Laborgemeinschaft Institut für medizinische & molekulare Diagnostik AG. Zürich Info Herpes simplex Virus HSV 1. Bedeutung Die geläufigen klinischen Symptome der (rezidivierenden) Herpes simplex Virus (HSV) Infektionen wurden vor Jahrtausenden beschrieben. Von HSV sind zwei biologisch und antigenetisch verschiedene Typen bekannt: HSV1 und HSV2. Beide Typen infizieren Epithelzellen von Schleimhaut und lädierter Haut, wobei HSV1 in Regionen oberhalb und HSV2 unterhalb der Gürtellinie prädominiert. Im Verlauf der Primärinfektion erreichen die Viren retrograd via Axon Neuralganglien und verbleiben lebenslang latent im Wirtsorganismus. Diese Eigenschaft ist allen Mitgliedern der Familie Herpesviridae, also auch EBV, CMV, VZV und HHV, gemeinsam. Bei einer Minderheit der primär mit HSV infizierten Personen kommt es zu rezidivierenden Reaktivierungen des Virus. Die Übertragung erfolgt durch Schmierinfektion. Die Erstinfektion mit HSV1 findet meist im frühen Kindesalter statt, diejenige mit HSV2 im allgemeinen in der Adoleszenz durch sexuellen Kontakt. Sie verläuft grösstenteils unbemerkt. Wenn sie Symptome verursacht, so äussert sie sich auf den Schleimhäuten an der Eintrittspforte als Gingivostomatitis, Vulvovaginitis oder Balanitis mit schmerzhaften, ausgedehnten, vesikulösen Läsionen und/oder Ulzerationen, begleitet von Fieber und mit Beteiligung der regionären Lymphknoten (submandibulär, inguinal). Die Primärinfektion am Auge, die Keratoconjunctivitis herpetica, ist nach den oralen und genitalen die dritthäufigste. Sie kann, wie auch die rezidivierenden Infektionen der Hornhaut (Herpes corneae), bleibende Schädigungen der Cornea mit Beeinträchtigung des Sehvermögens hinterlassen. Primärinfekte der Haut sind an beliebigen Körperstellen lokalisiert. Die schwerste Form einer HSV Primärinfektion ist die Enzephalitis, die ohne rasche, spezifische Therapie eine hohe Letalität hat [1,2]. Allerdings sind seit der Verwendung hochempfindlicher Methoden zum HSV DNA-Nachweis auch mildere Verlaufsformen beobachtet worden [3]. Weitere ZNS Affektionen, die sowohl bei primärer als auch bei reaktivierter Infektion vorkommen, sind aseptische Meningitis (auch chronisch rezidivierend = Mollaret Syndrom), Radikulitis und Myelitis. Gefürchtet sind Infektionen beim Neugeborenen (Herpes neonatorum), die zu 85% bei der Passage durch den Geburtskanal erfolgen, sowie bei primär oder sekundär immunkompromittierten Patienten, bei welchen sie zu bedrohlichen Erkrankungen führen können. Präventiv werden Mütter mit genitaler HSV Infektion durch Kaiserschnitt entbunden. Allerdings ist bei etwa 70%(!) der Schwangeren die genitale Infektion unerkannt [4,5[. Herpes labialis und Herpes genitalis sind die weitaus häufigsten Manifestationen der reaktivierten Infektion. Bei klassischer Anamnese, typischen Symptomen und Lokalisationen sowie beim Vorliegen charakteristischer Effloreszenzen wird die Labordiagnose kaum benötigt. Dennoch ist erfahrungsgemäss die klinische Präsentation auch für geübte Augen oft mehrdeutig und bedarf des Erregernachweises. WebSite www.lg1.ch Literatur All Content Copyright© LG1 Oktober 2002 1 2. Nachweismethoden Der klassische Nachweis von HSV erfolgt mit der Kultur, die i.a. innert 1-4 Tagen ein Resultat ergibt, falls der Virusgehalt der Probe genügend hoch ist. Im Liquor, aber auch in Genitalabstrichen von oligo- und asymptomatisch Infizierten und bei in Abheilung begriffenen Haut- oder Schleimhautläsionen ist dies oft nicht der Fall [1,2]. Die gleiche Anforderung gilt auch für direkte Methoden des Virus- oder Antigennachweises wie die Elektronen- bzw. die Immunfluoreszenzmikroskopie, deren Empfindlichkeit nur bei zellreichen Abstrichen von typischen, mukokutanen Läsionen zufriedenstellt. Die Serologie ist wegen des hohen Durchseuchungsgrades der Bevölkerung (>80%) diagnostisch nicht verwertbar. Auf Titeranstiege ist ebenfalls kein Verlass, da die Antikörperantwort unspezifisch stimuliert werden kann, etwa durch körperliche Anstrengung, Kortisontherapie, Schwangerschaft etc. Die Serologie kann bestenfalls zur Identifikation von seronegativen Personen in Risikosituationen (z.B. Schwangere, Organempfänger) eingesetzt werden oder für die Diagnose der sehr selten klinisch manifesten Primärinfektion durch Nachweis einer Serokonversion. Die PCR hat den Goldstandard Kultur überholt. Sie ist deutlich empfindlicher, erfasst bis zu 30% mehr Fälle und ist zudem unabhängig von aufwendigem Transport der Probe in speziellen Medien [5,6,7]. Für ZNS Infektionen ist sie inzwischen unverzichtbar [8]. Durch Hybridisierung des Amplifikats ist die Unterscheidung zwischen HSV1 und HSV2 auf einfache Art möglich. Falls eine Therapie bei rezidivierendem Herpes in Betracht gezogen wird, muss vorgängig die Diagnose gesichert werden. 3. Therapie Aciclovir ist erste Wahl. Für genitale Infektionen kommen alternativ Famciclovir und Valaciclovir in Betracht. Für okuläre Infektionen sind Trifluridin-Tropfen empfohlen [9]. 4. Untersuchungsmaterialien Folgende Materialien sind für eine Untersuchung auf Herpes simplex Virus geeignet: Liquor Augenabstrich Urethral- oder Zervikalabstrich Bläscheninhalt Abstrich von Erosion oder Ulzeration Biopsiemateria Literatur [1] A.C. Minson. Alphaherpesviruses: Herpes simplex and Varicella-zoster, p. 325-338., Vol. 1. In: Topley & Wilson’s Microbiology and Microbial Infections, 9th edition. L. Collier, A. Balows, M. Sussmann (ed.). Arnold, London 1998. [2] R.J. Whitley, D.W. Kimberlin, B. Roizman. Herpes simplex viruses. State-of-the-art clinical article. Clin. Infect. Dis. 1998, 26:541-555. [3] R.B. Domingues, A.M.C. Tsanaclis, C.S. Pannuti, M.S.Mayo, F.D. Lakeman. Evaluation of the range of clinical presentations of herpes simplex encephalitis by using polymerase chain reaction assay of cerebrospinal fluid samples. Clin. Infect. Dis. 1997, 25:86-91. [4] G. Enders. Viral infections of the fetus and neonate, other than rubella, p. 873-915, Vol. 1. In: Topley & Wilson’s Microbiology and Microbial Infections, 9th edition. L. Collier, A. Balows, M. Sussmann (ed.). Arnold, London 1998. [5] R.W. Cone, A.C. Hobson, Z. Brown, R. Ashley, S. Berry, C. Winter, L. Corey. Frequent detection of genital herpes simplex virus DNA by polymerase chain reaction among pregnant women. JAMA 1994, 272:792-796. [6] H. Kimura, M. Shibata, K. Kuzushima, Y. Nishiyama, T. Morishima. Detection and direct typing of herpes simplex virus by polymerase chain reaction. Med. Microbiol. Immunol. 1990, 179:177-184. [7] K.A. Orle, C.A. Gates, D.H. Martin, B.A. Body, J.B. Weiss. Simultaneous PCR detection of Haemophilus ducreyi, Treponema pallidum, and herpes simplex virus types 1 and 2 from genital ulcers. J. Clin. Microbiol. 1996, 34:4954. [8] P.E. Klapper, G.M. Cleator. European guidelines for diagnosis and management of patients with suspected herpes simplex encephalitis. Clin. Microbiol. Infect. 1998, 4:178-180. [9] D.N. Gilbert, R.C. Moellering Jr., M.A. Sande. The Sanford guide to antimicrobial therapy. Antimicrobial Therapy Inc., Hyde Park, USA, 2001 WebSite www.lg1.ch Literatur All Content Copyright© LG1 Oktober 2002 2