Die Entstehung von Handlungsdispositionen als Grundlage für die Erkenntnis der sozialen Praxis Einleitung.....................................................................................................................2 1. Rekonstruktion von Entwürfen zur Theorie der Praxis und Bourdieus Konstruktion einer praxeologischen Erkenntnis von sozialem Handeln .................3 1.1. Die Abkehr von subjektivistischen Erkenntnisweisen......................................3 1.2. Die Begrenztheit der Erkenntnisse durch objektivistische Kriterien................4 1.3. Modus operandi in der praxeologischen Erkenntnis ........................................6 2. Die Entstehung von Handlungsdispositionen ...................................................7 2.1. Die Ausbildung des Habitus und die Wirkung von Strukturdeterminismen ....8 2.2. Die Entstehung eines Klassenhabitus................................................................9 3. Entscheidungsfreiheiten und Handlungsspielräume der sozialen Akteure........10 3.1. Ansätze für die Erweiterung von Handlungsspielräumen ..............................11 3.2. Qualitäten von Wandlungsprozessen ..............................................................12 3.3. Die Vielfalt des Habitus in der Homogenität der Struktur .............................12 Schluss .......................................................................................................................13 Literaturverzeichnis ...................................................................................................14 1 Einleitung „Es ist nicht leicht, über die Praxis anders als negativ zu reden; vor allem über das, was an der Praxis am mechanischsten ist, der Logik vom Denken und Diskus am stärksten entgegengesetzt.“ (Bourdieu, 1993, S. 147) Diese Hausarbeit geht der Frage der sozialen Praxis bei der Theorie von Pierre Bourdieu nach. Dabei sollen die Handlungsentscheidungen der Individuen theoretisch nachvollziehbar werden, die sich nicht direkt aus der Stellung und Lage innerhalb der Gesellschaft ergeben. Da die Logik der Praxis nicht einer Zufälligkeit oder einem Gemütszustand eines Individuums folgt, lässt sich eine Theorie der Praxis konstruieren. Der konstruierte Akteur folgt Determinismen, die nicht unmittelbar auf seine Klassenstellung und Klassenlage zurückzuführen sind. Pierre Bourdieu begreift die Sozialstruktur auch in Abhängigkeit von Prädeterminismen, auf deren Grundlage die sozialen Akteure ihr Handeln zunächst ausrichten. Bourdieu wird oftmals vorgeworfen, seine Theorie der Praxis sei, konsequent zu Ende gedacht, wieder eine strukturdeterministische Konzeption, weil sein Habituskonzept und die feldspezifischen Kräftebeziehungen den Handlungsspielraum der Akteure begrenzen. Diese strukturdeterministische Annahme will diese Arbeit relativieren. Dabei werden Handlungsspielräume aufgezeigt, die gerade durch die Theorie von Pierre Bourdieu erst möglich werden. Im Vordergrund steht zunächst eine Rekonstruktion seiner Theorie der Praxis, die sich mit den Modi der Erkenntnis des Objektivismus und Subjektivismus auseinandersetzt. In seinem Entwurf der praxeologischen Erkenntnis soll der Entstehungsprozess einer eigenen praktischen Logik aufgezeigt werden. Dem Habitus als einem zentralen Element dieses Ansatzes wird im zweiten Teil nachgegangen. Daraufhin sollen die strukturdeterministischen Vorwürfe behandelt werden. Das letzte Kapitel will sich mit den Handlungsspielräumen auseinandersetzen und nach den Qualitäten von Wandlungsprozessen fragen. Obwohl die feldspezifischen Analysen bei Pierre Bourdieu einen wesentlichen Bestandteil seiner Arbeit einnehmen, wird hier nur am Rande darauf eingegangen. Im Zentrum steht die Prädetermination des Habitus für die Spielräume sozialen Handelns bei der Entwicklung einer Theorie der Praxis. 2 1. Rekonstruktion von Entwürfen zur Theorie der Praxis und Bourdieus Konstruktion einer praxeologischen Erkenntnis von sozialem Handeln Um eine theoretische Erkenntnis bei der Beschreibung von sozialen Handlungen in der Praxis zu erhalten, lassen sich nach Bourdieu zunächst zwei Modi von Erkenntnisweisen unterscheiden. Der erste Typ schöpft seine Erkenntnis aus dem Subjektivismus, der im Falle der Phänomenologie die Entscheidungsmöglichkeiten für das Handeln des Individuums aus dessen Sichtweise analysiert. In der Tradition der Rational-Choice Theorie1 beispielsweise geht man davon aus, dass die sozialen Akteure ihre Entscheidungen aus den ihnen zu Verfügung stehenden Möglichkeiten rational wählen und den strategisch günstigsten Weg für eine Nutzenmaximierung abwägen. Ziel dieser Ansätze ist es, rationale Entscheidungskriterien bestimmen zu können, aufgrund derer die Akteure ihr Handeln ausrichten. Zum zweiten Typ bei der Entwicklung einer Theorie der Praxis zählen die objektivistischen Ansätze. Dazu werden Zusammenhänge des Umfeldes analysiert, um daraus Erkenntnisse für das Handeln von sozialen Akteuren zu gewinnen. Der Strukturalismus analysiert beispielsweise das soziale Umfeld, das Einkommen oder generell die Lebensbedingungen und kann daraus Schlüsse für den möglichen Handlungsspielraum des Akteurs ziehen. 1.1. Die Abkehr von subjektivistischen Erkenntnisweisen Bei den empirischen Studien von Pierre Bourdieu zu der kabylischen Gesellschaft im Nord-Osten Algeriens werden theoretische Probleme und Widersprüche sichtbar, die sich mit den beschriebenen Herangehensweisen nicht auflösen, obgleich jeder Modus für sich richtige Erkenntnisse enthält. Die phänomenologische Erkenntnisweise schöpft ihre Wahrheit vornehmlich aus den primären Erfahrungen einer vertrauten Umgebung. Der Subjektivismus bezieht sich ausschließlich auf die praktischen Erfahrungen der sozialen Akteure. Das soziale Umfeld ist eine vorgegebene Realität, innerhalb deren Bedingungen das Subjekt handelt. Der Entstehung der eigenen Handlungsmöglichkeit und der Definition seiner Bedingungen wird in der Beschreibung über die soziale Welt allerdings nicht nachgegangen. (Bourdieu, 1976, S.147-152) Émil Durkheim nennt es „Spontansoziologie“ und kritisiert sie deshalb als unzureichend, weil der notwendige Bruch mit den vorwissenschaftlichen Beurteilungen zur Erlangung objektiver Erkenntnisse nicht vollzogen wurde. Auch Bourdieu lehnt sie als unkritische Reproduktion subjektiv reduzierter Primärerfahrung ab. (vgl. Schwingel 1995, S. 46) Wenn die wissenschaftliche Erkenntnis „nicht lediglich eine Projektion eines Gemütszustandes sein will, setzt die Sozialwissenschaft zwangsläufig das Moment der 1 Historisch orientieren sich die Theorien der Rationalen Wahl an die klassische Ökonomie Adam Smiths und berufen sich auf Max Webers Programm einer verstehenden Soziologie. (Wikipedia 9/2006) 3 Objektivierung voraus.“ (Bourdieu, 1993, S. 26) Bereits Durkheim kann feststellen, dass der Sinn ihrer eigenen Handlungen den Individuen verborgen bleiben kann.2 Dass die subjektiven Entscheidungen nicht frei von gesellschaftlichen Zusammenhängen sind, spart dieser Ansatz aus. Die Entschlüsselung einer Theorie der Praxis und der praktische Sinn der Akteure für ihr jeweiliges Handeln ist mit dem Modus des Subjektivismus, gleich welcher Form, nicht alleine zu bestimmen. Die Aufgabenstellung der Soziologie besteht nach Bourdieu darin, die gesellschaftlichen Strukturen aufzudecken und die Praxis der Institutionen bewusst werden zu lassen, um zum Beispiel soziale Ungleichheit aufzudecken. Das Paradoxon vom objektiven Sinn des Handelnden muss die Soziologie offen legen, ohne diese Aufgabe durch die Aussage der subjektiven Absicht lösen zu wollen. (Gebauer/Krais, 2002, S.66) Denn die Praktiken des sozialen Handelns reproduzieren die Regelmäßigkeiten, ohne diese zu hinterfragen. 1.2. Die Begrenztheit der Erkenntnisse durch objektivistische Kriterien Die Beziehungen erstellt die objektivistische Erkenntnisweise, indem sie die Praxisformen der primären Erfahrung strukturiert. Unter Vernachlässigung subjektiver Faktoren werden Systeme, Gesetze und Strukturen konstruiert, die eine gültige Theorie der Praxis suggerieren. Dabei werden Klassen geschaffen, deren Akteure sich nach einem gegebenen Muster verhalten. Dazu werden z.B. Gesetzmäßigkeiten von den direkten Beobachtungen herausgearbeitet und logische Verhaltensmuster entworfen. Bourdieu weist darauf hin, dass solche erarbeiteten Muster, wenn man sie an der Realität überprüft, mit den direkt gemachten übereinstimmen. Das geschieht immer dann, wenn aus Beobachtungen oft nicht mehr der Bestandsaufnahme der Alltagserfahrungen Regelmäßigkeiten des Handelns herausdestilliert werden, um sie für wissenschaftliche Erkenntnisse weiter zu verarbeiten. Diese Basis der Regelmäßigkeiten dient der Theoriekonstruktion, die bei empirischen Abweichungen zu einer Falsifizierung führen müsste oder zur Verfeinerung der Theorie (z.B. durch Ausnahmefälle, Kausalitäten, etc.). Auch der Verweis, dass die Differenzen von Handlungen zurückzuführen seien auf unterschiedliche Gemütszustände der Individuen, muss zurückgewiesen werden, da die Praxis einem determinierten praktischen Sinn folgt. Den logischen Fehler in diesem Vorgehen sieht Bourdieu darin, dass…. „…die theoretische Sicht der Praxis für das praktische Verhältnis zur Praxis ausgegeben [wird], genauer noch darin [besteht], der Praxis das Modell zugrunde zu legen…“ (Bourdieu, 1993, S. 148) 2 Émil Durkheim forscht in „Le Suizid“ nach den Ursachen von unterschiedlichen Selbstmordraten. Berichte der Befragungen von Patienten der gescheiterten Selbstmordversuche über die Gründe ihres Handelns erklärten nicht die Variationen der Raten. Erst nachdem unterschiedliche gesellschaftlichen Ereignissen als Indikatoren in Beziehung zu den Selbstmordraten gesetzt wurden ergaben sich Erkenntnisse. (Durkheim, É. Der Selbstmord, Neuwied und Berlin, 1973) 4 Die sozialen Handlungen folgen einer praktischen Logik, die verschiedenen Praxiswelten entsprechen und zugleich in sich geschlossen sind. Sie ist mit der klassischen Logik nicht zu begreifen, will man ihr nicht mangelnde Schlüssigkeit vorwerfen oder ihr eine erzwungene Schlüssigkeit überstülpen. (Bourdieu, 1993, S. 157) Viele Kritikpunkte bei den objektivistischen Erkenntnissen sieht Bourdieu in der fehlenden Dimension des temporären Verlaufs. Die zeitliche Dimension bestimmt die Sozialstruktur mit, weist die Merkmale der Unumkehrbarkeit auf, die durch Synchronisation beispielsweise beseitigt wird. Sie bestimmt nicht zuletzt den Rhythmus und ihr Tempo und gibt die Richtung der Entwicklung vor.3 Bourdieu wirft solch wissenschaftlicher Praxis eine Entzeitlichung vor, bei der die Bezugsachse zur Realität gebrochen wird. (Bourdieu, 1993, S.149) „Kurzum, die Praxis ist schon wegen ihrer ganzen Eingebundenheit in die Dauer mit der Zeit verknüpft, nicht bloß, weil sie in der Zeit abspielt, sondern auch, weil sie strategisch mit der Zeit und vor allem mit dem Tempo spielt.“ (Bourdieu, 1993, S.149) Die soziale Welt kann gesehen werden als eine Illusio, bei der man sich vollständig ins gesellschaftliche Spiel zurückzieht, um den Sinn zu begreifen, dem sich ansonsten die Absurdität einer entblößten Gegenwart darbietet. „Der Sinn für das Spiel ist der Sinn für die Zukunft des Spiels, der Sinn für den Sinn der Geschichte des Spiels, die dem Spiel seinen Sinn verleiht.“ (Bourdieu, 1993 S. 150) Mit dieser typisch Bourdieu’schen Beschreibung bzw. Übersetzung wird sehr deutlich, dass die Erkenntnis aus den Methoden des Strukturrealismus zu kurz greift. Dieser fragt nicht nach den Ursachen von Handlungen im Verlauf. Dessen Kausalitäten greifen zu kurz, da sie sich in den jeweiligen Stadien ändern. Es wird der Standpunkt des Zuschauers übernommen, ohne dass sich die Fragen in der Praxis den sozialen Akteuren stellen. (Bourdieu, 1993, S.151, S.165) Mit dem Strukturrealismus brechen bedeutet aber auch, den Objektivismus beiseite zu legen, ohne zurück zum Subjektivismus zu verfallen, denn dieser verliert den Überblick auf den Gesamtzusammenhang und kann seine Erkenntnis nicht auf eine höhere Ebene stellen. 3 1. Beispiel: Der Lebenslauf in der Gegenwart bewertet gerät zur trügerischen Illusion. Im Verlauf der Entwicklung ergibt sich zu jedem Zeitpunkt eine anderes Gesamtbild, da die zukünftige Entwicklung unbekannt war. Erst mit den Möglichkeiten der Gegenwart ergibt sich ein praktischer Sinn für die Zukunftsentscheidungen. 2. Beispiel: Der Gabentausch. Bei der kabylischen Gesellschaft wurden die sozialen Handlungen von Geschenken beobachtet. Wird ein Geschenk gemacht, ist es entscheidend ob der beschenkte ein höheres oder niederes soziales Ansehen hatte. Der Sinn des Geschenks hängt mit der sozialen Stellung zusammen. Mit Täuschungen und Vorwegnahmen. Wird z.B. auf das Geschenk unmittelbar mit einem anderen Geschenk reagiert, hebt sich der Gabentausch gar auf. Wird jedoch zeitversetzt beschenkt, ergibt sich ein diametral anderer sozialer Sinn, als wenn das Geschenk nicht angenommen wird. Hat sich in der Zwischenzeit das soziale Kapital bei einem Akteur verändert, wird die Symbolik des Gabentausches wieder anders zu interpretieren sein. 5 Subjektivismus und Objektivismus stehen somit gleichermaßen im Gegensatz zur praktischen Erkenntnisweise. (Bourdieu, 1993, S.49) 1.3. Modus operandi4 in der praxeologischen Erkenntnis Trotz aller Kritik gelangen, wie erwähnt, beide Ansätze zu einer relativen Wahrheit. In Folge dessen entstehen Betrachtungen, die sich in Gegensatzpaare aufspalten. Sei es die Phänomenologie zum Strukturalismus, Erklärungsversuche des Verstehens und zu denen des Erklärens, der Mikro- und Makrosoziologie, des Individuums und der Gesellschaft usw. Zwischen den beiden Extremen der Theorien der Praxis vermittelt Bourdieu mit seinem Ansatz einer praxeologischen Erkenntnisweise. Er versucht, die relativen Wahrheiten systematisch zusammenzuführen. (Schwingel 1995, S. 42) Pierre Bourdieu kann somit bei seiner Theorie die scheinbar gegensätzlichen Erkenntnismodi des Objektivismus und des Subjektivismus überwinden. Seine fundamentale Kritik an der Trennung dieser Gegensatzpaare in den Sozialwissenschaften führt zu einer grundsätzlichen Fragestellung des Verhältnisses von Theorie und Praxis. In seiner Zusammenführung entsteht ein dritter Modus theoretischer Erkenntnis. Es wird eine neue Logik aufgebaut, eine praxeologische Erkenntnis, die der Frage nach den Entwicklungen von Handlungsdispositionen nachgeht. Vor allem aus seinen empirischen Forschungen zur kabylischen Gesellschaft entwickelt er seinen Entwurf einer Theorie der Praxis. (Bourdieu, 1976) Zentral bei der Bestimmung der sozialen Praxis wird ein Entscheidungsspielraum, der einer eigenen Logik der Praxis folgt. Dieser Spielraum ist eine Disposition, aus der heraus der soziale Akteur sein Handeln entscheidet, und durch das sein Handeln einen praktischen Sinn ergibt. Die Logik der Entscheidung lässt sich dabei nicht ausschließlich aus der jeweiligen Situation entnehmen, sondern ist gleichzeitig geprägt ist von der gesellschaftlichen Stellung des Akteurs. Bourdieu kann feststellen, dass der Akteur nicht nach der klassisch definierten Logik heraus sein Handeln ausrichtet. Die praktische Logik folgt einem besonderen Verständnis, in dem die objektiven Chancen der Situation mit den für den Akteur subjektiv zur Verfügung stehenden Möglichkeiten abgewogen und daraus Handlungsentscheidung gefällt werden. Es entsteht ein praktischer Sinn für die Situation, die so verinnerlicht angewandt wird, dass die Handlungsentscheidungen nicht allein aus den objektiven Gegebenheiten resultieren. „Der praktische Sinn als Natur gewordene, in motorische Schemata und automatische Körperaktionen verwandelte gesellschaftliche Notwendigkeit sorgt dafür, dass Praktiken in dem, was an ihren dem Auge ihrer Erzeuger verborgen bleibt und eben die über das einzelne Subjekt hinausreichenden Grundlagen ihrer Erzeugung verrät, sinnvoll, d.h. mit dem Alltagsverstand ausgestattet sind. Weil die Handelnden nie ganz genau wissen, was sie tun, hat ihr Tun mehr Sinn, als sie selber wissen.“ (Bourdieu, 1993, S. 127) 45 Lat.: Art des Handelns, bzw. Durchführung 6 Dieser Alltagsverstand, der dem Akteur den Sinn für sein Handeln zur gegebenen Situation deutet, resultiert aus einem langen Prozess der Anpassung an die Umwelt und ist von den gesellschaftlichen Bedingungen geprägt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bourdieus praxeologischer Erkenntnismodus ein Paradigmenwechsel im sozialwissenschaftlichen Denken darstellt. Es ist die „Abkehr von einer Vorstellung vom sozialen Handeln, die dieses als Resultat bewusster Entscheidung bzw. als das Befolgen von Regeln begreift“ (Kreis/Gebauer 2002, S.5), gleichzeitig ist ihr Handeln von der Struktur des Umfelds abhängig und in den Werdegang des Akteurs eingebunden. Das nächste Kapitel soll zu der Frage führen, wie die Entstehung von Handlungsdispositionen geschieht, und wie Ähnlichkeiten in den subjektiven Entscheidungen von Akteuren zu erklären sind. 2. Die Entstehung von Handlungsdispositionen Ging es im vorhergehenden Kapitel um die Rekonstruktion von Handlungsentscheidungen, soll es in diesem Abschnitt um die Frage der Determination von Dispositionen gehen. Zentraler Bezugspunkt in den Analysen zu einer Theorie der Praxis ist Bourdieus Konzeption des Habitus. „Der Habitus ist zu verstehen als ‚System dauerhafter und übertragbarer Dispositionen’, die als ‚Erzeugungs- und Ordnungsgrundlage für Praktiken und Vorstellungen’ fungieren“ (Bourdieu, 1993, zit. nach Gebauer/Krais 2002, S.5) Das Kernstück für eine Soziologie der sozialen Praxis ist bei Bourdieu die Kategorie des Habitus. (Kreis/Gebauer 2002, S.5) Dabei dient der Habitus als ein modus operandi5, in dem die gesellschaftliche Praxis im Handeln des Akteurs reproduziert wird. Mit Hilfe des Habituskonzepts gelingt es Bourdieu, die äußeren Strukturen in die Körper der sozialen Akteure zu inkorporieren. Es dient als eine Art Matrix für die Dispositionen, aus denen dann subjektive Handlungsentscheidungen gefällt werden können. Anders formuliert sind die Handlungsentscheidungen das Resultat eines praktischen Sinns, welcher einem determinierten Spielraum folgt. Die Habitustheorie ist folglich ein wesentlicher Bestandteil der Theorie des Erzeugungsmodus der Praxisformen. (Schwingel, 1995, S.60) „Das praktische Verhältnis eines bestimmten Handelnden zur Zukunft, das seine Gegenwartspraxis beherrscht, definiert sich nämlich einerseits in dem Verhältnis zwischen seinem Habitus (…) und einem bestimmten Zustand der ihn objektiv von der Sozialwelt gebotenen Chancen andererseits.“ (Bourdieu, 1993, S.120) 7 Die sozialen Akteure können subjektiv ihre Handlungsentscheidungen aus den gegebenen vorstrukturierten Dispositionen wählen. Demnach sind die Handlungsdispositionen maßgeblich von der Habitusprägung abhängig. Der Habitus ist ein strukturiertes und zugleich ein strukturierendes Prinzip sozialen Handelns. Auf seiner Grundlage richtet der Akteur den Umgang mit seiner sozialen Welt aus. Gleichzeitig wirkt die Umwelt auf den Ausbildungsprozess des Habitus. Den Abhängigkeiten zur Ausbildung von Habitus und Struktur soll in diesem Kapitel nachgegangen werden. 2.1. Die Ausbildung des Habitus und die Wirkung von Strukturdeterminismen Der Habitus dient nicht nur als opus operandi (s.o.), sondern ist gleichzeitig das Produkt seiner eigenen Vergangenheit, als inkorperierte Geschichte des sozialen Akteurs. Denn er konstituiert sich im Lebenslauf, verinnerlicht die äußeren Strukturen und nimmt die Erfahrung der Vergangenheit als Lehre für die Zukunft. „Als Produkt der Geschichte produziert der Habitus individuelle und kollektive Praktiken, also Geschichte, nach den von der Geschichte erzeugte Schemata; er gewährleistet die aktive Präsenz früherer Erfahrungen, die sich in jedem Organismus in der Gestalt von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata niederschlagen und die Übereinstimmung und Konstantheit der Praktiken im Zeitverlauf viel sicherer als alle formalen Regeln und expliziten Normen zu gewährleisten suchen. Das System der Dispositionen als Vergangenheit, die im Gegenwärtigen überdauert und sich in die Zukunft fortzupflanzen trachtet, indem sie sich in den nach ihren eigenen Prinzipien strukturierten Praktiken aktualisiert…“ (Bourdieu, 1993, S.101) Praktisch wird sich die Habitusform im Laufe des Lebens eines Individuums ausprägen. Bereits durch die Erziehung im Elternhaus und im sozialen Umfeld entstehen Formen, die wie selbstverständlich angewandt werden, wenn die Situation es erfordert. Daraus ergibt sich, dass die Lebensformen und Lebensbedingungen maßgeblich zur Definition des Habitus beitragen. Dabei ist der Habitus kein feststehendes Gebilde einer bestimmten Ausbildung, die irgendwann abgeschlossen ist, sondern ist in einem ständigen Prozess der Anpassung, indem neue Erfahrungen hinzugeführt werden. Die Ausbildung des Habitus ist dabei nicht frei, es besteht vielmehr die Tendenz, die aufgenommenen Strukturen zu bestätigen und konforme Praktiken eher zu integrieren. (Bourdieu, 1993, S.113/114) „Der Habitus als Grundlage einer selektiven Wahrnehmung von Indizien, die eher zu seiner Bestätigung und Bekräftigung als zu seiner Verwandlung taugen, (…) weil er sie direkt aus der Gegenwart der vermuteten Welt als der einzigen herausliest, die er je erkennen kann.“ (Bourdieu, 1993, S.120) Die Praxis kann nur in Abwägung des Verhältnisses zu den realistischen Möglichkeiten verändert bzw. erst gesehen und erkannt werden. Die Habitustheorie widerspricht der Annahme der voluntaristischen Handlungstheorien, die dem Akteur das Prinzip einer „freien“ Entscheidung 8 einräumen. Stattdessen ist jeder Akteur gesellschaftlich prädeterminiert, was zur Folge hat, dass dies als ein bestimmender Faktor in seine gegenwärtigen und zukünftigen Handlungen mit einfließt. (Schwingel, 1995, S.61) 2.2. Die Entstehung eines Klassenhabitus Wie ist es theoretisch zu begreifen, wenn Regelmäßigkeiten in einer Gruppe oder Klasse sichtbar werden? Handeln die Klassen aufgrund ähnlicher Ursachen oder lassen sich die ähnlichen Praktiken durch den Zusammenhang (bzw. Interaktion/Kommunikation) der Gruppe erklären? Karl Marx spricht einer sozialen Klasse eine reale Existenz zu, die objektiv in der Wirklichkeit auszumachen ist. Dieser Ansicht der objektiven Klasse als eine zusammenhängende Einheit widerspricht Bourdieu. Wenn er vom Klassenhabitus spricht, geht er davon aus, das bestimmte Gruppen in gleichen Strukturen ähnliche Erfahrungen machen. Damit ist gemeint, dass die Wahrscheinlichkeit, mit homogenen Existenzbedingungen konfrontiert worden zu sein, innerhalb einer Klasse höher ist. Der Klassenhabitus fasst demnach nicht die Akteure als Gruppe zusammen, sondern die annähernden Praktiken, denen sie sich aussetzen, erzeugen die analoge Habitusform. Die Ausprägung des Habitus ist bei den Individuen dabei nie gleich.6 Zeitliche Unterschiede und Strukturvariationen werden Differenzen in den Ausprägungen hervorrufen. Die Konditionierungen, denen eine bestimmte Klasse ausgesetzt ist, fungieren als Ordnungsgrundlage für die Praktiken. „Die objektive Homogenisierung der Habitusformen der Gruppe oder Klasse, die sich aus der Homogenität der Existenzbedingungen ergibt, sorgt nämlich dafür, dass die Praktiken ohne jede Norm objektiv aufeinander abgestimmt und ohne jede direkte Interaktion und damit erst recht ohne ausdrückliche Abstimmung einander angepasst werden können…“ (Bourdieu, 1993, S. 109) Diese Determination strukturiert sich kollektiv aufeinander bezogen, ohne aus dem ordnenden Handeln eines Dirigenten hervorgegangen zu sein. (Bourdieu, 1993, S. 98/99) Das Verhalten wird ständig an das bestehende soziale Feld angepasst und führt dazu, dass tendenziell der Habitus versucht, sich in der Gesellschaft zu integrieren. In der Praxis können durch Meinungsäußerungen, Handlungsweisen oder Besitztümer soziale Unterschiede angezeigt werden, die eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe darstellen. Ausgehend von der materiellen Existenz bilden sich Verhaltens- und Denkschemata, die bei den Individuen gemeinsam sind. Sie werden deshalb methologisch als eine Gruppe klassifiziert. Sichtbar manifestieren sich ihre Unterschiede im äußeren Erscheinungsbild. Diese zeigen sich bei den Moralvorstellungen, der Ästhetik, der Kulturrezeption 6 Auf die Unterscheidungen kann nicht weiter eingegangen werden. Auch sind die Differenzen nach Bourdieu relativ nur Abwandlungen ähnlichen Stils. „Der ‚eigene’ Stil, d.h. jenes besondere Markenzeichen, das alle Hervorbringungen desselben Habitus tragen, seien es nun Praktiken oder Werke, ist im Vergleich zum Stil einer Epoche oder Klasse immer nur eine Abwandlung…“ Bourdieu, 1993, S.113 9 oder schlicht im Geschmack des sozialen Akteurs. (Gebauer/Krais 2002, S.37) Darüber hinaus stellt Bourdieu fest, dass sich klassenspezifische Distinktionsprozesse herausbilden, die sich unterschiedlich äußern. Diese können objektiv eingeordnet werden und weisen eindeutige Lebensstildifferenzen auf. Während der proletarische Lebensstil z.B. als Negativfolie des Kleinbürgers dient, lebt dieser im ‚praktischen Materialismus’ des Hier und Jetzt und versucht, die jeweils günstigste Situation für sich zu nutzen. Der Proletarier bestätigt durch sein Verhalten (z.B. der Verständnislosigkeit gegenüber Verhaltens- und Benimmkodex) den „Klassenrassismus“ der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Klasse. Der ‚bescheidene’ Kleinbürger, der an die Zukunft denkt, versucht, durch seinen Ehrgeiz aufzusteigen, was der Großbürger wiederum nicht nötig hat. So fassen Gunter Gebauer und Beate Krais diese Erkenntnisse zusammen: „Die unterschiedlichen Weltsichten und Einstellungen zur Zukunft sind tief im Klassenethos verwurzelt, in den jeder Klasse eigenen Vorstellungen vom ‚richtigen’ Handeln, vom ‚richtigen’ Sein, kurz, von einem spezifischen, moralischen fundierten Verhältnis zur Welt.“ (Gebauer/Krais 2002, S.42) Innerhalb einer Klasse werden sich die ähnlichen Praktiken nur langsam ändern. Wandlungsprozesse im Geschmack oder im Verhalten sind zwar nicht ausgeschlossen, ändern sich aber nur verzögert und werden durch die Distinktionsprozesse der anderen Klassen wieder klar unterscheidbar.7 Ein Wandlungsprozess des Akteurs ist auch nicht gewollt. Der Habitus bewirkt den Umstand, dass man sein Schicksal annimmt bzw. dass seine Wahl der klassenspezifischen Lebensführung entspricht. Man kann also feststellen, dass die Praxis des sozialen Handelns einem Handlungsspielraum innerhalb einer bestimmten Struktur folgt. Diese Struktur ist im Habitus als Leib gewordene Geschichte geprägt und bestimmt bis in die spontane Praxis des handelnden Subjekts die Lebensführung. Eine Klasse ist nicht als Einheit zu verstehen, die aufgrund gemeinsamer Kommunikation, Solidarität o.ä. ihr Handeln aufeinander abstimmt. Ihre Habitusdetermination ist aufgrund ähnlicher Existenzbedingungen in einem Klassenhabitus zuzuordnen. 3. Entscheidungsfreiheiten und Handlungsspielräume der sozialen Akteure Wie das vorangegangene Kapitel aufgezeigt hat, ist das durch den Habitus determinierte Verhalten zurückzuführen auf die äußeren Strukturen seines Entstehungsprozesses. Gibt es dann für den sozialen Akteur noch Entscheidungsfreiheiten? Bourdieu wurde von manchem Kritiker vorgeworfen, 7 So galt beispielsweise Skifahren oder Golfspielen als eine Sportart der Reichen. Da die Preise für Skiaufenthalte günstiger wurden und Golfplätze für das breite Publikum geschaffen wurden, entwickeln sich neue Sport-Präferenzen, deren Zugangshürden entsprechend hoch gesetzt werden. 10 sein Habitus-Konzept würde lediglich die objektiven Strukturen in den Korpus des Akteurs transformieren, ohne die Erkenntnisweise des Objektivismus für soziales Handeln zu überwinden. Diese vorstrukturierte Matrix der Handlungsdispositionen sei nichts weiter als eine verzögerte Erkenntnis aus den objektiven Strukturen des Akteurs. Der Vorwurf lautet, dass sein Konzept also lediglich den Objektivismus in den Akteur inkorporiert. Der strukturierte Habitus ist zu einem generierenden Prinzip von Strukturen geworden und reproduziert seine eigene Existenz, eine freie Entscheidung des Subjekts sei dadurch nicht möglich. Der Akteur ist durch die spezifische Position innerhalb der Sozialstruktur und immer auch durch klassenspezifische Faktoren bedingt. Daher läuft die Argumentation auch darauf hinaus, dass der Akteur in seinen entwickelten Habitus gefangen ist und man Bourdieu einen Strukturdeterminismus vorwerfen muss. (vgl. Schwingel 1995, S.68ff) Wie ist folglich mit dem Dualismus zwischen Determinismus und Freiheit umzugehen? 3.1. Ansätze für die Erweiterung von Handlungsspielräumen Bourdieu liefert in seinen Arbeiten in verschiedenen Ansätzen Wege, aus dem starken Moment des Strukturdeterminismus auszubrechen. Vorraussetzungen für einen sozialen Wandel ist das Wissen bzw. die Bewusstwerdung und Aufdeckung über die Reproduktionsprozesse. Zeitlebens war Bourdieu politisch aktiv, um Strukturdeterminismen aufzudecken, die sich negativ auf Bevölkerungsteile und gruppen auswirken. Dabei ist Bourdieu davon überzeugt, dass erst durch das Wissen und das Bewusstsein von Strukturdeterminismen die Chance zum sozialen Wandel geschaffen wird. Durch das Bewusstmachen von Abhängigkeiten können die Wege der Reproduktion dieser Verhältnisse durchbrochen werden. In seinen Arbeiten geht er speziellen Feldern nach und analysiert die internen Funktionsweisen und Machtbeziehungen. Er stellt die Abhängigkeiten der Akteure frei und geht in konkreten Untersuchungen symbolischen Formen auf den Grund, welche die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse reproduzieren. Durch dieses Wissen gelingt es, die Handlungsspielräume zu erweitern, da Handlungsdispositionen erkennbar werden. Der entscheidende Prozess beim Akteur ist das Denkbarwerden einer Handlung, die einer bestimmten Situation folgt. Die zweite Möglichkeit, den Horizont seines Handlungsspielraums durch neue denkbare Handlungen zu erweitern, ist eine extreme Veränderung der Relationen zur alltäglichen sozialen Welt. Wird ein Akteur vor eine ihm völlig fremde Situation gebracht, die nicht im geringsten anschlussfähig zu seiner Prädeterminierung ist, entwickelt er Verhaltensweisen (bzw. nimmt Verhaltensweisen an), die konträr zu seinem Habitus stehen.8 Bourdieu hat mit Faszination die Arbeiten von Filmemachern verfolgt, die ihre Charaktere im Film einer besonderen Situation aussetzten. Sie entwickelten 8 Bourdieu führt hier z.B. Kriegssituationen oder Nachkriegszeiten als Ursache an (Quelle?). 11 Fähigkeiten, die ihnen selbst nicht bewusst waren. Das möglich Denkbare relativiert sich durch die besondere Situation und der Handlungsrahmen wird sich dadurch erweitern. 3.2. Qualitäten von Wandlungsprozessen Wenn dem sozialen Akteur ist seine Handlungsdetermination bewusst ist und er wird seine sozialen Handlungen verändern will, dann wird sich der Handlungsspielraum nicht ohne weiteres vergrößern. Letztlich sind dafür Machtbeziehungen eines Feldes zu berücksichtigen und nicht zu unterschätzen. So bestimmt beispielsweise die soziale Stellung im spezifischen Feld innerhalb einer bestimmten Klasse die Qualität seiner Dispositionen. Bourdieu’s hohes kulturelles Ansehen erlaubt es ihm, die Analysen in die Gesellschaft tragen zu können. Durch den Diskurs werden seine Ansätze weiter verarbeitet und können zu einem Wandel der Verhältnisse beitragen. Die Qualität von Handlungsspielräumen hängt also mit dem Volumen der Kapitalsorten des Akteurs zusammen. Besitzt ein Akteur ein hohes soziales, kulturelles oder ökonomisches Kapital, so wird es einfacher sein, das entsprechende Feld zu einem Wandel bewegen zu können. Die Geschwindigkeit und die Qualität von Wandlungsprozessen kann aber auch durch außergewöhnliche Situationen beschleunigt bzw. verstärkt werden. 3.3. Die Vielfalt des Habitus in der Homogenität der Struktur Ein weiteres Argument gegen den Vorwurf einer Theorie des reinen Strukturdeterminismus ist die Tatsache der Vielfalt des Habitus in der Homogenität der Struktur. Die Vielfältigkeit von Lebensläufen der Akteure zeugt von breiten Entscheidungsdispositionen und somit von einer relativen Entscheidungsfreiheit. Die Dispositionen sind zwar von der Struktur des sozialen Umfeldes beeinflusst, aber in ihrem Spektrum zu breit gefächert, um homogene Lebensläufe hervorzubringen. Die Besonderheit der sozialen Laufbahn ermöglicht es, den Habitus von der Prädetermination in einen Wandlungsprozess zu bringen. Dieser Wandlungsprozess kann von innen, (bewusst durch Wissen und Lernprozesse) oder durch äußeren Strukturwandel in Gang gesetzt werden. Bourdieu räumt ein, dass ein Wandel des Habitus meist langsam geschieht. 12 Schluss Bei der Rekonstruktion von Handlungsspielräumen der sozialen Akteure wurde deutlich, dass sie von ihrem sozialen Umfeld und ihrem Spiel mit dem Kapitalvolumen, das ihnen zur Verfügung steht, geprägt sind. Bourdieu zeigt eine Reihe von Wandlungsmöglichkeiten auf, die trotz der Prädeterminationen möglich werden. Zentral bei diesen Ausführungen ist die Ausdehnung intelligibler Handlungsdispositionen, um auch den Handlungsspielraum zu erweitern. Um einen Erkenntnisgewinn für die Individuen zu bekommen, wird es notwendig sein, als Forscher mit den Methoden der Soziologie die spezifischen Felder zu analysieren. Andernfalls beschränkt sich der Erkenntnisgewinn auf eine Theorie der Praxis. Dieses Doppelanliegen lag Bourdieu stets am Herzen, weshalb er zeitlebens neben theoretischen Konstruktionen die politischen Intentionen durch empirische Analysen gerechtfertigt hat. Durch seine Arbeiten hat er die Struktur und Machtbeziehungen aufgedeckt und die bestehende Ordnung für Kritik intellektuell freigelegt. Selbstverständlich hat es ihm nicht selten Ärger mit den Akteuren der analysierten Felder eingebracht, da deren Akzeptanz der Reproduktion der Verhältnisse von ihm zu Recht kritisiert wurde. 13 Literaturverzeichnis Primärliteratur Bourdieu, 1974: Bourdieu, P.: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt a.M. 1974; Bourdieu, 1976: Bourdieu, P.: Entwurf einer Theorie der Praxis – auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1976; Bourdieu, 1993: Bourdieu, P.: Sozialer Sinn, Frankfurt a. M. 1993; Sekundärliteratur Gebauer/Krais, 2002: Gebauer, G. und Krais, B.: Habitus, Bielefeld 2002; Schwingel, 1995: Schwingel, M.: Pierre Bourdieu zur Einführung, Hamburg 1995; 14