Behandlung und Behandlungsabbruch in der Neonatologie aus medizinischer Sicht Angelika Berger 1 Ethik in der Neonatologie • Entscheidungen bei extrem unreifen Frühgeborenen – Grenze Lebensfähigkeit • Entscheidungen bei scheinbar infauster Prognose Definition Frühgeburt 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 Extremely preterm Fetal loss Very preterm Fetal loss Preterm Term Postterm Prognose Gestationsalter Vermont Oxford Neonatal Network 100 92 Mortalität nach SSW 90 80 70 64 60 50 38 40 30 24 20 16 9 10 7 5 4 4 4 SSW 29 SSW 30 SSW 31 SSW 32 0 SSW 22 SSW 23 SSW 24 SSW 25 SSW 26 SSW 27 SSW 28 Prognose Gestationsalter Vermont Oxford Neonatal Network vs MedUniWien 2009-2014 Mortalität nach SSW 70 64 60 50 40 40 38 30 24 19 20 16 12 10 9 9 7 7 3 5 3 0 SSW 23 SSW 24 SSW 25 SSW 26 VermontOxfordNeonatalNetwork SSW 27 MedUniWien SSW 28 SSW 29 Prognosefaktoren SSW 22-25 4446 FG 22-25 SSW SSW, Geschlecht, Steroide, Einling/Mehrling, Geburtsgewicht Variable Death Death/profound impairment (MDI/PDI Death/Impairment (MDI/PDI <70) < 50) OR (95% CI) GA Equivalent Effekt (wks) OR (95% CI) GA Equivalent Effekt (wks) OR (95% CI) GA Equivalent Effect (wks) Use of steroids 0.55 (0.45-0.66) 1.14 0.54 (0.44-0.66) 1.23 0.53 (0.42-0.66) 1.33 BW (per 100g increase) 0.6 (0.55-0.65) 1.04 0.61 (0.56-0.66) 1.08 0.61 (0.56-0.66) 1.16 Female sex 0.64 (0.55-0.75) 0.97 0.55 (0.48-0.65) 1.19 0.48 (0.41-0.56) 1.47 Singleton 0.77 (0.65-0.92) 0.81 0.76 (0.64-0.91) 0.87 0.7 (0.58-0.85) 1 GA 25 vs 24 0.62 (0.53-0.74) 1 0.66 (0.55-0.78) 1 0.7 (0.59-0.84) 1 Tyson, NEJM 2008 und neue Daten zu Mortalität und Morbidität18)–22), insbesondere auch aus der Schweiz23), 24), haben Anlass dazu gegeben, die Empfehlungen für die Schweiz zu überarbeiten. Zentren, die Schwangere mit hohem Risiko für eine Frühgeburt und Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit in der Schweiz betreuen, zu minimieren. Prognosefaktoren SSW 24 Tyson Rechner Nationale Empfehlungen sind notwendig, da ethische Entscheidungsfindungen nicht al* ** Die vorliegenden Empfehlungen wurden durch eine Kommission von erfahrenen Spezialisten ausgearbeitet. Die vorgeschlagenen Änderungs- und Ergänzungsvorschläge wurden an fünf Workshops in den Jahren 2009 und 2010 ausführlich diskutiert. Die neuen Empfehlungen wurden von allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe gutgeheissen nische Massnahmen, insbesondere zur fetalen Lungenreifung und zum Stellenwert der Sectio-Entbindung. In den alten Empfehlungen basierten die vorgeschlagenen Vorgehensweisen in erster Linie auf dem Gestationsalter. In den revidierten Empfehlungen werden neben dem Gestationsalter zusätzliche, pränatal eruierbare Faktoren, die einen erheblichen Einfluss auf die Prognose haben, mitberücksichtigt (Tabelle). Die Grauzone wird enger definiert, ihre Grenzen aber werden weniger absolut gesehen, um eine individualisierte Vorgehensweise an der Schweizerische Gesellschaft für Neonatologie Wahrscheinlichkeit für Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Ge- Überleben ohne schwere Beeinträchtigung mit burtshilfe und Schweizerische Akademie für fetomater24 SSW 71% versus 15% nale Medizin *** Schweizerischer Hebammenverband **** Schweizerischen Gesellschaft für Entwicklungspädiatrie Gestationsalter (SSW) Geschlecht Geburtsgewicht Einling LRI Überlebensrate1) Überleben ohne sehr schwere Behinderung1), 2) Überleben ohne schwere Behinderung1), 3) 24 0/7–24 6/7 m 600 g nein nein 27% 15% 7% 24 0/7–24 6/7 w 600 g nein nein 36% 24% 14% 24 0/7–24 6/7 w 800 g nein nein 63% 48% 34% 24 0/7–24 6/7 w 800 g ja nein 67% 53% 39% 24 0/7–24 6/7 w 800 g ja ja 82% 71% 57% Tabelle: Einfluss von pränatal eruierbaren Zusatzfaktoren (Geschlecht, Lungenreifungsinduktion (LRI), Einling/Mehrling, Geburtsgewicht) auf Wahrscheinlichkeit eines Überlebens ohne schwere oder sehr schwere Behinderung (nach Tyson et al. 20)) 1) in Prozent aller Lebendgeborenen (n = 4446) 2) sehr schwere Behinderung (profound impairment) im Alter von 18–22 Monaten: • Bayley score < 50 (nicht testbar) • level 5 für GMF (gross motor function) 3) schwere Behinderung (severe impairment) im Alter von 18–22 Monaten: • PDI und/oder MDI ≤ 70 • mittelschwere bis schwere CP • bilaterale Blindheit • bilaterale Schwerhörigkeit, die Hörgeräte erforderlich macht Diese Schätzungen basieren auf standardisierten Untersuchungen von ehemaligen Frühgeborenen im Alter von 18–22 Monaten, die zwischen 1998 und 2003 in einem Neonatal Research Network Zentrum der NICHD mit einem Gestationslater von 22–25 SSW und einem Geburtsgewicht zwischen 401 und 1000 g geboren wurden. Outborns und Frühgeborene mit schweren angeborenen Fehlbildungen wurden ausgeschlossen. 10 Titel der Präsentation ODER des Vortragenden Organisationseinheit 7 Überlebensraten extrem unreifer Frühgeborener SSW 22-24 Bei drohender der Lebensfähigk partale Aufklärun 22 23 24 Daten der Literatu 2011–2013 0 44 69 ten herangezogen Die Empfehlun 1999–2000 0 6 29 in dieser Leitlinie 1999–2000 0 16 44 terhin primär an 1999–2000 0 24 47 woche, die oben g 1998–2003 5 26 56 beeinflussenden F 1998–2003 5 38 63 lerdings mitzuber Frühgeborene a 2000–2005 0 18 41 nach wie vor eine s 2005 5 22 51 ein Überleben; der 2004–2007 10 52 67 den letzten Jahren 2005 5 16 42 [18, 36, 55–64]. 2006 2 19 40 In Österreich 2008–2010 NA 29/35b 48/56b 2011–2013 kein ei 2008–2011 5 31 61 sorgten Frühgebor lebt (Daten des Ö Konsensuspapier AG NeoPädInt und AG Ethik geborenen Outcom Monatsschrift Kinderheilkunde August 2016 bliziert). Titel der Präsentation ODER des Vortragenden Die Chancen f Organisationseinheit 8 gen bei Frühgebu Prognosestellung – Tab. 1 Überlebensraten (in Prozent) extrem unreifer Frühgeborener der SSW 22 + 0–24 + 6 Quellen Region Geburtsjahr SSW Österreichisches FrühgeÖsterreich borenen Outcome-Register Vanhaesebrouck et al. [55] Belgien Markestad et al. [56] Norwegen Tommiska et al. [57] Finnland Tyson et al. [18] USA Mercier et al. [58] USAa Field et al. [59] Vereinigtes Königreich Doyle et al. [60] Australien EXPRESS Group [36] Schweden Moser et al. [61] Vereinigtes Königreich Costeloe et al. [62] Vereinigtes Königreich Manktelow et al. [63] Vereinigtes Königreich Patel et al. [64] USA a Daten des Vermont Oxford Neonatal Network Outcome-Daten für Jungen/Mädchen NA nicht analysiert b 6.4 Geburtsmodus 7 Entwicklungsneurologisches Outcome nach extremster Frühgeburt Häufigkeit dauerhafter neuro-sensorischer Störungen bei Frühgeborenen < 26 Wochen Profound# impairment Gestational age (% of survivors) (weeks pc) Severe* impairment (% of survivors) Good outcome (% of survivors) 22+0 to 6 60 % 73–80 % 20–27 % 23+0 to 6 20–38 % 27–52 % 10–53 % 24+0 to 6 23–40 % 22–44 % 16–55 % 25+0 to 6 17–25 % 22–27 % 48–61 % # Bayley II score < 50, level 5 for gross motor function * PDI and/or MDI ≤ 70 Moderate or severe CP Bilateral blindness Bilateral hearing loss requiring amplification Wood NS et al., N Engl J Med 2000; Marlow N et al., N Engl J Med 2000; Tyson JE et al., N Engl J Med 2008; Mercier CE et al., Neonatology 2009; Berger TM et al., Swiss Med Wkl 2011. Wood et al. 2000, Marlow et al 2000, Tyson et al 2008, Mercier et al 2009 Entwicklungsneurologisches Outcome im Alter von 2 Jahren n=252 (2009-2014) SSW 23-27 62 60 57 50 40 30 26 26 20 7 10 10 6 6 0 normal (MDI>85) mild moderate severe impairment impairment impairment (MDI 70-84) (MDI 55-69) (MDI <55) MDI normal (PDI>85) mild moderate severe Impairment impairment impairment (PDI 70-85) (PDI 55-69) (PDI <70) PDI Entwicklungsneurologisches Outcome im Alter von 2 Jahren n=252 (2009-2014) SSW 23-27 100 90 88 83 80 70 60 50 40 30 17 20 12 10 0 normal - mild moderate - severe MDI normal - mild moderate - severe PDI Entwicklungsneurologisches Outcome im Alter von 2 Jahren n=252 (2009-2014) 100 89 90 85 85 85 88 88 79 80 70 95 SSW 23-27 74 66 60 50 40 30 20 10 0 SSW 23 SSW 24 MDI normal oder leichte Beeinträchtigung SSW 25 SSW 26 SSW 27 PDI normal oder leichte Beeinträchtigung Titel der Präsentation ODER des Vortragenden Organisationseinheit 12 Mortalität an der Grenze der Lebensfähigkeit über die Zeit unreifer Frühgeborener Überlebensraten extrem Mortalitätsraten 2000 – 2011 NICHD Neonatal Research Network 22 Wochen n = 931 23 Wochen n = 1483 Jahrgänge 2000 - 2003 95.8 75.3 Jahrgänge 2004 - 2007 94.2 74.6 Jahrgänge 2008 - 2011 94.8 69.1 Ein hoher Prozentsatz der Todesfälle geht mit Änderung des Therapieziels von kurativ auf palliativ bei erwarteter infauster Langzeitprognose einher Titel der Präsentation ODER des Vortragenden Patel RM et al., N Engl J Med 2015; 372:331-40 Organisationseinheit 13 Entscheidungen an der Grenze der Lebensfähigkeit Gibt es allgemein gültige Regeln? • Fachgesellschaften? • Ethikkommissionen? • International einheitlich? Nationale Empfehlungen sind notwendig, da die ethische Entscheidungsfindung nicht nur auf akzeptierten ethischen Prinzipien basiert, sondern stark von sozialen, ökonomischen und gesetzlichen http://sciencev1.orf.at/news/89405.html Überlegungen beeinflusst wird. Deutsche Leitlinie 2014 AWMF-Leitlinien-Register Nr. 024/019 Entwicklungsstufe S2k publiziert bei: AWMF-Register Nr. 024/019 Klasse: S2k Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin, Akademie für Ethik in der Medizin, Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin unter Mitwirkung des Deutschen Hebammenverbandes und des Bundesverbandes „Das frühgeborene Kind“. Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit Diese Empfehlung betrifft die vor, während und nach der Geburt hinsichtlich sinnvoller kurativer und palliativer Therapieziele bei Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit zu treffenden Entscheidungen. Sie richtet sich an alle Berufsgruppen, die Schwangere vor und während der Geburt, Neugeborene und deren Eltern betreuen. Sie kann auch betroffenen Angehörigen als Hilfestellung dienen. 1. Rechtlicher Rahmen Titel der Präsentation ODER des Vortragenden Organisationseinheit Bei Entscheidungen über Maßnahmen zu Lebenserhaltung und Wiederbelebung bei extrem früh 15 Schweizer Leitlinie 2012 Empfehlungen Vol. 23 Nr. 1 2012 Empfehlungen Vol. 23 Nr. 1 2012 Perinatale Betreuung an der Grenze der Lebensfähigkeit zwischen und 26 Perinatale Betreuung an der22 Grenze der vollendeten Schwangerschaftswochen Lebensfähigkeit zwischen 22 und 26 Revision der Schweizer Empfehlungen aus dem Jahre 2002 vollendeten Schwangerschaftswochen T. M. Berger*, V. Bernet*, S. El Alama***, J.-C. Fauchère*, I. Hösli**, O. Irion**, C. Kind*, Revision der Empfehlungen aus dem Jahre 2002 B. Latal****, M. Schweizer Nelle*, R. E. Pfister*, D. Surbek**, A. C. Truttmann*, J. Wisser**, R. M. Zimmermann** T. Berger*, V. Bernet*, S. El Alama***, J.-C. Fauchère*, I. Hösli**, O. Irion**, C. Kind*, B. Latal****, M. Nelle*, R. E. Pfister*, D. Surbek**, A. C. Truttmann*, J. Wisser**, R. Zimmermann** Einleitung Einleitung Die ersten Empfehlungen zur Betreuung von Frühgeborenen an der Grenze der LebensDie erstenin Empfehlungen Betreuung von fähigkeit der Schweizzur wurden im Jahre Frühgeborenen an der Grenze der Lebens1) 2002 veröffentlicht . Als Grundlage dienten fähigkeit in der Schweiz wurden im damals unter anderem EmpfehlungenJahre euro1) 2002 veröffentlicht . Als Grundlage dienten 2), 3) päischer und kanadischer Fachgrupdamals unter anderem Empfehlungen europen4), sowie die relevanten medizinischpäischer2), 3) und kanadischer Fachgrupethischen Richtlinien der Schweizerischen pen4), sowie die relevanten medizinischAkademie der Medizinischen Wissenschafethischen Richtlinien der Schweizerischen ten (SAMW)5), 6). Revidierte Empfehlungen und 2011 von der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der für fetomaternale und(SGGG), 2011 von derAkademie Schweizerischen GesellMedizin (AFMM), dem Schweizerischen schaft für Gynäkologie und GeburtshilfeHebammenverband (SHV),für derfetomaternale Schweizerischen (SGGG), der Akademie Gesellschaft für Pädiatrie (SGP), derHebSchweiMedizin (AFMM), dem Schweizerischen zerischen Gesellschaft für Neonatologie ammenverband (SHV), der Schweizerischen (SGN) undfür derPädiatrie Schweizerischen Gesellschaft (SGP), derGesellschaft Schweifür Entwicklungspädiatrie (SGEP) genehzerischen Gesellschaft für Neonatologie migt. im Jahre 2002 unterstützt (SGN) undWie derbereits Schweizerischen Gesellschaft für die Entwicklungspädiatrie (SGEP) genehZentrale Ethikkommission (ZEK) der migt. Wie bereits im Jahre 2002 unterstützt SAMW die neuen Empfehlungen. Die Empdiefehlungen Zentrale wurden Ethikkommission (ZEK) im Swiss Medical der Weekly 25) EmpSAMW die neuenSprache Empfehlungen. Die in englischer publiziert und könfehlungen wurden im Swiss Medical Weekly nen über www.smw.ch oder via PubMed 25) in englischer Sprache publiziert und könonline gelesen oder als PDF heruntergeladen nenwerden über www.smw.ch via PubMed (open access).oder An dieser Stelle solonline gelesen oder als PDF heruntergeladen len lediglich die wesentlichen Neuerungen werden (open access). dieser Stelle solhervorgehoben undAn eine deutsche Version len lediglich die wesentlichen Neuerungen der Zusammenfassung präsentiert werden. hervorgehoben und eine deutsche Version der Zusammenfassung präsentiert werden. leine auf allseits anerkannten ethischen Prinzipien basieren, sondern durch gesellleine auf allseits anerkannten schaftliche, ökonomische und ethischen legale ÜberPrinzipien basieren, sondern durch geselllegungen mit beeinflusst werden. Qualitativ schaftliche, ökonomische und legale Übergute Daten zu erzielbaren Langzeitresultalegungen beeinflusst werden. Qualitativ ten sindmit ebenfalls wichtig und die verfügbagute Daten zu erzielbaren Langzeitresultaren Studien belegen, dass die Resultate ten sind ebenfalls wichtig und die verfügbazwischen verschiedenen Ländern erheblich ren Studien belegen, dass die Resultate variieren18)–24). Aus diesen Gründen ist davon zwischen verschiedenen Ländern erheblich auszugehen, dass Empfehlungen aus andeWas ist neu? Titel Gründen der Präsentation ODER des Vortragenden variieren18)–24). Aus diesen ist davon ren Ländern nichtOrganisationseinheit ohne weiteres auf die 16 auszugehen, dass Empfehlungen aus andeWas ist neu? Schweiz übertragbar sind. Eine Akzeptanz Im Vergleich zur Version aus dem Jahre 2002 t Department für Kinder- und Jugendheilkunde, Univ.-Klinik für Pädiatrie II (Neonatologie), Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich 5 Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Wilhelminenspital der Stadt Wien, Wien, Österreich 6 Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, SMZ Süd der Stadt Wien, Wien, Österreich 7 Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien, Wien, Österreich 4 Österreichische Leitlinie 2016 Konsensuspapiere Klinische Abteilung für Neonatologie, Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische 1,4 Universität Graz, Graz, Österreich Monatsschr Kinderheilkd A. Berger · U. Kiechl-Kohlendorfer · J. Berger1,2,5 · A. Dilch1,2,6 · M. Kletecka9 7 1,8 1,9 Division für Neonatologie, für Kinder-1,10 und Jugendheilkunde, DOI 10.1007/s00112-016-0149-0 Pulker · B. Urlesberger · M. WaldUniversitätsklinik · M. Weissensteiner · H. Salzer1,2,11 Paracelsus Medizinische © Der/die Autor(en) 2016. Dieser Artikel ist Salzburg, Österreich 1 Arbeitsgruppe fürPrivatuniversität, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für 10 eine Open-Access-Publikation. Klinik für Neonatologie, Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) Med. Campus IV, Kepler Universitätsklinikum, Linz, Österreich 1,2,5 1,2,6 11 2 für Kinderund Jugendheilkunde, Universitätsklinikum Tulln, A. Berger1,2,3 · U. Kiechl-Kohlendorfer1,4 · J. Berger · A. Dilch M.KinderKleteckaArbeitsgruppe fürKlinische Ethik in·Abteilung der und Jugendheilkunde der Österreichischen Gesellschaft für Tulln, Österreich Redaktion 7 1,8 1,9 1,10 1,2,11 Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) · B.Düsseldorf Urlesberger · M. Wald · M. Weissensteiner · H. Salzer A.Pulker Borkhardt, 3 1 Klinische Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Intensivmedizin und Neuropädiatrie, S. Arbeitsgruppe Wirth, Wuppertal Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) 4 2 Department für Kinder- und Jugendheilkunde, Univ.-Klinik für Pädiatrie II (Neonatologie), Medizinische Arbeitsgruppe für Ethik in der Kinder- und Jugendheilkunde der Österreichischen Gesellschaft für Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) 5 3 Abteilung für Kinderund Jugendheilkunde, Wilhelminenspital der Stadt Wien, Wien, Österreich Klinische Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie, 6 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Wien, Österreich SMZ Süd der Stadt Wien, Wien, Österreich AbteilungUniversität für Kinder- Wien, und Jugendheilkunde, 4 7 Department für Kinder- und Jugendheilkunde, Univ.-Klinik für Pädiatrie (Neonatologie), Medizinische Institut für EthikIIund Recht in der Medizin, Universität Wien, Wien, Österreich 8 Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich Klinische Abteilung für Neonatologie, Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische 5 Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Wilhelminenspital der Graz, StadtGraz, Wien,Österreich Wien, Österreich Universität 6 9 Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, SMZ Süd der Stadt Wien, Wien, Österreich Division für Neonatologie, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Paracelsus Medizinische 7 Privatuniversität, Salzburg, Österreich Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien, Wien, Österreich 10 8 Klinikund für Neonatologie, Med.Medizinische Campus IV, Kepler Universitätsklinikum, Linz, Österreich Klinische Abteilung für Neonatologie, Univ. Klinik für KinderJugendheilkunde, 11 Klinische Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Universitätsklinikum Tulln, Tulln, Österreich Universität Graz, Graz, Österreich 8 1,2,3 Erstversorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit Gemeinsame Leitlinie der Arbeitsgruppe Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin der Österreichischen Division für Neonatologie, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg, Österreich Gesellschaft für Kinder- und Klinik für Neonatologie, Med. Campus IV, Kepler Universitätsklinikum, Linz, Österreich Erstversorgung von(ÖGKJ), der Arbeitsgruppe Jugendheilkunde Klinische Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Universitätsklinikum Tulln, Tulln, Österreich Ethik in der KinderundGrenze Jugendheilkunde Frühgeborenen an der der ÖGKJ sowie des Instituts für Ethik und Erstversorgung von der Lebensfähigkeit Recht in der Medizin der Universität Wien Frühgeborenen anGemeinsame der Grenze (IERM)Leitlinie der Arbeitsgruppe der Lebensfähigkeit Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin der Österreichischen 9 10 11 20.9.2016 17 Konsensuspapiere tigung (0–2 %). Frühgeborene dieser SSW sollten daher nur palliativ betreut werden. Das betrifft auch Frühgeborene mit guter postnataler Vitalität, wenn deren Gestationsalter ohne jeden Zweifel (z. B. nach In-vitro-Fertilisation [IVF] Korrespondenzadresse oder bei wiederholtem Frühultraschall) feststeht. Prof. Dr. A. Berger Österreichische Leitlinie 2016 8 Empfehlungen zur Erstversorvon Frühgeborenen an Monatsschrift gung Kinderheilkunde August 2016 der Grenze zur Lebensfähigkeit Konsensuspapiere 8 Empfehlungen zur Erstversorgung von Frühgeborenen an der Grenze zur Lebensfähigkeit Gestationsalter <SSW 22 +0 Ein Frühgeborenes vor 22 + 0 SSW ist nach heutigem Wissensstand nicht lebensfähig und sollte daher ggf. nur palliativ betreut werden. Leitfaden, anhand dessen Gestationsalter SSW 22 + 0–22 +6 im individuellen Frühgeborene der SSW 22 + 0–22 + 6 Fall eine haben eine sehr niedrige Wahrscheinverantwortungslichkeit zu überleben (0–10 %) und eine noch niedrigere Wahrscheinlichbewusste keit eines Überlebens ohne signifikante entwicklungsneurologische BeeinträchEntscheidungstigung (0–2 %). Frühgeborene dieser SSW sollten daher nur palliativ betreut findung werden. Das betrifft auch Frühgeborene mitermöglicht guter postnataler Vitalität, wenn deren Gestationsalter ohne jeden Zweifel soll [IVF] (z.werden B. nach In-vitro-Fertilisation oder bei wiederholtem Frühultraschall) feststeht. Gestationsalter SSW 23 + 0–23 + 6 Die Überlebenswahrscheinlichkeit steigt ab SSW 23 + 0 im Vergleich zu SSW 22 + 0–22 + 6 bei Geburt in einem perinatalen Zentrum mit Erfahrung in der Versorgung dieser extrem unreifen Klinische Abteilung fürderNeonatologie, 7. Kletecka-Pulker M (2014) Ethik und Recht Reanimation:Pädiatrische Wann muss man Intensivmedizin anfangen, wann und Neurosoll man aufhören? J KardiolUniversitätsklinik 21(Supplementum pädiatrie, für Kinder- und A):5–8 Prof. Dr. A. Berger Die Das Überlebenswahrscheinlichkeit steigt Medizinische Universität 8. Topf RJ (Hrsg)Jugendheilkunde, (2014) krebskranke Kind und Klinische Abteilung für Neonatologie, Ein Frühgeborenes vor 22 + 0 SSW ist sein Umfeld/Psychosoziale Aspekte der VersorWien ab SSW 23 + 0 im Vergleich zu SSW Pädiatrische Intensivmedizin und Neuronew academic press, nach Universitätsklinik heutigem Wissensstand nicht gung le-und Unterstützung. Währinger Gürtel Wien,in Österreich pädiatrie, für Kinder- und 22 + 0–22 + 18–20, 6 bei1090 Geburt einem Wien, S 346 Jugendheilkunde, Medizinische bensfähig und sollteUniversität daher ggf. nur9. [email protected] Aigner G, Kletecka A, Kletecka-Pulker M, Memmer perinatalen Zentrum mit Erfahrung in Wien M (Hrsg) (2015) Handbuch Medizinrecht für die liativ Gürtel betreut werden. der Versorgung dieser extrem unreifen Währinger 18–20, 1090 Wien, Österreich Praxis. Manz, Vienna 10. ABGB-ON1.02Open § 138 Rz5 (Stand 1.10.2013, rdb.at). by Medical University [email protected] access funding provided Frühgeborenen signifikant. Ein beträchtSect. Deixler-Hübner (2013). of Vienna. 11. Dettenborn H, Walter E (2002) Familienrechtspsylicher Prozentsatz der Überlebenden hat Open access funding provided by Medical University chologie. UTB, Stuttgart aber mit entwicklungsneurologischer of Vienna. 12. Kuschel CA, Kent A (2011) Improved neonatal at borderline viability Frühgeborene der SSW 22 + 0–22 survival + 6 and outcomes Beeinträchtigung zu rechnen. Die Entbrings increasing ethical dilemmas. J Paediatr haben eine sehr niedrige Wahrscheinscheidung zur bestmöglichen VersorEinhaltung ethischer Richtlinien Child Health 47(9):585–589 von Loewenich gung V (2003)in Ethische Probleme dieser Schwangerschaftswoche lichkeit zu überleben (0–10 %)13. und Interessenkonflikt. A. Berger, U. Kiechl-Kohlendorbei Frühgeborenen. Monatsschr Kinderheilkd Interessenkonflikt. A. Berger, U. Kiechl-Kohlendornach entsprechender Aufklärung eine noch niedrigere Wahrscheinlich151(12):1263–1269. doi:10.1007/s00112-003fer,sollte J. Berger, A. Dilch, M. Kletecka-Pulker, B. Urlesberfer, J. Berger, A. Dilch, M. Kletecka-Pulker, B. Urlesber0851-6 ger, M. Wald, M. Weissensteiner und H. Salzer geben unter Zuziehung der eigenen Outcomeeines Überlebens ohne ger,keit M. Wald, M. Weissensteiner und H. Salzer gebensignifikante 14. Dupont-Thibodeau A, Barrington KJ, Farlow B, an, dass kein Interessenkonflikt besteht. an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Daten und der Literatur gemeinsam mit Janvier A (2014) End-of-life decisions for extremely entwicklungsneurologische Beeinträchlow-gestational-age infants: why simple rules for den Eltern erfolgen („shared decision Dieser Beitrag beinhaltet keine vonFrühgeborene den Autoren tigung (0–2 %). dieser complicated decisions should be avoided. Semin Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren. Perinatol 38(1):31–37 making“). Studien an Menschen oder Tieren. durchgeführten SSW sollten daher nur palliativ betreut 15. Leuthner SR (2014) Borderline viability: controverOpen Access. Dieser Artikel wird unter der Creative sies in caring for the extremely premature infant. werden. Das betrifft auch Frühgeborene Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz Clin Perinatol Open 41(4):799–814 (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed. mit guter postnataler Vitalität, wenn de- DG, Committee Commons 16. Batton onNamensnennung Fetus and Newborn 4.0 International Lizenz de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfäl(2009) Clinical report – antenatal counseling (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed. renBearbeitung, Gestationsalter jeden Zweifel tigung, Verbreitung undohne Wiedergabe regarding resuscitation at an extremely low und Morbidität sinken signifide)Mortalität veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfälin jeglichem Format erlaubt, sofern gestational age. Pediatrics 124(1):422–427. doi:10. (z. B. Medium nachundIn-vitro-Fertilisation [IVF] tigung, und Wiedergabe Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle kantBearbeitung, in SSW 24Verbreitung + 0–24 + 6, sodass in die1542/peds.2009-1060 oder beinennen, wiederholtem Frühultraschall) ordnungsgemäß einen Link zur Creative Comin ser jeglichem Medium und erlaubt, sofern 17. De Jesus LC, Pappas A,Schwangerschaftswoche Shankaran S, Li L, Das A, Format Bell eine proaktimons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen EF et al (2013)Sie Outcomes of ursprünglichen small for gestational den/die Autor(en) und die Quelle feststeht. vorgenommen wurden. ve Versorgung nach derLink Geburt indiziert age infants born at ⟨27 weeks’ gestation. J Pediatr ordnungsgemäß nennen, einen zur Creative Com163(1):55–60.e3 ist. mons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen 18. Tyson JE, Parikh NA, Langer J, Green C, Higgins vorgenommen wurden. RD, for the National Institute of Child Health and Literatur Human Development Neonatal Research Network (2008) Intensive care for extreme prematurity – Titel der Präsentation ODER des Vortragenden Überlebenswahrscheinlichkeit steigt 1. Die Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit. moving beyond gestational age. N Engl J Med 1999. Available from: http://www.awmf.org/ Organisationseinheit 358(16):1672–1681. doi:10.1056/nejmoa073059 ab SSW 23 + 0 im Vergleich zu19.SSW Monatsschrift Kinderheilkunde leitlinien/detail/ll/024-019.html network N-Nr. Extremely preterm birth outcome Korrespondenzadresse Gestationsalter <SSW 22 +0 Gestationsalter SSW 23 + 0–23 + 6 Gestationsalter SSW 22 + 0–22 +6 Einhaltung ethischer Richtlinien Gestationsalter SSW 24 + 0–24 + 6 Gestationsalter SSW 23 + 0–23 + 6 Literatur Dieser Beitrag beinhalte durchgeführten Studien Open Access. Dieser Art Commons Namensnenn (http://creativecommon de) veröffentlicht, welch 7. Kletecka-Pulker M tigung, Bearbeitung, Ver Reanimation: Wan in jeglichem Medium un soll man aufhören Sie den/die ursprünglich A):5–8 ordnungsgemäß nennen 8. Topf RJbeifügen (Hrsg) (20 mons Lizenz un sein Umfeld/Psych vorgenommen wurden. gung und Unterst Wien, S 346 9. Aigner G, Kletecka M (Hrsg) (2015) H Literatur Praxis. Manz, Vienn 10. ABGB-ON1.02an§de 13 1. Frühgeborene Sect. Deixler-Hübn 1999. Available from 11.leitlinien/detail/ll/02 Dettenborn H, Wa 2. Arbeitsgruppe chologie. UTB,der StuS Neonatologie, Be 12.für Kuschel CA, Kent J-C, Holzgreve K survival and W, outc lungen Betreuu brings zur increasing der Grenze der47(9) Lebe Child Health 22–26SSW. Schweize 13. von Loewenich V 3. Arbeitsgruppe Neon bei Frühgeborene Intensivmedizin, Ar 151(12):1263–126 Jugendheilkunde Ö 0851-6 Frühgeborenen an d 14.keit. Dupont-Thibodea Leitlinie der Arb Janvier A (2014) En pädiatrischeIntensiv low-gestational-a pe Ethik. Monatsschr complicated decis 4. Berger TM, Bernet V, I, Perinatol Irion O et 38(1):31– al (2012) 15.Grenze Leuthner (2014 der SR Lebensfä sies in caring for th vollendeten Schwan Clin PerinatolEmpfe 41(4 der Schweizer 23(1):10– 16.Paediatrica Batton DG, Comm 5. Frühgeburt an derreG (2009) Clinical 2014. Available from regarding resusci leitlinien/detail/ll/02 gestational age. Pe 6. Kletecka-Pulker M (2 1542/peds.2009-1 bestimmung: §110 17. De Jesus LC, PappaA §173 3 ABGB EF etAbs al (2013) Ou Gesetzbuch), §8 Abs age infants born a und Kuranstaltenges 163(1):55–60.e3 18. Tyson JE, Parikh N RD, for the 18 Nation Human Developm Zentrale Frage: Sind dem Patienten und den Eltern die Belastungen durch Intensivmedizin und potentielle Komplikationen sowie Langzeitschäden zumutbar? http://sciencev1.orf.at/news/89405.html Hippokratische Tradition Salus aegroti suprema lex Verpflichtung nach Fürsorgeprinzip Das Wohl des Patienten ist höchstes Gesetz „Wir sind durch unseren Eid verpflichtet, jedem lebensfähigen Kind eine optimale Therapie zur Verfügung zu stellen und es nach bestem Wissen zu behandeln“ Prim. Hans Salzer, ORF-Interview 2002 Primum nihil nocere Verpflichtung nicht zu schaden „… stellen sich die Neonatologen schon seit über 20 Jahren der Frage, ob im Einzelfall Leben erhalten werden soll oder darf, ob das Erzwingen des Überlebens dem Patienten nicht mehr Schaden und Leid zufügt als ein durch Leiden mindernde Maßnahmen begleitetes Sterben.“ V.v.Löwenich, Monatsschr Kinderheilkd 2004 • Artikel 2 des deutschen Grundgesetzes gesteht jedem Mitglied der Spezies Mensch freie Entfaltung und Recht auf Leben zu, sofern nicht Rechte anderer dabei missachtet werden. • Das bedeutet nicht Pflicht zu leben und auch nicht, Leben um jeden Preis zu erhalten, aber es schließt aus, die Chance zu leben von vorne herein zu versagen. Therapiebeendigung, Therapieverzicht, AND Bestes Interesse des Kindes Würde Technisch des Machbares Menschen Bestes Interesse des Kindes Ethische Elterlicher Legitimität Wunsch Bestes Interesse des Kindes Early Human Development 88 (2012) 71–72 Contents lists available at SciVerse ScienceDirect Early Human Development journal homepage: www.elsevier.com/locate/earlhumdev Best practice guidelines What is in the best interest of the infant? Narendra Aladangady Homerton University Hospital NHS Foundation Trust, Homerton Row, London E9 6SR, United Kingdom Barts and The London School of Medicine & Dentistry, Queen Mary University London, Whitechapel, London, United Kingdom Infant mortality has been decreasing in the developed world [1] as well as globally [2] in the last decade, due to overall improvement in the provision of health care and living standards. In the developed world, survival of extreme preterm infants who have previously been considered non-viable, has improved considerably over the last two decades [3,4]. In contrast the proportion of babies admitted to the neonatal unit who were born at or less than 23 weeks gestation has increased since the mid 90s but with no improvement in survival [4]. Long term cognitive and neurologic impairment and respiratory morbidities are common in extreme preterm infants, and this may put considerable burden on infants, parents and society [5-8]. Hence, the ethics of providing life sustaining treatment (LST) to some of these babies is questioned by professionals [9,10], parents [11] and society [12]. Bestes Interesse des Kindes not practical or ethical. The need for prospective large multicenter studies of families where forgoing LST for their babies has been considered was highlighted by RCPCH [14] and Nuffield Council on Bioethics [22]. A best practice guideline has been produced and published in this issue of Early Human Development, based on the current published national and international guidelines, along with the considerable experience and expertise of the contributing authors. The first two chapters cover the best clinical practice concerning withdrawal or withholding of LST for newborn infants and the provision of high quality palliative care. Aladangady N and De Rooy L describe situations where limiting LST needs to be considered, the decision making process and the factors influencing decision, the resTitel der Präsentation ODER des Vortragenden olution of disagreement, and what treatments can be withheld or Organisationseinheit withdrawn. In the second chapter De Rooy L et al. describe the best Welche minimale Lebensqualität, minimal mögliche Lebensinhalte und minimales Potenzial zur Lebensverwirklichung sind zu fordern? 23 Shared-Decision-Making Herausforderung durch Migration und demographischen Wandel • Neue Patientengruppen, neue Krankheitsbilder • Unsicherheit von Patienten(eltern) – sprachliche, kulturelle und institutionelle Barrieren • Anderes Ethikverständnis, Einschränkungen durch Religion Early Human Development 88 (2012) 83–85 Contents lists available at SciVerse ScienceDirect Early Human Development journal homepage: www.elsevier.com/locate/earlhumdev Best practice guidelines Islamic law and the limitations of medical intervention Mufti Mohammed Zubair Butt ⁎ Muslim Chaplain, The Leeds Teaching Hospitals NHS Trust, St James's University Hospital, Beckett Street, Leeds, LS9 7TF, United Kingdom Contents 1. Sources of Islamic ethical and legal opinion 2. Sanctity of life . . . . . . . . . . . . . . 3. Sickness, ill health and death . . . . . . . 4. Is medical treatment mandatory? . . . . . 5. Withdrawal of life sustaining treatment . . References . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Early Human Development 88 (2012) 89–90 . . . . . . . . . . . . . . . . . Contents . . . . . lists . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . available . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .SciVerse . . . . .ScienceDirect . . . . . . . at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Early Human Development . . . . . . 83 83 84 84 84 85 journal homepage: www.elsevier.com/locate/earlhumdev practice 1. Sources of Islamic ethical and legal Best opinion guidelines “Do not take life which God has made sacred except in the course of Justice” Withdrawal of life-sustaining treatment for newborn infants from a Christian perspective [Qur'an, 6:151] Islamic ethical and legal opinion guides, rules and regulates all public and private behaviour and is drawn from a number of sources: ∎ The primary source is the Qur'an, which is believed to be the diSimilarly: ⁎ vine revelation to the Prophet Muhammad, peace and blessings Michael Scott-Joynt be upon him [pbuh], conveyed by the angel Gabriel, in the very Easter House, Funtington, Chichester PO18 9LJ, England, United Kingdom “…One who has killed a person except in lieu of murder or miswords of God. It is the final arbitrator and there is no other appeal. chief on earth; it would be as he slew the whole mankind…” ∎ The second source is a composite of the teachings of the Prophet Mohammad pbuh not explicitly found in the Qur'an known as the Sunnah and functions as an exegesis of the Qur'an. ∎ The third source is scholarly consensus which is the unanimity upon a single legal ruling of those qualified and existing at one particular period after the demise of the Prophet pbuh. Whilst b s t r a c t [Qur'an, a5:32] Titel der Präsentation ODER des Vortragenden One cannot also take one's aown life:of whatever age, therefore, the more there must be a presumption in favour of The more vulnerable person, Organisationseinheit 26 life; and care must be offered with particular respect and dignity, and in the best interests of the infant her/ Neue Herausforderungen • Wer darf in so einem Fall darüber entscheiden, ob die Behandlung abgebrochen wird? • Wie geht man mit dem Spannungsfeld um, wenn andere Kulturvorstellungen nicht den österreichischen Rechtsnormen entsprechen? • Wer kann für eine etwaige falsche Entscheidung zur Verantwortung gezogen werden? • Wie erfolgt die Aufklärung in solchen Fällen? • Wie weit können Eltern sich etwas wünschen? Wie weit können sich Eltern etwas wünschen? Werden therapeutische Maßnahmen vom medizinischen Betreuungsteam als nicht mehr sinnvoll eingestuft, gibt es weder rechtlich noch ethischmoralisch Verpflichtung für Maßnahmen Problem: Medizinisch nicht indizierte Maßnahmen aus Rücksicht auf Eltern, auf Druck von Eltern, aus Angst vor Verantwortung Mögliche Lösungsansätze • Auseinandersetzung mit Kulturen, Werten, Religionen, Traditionen • Richtige Sprache finden, um ethische Vorstellungen auch Eltern anderer Kulturkreise näherzubringen • Wiederholte Gespräche, Zweitmeinung • Zuziehen von religiösen Instanzen Therapiebeendigung, Therapieverzicht, AND • Therapiebeendigung: elektives Beenden von „life sustaining treatment“ (Extubation, Beenden von KCA, Medikamenten) – 30% aller Todesfälle an der NICU* • Therapieverzicht: Tod durch Nicht-Beginn mit lebensnotwendiger Behandlung (Reanimation nach Geburt, Operation), 3-5% der Todesfälle an der NICU* • AND: Allow natural death, keine Reanimationsmaßnahmen bei klinischer Verschlechterung, 10-15% der Todesfälle an der NICU* * Studien aus UK, Irland, Indien, Canada, USA Therapiebeendigung, Therapieverzicht, AND • Brain Dead Child – nicht/kaum angewandt bei Neonaten • Permanent vegetative – nicht angewandt bei Neonaten • No Chance – Anencephalus, Tris 13, Tris 18 • No Purpose – könnte überleben, aber Ausmaß der physischen oder mentalen Beeinträchtigung so groß, dass nicht zumutbar (Asphyxie, schwere beidseitige Hirnblutung) • Unbearable – Intensivmedizin könnte Leben verlängern, aber „Preis“ in bezug auf Leiden zu hoch (CLD mit maximaler Beatmung) * Royal College of Pediatrics and Child Health UK 10 11 Therapiezieländerung „Palliativ“ 1 Einleitung Klinik für Neonatologie, Med. Campus IV, Kepler Universitätsklinikum, Linz, Österreich Klinische Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Universitätsklinikum Tulln, Tulln, Österreich Erstversorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit Gemeinsame Leitlinie der Arbeitsgruppe Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), der Arbeitsgruppe Ethik in der Kinder- und Jugendheilkunde der ÖGKJ sowie des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien (IERM) kann. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren im deutschen Sprachraum von verschiedenen medizinischen Gesellschaften Leitlinien erarbeitet, die den Neonatolog(inn)en und Geburtshelfer(innen) Entscheidungshilfen in der Betreuung dieser Patientengruppe bieten sollen [1–3]. Diese wurden für die Schweiz 2012 und für Deutschland 2014 aktualisiert bzw. neu formuliert [4, 5]. Für Österreich wurde eine ent- • Sobald auf lebenserhaltende intensivmedizinische Unterstützung verzichtet wird, sollte alles getan werden, um dem Kind weiterhin die entsprechende medizinische Betreuung und eine menschenwürdige Begleitung im Sterben zu gewährleisten (palliative care). Die immensen Fortschritte der neonatologischen Intensivmedizin in den letzten Jahrzehnten haben ein Überleben von sehr unreifen Frühgeborenen ermöglicht. Dieser Erfolg ist mitunter mit einer beträchtlichen Langzeitmorbidität für ehemalige Frühgeborene verbunden, was potenziell schweres Leid für das Kind und seine Familie mit sich bringen sprechende Leitlinie zur „Versorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit“ 2005 publiziert [3]. Der vorliegende Beitrag stellt eine Überarbeitung dieser Leitlinie dar und soll das Vorgehen bei Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit in Österreich vereinheitlichen. Eine Leitlinie soll allerdings niemals als strenge Richtlinie mit starren einzuhaltenden Vorgaben angesehen werden, sondern einen Leitfaden • Falls es für eine wirksame Schmerz- und Atemnotbekämpfung notwendig ist, ist es medizinisch indiziert, rechtlich legal und geboten, Medikamentendosierungen zu verwenden, die möglicherweise auch lebensverkürzend wirken können. • Strafbar und nicht mit den in Österreich üblichen medizinethischen Grundsätzen vereinbar ist hingegen die Verabreichung von Medikamenten mit der Indikation, das Leben eines Frühgeborenen zu beenden. Monatsschrift Kinderheilkunde 10 11 Klinik für Neonatologie, Med. Campus IV, Kepler Universitätsklinikum, Linz, Österreich Klinische Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Universitätsklinikum Tulln, Tulln, Österreich Erstversorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit Therapieziel AND Gemeinsame Leitlinie der Arbeitsgruppe Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), der Arbeitsgruppe Ethik in der Kinder- und Jugendheilkunde der ÖGKJ sowie des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien (IERM) 1 Einleitung Die immensen Fortschritte der neonatologischen Intensivmedizin in den letzten Jahrzehnten haben ein Überleben von sehr unreifen Frühgeborenen ermöglicht. Dieser Erfolg ist mitunter mit einer beträchtlichen Langzeitmorbidität für ehemalige Frühgeborene verbunden, was potenziell schweres Leid für das Kind und seine Familie mit sich bringen kann. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren im deutschen Sprachraum von verschiedenen medizinischen Gesellschaften Leitlinien erarbeitet, die den Neonatolog(inn)en und Geburtshelfer(innen) Entscheidungshilfen in der Betreuung dieser Patientengruppe bieten sollen [1–3]. Diese wurden für die Schweiz 2012 und für Deutschland 2014 aktualisiert bzw. neu formuliert [4, 5]. Für Österreich wurde eine ent- sprechende Leitlinie zur „Versorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit“ 2005 publiziert [3]. Der vorliegende Beitrag stellt eine Überarbeitung dieser Leitlinie dar und soll das Vorgehen bei Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit in Österreich vereinheitlichen. Eine Leitlinie soll allerdings niemals als strenge Richtlinie mit starren einzuhaltenden Vorgaben angesehen werden, sondern einen Leitfaden • Im Vordergrund steht die Indikation bzw. Intention, in der potenziell lebensverkürzende Medikamente Palliativpatient(inn)en verabreicht werden, und nicht deren Wirkungsprofil. • Zu Schmerz- und Atemnotlinderung sind diese Medikamente absolut geboten (auch in hohen Dosen, wenn es die klinische Symptomatik erfordert), zur aktiven Beendigung eines, wenn auch überaus leidvollen menschlichen Lebens, verboten. Monatsschrift Kinderheilkunde 10 11 Klinik für Neonatologie, Med. Campus IV, Kepler Universitätsklinikum, Linz, Österreich Klinische Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Universitätsklinikum Tulln, Tulln, Österreich Erstversorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit Comfort Care / Palliative Care Gemeinsame Leitlinie der Arbeitsgruppe Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), der Arbeitsgruppe Ethik in der Kinder- und Jugendheilkunde der ÖGKJ sowie des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien (IERM) 1 Einleitung kann. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren im deutschen Sprachraum von verschiedenen medizinischen Gesellschaften Leitlinien erarbeitet, die den Neonatolog(inn)en und Geburtshelfer(innen) Entscheidungshilfen in der Betreuung dieser Patientengruppe bieten sollen [1–3]. Diese wurden für die Schweiz 2012 und für Deutschland 2014 aktualisiert bzw. neu formuliert [4, 5]. Für Österreich wurde eine ent- • Neben der medikamentösen Versorgung sind auch allgemeine Maßnahmen (Geborgenheit, Zuwendung durch Eltern und Betreuer, Wärme, Ernährung, Schmerzreizvermeidung, auch im Sinne von Lichtabdunkelung und Lärmverminderung) nicht außer Acht zu lassen. Die immensen Fortschritte der neonatologischen Intensivmedizin in den letzten Jahrzehnten haben ein Überleben von sehr unreifen Frühgeborenen ermöglicht. Dieser Erfolg ist mitunter mit einer beträchtlichen Langzeitmorbidität für ehemalige Frühgeborene verbunden, was potenziell schweres Leid für das Kind und seine Familie mit sich bringen • Den Eltern soll auf Wunsch durch einen engen Kontakt zum sterbenden Kind das Abschiednehmen erleichtert werden. • Wenn die Eltern es wollen, sollte das Kind im Arm von Mutter bzw. Vater versterben dürfen. • Den betroffenen Familien ist sowohl psychologische wie auch spirituelle Unterstützung anzubieten. sprechende Leitlinie zur „Versorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit“ 2005 publiziert [3]. Der vorliegende Beitrag stellt eine Überarbeitung dieser Leitlinie dar und soll das Vorgehen bei Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit in Österreich vereinheitlichen. Eine Leitlinie soll allerdings niemals als strenge Richtlinie mit starren einzuhaltenden Vorgaben angesehen werden, sondern einen Leitfaden Monatsschrift Kinderheilkunde Projekt Trauerbegleitung nach dem Tod eines Neugeborenen • Kooperation MOMO, Dr. Martina Kronberger • Psychosoziale Betreuung und Begleitung von Eltern und Geschwistern an der MedUniWien verstorbener Neugeborener • Trauerbegleitung bis zu 6 Monate nach Ereignis • Ziel: psychische, physische und soziale Stabilität der Familie (auch nachfolgend geborener Kinder) zu erhöhen • Projektantrag PHARMIG Rahmenvertrag 2016 Titel der Präsentation ODER des Vortragenden Organisationseinheit 35 Recht auf Leben und Sterben in Würde auch in der Neonatologie