Psychisch kranke Eltern und ihre Kinder: Was tun?

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Psychisch kranke Eltern und ihre Kinder:
Was tun?
Prof. Dr. Silvia Schneider
Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
© Prof. S. Schneider, 2016
Das Thema in den Medien...
© Prof. S. Schneider, 2016
Überblick
• Zur Bedeutung psychischer Krankheiten
• Familiäre Häufung psychischer Krankheiten
• Ein Thema in der Psychotherapie von Eltern?
• Befindlichkeit von Kindern erkrankter Eltern
• Familienmerkmale und -prozesse
• Hilfen für die Kinder
© Prof. S. Schneider, 2016
Die 5 weltweit wichtigsten Ursachen von
Beeinträchtigung und Tod (DALYs*)
1990: Krankheit oder Verletzung
2020: Krankheit oder Verletzung
1. Atemwegsinfektionen
1. Ischämische Herzerkrankungen
2. Durchfallerkrankungen
2. Unipolare Depression
3. Perinatal verursachte Schäden
3. Verkehrsunfälle
4. Unipolare Depression
Cerebrovaskuläre Krankheiten
5. Ischämische Herzerkrankungen
5. Chronisch obstruktive
Lungenkrankheit
*Disability Adjusted Life Years (DALY):
Anzahl “verlorener” Lebensjahre durch vorzeitige Mortalität
oder Leben mit starker Beeinträchtigung
© Prof. S. Schneider, 2016
Murray & Lopez (1996): The global burden of disease. (WHO + Weltbank)
DALYs: Update 2004
Rang 1
bei Kindern und
Jugendlichen
weltweit
und
in Ländern mit
hohem oder
mittlerem
Einkommen
© Prof. S. Schneider, 2016
WHO (2008): The global burden of disease: 2004 update. Geneva: WHO.
„In der Wahl seiner Eltern kann man nicht
vorsichtig genug sein“
© Prof. S. Schneider, 2016
Erkrankungsrisiken: Lebenslanges Risiko für
Schizophrenie (%)
Erstgradig Verwandte (Eltern, Geschwister, Kinder) von Patienten mit einer Schizophrenie haben ein ca. 10fach erhöhtes Risiko, ebenfalls an einer
solchen Erkrankung zu erkranken; monozygote Zwillinge haben eine höhere Konkordanzrate als dizygote Zwillinge. Modifiziert entsprechend
Zahlen aus der Literatur nach [2–4]. dz Zwillinge = dizygote (zweieiige) Zwillinge; mz Zwillinge = eineiige (monozygote) Zwillinge
© Prof. S. Schneider, 2016
SCHOSSER A, KINDLER J, MOSSAHEB N, ASCHAUER H. Genetische Aspekte affektiver Erkrankungen
und der Schizophrenie. Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 2006; 7 (4), 19-24.
Folie von Prof. Mattejat, Marburg, übernommen.
Lebenszeitrisiko für unipolare Depression bei
Verwandten unipolar Depressiver
Erstgradig Verwandte von Depressiven haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls an einer Depression zu erkranken; monozygote Zwillinge haben eine
höhere Konkordanzrate als dizygote Zwillinge. Modifiziert entsprechend Zahlen aus der Literatur nach [1]; die Zahlen entsprechen dem Durchschnitt aus
den vorliegenden Studienergebnissen. dz Zwillinge = dizygote (zweieiige) Zwillinge; mz Zwillinge = eineiige (monozygote) Zwillinge
© Prof. S. Schneider, 2016
SCHOSSER A, KINDLER J, MOSSAHEB N, ASCHAUER H. Genetische Aspekte affektiver Erkrankungen
und der Schizophrenie. Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 2006; 7 (4), 19-24.
Folie von Prof. Mattejat, Marburg, übernommen.
Psychische Erkrankung des Kindes in
Abhängigkeit spezifischer elterlicher Störung
14
.38-68.93
N=11
12
10
Odds-Ratio
1.91-42.13
8
N=21
.31-55.00
N=11
6
1.24-9.98
4
N=7
2.96-5.4
N=8
.29-17.00
2.33-12.23
1.05-19.64
N=17
.04-34.5
N=9
1.59-10.78
2.54-11.39
2.05-9.75 N=8
N=10
N=14
.76‐5.73 N=4
N=7
1.31-5.53
N=18
2
N=3
13,72
8,68
4,44
6,96
0
Unipolare Depression
© Prof. S. Schneider, 2016
4,35
.33-.82
N=2
0,58
3,25
5,59
5,03
4,35
6,10
5,52
Bipolare Störung
Angststörungen
Störung des Kindes
Anpassungsstörung/ADHS
Unipolare Depression
Angststörungen
Bipolare Störung
4,61
5,04
2,88
Nicht-spezifizierte
Störungen
Santvoort et al. (2015), Clinical Child and Family Psychology Review, 18, 281‐299
Metaanalyse zum Einfluss väterlicher vs.
mütterlicher Psychopathologie
• Externalisierende Probleme: gleich stark mit
mütterlicher/väterlicher Psychopathologie assoziiert
• Internalisierende Störungen stärker mit mütterlicher vs.
väterlicher Psychopathologie assoziiert (allerdings kleiner
Unterschied)
• Alterseffekte!
– Väterliche (vs. mütterliche) Psychopathologie (insbes.
Alkohol/Depression) stärker mit emotionalen und
Verhaltensstörungen bei älteren Kinder assoziiert
– Mütterliche (vs. väterliche) Psychopathologie (insbes. Depression)
stärker mit emotionalen und Verhaltensstörungen bei jüngeren
Kindern assoziiert
© Prof. S. Schneider, 2016
Connell AM & Goodman SH. (2002). Psychological Bulletin; 128: 746–773.
Risikozuwachs...
• je jünger Kind bei Ausbruch elterlicher
Erkrankung
• je schwerer und länger elterliche Erkrankung
• wenn beide Elternteile erkrankt sind (45-50%)
• Schizophrenie Diagnose des Elternteils (10-15%)
• fehlende Krankheitseinsicht bei Elternteil
• wenn anderer Elternteil nicht ausgleichen kann
• bei Auseinanderbrechen der Familie
© Prof. S. Schneider, 2016
Mattejat & Lisofsky (2001). Nicht von schlechten Eltern. Kinder
psychisch kranker Eltern. 3. Aufl., Bonn: Psychiatrie Verlag.
Wieviele Kinder in Deutschland sind
betroffen?
• 12-Monatsprävalenz psychischer Störungen:
– Ein Drittel der Allgemeinbevölkerung (Wittchen & Jacobi,
2001)
– Jeder Dritte Elternteil (Helbig, Lampert, Klose & Jacobi, 2006)
 2-3 Mio. Kinder wachsen – zumindest zeitweise
- bei Eltern auf, die unter leichten bis hin zu
schweren psychischen Störungen leiden
Kinder von Eltern mit psychischen Störungen =
„vergessene Angehörige“?
© Prof. S. Schneider, 2016
Verhaltensprobleme und psychische
Krankheiten des Kindes
• Die Wahrscheinlichkeit des Kindes zu erkranken
liegt zwischen 10-50% (je nach Krankheitsbild
der Eltern)
• Jedes 4. Kind mit psychischer Erkrankung hat
Elternteil mit psychischer Erkrankung
© Prof. S. Schneider, 2016
Kinder psychisch kranker Eltern Ein Thema in der Psychotherapie
der Eltern?
© Prof. S. Schneider, 2016
Methode
• Online-Befragung von Psychologischen
Psychotherapeuten (PPT)
– Erstellung des Fragebogens auf Basis vorhandener
Theorien, Forschungsergebnisse und Überlegungen
zur Fragestellung
– 4 Wochen Datenerhebung
• Rekrutierung
– Kooperation mit der Psychotherapeutenkammer NRW
– 6006 PPT per Post (1901) und Email (4105)
angeschrieben
• 2 Reminderschreiben per Email
• 14% Rücklaufquote (1022- 180 nur Aufruf= 842 Datensätze)
bzw. 20,7%
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Stichprobe
• 814 Teilnehmer (76% weiblich; 24% männlich)
• Alter 49,43 (M) ± 10,29 (SD)
• 95% PPT, 2% PPT in Ausbildung, 3% Dipl.-/MasterPsychologen
• Etwa 2/3 Verhaltenstherapie
• Großteil im ambulanten oder vergleichbaren Setting
(90%)
• (Zusatz-)Qualifikation im Kinder- und
Jugendpsychotherapeutischen Bereich: 19%
© Prof. S. Schneider, 2016
Angaben in
Prozent
Ergebnisse
© Prof. S. Schneider, 2016
© Prof. S. Schneider, 2016
Angaben in
Prozent
Beziehen Sie die Kinder in/-direkt in die
Behandlung ein?
Indirekt (n=771)
© Prof. S. Schneider, 2016
Direkt (n=762)
Angaben in %
Beziehen Sie die Kinder direkt in die
Behandlung ein?
© Prof. S. Schneider, 2016
Ausprägung des Problembewusstseins von Psychologischen Psychotherapeuten
Ausmaß an Zustimmung in %
Halten Sie es für sinnvoll, Kinder psychisch kranker
Eltern im therapeutischen Kontext zu berücksichtigen?
© Prof. S. Schneider, 2016
Angaben in
Prozent
Fazit aus Befragung?
© Prof. S. Schneider, 2016
Wie geht es Kindern
psychisch kranker
Eltern?
© Prof. S. Schneider, 2016
Angstmachende Grundstimmung
„Ich kenne diese Krankheit nicht. Es ist für mich
schwer zu verstehen, wie meine Mama krank ist,
sie verhält sich nur anders“
Michaela, 12 Jahre, über die bipolare Störung der Mutter
• Kinder sind verängstigt, verstehen nicht genau
was passiert und können Verhalten der Eltern
nicht einordnen.
© Prof. S. Schneider, 2016
Weitere Auswirkungen
•
•
•
•
•
Schuldgefühle
Sozialer Rückzug
Loyalitätskonflikte
Ablösungsprobleme
Parentifizierung (ältere Geschwister müssen
Erziehungspflichten/Verantwortung für jüngere
Geschwister übernehmen)
© Prof. S. Schneider, 2016
Kommunikationsverbot
Anteil der Kinder, die über Krankheit der Eltern
informiert sind (%)
80
60
40
20
0
6-10 Jahre
11-14 Jahre
15-18 Jahre
Informierte Kinder
Dörner et al. (1997). Freispruch der Familie. Bonn: Psychiatrie Verlag.
© Prof. S. Schneider, 2016
Folgen der psychischen Erkrankung
• Mehr als die Hälfte der Partnerschaften
zerbrechen
• Mehr als ein Drittel der Psychiatriepatienten
leben dauerhaft getrennt von ihren Kindern
• Psychische Ressourcen des gesunden Elternteils
werden meist durch Versorgung des kranken
Elternteils gebunden
Die gesamte Familie gerät aus dem
Gleichgewicht!
© Prof. S. Schneider, 2016
Auswirkungen auf Elternrolle
•
•
•
•
•
Überforderung mit Elternrolle
Selbstzweifel („schlechte Mutter/Vater“)
Leiden („keine gute Beziehung zu Kind“)
Angst, dass Kind weggenommen wird
Scham und Schuldgefühle gegenüber Kind
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Familienmerkmale
und -prozesse
© Prof. S. Schneider, 2016
Die Familie...
• stellt für die gesunde Entwicklung des Kindes
Rahmen dar, in dem Grundbedürfnisse befriedigt
und Unterstützung für die Bewältigung von
Entwicklungsaufgaben gegeben werden
• In der Familie erhalten Kinder adäquate Impulse
für ihre Entwicklung
Kinder psychisch kranker Eltern sind (von Geburt
an) besonderen Lebensumständen ausgesetzt.
© Prof. S. Schneider, 2016
Entwicklungsmodell der transgenerationalen
Transmission von Psychopathologie
© Prof. S. Schneider, 2016
Hosman et al. (2009). Advances in Mental Health 8(3):250-263
Wege der familialen Übertragung
• Genetik
• Umweltfaktoren: „shared“ (vs. „non-shared“)
• „shared“: Familie
– Lernen: Instruktions-/Modelllernen, operant
– Familiäres Klima, Eltern-Kind-Interaktion,
Qualität elterlicher Paarbeziehung
• „non-shared“: außerhalb der Familie
– Individuelle Lebensereignisse, außerfamiliäre
Erfahrungen/Beziehungen
© Prof. S. Schneider, 2016
Modell-/Instruktionslernen
• Neben der Vererbung spielt Beobachtungs- und
Instruktionslernen eine wichtige Rolle
• Elterliche Kognitionen und Verhaltensweisen von
zentraler Bedeutung
• Kinder übernehmen Verhaltensweisen,
Bewertungsmuster, Bewältigungsstrategien von
Eltern und anderen Bezugspersonen
• Soziales Referenzieren als frühe Form des
sozialen Lernens
© Prof. S. Schneider, 2016
Visuelle Klippe: Learning from mother’s
emotions?
Stimmungsinduktion
(Neutral)
Visuelle Klippe
Stimmungsinduktion
(Angst)
Visuelle Klippe
© Prof. S. Schneider, 2016
Video
© Prof. S. Schneider, 2016
Interpretationsfragebogen für Kinder (IF-K)
Der Bär Balu läuft
durch den Wald.
Plötzlich bemerkt er,
daß sein Herz klopft,
ihm ist schwindlig und
heiss.
Was ist passiert?
© Prof. S. Schneider, 2016
Interpretationsfragebogen für Kinder (IF-K)
Der Bär Balu läuft
durch den Wald.
Plötzlich bemerkt er,
daß sein Herz
klopft, ihm ist
schwindlig und
heiss.
Was ist passiert?
© Prof. S. Schneider, 2016
Interpretationsfragebogen für Kinder (IF-K)
• Balu ist ängstlich. Er
denkt, daß er sehr krank
ist und einen Arzt
braucht.
• Balu ist lange gelaufen.
Er ist erschöpft und
braucht eine Pause.
• Balu ist sehr aufgeregt.
Er wird gleich seine
Freundin treffen.
© Prof. S. Schneider, 2016
IF-K (nach-vor Modell)
Wie die Eltern so das Kind (2)
0.3
0.2
0.1
0
Panik
-0.05
"Panik-Kinder"
© Prof. S. Schneider, 2016
"Phobie-Kinder"
"Kontroll-Kinder"
Schneider, Unnewehr, Florin, Margraf, J. Anx. Disorders (2002)
Familiäre Transmission der Depression
Lieb et al. (2004). Arch Gen Psych., 59, 365-374.
© Prof. S. Schneider, 2016
Mutter-Kind-Interaktion
(post-partum Depression)
•
•
•
•
•
Mangelnde Reaktivität
Passivität oder Aufdringlichkeit
Rückzug und Vermeidung
Geringes Ausmaß an positiven Affektausdruck
Eingeschränkte Kapazität kindlichen Affekt zu
regulieren
© Prof. S. Schneider, 2016
Reck et al. (2004), Psychopathology, 37, 272-280
Post-Partum Depression:
Muttermerkmale
•
•
•
•
Mütterliche Aggression
Vernachlässigung des Kindes
Gedanken an Kindestötung
Kindgefährdende Verhaltensweisen (schwere PP
Depression mit psychotischen Symptomen)
© Prof. S. Schneider, 2016
Reck et al. (2004), Psychopathology, 37, 272-280
Enttäuschung, Rückzug,
Geringe Selbstwirksamkeit,
„mein Baby liebt mich nicht ,
Negativer Selbstwert,
Schuldgefühle, Depression
Desinteresse, Rückzug
erhöhte Stressparameter
Generalisierung
Mangelnde Stimulation und Sensitivität für kindliche Signale, negativer Affekt, Rückzug
Mutter
Kind
Negatives Feedback: Blickkontaktvermeidung, negativer Affekt, Rückzug
© Prof. S. Schneider, 2016
Transgenerationale Transmission: aber
wie?
Psychische
Erkrankung bei
einem Elternteil
Verunsicherung;
emotionale &
Verhaltensprobleme
beim Kind
© Prof. S. Schneider, 2016
Transgenerationale Transmission: aber
wie?
Psychische
Erkrankung
bei einem
Elternteil
Erhöhte
Stressbelastung
Verunsicherung; emot. u.
Verhaltensprobleme
beim Kind
© Prof. S. Schneider, 2016
Sprachlosigk.
Fehlende
Orientierungsmöglichk.
Reduz. elt.
Kompetenz;
ElternKindInteraktions-Zusätzliche
probleme Risikofaktoren
Prozentsatz der Kinder mit psychischen
Problemen
Kumulation von Risiken
© Prof. S. Schneider, 2016
Psych. Auffäll.
Psych. Stör.
Anzahl der Risikofaktoren
RKI, Bella, Wilke 2009
Aber Mehrzahl der Kinder trotzdem
gesund! Resilienz!
• Temperament
• Intelligenz bzw.
Leistungsfähigkeit
• Selbstwirksamkeit
• Spezielle Interessen
• Planungsfähigkeit
u.a.
Kindzentrierte
Faktoren
Familiensystem
zentrierte
Faktoren
• Enge Bindung zu
mindestens einer
Person
• Erstgeborener in
kleiner Familie
• Schulbildung der
Mutter
• Vorhandensein von
Ersatzeltern
u.a.
Umweltzentrierte
Faktoren
• Vorhandensein eines
tragfähigen sozialen
Netzwerkes
• Ausserfamiliäre
Aktivitäten
u.a.
Pretis, M., & Dimova, A. (2004). Frühförderung mit Kindern
© Prof. S. Schneider, 2016
psychisch kranker Eltern. Basel: Reinhardt Verlag.
Die Kauai-Studie
•
Emmy Werner, geb. 1929.
•
Ansatzpunkt: Kauai-Studie (Beginn 1955).
Alle 698 auf der hawaiianischen Insel Kauai
geborene Kinder wurden 32 Jahre lang „verfolgt .
Dabei wurden ganz unterschiedliche Risiken
erfasst (z.B. perinatale Komplikationen;
risikoreiche Umweltbedingungen wie z.B.
Armut oder psychische Erkrankung eines Elternteils).
•
1/3 der 200 Kinder, die unter risikoreichen Bedingungen
aufwuchsen, wuchsen trotz aller Widrigkeiten zu
selbständigen und erfolgreichen jungen Erwachsenen
heran.
•
Resiliente Kinder: Es ist diesen Kindern gelungen eine
Widerstandskraft gegenüber risikoreichen
Lebensbedingungen zu entwickeln.
© Prof. S. Schneider, 2016
Personale Schutzfaktoren (Bengel et al., 2009)
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Temperamentsmerkmal: „Einfaches Temperament bzw. „resilienter
Temperamentstypus .
Weibliches Geschlecht (Im Kindesalter)
Positive Wahrnehmung der eigenen Person
Positive Lebenseinstellung und Religiosität
Intelligenz, Kognitive Fähigkeiten, schulische Leistung
Internale Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeitserwartung
Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Selbstregulation
Verfügbarkeit von aktiven Bewältigungsstrategien
Realistische Selbsteinschätzung und Zielorientierung
Besondere Begabungen und Kreativität
Soziale Kompetenz
© Prof. S. Schneider, 2016
Familiäre Schutzfaktoren (Bengel et al., 2009)
•
•
•
•
•
•
Strukturelle Familienmerkmale: Stabilität in der Familienzusammensetzung;
hinreichendes Einkommen / sozioökonomischer Status; klar geregelte Tagesstruktur
(Regeln und Rituale).
Merkmale der Eltern-Kind-Beziehung: Sichere Bindung und positive Beziehung zu
mindestens einem Elternteil
Autoritative Erziehung mit positiven Erziehungsmethoden
Positives Familienklima und familiäre Kohäsion
Positive Geschwisterbeziehung
Elterliche Merkmale:
– Bildungsorientierung und Bildungsniveau;
– Qualität der elterlichen Beziehung;
– psychische Stabilität der Eltern
© Prof. S. Schneider, 2016
Soziale Schutzfaktoren (Bengel et al., 2009)
•
Soziale Unterstützung, insbes. wahrgenommene soziale Unterstützung: Inner- und
außerfamiliär; informell und institutionell; emotional, instrumentell, informationell.
•
Erwachsene als Rollenmodelle und gute Beziehung zu einem Erwachsenen außerhalb
der Familie.
•
Kontakte zu Gleichaltrigen (Freundschaftsbeziehungen, Akzeptanz und Anerkennung
durch Gleichaltrige).
•
Qualität der Bildungseinrichtung (u.a. Verbundenheit mit der Schule; positive
Beziehung zur Lehrerin / zum Lehrer)
© Prof. S. Schneider, 2016
Interaktion biologischer und psychologischer
Faktoren am Beispiel Hyperaktivität
ADHS-Symptome, Mutterangaben
18
16
14
Mütterliche
Wärme
Hoch
12
mittel
gering
10
8
6
>2.500g
1.501g to 2.500g
>1.501g
Geburtsgewicht
© Prof. S. Schneider, 2016
Tully et al. 2004, J. of Consulting and Clinical Psychology, 72, 218-226.
Hilfen für Kinder
psychisch kranker
Eltern
© Prof. S. Schneider, 2016
Wirkt sich elterliche Therapie
auf die Psychopathologie
des Kindes aus?
© Prof. S. Schneider, 2016
Einfluss elterlicher Panik Behandlung auf
Psychopathologie des Kindes
• Behandlung von Patienten mit Panic Störung mit
intensiver Kognitiver Verhaltenstherapie
• 15 Sitzungen á 60 Minuten
• Umfangreiche Untersuchung von Kind und Elternteil
– Strukturierte diagnostische Interviews
– Cognitive Biases
– Hyperventilation Test
Prospektive Longitudinalstudie mit 48 Kindern
© Prof. S. Schneider, 2016
Kinder (N=48)
• Patienten mit Kindern zwischen 8 und 14 Jahren wurden
zur Familienstudie eingeladen
• Kinder wurden vor und nach Behandlung des Elternteils
treatment untersucht (Alter t1: 11 Jahre; Alter t2: 18 Jahre)
• Vor der Behandlung des Elternteils unterschieden sich
Kinder nicht im Ausmaß von habitueller Angst (STAIK)
© Prof. S. Schneider, 2016
Transgenerationale Therapieeffekte:
Psychische Störungen des Kindes
50
40
30
20
10
0
Treated parents
Before treatment
© Prof. S. Schneider, 2016
Untreated parents
7 years after treatment
Schneider, In-Albon, Nündel & Margraf (2013) Psychotherapy & Psychosomatics.
Behandlungseffekte über die
Generationen hinweg
Vergleich der Kinder von behandelten vs. unbehandelten Eltern
Sieben Jahre nach Therapie der Eltern
klein
0
Angst vor der Angst
Agoraphobie
mittlerer
0.5
großer Effekt
1
Effektstärke (Cohen´s d)
Durchschnittliche “between
Group” ES von
Psychotherapie
Trait Angst
Depression
Angst Sensitivität
© Prof. S. Schneider, 2016
Kinder behandelter Eltern (N=40) >
Kinder unbehandelter Eltern (N=8)
Schneider, S., In-Albon, T., Nündel, B., Margraf, J. (2013). Psychotherapy and Psychosomatics.
Interventionen für das
Kind/Familie?
© Prof. S. Schneider, 2016
Marburger Studie zur
Family-Talk-Intervention (FTI, Beardslee 2009)
•
Verbesserung von Kommunikation und Wissen über elterliche
Erkrankung
1.
2.
3.
4.
5.
•
•
•
Diagnostische Untersuchung aller Familienmitglieder
Psychoedukation über elterliche Erkrankung
Verknüpfung von Familienanamnese und Psychoeduktion bzgl. elterlicher Störung
Reduktion von Schuld und Scham des Kindes
Verbesserung der Unterstützung des Kindes
2 Elternsitzung (á 90 Min)
5 Kindersitzungen
1 individuelle Familiensitzung
© Prof. S. Schneider, 2016
Christiansen et al. (2015). Frontiers in Psychology
Pilotstudie
Family-Talk-Intervention (FTI, Beardslee 2009)
Psychopathologie des Kindes
•
•
•
•
77 Kinder und ihre Eltern
– FTI: 28 Kinder psych. kranker Eltern
– Warte: 9 Kinder psych. kranker Eltern
– Kontroll: 40 Kinder gesunder Eltern
Alter: 10,41 (SD=2,66)
Elterndiagnosen: 30 affektive Störung, 7
ADHS
Eltern mit psychischer Erkrankung
geringeres Einkommen
Wissen des Kindes über psychische Erkrankungen
© Prof. S. Schneider, 2016
Christiansen et al. (2015). Frontiers in Psychology
Aufklärung des Kindes
Allgemeine Aspekte
• Kindgerechte
Aufklärung
• Situationsadäquat
• Behutsam
• Lösungsorientiert
• Differenzierend
Kindgerecht
• Eins ist sicher, Hilfe ist möglich
• Reden und spielen kann helfen
• Die Leitungen im Kopf spielen
verrückt
• Meine Eltern haben mich lieb
• Wie heißt die Krankheit, was hat
meine Mutter/Vater
• Bekomme ich das auch?
Pretis, M., & Dimova, A. (2004). Frühförderung mit Kindern
psychisch kranker Eltern. Basel: Reinhardt Verlag.
© Prof. S. Schneider, 2016
Beispiel: Informationsmaterial für Kinder
Herausgeber: Dachverband psychosozialer Hilfsvereinigungen e.V., Bonn
© Prof. S. Schneider, 2016
Beispiel: Informationsmaterial für Kinder
© Prof. S. Schneider, 2016
Beispiel: Informationsmaterial für Kinder
© Prof. S. Schneider, 2016
Beispiel: Informationsmaterial für Kinder
© Prof. S. Schneider, 2016
Metaanalyse: Interventionen für Kinder
psychisch kranker Eltern
Prävention ist möglich Kleine bis mittlere Effekte nachgewiesen!
Effekte der Intervention auf das Erkrankungsrisiko des
Kindes bezogen auf die elterliche psychische Erkrankung.
© Prof. S. Schneider, 2016
Siegenthaler et al. (2013). J. Am. Acad.Child Adolesc. Psychiatry, 2012;51(1):8 –17.
Mutter-Kind Stationen in Psychiatrien
• Multiprofessionelles Team bestehend aus
ÄrztInnen, PsychologInnen, Kinder/Krankenschwestern/-pflegern,
SozialarbeiternInnen und ErgotherapeutInnen.
• Zusammenarbeit von Erwachsenenpsychiatrie
und Kinderpsychiatrie
• Behandlungsangebot wird auf Mutter und Kind
abgestimmt
• Spieltherapie des Kindes / Verhaltenstherapie
• Entwicklungsförderung / Heilpädagogik
• Krankengymnastik / Sprachheilbehandlung
© Prof. S. Schneider, 2016
Gruppentherapie „postpartale
Depression“
Angebot der
Psychiatrischen Poliklinik
Universitätsspital Basel
© Prof. S. Schneider, 2016
Elterntrainings
© Prof. S. Schneider, 2016
Triple P: Positive Parenting Training:
Grundlegende Erziehungsfertigkeiten
Positive Beziehung
aufbauen
„Wertvolle Zeit geben
Reden
Zuneigung zeigen
Wünschenswertes
Verhalten fördern
Loben
Aufmerksamkeit schenken
Für interessante
Beschäftigung sorgen
© Prof. S. Schneider, 2016
Neues Verhalten
vermitteln
Lernen am Modell
Beiläufiges Lernen
Fragen - Sagen - Tun
Punktekarten
Umgang mit
Problemverhalten
Familienregeln
Absichtliches Ignorieren
Klare, ruhige Anweisungen
Logische Konsequenzen
Stiller Stuhl/Auszeit
Triple P = Evidenzbasiert
© Prof. S. Schneider, 2016
Matt Sanders 2012
Population-Based Prevention of Child Maltreatment:
The U.S. Triple P System Population Trial
USA 2005:
• 3,3 Mio vermuteter Fälle von Kindsmissbrauch
• 899 000 Fälle von gesichertem Kindsmissbrauch
•  nur Spitze eines Eisbergs
Präventionsstudie:
• Triple P vs. service as usual (18 Bezirke, Südosten USA)
• Ausbildung von mehr als 600 professionell Tätigen in
Triple P
• Randomisierte Zuteilung stratifiziert für Populationsgröße,
Armutsrate, Kindsmissbrauchsrate
• 2 Jahre Zeit für Dissemination
© Prof. S. Schneider, 2016
Population-Based Prevention of Child Maltreatment:
The U.S. Triple P System Population Trial
Effekte in Bezug auf Kindesmissbrauchsmerkmale für Triple P versus Kontrollbedingung
Raten pro 1000 Kinder (Geburt bis 8 Jahre)
Landkreise mit Triple P System
Vor Intervention
Nach Intervention
Kontroll-Landkreise
Effektstärke
Vor Nach Intervention Intervention
Nachgewiesene Fälle der Kindesmisshandlung
10,86
11,74
11,12
15,06
1,09*
Fremdplatzierungen
4,27
3,75
3,1
4,46
1,22*
Verletzungen durch Kindesmisshandlung
(Krankenhaus & Notfall)
1,73
1,41
1,41
1,69
1,14*
Prinz et al. (2009): Population-Based Prevetion of Child
Maltreatment: The U.S. Triple P System Population Trial
© Prof. S. Schneider, 2016
Baby-Triple P
Erste Entwicklungsaufgaben
Schreien
Schlafen
Füttern
Erziehungsfertigkeiten verbessern
© Prof. S. Schneider, 2016
Kinder psychisch kranker Eltern –
ein zentrales Thema am Forschungs- und
Behandlungszentrum,FBZ
• Eltern in Psychotherapie
erhalten Angebot für Triple P
Online
• Regelmäßige Fallkonferenzen
von KJP und PP
Psychotherapeuten
• Blickpunkt Kind: enge
Zusammenarbeit von
Jugendamt und FBZ
• Fortbildung von Mitarbeiter des
Jugendamts Curriculum zu
Diagnostik und Interventionen
© Prof. S. Schneider, 2016
Zusammenfassung
• Kinder psychisch kranker Eltern - die „vergessenen
kleinen Angehörigen“
• Kinder tragen erhöhtes Risiko für Entwicklung
psychischer Erkrankung
• Neben Genetik spielen familiäre Faktoren zentrale
Rolle (Lernen, familiäres Klima, familiärer
Zusammenhalt)
• Kinder psychisch kranker Eltern brauchen spezifische
Unterstützung
• Erfolgreiche elterliche Therapie als Primärprävention
• Effektivität spezifischer Interventionen für Kinder
psychisch kranker Eltern vorhanden
© Prof. S. Schneider, 2016
Forschungs- und Behandlungszentrum
für psychische Gesundheit: www.fbz.rub.de
© Prof. S. Schneider, 2016
Psychisch kranke Eltern und ihre Kinder:
Was tun?
Prof. Dr. Silvia Schneider
Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
© Prof. S. Schneider, 2016
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