E-Paper F+A Arnim CED 2016

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E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
Chronisch-entzündliche
Darmerkrankungen (CED)
Ulrike von Arnim
Susanna Nikolaus
3 Abbildungen
Georg Thieme Verlag
Stuttgart · New York
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
40 Fragen und Antworten für Patienten
Autorenanschriften
Dr. med. Ulrike von Arnim
Otto-von-Guericke Universität
Klinik für Gastroenterologie,
Hepatologie und Infektiologie
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg
E-Mail: [email protected]
PD Dr. med. Susanna Nikolaus
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Campus Kiel
Klinik für Innere Medizin 1
Arnold-Heller-Straße 3, Haus 6
24105 Kiel
E-Mail: [email protected]
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet
diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über
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erfolgte mit freundlicher Unterstützung
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ist die Medizin ständigen Entwicklungen
unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem
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erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf
vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und
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© 2015 Georg Thieme Verlag KG
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Unsere Homepage: www.thieme.de
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Zeichnungen: Thieme Verlagsgruppe
Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe
Coverabbildung: Thieme Verlagsgruppe
Satz: Ziegler + Müller, Kirchentellinsfurt
gesetzt auf APP/3B2 V. 9
Druck und Buchbinder:
AZ Druck und Datentechnik, Kempten
ISBN 978-3-13-202831-9
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III
Wo und warum entsteht die Entzündung im Darm? . . . . . . . . . .
1
 1 Wie entstehen meine Beschwerden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
 2 Wo entsteht die Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
 3 Ist mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn das Gleiche gemeint?
4
 4 Wie häufig kommen CED vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
 5 Können auch Kinder erkranken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
 6 Ist die CED vererbbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
 7 Ist eine CED ansteckend? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
 8 Welche Rolle spielt Stress für den Ausbruch einer CED? . . . . . .
7
 9 Verkürzt eine CED meine Lebenserwartung? . . . . . . . . . . . . . .
8
10 Werde ich lebenslang mit dieser Krankheit leben müssen? . . .
8
Krankheitszeichen: Wissenswertes zur Diagnose . . . . . . . . . . . .
9
11 Welche Krankheitszeichen sind möglich? . . . . . . . . . . . . . . . .
9
12 Wann muss ich zum Arzt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
13 Bei welchem Arzt bin ich am besten aufgehoben? . . . . . . . . .
10
14 Habe ich die richtige Diagnose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
15 Welche anderen Krankheiten sollten ausgeschlossen werden?
11
16 Welche Untersuchungen kommen auf mich zu? . . . . . . . . . .
12
17 Was kann der Arzt durch Stuhl- oder Blutproben feststellen?
15
18 Wozu dient ein Atemtest? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
19 Welche „Komplikationen“ sind bei einer CED möglich? . . . . .
16
20 Können bei der CED gesundheitliche Probleme
auch noch anderswo auftreten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Therapiemöglichkeiten: Was sollte ich dazu wissen?
........
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21 Wann brauche ich eine entzündungshemmende
Dauertherapie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
22 Wovon hängt die Therapiewahl ab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
23 Mit welchen Medikamenten können akute Entzündungen
im Darm behandelt werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
24 Gibt es auch kortisonfreie Medikamente, die eine
Verbesserung der Beschwerden ermöglichen? . . . . . . . . . . . .
27
25 Gibt es auch „natürliche“ Behandlungsmöglichkeiten bei CED?
28
26 Ist eine Operation für mich sinnvoll? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
27 Bezahlt meine Krankenkasse alle Medikamente,
die mir helfen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
28 Welche Behandlungsmöglichkeiten kommen
bei Schmerzen infrage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
29 Welche Behandlungsmöglichkeiten kommen
bei Müdigkeit infrage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
30 Ich fühle mich von der Krankheit überfordert –
hilft Psychotherapie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
Empfehlungen und Tipps für den Alltag mit CED:
Was kann ich selbst tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
31 Muss ich meine Lebensweise ändern? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
32 Hilft eine bestimmte Diät, um künftigen Schüben
vorzubeugen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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33 Was ist mit Ernährungstherapie gemeint? . . . . . . . . . . . . . . .
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34 Wie steht es mit Kaffee, Alkohol oder Rauchen? . . . . . . . . . . .
36
35 Kann ich Sport treiben, um mich gesünder zu fühlen? . . . . . .
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36 Ich möchte gern wieder verreisen – wie geht das am besten? .
37
37 Was sollte ich bei Kinderwunsch beachten? . . . . . . . . . . . . . .
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38 Sind Impfungen für mich gefährlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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39 Welche Unterstützung bieten Selbsthilfeorganisationen? . . .
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40 Muss ich meinen Arbeitgeber über meine Erkrankung
informieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
Nützliche Infos & Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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Wie entstehen meine Beschwerden?
Der Ausgangspunkt Ihrer Beschwerden ist eine Entzündung, die verschiedene Bereiche des Verdauungstrakts wie z. B. den Dick- oder Dünndarm, den
Magen oder die Speiseröhre befallen kann. Die Entzündung ist dabei nicht
vorübergehender Art wie bei einer einmaligen, beispielsweise infektbedingten Durchfallerkrankung. Sie verläuft vielmehr in Schüben und kehrt immer
wieder zurück (rezidivierend), wobei sie sogar kontinuierlich (chronisch)
über Wochen und Monate vorhanden sein kann.
Die Entzündung spielt sich vorwiegend in der Schleimhaut ab, welche den
Verdauungstrakt auskleidet. Durch die anhaltende Entzündung der Schleimhaut kommt es zu einer Reizung und Schädigung des Darmtrakts, die z. B.
Durchfälle, Bauchschmerzen und ein allgemeines Krankheitsgefühl verursachen können. Leider ist es bis heute nicht möglich, chronisch-entzündliche
Darmerkrankungen mit Medikamenten zu heilen. Durch eine gute medikamentöse Einstellung gelingt es in den meisten Fällen, die Erkrankung soweit
einzudämmen, dass ein weitgehend normales Leben möglich ist. Daher ist es
auch wichtig, die verordneten Medikamente regelmäßig einzunehmen.
Die genaue Ursache der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist
bislang noch nicht geklärt. Bislang wurden viele verschiedene potenzielle Auslösefaktoren diskutiert, die von einer genetischen Vorbelastung über Umweltfaktoren bis hin zum Lebensstil reichen. Gesichert ist eine genetische Veranlagung, die vererbt werden kann. Diese erklärt aber nur einen Teil der Krankheitsentstehung: Bis auf das Rauchen, das die Entstehung des Morbus Crohn
begünstigt und den Krankheitsverlauf verschlechtern kann, wurden keine direkten Ursachen oder notwendigerweise „krankmachende“ Faktoren bestätigt.
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Wo und warum entsteht
die Entzündung im Darm?
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
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Wo entsteht die Entzündung?
Je nach Diagnose und Krankheitsbild können entzündliche Veränderungen
auftreten und dabei auch ein charakteristisches Ausbreitungsmuster aufweisen. Zudem kann eine krankheitsbedingte Entzündung unterschiedlich tief in
die Darmwand hineinreichen:
■
Hat Ihr Arzt bei Ihnen eine Colitis ulcerosa diagnostiziert, handelt es sich
um eine CED, bei der die Entzündung auf den Dickdarm und Mastdarm
beschränkt bleibt. In diesem Fall beginnt die Entzündung meistens im
Mastdarmbereich und breitet sich nach und nach in Richtung Dickdarm
aus. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Sofern es zu einer Entzündung des
gesamten Dickdarms kommt, kann in seltenen Fällen ausnahmsweise
auch der letzte Teil des Dünndarms mitbefallen sein („Backwash-Ileitis“).
Bei einer Colitis ulcerosa betrifft die Entzündung in der Regel die oberflächliche Schleimhaut. Die entzündlich geschädigte Schleimhaut des
Dickdarms ist für Blutungen besonders anfällig. Endoskopisch sieht der
Arzt häufig Rötungen, unterschiedlich tiefe Geschwüre sowie Blutauflagerungen in Verbindung mit einer leichten Verletzbarkeit der Schleimhaut.
Der lateinische Name Colitis ulcerosa bedeutet daher auch „geschwürige
Darmentzündung“.
Dauert die Erkrankung schon länger an, kann sich die Schleimhaut stellenweise in polypenförmiges Gewebe umwandeln. Diese Polypen werden
„Pseudopolypen“ genannt, weil sie als Ursprung eine Entzündung haben
und nicht, wie „echte“ Polypen, als Krebsvorläufer einzustufen sind. Durch
die Entzündung und den anschließenden Untergang von Schleimhautgewebe können narbige Veränderungen bis hin zu Verengungen des Dar-
■
mes (Stenosen) entstehen.
Beim Morbus Crohn kann der gesamte Magen-Darm-Trakt stellenweise
von der Entzündung betroffen sein, wobei die Darmwand oft nicht nur
oberflächlich, sondern durch alle Schichten hindurch entzündet sein
kann. Besonders häufig tritt die Entzündung dabei im letzten Abschnitt
des Dünndarms, dem sogenannten terminalen Ileum auf. Im Unterschied
zur Colitis ulcerosa können sich gesunde und befallene Regionen miteinander abwechseln. Auch beim Morbus Crohn können sich Engstellen
des Darmrohrs bilden (Stenosen und Strikturen infolge einer entzündlichen Wandverdickung und stellenweisen Vernarbung), die unter Umstän-
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im Rahmen einer CED an unterschiedlichen Stellen des Verdauungstrakts
Wo und warum entsteht die Entzündung im Darm?
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Speiseröhre
Magen
nur
Dünndarm
Dünndarm
und
Dickdarm
nur
Dickdarm
Enddarmerkrankung
mit Fissuren/Fisteln/
Abszessen
Morbus Crohn
Beteiligung des
Enddarms
a
Krypten
Granulom
b
Colitis ulcerosa
Schleimhautinsel
Geschwür
(Ulzeration)
Mukosa
Submukosa
Muscularis
c
normal
Morbus Crohn
Colitis ulcerosa
Abb. 1 Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Wo entsteht die Entzündung – schematische Darstellung des Darmbefalls.
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Zwölffingerdarm
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
den zum Darmverschluss führen. Daneben können Eiteransammlungen
entstehen (= Abszesse) und entzündete Darmschlingen mit anderen
Darmabschnitten oder Hohlorganen (z. B. Harnblase, Scheide) verkleben,
sodass neue, unnatürliche Kurzschlussverbindungen entstehen (= Fistelbildung). Sie müssen unter Umständen auch operativ behandelt werden.
■
im Bereich des Darmausgangs sein.
Für beide Krankheitstypen gilt aber, dass das Ausmaß der Entzündung
und die Lokalisation (Befallsmuster) individuell sehr unterschiedlich ausfallen können. Zusätzlich können sich die beiden Erkrankungen sehr ähnlich sehen und die Unterscheidung anfänglich selbst für den Arzt schwierig machen.
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3
Ist mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn das Gleiche gemeint?
Es handelt sich um 2 verschiedene Krankheitsbilder, die unter dem Oberbegriff chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) zusammengefasst
werden, da sie viele Gemeinsamkeiten haben. Noch bis in die 1970er-Jahre
konnten die beiden Krankheitsbilder nur schwer voneinander getrennt werden, sodass sie als Einheit betrachtet wurden. Inzwischen konnten die Untersuchungstechniken verfeinert werden: Endoskopische (Magen- und Darmspiegelung, Einführung der Kapselendoskopie) und radiologische Techniken
(Magnetresonanztomografie zur Darstellung von Entzündungen des Dünndarms) und verbesserte Untersuchungsmethoden mit Ultraschall machen
die Unterscheidung zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa in den
meisten Fällen möglich. Aber auch heute kann es bei einem Teil der Betroffenen unter Umständen nicht möglich sein, das Krankheitsbild eindeutig
einem Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa zuzuordnen. Man spricht
dann von einer Colitis indeterminata.
■
Beide Erkrankungen
sind die am häufigsten vorkommenden CED
■
beginnen häufig im jungen Erwachsenenalter und verlaufen oft chronisch
■
verlaufen oft schubweise, d. h. sind mit einem Wechsel zwischen sympto-
■
matischen und beschwerdefreien Phasen verbunden
können Durchfälle, Bauchschmerzen und Gewichtsverlust verursachen
■
können auch außerhalb des Verdauungstrakts Symptome verursachen
(z. B. Hautveränderungen, Gelenkbeschwerden)
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Eine weitere Komplikation der Morbus-Crohn-Erkrankung können Fisteln
Wo und warum entsteht die Entzündung im Darm?
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4
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Wie häufig kommen CED vor?
In Deutschland wird die Anzahl der CED‑Betroffenen insgesamt auf etwa
Morbus Crohn wie Colitis ulcerosa betroffen. Bei Morbus Crohn und Colitis
ulcerosa sind beide Geschlechter etwa gleich häufig betroffen.
Vor allem in den industrialisierten Ländern gibt es Hinweise auf eine zunehmende Erkrankungshäufigkeit in den letzten Jahrzehnten. Möglicherweise hängt dies mit dem Lebensstil, der Ernährung oder Umweltbedingungen
zusammen, da CED beispielsweise in den Entwicklungsländern sehr viel seltener auftreten. Zusätzlich wird auch häufig ein Nord-Süd-Gefälle beschrieben: Morbus Crohn z. B. wird in Großbritannien, Skandinavien oder Nordamerika häufiger beobachtet als in Mittel- und Südeuropa bzw. Südamerika.
█
5
Können auch Kinder erkranken?
Die meisten Betroffenen sind zwischen 15 und 35 Jahre alt, wenn die Erkrankung erstmals ausbricht. Selten kann eine CED aber auch erst in einem höheren Lebensalter auftreten. In etwa 20 % aller Fälle sind aber auch Kinder von
einem Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa betroffen. In einigen Regionen (z. B. Schweden, Finnland, Kanada/USA, aber auch Osteuropa und teilweise Asien) wurden in den letzten Jahren gestiegene Erkrankungszahlen im
Kindesalter gemeldet.
Bei Kindern sind Bauchschmerzen und Durchfälle, verbunden mit Wachstumsverzögerungen (Minderwuchs), ein wichtiger Hinweis auf einen Morbus Crohn. Da Bauchschmerzen bei Kleinkindern häufig sind und meist
harmlose Ursachen haben, ist es besonders wichtig, „hellhörig“ zu werden,
wenn sich ein Kind im Vergleich mit Gleichaltrigen schlechter entwickelt
und weniger aktiv als seine Spielkameraden ist.
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320 000 Menschen geschätzt. Dabei sind in etwa gleich viele Menschen von
6
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Untersuchter
Darmbereich:
Koloskopie
Proktoskopie
Dickdarm
(Kolon)
Dünndarm
Endabschnitt
des Dünndarms
(terminales
Ileum)
Mastdarm
(Rektum)
Endoskop
S-förmiger
Dickdarm (Sigma)
Abb. 2 Bei der Koloskopie wird der gesamte Dickdarm untersucht. Bei der Rektosigmoidoskopie wird der gesamte Mastdarm sowie der s-förmige Dickdarm (Sigma) untersucht. Bei der Proktoskopie werden die letzten 20 – 30 cm des Dickdarms (Mastdarm) sowie die letzten Zentimeter des Afters untersucht (auch: Analspiegelung,
Enddarmspiegelung). Sie kann mit einem starren Untersuchungsinstrument (Proktoskop) durchgeführt werden.
Für Kinder und Jugendliche ist die rechtzeitige Diagnosestellung und Behandlung auch unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Entwicklung besonders
wichtig, da viele Wachstumsprozesse zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sind: Unbehandelt können Störungen im Längenwachstum oder in
der Pubertät auftreten. Zudem sind schulische Leistungseinbußen möglich.
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Sigmoidoskopie
Wo und warum entsteht die Entzündung im Darm?
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Ist die CED vererbbar?
In einigen Familien kann ein gehäuftes Auftreten von CED beobachtet werlitis ulerosa) sind mehrere Familienmitglieder von einer CED betroffen, was
auf einen genetischen Zusammenhang hindeutet.
Derzeit geht man von einer genetischen, d. h. erblichen Vorbelastung aus,
die das Risiko erhöht, an einer CED zu erkranken, aber nicht als alleinige Ursache infrage kommt. Wenn auch erste Gene identifiziert wurden, die an der
Auslösung der Krankheit beteiligt sind, befindet sich die Forschung hier erst
am Anfang. Unterschiedlichste Gene und indirekte Mechanismen tragen zur
Entstehung einer CED bei, die aber nicht unbedingt in eine Erkrankung münden müssen: Einige Menschen besitzen z. B. Risikogene, ohne jemals im
Leben an einer CED zu erkranken.
Wahrscheinlich sind mehrere, unterschiedliche genetische Veränderungen an der Krankheitsentstehung beteiligt, die dann z. B. mit dem
persönlichen Immunsystem, der individuellen Zusammensetzung der Darmbakterien (Darmflora) oder bestimmten Umweltbedingungen interagieren.
Vieles spricht dafür, dass dabei Vorgänge wichtig sind, die sich schon während der frühen Lebensjahre bei der Entwicklung und Prägung von Immunprozessen im Darmtrakt ereignen.
█
7
Ist eine CED ansteckend?
Nein, weder Morbus Crohn noch Colitis ulcerosa sind für den Partner oder
andere Menschen ansteckend.
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8
Welche Rolle spielt Stress für den Ausbruch einer CED?
Früher wurden psychische Faktoren wie Stress, belastende Lebensereignisse
aus dem persönlichen Leben oder auch psychische Störungen als Krankheitsursache für eine CED verantwortlich gemacht. Nach heutigen Erkenntnissen
entsteht eine CED aber nicht durch psychische Faktoren.
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den: In bis zu etwa einem Drittel der Fälle (bei Morbus Crohn eher als bei Co-
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Allerdings kann eine chronische Erkrankung wie eine CED die Psyche
stark belasten und z. B. bei sehr starken Krankheitssymptomen die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen.
Umgekehrt können subjektive Stresserlebnisse im Leben oder psychische
Störungen (z. B. eine zusätzliche Depression) den Krankheitsverlauf einer
█
9
Verkürzt eine CED meine Lebenserwartung?
Im Vergleich mit früheren Zeiten hat sich die Prognose einer CED aufgrund
der modernen Versorgungs- und Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert. Wenn die Erkrankung richtig behandelt wird, ist die Lebenserwartung von Menschen mit CED im Allgemeinen normal.
Wichtig ist, dass Sie bei einer Verschlechterung der Symptome frühzeitig Ihren
Arzt bzw. Spezialisten aufsuchen, damit eventuelle Komplikationen durch rechtzeitige Therapiemaßnahmen abgewendet oder abgemildert werden können.
█
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Werde ich lebenslang mit dieser Krankheit leben müssen?
Sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis ulcerosa handelt es sich um
chronische Krankheiten, die lebenslang bestehen. Allerdings fällt der Verlauf
einer CED bei jedem Betroffenen unterschiedlich aus und ist nicht vorhersagbar. So können z. B. aktive Krankheitsphasen unterschiedlich häufig auftreten, die Dauer der symptomfreien Intervalle kann Monate oder sogar Jahre
anhalten.
Bislang gibt es noch keine Therapie, die zur vollständigen Heilung einer CED
führt. Dennoch stehen die Chancen gut, dass die Symptome einer CED zunehmend besser kontrolliert werden können. Durch eine heutzutage größere Auswahl an Therapiemöglichkeiten lässt sich eine bessere Abstimmung der für Sie
am besten geeigneten Behandlungsmethoden erreichen.
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CED negativ beeinflussen.
9
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Welche Krankheitszeichen sind möglich?
Am häufigsten kommen gehäufte Stuhlgänge, Bauchschmerzen und Durchfälle vor. Häufiger bei Colitis ulcerosa als bei Morbus Crohn können die
Durchfälle auch Blutbeimengungen aufweisen oder Blutungen aus dem Anus
verursachen.
Manchmal können Patienten sich auch an frühere Auffälligkeiten und
Probleme im Anusbereich erinnern, die ihnen schon vor dem eigentlichen
Auftreten der CED aufgefallen sind: Dazu können z. B. plötzlich aufgetretene
Entzündungen, Schleimhauteinrisse (Fissuren) und Abszesse (Eiteransammlungen) im Anusbereich zählen, die sogar zur Entstehung von Fisteln geführt
haben können, d. h. neue, unnatürliche Kurzschlussverbindungen zwischen
dem Darm und einem anderen Organ wie z. B. der Haut um den After.
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Wann muss ich zum Arzt?
Vielleicht ist es bei Ihnen ähnlich gewesen: Die anfänglichen Beschwerden
sind lange Zeit so allgemein und würden ebenso gut auch zu einem gewöhnlichen Infekt („Darmgrippe“) passen, sodass viele Betroffene zunächst keine
besondere Krankheit dahinter vermuten, mit der man zum Arzt gehen sollte.
Im Vergleich zu einer infektionsbedingten Durchfallerkrankung entwickeln sich die Anzeichen einer CED meistens deutlich langsamer. Eine unerwartete Gewichtsabnahme, Fieber, Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder auch
Gelenkbeschwerden können ebenfalls hinzukommen. Anders als bei einer
gewöhnlichen „Darmgrippe“ verschwinden die Symptome bei einer CED aber
nicht nach wenigen Tagen, sondern bestehen über viele Wochen oder sogar
Monate.
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Krankheitszeichen:
Wissenswertes zur Diagnose
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Eine frühzeitige Diagnose kann sich günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken! Wenn Sie daher bei sich selbst oder Personen im Umfeld gleich mehrere
Symptome oder Auffälligkeiten bemerken, die sich über längere Zeit hinziehen
(z. B. wiederholte, heftige Durchfälle, blutige Stühle, Bauchschmerzen), sollten
Sie nicht zögern, einen Arzt aufzusuchen. Er kann die richtige Ursache herausfin-
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Bei welchem Arzt bin ich am besten aufgehoben?
Wenn bei Ihnen eine CED diagnostiziert wurde, gehören Ärzte, die sich auf
die Fachrichtung für Erkrankungen des Verdauungstrakts spezialisiert haben
(Fachärzte für Gastroenterologie), zu Ihren wichtigsten Ansprechpartnern.
Eine CED verläuft häufig sehr unterschiedlich. Nicht immer können
Allgemeinärzte oder Allgemeininternisten eine CED allein betreuen. Für Ihre
optimale Betreuung kann es notwendig sein, Spezialisten aus unterschiedlichen Fachbereichen aufzusuchen. Hier übernimmt Ihr Hausarzt eine wichtige
Lotsenfunktion, da er die erforderlichen Schritte am besten koordinieren und
den Überblick behalten kann: Gemeinsam mit Ihrem Hausarzt können Sie
sich an Ärzte, Zentren sowie spezialisierte Klinik- oder Krankenhausambulanzen in Ihrer Nähe wenden, die mit dem Gebiet der CED besonders gut vertraut sind, weil sie sehr viele Patienten mit dieser Diagnose betreuen und
über entsprechende Erfahrungen verfügen.
█
14
Habe ich die richtige Diagnose?
Die richtige Diagnosefindung kann gerade am Anfang nicht einfach sein,
wenn die Symptome in verschiedene Richtungen weisen und verschiedene,
potenzielle Krankheiten in Erwägung gezogen werden müssen.
Der Arzt wird Sie daher zunächst ausführlich befragen, bevor er weiterführende Untersuchungen veranlasst. Aus seiner Sicht dürften folgende Fragen von besonderem Interesse sein:
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den und eine weitgehend sichere Diagnose stellen.
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■
Wann haben die Symptome begonnen?
■
Haben Sie Auffälligkeiten an Ihrer Haut, Ihren Augen oder Gelenken be-
■
merkt?
Haben Sie kürzlich Fernreisen unternommen?
■
Sind bei Ihnen Nahrungsmittelunverträglichkeiten bekannt?
■
Haben Sie in letzter Zeit regelmäßig Medikamente eingenommen (vor
allem Antibiotika oder Schmerzmittel)?
■
Sind Sie Raucher oder Nichtraucher?
■
Wurde bei Ihnen der Blinddarm entfernt?
■
Gibt es bei Ihnen Familienangehörige, die an einer CED leiden?
■
Leiden Sie an einer Allergie?
█
15
Welche anderen Krankheiten sollten ausgeschlossen werden?
Durchfälle und Bauchschmerzen können natürlich auch bei vielen anderen
Krankheiten vorkommen, sodass verschiedene andere Ursachen eine CED
vortäuschen können. Daher sollten wichtige andere Krankheitsbilder ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose einer CED gestellt wird.
Dazu gehören z. B.:
■
bakterielle Ursachen (Entzündungen durch Durchfallerreger)
■
Stoffwechselstörungen
■
erworbene Immundefekte (z. B. HIV‑Infektion)
■
Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse
■
Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Zöliakie)
■
Darmentzündung als Nebenwirkung bestimmter Medikamente
■
■
Reizdarmsyndrom
akute Blinddarmentzündung
■
Hämorrhoiden
■
bösartige Tumoren
Ein einzelner Befund, der gut zu einer CED passen könnte, reicht für die Diagnose
nicht aus. Bevor eine CED diagnostiziert werden kann, müssen alle Untersuchungsbefunde berücksichtigt werden (Krankengeschichte, körperliche Untersuchung, Endoskopie, Laborbefunde).
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Krankheitszeichen: Wissenswertes zur Diagnose
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
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Welche Untersuchungen kommen auf mich zu?
Bei der körperlichen Untersuchung wird sich Ihr Arzt unter anderem Ihre
Mögliche Hautveränderungen
Manchmal treten insbesondere an der Haut der Unterschenkel rötliche, verdickte und druckempfindlich veränderte Stellen auf (Erythema nodosum). Sie können allerdings auch bei anderen Erkrankungen auftreten, sodass sie erst im Zusammenhang mit anderen Befunden beurteilt werden können.
An den Mundwinkeln oder im Mundraum können ebenfalls Veränderungen auftreten, die mit einer CED zusammenhängen können: Dazu können beispielsweise eingerissene Mundwinkel oder schmerzhafte, weißliche Stellen im Zahnfleisch oder in der Mundhöhle gehören (Aphthen).
Im Hautbereich um den After herum dürfen entzündliche Hautveränderungen,
Einrisse im Analkanal, Abszesse oder Fistelöffnungen nicht übersehen werden.
Im Bauchbereich kann der Arzt durch Abtasten feststellen, an welchen Stellen
Schmerzen bei Druck bestehen und ob ungewöhnliche Verhärtungen im
Darmbereich vorliegen. Bei Beschwerden des Bewegungsapparats kann es
notwendig sein, wenn Ihr Arzt die Beweglichkeit Ihrer Wirbelsäule und
Hand- oder Fußgelenke auf Druck- oder Klopfschmerzen hin untersucht.
Über Blut- und Stuhluntersuchungen lassen sich ebenfalls Hinweise auf
die aktuelle Aktivität einer vermuteten entzündlichen Erkrankung gewinnen
(siehe auch Frage 17).
Hat der Arzt den Verdacht, dass der Darm entzündliche Veränderungen
aufweist, kann er weitere Hinweise durch eine Ultraschalluntersuchung
(Sonografie) des Dünn- und Dickdarms gewinnen. Er kann aber auch viele
andere Organe per Sonografie untersuchen, die möglicherweise durch eine
Entzündung in Mitleidenschaft gezogen sind. Dazu können die Leber, Bauchspeicheldrüse, Nieren und Gallenblase zählen, die bei der Ultraschalluntersuchung des Bauches immer mit beurteilt werden. Die Untersuchungsmethode
ist unkompliziert und schnell durchführbar, verursacht keine Schmerzen und
ist frei von Nebenwirkungen.
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Haut näher ansehen, da sie bei einer CED Besonderheiten aufweisen kann.
Krankheitszeichen: Wissenswertes zur Diagnose
13
Endoskopische Verfahren:
Verschiedene Möglichkeiten der Magen- und Darmspiegelung
Eine Gastroskopie (Magenspiegelung) kann insbesondere beim Morbus Crohn
notwendig sein, da hier auch der Magen und der obere Dünndarm (Zwölffingerdarm) von der chronischen Entzündung betroffen sein können. Für die Magen-
Vor einer kompletten Darmspiegelung muss der Darm auf die Untersuchung
vorbereit werden, um gute Sichtverhältnisse für den Untersucher zu ermöglichen. Daher ist es sehr wichtig, am Vortag der Untersuchung die Anleitung
zur Darmreinigung zu befolgen (Trinken der Spüllösung und Nahrungsaufnahme
nach Plan). Ist der Darm nicht ausreichend gut vorbereitet, kann die Schleimhaut nur ungenügend beurteilt werden und die Untersuchung muss unter Umständen wiederholt werden.
Bei der Ileokoloskopie (Darmspiegelung) wird das flexible Sichtinstrument über
den After eingeführt. Dadurch können der Dickdarm sowie der letzte Teil des
Dünndarms (terminales Ileum) per Videobild erfasst werden.
Während der Darmspiegelung sorgen Beruhigungs- und Schlafmittel dafür, dass
Sie während der Untersuchung tief und fest schlafen und die Untersuchungsprozedur möglichst beschwerdefrei verläuft.
Um den letzten Abschnitt des Dickdarms (ca. 50 cm) mit einsehen zu können,
kommt eine Rektosigmoidoskopie (End- und Krummdarmspiegelung) infrage.
Diese Untersuchung gestaltet sich in der Regel weniger belastend als die Koloskopie, da die Darmvorbereitung mithilfe eines Einlaufs durchgeführt wird. Diese
Untersuchung ist gut geeignet, um bei Patienten mit Colitis ulcerosa im Verlauf
das Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie kontrollieren zu können.
Bei der Proktoskopie wird nur der letzte Abschnitt des Enddarms gespiegelt,
was sich mit einem kurzen, starren Rohr bewerkstelligen lässt.
Zum Feststellen von Komplikationen im Enddarmbereich eignet sich die rektale
Endosonografie. Hier können z. B. Abszesse und Fisteln im Enddarmbereich entdeckt und beurteilt werden
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spiegelung reicht es, nüchtern zur Untersuchung zu kommen – weitere Vorbereitungen sind nicht notwendig.
14
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Für den Magen-Darm-Spezialisten ist die Darmspiegelung eine der wichtigsten Untersuchungen, um zu einer möglichst raschen Diagnose zu kommen.
Sie bietet wichtige Informationen zur Lokalisation und Ausbreitung der
Entzündung (Befallsmuster) sowie über den Schweregrad der Entzündung.
Mithilfe einer Gewebezange können Gewebeproben (Biopsien) entnommen
Die Ergebnisse sind nicht nur zum Ausschluss anderer Ursachen für die Beschwerden von Bedeutung, sondern auch zur Einordnung der Erkrankung
(Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa) wichtig.
Mögliche Komplikationen wie Abszesse oder Fistelbildungen im Enddarmbereich können mit einer rektalen Endosonografie (innerer Ultraschall
des Enddarms) gegebenenfalls gut beurteilt werden.
Weitere „bildgebende“ Untersuchungsverfahren sind vor allem dann hilfreich, wenn es darum geht, auch im Dünndarm krankheitsbedingte Befunde
(Stenosen, Strikturen oder Fistelbildungen) zu erkennen. Da es schwierig ist,
den Dünndarm endoskopisch zu untersuchen, kann hierbei mithilfe von kontrastmittelgestützten radiologischen Verfahren eine indirekte Darstellung
des Dünndarms erfolgen. Üblicherweise wird diese Darstellung mit der Technik der Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt. Das Kontrastmittel
wird dabei getrunken („MR‑Enterografie“) oder mittels einer dünnen Sonde
direkt in den Zwölffingerdarm appliziert („MR‑Sellink“). Die MRT hat im Gegensatz zur CT den Vorteil, dass sie den Patienten keiner Strahlenbelastung
aussetzt, da sie mit Magnetfeldern arbeitet.
Die Kapselendoskopie ist eine Untersuchungsmethode, bei der sich eine
winzige Kamera in einer kleinen Kapsel befindet, die etwa die Größe einer dicken Antibiotikatablette hat (ca. 2,5 cm Länge und 1 cm im Durchmesser).
Diese Kapsel wird vom Patienten geschluckt, und die Kamera nimmt auf ihrer
Reise durch den Dünndarm dann Tausende von Bildern auf, die der behandelnde Arzt anschließend als Film auf dem Computer ansehen kann. Die Kapselendoskopie bei Morbus-Crohn-Patienten ist allerdings nicht unproblematisch; da Engstellen im Dünndarm auftreten können, besteht die Gefahr, dass
die Kapsel in einer dieser Engstellen steckenbleibt und dann operativ oder
endoskopisch entfernt werden muss. Vor der Untersuchung muss daher eine
solche Engstelle gewissenhaft ausgeschlossen werden. Ein weiteres Problem
ist, dass die Kosten für diese Untersuchung in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen werden.
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werden, die später unter dem Mikroskop untersucht werden (Histologie).
Krankheitszeichen: Wissenswertes zur Diagnose
15
Bei einer CED gibt es bislang keinen einzelnen Standardtest, der die direkte Diagnose von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa erlaubt. Daher muss sich der Arzt
zunächst ein umfassendes Bild machen, indem er wie in einem Puzzle verschiedene Untersuchungsergebnisse zusammenfügt, bevor er sich ein Urteil bilden
kann.
stellen. Sie entscheiden mit darüber, welche Untersuchungen und Behandlungen Sie wünschen.
█
17
Was kann der Arzt durch Stuhl- oder Blutproben feststellen?
Erste Hinweise auf die Aktivität der Entzündung im Körper und Mangelerscheinungen (z. B. Blutarmut) lassen sich über Blutuntersuchungen im Labor gewinnen:
■
In einer Blutprobe können z. B. Entzündungsmarker wie das C‑reaktive
■
Protein (CRP) erhöht sein.
Gelegentlich können auch die Blutplättchen (Thrombozyten) erhöht sein.
■
Die Anzahl der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) kann sowohl bei
einem akuten Schub einer CED als auch bei infektbedingten Komplikationen erhöht sein.
■
Ein wichtiger Hinweisparameter auf eine Blutarmut ist der Hämoglobinwert (Hb = roter Blutfarbstoff). Eine Ursache für einen niedrigen Hb kann
ein erhöhter Blutverlust über den Darm bei einem akuten Entzündungsschub sein. Die Blutarmut kann aber auch durch einen zu niedrigen Eisenspiegel (Serum-Fe), ein zu niedriges Speichereisen (Serum-Ferritin) oder
einen erniedrigten Vitamin-B12-Wert bedingt sein, die als Bausteine für
den roten Blutfarbstoff dienen. Liegt eine Blutarmut vor, kann unter anderem anhand der oben genannten Werte (Fe, Ferritin und Vitamin B12) der
Ursache der Blutarmut auf den Grund gegangen werden.
■
Stuhlproben können dazu dienen, andere Ursachen für Durchfall auszuschließen: Dazu gehört das Anlegen von Stuhlkulturen sowie die Untersuchung des Stuhles auf bakterielle Erreger (z. B. Campylobacter, Yersinien).
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Haben Sie keine Scheu, alle Ihre Fragen und Bedenken Ihrem Arzt gegenüber zu
16
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Häufig wird der Stuhl auch auf bestimmte Entzündungsmarker wie das Calprotectin untersucht. Calprotectin ist ein wesentlicher Bestandteil von weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Bei einer akuten Darmentzündung ist die
Darmwand von Leukozyten durchsetzt, die, wenn sie absterben, mit dem
Stuhl ausgeschieden werden. Ein erhöhtes Calprotectin zeigt somit ein entdas gemessene Calprotectin im Stuhl ist nicht erhöht, ist eine Entzündung nahezu ausgeschlossen und eine nicht entzündliche Ursache für die Beschwerden sehr wahrscheinlich.
█
18
Wozu dient ein Atemtest?
Durchfälle können auch bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit auftreten.
Atemtests dienen dem Nachweis von nahrungsmittelbedingten Unverträglichkeitsreaktionen. Über einen H2-Atemtest kann über eine indirekte Nachweismethode die Unverträglichkeit von Milchzucker (Laktose), Fruchtzucker
(Fruktose) oder des Zuckeraustauschstoffs Sorbit erfolgen. Ein abnormaler
H2-Atemtest allein gerechtfertigt jedoch die Feststellung der oben genannten
Unverträglichkeiten noch nicht: Dieser ist immer auch zusammen mit den
bei der Testung aufgetretenen Symptomen auszuwerten.
█
19
Welche „Komplikationen“ sind bei einer CED möglich?
Zu den Komplikationen, mit denen ein Patient mit einer CED im Laufe der Zeit
konfrontiert werden kann und welche in erster Linie den Darmtrakt betreffen, zählen Fisteln und Abszesse, Stenosen oder ein toxisches Megakolon.
■
Fisteln (Kurzschlussverbindungen) bei Morbus Crohn können entweder
als Kurzschlussverbindungen im Inneren des Verdauungstrakts auftreten,
die sich z. B. zwischen 2 Darmschlingen oder zwischen dem Darm und
einem anderen Hohlorgan bilden (z. B. Harnblase, Scheide). Endet eine
Fistel blind und entleert sich der entzündliche Inhalt nicht, kann sich ein
Abszess bilden. Da sich in der Entzündungsflüssigkeit auch Bakterien befinden, die in die Blutbahn geschwemmt werden können, sollte die Eiteransammlung möglichst rasch entfernt werden (z. B. durch einen operativen Eingriff oder das Anlegen einer Drainage).
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zündliches Geschehen im Darm an. Hat ein Patient Darmbeschwerden und
Krankheitszeichen: Wissenswertes zur Diagnose
17
Fisteln zwischen einer Darmschlinge und der Harnblase müssen zügig
operiert werden, da es durch den Übertritt von Bakterien aus dem Darm
in die Harnblase zu einer chronischen bakteriellen Entzündung kommt,
die bei längerem Bestehen über die Harnleiter in die Nieren aufsteigen
und diese schwer schädigen kann. Man findet Kurzschlussverbindungen
den sich am häufigsten im Bereich des Anus (sogenannte Perianalfisteln),
wo sie sich durch Schmerzen und Ausfluss bemerkbar machen können.
Perianalfisteln können entweder operativ oder konservativ (ohne Operation) behandelt werden. Bei der konservativen Therapie werden die Fisteln entweder mit einer Drainage versorgt (Gummiband- oder Fadendrainage), um die Fistel dauerhaft offenzuhalten und die Abszessentstehung
zu vermeiden. Fistelleiden können auch medikamentös behandelt wer■
den.
Stenosen (narbige oder entzündliche Engstellen des Darmes) stellen Folgen einer langanhaltenden Entzündungsaktivität oder Vernarbungen
nach Entzündung dar. Entzündliche Stenosen können durch eine (antientzündliche) Therapie zum Abschwellen gebracht werden. Bei einer narbig
fixierten Engstelle ohne entzündliche Anteile kann dagegen oft nur noch
eine operative Entfernung der Engstelle helfen. Bei kurzstreckigen Engstellen im Dünndarm, die mit dem Endoskop erreichbar sind, kann unter
Umständen eine endoskopische Aufweitung der Engstelle mit einem aufblasbaren Ballon zumindest kurzfristig dabei helfen, einen Darmverschluss zu vermeiden. Meist ist bei narbigen Stenosen langfristig jedoch
eine Operation unumgänglich.
Stenosen können prinzipiell sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis
ulcerosa auftreten. Bei der Colitis ulcerosa sollte bei Dickdarmstenosen jedoch immer auch eine bösartige Ursache (Dickdarmkrebs) der Engstelle
ausgeschlossen werden. Nicht passierbare Dickdarmstenosen sollten, sofern ein Dickdarmkrebs oder eine Krebsvorstufe (Dysplasie) nicht sicher
■
ausgeschlossen werden können, im Zweifelsfall immer entfernt werden.
Das toxische Megakolon stellt heutzutage eine sehr seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation dar. Durch die Entwicklung neuer,
hochpotent antientzündlicher Medikamente in den letzten 20 Jahren wird
diese Komplikation fast gar nicht mehr beobachtet. Die Komplikation tritt
auf, wenn eine schwere Entzündungsreaktion medikamentös nicht unter
Kontrolle gebracht werden kann: Im Verlauf kommt es zu einer weitgehenden Lähmung und Aufweitung des Dickdarms. Besteht diese schwe-
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aber auch zwischen dem Darm und der äußeren Haut. Solche Fisteln fin-
18
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
re Komplikation über eine längere Zeit, ohne dass eine Besserung erzielt
werden kann, besteht die Gefahr, dass der Darm perforiert, d. h. es zu
einem Leck in der Darmwand kommt, durch das Darminhalt in die freie
Bauchhöhle übertritt. Hierdurch kann es zu einer lebensbedrohlichen
Bauchfellentzündung kommen. In diesem Fall kann eine Notoperation erEine fortschreitende, unerwünschte Gewichtsabnahme als Komplikation
kommt häufiger bei Patienten mit Morbus Crohn als mit Colitis ulcerosa
vor. Ursache sind meist Entzündungen im Dünndarm. Da in jedem Abschnitt des Dünndarms unterschiedliche Nährstoffe aufgenommen werden, kommt es zu Mangelerscheinungen und ggf. einer Gewichtsabnahme, sofern bei Entzündung des entsprechenden Dünndarmabschnitts
diese Aufgabe nicht mehr wahrgenommen werden kann. Auch häufige
Dünndarmoperationen, bei denen viel Dünndarm entfernt wurde, haben
dieselbe Wirkung: Man spricht dann von einem sogenannten „Kurzdarmsyndrom“. Wenn die übriggebliebene Restdünndarmlänge eine bestimmte Länge unterschreitet, muss der betroffene Patient parenteral (d. h. über
die Vene) ernährt werden. Eine Gewichtsabnahme bei Patienten mit Colitis ulcerosa ist eher selten, kann aber auch durch einen schweren Schub
ausgelöst werden. Durch hochfrequente Durchfälle erleidet der Körper einen hohen Wasser- und Salzverlust, was zur Schwächung des gesamten
Organismus führt. Appetitlosigkeit kann die Folge sein.
In den meisten Fällen sind Komplikationen bei einer CED heute medizinisch gut
kontrollierbar. Sie können durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen sowie
eine rechtzeitig angepasste Therapie sogar vermieden bzw. abgemildert werden. Sehr schwere Komplikationen treten bei guter ärztlicher Betreuung der
CED heute nur noch selten auf.
█
20
Können bei der CED gesundheitliche Probleme
auch noch anderswo auftreten?
Es gibt eine Reihe von möglichen Begleiterkrankungen, die bei einer CED
auch außerhalb des Verdauungstrakts (extraintestinal) auftreten können.
Häufig, aber nicht regelhaft, fallen diese Begleiterkrankungen zum Zeitpunkt
einer erhöhten Krankheitsaktivität auf, d. h. oft bei einem Schub.
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forderlich werden.
■
Krankheitszeichen: Wissenswertes zur Diagnose
19
Wirbelsäule
Leber
Haut
Gallenwege
Bauchspeicheldrüse
KreuzbeinDarmbeinfugen
Gelenke
Haut
Abb. 3 Wichtige Begleiterkrankungen, die bei einer CED in anderen Organsystemen
auftreten können.
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Augen
20
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
CED‑begleitende Symptome außerhalb des Magen-Darm-Traktes
Hautveränderungen: Bei einer Knotenrose (Erythema nodosum) treten rötliche,
knotige Verdickungen auf, die meist an den Streckseiten der Unterschenkel lokalisiert sind. Als Pyoderma gangraenosum bezeichnet man eine schmerzhafte,
großflächige Hautveränderung mit einem akuten Verlauf bis hin zur Geschwürkann. In der Mundschleimhaut können ebenfalls entzündliche Veränderungen
wie kleine, gelblich belegte Flecken auftreten (Aphthen), die bei Kontakt z. B.
mit Saurem oder Süßem schmerzen können.
Gelenkbeschwerden: Patienten mit einer CED berichten häufig über Gelenkbeschwerden, die vor allem an den Knien, Sprung- und Handgelenken oder
Ellenbogen auftreten können (CED‑assoziierte Arthropathie oder Arthritis). Die
Gelenkschmerzen können aber auch andere Regionen des Skeletts wie die Wirbelsäule betreffen.
Entzündliche Veränderungen der Augen: Diese können verschiedene Augenabschnitte betreffen. Sie können sich durch schmerzhafte Rötungen und eine erhöhte Lichtunverträglichkeit bemerkbar machen. Sollten solche Veränderungen
auftreten, sollte zügig ein Augenarzt aufgesucht werden. Unbehandelt können
diese Entzündungen zu irreversiblen Minderungen des Sehvermögens führen.
Osteopenie/Osteoporose: Über die Hälfte der Patienten mit einer CED leidet an
einer erniedrigten Knochendichte (Osteopenie), die auf einen verstärkten Knochenabbau zurückgeht. Diese Minderung der Knochendichte ist eng an Entzündung geknüpft. Bei einer Osteoporose ist der Knochenbau soweit fortgeschritten, dass man von einem Knochenschwund spricht. Spontane Knochenbrüche
ohne vorangegangene Verletzung oder Knochenbrüche nach Bagatellverletzungen können die Folge sein. Eine Knochendichtemessung stellt eine geeignete
Untersuchungsmethode dar, um einen Abbau der Knochensubstanz frühzeitig
zu erkennen und ein Fortschreiten medikamentös aufzuhalten. Eine Kortisonbehandlung kann zu einem weiteren Abbau von Knochensubstanz führen, sodass eine zusätzliche Einnahme von Vitamin D und ggf. Kalzium ratsam ist.
Seltenere Begleiterkrankungen einer CED sind Entzündungen der Gallenwege. Diese treten insbesondere bei der Colitis ulcerosa auf. Etwa 6 % der Patienten mit Colitis ulcerosa leiden an einer sogenannten primär sklerosierenden Cholangitis (PSC), einer fortschreitenden Entzündung der Gallenwege
mit narbiger Umwandlung, die letztendlich zum Funktionsverlust der Leber
führen kann. Ebenfalls treten bei CED‑Patienten vermehrt Gallenblasensteine
und Nierensteine auf.
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bildung und Absterben (Gangrän), die an jeder Stelle des Körpers entstehen
Therapiemöglichkeiten: Was sollte ich dazu wissen?
21
Da bei einer CED ein erhöhtes Risiko für manche Krebsarten besteht, empfiehlt sich eine regelmäßige Krebsvorsorge. Besonders erwähnenswert ist das
erhöhte Risiko für Dickdarmkrebs. Bei Patienten mit Colitis ulcerosa und chronischer Entzündungsaktivität sollte daher ab einer Erkrankungsdauer von
10 Jahren jährlich eine Darmspiegelung durchgeführt werden. Wie häufig die
bisherigen Krankheitsdauer und dem Verlauf der CED, ihrer Ausdehnung, der
aktuellen Therapie sowie Begleiterkrankungen der Leber- und Gallenwege.
Da es eine ganze Reihe von Erkrankungen außerhalb des Verdauungstrakts gibt,
die begleitend zu einer CED auftreten können, sollten Sie bei Anzeichen z. B. der
Haut, Gelenke, und Augen aufmerksam sein und Ihren Arzt darauf ansprechen.
Häufig bessern sich Beschwerden, die bei einer Begleiterkrankung aufgetreten
sind, wenn die Aktivität der CED nachlässt.
Lassen Sie auch regelmäßig Darmspiegelungen zur Krebsvorsorge durchführen
und besprechen den Zeitplan dafür mit Ihrem Arzt.
Therapiemöglichkeiten:
Was sollte ich dazu wissen?
█
21
Wann brauche ich eine entzündungshemmende Dauertherapie?
Medikamente bilden den wichtigsten Eckpfeiler der Therapie bei CED. Dazu
stehen verschiedene Medikamente zur Auswahl, die entweder oral eingenommen oder auch z. B. als Infusion oder Injektion appliziert werden.
Damit die Therapie optimal funktionieren kann, kommt es auf eine möglichst passgenaue Auswahl des Medikaments an, die dem aktuellen Entzündungsmuster am besten gerecht wird. Denn wenn gerade eine akute Phase
der chronischen Entzündungskrankheit des Darmes vorliegt, benötigen Sie
eine andere Behandlung als in der Ruhephase der CED.
Der Behandler hat im Grundsatz mindestens 3 unterschiedliche Ziele im
Blick, wenn er die Behandlung zusammen mit Ihnen plant:
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Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden sollten, ergibt sich aus der
22
■
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Behandlung des akuten Schubes, um eine symptomfreie Zeit zu erreichen
(Remission),
■
symptomfreie Zeit erhalten (Erhaltungstherapie oder auch Remissionserhaltung), um einem neuen Schub oder Komplikationen einer CED vorzubeugen,
verbesserte bzw. normale Lebensqualität erreichen.
Eine klare Trennlinie zwischen Medikamenten, die der Herbeiführung einer
Remission dienen, sowie Medikamenten, die nur während der Remissionserhaltung eingesetzt werden sollen, gibt es nicht mehr. Viele der heute verfügbaren Therapiemöglichkeiten können in beiden Situationen eingesetzt
werden.
Mit einer entzündungshemmenden Dauertherapie ist aber grundsätzlich
eine Therapie mit Medikamenten gemeint, die entzündungshemmend wirken (immunsuppressiv) oder die Entzündungsprozesse modifizieren können
(immunmodulierend) und in der Regel über einen längeren Zeitraum angewendet werden. Sie kommt vor allem dann infrage, wenn die im ersten
Schritt verordneten Medikamente wie 5-ASA‑Präparate (das sind z. B. Mesalazin, Sulfasalazin) oder Kortison nicht ausreichend gewirkt haben, d. h. die
Behandlung des akuten Schubes nicht gelingt oder immer wieder neue aktive
Krankheitsphasen auftreten (Rezidive).
Klassische längerfristig eingesetzte Therapeutika sind beispielsweise
Azathioprin, 6-Mercaptopurin oder Methotrexat, weitere Therapeutika sind
aus der Gruppe der Biologika (z. B. TNF‑α-Hemmer oder Integrin-Antagonisten) verfügbar (siehe auch Frage 23).
█
22
Wovon hängt die Therapiewahl ab?
Die Einordnung der Krankheitsaktivität ist beim Morbus Crohn nicht immer
einfach. In manchen Fällen findet sich die Wahrnehmung des Betroffenen
(z. B. zur Anzahl der Stuhlgänge, Schmerzen, Gewichtsverlust) bei den äußerlich messbaren Parametern einer Entzündung (Fieber, Laborwerte) nicht
wieder – auch, wenn ein akuter Schub vorliegt.
Wichtig ist dabei die Höhe der Entzündungsaktivität, die von leicht über
mäßig bis hin zu schwer reichen kann: Der Schweregrad der Krankheitsaktivität hat auch für die Therapiewahl Konsequenzen.
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■
Therapiemöglichkeiten: Was sollte ich dazu wissen?
23
Überdies kommt es auf die Ausdehnung der Entzündung im Darm an, da
sie die Therapiewahl mit bestimmt. Liegt ein ausgedehnter Befall z. B. des
Dünndarms vor? Sind auch die Speiseröhre und der Magen von der Entzündung betroffen? Ganz wichtig ist es auch, mögliche begleitende Komplikationen bei der Therapiewahl mit zu berücksichtigen. Hierbei ist z. B. auf das Vornodosum), eine begleitende verminderte Knochendichte (Osteopenie oder
Osteoporose), eine begleitende (Eisenmangel)-anämie, Vitaminmangelzustände (Mangel an Vitamin B12 und fettlöslichen Vitaminen), Zeichen der
Mangelernährung sowie Komplikationen wie Fisteln und Abszesse zu achten.
Die Phasen zwischen den Schüben (Remissionen) können unterschiedlich
lang sein. Sollten Durchfälle plötzlich von einer Verstopfung abgelöst werden, muss der Behandler auch an mögliche Komplikationen denken, die im
Laufe der Jahre entstanden sein können (z. B. krankheitsbedingte Verengungen und Verschlüsse des Darmes).
Bei der Colitis ulcerosa macht sich ein akuter Schub üblicherweise mit
blutig-schleimigen Durchfällen bemerkbar. Eventuell kommen begleitend
krampfartige Beschwerden im Unterbauch mit Stuhldrang hinzu (Tenesmen). Da auch virusbedingte Magen-Darm-Infekte vorübergehend ähnliche
Beschwerden hervorrufen können, kann es bei verhältnismäßig gering ausgeprägten Symptomen sinnvoll sein, ein paar Tage abzuwarten und zu beobachten, ob es sich um einen echten Schub handelt. Möglicherweise wird Ihr
Arzt eine Erregersuche im Stuhl durchführen lassen und zusätzliche Testparameter im Blut untersuchen, die nähere Auskunft zur Entzündungsaktivität in Ihrem Körper geben können.
Allerdings kann der akute Schub bei einer schweren Colitis ulcerosa bzw.
ein fulminanter Schub von Anfang an auch mit sehr schweren Krankheitszeichen einhergehen. Dazu zählen: mehr als 6 blutige Durchfälle täglich sowie
ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl (Fieber, schneller Puls, hohe Entzündungsmarker im Blut). In diesen Fällen kann ein vorübergehender Aufenthalt
im Krankenhaus notwendig werden, damit der Krankheitszustand engmaschig überwacht und Medikamente im Notfall z. B. auch direkt über die Venen
verabreicht werden können.
Sind die Hinweise auf einen akuten Schub eindeutig, wird der Arzt noch
klären, welche der Dickdarmabschnitte aktuell betroffen sind:
■ Proktitis (nur der Enddarm ist entzündet)
■
Linksseitenkolitis (linksseitiger Dickdarm ist entzündet)
■
Pankolitis ([fast] alle Abschnitte des Dickdarms sind entzündet: ausgedehnter Befall)
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liegen von Hauterscheinungen (Pyoderma gangraenosum und Erythema
24
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Die Therapiewahl gehört in die Hände von erfahrenen Fachärzten, die sich im Bereich der entzündlichen Darmerkrankungen gut auskennen (Gastroenterologen/
Internisten, siehe auch Frage 13).
Die Therapie richtet sich nach der Schwere des Schubes, dem Aktivitätsgrad der
aktuellen Entzündung, den befallenen Darmabschnitten, eventuellen Begleitwelche Therapien gegebenenfalls schon früher angewendet, wie gut sie vertragen wurden und welche Therapie sich der Betroffene wünscht.
█
23
Mit welchen Medikamenten können akute Entzündungen
im Darm behandelt werden?
Für die Akutbehandlung kommen zunächst folgende Medikamentengruppen
infrage:
■
5-Aminosalizylate (5-ASA, Mesalazin, Sulfasalazin)
5-Aminosalizylate werden schon seit mehreren Jahrzehnten in der
CED‑Therapie eingesetzt. Sie werden oral eingenommen und wirken vor
allem im Dickdarm. Nach der Freisetzung des Wirkstoffs im Darm kann
sich die entzündungshemmende Wirkung entfalten.
5-ASA‑Zubereitungen (5-ASA‑Präparate) sind in Form von Klysmen (Einläufen), Schaum oder Suppositorien (Zäpfchen) auch für die rektale Anwendung verfügbar: Je nach Verabreichungsform und der Häufigkeit von
Stuhlentleerungen erreichen sie die linke Flexur (= Krümmung) des Dickdarms oder nur das Rektum (= Mastdarm).
5-ASA‑Präparate können bei der Colitis ulcerosa sowohl im akuten Schub
als auch in einer dauerhaften Therapie angewendet werden, um Rezidiven
(Rückfällen in die aktive Krankheitsphase) vorzubeugen. Bei Morbus
Crohn spielen nach aktueller Studienlage 5-ASA‑Präparate in der Therapie
eine untergeordnete Rolle und werden nur noch in speziellen Situationen
■
wie zur Vermeidung von postoperativen Rezidiven eingesetzt.
Kortisonpräparate (Steroide)
Bei Kortison handelt es sich um ein Hormon, das der Körper normalerweise bei Stress ausschüttet, um z. B. das Immunsystem zu unterdrücken und
damit auch eine Entzündung zu hemmen. Kortison wird in der Therapie
des mittelschweren bis schweren akuten Morbus Crohn und Colitis ulce-
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komplikationen und der Dauer der Symptome. Auch spielt es eine Rolle, ob und
Therapiemöglichkeiten: Was sollte ich dazu wissen?
25
rosa eingesetzt. Weiterhin kann es beim Versagen der 5-ASA‑Präparate
verabreicht werden, um eine Remission zu erzielen.
Kortison zeigt bei den meisten Patienten eine hervorragende Wirkung,
wenn es darum geht, einen akuten Schub zu unterbrechen (= Remissionsinduktion). Die antientzündliche Wirkung tritt außerdem meist sehr
wenn Schübe in kürzeren Abständen auftreten und immer wieder versucht wird, diese mit Kortison zu unterbrechen.
Zur Remissionserhaltung ist Kortison, auch in geringen Dosen eingesetzt,
nicht geeignet. Ist es nicht möglich, Kortison durch langsames Reduzieren
schließlich ganz abzusetzen, spricht man von einem kortisonabhängigen
Verlauf. In diesen Fällen muss unbedingt eine Umstellung der Therapie erfolgen, die das Absetzen der Kortisonpräparate möglich macht.
Da Kortison langfristig eingenommen schwere Nebenwirkungen verursachen kann (abhängig von Einnahmedauer und Dosis), muss auf eine möglichst kurze Anwendungsdauer geachtet werden. Das Medikament wird
dazu im Laufe von Wochen bis Monaten langsam Schritt für Schritt reduziert („ausgeschlichen“). Denn ein plötzliches Absetzen kann zum Wiederaufflammen der Beschwerden oder, sofern das Kortison bereits über
einen längeren Zeitraum gegeben wurde, zu schweren Nebenwirkungen
führen.
Kortison kann auch als lokal wirksames Medikament (topisches Steroid)
z. B. als Einlauf oder Schaum verabreicht werden. Die Wirkung ist dann
auf Ort und Stelle beschränkt und betrifft meist nicht den gesamten Orga■
nismus.
Azathioprin und 6-Mercaptopurin
Azathioprin wird nach der oralen Einnahme durch den Stoffwechsel im
Körper zu 6-Mercaptopurin umgewandelt. Die beiden Wirkstoffe werden
dann in Erwägung gezogen, wenn eine CED im akuten Schub weder auf
Kortison noch 5-Aminosalizylate erfolgreich angesprochen hat oder ein
langsames Ausschleichen und vollständiges Absetzen des Kortisons nicht
möglich ist (bei kortisonabhängigen Verläufen). Zudem kommt Azathioprin für die Remissionserhaltung infrage und wird dazu schon seit den
1970er-Jahren eingesetzt. Auch Azathioprin wirkt auf das Immunsystem
■
ein und unterdrückt teilweise die Immunabwehrprozesse des Körpers.
Methotrexat (MTX)
Bei diesem Medikament handelt es sich ebenfalls um einen klassischen
Entzündungshemmer (Immunsuppressivum), der auch bei anderen
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schnell ein. Leider schwächt sich dieser Effekt bei vielen Patienten ab,
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Krankheiten des Immunsystems eingesetzt wird, wie z. B. bei der rheumatoiden Arthritis. MTX kommt für Patienten mit Morbus Crohn infrage, bei
denen Kortison nicht ausreichend wirksam ist oder nicht abgesetzt werden kann, ohne dass es zum Rückfall kommt (kortisonabhängiger/-refraktärer Verlauf).
wöchentliche Spritze verabreicht werden. Die Wirkung setzt etwas
schneller ein als bei Azathioprin (innerhalb von Wochen statt Monaten).
Da der Wirkstoff über die Leber abgebaut wird, sollte auf eine gute Funktion der Leber geachtet und die Leberwerte regelmäßig kontrolliert werden. Am Tag nach der Einnahme/Gabe von Methotrexat sollte ein Folsäurepräparat (5 –10 mg) eingenommen werden. Das hat einen günstigen
Einfluss auf die Leberwerte sowie mögliche Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt wie Übelkeit oder Erbrechen. Diese können dadurch abgemildert oder sogar verhindert werden.
Methotrexat sollte aber keinesfalls bei Frauen eingesetzt werden, die
schwanger sind bzw. ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen ha-
■
ben.
Ciclosporin, Tacrolimus
Ciclosporin und Tacrolimus sind weitere immunsuppressive Therapeutika, die in das Immunsystem eingreifen. Sie wurden ursprünglich bei
Organtransplantat-Empfängern verwendet, um die natürliche Abstoßung
des neuen Organs durch die körpereigene Abwehr zu unterdrücken. Die
Wirkung setzt in der Regel innerhalb von Tagen ein.
Bei der Behandlung von CED kommen diese Medikamente in erster Linie
für Betroffene mit Colitis ulcerosa infrage, die akut unter einer sehr hohen
■
Entzündungsaktivität leiden. Für die remissionserhaltende Therapie sind
weder Ciclosporin noch Tacrolimus geeignet.
Biologika: TNF‑α-Hemmer und Integrin-Hemmer
Bei der Medikamentengruppe der Biologika handelt es sich um Eiweißmoleküle, die in Anlehnung an das Immunsystem entwickelt wurden
und natürliche Antikörper (spezialisierte Moleküle des gesunden Immunsystems) imitieren, sodass sie in die überschießenden Entzündungsprozesse eingreifen können. Idealerweise sollen nicht pauschal alle Prozesse
unterdrückt werden, die an der Immunabwehr beteiligt sind, sondern vor
allem Mechanismen (z. B. entzündungsfördernde Botenstoffe), die für die
CED relevant sind und in diesem Bereich zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems geführt haben.
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Der Wirkstoff kann 1-mal wöchentlich oral eingenommen oder über eine
Therapiemöglichkeiten: Was sollte ich dazu wissen?
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– TNF‑α-Hemmer: Bei einem TNF‑α-Hemmer handelt es sich um einen
Antikörper, der gegen einen wichtigen körpereigenen Entzündungsbotenstoff im Gewebe (Tumornekrosefaktor-alfa, TNF) gerichtet ist,
nach dem „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ an ihn bindet und so die Wirkung
des TNF ausschaltet. Der Entzündungsprozess kann nicht weiter ablau-
die den gesamten Organismus betreffen können, weshalb unerwünschte, immunvermittelte Nebenwirkungen auch außerhalb des MagenDarm-Traktes auftreten können. Eine mögliche wichtige Nebenwirkung, die eng an die Wirkweise der TNF‑Blocker geknüpft ist, betrifft
Infektionen, die von einem leichten Infekt bis z. B. einer schweren Lungenentzündung reichen können. Daher ist es wichtig, bei einer Therapie
mit diesen Medikamenten besonders sorgfältig auf Infektanzeichen wie
Fieber, Husten und Schnupfen zu achten und sich bei Auftreten solcher
Symptome zügig beim behandelnden Arzt vorzustellen.
– Integrin-Hemmer: Spezielle Entzündungszellen (weiße Blutkörperchen) nutzen für ihr Vordringen in die Darmschleimhaut „Andockhilfen“ (Integrine) wie das Alfa4-Beta7-Integrin. Beim selektiven IntegrinHemmer Vedolizumab handelt es sich um einen Antikörper, der das
Alfa4-Beta7-Integrin auf einer speziellen Untergruppe der weißen Blutkörperchen blockiert (hier: Gedächtnis-T‑Zellen). Dieses Integrin wird
auf T‑Zellen gebildet, die vor allem in den Magen-Darm-Trakt einwandern und dort eine Entzündung verursachen, wie sie für eine CED typisch ist. Der Integrin-Hemmer hindert Entzündungszellen daran,
überhaupt erst in den Darm einzudringen und wirkt somit selektiv im
Magen-Darm-Trakt.
█
24
Gibt es auch kortisonfreie Medikamente,
die eine Verbesserung der Beschwerden ermöglichen?
Für den Fall, dass es zu keiner Verbesserung des akuten Schubes unter Kortison gekommen ist oder Kortison nicht vertragen wird, stehen verschiedene
kortisonfreie Medikamente zur Auswahl, die ebenfalls eine entzündungsunterdrückende Wirkung haben. Einige davon können auch über längere Zeit
eingesetzt werden und kommen somit im Unterschied zu kortisonhaltigen
Medikamenten auch für die remissionserhaltende Therapie infrage.
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
fen und wird unterbrochen. Damit hemmen auch Anti-TNF‑α-Antikörper ähnlich wie Immunsuppressiva Entzündungs- und Immunprozesse,
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Häufiger in der Behandlung der CED eingesetzte kortisonfreie Medika-
mente sind z. B. 5-Aminosalizylate, Azathioprin oder auch Methotrexat und
Biologika (siehe auch Punkt 23).
Gibt es auch „natürliche“ Behandlungsmöglichkeiten bei CED?
Im Bereich der „komplementärmedizinischen“ Therapien sind Maßnahmen
angesiedelt, die ergänzend zu den herkömmlichen medizinischen Verfahren
ausgeübt werden können.
■
Dazu zählen z. B. Verfahren aus der traditionellen Chinesischen Medizin
wie die Akupunktur, bei der mit Nadeln bestimmte Punkte auf unsichtbaren Linien des Körpers angesteuert werden. Diese sollen mit einzelnen Organen in Zusammenhang stehen. Nach derzeitigem Wissensstand kann
die Akupunktur im akuten Schub bei Morbus Crohn komplementär, also
in Ergänzung zur medikamentösen Therapie, eingesetzt werden.
■
Bei Extrakten aus Weihrauch-Harz (Boswellia-serrata-Extrakt H15) handelt es sich um ein ergänzendes Mittel aus der Pflanzenheilkunde, das
bei Morbus Crohn in einer klinischen Studie eine ebenso gute Wirkung
wie Mesalazinpräparate im akuten Schub hatte. Da jedoch Mesalazin
selbst bei Morbus Crohn eine nur unwesentliche antientzündliche Wirkung zeigt, ist auch die Wirkung von Weihrauch kritisch zu bewerten.
Weihrauchpräparate sind in Deutschland zur Therapie der CED nicht zugelassen. Präparate, die über das Internet angeboten werden, sind mit Vorsicht zu betrachten, da sie giftige Rückstände enthalten können, die Konzentration des Wirkstoffs nicht genormt ist und Nebenwirkungen daher
■
schwer kalkulierbar sind.
Der Wirkstoff Curcumin, der aus Gelbwurz gewonnen wird (Kurkuma),
hat in einer kürzlich veröffentlichten japanischen Studie eine remissionserhaltende Wirkung bei Patienten mit mild verlaufender Colitis ulcerosa
gezeigt. Um eine generelle Empfehlung zur Anwendung zu geben, reicht
die Datenlage nicht aus. Die Therapiekosten werden von der Krankenkasse
nicht übernommen.
■
Ein weiterer pflanzenheilkundlich basierter Wirkstoff wird aus den Samenschalen der Plantago-ovata-Pflanze („Indischer Flohsamen“) gewonnen und kommt therapieunterstützend bei CED infrage.
■
Unter dem Begriff „Probiotika“ werden Bakterienstämme zusammengefasst, die als Einzelstamm oder Kombination mehrerer lebensfähiger
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
█
25
Therapiemöglichkeiten: Was sollte ich dazu wissen?
29
Bakterienstämme einen günstigen Einfluss auf den Organismus haben.
Probiotika können bei Colitis ulcerosa alternativ zu Mesalazinpräparaten
zum Einsatz kommen. In großen kontrollierten klinischen Studien zeigte
ein Bakterienstamm (E. coli Nissle) eine dem Mesalazin vergleichbare remissionserhaltende Wirkung. E. Coli Nissle ist in Deutschland zur TheraKrankenkassen übernommen, wenn eine Mesalazin-Unverträglichkeit
■
besteht.
Wurmeier (Trichuris suis ovata, TSO, ein Präparat, das aus Eiern des
Schweinepeitschenwurms gewonnen wird) sollen im leichten bis mäßigen Schub die Krankheitsaktivität bei CED senken. Aus Deutschland wurde daher eine große kontrollierte europäische klinische Studie bei Morbus
Crohn aufgelegt, die jedoch wegen Wirkungslosigkeit des Präparats vorzeitig abgebrochen wurde. Von ärztlicher Seite wird von einer Therapie
mit TSO ausdrücklich abgeraten.
Komplementärmedizinische sowie naturheilkundlich basierte Verfahren sollten
gerade bei schweren, akuten Schüben nicht als einziger Therapiepfeiler eingesetzt werden, sondern nur ergänzend zu den herkömmlichen schulmedizinischen Verfahren angewendet werden.
Informieren Sie Ihren Arzt, wenn Sie alternative Behandlungsmethoden nutzen:
Die Wirksamkeit vieler alternativer Verfahren ist weder wissenschaftlich in kontrollierten Studien überprüft noch anerkannt und mit unerwünschten Risiken,
möglichen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen verbunden, welche die
Wirkung der übrigen medikamentösen Behandlung beeinträchtigen können.
█
26
Ist eine Operation für mich sinnvoll?
Neben Medikamenten bilden operative (chirurgische) Verfahren eine wichtige therapeutische Maßnahme, wenn Komplikationen aufgetreten sind, sowie
in Situationen, in denen medikamentöse Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
Damit operative Eingriffe möglichst optimal verlaufen, empfiehlt sich die
Behandlung an Zentren, an denen erfahrene Magen-Darm-Spezialisten und
Viszeralchirurgen eng kooperieren. Dies erleichtert auch die Abstimmung
einer eventuellen, medikamentösen Anschlussbehandlung nach einer Operation.
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
pie der Colitis ulcerosa zugelassen. Die Therapiekosten werden von den
30
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Folgende Situationen können einen operativen Eingriff erforderlich ma-
■
Eiteransammlungen (Abszesse) und unnatürliche Entzündungskanäle
(Fisteln)
■
Stenosen (Engstellen)
■
Darmverschlüsse (Ileus)
■
Komplikationen wie Blutungen, Darmdurchbrüche (Perforation), toxisches Megakolon
Grundsätzlich wird bei Morbus Crohn heute ein eher zurückhaltender Standpunkt vertreten, was die operative Behandlung von Entzündungszuständen
betrifft, da die Entzündung auch nach der Entfernung von Darmabschnitten
an der operierten Stelle erneut auftreten kann. Zu den notwendigen operativen Eingriffen, die nach wie vor bei Morbus Crohn häufig durchgeführt werden, zählen die operative Entfernung von Stenosen (häufig am Übergang vom
Dünn- zum Dickdarm an der Ileozökalklappe) oder die Versorgung von Abszessen und Fisteln.
Bei einer Colitis ulcerosa hingegen, bei der alle medikamentösen Verfahren versagen und schwere anhaltende Durchfälle mit Gewichtsabnahme und
Blutverlust andauern, kann eine operative Entfernung des gesamten Dickdarms einschließlich des Mastdarms sinnvoll sein (Proktokolektomie). Sie
kann zu einer raschen Besserung der Beschwerden führen. Für und Wider
eines solchen Eingriffs müssen sehr ausführlich gegeneinander abgewogen
werden und zusammen mit dem Patienten, Magen-Darm-Spezialisten und
einem erfahrenen Operateur besprochen werden. Auch beim Nachweis von
Krebsvorstufen in Gewebeproben, die im Rahmen einer Kontrolldarmspiegelung entnommen wurden, kann eine Entfernung des kompletten Dickdarms
notwendig werden. Moderne operative Techniken ermöglichen heute den
Erhalt des natürlichen Darmausgangs, indem aus Dünndarmschlingen ein
Reservoir (Pouch) konstruiert wird. Die Anlage eines künstlichen Darmausgangs („Stoma“) wird dagegen nur noch sehr selten als Dauerlösung durchgeführt. Sie kann aber bei komplizierten Operationen übergangsweise (für einen kurzen Zeitraum) notwendig sein, um Komplikationen zu minimieren.
Diese „passageren Stomata“ werden dann in der Regel nach 1–3 Monaten zurückverlagert, wenn die Wunden der ersten Operation gut verheilt sind.
Die meisten Operationen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa können
heutzutage mit minimalinvasiven Methoden durchgeführt werden, d. h. bei
den laparoskopischen Operationen („Schlüsselloch-Chirurgie“) werden je
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
chen:
Therapiemöglichkeiten: Was sollte ich dazu wissen?
31
nach OP‑Technik über 1 –3 kleine Schnitte winzige chirurgische Instrumente
in den Bauchraum eingeführt, um die Operation durchzuführen. Voraussetzung für diese OP‑Technik ist, dass möglichst noch keine Voroperationen am
Bauch stattgefunden haben und keine ausgeprägten Verwachsungen vorlie-
Bei einem großen operativen Eingriff wie der Proktokolektomie ist die Meinung
des Patienten wichtig: Die Operation ist bei einer Colitis ulcerosa dann sinnvoll,
wenn ein dauerhaftes, medikamentös nicht zu beherrschendes Krankheitsgefühl vorherrscht, Medikamente ungern dauerhaft eingenommen werden und
eine latente Sorge vor Darmkrebs die Lebensqualität massiv stört. Beim Nachweis von Krebsvorstufen sollte eine Dickdarmentfernung jedoch immer erfolgen, um die Ausbildung eines Dickdarmkrebses zu verhindern.
█
27
Bezahlt meine Krankenkasse alle Medikamente, die mir helfen?
Medikamente, die verordnungsfähig sind (also in Deutschland für die entsprechende Erkrankung zugelassen), können verschrieben werden und werden in der Regel auch von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt. Wenn es
sich um Medikamente handelt, für die ein „Festbetrag“ existiert, übernimmt
die Krankenkasse die „festgeschriebenen“ Kosten. Übersteigt das gewünschte
Arzneimittel im Preis den Festbetrag, muss der Patient die Mehrkosten selbst
tragen oder ein anderes, günstigeres Medikament wählen.
Behandlungsformen, die wissenschaftlich (durch Studien) nicht abgesichert oder in Deutschland nicht zugelassen sind, werden durch die gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet.
Sofern es sich aber um unterstützende komplementäre Wirkstoffe (z. B.
Indischer Flohsamen) handelt, die auch von den Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen werden, besteht die Möglichkeit, dass die gesetzliche
Krankenkasse die Kosten auch für rezeptfreie Behandlungen erstattet.
Fragen Sie bei Unsicherheiten bei Ihrem Arzt, Ihrer Apotheke sowie Ihrer Krankenkasse nach.
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
gen.
32
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
█
28
Welche Behandlungsmöglichkeiten
kommen bei Schmerzen infrage?
handlung nicht besser werden, können andere Ursachen haben, denen Sie
zusammen mit Ihrem Behandler näher auf den Grund gehen sollten: Sie können beispielsweise von den Gelenken herrühren oder auch durch Vernarbungen im Darm hervorgerufen werden. Schmerzen können dabei in allen Phasen der Erkrankung auftreten – mit ganz unterschiedlichen Ursachen.
Prinzipiell sollten Schmerzmittel aus der Gruppe der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) von CED‑Patienten nicht eingenommen werden, da sie
nachgewiesenermaßen akute Schübe auslösen können. Zu den NSAR zählen
z. B. die Wirkstoffe Diclofenac und Ibuprofen. Auch Acetylsalicylsäure (ASS,
Aspirin®) kann Schübe auslösen. Bei Schmerzen sollte in Absprache mit
Ihrem behandelnden Arzt auf darmverträgliche Mittel wie Paracetamol, Metamizol oder, bei starken Schmerzen, z. B. auf Tramadol ausgewichen werden.
Die Einnahme von einigen herkömmlichen (auch frei verkäuflichen) Schmerzmitteln kann zu einer Verschlechterung der Darmentzündung führen: Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt ab, welche Schmerzmittel für Ihren Fall am besten geeignet sind!
█
29
Welche Behandlungsmöglichkeiten kommen
bei Müdigkeit infrage?
Es kommt häufiger vor, dass die CED Müdigkeit und Erschöpfung hervorruft,
mögliche Gründe dafür gibt es viele: Ständige Durchfälle entziehen dem Körper wichtige Nährstoffe, sodass man sich abgeschlagen fühlt und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein kann. Blutverluste können zu einer verringerten Anzahl der roten Blutkörperchen führen, sodass der Transport von
Sauerstoff zu den Organen weniger effizient ist und man leichter ermüdet.
Schließlich können Müdigkeit und Abgeschlagenheit auch als Nebenwirkungen von Medikamenten auftreten.
Da die ständige Müdigkeit die Leistungsfähigkeit in Schule, Studium, Beruf
und Alltag enorm beeinträchtigen kann, sollte diese Thematik mit dem Arzt
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Schmerzen, die unter der entzündungshemmenden medikamentösen Be-
Therapiemöglichkeiten: Was sollte ich dazu wissen?
33
ausführlich besprochen werden, um gemeinsam die genauen Auslöser und
geeignete Lösungsansätze zu finden.
Sind medikamentös bedingte oder andere Ursachen ausgeschlossen, kommen auch Maßnahmen infrage, die eine bessere Einplanung von Ruhepausen
erlauben: Dazu kann z. B. die Umstrukturierung des Berufs- und Lebensallauswirken.
█
30
Ich fühle mich von der Krankheit überfordert –
hilft Psychotherapie?
Als chronische, mitunter sehr belastende Erkrankung betrifft die CED nicht
nur den Körper, sondern auch die Psyche. Viele Patienten mit CED fühlen sich
infolge der Belastung durch ständige Durchfälle, Schmerzen oder Komplikationen überlastet und laufen Gefahr, an einer psychischen Störung zu erkranken (z. B. Depression, Angststörung).
Betroffene können dabei auch Ängste bzw. ein Vermeidungsverhalten entwickeln, die eigene Wohnung zu verlassen (z. B. wenn die Angst überhandnimmt, draußen eine Toilette nicht rechtzeitig erreichen zu können, wenn
sich der Stuhldrang ankündigt).
Es gibt verschiedene psychotherapeutische bzw. psychologische Hilfsangebote, die zu einem verbesserten Umgang mit der Erkrankung im Lebensalltag beitragen können („Coping“). Geschulte Psychologen und Psychotherapeuten bieten Therapien an, die auf Menschen mit chronischen Erkrankungen ausgerichtet sind und individuell auf die CED abgestimmt sind.
Wenden Sie sich an Ihren behandelnden Arzt, damit er die medizinische Notwendigkeit einer Psychotherapie feststellen kann und Sie an einen geeigneten
Spezialisten überweist. Psychotherapeutische Leistungen sind Teil der ärztlichen
Versorgung und werden auch von der Krankenkasse übernommen.
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tags gehören. Leichte sportliche Aktivitäten können sich ebenfalls günstig
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
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Muss ich meine Lebensweise ändern?
Die Frage, inwieweit die bisherige Lebensweise umgestellt werden sollte, ist
überaus verständlich: Verdauungsprobleme, Durchfälle und Unwohlsein treten häufig nach dem Essen auf und ein Zusammenhang mit dem Krankheitsverlauf erscheint plausibel. Bislang sind aber keine konkreten Auslöser eines
Schubes wie z. B. bestimmte Nahrungsmittel bekannt. Einen allgemeingültigen Ernährungsplan für CED‑Betroffene gibt es daher auch nicht.
Umgekehrt kann aber die Versorgung des Körpers mit wichtigen Nährstoffen und Vitaminen beeinträchtigt sein – sei es durch die gestörte Aufnahme
von Nährstoffen im Dünndarm bzw. erhöhte Ausscheidung durch zahlreiche
Durchfälle oder durch Wechselwirkungen mit Medikamenten und einen erhöhten Nährstoffbedarf im Rahmen der Entzündungsprozesse.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, auf eine ausgewogene und bei Bedarf auch höhere Energiezufuhr zu achten, um etwaigen Mangelzuständen
oder einem übermäßigen Gewichtsverlust vorzubeugen.
CED‑Betroffene neigen häufiger zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten
wie zur Laktose-Intoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit). Diese lässt sich
über einen einfachen Atemtest nachweisen (siehe Frage 18). Im Fall eines positiven Befunds sollte die Ernährungsweise angepasst werden (Vermeidung
bzw. Reduktion laktosehaltiger Lebensmittel, ggf. Einnahme von Laktase in
Pulverform bei Genuss von laktosehaltigen Lebensmitteln). Da das laktosespaltende Enzym Laktase im Dünndarm gebildet wird, kann die Laktoseunverträglichkeit bei Crohn-Patienten nach erfolgreicher Therapie der Entzündung im Dünndarm auch wieder verschwinden.
Auf der Ebene der Psyche können auch Probleme, Ängste, Konflikte oder
Stress im privaten und beruflichen Alltag bestehende Beschwerden einer
CED verstärken.
Im ersten Schritt kann es hilfreich sein, die wichtigsten persönlichen
Stressoren zu kennen, um den Umgang mit ihnen in Zukunft bewusster gestalten zu können. Auch sollte der berufliche Alltag nach Möglichkeit so an-
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Empfehlungen und Tipps für den Alltag
mit CED: Was kann ich selbst tun?
Empfehlungen und Tipps für den Alltag mit CED
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gepasst werden, dass sich Faktoren wie übermäßiger Termindruck, unregelmäßige Abläufe oder anstrengende Tätigkeiten auf ein Minimum reduzieren
lassen.
Bei einer CED gibt es keine allgemeingültigen Ernährungsempfehlungen, die den
erlaubt, was individuell gut tut und vertragen wird. Für CED‑Patienten gilt also
wie für die gesamte Bevölkerung die Empfehlung einer gesunden, ausgewogenen Ernährung. Sofern keine ausgeprägte Krankheitsaktivität besteht, große
Abschnitte des Dünndarms operativ entfernt wurden oder eine spezielle Mangelsituation besteht, ist eine Zufuhr von Nahrungsergänzungsmitteln oder Vitaminen nicht notwendig. Im akuten Schub sollte allerdings auf schwer verdauliche und blähende Lebensmittel verzichtet werden.
█
32
Hilft eine bestimmte Diät, um künftigen Schüben vorzubeugen?
Trotz diverser Ernährungsempfehlungen gibt es bis heute keinen wissenschaftlich begründbaren, eindeutigen Zusammenhang zwischen bestimmten
„Ernährungsfehlern“ und dem Ausbruch der Erkrankung oder der Auslösung
eines Schubes.
Der Verdacht auf eine maßgebliche Rolle der Ernährung kam vor allem in
den Nachkriegsjahren auf, als zwischen der veränderten Ernährungsweise
und häufigeren CED‑Fällen ein Zusammenhang vermutet wurde: Der Verdacht ließ sich aber weder für raffinierte Kohlenhydrate, chemisch aufbereitete Fette, Kuhmilch (abgesehen von Beschwerden im Rahmen einer LaktoseIntoleranz) noch bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe beweisen.
Während der Ruhephase einer CED kommt eine Vollwertkost eher infrage
als während der aktiven Entzündung, da der Darm in der Regel belastbarer
ist: In der Aktivphase einer CED können sich zudem auch kleinere Mahlzeiten
als bekömmlicher erweisen. Achten Sie darauf, sich trotz der Durchfälle und
Schmerzen über diesen Zeitraum ausreichend mit Nährstoffen und Flüssigkeit zu versorgen.
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
Verzicht von bestimmten Lebensmitteln nahelegen würden: Vielmehr ist alles
36
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
█
33
Was ist mit Ernährungstherapie gemeint?
Bei Untergewicht und Mangelzuständen kann es insbesondere bei schweren
Ernährung vorübergehend von seinen Verdauungsaufgaben zu entlasten.
Eine künstliche Ernährung kann hierbei zum einen über sogenannte „Astronautenkost“ erfolgen, die aus einer hochkalorischen Nahrung mit allen notwendigen Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen besteht und als
Trink- oder Sondennahrung angeboten wird. Zum anderen kann in solchen
Fällen, in denen der Darm so stark entzündlich geschädigt ist, dass eine Nahrungszufuhr auf normalem Wege nicht mehr möglich ist, eine künstliche Ernährung auch über die Vene notwendig werden. Hierbei werden vorformulierte Nährlösungen verwendet, denen Spurenelemente, Nährstoffe und
Vitamine beigemengt werden und die individuell auf den Bedarf des Patienten angepasst sind.
Zusätzlich können Betroffene mit Untergewicht von einer professionellen
Ernährungsberatung profitieren, die sie bei der Auswahl der Nahrungsmittel
unterstützt.
█
34
Wie steht es mit Kaffee, Alkohol oder Rauchen?
Kaffee und Alkohol sowie schwarzer oder grüner Tee in größeren Mengen
sind bei akuten Durchfällen eher zu meiden, da sie eine anregende Wirkung
auf die Darmperistaltik (Darmbewegungen) haben und die Stuhlfrequenz
und die Blähungsneigung erhöhen können.
Bei Morbus Crohn ist durch viele klinische Studien erwiesen, dass Rauchen den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflusst. Zudem haben Raucher
ein höheres Basisrisiko, an einem Morbus Crohn zu erkranken als Nichtraucher. Auch kann der Bedarf an Medikamenten bei Morbus Crohn höher sein,
wenn das Rauchen nicht aufgegeben wird. Der komplexe Effekt von Tabakrauch auf eine CED dürfte sich aus mehreren Faktoren zusammensetzen, darunter Nikotin, Kohlenmonoxid sowie freie Radikale.
Beim Rauchverzicht ist auch das Schubrisiko reduziert. Damit mehren sich
bei Patienten mit Morbus Crohn viele Argumente, die neben dem schon bekannten erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Lungenkrebs dafür sprechen,
möglichst rasch mit dem Rauchen aufzuhören.
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aktiven Schüben hilfreich sein, den entzündeten Darm über eine künstliche
Empfehlungen und Tipps für den Alltag mit CED
37
Rauchentwöhnung kann sich insbesondere beim Morbus Crohn ähnlich effektiv
auswirken wie die Einnahme von Medikamenten. Ein genereller Rauchverzicht
empfiehlt sich auch aus anderweitigen gesundheitlichen Überlegungen.
Informieren Sie sich über verschiedene Wege der Raucherentwöhnung und finden Sie den für Sie am besten geeigneten Weg, auf möglichst lange Sicht Nicht-
█
35
Kann ich Sport treiben, um mich gesünder zu fühlen?
Regelmäßige sportliche Aktivitäten werden in der Ruhephase einer CED ausdrücklich empfohlen: Sie tragen nicht nur dazu bei, das gesundheitliche
Wohlbefinden zu verbessern, sondern auch das Osteoporoserisiko zu senken,
das bei CED‑Betroffenen höher ist als bei Menschen ohne CED.
Besprechen Sie auch mit Ihrem Hausarzt, welche Sportarten für Sie am ehesten
infrage kommen.
█
36
Ich möchte gern wieder verreisen – wie geht das am besten?
Natürlich sind Reisen und Urlaub auch bei einer CED möglich: Auch sind Reiseländer, in denen infektbedingte Durchfallerkrankungen häufiger auftreten,
kein generelles Tabu. Besprechen Sie mit Ihrem Hausarzt, welche Maßnahmen und Schutzempfehlungen zu beachten sind: z. B. Impfungen, Ernährungstipps, Ausstattung der Reiseapotheke, Notfallmedikamente sowie den
richtigen Transport Ihrer CED‑Medikamente unterwegs und ihre Aufbewahrung vor Ort.
Bei Fernreisen sind bei der Reiseplanung Ernährungsgewohnheiten vor
Ort zu bedenken, die mit dem eigenen Ernährungsprofil nicht immer gut zu
vereinbaren sind. Zudem sollten Sie sich bei Ländern mit mangelhaften Hygienestandards frühzeitig nach Hotels/Restaurants erkundigen, in denen Sie
keinen unnötigen Risiken ausgesetzt sind.
Achten Sie auch darauf, für unterwegs immer ausreichend Flüssigkeit in
abgepackten Flaschen dabei zu haben. Für die häufig geäußerte Sorge, unterwegs Toiletten nicht rechtzeitig genug vorzufinden, können Apps für das
Smartphone von Nutzen sein („Toilettenfinder“), da sie die Suche nach einer
Toilette vor Ort erleichtern können.
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
raucher zu bleiben. Lassen Sie sich durch Rückfälle nicht entmutigen!
38
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Zudem bietet der CBF‑Darmstadt e. V. für Deutschland bzw. im europä-
ischen Ausland den „Euro-Toilettenschlüssel“ an, der Betroffenen mit CED
nach Antragstellung ausgehändigt wird und Zugang zu mehr als 6000 Behindertentoiletten verschafft (Siehe auch unter „Nützliche Internetadressen“).
Unbedingt empfehlenswert ist vor Reiseantritt der Abschluss einer Reiserung mit Rücktransport, um im Notfall schnelle Hilfe oder auch einen schnellen Transport in ein heimatnahes Krankenhaus zu erhalten bzw. die Kosten
für eine Urlaubsreise bei Nichtantritt der Reise wegen Krankheit erstattet zu
bekommen.
Sprechen Sie sich im Vorfeld einer längeren Reise mit Ihrem Arzt auch für Notfallsituationen ab: ggfs. Zusammenstellen einer Notfall-Reiseapotheke vor Reisebeginn, Ausstellen eines Attests bei Flugreisen ins Ausland und Mitnahme von
Spritzen (subkutan zu verabreichenden Medikamenten), Absprache, welche
Schritte Sie bei Beschwerden im Urlaub unternehmen, wohin Sie sich im Notfall
wenden können bzw. wie Sie ihn im Notfall auch telefonisch erreichen. Denken
Sie rechtzeitig daran, sich Ihre Standardmedikamente in ausreichender Menge
verordnen zu lassen und etwaige Kontroll- oder Infusionstermine vor bzw. nach
Ihrem Urlaub einzuplanen.
Medikamente im Urlaub: Bei Flugreisen sollten Sie Ihre Medikamente möglichst im Handgepäck transportieren, damit Sie sie auf jeden Fall verfügbar haben, falls Ihr Koffer verloren geht. Erkundigen Sie sich im Falle von Injektionen
oder Pens bei der Fluggesellschaft, welche Vorkehrungen für die Mitnahme von
solchen Utensilien getroffen werden müssen. Die Mitnahme von Tabletten im
Handgepäck ist üblicherweise problemlos. Achten Sie auf eine etwaige gekühlte
Lagerung Ihrer Medikamente (z. B. Kühltasche, Minibar).
█
37
Was sollte ich bei Kinderwunsch beachten?
Sowohl bei Frauen als auch bei Männern mit einer CED ist die Verwirklichung
des Kinderwunschs grundsätzlich möglich. Die Fruchtbarkeit bzw. Zeugungsfähigkeit ist bei den meisten Betroffenen nicht herabgesetzt (in Remission
vergleichbar mit gesunden Personen). Allerdings können zurückliegende
größere Operationen oder Fisteln im Unterbauchbereich die Fruchtbarkeit
einschränken. Bei Männern kann die Einnahme von bestimmten Medikamenten einen Einfluss auf die Zeugungsfähigkeit haben.
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kosten-Rücktrittsversicherung sowie einer Auslands-Reisekrankenversiche-
Empfehlungen und Tipps für den Alltag mit CED
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Wichtig ist, frühzeitig über eine geplante Schwangerschaft mit Ihrem behandelnden Arzt zu sprechen. Bestimmte Medikamente (z. B. Methotrexat)
dürfen keinesfalls in der Schwangerschaft eingenommen werden und müssen vorher unbedingt abgesetzt werden.
Über den richtigen Zeitpunkt zum Absetzen bestimmter Medikamente,
forderlichen Untersuchungen vor einer geplanten Schwangerschaft sprechen
Sie am besten mit Ihrem behandelnden Gastroenterologen und Ihrem Frauenarzt. Da die Voraussetzungen für einen normalen Verlauf der Schwangerschaft in der Remissionsphase am günstigsten sind, sollten Sie die Frage nach
dem besten Zeitpunkt für die Empfängnis bzw. Entbindung vertrauensvoll
mit Ihrem Arzt absprechen. Zudem sollten Fragen zur weiteren Einnahme
der Medikamente und möglichen Risiken für Sie und das Kind in einem ausführlichen Aufklärungsgespräch geklärt werden. Setzen Sie in der Schwangerschaft keinesfalls selbstständig Medikamente ohne vorherige Rücksprache mit Ihrem behandelnden Gastroenterologen, ein schwerer Schub, der
Sie selbst und ihr ungeborenes Kind gefährdet, kann die Folge sein.
█
38
Sind Impfungen für mich gefährlich?
Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken (immunsuppressiv wirken) und zur Behandlung einer CED eingesetzt werden, können nicht nur
die Entzündungsaktivität im Darm, sondern auch die Immunabwehr gegen
Infektionserreger hemmen. Daher werden wichtige Impfungen nach Möglichkeit bereits im Vorfeld, vor Einleitung der immunsuppressiven Therapie,
durchgeführt. Dazu werden der Impfstatus überprüft und ausstehende Impfungen nachgeholt. Auch wird überprüft, ob eine versteckte, bislang unerkannte Infektion vorliegt, die unter einer immunsuppressiven Therapie ausbrechen könnte. Das Infektionsrisiko kann auch mit höherem Alter oder bei
Mangelernährungszuständen ansteigen.
Impfungen, die mit nicht lebenden Erregerbestandteilen vorgenommen werden
(Totimpfstoffe), gelten auch während einer immunsuppressiven Therapie als
sicher, wenn auch unter Umständen weniger effektiv als ohne immunsuppressive Therapie. Dagegen dürfen keine Lebendimpfstoffe unter einer immunsuppressiven Therapie eingesetzt werden.
Prinzipiell sollte der Impfschutz überprüft und gegebenenfalls aufgefrischt werden, bevor mit der immunsuppressiven Therapie begonnen wird.
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die in einer Schwangerschaft nicht eingenommen werden dürfen und die er-
40
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
█
39
Welche Unterstützung bieten Selbsthilfeorganisationen?
Selbsthilfegruppen ermöglichen den Kontakt zu anderen Betroffenen und
tausch sowie persönliche Gespräche. Viele Betroffene berichten, wie stark
sie vom gegenseitigen Zuspruch, der Ermutigung und neuen, hilfreichen Ansätzen, mit der eigenen Erkrankung besser umzugehen, profitiert haben.
Die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV e. V.) organisiert Fortbildungsveranstaltungen für Betroffene, ihre Angehörigen sowie Ärzte
und Pflegepersonal. Sie vermittelt auch den Kontakt zu örtlichen Selbsthilfegruppen, aber auch zu Ärzten, Pflegepersonal, Krankenhäusern und Rehabilitationszentren (Kurkliniken).
█
40
Muss ich meinen Arbeitgeber über meine Erkrankung
informieren?
Solange die Erkrankung nicht akut und die Krankheit die Arbeitsfähigkeit
und ‑leistung nicht beeinträchtigt oder gar den Betroffenen selbst und Kollegen bzw. das Arbeitsumfeld gefährdet, müssen Fragen nach einer Krankheit
oder einer Schwerbehinderung nicht beantwortet werden.
Lässt es das Betriebsklima zu und ist das Verhältnis zu den Kollegen so gut,
dass für den Betroffenen keine Nachteile entstehen, ist der Schritt, die Diagnose mitzuteilen, natürlich auch denkbar.
Für Mitglieder der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV
e. V.) bestehen Beratungs- und Hilfsangebote rund um potenzielle Fragen oder
Probleme mit Krankenkassen, Sozial- und Versorgungsämtern, Rentenversicherungsträgern oder Arbeitgebern.
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bieten eine Plattform zum gegenseitigen Erfahrungs- und Informationsaus-
41
Nützliche Infos & Checkliste
Wo kann ich mich im Internet informieren?
Nützliche Adressen
Online unter
Kompetenznetz Darmerkrankungen: u. a.
Informationen zur Arztsuche und Früherkennung
http://www.kompetenznetz-ced.
de/patienten-und-angehoerige.
html
Patientenleitlinie „Colitis ulcerosa:
Diagnostik und Therapie“ (Stand: 2011)
http://www.awmf.org/leitlinien/
patienteninformation.html
Deutsche S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie
des Morbus Crohn“ (Stand: 2014)
http://www.awmf.org/leitlinien/
detail/ll/021-004.html
CED‑Hilfe: Rat und Unterstützung/Selbsthilfe
http://www.ced-hilfe.de
Deutsche ILCO: Selbsthilfeorganisation für
Stomaträger und Menschen mit Darmkrebs
http://www.ilco.de
Euro-WC‑Schlüssel
http://www.cbf-da.de/
Deutsche Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Vereinigung (DCCV e.V)
http://www.dccv.de
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Tabelle 1
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Tabelle 2
Ihre Checkliste für die wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen.
Vorsorge
Wann
Darmkrebs
(CU, MC)
■
■
■
Bei wem
CU: einmal jährliche (mit Gewebeproben) spezialisierter Facharzt
Darmspiegelung ab Jahr 8 nach Erkranfür Gastroenterologie
kungsbeginn bei Befall des gesamten
Dickdarms; einmal jährliche Darmspiegelung ab Jahr 15 nach Erkrankungsbeginn
bei Beschränkung der Entzündung auf
Mastdarm, Sigma und linksseitigen
absteigenden Dickdarm
MC: Bei Morbus Crohn mit ausschließlichem Dickdarmbefall gelten dieselben
Untersuchungsintervalle wie bei der Colitis
ulcerosa. Bei chronisch aktivem Verlauf
und unter der Therapie mit Biologika sollten zur Therapiekontrolle ebenfalls regelmäßige Darmspiegelungen erfolgen.
MC und CU: Die oben genannten Empfehlungen gelten nicht generell und müssen
immer individuell an den jeweiligen
Patienten angepasst werden.
Augen
Kontrolle der Augen bei LangzeitKortisontherapie
Augenarzt
Hauttumoren
jährliche Kontrolle der Leberflecken
bei Therapie mit Biologika
z. B. Hautarzt
allgemeine
Vorsorge
Darm
Darmsonografie einmal jährlich zur
Kontrolle des Therapieerfolgs und zum
Erkennen möglicher Komplikationen
spezialisierter Facharzt
für Gastroenterologie
weitere
allgemeine
Vorsorge
Blutkontrollen: in Abhängigkeit von der
medikamentösen Therapie und vom
Verlauf in monatlichen oder vierteljährlichen Abständen
Hausarzt
Colitis ulcerosa (CU), Morbus Crohn (MC)
E-Paper F+A Arnim CED 2016 -Copyright Thieme 2016
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