EDITORIAL Es ist inzwischen Allgemeingut, dass Rauchen der größte Risiko­ faktor für Lungenkrebs in unse­ rer Zeit ist. Und damit ist Rauchen auch das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko. 16. Jahrgang · Nr. 2/2014 Die direkten Kosten des Tabakkonsums in Deutschland wer­ den auf 8,66 Mrd. Euro im Jahr geschätzt. Das sind Kosten für die Behandlung von Folgeerkrankungen des Rauchens als Sachkosten und Dienstleistungen sowie die dazu gehö­ renden Rehabilitationsmaßnahmen. Dazu kommen noch indirekte Kosten mit 24,89 Mrd. Euro: Arbeitsunfähigkeiten, Frühberentungen, Produktionsausfälle durch Ausfallzeiten wegen Rehabilitation aber auch durch Arbeitszeitverluste durch Zigarettenpausen. Bei dieser Schätzung entstehen dem Gesundheitswesen und der Volkswirtschaft Kosten von mehr als 33 Mrd. Euro [1]. Inhalt Strahlentherapie beim Lungenkarzinom 4 Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom 8 Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen 13 Überlegungen – pro und contra – beim Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren 20 22. NZW Hamburg Eröffnung 23 Interaktives berufspolitisches Forum 36 Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien 38 Personalisierte Onkologie im Mittelpunkt 44 Die Kraft der Bilder – wie altes Wissen moderne Medizin verändert 46 Früher Fern-Uni – heute E-learning? 50 Kommentar des Herausgebers Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Da gibt es eine Erfolgsmeldung: Der Anteil rauchender Jugendlicher sank auf 12 % im Jahr 2012, im Jahr 2001 waren es noch 28 % der 12- bis 17-jährigen, die regelmäßig zum Glimmstengel griffen. Den Erfolg führen die Autoren des Deutschen Krebsforschungszentrums auf höhere Steuern, die schlech­ tere Erreichbarkeit der Zigaretten durch Altersbegrenzung beim Kauf und auf verminderte Gelegenheiten zum Rauchen durch höheren Nichtraucherschutz zurück [3]. Als „Onkologische Pharmazie“ widmen wir uns in diesem Heft der Haupt-Auswirkung des Rauchens, dem Lungenkarzinom, und seinen drei Behandlungssäulen Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. Sicher werden aber auch die Berichte vom 22. NZW in Hamburg und vom DKK 2014 in Berlin sowie zum Therapeutischen Drug Monitoring in der Klinischen Onkologie Ihr Interesse finden. Ständige Rubriken Testiertes interaktives Selbststudium Dem stehen in Deutschland die Einnahmen des Bundes von etwas mehr als 14 Mrd. Euro jährlich an Tabaksteuer als Verbrauchssteuer gegenüber [2]. Für gesundheitliche Aufklärung zur Tabakprävention für Kinder und Jugendliche stellt die Bundesregierung jedes Jahr nur rund eine Million (nicht Mrd.!) Euro zur Verfügung [3], u.a. auch über den bun­ desweiten Wettbewerb „Be Smart – Don’t Start“ für rauchfreie Schulklassen [4]. 7 18 Buchbesprechung37 Impressum40 Who is who 42 Die besten Websites 51 Ihre Karla Domagk [1]http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/AdWfP/AdWfP_Die_Kosten_des_Rauchens.pdf [2]http://www.zigarettenverband.de/de/21/Themen/Zahlen_%26_Fakten/Tabaksteuer [3]http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/AdWfP/AdWfP_Tabakpraevention_in_Deutschland_was_ wirkt_wirklich.pdf [4]http://www.besmart.info/besmart/der-wettbewerb.html Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 3 Strahlentherapie beim Lungenkarzinom Strahlentherapie beim Lungenkarzinom Von Oliver Micke, Ulrich Schäfer und Ralph Mücke D as Lungenkarzinom gehört zu den häufigsten Indikationen für eine Strahlen­ therapie, denn beim Lungenkarzinom befindet sich die Mehrzahl der Patienten bereits in einem derart fortgeschrittenen Tumorstadium, dass eine kurative Operation nicht mehr möglich ist. Oder es bestehen nicht selten andere medizinische Probleme, die eine Operation nicht erlauben (Abb. 1). Viele dieser Patienten werden dann der Strahlenbehandlung zugeführt. Abb. 1: Computertomographie eines typischen Patienten mit Lungenkrebs. Zur Darstellung kommt ein ausgedehntes Lungenkarzinom im Bereich des rechten Lungenhilus. Viele der Patienten haben aufgrund ihrer jahrelangen Raucheranamnese zahlreiche Begleiterkrankungen, die u.U. auch eine kurative Operation verunmöglichen. Die Strahlentherapie steht allerdings beim Lungenkarzinom in der Regel nicht allein im Therapiekonzept, sondern ist meist in ein multimodales Konzept eingebunden, d.h. systemische Therapie und/oder Chemotherapie gehen voraus bzw. folgen oder können auch im Falle einer Chemotherapie als RadioChemotherapie durchgeführt werden. Strahlentherapie mehr im Vordergrund der Therapie. Daneben spielen natürlich auch weitere patientenbedingte Faktoren, wie das Alter, der Allgemeinzustand oder Nebenerkrankungen, für die Entscheidung, welches Strahlentherapieverfahren in welcher Dosis durchgeführt wird, eine wichtige Rolle. Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom Beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom wird die Strahlentherapie präoperativ (neoadjuvant), postoperativ oder primär durchgeführt. Sie kann kurativ oder auch palliativ durchgeführt werden. Da das NSCLC zu den weniger strahlensensiblen Tumoren zählt, müssen teilweise relativ hohe Dosen erreicht werden. Postoperative Strahlentherapie Die postoperative Strahlentherapie beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom konnte bei den frühen Stadien I und II keine Vorteile zeigen. Die postoperativ bestrahlten Patienten in diesen Stadien hatten sogar eine schlechtere Überlebensrate. Allerdings zeigt sich bei den Patienten, bei denen mediastinale Lymphknoten befallen sind (pN2), also im Stadium IIIA oder IIIB, ein Profit der Patienten bezüglich der Lokalrezidivrate, die allerdings bisher in den Studien noch nicht als Verlängerung der Überlebenszeiten belegt werden konnte. Die moderneren Die Entscheidung, wie und welche Strahlentherapie durchgeführt wird, hängt in erster Linie davon ab, um welche Histologie es sich handelt (kleinzelliges oder nichtkleinzelliges Lungenkarzinom). Beim kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC – small cell lung cancer), das fast immer als primär systemische Erkrankung angesehen werden kann, spielt die Strahlentherapie eine weniger wichtige Rolle. Da demgegenüber beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC – non small cell lung cancer) auch eine deutliche lokale Problematik vorliegt, stehen hier lokale Maßnahmen wie Operation und auch Abb. 2: Strahlentherapie beim Lungenkarzinom früher: Konvergenzbestrahlung aus mehreren Richtungen Ende der 50er Jahre. Mit den relativ begrenzten Möglichkeiten der Orthovolttherapie ließen sich bereits vergleichsweise gute Dosisverteilungen erzielen, die schon höher dosierte Bestrahlungen ermöglichten. 4 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Abb. 3: Patient zur Strahlenbehandlung eines Lungenkarzinoms an einem Linearbeschleuniger neuerer Bauart. Durch die höhere Energie der Megavolttherapie lassen sich deutlich bessere Dosisverteilungen erzielen. Therapieverfahren werden hier möglicherweise noch weitere Verbesserungen erzielen. Daher wird im Allgemeinen empfohlen, bei mediastinalem Lymphknotenbefall eine Strahlentherapie vor oder nach einer adjuvanten Chemotherapie durchzuführen. Die Dosis dieser postoperativen Strahlentherapie beträgt in der Regel 60 Gy. Primäre Strahlentherapie Bei lokal fortgeschrittenen Lungen­ karzinomen wird in der Regel eine kombinierte Radio-Chemotherapie durchgeführt, da sich diese in Studien der alleinigen Radiotherapie als überlegen erwiesen hat. Die Chemotherapie ist in der Regel platin-basiert; zudem werden auch Taxol und Vinorelbin angewandt. Die dabei eingesetzten Strahlendosen liegen in der Regel oberhalb von 60 Gy, meist bei 66 Gy. Die erzielbaren Ergebnisse sind jedoch eher bescheiden: Die medianen Überlebenszeiten bewegen sich je nach Untersuchung zwischen 16 und 18 Monaten, die 3 JahresÜberlebensraten zwischen 35% und 40%. Einen Sonderfall bilden die Patienten in frühen Stadien, bei denen aus medizinischen Gründen, v.a. wegen schlechter Lungenfunktion, keine Operation möglich ist. Hier ist die Strahlentherapie das Mittel der Wahl. Allerdings ist diese in konventioneller Technik bei notwendigen Dosen von mehr als 65 Gy und bei eingeschränkter Lungenfunktion nicht unproblematisch. Dementsprechend liegen die erreichbaren 5 Jahres-Überlebensraten auch nur bei 10% bis 30%. Neuerdings lassen sich sehr gute Ergebnisse bei T1/T2-N0-Tumoren mittels hypofraktionierter stereotaktischer Radiotherapie erzielen, wobei die biologisch äquivalenten Dosen bei mindestens 100 Gy liegen sollten. Neoadjuvante Strahlentherapie In bestimmten Fällen kann auch vor einer Operation im Rahmen eines multimodalen Konzeptes eine kombinierte RadioChemotherapie erfolgen. Dabei ist dann die Strahlendosis niedriger dosiert (ca. 45 Gy), um die anschließende Operation nicht mit unnötiger Toxizität zu gefährden. Unklar ist bisher allerdings immer noch, inwieweit die Patienten wirklich von diesem Abb. 4: Dosisverteilung bei Strahlentherapie eines Lungenkarzinoms mit CT-gestützter 3D-konformaler Strahlentherapie. Durch die höhere Konformation (Anpassung) der Dosis an das Zielvolumen und die bessere Dosisverteilung lässt sich die Dosis im Tumorbereich erhöhen, bei gleichzeitig besserer Schonung der Normalgewebe. Vorgehen profitieren. Daher sollte dieser Ansatz präferentiell in Studien verfolgt werden. Kleinzelliges Lungenkarzinom Wie bereits erwähnt, hat das kleinzellige Lungenkarzinom eher den Charakter einer Systemerkrankung, mit den entsprechenden Implikationen für die Therapie. D.h. die systemische Chemotherapie steht hier auch aufgrund der hohen Chemosensitivität im Vordergrund. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 5 Normalgewebsschonung. Möglicherweise lassen sich dadurch auch die Therapieergebnisse beim Lungenkarzinom weiter verbessern. Die Strahlentherapie hat einen besonderen Stellenwert als prophylaktische Schädelbestrahlung, denn beim SCLC besteht eine hohe Tendenz zur Ausbildung von Hirnmetastasen. Zudem wirkt die Chemotherapie oft nicht so gut im ZNS. Zusammenfassung Die Strahlentherapie ist ein wichtiger inte­graler Bestandteil der Therapie beim Lungenkarzinom. Dabei ist sie meist in ein multimodales Konzept eingebunden. Mit der richtigen Technik ist sie eine wirksame und nebenwirkungsarme Therapiemaßnahme. Hier kann die prophylaktische Bestrahlung die Rate der neuaufgetretenen Hirnmetastasen deutlich senken und damit sogar die Überlebenszeit verlängern. Die applizierten Gesamtdosen liegen in der Regel zwischen 24 und 36 Gy als prophylaktische Therapie. Daher sollten alle Patienten mit SCLC unabhängig vom Stadium, bei denen es unter Chemotherapie zu einem Ansprechen gekommen ist, einer prophylaktischen Schädelbestrahlung unterzogen werden. LITERATUR Comb SE, Debus J. Thoraxorgane. In: Wannenmacher M, Wenz F., Debus J. Strahlentherapie. 2. Auflage. Springer, Heidelberg. 2013; 557-592. Fay M, Poole CM, Pratt G. Recent advances in radiotherapy for thoracic tumours. J Thorac Dis. 2013;5 (Suppl 5):S551-S555 Zudem profitieren auch Patienten im Stadium „limited disease“, die eine Remission erreicht haben, von einer Bestrahlung des Mediastinums bezüglich des Überlebens. Hier werden in der Regel Dosen um 50 Gy verwendet. Feliciano J, Feigenberg S, Mehta M. Chemoradiation for definitive, preoperative, or postoperative therapy of locally advanced non-small cell lung cancer. Cancer J. 2013; 19:222-230 Laine AM, Westover KD, Choy H. Radiation therapy as a backbone of treatment of locally advanced non-small cell lung cancer. Semin Oncol. 2014; 41:57-68 Durchführung der Strahlentherapie Die Strahlenbehandlung beim Lungenkarzinom ist nicht ganz einfach, da einerseits recht hohe Dosen erreicht werden müssen und andererseits strahlenempfindliche Organe wie Herz, Rückenmark und die gesunden Teile der Lunge als „Risikoorgane“ in unmittelbarer Nähe des Bestrahlungsfeldes liegen. Daher kommt es auch auf eine exakte Bestrahlungsplanung und -durchführung an. Vor der Strahlentherapie wird eine Computertomographie (CT) des Thorax in der Position angefertigt, in der später bestrahlt wird. In den so erzeugten Schichtbildern zeichnet der Arzt das gewünschte Zielvolumen ein. Dann wird die Bestrahlungstechnik festgelegt, mit der die günstigste Verteilung der Strahlendosis erzielt wird. Dabei wird darauf geachtet, dass die Tumorregion eine möglichst hohe und gleichmäßig verteilte Dosis erhält, während die Risikoorgane, z.B. gesunde Lunge und das Herz, bestmöglich geschont werden. Abb. 5: Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) eines Bronchialkarzinoms. Die Konformation lässt sich noch weiter verbessern, dadurch ist es möglich eine noch bessere Schonung der Risikoorgane (v.a. der Lunge) zu erreichen und ggf. auch die Dosis im Zielvolumen zu erhöhen. Dies kann helfen, die Therapieergebnisse zu verbessern. Padda SK, Burt BM, Trakul N, Wakelee HA. Early-stage non-small cell lung cancer: surgery, stereotactic radiosurgery, and individualized adjuvant therapy. Semin Oncol. 2014;41:40-56. Es wird schon lange versucht, die Strahlentherapie beim Lungenkarzinom erfolgreich durchzuführen (Abb. 2). Aber erst durch den Einsatz von Linearbeschleunigern mit höheren Energien (Abb. 3) und durch CT-gestützte 3D-konformale Bestrahlung (Abb. 4) wurde es möglich, die entsprechenden Dosen mit einer guten Schonung der Normalgewebe zu applizieren. Videtic GM. The role of radiation therapy in small cell lung cancer. Fortgeschrittene Techniken, wie die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) (Abb. 5), ermöglichen in der Regel eine weitere Verbesserung der 6 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Pöllinger B, Astner, ST, Lindner H. Strahlentherapie. In: Huber RM (Ed). Tumoren der Lunge und des Mediastinums. Manual Tumorzentrum München. Zuckschwerdt Verlag, München Wien New York. 2009; 104-110. Salama JK, Vokes EE. New radiotherapy and chemoradiotherapy approaches for non-small-cell lung cancer. J Clin Oncol. 2013; 31:1029-1038. Curr Oncol Rep. 2013; 15:405-410. AUTOREN: Oliver Micke¹, Ulrich Schäfer², Ralph Mücke² ¹Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Franziskus Hospital Bielefeld ²Klinik für Strahlentherapie, Klinikum Lippe Lemgo KORRESPONDENZADRESSE: Prof. Dr. Oliver Micke Tel.: ++49 521 5891801, Fax: ++49 521 5891804, e-mail: [email protected] Strahlentherapie beim Lungenkarzinom Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP 2/2014 1. Wovon hängt beim Lungenkarzinom die Entscheidung für ein bestimmtes Verfahren der Strahlentherapie ab? a. von der Histologie b. von patientenbezogenen Faktoren wie Alter und Allgemein­ zustand c. vom vorhandenen Linearbeschleuniger d. von Nebenerkrankungen des Patienten 4. Welche umliegenden „Risikoorgane“ müssen bei der Bestrahlungsplanung des Lungenkarzinoms besonders berücksichtigt werden? a.Rückenmark b.Herz c.Gonaden d.Lunge 2. Wie wird die Strahlentherapie beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom durchgeführt? a.postoperativ b.kurativ c.palliativ d.neoadjuvant 5. Wie kann die Strahlentherapie beim Lungenkarzinom mit Applikation entsprechender Dosen und Schonung der Normalgewebe erfolgreich durchgeführt werden? a. durch einen minimalinvasiven Eingriff mit da Vinci b. durch den Einsatz von Linearbeschleunigern mit höheren Energien c. durch den Einsatz digitaler Röntgenbilder d. durch CT-gestützte 3D-konformale Bestrahlung 3. Wie hoch ist die Dosis der postoperativen Strahlentherapie beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom in der Regel? a. 100 Gy b. 72 Gy c. 60 Gy d. 45 Gy Richtige Antworten zum Beitrag: „Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust“ in Heft 4/2013 Frage 1: a, b, d Frage 2: a, b, c, d Frage 3: a, b, c, d Frage 4: a, c, d Frage 5: b, c Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2014 Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforder­ lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende FaxNummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg! Per Fax: +49-40-79 14 03 02 Name: Vorname: Einrichtung: Straße: PLZ/Ort: Strahlentherapie beim Lungenkarzinom (Onkologische Pharmazie Nr. 2/2014) Meine Antwort (X) lautet bei: Frage 1: a b c d Frage 2: a b c d Frage 3: a b c d Frage 4: a b c d Frage 5: a b c d Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen persönlich beantwortet habe. Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl. Datum: Unterschrift: Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 7 Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom Von Jochem Potenberg und Gisela Sproßmann-Günther, Berlin Einführung Das Lungenkarzinom ist die am häufigsten zum Tod führende Krebserkrankung des Mannes. 2008 erkrankten 33.960 Männer und 15.570 Frauen neu an einem solchen Tumor. Die Inzidenz beträgt 61 bei den Männern und 24 bei den Frauen pro 100.000 Einwohner und Jahr. Nach Diagnosestellung eines Lungenkarzinoms beträgt das 5-Jahres-Überleben 13% bei den Männern und 18% bei den Frauen [RKI 2012]. Für das Lungenkarzinom ist die interdisziplinäre S3-Leitlinie aus dem LeitlinienProgramm Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft gültig [Goeckenjan et al. 2010]. Diagnostik Zur Diagnostik gehört die Feststellung der Morphologie des Tumors sowie seiner Ausbreitung nach TNM. Die Unterscheidung zwischen kleinzelligen Lungenkarzinomen (SCLC, small cell lung cancer) und nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC, non small cell lung cancer) ist historisch gewachsen und biologisch wichtig. Ein kleinzelliges Karzinom ist in der Regel fortgeschritten, nicht operabel und bedarf der sofortigen systemischen Therapie. Das nicht kleinzellige Karzinom ist manchmal lokal begrenzt und kann durch eine Operation kurativ therapiert werden. SCLC stellen 20% und NSCLC 80% der Lungenkarzinome. Kleinzellige und nicht kleinzellige Lungenkarzinome weisen morphologisch charakteristische Merkmale auf, die zytologisch und/oder histologisch erkannt werden können. Die häufigsten nicht kleinzelligen Karzinome sind Adeno- und Plattenepithelkarzinome der Lunge (Tab. 1). Das kleinzellige Karzinom (Abb. 1a) zeigt eine maximal verschobene KernPlasma-Relation, das Zytoplasma ist kaum entwickelt und das Chromatin des Kerns ist fein granulär. Das Adenokarzinom (Abb. 1b) zeigt ein gut entwickeltes Zytoplasma und das Chromatin ist fein bis granulär. Häufig findet sich eine Vakuolisierung als Ausdruck der drüsigen Differenzierung. Das Plattenepithelkarzinom (Abb. 1c) zeigt ein entwickeltes Zytoplasma, das Chromatin ist grob bis granulär und große Nukleolen werden sichtbar. Häufig sind basophile Strukturen als Ausdruck der Verhornung zu erkennen. Bei einem unklaren Befund können auch immunhistologische Untersuchungen zur weiteren Typisierung herangezogen werden. Der Nachweis von Zytokeratin 5/6 spricht für das Vorliegen eines Plattenepithelkarzinoms, bei Nachweis von Zytokeratin 7 ist ein Adenokarzinom anzunehmen. Zur Feststellung der Ausbreitung des Tumors werden Computertomographien von Thorax und Abdomen eingesetzt, um das klinische TNM-Stadium zu erfassen. Das CT der Tab. 1: Histologische Typen des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms [nach Cowling 2011] Anteil (%) Bezeichnung Englische Bezeichnung 54 Adenokarzinome adenocarcinoma 2 Bronchoalveoläres Karzinom bronchoalveolar carcinoma 25 Plattenepithelkarzinome squamous cell carcinoma 5 Großzellige Tumore large cell carcinoma 14 andere (z.B. Karzinoide) other/mixed 8 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 1a 1b 1c Abb. 1: Typische zytologische Befunde beim Lungenkarzinom (1a: Kleinzelliges Karzinom; 1b: Adenokarzinom; 1c: Plattenepithelkarzinom) Lunge (Abb. 2a) zeigt das Herz, die großen Gefäße und die Lungen. Hier lässt sich die Größe des Lungentumors ausmessen und es können die regionären Lymphknoten beurteilt werden. Das CT des Abdomens (Abb. 2b) erfasst u.a. Leber, Magen, Milz und die großen Gefäße. In der Leber stellen sich zwei große Metastasen dar. Durch die Übersichtsaufnahme des Thorax sind Herzgröße und Belüftung der Lunge gut erkennbar; mit der Szintigraphie des Skeletts lassen sich alle Knochen in einem Untersuchungsgang darstellen. Die Übersichtsaufnahme einer 72jährigen Patientin (Abb. 3a) zeigt ein schmales Herz, ein Lungenemphysem und den für die intravenöse Chemotherapie benötigten Port mit liegender Port-Nadel. Der in der Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom Monate und mit ausgedehnter Erkrankung (extensive disease) 9 Monate. Diese Daten sind mit denen der o.g. Kombinationstherapie vergleichbar [Smit 1989]. 2a Somit hat sich in letzter Zeit beim SCLC keine Veränderung der bisherigen Behandlungswege entwickelt. Neuere Studien ergaben keine Fortschritte gegenüber der tradierten Behandlung. Therapie der nicht kleinzelligen Lungenkarzinome (NSCLC) 2b Abb. 2: Typische Befunde eines Lungenkarzinoms im Thorax und von Lebermetastasen im Abdomen CT-Untersuchung sichtbare Tumor ist hier nicht sicher zu erkennen. Die Szintigraphie des Knochens (Abb. 3b) erlaubt als nuklearmedizinisches Verfahren die Darstellung des gesamten Skeletts und detektiert die Umbauvorgänge. Dabei sind Osteolysen ohne Knochenumbau bisweilen nicht zu erkennen und können zu „falsch negativen“ Befunden führen. Das EML4/ALK-Fusionsgen wird in 5% der NSCLC nachgewiesen. Es liegt eine Inversion auf 2p vor. Die Verbindung der anaplastischen Lymphom-Kinase (ALK) mit dem echinodermischen Microtubuliassoziiertem Protein-like 4 (EML4) führt zu dieser „Driver-Mutation“. Histologisch finden sich überwiegend Adenokarzinome. Patienten sind im Median etwas jünger und haben seltener geraucht. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Das nicht kleinzellige Lungenkarzinom enthält keine kleinzelligen Anteile. Die WHO unterscheidet folgende Entitäten: Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom, großzelliges Karzinom und adenosquamöses Karzinom. Verschiedene histologische Befunde treten mit unterschiedlichen Häufigkeiten auf [Kim 2008]. Immun­ histologisch sind Lungenkarzinome häufig TTF1 (Thyroid Transcription Factor 1) positiv. Neben der konventionellen Histologie werden zunehmend molekulargenetische Merkmale wie Mutationen von EGFR, k-RAS und EML4/ALK geprüft, die dann eine individualisierte Therapie erlauben. Liegt ein Stadium I (ohne Lymphknotenmetastasen) oder ein Stadium II (z.B. peribronchiale Lymphknoten) vor, wird die Möglichkeit der Operation geprüft. Die Behandlung des Stadiums IIIA ist häufig multimodal. Bei den Stadien IIIA bis IV ist die systemische Therapie sinnvoll. Bei Nachweis einer EGFR-Mutation oder eines EML4/ALK-Fusionsgens stehen zur Therapie Tyrosinkinase-Inhibitoren zur Verfügung. Eine Chemotherapie des NSCLC verbessert das Gesamtüberleben und die Lebensqualität der Patienten. Schiller et al. untersuchten 2002 unterschiedliche Platin-haltige 3a 3b Im Stadium IIIB oder IV kann durch eine lokale Therapie das Überleben nicht verbessert werden. Hier sind systemische Therapien oder rein palliative Behandlungen indiziert. Chemotherapie Therapie der kleinzelligen Lungenkarzinome (SCLC) Die Mehrheit der Patienten mit einem SCLC profitiert von einer Chemotherapie. Liegt keine Fernmetastasierung vor und spricht der Tumor gut auf die Therapie an, ist eine Bestrahlung des Schädels und des Thorax erforderlich. Der gegenwärtige Therapiestandard der Chemotherapie besteht aus der Kombination von Platin und Etoposid. Etoposid ist jedoch auch in oraler Darreichungsform verfügbar. Bei Patienten über 70 Jahre erreichte die Monotherapie eine Ansprechrate von 71%. Das mediane Überleben betrug für Patienten mit beschränkter Erkrankung (limited disease) 16 Abb. 3: Übersichtsaufnahme des Thorax und Skelettszintigraphie (Patientin 72 Jahre) Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 9 Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom Therapien bei 1.155 Patienten. Unabhängig von der Art der Therapie war ein ähnliches Gesamtüberleben festzustellen. Die Ansprechraten lagen bei 20%, das 1-JahresÜberleben bei 33%, das 2-Jahres-Überleben bei 11%. Das mediane Gesamtüberleben betrug 8 Monate. Patienten mit einem guten Allgemeinzustand (ECOG 0/1) lebten (erwartungsgemäß) länger als Patienten mit einem schlechten Allgemeinzustand (ECOG 2). Histologie als prädiktiver Marker Scagliotti et al. zeigten eine bessere Wirksamkeit der Kombination Cisplatin/ Pemetrexed gegenüber Cisplatin/Gemcitabin beim Adenokarzinom und beim großzelligen Karzinom (Tab. 2). Pemetrexed inhi- Der EGFR (epidermal growth factor receptor) gehört zur HER-Familie und wird von der Mehrheit der Lungenkarzinome exprimiert. Liganden für diesen Rezeptor sind EGF und TGF-alpha (transforming growth factor). Die Bindung zwischen Ligand und Rezeptor aktiviert die Signaltransduktion über Ras, Raf und weitere Kinasen (z.B. ERK1/ERK2). Dadurch werden Wachstum, Differenzierung, Invasion und Überleben maligner Zellen gefördert. Cetuximab ist ein gegen den EFGR gerichteter Antikörper. Cetuximab ist bei Kolorektal­k arzinomen und bei HNOKarzinomen klinisch wirksam und wurde in einer Phase-III-Studie beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom untersucht [Pirker 2009; Flex-Studie]. In der FLEX-Studie wurde zunächst die EGFR-Präsenz in Tab. 2: Phase III Studie zur Wirksamkeit von Pemetrexed bei NSCLC [nach Scagliotti 2008] Kombination First Line Anzahl Patienten Gesamtüberleben in Monaten Plattenepithel­ karzinom kein Plattenepithelkarzinom Cisplatin / Pemetrexed 862 9,4 11,0 Cisplatin / Gemcitabin 863 10,8 10,1 biert die Thymidilat-Synthase. Dieses Enzym wird beim Plattenepithelkarzinom hoch exprimiert, während diese Aktivität beim Adenokarzinom niedrig ist. Als orale Therapie steht Vinorelbin zur Verfügung. Die Monotherapie führt zu einem Ansprechen von 17% und einer Stabilisierung 1.688 Patienten festgestellt. 85% exprimierten den Rezeptor und wurden randomisiert. Die Zugabe von Cetuximab verbesserte als First-line-Therapie das Gesamtüberleben von 10,1 Monaten auf 11,3 Monate gegenüber einer alleinigen Cisplatin-/VinorelbinTherapie über 6 Zyklen. Patienten mit einem Tab: 3: Ergebnisse der FLEX-Studie [nach Pirker 2009] Cisplatin / Vinorelbin / Cetuximab (n=557) Cisplatin / Vinorelbin (n=558) Ansprechen 36 % 29 % (p = 0.012) PFS 4,8 Monate 4,8 Monate (n.s.) Überleben 11,3 Monate 10,1 Monate (HR 0.87; p = 0.044) der Erkrankung von 50%. Schwere Grad3-und-4-Toxizitäten traten nicht auf [Cobo Dols 2007]. EGFR-Antikörper (Cetuximab) Hautausschlag (rash) vor dem 2. Zyklus hatten ein medianes Überleben von 15 Monaten verglichen mit 8,8 Monaten ohne jeden Aus­schlag. Asiaten erreichen ein medianes Überleben von 19,5 Monaten, Kaukasier 9,6 Monate (Tab. 3). 10 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Eine Zulassung für Cetuximab erfolgte bisher beim Lungenkarzinom nicht. Kleine Moleküle Der EGF-Rezeptor besitzt eine extra- und eine intrazelluläre Komponente. Erstere kann durch parenteral gegebene Antikörper, letztere durch oral verabreichte Inhibitoren der Tyrosinkinasen (TK-Inhibitoren) moduliert werden. TK-Inhibitoren werden auch als kleine Moleküle (small molecules) bezeichnet. Bei Einsatz dieser Therapien ist erkennbar, dass einige Tumoren auf die Behandlung unterschiedlich ansprechen. Aus Publikationen war bekannt, dass wenige Patienten mit einem Lungenkarzinom ein deutliches Ansprechen auf Gefitinib zeigten. Die Mehrzahl der behandelten Patienten hingegen profitierte von der Therapie nicht. Es wurde geschlussfolgert, dass die mit einer Remission reagierenden Tumore eine Zielläsion (target) besitzen müssten, die das Ansprechen erklärt. Schließlich konnten bestimmte Mutationen im EGFR beschrieben werden, die dem Target der TK-Inhibitoren entsprechen. Gefitinib wurde in zwei Phase-IIIStudien (INTACT-1, INTACT-2) untersucht. Das gleiche galt für Erlotinib (TRIBUTE, TALENT). In allen vier Studien wurden Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom eingeschlossen, die die TK-Inhibitoren zusätzlich zur Chemotherapie erhielten. Diese vier Studien konnten in dieser klinischen Situation keinen Vorteil für die TK-Inhibitoren zeigen. In der INTACT-2 -Studie wurden Patienten mit einem fortgeschrittenen Lungenkarzinom mit 6 Zyklen Carboplatin und Paclitaxel behandelt. Zusätzlich wurden 0 mg, 250 mg oder 500 mg Gefitinib bis zur Progression verabreicht (Tab. 4). Das Gesamtüberleben war unverändert [Herbst 2004]. Bei der EGF-Überexpression, die bei Frauen, Nichtrauchern und Asiaten häufiger präsent ist, erwies sich Gefitinib im Head-tohead-Vergleich als wirksamer als die chemotherapeutische Doublette Carboplatin/ Paclitaxel beim progressionsfreien Überleben. Das Gesamtüberleben erschien nicht verändert. In dieser IPASS-Studie waren 79% Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom Tab. 4: Ergebnisse der INTACT-2-Studie [nach Herbst 2004] Gefitinib-Dosierung Overall Survival PFS Ansprechrate 0 mg 9,9 Monate 4,6 Monate 30,0 % 250 mg 9,8 Monate 5,3 Monate 30,4 % 500 mg 8,7 Monate 5,0 Monate 28,7 % der Patienten weiblich, 94% nicht rauchend und 50% asiatisch. Gefitinib war besonders effektiv bei einer Mutation im EGFR [Mok 2008]. wirksam (OS 24,0 vs. 19,6 Monate) wie die Kombination mit Carboplatin/Paclitaxel [ Janne 2010]. Erlotinib verbesserte in der SATURN-Studie das krankheitsfreie Überleben des NSCLC nach 24 Wochen von 17 auf 31% signifikant. Die Induktion bestand aus 4 Zyklen einer Platin-haltigen Chemotherapie. Der Effekt durch Erlotinib war unabhängig von der Histologie [Cappuzo 2009]. Die dokumen- Mutation des EGFR als prädiktiver Marker Bei Nachweis einer Exon-19-Deletion des EGFR führen Gefitinib und Erlotinib als First-line-Therapie zu einem längeren Gesamtüberleben als bei der Punktmutation ErbB1, den humanen growth factor receptor 2 Her2/ErbB2 sowie ErbB4. Weiterhin zeigt Afatinib Aktivität bei EGFR Mutationen. Afatinib in einer Dosierung von 40 mg verbesserte in der LUX-Lung-3-Studie das PFS im Vergleich zu Cisplatin plus Pemetrexed beim EGFR-mutierten Adenokarzinom der Lunge [Sequist 2013]. ALK/EML4-Fusionsgen In 5% der Lungentumore lässt sich das Fusionsgen ALK/EML4 nachweisen. Crizotinib, ein Inhibitor von ALK und c-MET, führt zu einem Ansprechen von 57% und einer signifikanten Verbesserung des PFS auf 9,2 Monate [Bang 2010]. 65% der Patienten sind nach einem Jahr noch am Leben. Im weiteren Verlauf, nach ca. einem Jahr Therapie, entwickeln sich Tab. 5: Vergleich zwischen Erlotinib versus Carboplatin/Vinorelbin [nach Reck 2010] Erlotinib P Erlotonib & Nicht-Raucher Carboplatin/ Vinorelbin & Nicht-Raucher P Gesamtkollektiv Carboplatin/ Vinorelbin Gesamtkollektiv Medianes PFS 2,4 Monate 4,6 Monate 0.0005 3,7 Monate 4,4 Monate 0.382 Medianes OS 7,9 Monate 8,4 Monate 0.211 16,5 Monate 17,7 Monate 0.931 1-J OS 31% 37% n.s. 62% 64% n.s. tierte Toxizität des Erlotinib bestand aus 60% Hautausschlag und 20% Durchfall. Als First-line-Therapie erwies sich Erlotinib im head-to-head Vergleich bei nicht selektierten Tumoren gegenüber Carboplatin/ Vinorelbin als unterlegen [Reck 2010]. Das Kollektiv der Nichtraucher hatte ein deutlich besseres Überleben als das Kollektiv der Raucher (Tab. 5). Hier erwies sich die Monotherapie mit Erlotinib als ähnlich L858R (38 vs. 17 Monate, p=0.04). Die Ansprechraten waren etwas höher (nicht signifikant; 73% vs. 50%) und die Zeit bis zur Progression verlängert (24 vs. 10 Monate). Erlotinib schien beim Ansprechen (78 vs. 33%) ein wenig wirksamer zu sein als Gefitinib [ Jackman 2006]. Afatinib ist ein oral wirksamer Inhibitor der ErbB-Familie. Er inhibiert irreversibel den epidermalen growth factor receptor EGFR/ Tab. 6: Vergleich zwischen Afatinib und Cisplatin/Pemetrexed bei EGF positiven fortgeschrittenem Lungenkarzinom [nach Sequist 2013] n = 345 (1.269 gescreent) PFS gesamt PFS (del19/L858R) RR (objektiv) AE Cisplatin/Pemetrexed 75/500 6 Zyklen 6,9 Monate 13,6 Monate 23 % Übelkeit Fatigue Anorexie Afatinib 40 mg bis Progress 11,1 Monate HR 0.58 6,9 Monate HR 0.47 56 % Diarrhoe Rash / Akne Stomatitis Resistenzen und die Patienten erleiden häufig Hirnmetastasen. Die erworbene CrizotinibResistenz beruht entweder auf einer neu erworbenen Mutation in der ALK-KinaseDomäne oder auf einer Amplifikation des Gens. Crizotinib (2 x 250 mg) ist zugelassen als second line-Therapie nach Platin-Doublette (z.B. CisPem) +/Bevacizumab) nach dokumentiertem Progress. Unerwünschte Wirkungen sind Sehstörungen, Transaminasen-Erhöhung, Blutbildveränderungen, QTc-Verlängerung und Pneumonitis. Weitere Therapieoptionen sind die Modulation der Signalwege des EGFR oder c-KIT. Die Aktivierung dieser neuen Signalwege kann zum „driver“ werden. Weitere spezifische ALK/EML4-Inhibitoren sind in Entwicklung. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 11 Orale Therapieoptionen beim Lungenkarzinom Zusammenfassung Für die Diagnostik und Therapie des Lungenkarzinoms steht die aktuelle S3-Leitlinie zur Verfügung. Die konkreten Therapieentscheidungen fallen im Rahmen von Tumor­konfe­ren­zen, an denen Onkologen und Pharmazeuten beteiligt sind. Im Stadium III und IV sind systemische Therapien die wichtigste Therapieoption. Orale Chemotherapien wie Etoposid oder Vinorelbin stehen zur Verfügung. Zur Modulation des epidermalen growth factor receptors stehen Gefinitib, Erlotinib und Afatinib als ausschließlich oral verfügbare Substanzen zur Verfügung. Der orale TK-Inhibitor Crizotinib hat das ALK/ EML4 als Target. Für die Durchführung der oralen Therapie sind Kenntnisse der unerwünschten Wirkungen und deren Therapie für Arzt und Apotheker unabdingbar. Kim ES, Hirsh V, Mok t et al.: Gefitinib versus docetaxel in previously treated non-small-cell lung cancer (INTEREST): a randomized phase III trial. Lancet 372. 1809-18. 2008 Sequist LV, Yang JCH, Yamamoto N et al.: Phase III study of afatinib or cisplatin plus pemetrexed in patients with metastastic lung adenocarcinoma with EGFR mutations. J Clin Oncol 3. 1-11. 2013 Mok TS, Leong SS, Liu X et al.: Gefitinib (G) vs Carboplatin / Paclitaxel (C/P) in clinically selected chemonaive patients (pts) with advanced non-small cell lung cancer (NSCLC) in Asia (IPASS): randomized, openlabel, phase III study. J Thorac Oncol 3. 302. 2008 Smit EF, Carney DN, Harford P et al.: A phase II study of oral etoposide in elderly patients with small cell lung cancer. Thorax 1989;44: 63-33 Pirker R, Pereira JR, Szczesna A et al.: Cetuximab plus chemotherapy in patients with advanced non-smallcell lung cancer (FLEX): an open-label randomised phase III trial. The Lancet 373, 1525-1531. 2009 Reck et al. ASCO #7082 J Clin Oncol 2010. RKI. Robert Koch Institut. Krebs in Deutschland 2007/2008. Berlin 2012 Schiller JH, Harrington D, Belani CP et al.: Comparison of Four Chemotherapy Regimens for Advanced Non– Small-Cell Lung Cancer. N Eng J Med 2002. 346. 92-98. AUTOREN: Oberarzt Dr. med. Jochem Potenberg Ärztlicher Leiter und Koordinator des Ambulanten Onkologischen Zentrums [email protected] Dr. rer. med. Gisela Sproßmann-Günther Leiterin der Zentralapotheke [email protected] Evangelisches Waldkrankenhaus Berlin Spandau LITERATUR Bang Y, Kwak EL, Shaw AT et al.: Clinical activity of the oral ALK inhibitor PF-02341066 in ALK-positive patients with non-small cell lung cancer (NSCLC). J Clin Oncol 28:18s, 2010 (suppl; abstr 3) Mündliche Gruppen-Prüfung im Rahmen der PTA-Weiterqualifizierung: „PTA Onkologie (DGOP)“ Cappuzo F, Ciuleanu T, Stelmakh L et al.: SATURN: A double-blind, randomized, phase III study of maintenance erlotinib versus placebo following nonprogression with first-line platinum-based chemotherapy in patients with advanced NSCLC. #8001 ASCO 2009 Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden: Cobo Dols M , Gil Calle S, Villar Chamorro E et a.: First line oral vinorelbine in elderly patients with advanced non-small-cell lung cancer. Oncología, 2007; 30 (1):12-20 Cowling P: WHO Tumours of the lung. 2011. 10-124 Goeckenjan G, Dienemann H, Müller-Nordhorn J et al.: Prävention; Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms. Interdisziplinäre S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Krebsgesellschaft: Pneumologie 2010. 64. Supplement 2. 23-155. Herbst R, Giaccone G, Schiller JH et al.: Gefitinib in combination with paclitaxel and carboplatin in advanced non-small-cell lung cancer: a phase III trial – INTACT2. J Clin Oncol 22: 785-794. 2004 Jackman DM, Yeap BY, Sequist LV et al.: Exon 19 deletion mutations of epidermal growth factor receptor are associated with prolonged survival in non-small cell lung cancer patients treated with gefitinib or erlotinib. Clin Cancer Res. 2006 Jul 1; 12(13):3908-14. am 24. Januar 2014 Dürschke, Katja/Dresden Guderian, Danilo/Dresden Karl, Monika/Eschweiler Knetsch, Heike/Wetzlar Mayer, Katharina/Augsburg Silex, Dorina/Eschweiler am 25. Januar 2014 Hoffmann, Marie/Zittau Huber, Daniela/Berlin Jost, Patrick/Dresden Konietzny, Sylvia/Mannheim Ochtendung, Birgit/Andernach Paul, Nina/Berlin Richter, Karina/Leipzig Rieger, Uta/Esslingen Schmidt-Jung, Bärbel/Eschweiler Winter, Petra/Bruchsal Janne PA, Wang XF, Socinski MA et al.: Randomized phase II trial of erlotinib (E) alone or in combination with carboplatin/paclitaxel (CP) in never or light former smokers with advanced lung adenocarcinoma: CALGB 30406. J Clin Oncol 28:15s, 2010 # 7503 12 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 am 2. März 2014 Glaß, Brigitte/Köln Kuhn, Julia/Offenburg Lanfersiek, Anne/Neuruppin Levi, Sarah/Paderborn Münch, Susanne/Berlin Netscho, Anja/Schweinfurt Reifert, Heike/Jena Rettkowski, Rainer/Blankenburg Rohlfing, Mara/Soltau Woyte, Christin/Stendal am 30. März 2014 Anders, Helene/Frankfurt Frlan, Monika/Gröbenzell Kowalski, Sarah/Gröbenzell Luppa, Sabrina/Dormagen Münch, Bettina/Berlin Niedermaier, Arabella/Frankfurt Rüdig, Melanie/Köln Störmer, Claudia/Neuss Wilbertz, Andrea/Trier Winterl, Christina/Regensburg Wolfschlag, Antonia/Fulda Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen Von Jörg Kluge, Erfurt D as Lungenkarzinom steht, mit ca. 34 000 Männern und 16 000 Frauen pro Jahr, an 3. Stelle bei den Krebsneuerkrankungen in Deutschland bei beiden Geschlechtern. Während bei den Männern die Inzidenz in den letzten 10 Jahren weitgehend stabil geblie­ ben ist, zeigt sich bei den Frauen eine ansteigende Neuerkrankungsrate (1). Bei den Krebssterbefällen führt das Lungenkarzinom bei den Männern mit ca. 30 000 Patienten pro Jahr, bei den Frauen liegt es an 3. Stelle mit ca. 13 000 Patientinnen pro Jahr in Deutschland. Die 5-JahresÜberlebensrate für alle diagnostizierten Lungenkarzinome hat sich in den letzten Jahren kaum verändert und liegt, über alle Tumorstadien, bei unter 20 % (1). Risikofaktoren Tabakrauch ist der Risikofaktor Nummer 1 des Lungenkarzinoms, 9 von 10 Fällen bei den Männern und 6 von 10 Fällen bei den Frauen werden darauf zurückgeführt (2). Gerade bei den Frauen wird die zunehmende Inzidenz zum einen mit der Anpassung der Rauchgewohnheiten an die Männer, zum anderen aber auch auf den hohen Anteil von Passivraucherinnen bei rauchenden Lebenspartnern zurückgeführt (3). Als weitere Risikofaktoren werden kanzerogene Stoffe (bis 10%) wie Asbest, Quarzstäube, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Nickelstäube, Radon oder andere ionisierende Strahlung angegeben (4). G e n e t i s c h e Fa k t o r e n , w i e a u c h Virusinfektionen (Humanes Papillomavirus, Eppstein-Barr-Virus) sind weitere mögliche Risikofaktoren (4). Die schlechte Prognose des Lungenkarzinoms ist zu einem großen Teil der späten Diagnostik geschuldet. Es sind keine echten Frühsymptome bekannt. Die auftretende Symptomatik hängt häufig von der Tumorlokalisation ab. Bluthusten (Hämoptysen/Hämoptoe), Reizhusten, der länger als 3 Wochen anhält, Luftnot und thorakale Schmerzen sind klinische Zeichen, die eine weiterführende Diagnostik nach sich ziehen müssen. Allgemeine Symptome wie Gewichtsverlust, Nachtschweiß und Leistungsknick bieten zusätzliche Hinweise. In den USA konnte mit dem National Lung Screening Trail mit insgesamt 53 000 Probanden an 33 Zentren gezeigt werden, wie in einer Hochrisikogruppe (starke Raucher, 55 – 74 Jahre alt) durch ein CT-Screening die Sterblichkeit an der Tumorerkrankung um 20 % gesenkt werden konnte (5). Behandlungsoptionen beim Lungenkarzinom Beim Lungenkarzinom wird nach dem histologischen Bild zwischen dem Abb. 1: TNM – Klassifikation Lungenkarzinom Sobin LH, Gospodarowicz MK, Wittekind Ch; TNM Classification of Malignant Tumours, 7th Edition 2009 T1 ≤ 3 cm T1a ≤ 2 cm T1b ≥ 2 cm aber ≤ 3 cm T2 > 3 cm aber ≤ 7 cm oder Invasion der visceralen Pleura Hauptbronchus ≥ 2 cm von der Karina, partielle Atelektase T2a > 3 cm aber ≤ 5 cm T2b > 5 cm aber ≤ 7 cm T3 > 7 cm oder Infiltration Brustwand, Zwerchfell, Nervus phrenicus mediastinale Pleura, Perikard, Hauptbronchus < 2 cm von Karina totale Atelektase, getrennter Tumorherd im selben Lappen T4 jede Tumorgröße mit Infiltration Mediastinum, Herz, große Gefäße Trachea, Nervus laryngeus recurrens, Ösophagus, Wirbelkörper, Karina, getrennter Tumorherd in anderem ipsilateralem Lappen N1 ipsilaterale peribronchiale/hiläre Lymphknoten N2 ipsilaterale mediastinale/subkarinale Lymphknoten N3 kontralaterale mediastinale, hiläre, ipsi- oder kontralaterale Skalenus- oder supraklavikuläre Lymphknoten M1a Tumorherd in kontralateraler Lunge, pleurale Tumorherde, Pleura- oder Perikarderguss M1bFernmetastasen Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 13 Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC – non small cell lung cancer) ca. 80 - 85 % aller Tumoren und dem kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC – small cell lung cancer) ca. 15 - 20 % aller Tumoren unterschieden. Im Folgenden wird auf die Behandlung des NSCLC eingegangen. Die operative Behandlung stellt nach wie vor die einzige Therapie mit potentiell kurativem Ansatz dar. Nur ca. 20 - 30 % der diagnostizierten Patienten werden operiert. Zum einen werden auf Grund der fehlenden Frühsymptome die meisten Patienten erst in einem metastasierten Tumorstadium diagnostiziert und scheiden deshalb für eine Operation aus. Zum anderen ist ein Teil der von lokaler Seite operablen Patienten auf Grund einer kardialen Komorbidität oder anderer raucherassoziierter Erkrankungen, wie z.B. einer höhergradigen COPD, funktionell nicht operabel. Als palliative Therapieverfahren kommen bei metastasierten Tumorstadien die Chemotherapie sowie die Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie zur Anwendung. Bei lokalisierten Tumorstadien und nicht gegebener funktioneller Operabilität des Patienten steht die Bestrahlung, eventuell stereotaktisch zur weitestgehenden Schonung des gesunden Lungengewebes, als palliative Therapieoption zur Verfügung. Bei Patienten mit genetischen Veränderungen des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) oder Nachweis des EML4/ ALK-Fusionsonkogens werden heute Tyrosinkinaseinhibitoren auch in der Erstlinientherapie eingesetzt. Abb. 2: Stadieneinteilung Lungenkarzinom Goldstraw P, Shepherd FA, Pass HI, The International Staging System for Lung Cancer; ASCO 2009 Educational Book IA Jedes T1 N0 M0 IB T2a N0 M0 IIA Jedes T1 N1 M0 T2a N1 M0 T2b N0 M0 T2b N1 M0 T3 N0 M0 JedesT1 N2 M0 Jedes T2 N2 M0 T3 N1, N2 M0 T4 N0, N1 M0 Jedes T1–3 N3 M0 T4 N2, N3 M0 Jedes T Jedes N Jedes M1 IIB IIIA IIIB IV Präoperative Diagnostik Zur präoperativen Diagnostik gehört zum einen die Festlegung der prätherapeutischen Tumorstadiierung durch Bestimmung von Tumorgröße und -lage (T), Vorhandensein oder Ausschluss sowie Lokalisation einer lymphogenen Metastasierung in die Lymphknoten (N) sowie einer hämatogenen Metastasierung in andere Organe (M) (Abb. 1 und 2). Zum anderen muss über eine funktionelle Diagnostik die kardiorespiratorische Reserve des Patienten bestimmt werden. Im Ergebnis steht die Aussage, ob der Patient für einen definierten operativen Eingriff operabel ist oder nicht. Am Anfang der prätherapeutischen Tumorstadiierung mittels bildgebender Abb. 3: Röntgen – Thorax p.a. mit einem Lungenkarzinom im rechten Lungenoberlappen Abb. 4: CT – Thorax des Patienten aus Abb. 3 14 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Verfahren steht das Röntgen des Thorax, idealerweise in 2 Ebenen (Abb. 3). Bei auffälligem Befund schließt sich eine CT des Thorax – mit Kontrastmittel und Beurteilung von Nebennieren und Leber an. Mit der CT ist eine genaue Größenbestimmung des verdächtigen Befundes möglich und die Lagebeziehung zu den bronchialen Strukturen, Gefäßen, mediastinalen Strukturen sowie Brustwand und Zwerchfell wird erkennbar (Abb. 4). Außerdem kann bereits der Verdacht auf Metastasen in der Lunge, Leber oder Nebenniere geäußert werden. Bei Nachweis oder dringendem Verdacht auf ein Karzinom der Lunge und möglichem kurativen Therapieansatz schließt sich entsprechend der S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Lungenkarzinoms immer eine PET-CT mit Fluor-18Fluorodesoxyglukose (FDG) zum Nachweis bzw. Ausschluss einer lymphogenen und/oder hämatogenen Metastasierung und zur metabolischen Beurteilung des Primärtumors an (Abb. 5) (4). Sollte im PET–CT der Verdacht auf eine lymphogene mediastinale Metastasierung geäußert werden, so muss die zytologische oder histologische Abklärung dieser Befunde erfolgen. In vielen Fällen gelingt das durch eine sonografiegestützte Punktion mittels Endobronchialem Ultraschall (EBUS) eventuell in Kombination mit der transösophagealen Endosonografie (EUS). Sollte dieses Verfahren nicht verfügbar sein oder im Ergebnis der EBUS-Untersuchung eine negative Aussage resultieren, muss sich eine Mediastinoskopie zur histologischen Abklärung anschließen (4). Die flexible Bronchoskopie in Lokalanästhesie gehört zur Basisdiagnostik beim Verdacht auf ein Lungenkarzinom. Mit ihr gelingt in vielen Fällen die histologische Sicherung des Tumors, entweder durch direkte Biopsie bei endobronchial sichtbaren Tumoren oder durch transbronchiale Biopsie unter Röntgendurchleuchtung. Bei endobronchial sichtbaren Tumoren ist vor einer Operation die Beurteilung der möglichen Resektionsebene durch die Bronchoskopie zu eruieren, potentielle Absetzungsstellen zu biopsieren. Auch vorliegende Anomalien in der Verzweigung des Bronchialbaums sind vor einer geplanten Operation durch eine Bronchoskopie zu detektieren. Um das Zugangstrauma für die Patienten zu minimieren, hat sich in vielen Zentren bei geeigneten Tumoren die Lobektomie in minimal-invasiver videoassistiert thorakoskopischer Operationstechnik (video-assisted thoracic surgery = VATS) etabliert. McKenna konnte unizentrisch an über 1.100 VATS-Lobektomien aufzeigen, dass das Verfahren technisch sicher mit geringer Morbidität und vergleichbarem onkologischen Outcome durchführbar ist (7). Da es bisher keine publizierten prospektiv randomisierten Studien zum Vergleich offene versus VATS-Lobektomien gibt und es sich im Kollektiv der thorakoskopisch operierten Patienten um ein selektioniertes Kollektiv handelt, wird in der derzeitig gültigen Fassung der S3-Leitlinie noch keine Empfehlung zur VATS-Lobektomie ausgesprochen (4). Sogenannte limitierte Resektionen, d.h. Keil­resektionen des Tumors mit einem Sicherheitsabstand, ohne Berück­ sichtigung der anatomischen Strukturen (atypische Resektion) und anatomische Segmentresektionen finden heute Anwendung bei kleinen Tumoren und Abb. 5: F 18 – FDG – PET – CT des Patienten aus Abb. 3 mit einem PET positiven Lungenkarzinom ohne lymphogene oder hämatogene Metastasierung Gelingt die histologische Sicherung über eine Bronchoskopie nicht, schließt sich die CT-gestützte Punktion des Tumors zur Sicherung der Malignität an. Das MRT des Thorax bleibt speziellen Fragestellungen wie der Infiltration von Brustwand, Mediastinum und Wirbelkörpern vorbehalten und kann speziell bei der OP-Vorbereitung eines Sulcus-superiorTumors von großer Wertigkeit sein (6). Im Rahmen der funktionellen Diagnostik stehen an erster Stelle die Bodyplethysmografie und die arterielle Blutgasanalyse. Bei einer FeV1 > 80% und einer TLCO > 60 % ist der Patient bis zur Entfernung eines Lungenflügels (Pneumonektomie) operabel (4). Die weitere Abstufung hängt vom geplanten Resektionsausmaß ab und muss neben pulmonalen Begleiterkrankungen, wie die häufig zusätzlich bestehende COPD auch die kardialen Komorbiditäten berücksichtigen. Zur weiteren Risikostratifizierung werden die Lungenperfusionsszintigrafie und die Spiroergometrie eingesetzt. Bestandteile der Lungenfunktionstestung FEV1: Einsekundenkapazität (engl. Forced Expiratory Pressure in 1 Second), die größtmögliche Menge an Luft, die innerhalb von 1 Sekunde forciert ausgeatmet werden kann. TLCO: Transfer-Faktor für CO, die Diffusionskapazität der Lunge. Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms In frühen Tumorstadien (Stadium I/II), das heißt bei Tumoren ohne hämatogene Fernmetastasierung und fehlender lymphogener Metastasierung oder Metastasierung in die ipsilateralen peribronchialen oder hilären Lymphknoten (N1), möglicher technischer Operabilität und ausreichender funktioneller Reserve ist die Operation das Verfahren der Wahl. Als operativer Standard gilt die Entfernung des tumorbefallenen Lungenlappens (Lobektomie) mit systematischer ipsilateraler Lymphknotendissektion mediastinal, hilär und interlobär. Die durchschnittliche Letalität liegt dabei bei 3,5 % (4). Patienten, denen auf Grund funktioneller Limitierung eine Lobektomie nicht zumutbar erscheint. In einer kontrolliert randomisierten Studie zum Vergleich Lobektomie versus limitierte Resektion im Stadium I wurde eine dreifach höhere Rezidivrate bei den limitierten Resektionen nach 5 Jahren beschrieben (8). In anderen Arbeiten konnte bis zu einer Tumorgröße von 2 cm kein Unterschied im 5-Jahres-Überleben nachgewiesen werden, bei größeren Tumoren bis 3 cm scheint die Segmentresektion der Lobektomie bei sicherer R0-Resektion noch gleichwertig. Die atypische Resektion zeigt hier jedoch deutlich schlechtere Ergebnisse als die anatomische Resektion (9). In seltenen Fällen ist eine Entfernung des kompletten Lungenflügels (Pneumo­ nektomie) bei einem zentral in der Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 15 Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen Lungenwurzel sitzenden Tumor notwendig (Abb. 6 und 7). Durch entsprechende operative Techniken, mit Reanastomosierung resezierter Bronchus- und/oder Gefäßanteile, sogenannter broncho- und/oder angioplastischer Resektionen, oder auch Sleeve- oder Manschettenresektionen, kann bei einigen Patienten eine Pneumonektomie vermieden werden. Dadurch werden vergleichbare 5-JahresÜberlebenszeiten (Manschettenresektion versus Pneumonektomie, 49% versus 51%) bei geringerer perioperativer Letalität (4% vs. 6%) und besserer Lebensqualität erreicht (10). Die Rezidivrate gegenüber der Pneumonektomie ist jedoch etwas höher (11). Eine Infiltration der Brustwand oder des Zwerchfells stellt in der Regel keine Kontraindikation zur Operation dar. Entscheidend für die Prognose in diesen Fällen ist neben dem Lymphknotenbefall (5-Jahre-ÜL pN0 44% versus pN1 26%) und der R0-Resektion des Befundes (5-Jahre-ÜL R0 27% versus R1 7%) die En-bloc-Resektion des Befundes ohne Eröffnung des Tumors (11, 12). Während die Sinnhaftigkeit einer Operation bei einem N1-Lymphknotenbefall unstrittig ist, ist die Situation im Stadium IIIa – N2 differenziert zu betrachten. Während die Stadien IIIa(1) und IIIa(2) nach der Robinson-Klassifikation (Abb. 8) postbzw. intraoperative Situationen beschreiben und eine adjuvante Therapie, im Sinne einer Chemotherapie mit eventuell nachfolgender mediastinaler Radiotherapie, angeschlossen wird und in der Situation IIIa(4) eine operative Therapie onkologisch nicht sinnvoll erscheint, ist das Vorgehen bei IIIa(3) der präoperativen Sicherung einer oder mehrerer mediastinaler befallener Lymphknotenstationen uneinheitlich (4). Die therapeutischen Möglichkeiten bilden hier die adjuvante versus neoadjuvante Systemtherapie unter Einschluss der Operation bzw. Radiotherapie versus Operation zur lokalen Kontrolle (4). Im Stadium IV der Erkrankung, bei nachgewiesener Fernmetastasierung, besteht bei den meisten Patienten nur noch die Möglichkeiten der Behandlung in einem palliativen Therapiekonzept. Ausnahmen mit der Möglichkeit eines kurativen Therapieansatzes bestehen bei nachgewiesener singulärer Metastasierung in Hirn oder Nebenniere. Abb. 6: CT – Thorax mit einem zentralen Lungenkarzinom links Sollte der Primärtumor lokal operabel sein, keine mediastinale Lymphknotenmetastasierung vorliegen und die Metastasen kurativ behandelbar sein, so erfolgt im ersten Schritt die Resektion der zerebralen Metastase oder die radiochirurgische Behandlung, mit oder ohne anschließender Ganzhirnbestrahlung, bei einer solitären Nebennierenmetastase die Adrenalektomie (4). Anschließend wird der primäre Lungentumor nach onkologischen Gesichtspunkten reseziert mit einer systematischen mediastinalen Lymphadenektomie. Daran schließt sich eine postoperative Chemotherapie an (4). Abb. 7: Röntgen – Thorax p.a. des Patienten aus Abb. 6 bei Zustand nach Pneumonektomie links Die Operation kann auch bei T4-Tumoren im Stadium T4N0/1 (Stadium IIIb) bei selektionierten Patienten onkologisch sinnvoll sein. Hier kann die Operation bei Befall der Hauptkarina, minimaler TracheaBeteiligung, minimalem Befall des rechten Vorhofs, Infiltration der V. cava oder der Pulmonalarterie, ipsilateraler Metastase in einem anderen Lappen bei technischer Operabilität und Ausschluss von mediastinalen Lymphknotenmetastasen durchgeführt werden (4). Abb. 8: Die Behandlung dieser Patienten sollte an spezialisierten Zentren nach interdisziplinärer Diskussion (Thoraxchirurg, Pneumologe, Onkologe, Radioonkologe, diagnostischer Radiologe) im Tumorboard und möglichst in Studien erfolgen (4). 16 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Bei solitären, synchronen zerebralen Metastasen können so 5-JahresÜberlebensraten zwischen 11% u n d 5 2 % e r re i c h t we rd e n ( 1 3 - , 15). Bei solitären synchronen Nebennierenmetastasen liegen die 5-JahresÜberlebensraten zwischen 11% und 20% (16, 17). Isolierte pulmonale Lungenmetastasen in der kontralateralen Lunge bedeuten ebenfalls ein Stadium IV. Auch hier empfiehlt sich, auch zum sicheren histologischen Nachweis, die Resektion zunächst der Metastase oder bei Vorliegen eines anderen histologischen Befundes des Zweittumors. Chirurgische Therapie des Lungenkarzinoms – Möglichkeiten und Grenzen Tö n n i s e t a l . k o n n t e n i n i h re m Patientenkollektiv bei isolierter pulmonaler kontralateraler Metastase eine 5-JahresÜberlebensrate von bis zu 77 % nachweisen, bei Zweittumoren bis zu 56 %. Auch hier zeigten die Patienten mit mediastinalem Lymphknotenbefall (N2) ein deutlich schlechteres Überleben (18). Fazit Das Lungenkarzinom ist ein häufiger Tumor und steht bei beiden Geschlechtern an 3. Stelle bei den Krebsneuerkrankungen in Deutschland. Die Prognose ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von < 20% über alle diagnostizierten Tumorstadien schlecht. Da die chirurgische Resektion des Tumors die einzig potentiell kurative Therapieoption darstellt, gilt es durch eine abgestufte Diagnostik die Patienten zu selektionieren, die von einer Operation profitieren können. Neben der Tumor- und Umgebungsdiagnostik kommt dabei auch der funktionellen Diagnostik des Patienten eine entscheidende Bedeutung zu. In den frühen Tumorstadien I und II ist beim funktionell operablen Patienten die chirurgische Resektion das Verfahren der Wahl. Aber auch im Stadium III und IV gibt es Patientengruppen, denen im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes unter Einschluss der Operation ein kurativer Therapieansatz angeboten werden kann. Die technische Operabilität kann nur durch einen erfahrenen Thoraxchirurgen beurteilt werden. J e d e r Pa t i e n t m i t d e r D i a g n o s e Lungenkrebs muss heute, wie auch alle anderen Tumorentitäten, in einem spezialisierten Zentrum in der interdisziplinären Diskussion aller an der Behandlung beteiligter Fachdisziplinen besprochen und das individuelle Therapiekonzept festgelegt werden. LITERATUR: 1Krebs in Deutschland 2007/2008, Zentrum für Krebsregisterdaten, Robert Koch-Institut Berlin, 8. Ausgabe 2012 2Mc Neill A. Tobacco use and effects on health. In Prepared by the Aspect Consortium, European Commission Luxemburg: Office for Official Publication of the European Comminities, 2004: 25-68 3Brennan P, Buffler PA, Reynolds P et al. Second hand smoke exposure in adulthood and risiko of Lung cancer among never smokers: a pooled analysis of two large studies. Int J Cancer 2004; 109: 125 – 131 4Goeckenjan G et al. Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms. Interdisziplinäre S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Krebsgesellschaft. Pneumologie 2010;64, Supplement 2: e1 – e164 5The National Lung screening trial Team. Reduced Lung – Cancer Mortality with Low-Dose Computed Tomographic Screening. N Engl J Med 2011; 365: 395 - 409 16 Luketich JD, Burt ME. Does resection of adrenal metastases from non-small cell lung cancer improve survival? Ann Thorac Surg 1996; 62: 1614 – 18 17. Porte HL, Siat J, Lepimpec-Barthes F et al. Resection of adrenal metastases from non-small cell lung cancer: a multicenter study. Ann Thorac Surg 2001;71: 981 – 95 18. Tönnies M, Kollmeier J, Bauer T, Griff S, Kaiser D. Kurativer chirurgischer Therapieansatz bei solitär pulmonal metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom. Pneumologie 2012; 66: 197 - 202 AUTOR: Chefarzt Dr. med. Jörg Kluge Klinik für Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie Helios Klinikum Erfurt Email: [email protected] 6 MacDonald SL, Hansell DM. Staging of non-small cell lung cancer: imaging of in intrathoracic disease. Eur J Radiol 2003; 45; 18-30 7 McKenna RJ, Houck W, Fuller CB. Vide - Assisted Thoracic Surgery Lobectomy: Experience with 1100 cases. Ann Thorac Surg 2006; 81: 621 – 26 8. Ginsberg RJ, Rubinstein LV. Randomized trial of lobeczomy versus limited resection for T1N0 nonsmall cell lung cancer. Lung Cancer Study group. Ann Thorac Surg 1995; 60:615 – 22 9. Okada M, Nishio W, Sakamoto T et al. Effect of tumor size on prognosis in patients with non – small cell lung cancer. The role of segmentectomy as a type of lesser resection. J Thorac Cardiovasc Surg 2005;129: 87-93 10. Ferguson MK, Lehmann AG. Sleeve lobectomy or pneumonectomy: optimal management strategy using decision analysis techniques Ann Thorac Surg 2003; 76: 1782 – 88 11. Detterbeck FC. General aspects of surgical treatment In: Detterbeck FC, Rivera MP, Socinski MA, Roseman JG,Hrsg. Diagnosis and treatment of lung cancer: an evidence-based guid for the practicing clinician. Philadelphia:Saunders,2001: 133 – 47 12. Scott WJ , Howington J, Movsas B. Treatment of stage II non-small cell lung cancer. Chest 2003; 123:188S – 201S 13Bonnette P,Puyo P, Gabriel C et al. Surgical management of non- small cell lung cancer with snchronous brain metastases. Chest 2001; 119:1469 – 75 14Furak J, Trojan I, Szoke T et al. Lung cancer and its operable brain metastasis: survival rate and staging problems. Ann Thorac Surg 2005;79: 241 – 47 15Khan AJ, Metha PS, Zusag TW et al. Long term disease-free survival resulting from combined modality management of patients presenting with oligometastatic non - small cell lung carcinoma (NSCLC). Radiother Oncol 2006; 81: 163 – 67 Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 17 Kommentar des Herausgebers Kommentar des Herausgebers Erlebnisse können zu Erfahrungen werden Klaus Meier D ie Deutsche Gesellschaft für On­ kologische Pharmazie existiert als organisierter Zusammenhalt von Menschen, die sich und ihre Kenntnis­ se zum Wohle von Krebskranken ein­ bringen wollen, seit über 20 Jahren, auch wenn die offizielle Gründung erst ein paar Jahre später stattfand. Seit dieser Zeit werden nicht nur jähr­ lich Fachkongresse gestaltet, sondern auch innerhalb des Jahres Workshops und Treffen zum wissenschaftlichen Austausch organisiert1. Zu Beginn war die Onkologische Pharmazie eine Or­ chideenwissenschaft in den Augen der etablierten Pharmazie. Die Mehrzahl der Pharmazeuten verschwendete da­ rauf keinen Gedanken, obwohl schon zu dieser Zeit Krebs die zweithäufigste Todesursache war. Darauf aber Einfluss zu nehmen, schien nahezu unmöglich. Die wissenschaftliche Vertiefung in die Ursachen der Krankheit und die Fort­ entwicklung der Medikamente gegen das Krebswachstum wie auch die Früh­ erkennung als therapeutische Option machten Jahr für Jahr immense Fort­ schritte. Zu herstellenden Apotheken, die sich anfänglich als Goldgruben darstellten, gesellten sich nicht nur Herstellungs­ betriebe, sondern mittlerweile wird durch die steigende Anzahl von ora­ len Medikamenten gegen den Krebs jede Apotheke in Deutschland zu ei­ nem potentiellen Zentrum für spezielle Patientenberatung. Nicht nur Kenntnisse über Tumorthe­ rapeutika, sondern das Verstehen der Wirkung von Medikamenten und der Interaktionen mit weiteren verordneten Arzneimitteln, insbesondere auch in Hinblick auf die sich verändernden Kör­ perfunktionen, haben den Anspruch der Krebspatienten erhöht, in Apothe­ ken kompetente Partner beim Einsatz von Arzneimitteln beim Menschen vor­ zufinden. Dies hat sich nicht nur im gesetzlichen Anspruch der neuen Apothekenbe­ triebsordnung widergespiegelt, son­ dern auch in der vom Berufsverband angestoßenen Diskussion über das Berufsbild des Apothekers. Auch wir haben uns gefragt, was macht ein Apotheker, der mit dem Umgang von Krebsmedikamenten zu tun hat, wirklich, wie ist sein tägliches Handeln durch die damit verbundenen Abläu­ fe bestimmt? Zu diesem Zweck haben wir online unsere deutschsprachigen Apothekerinnen und Apotheker der europäischen Mitgliedschaft in der ESOP (European Society of Oncology Pharmacy) befragt. Spannendes tritt zu Tage, auch wenn wir die Ergebnisse erst auf der Europäischen Konferenz für Onkologische Pharmazie (ECOP 2) www.dgop.org; www.nzw.de; www.fortbildungsakademie.de 1 Wir berichten darüber für Sie in unserer nächsten Ausgabe. 2 18 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 in Krakau am 26.-28. Juni dieses Jah­ res präsentieren werden2, so darf doch jetzt schon festgehalten werden, dass eine Vertiefung der Befragung unbe­ dingt notwendig sein wird! Die Ergebnisse über die Art und Wei­ se der Kommunikation zwischen Arzt und Apothekern haben das Zeug in sich, eine Erfolgsstory für den onko­ logischen Patienten zu werden, vor al­ lem was seine Unterstützung während und nach der Therapie wie auch in der Nachsorge angeht. Insbesondere die Kenntnisse und Fertigkeiten bei der pharmazeutischen Begleitung bei der Einnahme oraler Krebsmedikamente sind unabdingbare Voraussetzungen, um den Therapieerfolg zu ermöglichen. Die jahrelangen Schritte hin zu einer besseren pharmazeutischen Betreu­ ung von Krebskranken werden dann mit Erfolg verbunden sein, wenn wir unsere Erlebnisse zu Erfahrungen wandeln und diese nutzbringend in der Wirklichkeit einbringen. Die fünfte Auflage der QuapoS (Quali­ tätsstandards für den pharmazeutischonkologischen Service) wird uns dabei eindrücklich unterstützen. 12.-13. Sept. 2014 München TDM in der Klinischen Onkologie TDM in der Klinischen Onkologie Überlegungen – pro und contra – beim Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren Dr. H.-P. Lipp, Universitätsapotheke Tübingen S chon seit vielen Jahren nimmt das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) von be­stimmten Arzneistoffen einen festen Platz in der täglichen klinischen Praxis ein. Allen voran sind es ausgewählte Antibiotika mit geringer therapeutischer Breite, wie z. B. Aminoglykoside, Vancomycin oder Flucytosin, Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin, Tacrolimus), Digitalisglykoside, Antiepileptika, wie z. B. Phenytoin oder Carbamaze­pin, aber auch sonstige Arzneistoffe wie z. B. Theophyllin [1]. In diesem Zusammenhang ist es zweifelsohne überraschend, wenn bei den Zytosta­ tika bisher nur das Antifolat Methotrexat (MTX) routinemäßig Gegenstand von TDM-Untersuchungen ist, da doch fast alle Vertreter dieser Stoffklasse eine Tab. 1: Beschriebene Korrelationen zwischen Imatinib-Pharmakokinetik und klini­schem Ansprechen (mod. nach [3]) Studiengruppe Patienten (n) Imatinib Dosis/Tag Imatinib (cmin (ng/ml) Korrelation zum klinischen Ansprechen Martin et al. (2010) 84 400 900 (400-1.600) ja (MMR) Picard et al. (2007) 50 18 400 600 1.058 ± 557 1.444 ± 710 ja (CCyR, MMR) Larson et al. (2008) 351 400 979 ± 530 ja (CCyR) Singh et al. (2009) 40 400 700 vs.2.340 ja Takahashi et al. (2010) 254 400 1.011 ±565 ja (MMR) Abkürzungen: MMR (größeres molekulares Ansprechen), CCyR (komplettes zytogenetisches Ansprechen) Tab. 2: Korrelation pharmakokinetischer Parameter mit Substanz-assoziierten Nebenwir­ kungen beim Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren in der Onkologie (mod. nach [7]) INN Tumorentität Parameter Toxizität Imatinib GIST AUC Neutropenie Dasatinib CML cmin Pleuraergüsse Nilotinib CML AUC cmin Hyperbilirubinämie QT-Intervall Erlotinib NSCLC AUC Hautausschläge Gefitinib NSCLC cmin Hautausschläge Sunitinib solide Tumoren cmin Hypertonie Sorafenib RCC cmin Hypertonie Abkürzungen: CML (chronisch myeloische Leukämie), GIST (gastrointestinaler Stroma­tumor), RCC (Nierenzellkarzinom), NSCLC (Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom), AUC (Fläche- unter der Konzentrations-Zeitkurve), cmin (Talspiegel), PFS (progressionsfreies Überleben), OS (Gesamtüberleben) 20 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 vergleichswei­se sehr geringe therapeutische Breite aufweisen [2]. Die Gründe hierzu sind sehr vielfältig und reichen von Problemen in der Standardisierung analytischer Methoden über die genaue Definition des therapeutischen Fensters bis hin zum Fehlen pros­ pektiver Studien, die bisher den Vorteil eines TDM zweifelsfrei herausarbeiten konn­ten. Als vor wenigen Jahren deshalb der Vorschlag in den Raum gestellt wurde, ein TDM wäre beim Einsatz oraler zielgerichteter Tumortherapeutika von Vorteil – allen voran bei den Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) – war zuerst wenig Zustimmung unter ver­ schiedenen Experten zu erkennen, inzwischen häufen sicher aber Hinweise, dass solche Vorschläge durchaus ihre Berechtigung haben. Erfahrungen mit Imatinib Ohne Zweifel hat die Einführung von Imatinib (Glivec®) die Behandlung der chronisch myeloischen Leukämie (CML) revolutioniert, da im Gegensatz zu vorangegangenen Therapieoptionen zum ersten Mal ein sehr hoher Grad an objektiv und zytogenetisch nachweisbaren Remissionen erreicht werden konnte (Tab. 1). Darüber hinaus konnte Patienten mit gastrointestinalen Stromatumoren eine neue überlebensverlängernde Therapie angeboten werden [3,4]. B e m e r k e n s w e r t w a re n i n d i e s e m Zusammenhang die klinisch-pharmakokinetischen Studienergebnisse von Teng. et al, als sie in ihren retrospektiven Erhebungen eine Kor­relation zwischen erreichten Plasmaspiegeln und der Wahrscheinlichkeit des Tumor­ansprechens bei CML herausarbeiten konnten. Lagen die Imatinib-Talspiegel (cmin)-Werte deutlich unter 1 μg/ml, so war die Wahrscheinlichkeit eines Therapieversagens auf der Basis ihrer Analysen signifikant höher, als wenn die Werte über 1 μg/ml lagen (Tab. 1). TDM in der Klinischen Onkologie Wenn man in diesem Zusammenhang einen ähnlichen Schwellenwert aus In-vitro-Untersuchungsergebnissen als Argumentationshilfe heranzieht, so sind die vorgestellten Ergebnisse von Teng et al. durchaus schlüssig, denn nur durch eine kontinuierliche Inhibition der bcr-ablassoziierten Tyrosinkinase lässt sich die CML auch effektiv kontrollieren. Ähnliche Beobachtungen gelten im Übrigen auch für die GIST-Kontrolle unter Imatinib, da eine Unterschreitung von cmin-Werten von 1,1 µg/ ml mit einem höheren Progressionsrisiko in Verbindung gebracht wurde [4]. Übersetzung auf andere bcr-ablassoziierte TKI möglich? Mit Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib und Ponatinib sind inzwischen bereits vier weitere Vertreter mit beachtlicher bcrabl-assoziierter TKI-Aktivität verfügbar. Allerdings unterscheiden sie sich von Imatinib nicht nur durch das pharmakodynamische Spektrum weiterer Tyrosinkinasen, die gleichzeitig erfasst und beeinflusst werden können, sondern auch durch ihr klinisch-pharmakokinetisches Profil und das je­weilige Nebenwirkungsspektrum. Diese Unterschiede dürften dazu beitragen, dass die gewonnenen Erkenntnisse zur Bedeutung von Talspiegeln beim Einsatz von Imatinib nicht 1:1 auf andere Vertreter der Wirkstoffklasse übertragen werden kön­nen. So wurde beispielsweise beim Dasatinib vielmehr eine Korrelation zwischen Talspiegeln und dem Auftreten von Pleuraergüssen beobachtet (Tab. 2) [5], während beim Nilotinib ein Zusammenhang zwischen supratherapeutischen AUC-Werten und dem Auftreten einer kritischen Verlängerung der QT-Zeit diskutiert wurde [6]. Über allen diesen Ergebnissen steht aber die Beobachtung, dass trotz verabreichter Standarddosen die interindividuellen Schwankungen der Plasmaspiegelverläufe in der täglichen Praxis doch beträchtlicher sind und waren, als man es ursprünglich an­genommen hatte (Tab. 3) [7]. Die Hintergründe sind bis heute nicht genau bekannt, da es nicht ausschließlich Ko­medikationen mit z. B. sehr potenten Cytochrom-P450-Induktoren oder -Inhibitoren waren, die das Auftreten von sub- und supratherapeutischen Spiegeln hätten leicht erklären können. Deshalb müssen viele andere variable Parameter, wie z. B. gene­tische Polymorphismen, transmembranäre Efflux- und Influx-Pumpen, mögliche Non-Adhärenzen, variable Einnahmezeitpunkte (z. B. vor oder nach dem Essen), aber auch nicht genau definierte Komedikationen – möglicherweise aus der komplementä­ren alternativen Medizin (CAM) – als mögliche Ursachen bis auf weiteres diskutiert werden [8]. Die dargestellten Ergebnisse machen aber auch deutlich, dass intermittierend abge­ nommene Blutproben hilfreich sein könnten, den Status quo eines Patienten unter TKITherapie zu erfassen und mögliche Faktoren, die die Entstehung von sub- oder supratherapeutischen Spiegeln begünstigen, rechtzeitig zu identifizieren [7]. Ausblick auf weitere TKI Inzwischen liegen eine Vielzahl von Untersuchungen vor, die die mögliche Rolle eines TDM beim Einsatz verschiedener TKI intensiver diskutieren (Tab. 4). Im Vordergrund dieser Untersuchungen stehen zum einen die beobachteten, teilweise beträchtlichen intra- und interindividuellen Schwankungen der klinischen Pharmako­ kinetik verschiedener TKI, zum anderen waren es beobachtete Korrelationen zwi­ schen definierten pharmakokinetischen Parametern und Nebenwirkungen oder der substanzspezifischen Wahrscheinlichkeit eines Tumoransprechens. Allerdings ist es die Basis retrospektiver Erhebungen, die immer wieder Kritiker auf den Plan ruft und die vorgestellten Ergebnisse für interessant aber nicht ausreichend hält, um daraus Tab. 3: Interindividuelle Schwankungsbreiten der AUC- bzw. cmin-Werte, die beim Einsatz oraler Tyrosinkinase-Inhibitoren beobachtet wurden (mod. nach [7]) Dosis AUC cmin Imatinib 400 mg 25 % 16-fach Nilotinib 400 mg bd 51,9 % 51,3 % Gefitinib 250 mg 15-fach 23-fach Erlotinib 150 mg 64 % 51 % Sunitinib 50 mg 41 % 54 % Sorafenib 400 mg bd 39-82 % 11-fach Temsirolimus 25 mg 26 % Tab. 4: Korrelation pharmakokinetischer Parameter mit Behandlungserfolgen beim Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren in der Onkologie (mod. nach [7]) INN Tumorentität Parameter Wirksamkeitsendpunkt Imatinib CML cmin Ansprechen GIST cmin PFS, Ansprechen Sunitinib GIST, RCC AUC PFS, OS Sorafenib RCC cmin PFS Erlotinib NSCLC cmin Ansprechen Gefitinib NSCLC cmin PFS Abkürzungen: CML (chronisch myeloische Leukämie), GIST (gastrointestinaler Stromatumor), RCC (Nierenzellkarzi­ nom), NSCLC (Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom), AUC (Fläche- unter der Konzentrations-Zeit­ kurve), cmin (Talspiegel), PFS (progressionsfreies Überleben), OS (Gesamtüberleben) Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 21 TDM in der Klinischen Onkologie weitreichende Empfehlungen für ein routinemäßig durchzuführenden TDM ableiten zu können. Tab. 5: Imatinib und sein aktiver Hauptmetabolit Desmethyl-Imatinib sind Gegenstand aktueller Untersuchungen zum TDM in der klinischen Onkologie, dabei spielen u. a. auch Fragestellungen zur Proteinbindung eine wichtige Rolle (mod. nach [9]) Parameter Mittelwert CV (%) niedrigster Wert höchster Wert Imatinib (ng/ml) 1.150 89 % 180 6.100 Imatinib (ng/ml) 309 81 % 3 130 ungebundene Fraktion (%) 3 57 % 1 10 N-Desmethyl-Imatinib (ng/ml) 765 121 % 91 5.365 N-Desmethyl-Imatinib (ng/ml) 21 28 % 15 38 ungebundene Fraktion (%) 5 71 % <1 16 AGP (g/L) 1.08 43 % 0.55 2.97 Albumin (g/L) 42.7 10 % 34 51.4 Diskussion Insbesondere die mehrfach bestätigten Korrelationen zwischen ImatinibTalspiegeln und der Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens bei CML- und GIST-Patienten hat die mögliche Bedeutung eines TDM beim Einsatz von TKI erheblich belebt [4]. Angesichts der inzwischen über 25 verschiedenen, derzeit verfügbaren, oral einsetz­b aren, zielgerichtet wirksamen Tumortherapeutika wäre die zukünftige Implementie­rung eines TDM in der klinischen Praxis eine echte Herausforderung. Allerdings darf bei allem Enthusiasmus in diesem Zusammenhang zum einen nicht vergessen wer­den, dass ein TDM zuerst die Definition eines therapeutischen Fensters voraussetzt [10], damit aus Messwerten auch eine ernsthafte Konsequenz gezogen werden kann. Zum anderen müssen entsprechend ausgerüstete analytische Einheiten vor­gehalten werden, deren Messergebnisse durch Ringversuche validiert sind. Immer wieder stellt sich heraus, dass 20-30 % (oder mehr) der Zentren, die ein TDM anbie­ten, im Rahmen eines zentral durchgeführten Ringversuchs nicht den vorgegebenen Mess-Streubereich von z. B. 80-120 % einhalten können. Gleichzeitig muss im Vorfeld geklärt sein, was genau zu messen ist (z. B. Ausgangssubstanz? Aktive Metaboliten? Gesamter Anteil im Plasma oder nur die nicht-gebundene Fraktion? Talspiegel (cminWerte), Spitzenspiegel (cmax-Werte) oder AUC-Werte?) (Tab. 5) [9]. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass ein TDM bei TKI als eine interessante Herausforderung für die Zukunft zu sehen ist, die allerdings noch eine erhebliche Wegstrecke zurücklegen muss, bis sie tatsächlich als etablierte Methode in der klinischen Onkologie entsprechend breite Anerkennung finden kann. LITERATURSTELLEN nicht-protein-gebunden nicht-protein-gebunden Abkürzungen: CV (Konfidenzintervall), AGP (Alpha-1-acides Glykoprotein) [1] Kang JS, Lee MH. Overview of therapeutic drug monitoring Korean J Intern Med 2009,24:1-10 [ 2] Le Guellec C, Blasco H, Benz I, et al. Therapeutic drug monitoring of methotrexate after its administration in high-dose protocols Therapie 2010;56:163-9 [ 3] Takahashi N, Miura M. Therapeutic Drug Monitoring of Imatinib for Chronic Myeloid Leukemia Patients in the Chronic Phase Pharmacology 2011;87:241-8 [4] Teng JF, Mabasa VH, Ensom MH: The role of therapeutic drug monitoring of imatinib in patients with chronic myeloid leukemia and metastatic or unresectable gastrointestinal stromal tumors Ther Drug Monit. 2012;34:85-97 [5] Wang X, Hochhaus A, Kantarjian H. Dasatinib pharmacokinetics and exposure response (E-R): relationship to safety and efficacy in patients (pts) with chronic myeloid leukemia (CML). J Clin Oncol 2008;26: 175s (suppl; abstr. 3590) [6] Larson RA, Yin OQ, Hochhaus A, et al. Population pharmacokinetic and exposure-response analysis of nilotinib in patients with newly diagnosed Ph+ chronic myeloid leukemia in chronic phase. J Clin Pharmacol 2012;68:723-733 [7] Gao B, Yeap S, Clements A, et al. Evidence for Therapeutic Drug Monitoring of Targeted Anticancer Therapies J Clin Oncol 2012;30:4017-4025 22 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 [8] Lipp H-P. K linisch relevante Wechselwirkungen mit peroral applizierbaren, zielge­richtet wirksamen Tumortherapeutika Onkologe 2013;19:870-7 [9] Gandia P, Arellano C, Lafont T, et al. Should therapeutic drug monitoring of the unbound fraction of imatinib and its main active metabolite N-desmethyl-imatinib be developed? Cancer Chemother Pharmacol 2013;71:531-6 [ 10]Brüggemann RJ, Touw DJ, Aarnoutse RE, et al. International interlaboratory proficiency testing program for measurement of azole antifungal plasma concentrations Antimicrob Agents Chemother 2009;53:303-5 22. NZW in Hamburg-Harburg 22. NZW Hamburg Der lange Weg von der Vision zur Realität Kongressbericht von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten B ei der Begrüßung zum 22. NZW in Hamburg zog DGOP-Präsident Klaus Meier eine positive Zwischenbilanz über das, was seit Gründung der DGOP erreicht wurde. Die Idee einer fundierten onkologischen Weiterbildung für Apotheker hat sich europaweit verbreitet. Ein sichtbares Zeichen dafür: zum ESOP-Meeting am Rande des NZW waren 25 Delegierte aus 25 Ländern gekommen. Europaweit wurden Standards für aseptisches Arbeiten installiert, eine Studie über Kontaminationen wird zurzeit in 20 Ländern durchgeführt. Besonders auch in Deutschland trägt die Überzeugungsarbeit der DGOP Früchte: 85 Apotheken befinden sich aktuell im Zertifizierungsprozess nach QuapoS (Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service). Wie kann es also sein, dass die Pharmazie beispielsweise im Deutschen Krebsplan keine Erwähnung findet? Offenbar gibt es hier eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung der Onkologischen Pharmazeuten. Ziel muss es sein, die Relevanz der Onkologischen Pharmazie in der Politik, bei den Ärzten und nicht zuletzt bei den Patienten deutlich zu machen. Die DGOP wird daher u.a. im Präsidium einen Ansprechpartner für Patientenfragen etablieren. Auch die Oralia-Initiative der DGOP nimmt Fahrt auf: 20 000 Apotheken bundesweit werden angesprochen mit dem Ziel, dass in der breiten Fläche Apotheker qualifizierte Berater für Patienten unter oraler Chemotherapie werden. Eine wichtige Rolle werden neben dezentralen Fortbildungen weiterhin die großen Kongresse der DGOP spielen: NZW Hamburg, NZW Dresden – und in diesem Jahr erstmals der NZW München, der nach 14 Jahren von Ravensburg in die bayrische Metropole umzieht. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 23 22. NZW in Hamburg-Harburg Prädiktive Molekularpathologie als Voraussetzung personalisierter Onkologie Prof. Dr. Manfred Dietel, Berlin Die ersten prädiktiven Biomarker, die in der Onkologie bestimmt wurden, waren Östrogen- und Progesteronrezeptoren in KRAS-MAPK signalling pathway Ligands Panitumumab and cetuximab inhibit ligand binding, dimeri- Y Y Vor einer stratifizierten (personalisierten) Tumortherapie, von der nur bestimmte Subgruppen von Patienten profitieren, müssen so genannte prädiktive Biomarker bestimmt werden, um die Wahrscheinlichkeit eines Therapieansprechens einschätzen zu können. Diese Biomarker werden in pathologischen Instituten in der Regel in Proben des Tumorgewebes analysiert. Nicht immer allerdings sind die molekulargenetischen Eigenschaften des Primärtumors und seiner Metastasen identisch. Auch innerhalb eines Tumors können sich Tumorzellen diesbezüglich unterscheiden. Da die Untersuchungen in der Regel an mehreren tausend Tumorzellen erfolgen, spielt die Unterschiedlichkeit der Zellpopulationen in der Diagnostik keine entscheidende Rolle. sation, activation of the receptor and the signalling pathway EGFR KRAS mutant KRAS (Wild-type) RAF Mutant KRAS constitutively active – 40% of patients* MEK ERK ELK Activation of • Proliferation • Angiogenesis • Malignant phenotype 10.04.2014 Nucleus Schubbert S et al. Nat Rev Cancer 2007;7:295-308; Institut für Pathologie Charité Berlin *Friday BB, Adjei AA. Biochim. Biophys.–Acta. 2005; 1756:127-144. 1 Abbildung 1 Tabelle 1: Targeted Therapies, Tumorentitäten und prädiktive Biomarker •Trastuzumab → metastatic breast cancer, overexpression/amplification of HER-2 •Cetuximab → metastatic colorectal cancer, overexpressing EGFR/wild-type KRAS •Panitumumab → colorectal cancer with wild-type KRAS (mutation excluded) •Gefitinib → non-small cell lung cancer with mutated EGFR •Erlotinib → non-small cell lung cancer with mutated EGFR •Crizotinib → non-small cell lung cancer with mutated EML4-ALK •Nimotuzumab → metastatic colorectal cancer (still experimental) •Lapatinib → metastatic breast cancer overexpression HER-2/neu (?) •Vemurafenib (PX4032) → malignant melanoma with mutated B-RAF •Imatinib → CML, bcr/abl–positive (activated PK), •Imatinib → GIST with activated c-kit receptor tyrosine kinase/CD117, exon 9 mut •Rituximab (+ CHOP), Y90-Ibritumomab, I131-Tositumomab → NHLymphoma with CD20 •Gemtuzumab-Ozogamicin → AML with CD33 ( > 60 yrs.), mal. melanoma •Tamoxifen+/- chemo → ER+/HER2 - breast cancer, mutation pattern, sogenannte Multigene Assays 24 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Mammakarzinomzellen. Inzwischen ist bei rund 35% aller Tumoren die Bestimmung prädiktiver Biomarker sinnvoll (Tabelle 1). Manuelle Mikrodissektion Bevor am Tumorgewebe molekulargenetische Analysen durchgeführt werden, ist es unabdingbar, dass ein erfahrener Pathologe geeignetes Tumorgewebe unter dem Mikroskop identifiziert und gewinnt. Dieser Teil der Diagnostik erfolgt also nicht automatisiert, sondern „von Hand“ (manuelle Mikrodissektion). Wird ungeeignetes Gewebe verwendet, besteht die Gefahr, falsch negative Befunde zu erhalten. Die anschließende DNA/RNA-Extraktion und Sequenzierung erfolgt automatisch. Zur Qualitätssicherung nehmen pathologische Institute regelmäßig an Ringversuchen teil. Werden die Qualitätsanforderungen erfüllt, erfolgt die Zertifizierung des Institutes (zertifizierte Institute findet man auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, www.dgp-berlin.de). 22. NZW in Hamburg-Harburg RAS-Mutation beim Kolonkarzinom therapiebestimmend 1.0 0.9 Proportion Event Free (%) Eine Blockierung des EGF-Rezeptors durch beispielsweise Cetuximab oder Panitumumab - zwei therapeutische Antikörper - ist nur sinnvoll, wenn die Tumorzellen einen RASWildtyp aufweisen. Das bedeutet: RAS wird nicht aktiviert, wenn in der Signalkette der Wachstumsstimulus „von außerhalb der Zelle“ ausbleibt. Bei mutiertem RAS „feuert“ RAS unabhängig von extrazellulären Signalen. Eine Blockierung des EGFRezeptors bewirkt in diesem Fall nichts (Abb. 1). Dies hat entscheidende Auswirkungen auf das ereignisfreie Überleben bei einer Therapie beispielsweise mit Panitumumab in Abhängigkeit vom RAS-Typ (Abb. 2; Pmab=Panitumumab, WT= Wildtyp, Mut= mutiert). Met. Colon-Ca: Wild-type/mut KRAS/BSC Pmab + BSC WT BSC alleine Pmab + BSC Mut 0.8 0.7 0.6 0.5 Events N (%) Median (weeks) 115/124 (93) 114/119 (96) 12,3 7,3 76/84 (90) 7,4 HR = 0,45 (95% CI: 0,34–0,59) Stratified log-rank, P < 0,0001 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 Weeks Patients at Risk Pmab + BSC 124 119 112 106 80 69 63 58 50 45 44 44 33 25 21 20 17 13 13 13 10 7 7 6 5 5 BSC alleine 119 109 91 81 38 20 15 15 14 11 10 9 9 6 6 6 6 5 4 3 3 2 2 2 2 1 Amado R, et al. ESMO 2007;a0007; JCO, 26 (2008 1626-1634 10.04.2014 2 Institut für Pathologie – Charité Berlin Abbildung 2 NSCLC: immer mehr Subgruppen identifizierbar In die Therapie des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms ist mit der Entwicklung zielgerichteter Therapien und entsprechender prädiktiver Biomarker Bewegung gekommen. Eine ganze Reihe von Subgruppen wurde bereits identifiziert (Abb. 3). Für die Zulassung neuer Substanzen wird seit einiger Zeit die Entwicklung des entsprechenden prädiktiven Biomarkers gefordert. So ist z.B. vor dem Einsatz des kürzlich zugelassenen TKI Crizotinib der Nachweis einer EML4-ALK Fusion obligat („ALK-positives NSCLC“, betrifft ca. 5-7% der Patienten). Subgruppenspezifische Therapie bei Melanomen Ungefähr die Hälfte der Patienten mit Malignem Melanom weist eine BRAF V-600 Mutation auf. Nur bei diesem Genotyp wirkt Vemurafenib, ein selektiver Inhibitor des Onkogens B-Raf, einer Serin/Threonin-Kinase. Wenngleich NSCLC: Past and Current Landscape 1999 Histology-driven selection1 2012 Targeting oncogenic drivers NO MUTATION DETECTED Adenocarcinoma Squamous-cell carcinoma Large cell carcinoma AKT1 NRAS MEK1 MET AMP HER2 PIK3CA BRAF 2% DOUBLE MUTANTS 3% EML4-ALK 7% KRAS 22% EGFR 17% Actionable driver mutations identified in 54% of lung adenocarcinoma tumours LCMC, Lung Cancer Mutation Consortium 10.04.2014 Kris MG, et al. Presented at ASCO 2011; Abstract CRA7506 Institut für Pathologie – Charité Berlin 3 Abbildung 3 Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 25 22. NZW in Hamburg-Harburg Vemurafenib keine kurative Therapie darstellt, können doch eindrucksvolle Remissionen bei BRAF V-600 mutierten Tumoren erzielt werden (Abb. 4). Bei auftretender Resistenz gegenüber Vemurafenib kann seit kurzem mit MEK-Inhibitoren der nächste Schritt in der Signalkaskade inhibiert werden (Abb. 5). Die Zukunft: Multigen-Assays Zunehmende klinische Bedeutung erlangen Multigen-Assays (wie Oncotype DX®, Mammaprint®, Endopredict Clin®) zum Beispiel bei der Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie beim Mammakarzinom. Klinische Parameter erlauben normalerweise eine Einordnung von Patientinnen hinsichtlich ihrer Prognose in die Kategorien „gut“, „schlecht“ und „intermediär“. Mithilfe von Multigen-Assays ist eine weitere Differenzierung der intermediären Gruppe möglich, die Patientinnen können dann jeweils der Gruppe mit guter oder schlechter Prognose zugeordnet werden. Dies erleichtert die Einschätzung, welche Patientinnen tatsächlich von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren können und bei welchen von einer Übertherapie, d.h. unnötige Chemotherapie, auszugehen wäre. Eine Patientin, die aufgrund des in Deutschland und Österreich entwickelten Multigen-Assays Endopredict Clin® in die Kategorie „low risk“ fällt, hat eine 96-prozentige Sicherheit, in den nächsten 10 Jahren keine Metastasen zu entwickeln. Der Endopredict Clin® wird mittlerweile von zahlreichen Krankenkassen bezahlt. FAZIT: Eine personalisierte Therapie von Tumorerkrankungen ist nur möglich anhand der Bestimmung prädiktiver Biomarker, mit denen Subgruppen von Tumorpatienten identifiziert werden, die von einer spezifischen zielgerichteten Therapie profitieren können. Zertifizierte pathologische Institute, die solche Biomarker schnell und zuverlässig bestimmen können, werden in der onkologischen Therapie zunehmend an Bedeutung gewinnen. Vemurafenib inhibits V600 mutated BRAF kinase Response to BRAF-inhibitors is given only if a BRAF mutation is present This has to be tested prior to the therapy. 10.04.2014 Institut für Pathologie – Charité Berlin 4 Abbildung 4 Vemurafenib inhibits V600 mutated BRAF kinase RTK RAS 50-60%* of melanomas V600mut RAF BRAF ATP MEK-IB ATP MEK • Constitutive activation is independent of extracellular factors VEMURAFENIB (PLX4032, RG7204, RO5185426) • Not responsive to normal regulatory signals ERK Cellular Proliferation Cellular Survival *Total V600 mutation rate for BRIM-3 (cobas® 4800 BRAF V600 Mutation Test); 9.9% of the cobas-positive cases subjected to retrospective Sanger sequencing had V600K mutations Abbildung 5 26 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 22. NZW in Hamburg-Harburg Drug Shortages How business interest and regulations compromise patient care Arnold G. Vulto, PharmD, FCP, Ph.D., Rotterdam, Niederlande Bereits seit dem Jahr 2002 dokumentiert die Apotheke der Erasmus-Universitätsklinik in Rotterdam Lieferengpässe für Arzneimittel. Seit geraumer Zeit betreffen solche Engpässe regelmäßig ca. 10 % der rund 3500 verschiedenen in der Apotheke bevorrateten Arzneimittel. Zurzeit ist ein zeitlicher Aufwand in der Größenordnung einer halben Apothekerstelle notwendig, um die Auswirkungen der Lieferschwierigkeiten zu managen. Unter den 15 Präparaten, die in den Jahren 2011-2013 am häufigsten nicht lieferbar waren, befinden sich 5 Onkologika: Mito­xantron (Sandoz), Bleomycin (Teva), Megestrol (Teva), Liposomales Doxorubicin ( Janssen-Cilag) und Cytarabin (Hospira). Bis auf das Bleomycin waren alle diese Präparate über längere Zeiträume nicht lieferbar. Insgesamt betrafen die Engpässe nicht nur Generikahersteller, sondern im gleichen Ausmaß innovative Firmen. Erklärung des Referenten zu möglichen Interessenskonflikten – einmal anders • I have a serious conflict of interest with drug suppliers that do not fulfill their obligations: deliver the drugs for which they have the privilege of a marketing authorization. • I perceive a serious conflict of interest between shareholders value of these companies and patients’ interests, that are my responsibility. • I do not have any personal business interest in any pharmaceutical company. Die Auswirkungen der Lieferengpässe in der Apotheke sind vielfältig: • Alternative Anbieter müssen gesucht werden – Beschaffung ist dann meist nur zu einem höheren Preis möglich. • Es müssen häufig ad hoc-Entscheidungen getroffen werden; kurzfristiges Ausweichen auf Alternativprodukte beinhaltet die Gefahr von Medikationsfehlern. • Zukäufe aus dem Ausland sind im Schnitt fünfmal so teuer. • Die Engpässe müssen klinikintern ausreichend kommuniziert werden (Zeitaufwand, Kommunikationsfehler). • Apothekern wird die Schuld für NichtLieferung zugeschrieben – Ansehensverlust für die Apotheke. Die Dutch National Working Party on Drug Shortages (www.medicijngebruik.nl) hat im Dezember 2012 ihren Abschlussbericht vorgelegt. Darin werden zur Vermeidung von Lieferengpässen folgende Maßnahmen vorgeschlagen: • Benennung und Quantifizierung der bestehenden Engpässe • Bessere Kooperation aller beteiligten staatlichen und nicht staatlichen Institutionen • Austausch über Erfahrungen im Umgang mit den Engpässen • Erfassung der Produktionskapazitäten in den Niederlanden und Europa •A n p a s s u n g v o n G e s e t z e n u n d Verordnungen • Einschätzung der voraussichtlichen Auswirkungen von Gesetzesänderungen auf den Markt • Sanktionen gegenüber Herstellerfirmen, wenn diese ihre gesetzlich verankerte Lieferpflicht nicht erfüllen • Genehmigung für GMP-zertifizierte Apotheken, fehlende Medikamente selbst herzustellen • Beschleunigte Zulassung und Erleichterung von Importen knapper Wirkstoffe Als wirksame Maßnahmen, um der Knappheit bestimmter Arzneimittel entgegenzutreten, werden vor allem spürbare Strafzahlungen für Firmen angesehen, die ihrer Lieferpflicht nicht nachkommen. Andererseits müssen die am Markt erzielbaren Preise in einer Größenordnung liegen, dass Herstellung und Vermarktung sich für die Firmen wieder lohnen. In den meisten Ländern hat die Preisregulation die Preise für Generika mittlerweile so stark gesenkt, dass etliche Hersteller aus der Produktion ausgestiegen sind. In der Apotheke des Rotterdamer Erasmus-Klinikums werden mittlerweile die Anbieter weniger aufgrund des Preises, sondern eher hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit und Lieferfähigkeit ausgewählt. FAZIT: Das Problem der Lieferengpässe bei generischen Onkologika wird sich langfristig nur lösen lassen, wenn her­ stellende Firmen wieder ausreichende Gewinnmargen erzielen können. Darü­ ber hinaus sind wirksame Sanktionen notwendig, wenn Firmen ihrer Liefer­ pflicht nicht nachkommen. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 27 22. NZW in Hamburg-Harburg Medikationsmanagement als Chance für onkologische Pharmazeuten Olaf Rose, Münster Apotheker sind in erster Linie Heilberufler und sollten ihr Wissen in ein Medikationsmanagement (MTM, MM) einfließen lassen, das von einer starken Patientenorientierung und einer engen Kommunikation mit den behandelnden Ärzten geprägt ist. Dies verbessert die Therapieergebnisse und spart sogar Kosten (weniger Medikamentenkosten, weniger Klinikaufenthalte). Eine Kostenreduktion um rund 25 % ist möglich, wenn aufgrund des Medikationsmanagements Wirkstoffe eingespart werden und weniger Arzneimittelinteraktionen und unerwünschte Wirkungen auftreten (Waltering/Kruse (2011): Pharmazeutische Betreuung in Altenund Pflegeheimen, LZG.NRW, WWU). In einer wegweisenden Studie steigerte gezieltes Medikationsmanagement den Anteil therapeutischer Ziele, die tatsächlich erreicht wurden, von 74 auf 89 % (Isetts BJ et al.: Quality assessment of a collaborative approach for decreasing drug-related morbidity and achieving therapeutic goals. Arch Intern Med. 2003 Aug 11-25;163(15):1813-20). Das Medikationsmanagement wurde mit der Änderung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) im Juni 2012 in den Katalog der pharmazeutischen Tätigkeiten aufgenommen. Die Definition bleibt auf die Analyse Arzneimittelbezogener Probleme (ABP) fokussiert (ApBetrO §1 (6)). Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) empfiehlt in Übereinstimmung mit dem Pharmaceutical Care Network Europe (PCNE) die Unterscheidung von drei verschiedenen Stufen (Statement der DPhG und der DPhG-FG Klinische Pharmazie vom 06.05.2013): 1. ein einfaches Medikationsmanagement anhand der in der Apotheke vorliegenden Daten (z.B. Rezepte, Selbstmedikation, Kundendatei). Hiermit können vor allem Beispiel Medikationsplan Haben alle Patienten von Ihnen einen Medikationsplan? Erstellen Sie zusammen mit der Praxis einen Plan und gehen Sie mit jedem Patienten diesen Plan durch! Olaf Rose, Pharm.D., Münster 2 Abbildung 1 Doppelverordnungen, Interaktionen und nicht plausible Dosierungen erkannt werden. 2. ein erweitertes Medikationsmanagement wie unter 1. beschrieben unter zusätzlicher Einbeziehung weiterer Informationen vom oder über den Patienten. Hiermit können auch unerwünschte Arzneimittelereignisse, Adhärenzprobleme und Anwendungsfehler erkannt werden. 3. ein klinisches Medikationsmanagement wie unter 2. beschrieben unter zusätzlicher Einbeziehung von ärztlichen Daten (z.B. Diagnosen, Labordaten). Hiermit kann die Medikation auch auf Indikationen und Kontraindikationen überprüft und die Dosierung der Arzneimittel an die Nieren- und Leberfunktion angepasst werden. Das Medikationsmanagement muss sich an der individuellen Kompetenz 28 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 des Apothekers orientieren. Wer wenig Erfahrung mit Medikationsmanagement hat, konzentriert sich am besten auf ‚Arzneimittelbezogene Probleme (ABP)‘, also auf die Arzneimittelsicherheit, nicht auf die Arzneimitteltherapiesicherheit. Wichtig ist ein Medikationsmanagement vor allem, wenn Patienten mehr als 5 Medikamente einnehmen. Das Medikationsmanagement (MM Stufe 1) umfasst: •Doppelverordnungen? • Interaktionen (auch mit OTC) • Gibt es Medikamente ohne Indikation? • Dosierungen plausibel? • Einnahmeintervalle, Einnahmezeitpunkte, Reichweite • Nebenwirkungen, Non – Compliance • Korrekte Anwendung •PRISCUS-Liste 22. NZW in Hamburg-Harburg H i l f re i c h i s t d a s E r s t e l l e n e i n e s Medikationsplanes für jeden Patienten (Abb. 1). Auch das Erfassen der Adhärenz ist essenziell, hier haben sich standardisierte Fragen bewährt: „Man vergisst ja aus vielerlei Gründen auch schon mal, seine Medikamente einzunehmen. Ist Ihnen das auch schon mal passiert?“ „Wie häufig kommt das vor?“ „Haben Sie dann das Dosierschema verändert?“ „Setzen Sie Tabletten/Sprays ab, wenn Sie sich besser fühlen?“ Onkologisch qualifizierte Apotheker können in Absprache mit dem Arzt auch das Follow-up übernehmen oder beispielsweise Lebensqualitäts-Parameter erheben. An den Universitäten Wuppertal, Münster und Bonn läuft zurzeit eine Studie, die belastbare Daten zum Medikationsmanagement hinsichtlich klinischer und ökonomischer Parameter liefern soll (WestGem-Studie, Abb. 2). Endpunkte der Studie sind: Primärer Endpunkt: •Verbesserungen im MAI-Score (ein Instrument zur Ü berprüfung der Therapiequalität) Sekundäre Endpunkte: •Verringerung von kardiovaskulären Vorfällen • Anzahl gelöster arzneimittelbezogener Probleme • Verringerung von stationären Aufnahmen • LDL-C, Blutdruck, HbA1c • Anzahl der Medikamente • Kosten der Pharmakotherapie • Kosten (direkte und indirekte Kosten) Folgende Fragestellungen sollen geklärt werden: Das WestGem-Studien-Design Die WestGem-Studie schließt 240 Patienten aus der Hausarztpraxis ein. Patienten: • • • • sind älter (>65 Jahre) sind multimorbide kardiovask. Erkrankung ≥ 5 syst. Medikamente 3 Abbildung 2 •Spart ein MTM Geld auf Seiten des Kostenträgers? • Verbessert ein MTM die Gesundheit des Patienten? • Wie funktioniert die interprofessionelle Zusammenarbeit? FAZIT:Arzneimittelsicherheit, bei ent­ sprechender Weiterbildung auch Arz­ neimitteltherapiesicherheit, sind Kern­ kompetenzen des Pharmazeuten als Heilberufler. Entsprechende Fachkom­ petenz muss jedoch erarbeitet werden. Diese ist Voraussetzung dafür, als Mit­ glied des therapeutischen Teams ernst­ genommen zu werden und Beratungs­ leistungen in Zukunft auch honoriert zu bekommen. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 29 22. NZW in Hamburg-Harburg Kachexie bei Tumorpatienten: Ursachen, Stoffwechsel und Ausblick auf neue therapeutische Ansätze Prof. Dr. med. H. Joachim Seitz, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Gewichtsverlust vor der der Tumordiagnose Gewichtsverlust vor Tumordiagnose Tumorkachexie ist eine bei Tumorpatienten häufig auftretende Stoffwechselstörung, die zu starker Abmagerung führt. Nicht selten ist eine deutliche Gewichtsabnahme, begleitet von Muskelschwund (Sarkopenie), der erste Hinweis auf eine Tumorerkrankung, noch bevor die Diagnose gestellt wird. Insbesondere bei gastrointestinalen Tumoren und beim Pankreaskarzinom weist ein hoher Anteil der Patienten primär einen Verlust an Körpergewicht auf (Abb. 1). Eine Kachexie wirkt sich ungünstig auf den Krankheitsverlauf, insbesondere auf die Lebensqualität und die Prognose aus (Abb. 2). Die molekularen und biochemischen Ursachen einer Tumorkachexie sind komplex und noch nicht vollständig geklärt (Abb. 3). Eine wichtige Rolle spielen Stoffwechselprodukte und Botenstoffe des Tumors. Diese führen zu einer verstärkten Proteolyse mit Abbau von Muskelmasse. Die beim Eiweißabbau freigesetzten Aminosäuren strömen zur Leber und werden über den Stoffwechselweg der Glukoneogenese zu Glukose umgewandelt. Im Fettgewebe wird die Lipolyse stimuliert. Manchmal wird eine Insulinresistenz beobachtet. Eine besondere Rolle in der Pathophysiologie der Kachexie wird heute den Entzündungsfaktoren wie z B dem Interleukin-6 (IL-6) zugeschrieben. Es induziert lysosomale und nicht-lysosomale proteolytische Stoffwechselvorgänge und führt u. a. zu Bildung von AkutphaseProteinen in der Leber. Die Kachexie könnte daher auch teilweise als eine generalisierte „Entzündungsreaktion“ aufgefasst werden. Hinzu können kommen: ein Appetitverlust durch Aversion gegen Essen und Gerüche, verständlicher weise eine depressive Verstimmung und die häufig therapiebedingte Übelkeit mit Schluckstörungen und Mukositis. Alles zusammen beeinträchtigt die Nahrungsaufnahme erheblich. Zitat: Arends J, Aktuel Ernährungsmed 2012; 37: 91–106 Abbildung 1 Interessanterweise ist es für Patienten nicht unbedingt von Vorteil, wenn sie zu Beginn der Tumorerkrankung deutlich übergewichtig sind, sie also nach allgemeinem Verständnis „etwas zuzusetzen haben“. Denn entscheidend für die Lebensqualität ist nicht die Fett- sondern die Muskelmasse (zum Spazierengehen und Einkaufen, zur Selbständigkeit im Haushalt) und sie korreliert nicht zwingend mit dem Körperwicht. Was hilft gegen Kachexie? Es gibt zahlreiche Ansätze, um einer Kachexie entgegenzuwirken: • Individuelle Ernährungsberatung •Wunschkost • Energieanreicherung, Shakes 30 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 • Fettbetonte Kost •Trinksupplemente • Therapie der gastrointestinalen Symptome •Schmerztherapie • Psychoonkologische Betreuung • Einsatz von Appetitmodulatoren • Enterale und parenterale Ernährung Leitlinien zur Behandlung der Tumorkachexie finden sich im Internet: Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin www.dgem.de Europäische Gesellschaft für Klinische Ernährung und Stoffwechsel www. espen.org Amerikanische Gesellschaft für parenterale und enterale Ernährung www.nutritioncare.org 22. NZW in Hamburg-Harburg Prognose bei Gewichtsverlust Die (kurzfristige) Steigerung des Appetits durch Megestrolacetat und Corticosteroide ist belegt, bei zahlreichen anderen Appetitmodulatoren ist die Evidenz noch nicht ausreichend gesichert (Abb. 4). Prognose bei Gewichtsverlust Aufgrund der kürzlich postulierten wichtigen Rolle des IL-6 bei der Pathogenese der Tumorkachexie könnte sich in Zukunft möglicherweise ein therapeutischer Ansatz durch den Einsatz von IL-6-Antikörpern (wie das bereits zugelassene Tocilizumab) ergeben. Sie werden zurzeit bei rheumatologischen Erkrankungen und M. Crohn erprobt. Abbildung 2 Zitat: Arends J, Aktuel Ernährungsmed 2012; 37: 91–106 Physiopathology ofCancer Cancer Cachexia Physiopathology of Cachexia FAZIT: Die Tumorkachexie ist ein mul­ tifaktorielles Geschehen, das Lebens­ qualität und Prognose von Tumorpati­ enten negativ beeinflusst. Als Therapie kommen neben einem Leben in einem geborgenen Umfeld verschiedene er­ nährungsmedizinischen Maßnahmen und appetitsteigernde Medikamente in Frage. Die Zukunft wird zeigen, ob mög­ licherweise auch eine Modulation der entzündlichen Signalkaskade, wie z. B. durch IL-6 Antikörper, ein Hinausschie­ ben der katabolen Stoffwechselsituation bei Tumorpatienten möglich macht. Abbildung 3 Tuca A, et al. Clinical evaluation and optimal management of cancer cachexia Citation: Crit Rev Oncol Hematol. 2013 Dec;88(3):625-36 DrugsDrugs withwith proven activity in Cancer provenand and potential potential activity in Cancer AnorexiaCachexia Cachexia Syndrome Anorexia Syndrome Drugs with confirmed efficacy • Megestrol acetate (MA) Efficacy confirmed recommendation • Corticosteroids Efficacy confirmed, recommended in selected cases for short periods Effective drugs that require confirmation in more controlled clinical trials • • • • Cannabinoids (dronabinol), ω-3 fatty acids, acid Bortezomib, non-steroidal anti-inflammatory drugs. Efficacy confirmed Drugs with good pospects for efficacy (to be confirmed) • • • • • • • Ghrelin, Melanocortin antagoniststs, β2-agonists (formoterol), Anti-IL-6 monoclonal antibodies, Selective androgen receptor modulators (SARMs), Thalidomide, Oxandrolone. Citation: Tuca A, et al. Clinical evaluation and optimal management of cancer cachexia. Abbildung 4 Crit Rev Oncol Hematol. 2013 Dec;88(3):625-36 Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 31 22. NZW in Hamburg-Harburg Drug Shortages in Europe – Lieferengpässe für Onkologika in Europa Prof. Dr. Günther J. Wiedemann, Ravensburg In den USA sind Lieferengpässe für verschiedene Arzneimittel bereits seit ca. 5 Jahren ein öffentlich diskutiertes Thema, das auch politisches Handeln nach sich zog (seit Januar 2012 existiert z.B. ein Frühwarnsystem, Early Notification Program, das Herstellerfirmen verpflichtet, absehbare Lieferschwierigkeiten 6 Monate im Voraus zu melden). In Europa, auch in Deutschland, wurde das Pro­blem vonseiten der Politik bis in die jüngste Vergangenheit geleugnet. Seit kurzem erst gibt es in etlichen europäischen Ländern die Möglichkeit, dass Hersteller auf freiwilliger Basis Lieferprobleme auf eigens eingerichteten Websites anzeigen (in Deutschland unter www.bfarm.de/lieferengpaesse). Die Ursachen für Lieferengpässe sind vielfältig (Abb. 1); von entscheidender Bedeutung ist die Konzentration der Produktion auf weltweit nur wenige Hersteller. Dies führt nicht nur zu Kapazitätsengpässen bei steigender Nachfrage (älter werdende Bevölkerung, steigender Bedarf der Schwellenländer), sondern auch zum Komplettausfall der Produktion bei Herstellungsproblemen und Qualitätsmängeln. Im Bereich der onkologischen Generika ist aufgrund der starken Preisregulation von staatlicher Seite, wie sie in den meisten Ländern der Europäischen Gemeinschaft mittlerweile erfolgt, die Produktion für europäische Hersteller ökonomisch uninteressant geworden. Es gibt daher in Europa kaum noch Hersteller auf dem Generikamarkt, die der Monopolisierung (Hersteller in China, Indien) entgegentreten könnten. So sieht es in den USA aus … Beim ASCO Meeting 2013 wurden zwei Studien vorgestellt, die das Ausmaß und die Auswirkungen von Versorgungsengpässen in der Onkologie erhoben hatten (Fox ER & Tyler LS: Clin. Pharmacol. Ther. 2013; 93:145 und Kweder SL & Dill SD: Clin. Pharmacol. Ther., March 2013). Demnach COMMON CAUSES QUALITY ISSUES, MANUFACTURING ISSUES, CAPACITY ISSUES, ECONOMIC FORCES, INCREASED DEMAND http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/DrugShortages/ucm277626.htm Abbildung 1 2013 SURVEY OF US-ONCOLOGISTS & HEMATOLOGISTS Adaption Switch Regimens (78%) Substitute Drug (77%) Delay Treatment (43%) Choose among Patients (37%) Omit Doses (29%) Reduce Doses (20%) Refer Patients Out (17%) sahen sich rund 80 % der Onkologen mit nicht lieferbaren Onkologika konfrontiert. Am häufigsten betroffen waren Folinsäure, 5-FU, Liposomales Doxorubicin, Bleomycin, Cytarabin und Methotrexat. Als Konsequenzen wurden u.a. genannt (Abb. 2): Einsatz von teureren innovativen Medikamenten statt der generischen Standardtherapie; Verschieben von Therapien; Auswahl bestimmter Patienten 32 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Abbildung 2 nach Dringlichkeit; Modifikationen des Behandlungsregimes. Dass die Modifikation eines Standardschemas negative Auswirkungen für Patienten haben kann, zeigte eine 2012 veröffentlichte Studie (Abb. 3). Hier wurde bei Kindern mit M. Hodgkin im Standardschema Mechlorethamin (das nicht lieferbar war) durch Cyclophosphamid ersetzt. Dies wirkte 22. NZW in Hamburg-Harburg sich fatal auf das ereignisfreie Überleben aus (Abb. 4); ob das Gesamtüberleben ebenfalls betroffen ist, werden die nächsten Jahre zeigen. … und so in Europa 2013 führte die ESOP (European Society of Oncology Pharmacy) eine Umfrage bei Krankenhausapothekern in 20 europäischen Ländern durch. Von 85 Apothekern, die geantwortet hatten, hatten 96 % immer (36 %), häufig (39 %) oder ab und zu (21 %) wegen Lieferengpässen Schwierigkeiten bei der Patientenversorgung. Am häufigsten betroffen waren Doxorubicin, 5-FU, Carboplatin, Cis­platin, Methotrexat und Etoposid. Als Konsequenz mussten u.a. Behandlungsregime geändert, Dosen reduziert oder bestimmte Medikamente ganz weggelassen werden oder die Behandlung musste verschoben werden (Abb. 5). Mechlorethamine is used in the 12-week Stanford chemotherapy regimen for treating pediatric Hodgkin lymphoma (including vinblastin, doxorubicin, vincristine, Bleomycin, etoposide, prednisone). When mechlorethamine went into shortage in 2009, cyclophosphamide was substituted: Abbildung 3 Das Ausmaß der Lieferengpässe auch in Europa macht deutlich, dass es höchste Zeit ist, auf europäischer Ebene tätig zu werden. Dazu werden einheitliche Kriterien benötigt, ab welcher Dauer der Nicht-Lieferbarkeit von einem Lieferengpass gesprochen werden muss; ein verlässliches und transparentes Meldesystem ist ebenso nötig wie die Förderung der Produktion essenzieller Onkologika in Europa durch eine Preispolitik, die der herstellenden Industrie akzeptable Gewinnmargen ermöglicht. FAZIT: In fast allen europäischen Kran­ kenhausapotheken sind Lieferengpäs­ se für onkologische Generika Alltag. Im Interesse der Patientensicherheit müssen politische Rahmenbedingun­ gen geschaffen werden, die eine Stei­ gerung der Produktion in Europa nach sich ziehen. Abbildung 4 2013 SURVEY OF EUROPEAN HOSPITAL PHARMACISTS (n=85) 20 COUNTRIES Adaption? • • • • • Switch regimens (90%) Substitute drug (96%) Omit doses (40%) Reduce doses (44%) Delay treatment (79%) Abbildung 5 Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 33 22. NZW in Hamburg-Harburg Versorgungsstrukturen in der Onkologie: Aufbau eines Tumorzentrums Prof. Dr. Martin Trepel, Hamburg Das Ziel einer guten onkologischen Versorgung ist es, allen Patienten Zugang zur bestmöglichen Therapie zu bieten. Für den Therapieerfolg sind die ersten diagnostischen und therapeutischen Weichenstellungen entscheidend, die interdisziplinär erfolgen müssen. Der Nationale Krebsplan sieht u.a. eine Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen und der Qualitätssicherung vor. Dies geschieht im Rahmen zertifizierter Zentren – wobei die Zertifizierung alleine kein Garant für eine optimale Behandlung des Patienten ist. Die verschiedenen Zentren bilden ein 3-StufenModell der Onkologischen Versorgung (Abb. 1; CCC= Comprehensive Cancer Center). Organzentren müssen nicht an einer einzigen Klinik angesiedelt sein, sondern können auch aus interinstitutionellen Netzwerken bestehen. In Deutschland gibt es über 600 zertifizierte Organzentren, Dutzende Tumorzentren und etwa 35 CCC (davon 12 Spitzenzentren). Wichtige Aufgaben der CCCs sind neben der Patientenversorgung Spitzenausbildung und Spitzenforschung, um den Standard der onkologischen Versorgung kontinuierlich zu verbessern. Die Forschungsaktivitäten werden abteilungsübergreifend koordiniert. Dazu gehören: • Entwicklung von Forschungsprogrammen •Optimierung der Infrastruktur für Krebsforschung • “Core Facilities” für Krebsforschung •Etablieren von Biomaterial-Banken (Biobanken) • Schaffen von Plattformen für interdisziplinären Erfahrungsaustausch • E t a b l i e r u n g i n t e r d i s z i p l i n ä r e r Forschungsprojekte • Etablierung eines Ausbildungsprogramms für junge Krebsforscher Etwa 80 000 Erstbehandlungen (20 %) finden primär in den Spitzen-CCCs statt, Ebenen der Onkologischen Versorgung in zertifizierten Zentren Comprehensive Cancer Center Onkologisches Zentrum (Cancer Center) Brustzentrum Darmzentrum Prostatazentrum etc. + übergeordnete Strukturen CCC + Forschung + Ausbildung Onkologische Zentren Onkologisches Zentrum (Cancer Center) Brustzentrum Darmzentrum Prostatazentrum Organzentren Brustzentrum etc. + übergeordnete Strukturen Darmzentrum Prostatazentrum etc. Abbildung 1 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) UCCH Core Administration Therapierichtlinien Tumor Boards Klinische Studien Core Facilities Forschungsprogramme Outreach Lehre Allgemeinchirurgie Onkologie/ Hämatologie Radioonkologie Tumorbiologie Päd. Onkologie Unfallchirurgie Neurologie Gynäkologie Biochemie Med. Psychologie Humangenetik Päd. Chirurgie Augenheilkunde Kl. Apotheke Stammzelltransplantation Klin. Chemie Endoskopie Dermatologie Pathologie Hepatobiliäre Chirurgie Epidemiologie Gastroenterologie Neuroradiologie Radiologie HNO Neuropathologie Urologie Neurochirurgie Nuklearmedizin MKG-Chirurgie Abbildung 2 zudem sucht ein beträchtlicher Teil der Krebspatienten irgendwann im Laufe seiner onkologischen Krankengeschichte e i n S p i t z e n z e n t r u m a u f. Fü r d i e 34 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Patientenversorgung entscheidend sind strukturierte Zugangswege, damit es kein Zufall ist, wo onkologische Patienten letztendlich landen. Patienten müssen sich 22. NZW in Hamburg-Harburg beispielsweise bei Chemotherapien darauf verlassen können, dass überall die gleichen Qualitätsstandards gelten; dazu tragen zentrale Chemotherapie-Einheiten bei. Interin­ stitutionelle Qualitätsvergleiche sind über die Krebsregister möglich. Das UCCH hat mehrere For­schungs­schwer­punkte: 1.Prostatakarzinom 2.Metastasierung 3.Zelloberfläche als therapeutische Zielstruktur 4. Leukämien und Lymphome 5.Hirntumore 6. Kopf- und Halstumore 7.Psycho-Onkologie 8. Tumor-Epidemiologie und Prävention Verschiedene kleinere Krankenhäuser und onkologische Praxen sind Vertragspartner des UCCH. Ziel der Vertragsvereinbarung ist es, Patienten dort nach den gleichen Behandlungsstandards wie am UCCH zu behandeln. Nicht zuletzt bietet das UCCH auch Angebote für die Öffentlichkeit: P a t i e n t UCCH Klinische Abteilung (z.B. ViszeralChirurgie) Überweisung zur Behandlung Abbildung 2 zeigt exemplarisch die Organisation eines CCC am Beispiel des UCCH (University Cancer Center Hamburg). Den Erstkontakt zur Zentralen Anlaufstelle des UCCH können Patienten selber herstellen. Zuweisende Ärzte schicken Patienten entweder zur Zentralen Anlaufstelle oder direkt in die Fachabteilungen. Unabhängig vom Erstkontakt werden alle Patienten bei der interdisziplinären Tumorkonferenz (Tumorboard) besprochen (Abb. 3). Die Zeitpunkte für die Tumorboard-Vorstellung sind in den UCCHBehandlungspfaden festgelegt. Es gibt 30 solcher Behandlungspfade für die unterschiedlichen Krebs-Entitäten (ein Beispiel zeigt Abb. 4). Diese werden von 26 interdisziplinären Arbeitsgruppen ausgearbeitet. Patientenwege am UCCH Internet-basierte KonsultationsPlattform UCCH Zentrale Anlaufstelle externe zuweisende Ärzte oder Krankenhäuser Klinikum Abteilung (z.B. Urologie etc) Klinisches Krebsregister Interdisziplinäre Tumorkonferenz (Tumorboard) Empfehlung analog den UCCH TherapieRichtlinien Abbildung 3 UCCH Guideline – Soft Tissue Sarcoma 2.03.01 Anlage 13 Pathway page 2: Surgical resection, primary tumor < 5 cm TB In G3 tumors and extremity and subfascial location: Follow up All other soft tissue sarcomas <5 cm Follow up optional adjuvant CT • RO (and safety margin sufficient) Surgical resection • Compartment resection (extended, if needed) • if compartment resection is not (functionally) feasible: wide resection • Safety margin if anatomically feasible: - G1 tumors: 1 cm - G2 and G3 tumors: 2 cm • Except for epitheloid- and synovial sarcoma, routine excision of non-suspicious lymphnodes is not recommended TB TB • R1/R2 In G3 tumors and extremity and subfascial location: additive CT additive RT Follow up (or safety margin despite reresection not sufficient) All other soft tissue sarcomas <5 cm: additive RT w/o prior CT Follow up Abbildung 4 •Präventionsprogramme (z.B. NichtRauchen ist cool) •Sportprogramme/Fundraising • Informationstage zu einzelnen Krebsarten FAZIT: Die Organisation der onkologi­ page 2 schen Versorgung in Organ- und Tumor­ zentren sowie in Comprehensive Cancer Centers (CCC) soll allen onkologischen Patienten den Zugang zu bestmöglicher Versorgung bieten. Neben der Patien­ tenversorgung leisten die CCCs durch Spitzenforschung und -ausbildung ei­ nen Beitrag auch zur Verbesserung der zukünftigen Versorgung. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 35 22. NZW in Hamburg-Harburg „Nur wer in Deutschland produziert, sollte in Deutschland verkaufen dürfen.“ Rabattverträge – ein neuer Sinn im Apothekerberuf? Zunächst sind Hennrich und Heilig sich einig über den großen Nutzen von Rabattverträgen. Diese hätten zu einer deutlichen Kostenreduzierung geführt. I N T E R A K T I V E S B E RU F S P O L I T I S C H E S F O RU M K ernthemen der diesjährigen Diskussionsrunde während des NZW waren Versorgungsengpässe und Ausschreibungen in der Onkologie. Unter der Moderation von DGOP-Präsident Klaus Meier diskutierten Michael Hennrich, MdB, CDU, Dr. Claudia Heilig, DAK und Bork Bretthauer, Pro Generika. Ein Grund für die seit einiger Zeit zu beobachtenden Versorgungsengpässe ist sicher die Preisspirale nach untern, die u.a. durch die Rabattverträge in die Wege geleitet wurde. Hennrich räumte durchaus ein, dass das Thema die Politik seit geraumer Zeit beschäftigen würde. Es sei eben seit 1-2 Jahren immer wieder mal da, aber ein Problem sei es nicht. Außerdem vertrat er die Meinung, dass die Politik nicht reagieren müsse und auch noch nicht einmal wüsste, wie man reagieren könne. Gründe gebe es sicher viele, zunächst die Demographie und den immer größer werdenden Anspruch der Menschen, dann die Lieferung von Hilfsstoffen, oft über sehr weite Strecken und letztlich die immer höheren Qualitätsansprüche. Das Thema sei auch durchaus Gegenstand bei den soeben zurückliegenden Koalitionsverhandlungen der großen Koalition gewesen, mit dem Ergebnis, dass der Dialog mit der Industrie gesucht werden sollte, um hier Besserung zu schaffen. Claudia Heilig winkte auch bei der Problematisierung von Lieferengpässen eher ab, man habe ja das Drei-Partner-Modell, mit dessen Hilfe eben immer einer liefern könne, wenn ein anderen gerade einen Engpass habe. Versorgungsengpässe ernst nehmen Bork Bretthauer, Pro Generika, war der einzige aus der Runde, der das Problem ernst nahm und die Ursachen genau analysierte. Zunächst fördere die Marktverengung solche Engpässe. Eine weitere Ursache für die Lieferengpässe sind die Lieferwege von Hilfsstoffen über die ganz Welt und teilweise die Produktion in Billiglohnländern. Da könne man sich als Hersteller selbst nicht immer auf regelmäßige Lieferungen verlassen. Und die Nachfrage auch aus Schwellenländern besonders nach Generika werde auch immer größer. Der Kostendruck sei bei Zytostatika besonders hoch. Insofern werde es für den Hersteller immer schwieriger, da er das, was er herstellt, nicht vernünftig planen kann. Meier zitiert im Folgenden eine Aussage von Herstellern und stellt das zur Diskussion: „Ich stelle nicht mehr her, weil es sich nicht mehr lohnt.“ Hennrich bestätigt das durchaus und befürchtet einen Rückzug der Hersteller aus Deutschland. Heilig beschwichtigt wieder und weist erneut auf ihr Drei-Partner-Modell hin. Diesbezüglich widerspricht Brettauer ihr aber deutlich: Jeder müsste ja ein Drittel der Gesamtliefermenge zur Verfügung stellen, aber da die Wahrscheinlichkeit für Partner 2 und 3 gering sei, dass sie überhaupt liefern müssten, würden sie im Fall des Falles auch Engpässe haben. In der Regel werde sechs Monate im Voraus produziert und dafür müsse man vernünftig planen können. Da viele Probleme durch die weiten Lieferwege und Zulieferanten von Arzneimitteln und Hilfsstoffen zustande kommen, resümiert Meier: 36 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Als Hennrich dann darstellte, es sei doch schön, dass der Apotheker jetzt durch die Beratung bei den Rabattverträgen seine Kompetenz so richtig einbringen könne, brach der Unmut im Auditorium so richtig aus: „Wenn Sie sagen, dass der Apotheker im Gesundheitssystem jetzt durch seine Beratungskompetenz im Hinblick auf die Rabattverträge wertvoller geworden ist, dann sind Sie so weit weg von der Basis, wie ich es einem Vertreter Ihrer Partei nicht zugetraut hätte“, wurde ihm aus dem Auditorium vorgeworfen. Eine Diskussion, deren Fortsetzung sich Hennrich im Nachgang auch in den Medien des Deutschen Apotheker Verlages stellte. Bretthauer ergänzt, dass die Ausschreibungen und der Rückgang der Einkünfte auch zur Marktverengung beitragen würden. Angesprochen auf die Qualität bei Ausschreibungen, antwortet Heilig: „Leider war es nicht möglich, Qualitäts­ merkmale in die Ausschreibungen mit aufzunehmen. Die sind durch die Verga­ bestelle herausgefallen.“ Hennrich ergänzte, die Politik habe leider keinen Einfluss darauf, ob die Qualität in Ausschreibungen aufgenommen werde oder nicht. Mancher Zuhörer fühlte sich an Pontius Pilatus erinnert: „Sie wuschen ihre Hände in Unschuld.“ Zu Ausschreibungen der Versorgung mit par­enteralen Rezepturen („ZytostatikaAuschreibungen“) positionierte sich Hennrich dagegen deutlich differenzierter und ablehnend. Zusammengefasst von Dr. Annette Junker, Wermelskirchen Buchbesprechung Buchbesprechung Rezension von Susanne Rau, Hannover Arzneimittel – Entwicklung und Zulassung Für Studium und Praxis Von Dr. Niels Eckstein Deutscher Apotheker Verlag, Erste Auflage 2013, 204 Seiten mit 35 Abbildungen und 19 Tabellen, ISBN 978-3-7692-5985-8, € 48,90 Dieses kompakte Lehrbuch über Arzneimit­ tel-Entwicklung und Zulassung von Dr. Niels Eckstein und einem Team von Mitautoren bietet einen sehr guten Überblick über das komplexe Thema der Arzneimittelzulassun­ gen und des Life-Cycle-Managements eines Arzneimittels. Alle angesprochenen Themen werden in 13 Kapiteln mit ihren wesentlichen Gesichts­ punkten behandelt. Nach einem Einstieg in das Arzneimittelrecht werden die beteiligten Zulassungsbehörden und weitere wichtige Institutionen auf natio­ naler, europäischer und internationaler Seite vorgestellt. Die EMA als europäische Zulas­ sungsbehörde (seit 1995 u.a. für alle Onko­ logika!) wird dabei sehr detailliert mit allen Committees und Working Groups dargestellt. Der Schwerpunkt des Buches behandelt das Zulassungsdossier CTD (Common Technical Document) mit seinen fünf Modulen. Dieses stellt seit 2003 das national und europä­ isch verpflichtende und international aner­ kannte Antragsformat zur Erlangung einer Arzneimittelzulassung dar. Alle wesentli­ chen Aspekte der einzelnen Module werden kurz vorgestellt. Für den Praktiker ist dabei insbesondere das Kapitel über das Modul 5 des CTD, in dem die Ergebnisse klinischer Studien dargestellt werden, interessant. Hier werden alle wesentlichen Aspekte in der Durchführung und Bewertung von kli­ nischen Studien beschrieben (GCP, Studi­ entypen, Studiendesign, Biostatistik u.a.). Hilfreich ist auch eine Checkliste mit Fragen zur eigenen kritischen Bewertung einer kli­ nischen Studie. Weiterhin werden die Merkmale aller Typen von Arzneimittel- und Medizinprodukten erläutert und ein Vergleich beider Gruppen erstellt. Im Anschluss an die Erstzulassung gehen die Anforderungen der Behörden im Rahmen der Pharmakovigilanz weiter, um neue Erkenntnisse zum Nutzen-Risiko-Pro­ fil eines Arzneimittels zeitnah bewerten zu können und den Anwender vor Schäden zu bewahren. Die Autoren gehen auch auf die frühe Nutzenbewertung nach AMNOG als weiterer Hürde des Marktzugangs ein und erläutern abschließend noch einige Aspek­ te der Gesundheitswirtschaft im Pharma­ sektor (Arzneimittelinformation, Leitlinien, stationäre Abrechnung, Customer Relation Management u.a.). Alle Themen werden kurz und prägnant an­ gesprochen mit Hinweis auf die zugrunde­ liegenden rechtlichen Voraussetzungen. Häufig werden zusätzlich Internetadressen angegeben, über die weiterführende Infor­ mationen erhalten werden können. Insge­ samt ein sehr informatives und lesenswer­ tes Fachbuch! DKG zertifizierte Lungenkrebszentren Die Verbesserung der Betreuung onkolo­ gischer Patienten und die Ermöglichung einer an hohen Qualitätsmaßstäben ori­ entierten Behandlung sind die erklär­ ten Ziele des Zertifizierungssystems der Deutschen Krebsgesellschaft. Unter Fe­ derführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) haben 22 Fachge­ sellschaften an der Erarbeitung des Erhe­ bungsbogens mitgearbeitet. sen, dass sie die fachlichen Anforderungen erfüllen und zudem über ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem verfügen. Seit November 2008 wurden auf dieser Grundlage 42 Lungenkrebszentren in Deutschland sowie eins in der Schweiz zertifiziert und stellen sich den jährlichen Begutachtungen vor Ort, um nachzuwei­ Die nach Postleitzahlen sortierten Lun­ gen­k rebs­zentren finden sich auf der Homepage unterhttp://www.krebsge­ sellschaft.de/wub_zertifizierung_krebs­ zentren_lungenkrebs_liste,123705.html. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 37 Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien I N T E RV I E W Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien A us Addis Ababa, der Hautstadt Äthiopiens, kam Teshale Mekonnen, Direktor des Pharmazeutischen Dienstes des 800 Bettenhaus TASH*, dem Lehrkrankenhaus der Universität, zum NZW 2014 nach Hamburg (Abb. 1, 2). Im Interview erzählt er von den derzeitigen pharmazeutischen Dienstleistungen und wie sich die Pharmazie in seiner Heimat entwickeln sollte: Die Pharmazie in Äthiopien, sei „substandard“, diese klare Aussage von Teshale Mekonnen zeigt zugleich sein Ziel auf. Er will einen pharmazeutischen Service aufbauen, der die Patienten erreicht und von dem die Patienten wissen müssen, dass es ihn gibt. Mekonnen ist froh, dass er die Unterstützung der Landespolitik hat, die der Pharmazie Abb. 1: Das Tikur Anbesa Specialized Hospital (TASH) in Addis Ababa (Äthiopien) deutlich mehr Aufmerksamkeit widmet und damit in jüngster Zeit für pharmazeutische Aufgaben ein wenig mehr Geld zur Verfügung stellt. Legte die Regierung früher ihr Augenmerk vor allem auf Infektionskrankheiten, gebe es jetzt mehr Verständnis dafür, dass die Onkologie ein wichtiges Arbeitsgebiet sei, betonte er im Gespräch mit Redakteurin Gabi Gentschew von der Onkologischen Pharmazie. Der ursprünglich als Dozent an der dortigen Universität tätige Apotheker aus Addis Ababa ist erst seit sieben Monaten im Amt und muss sich jetzt den praktischen Herausforderungen der Krankenhauspharmazie stellen. 40 % der Patienten in dem TASHKrankenhaus, das die Einheimischen auch Black Lion Hospital nennen, sind Krebspatienten, onkologische und hämatologische Patienten werden aufgenommen, aber auch eine Kinder-Hämatologie gibt es. Es ist landesweit das einzige Krankenhaus, das eine Krebsbehandlung anbietet. Das „Oncology pharmacy team“ ist jetzt zuständig für die Zubereitung der Medikamente und auch für die Abgabe von Oralia an ambulante Patienten. Begleitmedikamente wie Antiemetika werden auf der Station von den Schwestern zubereitet. Allerdings sind die praktischen Probleme immens. Die persönliche Schutzausrüstung wie auch die Medikamente, alles muss aus dem Ausland, zumeist den USA, importiert werden. In einem abgeteilten Raum ( Abb. 3 und 4) werden die Infusionen mit Zytostatika aufgezogen. Eine Sicherheitswerkbank gibt es bis jetzt nicht. Über Spenden wird jetzt eine Box aus Norwegen die Reise nach Addis Ababa antreten. Die „new versions“ der Krebstherapeutika sind nicht erhältlich, wegen der Kosten. Ver fügbar sind Cyc lophosphamid, Doxorubin, Methotrexat und andere der „old drugs“, erzählt der Apotheker. Auch Oxaliplatin oder Carboplatin sind zu haben, Abb. 2: Direktor Teshale Mekonnen im Gespräch mit Redakteurin Dr. Gabriele Gentschew *Tikur Anbesa Specialized Hospital 38 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien Abb. 5: Das Organigramm des Pharmazeutischen Dienstes im TASH in Addis Ababa allerdings unbezahlbar für die Allgemeinheit. Lieferengpässe sind üblich. Aber manchmal stört dies nicht, denn die Medikamente könnten von den meisten Menschen gar nicht bezahlt werden. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, dass die Behandlungskosten aus dem Budget des Krankenhauses heraus bezahlt werden. Notwendig hierfür ist eine Bestätigung der lokalen Behörden, dass die Patienten selbst kein Geld für die Behandlung aufbringen können. Krebs als Krankheit, die behandelt werden kann, diese Erkenntnis ist noch nicht sehr verbreitet in dem Land Äthiopien. Die meisten Kranken sterben zu Hause und kommen nicht ins Krankenhaus der Hauptstadt. „Mein Ziel ist es, Aufmerksamkeit für die Behandlung aller Menschen zu erzeugen!“ betont Teshale Mekonnen. Ein Unterfangen, das in dem Entwicklungsland Äthiopien eine große Aufgabe ist. In den entfernter liegenenden Regionen kommt neben der schlechten Bildung der Bevölkerung noch ein Sprachenproblem hinzu. Denn in dem Vielvölkerstaat leben gut 80 verschiedene ethnische Gruppen mit jeweils eigener Sprache. Die Amtssprache ist das amharische, das nur von ca. 26 % der Äthiopier gesprochen wird. 30 % sprechen Oromo und kleinere Anteile verteilen sich auf Somali und Tugray. Der Anteil der Analphabeten ist hoch, und 23 % bis 39 % der Menschen, je nach Statistik, leben in absoluter Armut mit 1 $ (PPP purchasing power parity) täglichem Einkommen pro Kopf. Abb. 3 und 4: Der Herstellungsbereich für Zytostatika-Lösungen in der TASH-Apotheke Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 39 Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien Abb. 6 und 7: im Drug Information Center des Pharmazeutischen Dienstes im TASH (Addis Ababa) Patienten, die trotzdem das Hospital erreichten, bekamen den Tipp von jemanden der jemanden kannte, der in der Stadt lebt. Es ist das Glück des persönlichen Ratschlags, kein Behandlungspfad, der ins Krankenhaus führte. Wichtig ist Mekonnen die Ausbildung der Pharmazeuten, die nach insgesamt fünf Jahren den Bachelor of Pharmacy in den Händen halten. Nach dem das deutliche Ergebnis „sub-standard“ von der universitären Bewertung vorlag, kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen Universität und dem Apothekenbereich des Herausgeber: Klaus Meier, Soltau Verlag: onkopress, Theo-Mülders-Straße 92, 47918 Tönisvorst, www.onkopress.de ISSN-Nr.: 1437-8825 Chefredakteurin: Dr. Karla Domagk, Cottbus Fotos: Seite 43 oben: © iStockphoto.com/Knape, Seite 37 oben: © iStockphoto.com/Sasa Lehrkrankenhauses und der pharmazeutische Service wurde das Arbeitsgebiet von Mekonnen. Die vorhandenen zwei Arbeitsgruppen, Arzneimittel-Beschaffung/ Arzneimittelausgabe und Versorgung der ambulanten Patienten wurden um vier weitere Arbeitsgruppen ergänzt (Abb. 5-7): Arzneimittelherstellung, Arzneimittelinformation, pharmazeutischonkologischer Service sowie Aus-und Weiterbildung. Besonders froh ist Mekonnen, dass zu den vorhandenen 28 Mitarbeitern Redaktion: Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Anja Holsing, Köln; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg; Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Dr. Jochem Potenberg, Berlin; Dr. Susanne Rau, Hannover; Thomas Schubert, Mönchen­gladbach; Wioletta Sekular, Tönisvorst; Dr. Gisela Sproßmann-Günther, Berlin; Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine Thor-Wiedemann, Ravensburg; Andrea van Treeck, Mistelbach; Simone Widmer-Hungerbühler, Winterthur. Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Uni­versi­ täts­klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität 40 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 mittlerweile 31 weitere pharmazeutisch ausgebildete Kollegen hinzukamen. Krebs als Krankheit ist in den Augen von Mekonnen ein unterschätzter Parameter für Entwicklungsländer. Er betont: „Das Wissen von Krebs als Krankheit und die mögliche Behandlung von Krebs, muss auch in Äthiopien erhöht werden.“ Diese Aufmerksamkeit gilt einer Krankheit, die alle Menschen treffen kann. Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg; Carola Freidank, Hannover. Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungs­anlagen sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf vertrauen, dass Autoren und Redak­tion größte Mühe und Sorgfalt bei der Erstellung der Zeitung verwandt haben. Für etwaige inhaltliche Unrichtigkeit von Artikeln übernehmen Herausgeber, Verlag und Chefredakteur keinerlei Verantwortung und Haftung. Ein Markenzeichen kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, auch wenn ein Hinweis auf etwa bestehende Schutzrechte fehlt. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Pharmazeutisch-onkologische Dienstleistungen in Addis Ababa, Äthiopien 97% weniger Energieverbrauch durch GreenTec. Claire reduziert die Betriebskosten gegenüber herkömmlichen Sicherheitswerkbänken bis zu 97% u.a. durch: • energieeffizientem Eco-Mode • modernste EC-Ventilatoren Steuerungs- und • intelligente Regelungstechnik • optimierte HEPA-Patronenfilter mit • Auto-On-Off-Funktion Anwesenheitssensor-System Claire Die neue Generation von Sicherheitswerkbänken – intelligent und effizient. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang |BERNER Nr. 2/2014 | 41 www.berner-international.de iPad-App Who is who Who is who Bearbeitet von Gisela Sproßmann-Günther, Berlin Heute: Arbeitsgruppe der Oralia-Initiative der DGOP Die orale medikamentöse Tumortherapie trägt wesentlich zu einer ständigen Verbes­ serung der onkologischen Versorgung von Tumorpatienten bei. Da bei der oral verab­ reichten Krebsmedikation die typischen von Patienten als besonders unangenehm emp­ fundenen Nebenwirkungen der Chemothe­ rapie wie Haarausfall und Übelkeit seltener vorkommen, werden deren Nebenwirkungen oft unterschätzt. D.h. die Tumortherapie mit „Zytoralia“ erfordert eine besonders gute multiprofessionelle Betreuung der Patien­ ten. Nach Ihrem Abschluss zum Master of Clinical Pharmacy an der Strathclyde University in Glasgow 2006 mit einer Arbeit zum Thema OSCE (Objectiv Structured Clinicl Examina­ tion) als zusätzliche Wissensvermittlung in­ nerhalb des Pharmaziestudiums hat sie ihre erworbenen Kompetenzen genutzt, um die Klinische Pharmazie weiter zu entwickeln. Um eine umfassende Versorgung des Tumor­ patienten auch in der Therapie mit oralen kulturellen Eindrücken sowie sportlichen Aktivitäten wie Segeln und Fahrradfahren. Dr. Tilmann Schöning Dr. Tilman Schöning, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, ist seit 2010 stellver­ tretender Chefapotheker der Apotheke des Universitäts-Klinikums Heidelberg und leitet die Zytostatika-Abteilung der Klinik. Er ist als Vorsitzender des Ausschusses Onkolo­ gie des Bundesverbandes Deutscher Kran­ Damit wir Apotheker uns auf diesem Gebiet gezielt und qualifiziert fortbilden können, wurde von der DGOP bereits 2009 die Initi­ ative „Orale Krebsmedikament-Therapie – sicher und effektiv durch gemeinsame Be­ ratung“ ins Leben gerufen. Für die Leitung dieser Initiative arbeiten gegenwärtig in ei­ ner Arbeitsgruppe unsere Kollegen: Dr. Annette Freidank, Fulda, Dr. Tilmann Schöning, Heidelberg Kerstin Bornemann, Göttingen Dr. Dorothee Dartsch, Hamburg Dr. Annette Freidank Frau Dr. Annette Freidank ist Fachapotheke­ rin für Klinische Pharmazie und seit 1991 stellvertretende Direktorin der Apotheke der Klinikum Fulda gAG. Sie ist seit Beginn ihrer Tätigkeit in der Krankenhausapotheke für den Bereich Zytostatika zuständig und för­ dert neben der Zubereitung der Zytostatika den Ausbau der klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen, insbesondere im Bereich Supportivtherapien in einem multiprofessi­ onellen Team. Tumortherapeutika sicherzustellen, enga­ giert sie sich in der Oralia-Initiative. Durch gezielte Fortbildungs- und Informationsan­ gebote sowie intensive Zusammenarbeit der beteiligten Berufsgruppen soll eine op­ timale Therapie und Begleitung des Pati­ enten sichergestellt werden. Hierzu nutzt sie ihre aktive Teilnahme und Vernetzung in verschiedenen internationalen Gesell­ schaften (ISOPP – International Society of Oncology Pharmacy Practitioners; MASCC – Multinational Association of Supportive Care in Cancer; ESCP – European Society of Clinical Pharmacy) und die Einblicke in andere Länder und Kulturen. Annette Freidank regeneriert sich vor allem durch Reisen und den damit verbundenen 42 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 kenhausapotheker (ADKA) und in weiteren onkologischen Gremien aktiv. Tilman Schöning möchte die pharmazeu­ tischer Kompetenz forcieren, damit auch in Deutschland pharmazeutisches Perso­ nal flächendeckend als unverzichtbarer, selbstverständlicher und kompetenter Teil des onkologisch-therapeutischen Teams wahrgenommen wird. In diesem Kontext kann auch sein Enga­ gement in der Oralia-Kampagne gesehen werden. Hier bringt er sich insbesondere bei der Ertüchtigung und Aktualisierung der Oralia-Datenbank ein. Diese ermöglicht teil­ nehmenden Apotheken, ihre eigene Pati­ entenberatung zu dokumentieren und den Who is who Patienten Informationsmaterial zur Einnah­ me und den Supportivmaßnahmen bei der oralen Zytostatikatherapie zur Verfügung zu stellen. Der private Tilmann Schöning nimmt jeden zugespielten Ball gerne an, besonders gerne den Fußball, er liebt die Musik, spielt selber Saxophon und tankt seine Kraft im austra­ lischen Outback. Kerstin Bornemann Kerstin Bornemann ist Apothekerin für on­ kologische Pharmazie und für Palliativphar­ mazie. In der Marienapotheke in Göttingen macht die pharmazeutische Betreuung von Krebs­ patienten einen Großteil ihres Arbeitsalltags aus. Auf diesem Gebiet gilt sie als Vorreite­ rin, was sich auch in zahlreichen Veröffent­ lichungen und Auszeichnungen widerspie­ gelt. Sie ist seit vielen Jahren Referentin für die DGOP, für Apothekerkammern und auf vielen Kongressen Mitgestalterin. Sie ist langjähriges Mitglied des Präsidiums der DGOP, Gründungsmitglied der Arbeitsge­ meinschaft Pharmazie in der Deutschen Krebsgesellschaft (OPH), Mitglied der Ar­ beitsgruppe der Apotheker in der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und als Apothekerin berufen in die Sektion Pallia­ tivmedizin in der DKG. Um ihre Beratungskompetenz noch zu ver­ bessern und auch mehr über den Menschen mit seiner Krebserkrankung zu erfahren, hat sie als bisher erste und einzige Apothekerin im letzten Jahr die Ausbildung zur Psychoon­ kologin nach der Weiterbildungsordnung der Deutschen Krebsgesellschaft erfolgreich abgeschlossen. Sie lebt die wohnortnahe Versorgung der Krebs- und Palliativpatienten und ist durch Apothekervisiten sowie Teilnahme an Tu­ morkonferenzen fester Bestandteil im Be­ handlungsteam rund um den Krebspatien­ ten. In der Tumortherapie mit oralen Medi­ kamenten sieht sie den Apotheker als einen sehr wichtigen Partner. Er kann dem Pati­ enten wertvolle Unterstützung im Hinblick auf seine Adherenceoptimierung und sein Nebenwirkungsmanagement geben. Um dem eigentlichen Lebensmittelpunkt, nämlich der Familie mit den beiden Töch­ tern gerecht zu werden, müssen auch hin und wieder die Nachtstunden insbesondere zur Vorbereitung von Vorträgen herhalten. Zum Ausgleich nutzt sie freie Minuten zum Sport, insbesondere Laufen, Schwimmen, Triathlon, Inlinern, Skifahren… Leider viel zu selten greift sie auch mal zur Querflöte oder zum Saxophon. Dr. Dorothee Dartsch Dorothee Dartsch ist approbierte und pro­ movierte Apothekerin. Von 2002 bis 2012 war sie Hochschullehrerin für Klinische Phar­ mazie an der Universität Hamburg. Hier hat sie das damals neu in die Approbationsord­ nung aufgenommene Fach aufgebaut, die nötigen Strukturen für Lehre und Forschung geschaffen und die zentralen Lehrveranstal­ tungen erfolgreich aufgebaut. In dieser Zeit betreute Dorothee Dartsch dreizehn Pro­ motionen in Klinischer Pharmazie und ver­ öffentlichte eine Reihe wissenschaftlicher Publikationen sowie Beiträge für nationale und internationale Kongresse. Ihre eigene sowie die Dissertation zweier ihrer Dokto­ randinnen wurden mit Forschungspreisen ausgezeichnet. Für eine interdisziplinäre wissenschaftliche Veröffentlichung mit In­ tensivmedizinern des UKE erhielt sie den Forschungspreis Intensivmedizin der Deut­ schen Gesellschaft für Internistische Inten­ sivmedizin und Notfallmedizin e.V. Seit März 2012 ist sie Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Campus Pharmazie GmbH, die Online-Seminare in Klinischer Pharmazie für Apothekerinnen und Apothe­ ker anbietet und damit auch denjenigen Kol­ leginnen und Kollegen einen Zugang zu die­ sem Fach ermöglicht, bei denen es noch kein Bestandteil des Studiums war. Das Thema pharmazeutische – und vor al­ lem klinisch-pharmazeutische – Kompetenz steht insofern im Mittelpunkt ihrer Arbeit: „Wenn man mich fragen würde, wofür ich morgens aufstehe, dann würde ich sagen‚ damit am Abend die eine Kollegin und der andere Kollege feststellen, dass sie ihre pharmazeutische Kompetenz ein Stück er­ weitern konnten.“ Zur Oralia-Arbeitsgruppe stieß sie im April 2013, um die zentrale Projektkoordination der DGOP-Initiative „Orale Krebsmedika­ ment-Therapie – sicher und effektiv durch gemeinsame Beratung“ zu übernehmen. Zu diesem Aufgabengebiet gehören z.B. die Be­ treuung und Vernetzung der Referentinnen und Referenten der Oralia-Schulungen, der Ausbau der für das Angebot der Schulungen erforderlichen Infrastruktur, v.a. mit den Apothekerkammern, die Organisation der Aktualisierungen der Datenbank-Monogra­ fien und die Planung der Fortbildungsantei­ le zur Oralia-Initiative bei den pharmazeu­ tisch-onkologischen Fachkongressen. Als Ausgleich zum beruflichen Engagement schätzt Dorothee Dartsch die klassische Musik, aktiv und passiv, das Segeln auf der Elbe mit der Familie und die Entspannung über einem guten Buch. Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 43 Personalisierte Onkologie im Mittelpunkt KO N G R E S S B E R I C H T 31. Deutscher Krebskongress 2014 Personalisierte Onkologie im Mittelpunkt Von Petra Jungmayr, Esslingen D er diesjährige Deutsche Krebskongress stand unter dem Motto „i-Kon – intelli­ gente Konzepte in der Onkologie“. Diese Konzepte umfassen Individualisierung, Interdisziplinarität und Innovation und zogen sich wie ein roter Faden durch den vier­ tägigen Kongress, der vom 19.-22. Februar 2014 in Berlin stattfand. Der Krebskongress, die größte deutschsprachige Veranstaltung zu Krebserkrankungen, ihrer Prävention, Therapie und Nachsorge, wurde erstmals gemeinsam von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe ausgerichtet. In über 320 Sitzungen, die von rund 10.000 Teilnehmern besucht wurden, spiegelte sich die interdisziplinäre Kooperation verschie­ dener Fachrichtungen wider. Flankiert wurde der Kongress von einem Krebsaktionstag für Patienten und Angehörige. Die intelligenten Konzepte in der Onkologie wurden bereits in der Einführungspressekonferenz von Kongresspräsident Prof. Dr. Michael Hallek, Köln, hervorgehoben und von PD Dr. Barbara Eichhorst, Köln, anhand neuer, bislang unveröffentlichter Daten zum krankheitsfreien Überleben bei der CLL untermauert. Wenn Patienten mit einer chronisch lymphatischen Leukämie und Mutation im IGHV-Gen eine Kombinationstherapie aus Chemotherapie (F ludarabin, Cylophosphamid) und Rituximab erhalten, haben sie ein deutlich längeres krankheitsfreies Überleben sowie ein längeres Gesamtüberleben als CLL-Patienten ohne mutiertes IGHV-Gen. Für eine bestimmte Patientengruppe kann also mit einer bestimmten Therapie ein wesentlich verbessertes Behandlungsergebnis erzielt werden – auch dies ein Erfolg eines „intelligenten“, stratifizierten Therapiekonzepts. 44 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Die intelligenten Konzepte sind eng mit der personalisierten (oder stratifizierten) interdisziplinären Onkologie verknüpft, was zahlreiche Veranstaltungen des Kongresses wie etwa die Vorträge zum Melanom, zum Bronchialkarzinom oder zu Hirntumoren zeigten. Ein Highlight der personalisierten Medizin war die Präsentation der FIRE3-Studie (Studie der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie; vergleicht in der Erstlinie FOLFIRI in Kombination mit Cetuximab oder Bevacizumab bei Patienten mit KRAS-Wildtyp), die die Überlegenheit von Cetuximab gegenüber Bevacizumab beim metastasierten kolorektalen Karzinom und KRAS-Wildtyp aufzeigt. Neben Beispielen, in denen die personalisierte Onkologie bereit in der Praxis eingesetzt wird, gibt es Ansätze, die in Deutschland noch „in der Warteschleife“ stehen, wie etwa die Bestimmung von Gensignaturen beim frühen Mammakarzinom. Personalisierte Onkologie im Mittelpunkt Vorträge zur onkologischen Pharmazie Die P lenarsitzungen mit KeynoteLectures befassten sich unter anderem mit Leukämien und Lymphomen, gynäkologischen Tumoren, Tumoren der Atemwege, Hals-Kopf-Tumoren, dem Mammakarzinom, Hauttumoren, gastrointestinalen Tumorerkrankungen sowie urologischen Tumoren. Mehrere Vorträge des diesjährigen Krebskongresses waren der Psychoonkologie sowie der Supportivund Palliativmedizin gewidmet. Ein weiterer Schwerpunkt befasste sich mit dem Einfluss von Sport auf das Tumorgeschehen im Hinblick auf Prävention und Therapie. Aspekte der onkologischen und klinischen Pharmazie wurden in mehreren Sitzungen aufgezeigt und vertieft. So unter anderem mit Themen zum Medikationsmanagement sowie zur Stellung des Apothekers im Tumorboard. ZUM WEITERLESEN Der Deutsche Krebskongress DKK Der Deutsche Krebskongress (DKK) ist der größte und älteste Fachkongress zur Krebsdiagnostik und Krebstherapie in Deutschland. Der erste DKK fand 1951 statt. Danach folgten im Zwei-Jahres-Rhythmus die Kongresse bis 1971. Nach einer kurzen Unterbrechung findet seit 1974 der DKK wieder alle zwei Jahre statt. Alleinausrichter war bis einschließlich 2012 die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. Ab dem 31. Deutschen Krebskongress 2014 sind die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe gleichberechtigte Ausrichter des Kongresses. www.dkk2014.de Der blaue Ratgeber „Lungenkrebs“ www.selbsthilfe-lungenkrebs.de Her vorgegangen aus einem Berliner Selbsthilfeverein vertritt die Selbsthilfe Lungenkrebs in­ zwischen deutschlandweit Betroffene und Angehörige u.a. auch auf Kongressen, Veranstaltungen etc. und ist Mitglied der Global Lung Cancer Coalition (http://www.lungcancercoalition.org). Ihrer Vision „Wir wollen: Aufklären, ver­ mitteln, informieren, stärken“ entspre­ chend sind die Aufgaben und Aktivitäten formuliert: die Gründung neuer Gruppen bundes­ weit initiieren und unterstützen, Informationsmaterial versenden, persönlich beratend am Telefon zur Ver­ fügung stehen, ein Internetforum für Betroffene und Angehörige zur Verfügung stellen. Im Rahmen der pharmazeutischen Be­ treuung von Lungenkrebspatienten ist die Liste der bundesweit 53 Selbsthilfegrup­ pen sehr hilfreich: inkl. Ansprechpartner, Adressen und Terminen auf der Homepage unter http:// www.selbsthilfe-lungen­ krebs.de/html/selbsthilfe­ gruppen1.html. Wie alle anderen blauen Ratgeber der Deutschen Krebshilfe informiert auch dieser Band verständlich 10 über Ursachen (Zigaretten­ lungen konsum als wichtigste für krebs Lungenkrebs!) sowie Früh­ erkennung, Diagnose, The­ rapie, klinische Studien, Rehabilitation, Nachsorge und unterstützende Angebo­ te für Patienten und Hilfen für Angehörige. Die blauen ratgeber Antworten. Hilfen. PersPektiven. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Broschüre „Richtig Aufatmen – Geschafft – Endlich Nichtraucher“ der Deutschen Krebshilfe hingewiesen, die ein Ausstiegsprogramm für Raucher, die das Rauchen aufgeben möchten, enthält. Die kostenlose Bestellung ist möglich unter: http://www.krebshilfe.de/filead­ min/Inhalte/Downloads/PDFs/Blaue_ Ratgeber/010_lunge.pdf Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 45 Lungenkrebs 1 Abbildung 1: Sigrid Rosen-Marks, Le Bois de Paiolive, Ardèche; Aquarell/Tusche, 30 x 40 cm KO L U M N E Die Kraft der Bilder – wie altes Wissen moderne Medizin verändert Von Sigrid Rosen-Marks „S ie bluten stark nach. Bereiten Sie sich bitte innerlich darauf vor, wieder in den OP zu kommen“. Ich war auf der Aufwachstation und hatte die große, vielstündige Ovarialkarzinom-OP gerade hinter mir. Nein, ich wollte nicht wieder in den gekachelten Raum. Fieberhaft durchforstete ich meine Gedanken. Was könnte ich tun? Gab es einen Schüssel, den auch ich in dieser besonderen Situation in der Hand hatte? Mir kamen die Bilder der vielen Hundespa­ ziergänge durch das Wiesbadener Nerotal in den Sinn. Meine Freundin, ihre beiden Hunde, mein Hund, der geliebte, von uns „Schottischer Hochlandweg“ getaufte Pfad, der Wald; alles war plötzlich da. Und dort im Krankenhaus, vor meinem inneren Auge, zogen wir los. Isi, die Hunde Linus, Jimmy, mein Tommi und ich. Wir kletterten in den Einstieg unseres „Hochlandweges“, die Son­ ne schien, die Hunde streiften meine Bei­ ne, die Gerüche, das Summen der Insekten, die Vögel, das Sonnenlicht des hessischen Weinbauklimas, alles war da. Ganz realis­ tisch. Ich wusste es in diesem Moment ganz genau: Ich MUSS diesen Weg jetzt gehen. Der Pfleger beugte sich wieder über mich. „Wir hatten nicht damit gerechnet - aber die Blutungen haben aufgehört“. 46 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 Jeder Mensch hat eine eigene Kraft inne, die ihm in extremen Situationen zur Sei­ te steht. Der Autor und Regisseur wissen­ schaftlicher Fernsehdokumentationen, Jo­ achim Faulstich, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit den Themen Bewusstseins­ forschung und Komplementärmedizin. In seinem Buch „Das Geheimnis der Heilung, Wie altes Wissen die Medizin verändert“, beschreibt er u.a. eingehend das Thema „Visualisierungen“, d.h. die Kraft der inne­ ren Bilder. Er zeigt anhand von PatientenSchicksalen eindrucksvoll diese Kraft und ihre Möglichkeiten auf. Die Kraft der Bilder – wie altes Wissen moderne Medizin verändert Noch interessanter sind jedoch aus meiner Sicht die begleitenden wissenschaftlichen Hintergrundinformationen, die die Ausfüh­ rungen Faulstichs untermauern. Da wäre das Zitat der Neurowissenschaftlerin Candace Pert: „Die neuere Forschung lässt darauf schließen, dass dem Bewusstsein eine fast unendliche Zahl von Übertragungswegen zur Verfügung steht, um das Unterbewusste und den Körper zu erreichen - und zu verän­ dern“ (J. Faulstich, S. 109/110). Laut Faul­ stich unterscheiden sich Visualisierungen von flüchtigen Alltagsbildern, die uns jeden Tag begleiten. Sie können sich einprägen und Bestand haben. Dazu gehören Übung und der Wille zum ständigen Neuanfang, bis die Bilder uns verlässlich begleiten. Und diese Bilder sind für das Gehirn real. Es un­ terscheidet nicht mehr zwischen tatsächli­ chen und visualisierten Bildern. Und sogar der Körper kann diese Unterscheidung nicht mehr erkennen. Eine von Medizinern betreu­ te Sportlergruppe in den USA trainierte aktiv und mental bestimmte Muskelgruppen. Die aktiv trainierende Gruppe erreichte 33 Pro­ zent Muskelzuwachs in 5 Tagen; die mental trainierende Gruppe immerhin 22 Prozent Zuwachs (Joachim Faulstich, S. 108). Stigmatisierung von Patienten führen, die diese Arbeit nicht für sich entdecken oder annehmen möchten. Diese kritische Sicht auf die Dinge kommt meiner Meinung nach bei Joachim Faulstich viel zu kurz. Die Dar­ stellung der Patientenerfolge wird zu sehr wie ein unrealistisches Heilversprechen dargestellt. Joachim Faulstichs Recherche ist aber auch kein fiktiver Blick in die Zukunft, sondern gelebte Realität. Die Habichtswald-Klinik in Kassel bestätigte mir auf meine Nachfrage hin, dass seit Jahren aus Überzeugung mit den Visualisierungen des amerikanischen Onkologen Simonton in ihrem Haus gearbei­ tet wird. Und in Bochum zeigt das Ergebnis einer Arbeitsgruppe der Ruhr-Universität unter der Leitung von Prof. Dr. Niesel und Dipl. Psych. Erhard Beitel – „DAS BOCHU­ MER GESUNDHEITSTRAINING“, dass kom­ plementäre Medizin ihren Platz in unserem Gesundheitssystem gefunden hat (www. schen die Techniken und wenden sie nach Operationen an. Ihre Hände bewegen sich dabei ca. 10 cm über dem zu heilenden Be­ reich. Die Berichte der Patienten sind berüh­ rend. Einige empfanden diese Behandlung als „ein Geschenk“ und andere fanden nach der Entfremdung durch Operation und Diagnose wieder zu sich selbst (Joachim Faulstich, S. 295-298). Aus meiner Sicht ist es ganz sicher Zuwendung und wohltuende Aufmerksamkeit. Bei der Anwendung und auch dem Empfangen dieser Methoden stecken wir doch alle in den Kinderschuhen. Seit dem Beginn der Technisie­ rung im 19. Jahrhundert sind die alten Heilme­ thoden im medizinischen Bereich zum großen Teil verloren gegangen. Wir fangen gerade erst an, sie wieder zu entdecken. Wie weit uns diese Möglichkeiten führen werden? Ich bin gespannt! Wer sich für die Fallbeispiele interessiert, der kann sich auf You-Tube (Geheimnis der Heilung Teil 1 – YouTube) eine Kurzfassung anschauen. Der Film zum Buch kann beim Ich habe mittlerweile viel Erfahrung im Um­ gang mit den inneren Bildern. Während der Chemotherapie habe ich Anleitungen zur Visualisierung befolgt und auch in der psy­ choonkologischen Therapie hat mich die Arbeit mit den inneren Bildern begleitet. Und einiger dieser Bilder sind auch heute noch präsent. Das Bild zu meinem Herzcha­ kra ist ein Reh. Es lief mir spontan bei einer Meditation über den von mir beschrittenen Waldweg. Heute telefonierte ich mit einer Ovarialkar­ zinom Patientin, die sich leider wieder in den Operationssaal und die Chemotherapie begeben muss. Sie hat die Arbeit mit den Bildern in ihrer stark belastenden Situation wunderbar zusammenfasst: „Man kommt so schön runter“. Ob die Arbeit mit diesen Bilden, wie in den Patientenbeispielen von Joachim Faulstich, eine echte Möglichkeit zur Heilung sein kön­ nen? Ich denke, dass zur Zeit niemand diese Frage wirklich endgültig beantworten könn­ te. Es ist ein Angebot. Tut dem, den es an­ spricht, sicher gut. Aber es darf niemals zur Abbildung 2: Sigrid Rosen-Marks, Eifelwald; Tuschezeichnung, 21 x 29,7 cm bochumergesundheitstraining.de). Das Trai­ ning baut im Wesentlichen auf die Erkennt­ nisse Simontons auf. Ein besonders überzeugendes Beispiel kom­ plementärer Medizin sind die bei Joachim Faulstich beschriebenen Anwendungen der „Heilenden Berührung“. Diese Methode wird im Sankt Gertrauden-Krankenhaus in Berlin angewandt. Die Krankenschwestern beherr­ HR-Fernsehen, Archivservice, Postfach, 60222 Frankfurt/M bestellt werden. Joachim Faulstich, Das Geheimnis der Heilung, Wie altes Wissen die Medizin verändert, Knaur-Verlag, München 2010 Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 | 47 Pressemitteilung PRE S S EM I T T E I LU N G Selbst bei weit fortgeschrittenem Lungenkrebs verlängert die Strahlentherapie das Überleben M ehr als 50.000 Menschen in Deutschland erkranken pro Jahr an Lungenkrebs. Eine Strahlentherapie kann fortgeschrittenen Lungenkrebs zwar häufig nicht mehr heilen, den Tumor aber oft zumindest vorübergehend zurückdrängen. Dies gelang, ohne die Lebensqualität der Patienten wesentlich zu beeinträchtigen, belegt eine aktuelle Studie aus Norwegen. Lungenkrebs wird oft erst entdeckt, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Von einer Operation sehen Ärzte dann häufig ab, weil die Operation sehr riskant ist. „Bei diesen Patienten kön­ nen wir versuchen, den Tumor durch eine Strahlentherapie zu verkleinern und durch Chemotherapie die Bildung von Metastasen zu verzögern“, sagt DEGRO-Präsident Prof. Dr. Michael Baumann, Direktor der Klinik und Po­ liklinik für Strahlentherapie und Radi­ oonkologie des Universitätsklinikums Dresden. Den Wert der Chemotherapie belegen bereits jüngere Studien. Der Nutzen einer zusätzlichen Bestrah­ lung wurde jetzt erstmals in einer grö­ ßeren Studie untersucht. In Norwegen prüften Ärzte das Verfahren an 191 Patienten mit einem nicht operablen nicht-kleinzelligen Bronchialkarzi­ nom, der häufigsten Lungenkrebsva­ riante. Alle Patienten erhielten eine Chemotherapie. Bei der Hälfte wur­ de zusätzlich eine Strahlentherapie durchgeführt. „Die Entscheidung dafür fiel per Los, was jedoch Patienten oft nicht akzeptieren“, berichtet Prof. Bau­ mann: „Es konnten deshalb nicht die ursprünglich geplanten 305 Patienten in die Studie aufgenommen werden.“ Dennoch war das Ergebnis eindeutig: Die Chemoradiatio, wie die Kombina­ tion aus Chemo- und Strahlenthera­ pie auch genannt wird, verlängerte die mittlere Überlebenszeit der Patienten von 9,7 auf 12,6 Monate. Dabei ver­ schlechterte sich die Lebensqualität nicht, abgesehen von einer kurzen Pha­ se während der Bestrahlung selbst. Die norwegische Studie ist die erste, die neben der Überlebenszeit auch die Lebensqualität der Patienten un­ tersucht hat. „Dies ist besonders wich­ tig vor dem Hintergrund der Lebenssi­ tuation der Patienten“, sagt Prof. Dr. Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Mannheim. Der DEGRO-Pressesprecher rät dazu, die Auswirkungen der Strahlenthera­ pie mit den Patienten zu besprechen. Die häufigste Komplikation war eine vorübergehende Entzündung der Spei­ seröhre, die Ösophagitis. Sie trat bei mehr als 85 Prozent der Patienten auf. Eine Ösophagitis kann für die Patien­ ten kurzfristig sehr schmerzhaft sein und die Nahrungsaufnahme behindern. In der Studie kam es deswegen nicht selten zu Krankenhausaufenthalten. „Wir meinen, dass diese Belastung nur vertretbar ist, wenn sie die Perspektive 48 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 2/2014 auf eine Lebensverlängerung bietet“, sagt Prof. Wenz. Das galt in der Studie nur für Patienten, deren Alltagsaktivi­ tät durch die Krankheit noch nicht ein­ geschränkt war. Patienten, die durch Alter oder Erkrankung bereits stark behindert waren, hatten keinen Über­ lebensgewinn. „Wir würden diesen Patienten derzeit von einer Bestrah­ lung abraten“, erläutert Prof. Wenz. Bei anderen könne die Strahlentherapie helfen, die Überlebenszeit ohne große Einschränkungen der Lebensqualität zu verlängern. Prof. Wenz weist darauf hin, dass sich noch wirksamere Wege finden müssen, um die Speiseröhre vor der Strahlung noch besser als bisher zu schonen. „Vor allem aber muss jeder Patient zusammen mit dem Arzt indivi­ duell entscheiden, welche Therapie für ihn geeignet ist“, betont der Experte. LITERATUR: Strøm HH1, Bremnes RM, Sundstrøm SH, Helbekkmo N, Fløtten O, Aasebø U. Concurrent palliative chemoradiation leads to survival and quality of life benefits in poor prognosis stage III non-small-cell lung cancer: a randomised trial by the Norwegian Lung Cancer Study Group. Br J Cancer 2013; 109(6): 1467-75 [Nach einer Pressemitteilung der DEGRO vom 23.04.2014] uns auf Besuchen Sie Dresden, dem 6. NZW 4. - 5.7.2014 Der Vollversorger für den Reinraum Reinigung und Desinfektion Technische Ausstattung MehrwegBekleidung Tücher und Tupfer EinwegBekleidung Handschuhe und Fingerlinge Kundenspezifische Dienstleistungen Matten und Bodenbeläge Einrichtungen ß Erfahrene Spezialisten entwickeln maßgeschneiderte Produkt- und Versorgungskonzepte ß Supply chain excellence: 100%ige Liefersicherheit und Just-in-Time-Lieferungen ß Umfassendes Qualitätsprodukt- und Dienstleistungsportfolio ß Globales Netzwerk aus Lieferanten und Partnern VWR International GmbH · basan – the cleanroom division of VWR · Tel. + 49 6107 9008-500 · [email protected] · www.basan.com Früher Fern-Uni – heute E-learning? KO L U M N E Früher Fern-Uni – heute E-learning? Von Niels Eckstein, Bonn nische Pharmazie der Universität Hamburg und langjährig erfahrene Wissenschaftlerin und Hochschullehrerin bringt zusammen mit Jasmin Hamadeh als mediendidaktische Be­ raterin und Trainerin für Universitäten und Unternehmen das besondere Fingerspitzen­ gefühl für den Umgang mit dem geschriebe­ nen Wort als Lehrmaterial mit. Die Online-Kurse auf dem virtuellen Campus dauern vier Wochen zu festgelegten Zeiten, eine Woche davor zur Einführung und eine Woche danach zum Abschluss sollten auch eingerechnet werden. In diesen Wochen ist die Zeiteinteilung frei, nötig ist nur ein Inter­ netfähiger Computer. N ach vielen langen Autofahrten und noch mehr (teuer bezahlten) Nächten im Hotel mag sich manch einer fragen, warum nicht mal eines der vielen E-learning Angebote nutzen und schauen, wie man damit so klar kommt, wenn der persönliche Kontakt (zumindest der face-to-face-Kontakt) des Lehrenden zum Lernenden fehlt. Viele dieser Angebote sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Selbst etablierte Präsenzuniversitäten und -fachhochschulen erweitern ihr Angebot um das ein oder andere E-learning-Modul. Denn das E-learning bietet zwei nahezu unschlag­ bare Vorteile: es ist familienfreundlich und ermöglicht eine weitgehend freie Zeiteintei­ lung neben dem Beruf. Ein besonderes interessantes, familien­ freundliches E-learning Angebot zur Fort­ bildung bietet die Campus Pharmazie GmbH an. Dorothee Dartsch als Professorin für Kli­ Den Kursteilnehmern wird einiges abver­ langt: Einzelaufgabe, Teamaufgabe, eine Multiple Choice-Abschlussprüfung und di­ verse Plenaraufgaben, die i.d.R. aus sinn­ vollen, fachlichen Beiträgen zu einem be­ stimmten (vorgegebenen) Thema bestehen. Den zeitlichen Bedarf beziffern die Verant­ wortlichen auf ca. 8 Stunden pro Woche. Man sollte allerdings etwas mehr Zeit einplanen, als vorgegeben, denn wenn einen der Spaß an der Sache erst einmal gepackt hat, ist man doch viel öfter „auf dem Campus-Ge­ lände“ im Netz und das Durcharbeiten des Lernmaterials bleibt zeitintensiv. Sinnvoll ist es sicherlich, in den letzten beiden Wo­ chen des Kurses ein oder zwei Tage frei zu nehmen, um entspannt und stressfrei dem Kursverlauf folgen zu können. Ausgesprochen benutzerfreundlich ist die Dienstleistung, dass jeder Beitrag abends an jeden Kursteilnehmer per mail versendet wird. Ist man also mal zwei Tage auf Dienst­ reise zwischendrin, kann man einfach nach der Rückkehr die beiden „Tageszusam­ menfassungen“ lesen und ist rasch wieder sprechfähig. Die Stimmung unter den 10-20 Teilnehmern ist angenehm und die Arbeitsat­ mosphäre konstruktiv. Bei einem (stolzen) Preis von 980,- Euro stellt sich natürlich die Frage nach dem Preis-Leis­ tungs-Verhältnis. Auf den ersten Blick wirkt der Preis in der Tat hoch für einen Zertifi­ katskurs. Allerdings kann eine Konkurren­ zanalyse diesen ersten Eindruck nicht be­ stätigen. Vergleichbare E-learning Angebote aus den Bereichen Regulatory Affairs, Klini­ sche Prüfung oder Arzneimittelentwicklung (Apollon Hochschule der Gesundheitswirt­ schaft, Deutsche Universität für Weiterbil­ dung - DUW) dauern 3-5 Monate, kosten 200 – 300 Euro pro Monat und kommen somit in der Summe auf Beträge zwischen 1500,und 2000,- Euro (oder auch mehr je nach Laufzeit des Kurses). An der DUW sind Preise von knapp 1000,- Euro pro Monat bei einer Kurslaufzeit von 2-4 Monaten keine Selten­ heit. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der Branchenprimus der Präsenzkurse, das Forum Institut für Management aus Heidel­ berg, nicht günstiger ist und das BPI-nahe Colloquium Pharmaceuticum desgleichen. Aktuell werden auf dem Campus Pharma­ zie u.a. Pharmakokinetik, unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Pharmakovigi­ lanz, Interpretation von Laborparametern, medizinische Literaturrecherche oder auch Online-Case-Trainings angeboten (http:// www.campus-pharmazie.de).