Die Landkarte im Kopf Raumkognition bei Menschen, Tieren und Maschinen Hanspeter A. Mallot Kognitive Neurowissenschaft Fakultät für Biologie Eberhard-Karls-Universität Tübingen Übersicht: Ein Raum – Viele Wahrnehmungen Mathematischer Raum: R2, R3 Raum in Wahrnehmung und Kognition Zweidimensionaler Bildraum Dreidimensionaler Sehraum Navigationsraum M.C. Escher Fakultät für Biologie, University of Tübingen Übersicht: Ein Raum – Viele Wahrnehmungen Mathematischer Raum: R2, R3 Raum in Wahrnehmung und Kognition Zweidimensionaler Bildraum Dreidimensionaler Sehraum Navigationsraum Ernst Mach Fakultät für Biologie, University of Tübingen 2D Bildraum Geometrische Illusionen Shepards Tisch-Illusion Æ Distanzen sind nicht wohldefiniert Fakultät für Biologie, University of Tübingen 2D Bildraum: Regionen 10% 25% Lerne Landkarten mit drei Städten in einem oder in zwei Ländern. Beantworte aus dem Gedächtnis 40% 50% Liegt X westlich oder östlich von y ? Liegt x südlich oder nördlich von y ? Bedingungen übereinstimmend: Lagebeziehungen der Länder = die der Städte widersprüchlich: Lagebeziehungen der Länder ≠ die der Städte homogen: nur ein Land Fehlerrate ist in der widersprüchlichen Situation erhöht Æ Übergeordnete Regionen beeinflussen Positionswahrnehmung 15% 15% Stevens & Coupe, Cogn. Psychol. 1978 Fakultät für Biologie, University of Tübingen 2D Bildraum Optische Verzerrungen Ivo Kohler 1915-1985 Filmausschnitt Ivo Kohler 1950 (Inst. für den wissenschaftl. Film Göttingen) Æ Bildraum kann Brüche und Unstetigkeiten aufweisen. Fakultät für Biologie, University of Tübingen Übersicht: Ein Raum – Viele Wahrnehmungen Mathematischer Raum: R3 Raum in Wahrnehmung und Kognition Zweidimensionaler Bildraum Dreidimensionaler Sehraum Navigationsraum Ernst Mach Fakultät für Biologie, University of Tübingen Ferngesteuerter Zeiger 3D Sehraum: Gekrümmte Geometrie Ziel Æ Geometrie des Sehraumes ist nicht-Euclidisch Fernbedienung Exozentrische Zeigeaufgabe Geodätische Linien sind gekrümmt Koenderink, van Doorn, Lappin. Perception 2000 Nahbereich: Elliptisch (positive Krümmung) Fernbereich: Hyperbolisch (negative Krümmung) Objekte verzerren die Geometrie zusätzlich Fakultät für Biologie, University of Tübingen 3D Sehraum: Perspektivwechsel Virtuelle Umgebung mit drei Fotografen (A, B, C) Drei Schnappschüsse aus dieser Umgebung Welcher Fotograf macht welches Foto? Hegarty M, Waller D (2004) Intelligence 32:175-191 Æ 3D Koordinatentransformationen sind möglich. Fakultät für Biologie, University of Tübingen 3D Sehraum: Koordinatensysteme Versuchperson beobachtet, wie der Versuchsleiter eine Belohnung unter einem Becher an Tisch 1 versteckt. VP geht zu Tisch 2 und soll unter dem "entsprechenden" Becher nachsehen 3 Bedingungen in Blocks egozentrisch objektzentriert geozentrisch Niederländische Kinder und Erwachsene lernen die egozentrische Regel besser, Sprecher der Hai||om-Sprache (Nord Namibia) lernen die geozentrische Regel. Das Ergebnis entspricht dem Æ Sehraum enthält ausgezeichnete Gebrauch von Referenzsystemen in den beiden Sprachen. Koordinatensysteme. Haun et al., Proc. Natl. Acad. Sci 103:17568, 2006 Fakultät für Biologie, University of Tübingen 3D Sehraum: Eigenbewegungswahrnehmung Æ Eigenbewegungsschätzung; diachroner Aufbau des Sehraums. Hardiess, Gillner, Mallot Journal of Vision 2007 Gleichseitiger Gesichtsfeldausfall in beiden Augen. Patient zeigt kompensatorische Augenbewegungen. Fakultät für Biologie, University of Tübingen Übersicht: Ein Raum – Viele Wahrnehmungen Mathematischer Raum: R3 Raum in Wahrnehmung und Kognition Retinaler Bildraum Dreidimensionaler Sehraum Navigationsraum Gerhard Mercator 1595 Fakultät für Biologie, University of Tübingen Navigationsraum: Wegintegration Uca vomeris J. Zeil, ANU, Canberra ACT Cataglyphis fortis Æ Vektorielle R. Wehner, J. Comp. Physiol. Positionsdifferenz 2003 zweier Orte kann aus Eigenbewegung bestimmt werden. Fakultät für Biologie, University of Tübingen Wegintegration rekrutiert den rechten Hippocampus • Geführte Bewegung über zwei Schenkel eines Dreiecks mit variablem Winkel und Weglänge • Verhaltensaufgabe: Zeige vom Ende zurück auf Startpunkt Volumenelemente, in denen die neuronale Aktivität mit der Zeigegenauigkeit korreliert, Verhaltensleistung Wolbers T, Wiener JM, Mallot HA, Büchel C. J Neurosci 27:9408 (2007) Fakultät für Biologie, University of Tübingen 3D Sehraum: Visuelle Zielführung Philanthus triangulum mit Apis melifica http://www.rutkies.de/ Tinbergen & Kruyf, Z. vergl. Physiol. 1938 Æ Ortsgedächtnis enthält diskrete Orte; der Navigationsraum ist also kein Kontinuum Durier V, Graham P, Collett TS. Current Biology 2003 Formica sp. Fakultät für Biologie, University of Tübingen Navigationsraum: Visuelle Zielführung für Roboter Sahabot 2 Möller R, Lambrinos D, Rogendorf T, Pfeifer R, Wehner R, AAAI 1998 Fakultät für Biologie, University of Tübingen www.tuebingen.com/rundg/index.html Routen sind Ketten aus Reiz-Reaktions Paaren Fakultät für Biologie, University of Tübingen Navigationsraum: Routen als Reiz-Reaktions-Ketten UB Wilhelmstraße Alter Botanischer Garten gehe links ! gehe rechts ! Museum Museum Österberg Bahnhof Fakultät für Biologie, University of Tübingen Navigationsraum: Routen als Reiz-Reaktions-Ketten UB Wilhelmstraße Alter Botanischer Garten Museum Museum Österberg Bahnhof Fakultät für Biologie, University of Tübingen Navigationsraum: Routen als Reiz-Reaktions-Ketten UB Wilhelmstraße Alter Botanischer Garten Æ Diskrete Orte werden zu Ketten oder Netzen (Graphen) verbunden. Museum Zum Botanischen Garten gehe links. Österberg Zur Universitätsbibliothek gehe rechts. Deklaratives Gedächtnis (wenn – dann Aussagen) Bahnhof "Kognitive Karte" Fakultät für Biologie, University of Tübingen Navigationsraum: Routen vs. Karten Kartenaufgabe: finde verschiedene Ziele Routenaufgabe: folge langem Weg Perirhinaler Kortex + Hippocampus Æ Dem Routen und Kartenwissen entsprechen jeweils verschiedene Netzwerke im Gehirn. Nucleus caudatus (Basalganglien) Hartley T, Maguire EA, Spiers HJ, Burgess N (2003) Neuron 37:877-888 Fakultät für Biologie, University of Tübingen Navigationsraum: Regionen und Routenplanung Wiener & Mallot, Spatial Cognition and Computation 2003 Fakultät für Biologie, University of Tübingen Navigationsraum: Hierarchisches Graphenmodell für Routenplaung Æ Kognitive Karte repräsentiert Regionen, z.B. als hierarchischer Graph. Wiener & Mallot. Spatial Cognition and Computation 2003 Fakultät für Biologie, University of Tübingen Skalierbares Modell des Ortsgedächtnisses stereotyp Wegintegration Ortserkennung Kompassleistungen Routen (Assoziiere Orte mit Motorroutinen oder Suchaufgaben) turn left, 120° walk 2 km _______________________ kognitiv Topologische Navigation: Netzwerke von Orten und Übergängen Abstände und Winkel Routenplanung Kommunikation über Raum (x2,y2,) (x1,y1) Fakultät für Biologie, University of Tübingen Domänenspezifische und explizite Kognition Soziale Kognitiont Objekte und Kausalität Visuelle Kognition Raumkognition Sprache / explizite Kognition Reiz-Reaktions-Schemata Assoziatives Lernen Fakultät für Biologie, University of Tübingen Zusammenfassung Mathematischer Raum 3D Sehraum • kontinuierlich • verzerrt (nichtEuclidisch) • metrisch / Euclidisch • Koordinatensysteme • homogen 2D Bildraum Navigationsraum • verzerrt durch Tiefeninterpretation • lokal metrisch (Wegintegration) • verzerrt durch Regionenzugehörigkeit • diskret (Orte) • unstetig (Bildaufrichtung) • Regionen • Graphenstruktur Fakultät für Biologie, University of Tübingen Karte von Bedolina (Valcamonica, Italien) ca. 1500 v.Chr W. Blumer, Imago Mundi 1964 Fakultät für Biologie, University of Tübingen