R Repetitorium 5. Proteine: Baustoff der Zelle – H. Flenker Aus Cyto-Info 3/ 2006, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Einfache Moleküle können sich zu langkettigen Makromolekülen verbinden, Monomere wie Monosacchariden oder Aminosäuren bilden ein Polymer, hier Polysaccharid oder Polypeptid. In Zellen finden wir Makromoleküle in großer Vielfalt : Nukleinsäuren, Polysaccharide (syn.: Kohlenhydrate), Lipide (syn.: Fette) und Polypeptide (syn.: Eiweiße, Proteine). Polypeptide sind strukturell und funktionell extrem variabel, die Benennung „Protein“ (von griech. „erster“) deutet ihre zentrale Bedeutung für alle Zellfunktionen an. Proteine sind im Genom der Zelle codiert, die Synthese aller übrigen Makromoleküle und alle Stoffwechselleistungen erfolgen enzymatisch (Enzyme sind ebenfalls Polypeptide) im Zytoplasma der Zelle. Die Zahl der Proteine im menschlichen Organismus dürfte weit über 500.000 betragen, das Spektrum an Funktionen ist breit (Tab. 1). Grundstruktur und dreidimensionale Konfiguration Polypeptide bestehen aus Aminosäuren (AS) wie z. B. Glycin, Alanin, Valin, Leucin und Serin. AS sind Carbonsäuren mit einer oder mehreren Aminogruppen. Durch Peptidbindung zwischen Carboxyl- und der Aminogruppe einer weiteren AS werden sie zu Makromolekülen verknüpft. In Proteinen bei Pflanze und Tier finden sich 20 AS, sie unterscheiden sich in ihrem variablen Seitenrest am zentralen Kohlenstoff-Atom (Abb. 1). Eine Kette von bis zu 10 AS wird als Oligopeptid bezeichnet, längere Sequenzen als Polypeptid oder Protein. Die hohe Vielfalt von Proteinen ergibt sich durch die Kombinatorik mit 20n Möglichkeiten; ein Oligopeptid mit nur 10 AS ermöglicht bereits 2010 (~ 10 Billionen!) Proteine mit unterschiedlichen biologischen Eigenschaften. Die Sequenz der AS im Protein heißt Primärstruktur, sie entspricht der DNA bzw. mRNA-Codierung (Abb. 2). Wasserstoffbrücken zwischen freien CO- und NH-Gruppen ergeben die Sekundärstruktur, durch weitere Brückenbildungen bildet sich die dreidimensionale Tertiärstruktur, bei Komplexbildung mit weiteren Protein-Untereinheiten spre- Abb. 1: Peptidbindung (Aminosäuren mit R = variablem Seitenrest) chen wir von einer Quartärstruktur (Abb. 3). Die Primärstruktur entsteht durch die ribosomale Peptidbindung, die funktionell wirksame Proteinstruktur hingegen ergibt sich posttranslational insbes. im GOLGI Apparat der Zelle. Die ausgeprägt komplexe Oberflächenstruktur der Proteine erklärt ihre spezifischen Funktionen in der Interaktion mit anderen Molekülen z.B. als Enzym (Abb. 3), andererseits auch die ausgeprägt immunogene Wirkung. Oberflächendetails des Proteinmoleküls wirken als Epitop für das Immunsystem, Proteine besitzen oft eine große Anzahl von Epitopen. Modifikation der Proteine In der doppelsträngigen DNA ist die Erbinformation in der Nukleotidsequenz - d. h. der Reihenfolge (molekularbiologischer) Basen - codiert : Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T). RNA ist eine auf einen kürzeren Abschnitt (Gen) reduzierte Kopie, die Base Thymin wird hier durch Uracil (U) ersetzt. Drei Basen im DNA- bzw. mRNA Molekül ( sog. Tripletts) codieren für eine AS, z.B. AGC codiert für Serin, GCA für Alanin. Hinzufügen, Verlust oder Austausch einer einzelnen Base kann somit bereits Primärstruktur und Funktion des Proteins nachhaltig verändern, der Vorgang wird als Mutation bezeichnet. Mutationen treten in einer Proteingruppe Beispiele und ihre Funktion in der Zelle Zellstruktur Enzym Hormon Transport Bewegung Wachstumsfaktor Zyklusregulation Genaktivator Abwehrreaktion Zytokeratin Kinase Insulin Transferrin Aktin- / Myosin-Komplex Erythropoetin p53 Histon-Acetyltransferase Immunglobuline stabilisiert Plattenepithel überträgt Phosphatgruppen Glukoseaufnahme der Zelle transportiert Eisen-Ionen im Blut kontrahiert Muskelzelle Aktivierung der Erythropoese Kontrolle der DNA-Replikation ermöglicht Transkription der DNA Antikörper bei Infektabwehr Tab. 1: einige Polypeptide und ihre Funktion 43 Zellen mit einem genetischen Defekt weiterhin teilungsfähig bleiben. Durch die Summation weiterer Mutationen in Regulationsproteinen entsteht Malignität. Polypeptid Abb. 3: Quartärstruktur des Hämoglobins mit 3 Protein-Untereinheiten Häufigkeit von 1 : 1 Mrd Basenpaaren (bp) auf, die Mutation ist ein häufiges Ereignis. Im humanen Genom mit ~ 3 Mrd bp entstehen zwangsläufig bei einer Mitoserate von ~ 10 Mio/sec permanent eine hohe Anzahl von Mutationen. Bei Einwirkung mutagener, exogener Faktoren (physikalischen, chemischen, bakteriellen oder viralen Ursprungs) steigt die Mutationsrate erheblich. Beim Übergang von der Sekundär- zur Tertiär- oder Quartärstruktur des Proteins sind posttranslational nach ribosomaler Umsetzung der RNA Basensequenz in die AS-Sequenz weitere Abänderungen in Proteinstruktur und -funktion möglich. Betreffen diese Veränderungen Proteine, die auf Zellzyklus, Wachstum und Zelldifferenzierung einwirken, können krankhafte Reaktionen der Zelle die Folge sein. Mutationen in Proteinen, die den Zellzyklus regulieren und kontrollieren, sind entscheidend für die maligne Zelltransformation. Besondere Bedeutung kommt hier dem Protein p53 zu, es ist in > 70 % aller Krebsfälle mutiert. p53 kontrolliert u.a. im Zellzyklus die DNAReplikation: fehlerhafte DNA wird nach der S-Phase in der G2-Phase enzymatisch repariert, ist dieses nicht möglich, wird durch p53 die Apoptose (natürlicher Zelltod; die Nekrose hingegen ist Folge einer exogenen Schädigung) eingeleitet, die schadhafte Zelle kann sich nun nicht erneut teilen. Umgekehrt ermöglicht ein durch Mutation schadhaftes p53-Protein, dass auch Diagnostik und Proteine Mutierte Proteine können auf krankhafte Veränderungen in der Zelle hinweisen, mehrere Nachweismethoden stehen zur Verfügung, für die Zytologie bieten sich immunzytologische Techniken an. Karzinome entstehen jedoch erst nach einer Abfolge von mindestens 10 – 15 Mutationen, entsprechende Mehrfachnachweise sind nur im histologischen Präparat möglich. In der Entwicklung sind Biochips, mit denen > 1.000 Proteine in einem Untersuchungsgang dargestellt werden. Literatur: HORN F. MOC I. SCHNEIDER N et al : Biochemie des Menschen. 3. Aufl. Thieme, Stuttgart 2005 KARP G : Molekulare Zellbiologie. Springer Berlin 2005 REHM H, HAMMAR F: Biochemie light. 3. Aufl. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt/M 2005 44 Aus Cyto-Info 3/ 2006, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Abb. 2: Transkription der DNA zur mRNA, Tripletts für die ribosomale Translation zum Zellwachstum und -differenzierung Permanent teilungsaktive Zellen – wie Epithelien der Haut und Schleimhäute, Urothel und Zellen des Blutes, ausgenommen Lymphozyten – gleichen den fortwährenden, physiologischen Zellverlust durch Regeneration aus. Mitotischer Zyklus und postmitotische Differenzierung der Zelle werden hierbei durch Proteine reguliert und kontrolliert. Signale für Eintritt in den mitotischen Zyklus empfängt die teilungsfähige Stammzelle über Wachstumsfaktoren – Proteine oder Steroidhormone – an der Zelloberfläche, das Signal wird dann zum Zellkern übertragen. Die Signaltransduktion erfolgt über eine Kaskade von Aktivierungsschritten: Ein zunächst inaktives Protein wird durch Phosphorylierung aktiv, kann nun ein anderes Protein phosphorylieren und im letzten Schritt die Genexpression der DNA enzymatisch initiieren. Das Gen der DNA wird in das kleinere mRNA-Molekül umgeschrieben (Transkription), verlässt durch Kernporen den Zellkern und wird am Ribosom im Zytoplasma in ein Protein übersetzt (Translation). Von den etwa 30.000 Genen in unseren Zellen werden 2.000 Gene – und das unabhängig von Differenzierung und Funktion der Zelle – in allen Zellen exprimiert, es sind sog. konstitutive Gene (insbes. für Enzyme). Die übrigen Gene sind gewebsspezifisch und werden nur in entsprechend differenzierten Zellen exprimiert, sog. induktive Gene (z.B. Gene für die Expression von Insulin, Zytokeratin oder Hämoglobin).