CSR, CC und nachhaltiges Wirtschaften. Begriffe

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Professor Dr. Gerd Mutz
Juni 2015
CSR, CC und nachhaltiges Wirtschaften.
Begriffe, Abgrenzungen und Überschneidungen
1. Begriffliche Probleme
2. CSR auf den Begriff gebracht
3. CSR und Debatten zur nachhaltigen Entwicklung
4. Abgrenzung zu Corporate Citizenship
5. Die Figur des Corporate Citizen
Professor Dr. Gerd Mutz
Juni 2015
CSR, CC und nachhaltiges Wirtschaften.
Begriffe, Abgrenzungen und Überschneidungen
1. Begriffliche Probleme
Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC)
werden als Formen der gesellschaftlichen Verantwortung und des sozialen
Engagements diskutiert und in den letzten Jahren als Teil einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung gesehen: Die Grundidee ist, neben rein wirtschaftlichen Faktoren auch das soziale und ökologische Umfeld in das
wirtschaftliche bzw. unternehmerische Handeln mit einzubeziehen.
CSR und CC sind Ansätze, die zunächst von unternehmerischer Seite
initiiert wurden, und in der Anfangszeit weder von Politik noch von Zivilgesellschaft beeinflusst waren. Fragen zur gesellschaftlichen Verantwortung
der Wirtschaft und des sozialen Engagements von Unternehmen gehen
zurück auf zum Teil akademische Überlegungen zu Anfang des 20. Jh. in
den USA; daraus ist bis heute eine breite Diskussion in Workshops,
Konferenzen oder Tagungen entstanden, die inzwischen auch Politik und
Zivilgesellschaft einschließt. Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es auch in
anderen westlichen Industrieländern sowie in Australien und einigen Teilen
Asiens CSR-/ CC-Diskurse; in Deutschland hat die Diskussion um CSR und
CC erst Anfang der 1990er Jahre begonnen.
CSR- und CC-Prozesse haben also – global gesehen – eine enorme Dynamik entwickelt. Die nahezu weltweite Verbreitung hat aber auch dazu
geführt, dass das Verständnis von CSR und CC vielfältig und verschiedenartig geworden ist und kaum mehr der ursprünglichen Verwendung in den
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USA entspricht. Teilweise drängt sich der Eindruck einer babylonischen
Sprachverwirrung auf, die allerdings auch plausibel ist: CSR- und CC-Prozesse finden in einem gesellschaftlichen Raum statt und sind damit sowohl
historisch als auch kulturell geprägt – folglich muss das jeweilige regionale
oder nationale Verständnis variieren.
Dies gilt selbst unter den aktiven, praktizierenden Unternehmen, sowie in
der Politik und bei zivilgesellschaftlichen Akteuren. Dementsprechend ist
es für die wissenschaftliche Forschung schwierig, CSR- und CC-Entwicklungen in einer allgemeinen Form zu analysieren und zu bewerten.
Was für die Praxis nachvollziehbar ist, darf für die Wissenschaften nicht
gelten. Unabhängig davon, ob es sich um Wirtschafts- oder Sozialwissenschaften handelt, muss angestrebt werden, theoretisch tragfähige Definitionen zu entwickeln, die das empirische Feld (zumindest weitestgehend)
umspannen und wirtschaftliche und gesellschaftliche Debatten reflektieren. Solche Definitionen müssen nicht in allen Disziplinen gelten, sie sollten aber wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, d.h. in gewisser Weise
stringent und konsistent sein sowie eine Kommunikation sowohl mit der
Scientific Community als auch mit den Akteuren und der interessierten
Öffentlichkeit ermöglichen. Neben theoriegeleiteten wirtschaftswissenschaftlichen, wirtschaftssoziologischen und wirtschaftsethischen Analysen
sowie Überlegungen aus dem Bereich „alternativ“-ökonomischer Ansätze
sind dazu Forschungserfahrungen aus ausgewählten Ländern, konkrete
CSR- und CC-Praxen und CSR- und CC-Diskurse unterschiedlicher Akteure
aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft heranzuziehen.
2. CSR auf den Begriff gebracht
Die korrekte deutsche Übersetzung für Corporate Social Responsibility
lautet: gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Im Deutschen
hat der englische Begriff „social“ jedoch die Doppelbedeutung von gesellschaftlich und sozial – die letztgenannte Interpretation „social = sozial“
überwiegt in der Umgangssprache und somit wird CSR häufig mit „soziale
Verantwortung“ übersetzt. Dies hat in Deutschland nicht nur zu einer Reduktion der Verantwortungsproblematik auf das Soziale geführt, sondern
auch zu einem (nicht intendierten?) Missverständnis, nämlich dass es um
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eine Verantwortung für das Soziale außerhalb des Kerngeschäfts gehe,
also um das Engagement der Unternehmen (was üblicherweise als Corporate Citizenship bezeichnet wird, siehe unten). In weiten Teilen der
internationalen Diskussion hat sich jedoch die umfassendere korrekte Bedeutung durchgesetzt.
CSR ist aus einer analytischen Perspektive nun folgendermaßen zu definieren: Die Verantwortung von Unternehmen bezieht sich auf das unternehmerische Kerngeschäft; dazu gehören alle sozialen und ökologischen
Felder, die von den Wirtschaftsaktivitäten eines Unternehmens betroffen
sind. Dabei geht es einerseits um die Art und Weise, wie soziale und ökologische Ressourcen durch wirtschaftliches Handeln verwendet werden;
andererseits aber auch um soziale und ökologische Folgen wirtschaftlicher
Aktivitäten, also um die in den Wirtschaftswissenschaften so genannten
„externen Effekte“ wirtschaftlichen Handelns.
Corporate Social Responsibility im Bereich des Sozialen beruht auf der
Vorstellung, dass erfolgreiches wirtschaftliches Handeln eine stabile
soziale Infrastruktur voraussetzt. Die aktuelle Debatte um die soziale
Infrastruktur bezieht sich insbesondere auf Fragen des gesellschaftlichen
Zusammenhalts sowie auf partizipative Verfahren sozialer Gerechtigkeit
und das Sozialkapital einer Gesellschaft. Im ökologischen Bereich umfasst
CSR etwa die Einschränkung von Ressourcenverbrauch und Emissionen,
Kontrolle der Wertschöpfungs- und Zuliefererkette, Fair Trade und die
Verantwortung für die Produktbeschaffenheit und die Entsorgung der Nutzungsreste.
Zu der unternehmerischen Verantwortung gehört auch eine gewisse
Transparenz, die mit den gängigen CSR-Berichtserstattungen kaum
erreicht werden kann. Wichtiger sind partizipative Verfahren der Konsultation und Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, wie beispielsweise Non Governmental (NGOs) und Non Profit Organisationen (NPOs).
Das Berichtswesen ist in den letzten Jahren teils verpflichtend geworden,
es ist insbesondere auch (durch den Einsatz von spezialisierten Agenturen) professionalisiert worden. Die Folge ist, dass bis auf wenige Ausnahmen im mittelständischen Bereich kaum selbstkritische Berichte zu finden
sind – wenn die Inhalte der Berichte stimmen würden, hätten wir in
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Deutschland kaum noch eine ökologische Belastung oder Nutzungsschäden, dann gäbe es keine Kinderarbeit in Indien, keine gesundheitsgefährdenden Produkte und alle Nutzungsreste wären entsorgt worden. Deshalb
kann eine wirkliche Transparenz nur dann geschaffen werden, wenn bspw.
die Kontrolle der Wertschöpfungskette unabhängigen Fachleuten aus dem
zivilgesellschaftlichen Bereich übertragen wird.
3. CSR und Debatten zur nachhaltigen Entwicklung
Erst in den letzten Jahren werden soziale und Umwelt bezogene Dimensionen der Verantwortung von Unternehmen mit den Begriffen nachhaltiges
Wirtschaften und nachhaltige Unternehmensführung verknüpft. In den
meisten Diskussionen fungieren nachhaltiges Wirtschaften oder nachhaltige Unternehmensführung als neue „Oberbegriffe“ und Corporate Social
Responsibility wird dem Prinzip der Nachhaltigkeit untergeordnet – die
Verantwortung von Unternehmen wäre demnach eine Dimension nachhaltigen Wirtschaftens und nachhaltiger Unternehmensführung. Während
CSR-Diskurse und -Praxen in den USA ihren Ursprung haben, entstammt
der Begriff Nachhaltigkeit dem Deutschen (von Carlowitz 1713); er wurde
1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten
Nationen („Brundtland-Bericht“) wieder aufgegriffen und hat sich damit
internationalisiert.
Diese Subsumtion von CSR unter die Nachhaltigkeitsthemen hatte einerseits zunächst pragmatische Gründe: Die lange Zeit zu eng auf Umweltthemen beschränkte Nachhaltigkeitsdebatte und auch die Diskussionen
wirtschaftsethischer Art drohten Ende der 1990er Jahre zu verebben oder
an Relevanz zu verlieren, während das Thema CSR weltweit im Aufwind
war. Nachhaltigkeitsakteure und Wirtschaftsethiker versuchten dies
abzuwehren, indem sie behaupteten, dass das Verantwortungsthema
schon immer Bestandteil des ökologischen Diskurses und Teil der Wirtschaftsethik gewesen sei und deshalb nichts Neues darstelle und nur eine
vorübergehende Mode sei.
Die Integration des Verantwortungsthemas in die Nachhaltigkeitsdebatte
führte dann aber zu einer substanzielleren Fassung dessen, was man
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unter dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung verstehen wollte – es fand
also eine Erweiterung und Präzisierung der Nachhaltigkeitsdebatte statt.
So wird inzwischen nachhaltige Entwicklung nicht mehr nur als ein ökologisches Prinzip gesehen, es werden vielmehr auch Dimensionen wie etwa
Kooperation, Vertrauen und eben auch Verantwortung diskutiert.
Es ergibt aus einer analytischen Perspektive durchaus Sinn, nachhaltige
Entwicklung und hier insbesondere nachhaltiges Wirtschaften als die
umfassendere Leitidee zu konzipieren und dieser Denkfigur das Verantwortungsthema unterzuordnen. Dies wäre zugleich ein radikaler Ansatz,
denn es würde erlauben, die kapitalistische, Markt bezogene Weise wirtschaftlichen Handelns kritisch zu hinterfragen und Alternativen nachhaltigen Wirtschaftens in den Blick zu nehmen. Verantwortung würde in einem
solchen Rahmen einen ebensolchen großen Stellenwert haben andere
Bereiche nachhaltiger Entwicklung. Deshalb wird hier vorgeschlagen,
explizit beide Dimensionen zu benennen, also von „verantwortlichem und
nachhaltigem Wirtschaften“ sprechen.
4. Abgrenzung zu Corporate Citizenship
Der Begriff Corporate Citizenship (CC) beruht auf der Idee des Good
Citizen. Corporate Citizenship bezieht sich nicht auf das Kerngeschäft,
sondern auf die Außenbeziehungen des Unternehmens, also auf das
soziale, kulturelle oder ökologische Umfeld. Es geht um Aktivitäten, die
außerhalb des Kerngeschäfts liegen, und die man präziser im Deutschen
als unternehmerisches bürgerschaftliches Engagement bezeichnet (so
etwa von der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages „Zukunft
des Bürgerschaftlichen Engagements“ vorgeschlagen): Es geht nämlich
um das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen bzw. der
Beschäftigten von Unternehmen.
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Eine weithin geteilte Definition lautet etwa: Corporate Citizenship bezeichnet das
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

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freiwillige,
gemeinnützige,
selbstbestimmte,
regelmäßige und
systematische
Engagement öffentlicher und privatwirtschaftlicher Unternehmen, das
„über den engen Unternehmenszweck hinausgeht, aber … in Bezug zur
Unternehmenstätigkeit steht“ (Judith Polterauer).
Mit dieser Verwendung des Begriffs wird – auf Deutschland bezogen – kein
grundlegend neues gesellschaftliches Phänomen benannt. Zumindest
Spenden, Sponsoring und Unternehmensstiftungen hat es als praktizierte
Wohltätigkeit immer schon gegeben. Allerdings sind aus den USA neue
Formen des unternehmerischen Engagements hinzugekommen – etwa
Corporate Volunteering und Corporate Partnerships –, die es zu berücksichtigen gilt und die inzwischen auch in Deutschland Praxis geworden
sind. Außerdem waren bisherige unternehmerische Aktivitäten im gesellschaftlichen Umfeld überwiegend philanthropisch motiviert und wenig
systematisiert. Heute wird gefordert, das bürgerschaftliche Engagement
von Unternehmen als eine systematische Aufgabe zu betrachten und
bspw. in eine unternehmerische Leitidee zu integrieren.
5. Die Figur des Corporate Citizen
Corporate Citizenship (und teilweise auch CSR) basiert auf der angelsächsischen Vorstellung von Unternehmen als Corporate Citizen, die wie einzelne Staatsbürger als Teil der Gesellschaft nicht nur mit Rechten ausgestattet sind, sondern auch Pflichten haben. Somit folgt man in den USA
einer bürgerschaftlichen Idee, die mit dem Anspruch verbunden ist, dass
sich Unternehmen als "Good Citizen" verhalten.
So formulierte nach CSRQuest (www.csrquest.net) J. M. Clark bspw.
bereits 1916 im Journal of Political Economy :"if men are responsible for
the known results of their actions, business responsibilities must include
the known results of business dealings, whether these have been recog7
nised by law or not"; und Peter Drucker argumentierte 1942, dass die
soziale Dimension ebenso zu berücksichtigen sei wie ökonomische Ziele;
Howard Bowen meinte 1953, dass die Werte der Gesellschaft in die Unternehmenstätigkeiten zu integrieren seien.
Charakteristisch für unternehmerische Aktivitäten in den USA ist, dieses
Bürgerverständnis mit einem geldwerten Nutzen zu verknüpfen: Im angelsächsischen Verständnis sind Unternehmen gerade dann gute Bürger,
wenn sie philanthropische Motive verfolgen und zugleich strategisch und
zu ihrem eigenen wirtschaftlichen Vorteil handeln und erfolgreich sind. So
argumentiert David Vogel 2005, dass CSR eine ebensolche strategische
Angelegenheit sei wie der Umgang mit anderen unternehmerischen Risiken. Der Anspruch ist vielfach, dass nach allen Seiten hin – wirtschaftlich,
sozial und ökologisch – eine Win-Win-Situation entsteht.
Es ist hier nicht weiter auszuführen, dass es sich freilich um hohe zivilgesellschaftliche Ansprüche handelt, die bekanntlich nicht für alle Unternehmen in den USA oder in UK und nicht in allen Bereichen gelten. Die
Figur des guten Bürgers darf also nicht überinterpretiert werden. Die Rede
vom Corporate Citizen verwischt nur allzu häufig die dennoch herrschenden Machtstrukturen. Ohne kritische Beobachtung von NGOs, wie Verbraucher-, Menschenrechts- oder Umweltorganisationen und Gewerkschaften, die auf menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und umweltschädliche Produktion in der Öffentlichkeit aufmerksam machen, wären all
diese CSR- oder CC-Prozesse in den USA nicht denkbar gewesen. Auch
amerikanische Unternehmen sind keine „Gutmenschen“, sondern wirtschaftlich und strategisch denkende Akteure, die versuchen, Risiken zu
vermeiden. CSR und CC sind deshalb auch in den USA in erster Linie eine
Form des Risk Management: Es gilt, durch derartige Programme den
Anschein zu vermeiden, kein guter Bürger zu sein oder nicht „unangenehm“ aufzufallen.
Wenn dennoch häufig die Rede davon ist, dass die USA uns im Hinblick
auf CSR und CC voraus seien, so bezieht sich das eher auf die Debatten,
die erstens in den USA sehr viel früher eingesetzt haben und die zweitens
sehr viel substanzieller als in Deutschland (oder Europa) geführt wurden –
die gesellschaftlichen und vor allem wissenschaftlichen Diskurse sind also
älter und tiefgreifender sowie thematisch umfassender.
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Das jeweilige Verständnis von unternehmerischem Engagement ist gesellschaftlich und kulturell geprägt, weshalb sich die Figur des Corporate
Citizen nur schwer in andere Länder – sei es nun Europa oder Schwellenund Entwicklungsländer – transportieren lässt.
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