Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne

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Forschung zur Lese- und Rechtschreib-Störung am
Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
Psychotherapie der LMU München
Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne
Symptomatik der Lese- und
Rechtschreibstörung (nach dem ICD-10)
Schwierigkeiten beim Schreiben
von Buchstaben und Wörtern.
Hohe Fehlerzahl bei Diktaten.
Auslassen, Ersetzen oder
Hinzufügen von Wortteilen.
Niedrige Lesegeschwindigkeit.
Mangelndes Leseverständnis.
Diagnostische Kriterien (ICD-10)
Die Lese- und/oder Rechtschreibleistung muss unter
dem Niveau liegen, das aufgrund des Alters, der
allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu
erwarten ist.
Ausschlusskriterien:
Intelligenzminderung
Fehlende oder zu geringe Unterrichtung
Unkorrigierte Beeinträchtigungen im Hören und
Sehen (Ptok et al. 2000, Trauzettel-Klosinski et al. 2002)
Minderleistung aufgrund von psychischen oder
neurologischen Störungen
Untersuchungsmanual zur Diagnostik
der Lese-Rechtschreibstörung
Anamnese
Schulbericht
Standardisierter Lese- und Rechtschreibtest
Standardisierter Intelligenztest
Verfahren zur Erfassung der Emotionalität, des
Verhaltens und der Persönlichkeit
Neurologische und internistische Untersuchung (+Hörund Sehtests und ggf. eines EEGs)
Überprüfung der Motorik, der Artikulation und des
Sprachverständnisses
Beispiel für die Befindlichkeit von Kindern
und Jugendlichen mit einer LRS
Beispiel für die Befindlichkeit von Kindern
und Jugendlichen mit einer LRS
Beispiel für die Befindlichkeit für
Kinder mit einer LRS
Connecticut Längsschnittstudie
(CLS)
Gute
Leser
Leseleistung
Mittleres
Leistungsniveau
Alter in
Jahren
Leseschwache
Zentrale Ergebnisse der CLS
Eine spontane Remission der Leseschwäche tritt nicht ein.
Die zu Beginn (Ende der 2. Klasse) LeseRechtschreibschwachen bleiben bis zur 9.
Klasse betroffen.
Es liegt auch kein Entwicklungs-rückstand
vor, der eingeholt wird.
Schulischer Verlauf: Ergebnisse der
Mannheimer Längsschnittstudie
LRS
Kinder mit anderen
Entwicklungsstörungen*
Gymnasium
12,5%
24,5%
Realschule
15,6%
32,7%
Hauptschule
68,8%
36,7%
Sonderschule
3,1%
6,1%
*Einfache Artikulationsstörung (F 80.0), Rezeptive Sprachstörung (F 80.2),
umschriebene Störung motorischer Funktionen (F 82)
Verlauf der Rechtschreibfähigkeit
70
60
T-Wert im
Rechtschreibtest
50
40
30
20
N=
29
29
RST_ALT
RST_AKT
RST alt
36,7 ±5,4
RST aktuell Differenz p-Wert
41,5 ±8,0
4,9 ±8,7
0,0056
Protektive Faktoren
Hohe Intelligenz
Emotional stützendes Elternhaus mit recht hohem
sozioökonomischem Status
Relativ geringere Beeinträchtigung im Lesen
und/oder Rechtschreiben
Gute phonologische Fähigkeiten
LRS im Erwachsenenalter
Häufigkeit: ca. 4-5%, d. h. ca 3,3 Millionen
betroffene Erwachsene.
Mindestens 1% der deutschen Studenten gibt an,
Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben zu
haben.
4.3-6.4% der deutschen Erwachsenen erreichen nicht
das Rechtschreibniveau von Viertklässlern (Haffner et al.
1998).
Positive Verläufe
sind bekannt:
wenn Förderung in Spezialeinrichtungen (z. b.
in Internate mit eigenem Förderbereich) und
wenn intensive Förderung über die gesamte
Schulzeit durchgeführt wird
eine emotional stützende Umgebung
vorhanden ist.
Positive Verläufe
Aber:
die Betroffenen benötigen deutlich länger, um
einen Schulabschluss zu erreichen
und erreichen einen im Verhältnis zu ihren
kognitiven Fähigkeiten einen geringeren
Schulabschluss.
Emotionale Entwicklung
Geringeres Selbstwertgefühl bei Kinder und
Jugendlichen mit einer LRS, aber auch im
Erwachsenenalter.
Trotz recht guter schulischer Entwick-lung
erleben Betroffene sich als minderwertig,
unsicher und
neigen zum Empfinden von Misserfolgen.
Komorbide Störungen
Gehäuft treten folgende Störungen auf:
Hyperkinetische Störungen
Depressive Störungen
Emotionalstörungen
Störung des Sozialverhaltens
Führt eine LRS überzufällig häufig zu
delinquentem Verhalten?
Widersprüchliche Befunde: z. T. gehäuft dissoziale
Symptome (z. B. Stehlen, Körperverletzung)
Gerichtl. Bestrafte Delinquenz tritt nicht überzufällig
häufig auf.
Der Zusammenhang zwischen LRS und Delinquenz
könnte erklärt werden durch:
Sozioökonomischen Status,
zusätzliche Aufmerksamkeitsstörung
geringem Schulbesuch
Psychische Störungen bei der
LRS
50
Neurotische
Störungen
40
Hyperkinetische
Störungen
30
20
Störungen des
Sozialverhaltens
10
0
1998
1999
2000
2001
Emotionalstörungen
Fallbericht
8jähriger Junge, ambulant vorgestellt
Vorstellungsgrund:
Konzentrationsprobleme
unaufmerksam, unruhig
Schwierigkeiten beim Lesen und
Schreiben
Fallbericht
Anamnese:
seit Einschulung mit 6 Jahren in der
Klasse und in der Familie unruhig,
zappele herum, kann nicht bei einer
Sache bleiben
In der 2. Klasse werden Probleme in
Deutsch gravierender, aber auch
Schwierigkeiten beim Rechnen
Fallbericht Untersuchung
ADHD:
Exploration und Verhaltensbeobachtung
Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung bei Kindern (KITAP)
Child Behavior Checklist (CBCL)
Child Behavior
Checklist
Elternfragebogen über das
Verhalten von Kindern und
Jugendlichen (CBCL/4-18)
Fragebogen für Jugendliche
(YSR)
Fremdbeurteilungsbogen für
Schulkinder
mit Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitätstörungen
(FBB-ADHS-V)
Döpfner M. / Görtz-Dorten A. /
Lehmkuhl G. DiagnostikSystem für psychische
Störungen nach ICD-10
und DMS-IV für Kinder
und Jugendliche - II
(DISYPS-II)
KITAP
Fallbericht Untersuchung
Schulleistungen:
Kognitive Fähigkeiten (Hamburg-WechslerIntelligenztest für Kinder, HAWIK III)
Lese- und Rechtschreibtest:
Salzburger Lesetest (SLRT), Leseverständnis-test für
Erst- bis Sechstklässler (ELFE 1-6), Diagnostischer
Rechtschreibtest für 2. Klassen (DRT 2),
Rechentest (Heidelberger Rechentest, HRT)
Fallbericht: Untersuchung
Psychopathologie:
Psychopathologischer Befund
Depressionsinventar für Kinder und
Jugendliche (DIKJ)
Angstfragebogen für Schüler (AFS)
Satzergänzungstest
Fallbericht Untersuchung
Körperliche Untersuchung
Neurologische Untersuchung
Internistische Untersuchung
Fremdanamnese
Schulbericht
Fallbericht: Ergebnisse der Diagnostik
Exploration:
bereits im Vorschulalter Symptome eines
ADHD;
schulische Überforderung (Fokussierung der
Aufmerksamkeit, lange
Aufmerksamkeitsspanne, Unterdrückung von
Handlungsimpulsen)
KITAP: hohe Ablenkbarkeit, geringe
Daueraufmerksamkeit und selektive
Aufmerksamkeit
Fallbericht: Ergebnisse der Diagnostik
Leistungsuntersuchung:
IQ im Durchschnittsbereich
SLRT: unterdurchschnittliche
Lesegeschwindigkeit;
ELFE: unterdurchschnittliches Leseverständnis;
DRT: unterdurchschnittliche
Rechtschreibleistung
HRT: insgesamt unterdurchschnittliche
Rechenleistung
Fallbericht: Ergebnisse der Diagnostik
Psychopathologie:
zunehmende Schulunlust, teilweise Angst vor
der Schule, morgens häufig Bauchschmerzen,
weint nachmittags bei Schulaufgaben
DIKJ: Hinweise für eine leichte Depression
AFS: Hinweise für schulbezogene Ängste
Fallbericht: Ergebnisse der Diagnostik
Körperliche Untersuchung
viele Hämatome wegen Stürzen,
neurologische US o. B.
Fremdanamnese
Lehrkraft: sehr unruhiger Schüler, stört
den Unterricht, ruft dazwischen,
Leistungen in allen Fächern werden
schlechter
Diagnosen
Achse I: Hyperkinetische Störung (F 90.0)
Achse II: Kombinierte Störung schulischer
Fertigkeiten
Achse III: durchschnittliche Intelligenz
Achse IV: keine
Achse V: keine
Achse VI: mäßige soziale Beeinträchtigung
Therapieplanung ADHD
Multimodale Behandlung aus
psychotherapeutischen,
psychosozialen und
pharmakotherapeutischen Ansätzen.
Therapieplanung ADHD
Aufklärung und Beratung
Beratung der Eltern z. B. hinsichtlich von Methoden der
Verhaltenssteuerung.
Aufklärung des Kindes, Anleitung zur
Selbstbeobachtung.
Aufklärung in der Schule und im Kindergarten über die
Störung.
Beratung der Eltern und Lehrer hinsichtlich adäquater
Beschulung und pädagogischer Strategie in der Schule.
Therapieplanung ADHD
2. Psychotherapie und psychosoziale
Interventionen
Familientherapie
Einzel- und/oder Gruppenpsychotherapie
(Kognitive Verhaltenstherapie, soziales
Kompetenztraining, Selbstinstruktionstraining)
Therapieplanung ADHD
3. Medikamentöse Therapie
Therapieplanung bei ADHS und LRS
Kombination spezifischer Techniken
zur Handlungssteuerung mit der
Lernförderung
Emotionale Stützung der Kinder und
ihrer Eltern
Therapieplanung bei ADHS und LRS
Grundlegende Strategien der
Lernförderung:
arbeiten nach einem strukturierten
Förderkonzept
regelmäßige Förderung in kleinen Einheiten
unmittelbare und kontinuierliche Verstärkung
Beginn der Förderung an der sog.
Nullfehlergrenze
Therapieplanung bei ADHS und LRS
Grundlegende Strategien der
Lernförderung:
keine Methodenvielfalt: hier gilt weniger ist
mehr!
Ressourcen des Kindes berücksichtigen
Realistische Lernziele – erlebter Erfolg ist
zentrale Voraussetzung für Lernmotivation
Therapieplanung bei ADHS und LRS
Spezifische Strategien der
Lernförderung in der Familie:
Im Grundschulbereich: tgl. 10 Minuten
Üben einzelner Fertigkeiten, tgl.
Einprägphase von 10 Minuten.
Anleitung zur Förderung empfehlenswert!
Therapieplanung bei ADHS und LRS
Häufige Fragen:
Was sollte zuerst behandelt werden?
Wie wirkt sich Methylphenidat auf die
Lernstörung aus?
Wie lange sollte behandelt werden?
Wann stellen sich Erfolge ein?
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