Antrag LANDTAG RHEINLAND

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LANDTAG RHEINLAND-PFALZ
14. W a h l p e r i o d e
Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umfassenden Embryonenschutz sichern –
Geeignete Alternativen zur embryonalen Stammzellenforschung in der
Humangenetik nutzen
Der Landtag stellt fest:
1. Derzeit findet ein intensiver Diskurs über ethische Fragestellungen statt, die aus
neuen Forschungsergebnissen im Bereich der Bio- und Gentechnologien resultieren. Insbesondere die Auseinandersetzung über die Forschung an Embryonen
und mit humanen Stammzellen beschäftigt nicht nur den Deutschen Bundestag,
sondern auch den rheinland-pfälzischen Landtag. In diesem thematischen Zusammenhang wurde im Oktober vergangenen Jahres ein öffentliches Symposium
zu aktuellen Fragen der Bioethik durch den Landtag ausgerichtet.
2. Gerade die neuen Erkenntnisse über das menschliche Erbgut und die sich daraus
eröffnenden diagnostischen und möglicherweise therapeutischen Entwicklungschancen stellen Politik und Gesellschaft vor eine schwierige Aufgabe. Es sind Entscheidungen über Forschungswege zu treffen, die die Menschenwürde von Embryonen achtet, zugleich aber Heilungserwartungen von Menschen mit schweren
Erkrankungen gerecht werden und die Ansprüche behinderter und kranker Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben sichern.
3. Mit abgeschlossener Befruchtung entsteht menschliches Leben. Deshalb kommt
dem menschlichen Embryo vom Anfang seiner Entwicklung an der Schutz der
menschlichen Würde zu. Er ist Träger des Rechtes auf Leben, Art. 2 Abs. 2 GG.
Die Menschenwürde ist beim Umgang mit Embryonen zu wahren, Art. 1 Abs. 1
GG.
Die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen, bei der menschliches Leben
vernichtet wird, ist ethisch nicht verantwortbar.
4. Der Landtag von Rheinland-Pfalz spricht sich in Übereinstimmung mit der Enquetekommission des Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin“ entschieden gegen die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen, bei der menschliches Leben vernichtet wird, aus. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass
die Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken verhindert werden soll. Der
rheinland-pfälzische Landtag begrüßt, dass sich die Kommission klar gegen den
Import von menschlichen embryonalen Stammzellen ausgesprochen hat.
Die Enquetekommission des Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin“ hat mit ihrer Würdigung der ethischen, rechtlichen, medizinischen und naturwissenschaftlichen Argumente eine umfassende Grundlage für eine verantwortliche Entscheidung vorgelegt.
5. Die Frage des Imports humaner menschlicher Stammzellen ist nach Ansicht des
rheinland-pfälzischen Landtags nicht isoliert vom Gesamtzusammenhang der
Stammzellenforschung und der Thematik des so genannten therapeutischen
Klonens zu betrachten. Grundlegende Kritik an der Forschung mit embryonalen
Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 24. Januar 2002
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23. 01. 2002
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Stammzellen und Zweifel an der Notwendigkeit dieser Arbeiten kommen gerade
auch aus der Forschergemeinschaft selbst. Trotz aller scheinbaren Euphorie über
Ergebnisse und therapeutischen Nutzen ist nicht geklärt, wie sich die embryonalen Zellen während des Wachstums in fremdem Gewebe verhalten. Forschungsergebnisse über adulte Stammzellen berechtigen dagegen zu Hoffnungen. Argumentationen und die Praxis in anderen Staaten zeigen, dass bei Zulassung der Forschung an embryonalen Stammzellen die Gefahr besteht, auch den Schritt zum so
genannten therapeutischen Klonen zu vollziehen, sollte sich bei Arbeiten an
embryonalen Stammzellen ein therapeutischer Nutzen nur vage abzeichnen.
Angesichts der in der Stammzellenforschung noch offenen Fragen bezüglich der
Geeignetheit, der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen und dem therapeutischen Nutzen sind die
ethisch weniger problematischen Mittel – wie die Forschung an adulten Stammzellen, aus Nabelschnurblut, aus embryonalen Keimzellen (EG-Zellen) von Föten
nach induziertem oder spontanem Abort oder tierischen Zellen – vorzuziehen.
6. Kriterien wie die Förderung des Forschungsstandortes Deutschland oder das Verfolgen ökonomischer Ziele sind hinter der Schutzwürdigkeit des menschlichen
Embryos einerseits und den hochrangigen Zielen von Therapie und Forschung
deutlich nachrangig zu betrachten.
Der Landtag Rheinland-Pfalz spricht sich
– für die Beibehaltung des hohen Schutzniveaus des Embryonenschutzgesetzes vom
13. Dezember 1990 aus, das die künstliche Befruchtung einer Eizelle und die Erzeugung eines Embryos in vitro nur zum Zweck der Herbeiführung einer
Schwangerschaft erlaubt. Damit soll weiterhin die Forschung an Embryonen,
einschließlich der Abgabe und des Imports von Embryonen zu Forschungszwecken sowie ihre Verwendung zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen
verboten bleiben;
– in Würdigung aller Argumente gegen den Import von menschlichen embryonalen Stammzellen aus. Er fordert den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung
und die Landesregierung auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Import
von menschlichen embryonalen Stammzellen zu verhindern;
– für Beibehaltung des strikten Verbotes des therapeutischen Klonens aus.
Der Landtag Rheinland-Pfalz fordert die Landesregierung auf,
– die Forschungsförderung aus öffentlichen Mitteln für private wie für öffentliche
Antragsteller im Bereich der Stammzellenforschung auf die Forschung an Stammzellen, die nicht durch den Verbrauch von Embryonen entstanden sind wie adulte
Stammzellen, neonatale oder EG-Zellen, zu begrenzen,
– mit den Hochschulen, Forschungsinstituten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Land eine gemeinsame Initiative zu starten, um der breiten, interessierten Öffentlichkeit einen tieferen Einblick und Verstehen in die ethischen
und gesellschaftlichen Implikationen der biotechnologischen Forschung zu geben
und eine vertiefte gesellschaftliche Diskussion anzustoßen.
Begründung:
Die Frage, ob der Import und die Forschung an embryonalen Stammzellen (ES) in
Deutschland ethisch vertretbar sind und inwieweit ein Verbot des Imports und der
Forschung an embryonalen Stammzellen zulässig ist, wird derzeit in Politik und
Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) liegt ein Antrag auf Förderung der Forschung mit zu importierenden humanen embryonalen Stammzellen vor. Die DFG hat im Mai vergangenen Jahres eine
Stellungnahme verfasst, die Forschung an embryonalen Stammzellen unter Grenzziehungen befürwortet.
Im Jahre 1998 ist es weltweit erstmals gelungen, humane embryonale Stammzellen
herzustellen und in Zellkultur zu erhalten. Seitdem ist die Stammzellenforschung zu-
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nehmend Gegenstand der Debatte in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit geworden. Nehmen doch Teile der Wissenschaft an, dass die Forschung an embryonalen
Stammzellen den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und die Entwicklung neuer
Therapiemöglichkeiten eröffnen. Das angenommene entwicklungsbiologische
Potenzial der embryonalen Stammzellen (ES) lässt die Hoffnung aufkommen, dass
bisher unheilbare Krankheiten durch Transplantation humaner Stammzellen oder
daraus gewonnenem Gewebe behandelt werden können – insbesondere Erkrankungen
des Nervensystems.
Die Forschung an embryonalen Stammzellen befindet sich im Stadium der Grundlagenforschung, bei der man erwartet, dass zunächst die Mechanismen, die der Vermehrung und Differenzierung von Zellen in der embryonalen Entwicklung zugrunde liegen und die bislang noch weitgehend unbekannt sind, erkundet werden.
Dennoch werden schon weit gehende therapeutische Heilsversprechungen zur Begründung dieser Forschungsarbeiten herangezogen. Die klinischen Anwendungsmöglichkeiten für Stammzellen sind bisher auf wenige Möglichkeiten beschränkt wie
auf die Verwendung von adulten Stammzellen, die innerhalb ihres spezifischen Herkunftsgewebes (Knochenmark, Haut, Hornhaut) verwendet werden können.
Während die Herstellung von humanen EG-Zellen (Keimzellen aus Föten), ASZellen (Stammzellen aus dem entwickelten Körper) und neonatalen Stammzellen
(u. a.Nabelschnurblut) rechtlich zulässig ist und geringere ethische Probleme aufwirft, ist die Gewinnung (Entnahme) von humanen Stammzellen aus Embryonen in
Deutschland ausnahmslos verboten. Im Embryonenschutzgesetz vom 13. Dezember
1990 ist festgelegt, dass mit dem Embryo nichts passieren darf, das nicht seiner Erhaltung dient. Bei der Verwendung des Embryos zur Gewinnung von Stammzellen
wird der Embryo „verbraucht“, d. h. getötet. Das Verbot erstreckt sich auch auf die
Verwendung sog. überzähliger Embryonen, also auf solche Embryonen, die zum
Zweck der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt, dafür aber nicht verwendet
werden. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber einer Wertentscheidung der Verfassung zugunsten der Menschenwürde und des Lebens Rechnung getragen, so die Begründung des Gesetzentwurfes zum Embryonenschutzgesetz.
Dem Embryo kommt als menschlichem Leben in frühestem Stadium, vom Stadium
der abgeschlossenen Befruchtung an, Grundrechtsschutz zu. Er ist Träger des
Rechtes auf Leben, Art. 2 Abs. 2 GG. Die Menschenwürde – Art. 1 GG – ist beim
Umgang mit Embryonen zu wahren. Das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft
und Forschung, Art. 5 Abs. 3 GG, hat insoweit, als die Grundrechte anderer
Grundrechtsträger verletzt würden, zurückzutreten.
Nicht verboten ist jedoch der Import von humanen embryonalen Stammzellen und
die Forschung an diesen Zellen, denn zurzeit, als das Embryonenschutzgesetz erlassen
wurde, gab es die Forschung an embryonalen Stammzellen noch nicht.
Das Verbot des Imports embryonaler Stammzellen und der Verzicht auf die Forschung anhand von ES folgen zum einen aus der Verletzung der Menschenwürde
durch die Tötung von Embryonen bei dieser Art von Forschung. Zum anderen sind
die Forschungsdynamik und die Technologieentwicklung in der Fortpflanzungsmedizin und der Humangenetik mit allen ihren Techniknebenwirkungen ein entscheidendes Argument für eine enge Grenzziehung in der Biomedizin.
Bei der Stammzellenforschung ist die grundlegende Wertentscheidung der Verfassung
zu Gunsten des Schutzes des Lebens und der Menschenwürde betroffen, wenn durch
die Nutzung der ES auch die Art ihrer Gewinnung (Tötung der Embryonen bei Entnahme von ES) toleriert würde. Eine Gefährdung der Menschenwürde und des
Lebensschutzes ist auch zu befürchten, wenn die Zulassung des Imports eine Ausweitung der Nachfrage nach neuen Stammzell-Linien hervorrufen würde mit der
Folge, dass weitere Embryonen getötet werden. Die veröffentlichten Prognosen vieler Wissenschaftler über die wahrscheinlich mangelhafte Verwertbarkeit vorhandener Stammzell-Linien embryonaler Stammzellen lassen diese Annahme sehr wahrscheinlich erscheinen. Auch der Stufenplan der DFG, die in ihrer Stellungnahme vom
3. Mai 2001 den Import von ES befürwortet, aber auch die aktive Gewinnung von
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menschlichen embryonalen Stammzellen in Deutschland vorsehen will, steht für die
weiter gehenden Forderungen, die aus dem Kreis der Wissenschaft erhoben werden.
Angesichts der Hochrangigkeit des menschlichen Lebens innerhalb der grundgesetzlichen Wertung wäre unabdingbare Voraussetzung für die Einschränkung des
Lebensrechtes des Embryos zu Forschungszwecken, dass diese geeignet, notwendig
und verhältnismäßig in Bezug auf das angestrebte Ziel ist. Vor diesem Anspruch und
Hintergrund sind die Antworten der Wissenschaft widersprüchlich und wenig überzeugend. Weniger problematische Mittel sind für hochrangige Forschung zur Anwendung gekommen und versprechen Erfolg (therapeutische Erfolge mit AS, Forschungsarbeiten an Nabelschnurblut-Stammzellen und EG-Zellen). Zur Erforschung
grundlegender Mechanismen in den Zellen sind tierische Zellen eine brauchbare
Alternative. Warnungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, z. B.
Stammzellenforscher Prof. Herzog, Universität Bonn, dass auf die Bewilligung von
Forschung an ES unweigerlich die Anwendung des (therapeutischen) Klones folgen
wird, alarmieren die Öffentlichkeit für diese Debatte. Auch international tätige Forscherinnen und Forscher bremsen die Euphorie in der Humangenetik-Forschung, sowohl was die schnellen Erfolge bei der Gen-Krebstherapie oder bei der Behandlung
von MS-Kranken durch Stammzellentherapie betrifft. Die Notwendigkeit des therapeutischen Nutzens ist wissenschaftlich nicht ausreichend begründet. Es fehlt in der
bisherigen Diskussion eine ausreichende Würdigung der Neben- und Spätfolgen dieser weiteren technologischen Neuerung – zumal die Erfahrungen in der Fortpflanzungs- und Biomedizin zeigen, dass Technologien, die einmal entwickelt sind, ihre
Fortsetzung in anderen Bereichen finden.
Für die Fraktion:
Ise Thomas
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