts nutze!“ „ich bin wertlos!“ „ich fühle mich so leer!“ „ich werde nie etwas richtig machen!“ „aus mir wird nie was!“ „Keiner wird mich lieben!“ „Das Leben ist ein Jammertal!“ Grundzüge der Depressionsbehandlung Psychopharmakotherapie Psychotherapeutischer Ansatz Soziotherapeutische Massnahmen Begleitende / unterstützende Therapiemassnahmen Einbeziehen von unterstützenden Angeboten Depressive Störungen Psychopharmakotherapie Antidepressiva • • Nicht-sedierende AD (Indikation: gehemmte Depression) – Z.B. SSRI (Seropram, Deroxat, etc.), SNARI (Edronax) – Ev. Johanniskraut (z.B. Solevita) Cave: Enzyminduktion Sedierende AD (Indikation: Schlafstörungen, agitierte Depression) – Z.B. Tolvon, Remeron Depressive Störungen Psychopharmakotherapie Phasenprophylaktika: – Lithium – Carbamacepin (Tegretol), Valproat (Depakine) Primär AD-Monotherapie, genügend hoch dosieren Bei Therapieresistenz: • Allenfalls Wechsel auf trizyklisches AD • Ev. Zusatzmedikation (Lithium, Eltroxin, Neuroleptika, Ritalin) « Indikation durch Spezialarzt Bei manischer Episode: • Neuroleptika, Lithium Vor- und Nachteile verschiedener Antidepressivagruppen Überdosierungssicherheit Günstiges Nebenwirkungsprofil Sedierung Lange Anwendungserfahrung TZA SSRI - + - SNRI MAO-A-Hemmer NaSSA Nefazodon +? +? ? + + + + + + + - - + + - + +/- - - - +/- (Venlafaxin) +=trifft zu, -=trifft nicht zu, ?=insuffiziente Datenlage (Moclobemid) Anwendung verschiedener Antidepressivagruppen bei körperlichen Erkrankungen MAO-A-Hemmer TZA SSRI Kardiale Erkrankungen - + + Parkinson-Syndrom + - + Demenz - + + Zustand nach Hirninsult - + - Diabetes mellitus - + ? (Moclobemid) +=trifft zu, -=trifft nicht zu, ?=insuffiziente Datenlage Welches Antidepressivum für welchen Patienten? Alter • Höheres Nebenwirkungsrisiko • Häufigere Komorbidität Nebenwirkungen • Nebenwirkungsprofil wichtig hinsichtlich Komorbidität und Compliance Bisherige Behandlungen • Bei wiederholten Krankheitsphasen frühere erfolgreiche Medikation (Substanz, Dosierung) vorrangig berücksichtigen Welches Antidepressivum für welchen Patienten? Kombinationsbehandlung • Kombination mit Lithium erhöhte Erfolgsrate um ca. 50% • Kombination TrZA/TeZ+ MAO-A-H erhöht Wirksamkeit Cave: Kombination TrZA + SSRI führt zu vermehrten anticholinergen Nebenwirkungen Gründe für erhöhtes Nebenwirkungsrisiko von Antidepressiva bei älteren Patienten Erhöhte Wirkspiegel bei reduzierter Clearance durch • Alter • Komorbidität (z.B. Leberfunktionsstörungen) • Medikamentenwechselwirkungen Erhöhter Wirkspiegel durch Fehleinnahme (kognitive Störungen, Multimedikation) Pharmakodynamische Faktoren wie • Erhöhte Sensitivität (z.B. Rezeptorensensitivität) • Geringe Homöostase-Kapazität • Medikamentenwechselwirkungen Organische Vorschädigungen (zerebral, kardial) Erhöhte Folgerisiken von Nebenwirkungen (z.B. Orthostase → Sturz → Schenkelhalsfraktur; Sedierung → Inaktivität → Bettlägerigkeit) Fehler bei der Behandlung mit Antidepressiva Zu spät • Patient: Arztkontakt; Arzt: Diagnose Zu kurz • Abbruch wegen Nebenwirkungen • Nach Symptomfreiheit ca. 6 Monate Weiterbehandlung! Zu lang • Vor allem bei unwirksamer oder zu wenig wirksamer Dosierung Zu wenig • Gründe: Noncompliance (negative Einstellung zu Medikamenten), mangelnde Kompetenz des Artzes Die Johanniskraut-Alternative zu synthetischen Antidepress KURZPROFIL Hoch konzentrierter, standardisierter und stabiler Johanniskraut-Extrakt Ideale Dosierung: 2 x 1 Kapsel zu 425 mg täglich fördert Compliance Gesichert wirksam bei depressiven Verstimmungen und psychovegetativen Störungen Gut verträglich Keine Berichte über Libidoverlust Kostengünstige Behandlung Kassenpflichtig Die Johanniskraut-Alternative zu synthetischen Antidepress Unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Fototoxische Reaktionen sind sehr selten – Hellhäutige Patienten sollten auf länger dauernde Sonnenbäder und Solarienbesuche verziechten • Gelegentlich gastrointestinale Beschwerden, allergische Hautreaktionen Mögliche Interaktionen mit Johanniskraut-Extrakt Induktion des Cytochrom-P450-Systems (besonders CYP3A4) kann zur Wirkungsverminderung führen von: • Oralen Antikoagulantien vom Cumarintyp (→ Quick-Wert resp. INRWert kontrollieren) • Ciclosporin (→ Plasmaspiegel von Ciclosporin häufiger kontrollieren) • Digoxin • HIV-Protease-Inhibitoren • Oralen Kontrazeptive (Mikropillen) Wirkungsverstärkung durch: • SSRI (Serotoninsyndrom) Klinische Erfahrungen mit Solevita bei Patienten mit psychisch bedingten körperlichen Beschwerden (Multizenterstudie)