G2E 2TY01E 15 hp 2012-03-22 Tyska Handledare: Christina Rosén Examinator: Evald Johansson G1E G2E Avancerad nivå Der Konjunktiv in der indirekten Rede Untersuchungen zum Modusgebrauch der Schriftsprache Johan Ljungström Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung.................................................................................................................................... 1 2. Ziel, Fragestellungen und Hypothesen ......................................................................................... 1 2.1. Ziel ....................................................................................................................................... 1 2.2. Fragestellungen..................................................................................................................... 2 2.3. Hypothesen ........................................................................................................................... 2 3. Methode und Material ................................................................................................................. 2 4. Zur früheren Forschung ............................................................................................................... 4 5. Zur Theorie ................................................................................................................................. 5 5.1. Begriffserklärung .................................................................................................................. 5 5.1.1. Indikativ ......................................................................................................................... 5 5.1.2. Konjunktiv I ................................................................................................................... 5 Tabelle 1: Präsens Indikativ und Konjunktiv I .......................................................................... 6 Tabelle 2: Präsens Indikativ und Konjunktiv I von den Verben „sein“ und „dürfen“ ................. 6 5.1.3. Konjunktiv II .................................................................................................................. 7 Tabelle 3: Präteritum Indikativ und Konjunktiv II von „brennen“ und „denken“ ...................... 7 Tabelle 4: Präteritum Indikativ und Konjunktiv II von „bleiben“ und „kommen“ ..................... 8 5.1.4. Zeitrelationen ................................................................................................................. 8 Tabelle 5: Zeitrelationen zwischen Indikativ und Konjunktiv ................................................... 9 5.1.5. Indirekte Rede ................................................................................................................ 9 5.2. Regeln und Abweichungen ................................................................................................. 12 5.2.1. Die Hauptregel ............................................................................................................. 12 5.2.2. Indikativ statt Konjunktiv I in der indirekten Rede ....................................................... 13 5.2.3. Konjunktiv II in der indirekten Rede ............................................................................ 14 5.2.4. Werden + Infinitiv in der indirekten Rede. .................................................................... 15 6. Zur Untersuchung ..................................................................................................................... 16 6.1 Untersuchung eines Romans – Ergebnisse und Analyse ....................................................... 16 Tabelle 5: Ergebnisse Die Vermessung der Welt .................................................................... 17 6.2 Untersuchung von Zeitungsartikeln ...................................................................................... 20 6.2.1 Frankfurter Allgemeine Zeitung .................................................................................... 20 Tabelle 6: Ergebnisse FAZ ..................................................................................................... 20 6.2.2 Die Welt ........................................................................................................................ 25 Tabelle 7: Ergebnisse: Die Welt ............................................................................................. 25 6.2.3. Zusammenfassende Diskussion .................................................................................... 28 6.3 Untersuchung unter Deutschsprachigen ............................................................................... 29 6.3.1 Ergebnisse und Analyse ................................................................................................ 29 Tabelle 8: i. Er ist krank. ........................................................................................................ 30 Tabelle 9: ii. Warum stehen Sie da so lange? .......................................................................... 30 Tabelle 10: iii. Wenn er Zeit hätte, würde er hingehen............................................................ 31 Tabelle 11: iv. Es regnet......................................................................................................... 32 Tabelle 12: v. Sie kennen ihn seit langem. .............................................................................. 33 Tabelle 13: vi. Sie ist glücklich. ............................................................................................. 33 Tabelle 14: vii. Ich bin allein auf dieser Insel. ........................................................................ 33 Tabelle 15: viii. Sie verliert das Spiel. .................................................................................... 34 Tabelle 16: ix. Sie brauchen mehr Zeit für die Aufgabe. ......................................................... 35 Tabelle 17: x. Sie friert immer im Winter. .............................................................................. 35 6.3.2. Zusammenfassende Diskussion .................................................................................... 36 Tabelle 18: Das Ergebnis nach Modus und Satzart ................................................................. 36 7. Schlussdiskussion...................................................................................................................... 37 8. Weitere Ausblicke ..................................................................................................................... 38 Quellenverzeichnis ........................................................................................................................... . 1. Einleitung Die indirekte Rede ist eine Konstruktion im Deutschen, die schwierig sein kann. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass das Prädikat in verschiedenen Modi stehen kann, was folgendes Beispiel aus dem Grammatikbuch »Tysk grammatik« von Freund & Sundqvist (1995:483) illustriert: „Der Polizist fragte ihn, warum er da so lange stehe/stünde/stehen würde/stand.“ Wie gezeigt, kann in diesem Beispiel das Prädikat entweder im Konjunktiv I, im Konjunktiv II, in einer Umschreibung mit „würde“ + Infinitiv oder im Indikativ stehen. Im selben Abschnitt wird aber betont, dass die verschiedenen Formen nicht generell mit einander austauschbar sind. Welche Form gewählt wird, hängt u.a. von grammatischen Faktoren, vom Dialekt des Sprechers, vom Stil und von der Art der Sprache (der geschriebenen/gesprochenen Sprache) ab. Dass mehrere Faktoren den Gebrauch beeinflussen können ist interessant. Deswegen soll in dieser Arbeit der Modusgebrauch in der indirekten Rede untersucht werden. Die Untersuchung ist auf die Schriftsprache beschränkt; mit Hilfe von drei verschiedenen Textsorten: Zeitungsartikeln, einem Roman und einer Umfrage unter Deutschsprachigen wird der Gebrauch untersucht werden. Verschiedene Textsorten zu verwenden hat den Vorteil, dass ein guter Überblick über den Gebrauch gegeben werden kann. Außerdem kann untersucht werden, ob sich der Gebrauch zwischen den verschiedenen Texten unterschiedet. Stimmt der Gebrauch mit den Regeln der Grammatikbücher überein? 2. Ziel, Fragestellungen und Hypothesen Im Folgenden wird zunächst das Ziel der vorliegenden Arbeit näher präsentiert. Mit Hinblick auf das Ziel werden drei Fragestellungen aufgelistet. Darüber hinaus werden zum Gebrauch der indirekten Rede und zum Modusgebrauch im heutigen Deutsch Hypothesen aufgestellt. 2.1. Ziel Das Ziel dieser Arbeit ist zu untersuchen, wie die Regeln betreffs des Gebrauches des Konjunktivs in der indirekten Rede lauten und ob der Gebrauch in den für die Untersuchung gewählten Materialien mit den Regeln übereinstimmt oder ob es Abweichungen zwischen den Regeln und dem tatsächlichen Gebrauch gibt. Die Untersuchung wird sich auf die Schriftsprache des heutigen Deutsch beschränken. 1 2.2. Fragestellungen Folgende Fragestellungen sind formuliert worden: I. Welche Regeln gibt es für den Gebrauch des Konjunktivs in der indirekten Rede? II. Wie wird der Konjunktiv in der indirekten Rede in den gewählten Materialien verwendet? III. Stimmt der tatsächliche Gebrauch mit den angegebenen Regeln überein? 2.3. Hypothesen Die Haupthypothese ist, dass es zum größten Teil eine Übereinstimmung zwischen den Regeln und dem Sprachgebrauch geben wird. Die Regeln werden einfach mit Hilfe von Grammatikbüchern definiert werden können, obwohl es in einigen Fällen vorkommen kann, dass es Unterschiede zwischen den Büchern gibt. Das Ergebnis wird sich in den verschiedenen Textsorten unterscheiden: (i) In der Untersuchung von Zeitungsartikeln werden zum größten Teil die Regeln befolgt werden. (ii) Der gewählte Roman wird sich auch grundsätzlich an die Regeln halten und der Autor wird Konsequenz im Gebrauch zeigen. (iii) In der Untersuchung von Deutschsprachigen wird es aber Unterschiede zwischen dem Ergebnis und den Regeln geben und es kann auch vorkommen, dass die Informanten nicht konsequent im Gebrauch sind. 3. Methode und Material Um die Regeln zu definieren, werden in erster Linie »Duden 9 - Richtiges und gutes Deutsch« (2007) und »Tysk grammatik« (Deutsche Grammatik 1) von Freund & Sundqvist (3. Auflage, 1995) verwendet. Da »Duden 9« aus dem Jahre 2007 stammt, spiegelt dieses Buch den heutigen Sprachgebrauch. Das Werk »Tysk grammatik«, das zwar älter ist, wurde gewählt, weil dieses Werk für Deutschlerner mit Schwedisch als Muttersprache angepasst ist und im Deutschunterricht an mehreren Universitäten in Schweden verwendet wird. Durch die verschiedenen Ansatzpunkte komplettieren diese Werke einander. Dazu kommt noch eine schwedischsprachige Grammatik »Modern tysk grammatik« (Moderne Deutsche Grammatik 2) (2000) von Rydén, Wengse & Wistam, um einige Begriffe zu erklären. Eine ältere Ausgabe des Dudens » Sprachliche Zweifelsfälle Wörterbuch der Hauptschwierigkeiten « (1965) dient dem Zweck, einige Unterschiede zwischen »Duden 9 - Richtiges und gutes Deutsch« und »Tysk grammatik« zu analysieren. Im Abschnitt über 1 2 Meine Übersetzung Meine Übersetzung 2 die indirekte Rede wird vor allem »Die indirekte Rede und mit ihr konkurrierende Formen der Redeerwähnung« (1976) von G. Kaufmann verwendet. Von Thoursies »Zur Moduswahl in der indirekten Rede« (2003) sind gewisse Begriffe übernommen worden, und seine Ergebnisse samt denen Jägers (1972) werden mit den Ergebnissen dieser Arbeit verglichen werden. Da das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, das heutige Deutsch in der geschriebenen Sprache zu untersuchen, werden moderne Texte, sowohl ein Roman als auch Zeitungsartikel analysiert werden. Der gewählte Roman ist »Die Vermessung der Welt« von Daniel Kehlmann (2005). Dieser wurde gewählt, weil die indirekte Rede in diesem Roman häufig benutzt wird, und weil er ein modernes Werk ist. Die Zeitungsartikel stammen aus den Tageszeitungen »Frankfurter Allgemeine« und »Die Welt«. Da diese Zeitungen zu den meist verbreiteten überregionalen Tageszeitungen Deutschlands gehören (Weinrich, 2005, s. 118), können sie als repräsentativ für das heutige Deutsch betrachtet werden und sie sind deswegen für die vorliegende Untersuchung geeignet. Von jeder Zeitung wurden insgesamt zehn Artikel aus vier verschiedenen Tagen gewählt und analysiert. Die gewählten Artikel sind: Region um Fukushima wird auf Dauer zum Sperrgebiet (FAZ 21. April 2011 S. 1-2) EU und GCC wollen politische Lösung der Krise in Libyen (FAZ 21. April 2011 S. 6) Bildungspaket soll besser erläutert werden (FAZ 21. April 2011 S. 13) Dänemark will Grenzen wieder kontrollieren (FAZ 12.05.2011 S. 1-2) Die Wirtschaft im Jemen steht vor dem Kollaps (FAZ 12.05.2011 S. 10) Sander schlägt oberirdisches „Endlager auf Zeit“ vor (FAZ 12.05.2011 S. 4) Beginn des Prozesses gegen Timoschenko (FAZ 25.06.2011 S. 7) Auf einen Tee mit dem Iman (FAZ 25.06.2011 S. 4) Das Ende eines Monats der Begräbnisse (FAZ 20.08.2011 S. 5) Deutsche Studenten sind nicht überall willkommen (FAZ 20.08.2011 S. 10) Die Ausgesperrten von Fukushima (Die Welt 21. April 2011 S. 28) Arabische Welt weiter in Aufruhr (Die Welt 21. April 2011 S. 6) „Die wollten nicht glauben, dass Afrikaner in Häusern leben“ (Die Welt 21. April 2011 S. 7) Ansturm auf Europas Grenzen (Die Welt 12.05.2011 S. 7) Der Angeklagte schweigt und schläft (Die Welt 12.05.2011 S. 5) Experten schlagen Atomausstieg bis 2021 vor (Die Welt 12.05.2011 S. 4) Emotionaler Prozessauftakt in Kiew (Die Welt 25.06.2011 S. 6) Sicherheitspakt mit Muslimen (Die Welt 25.06.2011 S. 6) Patienten vergeben Schulnoten an Ärzte (Die Welt 20.08.2011 S. 11) 3 Facebook verdirbt Massen-Partys (Die Welt 20.08.2011 S. 12) Ein weiterer Teil dieser Arbeit ist eine schriftliche Untersuchung unter Deutschsprachigen. In diesem Teil sind dreißig Deutschsprachige gebeten worden, zehn Sätze in die indirekte Rede umzuwandeln. Diese drei Textsorten zu benutzen hat den Vorteil, dass ein Überblick über den Gebrauch in der heutigen Schriftsprache gegeben werden kann. 4. Zur früheren Forschung Einer der Forscher, der eine Untersuchung zum Gebrauch des Konjunktivs durchgeführt hat, ist Jäger (1971). Er untersuchte mehrere damals moderne Texte, sowohl Bücher als auch Zeitungen (Jäger, 1971:19-20). Die Ergebnisse seiner umfangreichen Untersuchung lassen sich nur schwierig kurz zusammenfassen. Er hat eine größere Anzahl Konjunktiv II Formen als Konjunktiv I Formen gefunden. Ausnahmen davon sind u.a. »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und »Die Welt«, bei denen der Konjunktiv I häufiger ist. Jäger erklärt dies mit der Art jener Texte (Zeitungssprache). In diesen Zeitungen war auch der Anteil von Indikativformen niedriger als in anderen Texten. In einigen Texten wie im Roman »Homo Faber« von Max Frisch fand er einen hohen Anteil von Indikativ, wo der Konjunktiv I zu erwarten wäre (Jäger, 1971:26-27). Gunhild Engström-Person untersuchte in ihrer Doktorarbeit »Zum Konjunktiv im Deutschen um 1800« (1979) u.a. den Modusgebrauch in der indirekten Rede. Ihre Ergebnisse können nicht ganz mit denen Jägers verglichen werden, weil bei ihr Konjunktivformen, die auch außerhalb der indirekten Rede stünden (wie im Konditionalsätzen etc.), in der Untersuchung nicht berücksichtig wurden (Engström-Persson, 1979:23). Schon zu dieser Zeit konnte sowohl der Indikativ als auch der Konjunktiv in der indirekten Rede stehen. In den untersuchten Texten steht der Indikativ häufig um Realität oder Tatsachen auszudrücken (Engström-Persson, 1979:47). Der Konjunktiv II kommt vor allem vor, um modusambivalenten oder altmodischen Konjunktiv I zu vermeiden. Interessant ist, dass schon damals Formen der 2. Person veraltet oder gekünstelt wirkten, und deswegen mit dem Konjunktiv II ersetzt wurden. In der 3. Person Singular wird nach der Meinung Engström-Perssons der Konjunktiv II oft benutzt, um Distanz zur Aussage auszudrücken. Weiter variiert der Gebrauch in Hinsicht auf Dialekte und soziale Schichten (Engström-Persson, 1979:45-46). Obwohl diese Untersuchung eine ältere Sprachzeit betrifft, ist also festzustellen, dass es mehrere Ähnlichkeiten mit dem heutigen Sprachgebrauch gibt. Thoursie (2003) führte eine Untersuchung zum Konjunktiv in der indirekten Rede durch, in der er sich auf die Pressesprache beschränkte. Hier wurden Artikel aus den zwei Tageszeitungen »Die Welt« und »Bild« und aus der Wochenzeitschrift »Focus« untersucht (Thoursie, 2003:11). Aus 4 dieser Untersuchung geht hervor, dass in diesen Zeitungen der Konjunktiv in der indirekten Rede dominiert, nur 9,6 Prozent der Belege stehen im Indikativ (Thoursie, 2003:25). Es gab auch Unterschiede zwischen den Zeitungen: In der »Welt« standen 7 Prozent der finiten Verben im Indikativ, während diese Zahl in der Zeitung »Bild« 20 Prozent ausmachte. Thoursie vergleicht diese Zahlen mit denen Jägers; in seiner Untersuchung waren diese Zahlen 5,9 Prozent bzw. 21,7 Prozent. Thoursie erklärt die Unterschiede zwischen den Zeitungen damit, dass sie verschiedene Stilniveaus benutzten; in der »Welt« sei die Sprache gepflegt und die Sätze seien lang, aber durch den Konjunktiv wüssten die Leser immer, wenn es sich um die indirekte Rede handle. Die Sprache in der Zeitung »Bild« beschreibt er als eine Art Umgangssprache: Die Sätze seien kurz und ähnelten eher der gesprochenen Sprache, in der der Indikativ in der indirekten Rede häufiger sei (Thoursie, 2003:28-29). Bei Thoursie kommt der Konjunktiv II vor allem statt modusambivalenten Konjunktivs I vor (Thoursie, 2003:31). Nur wenige Belege dafür wurden gefunden, dass der Konjunktiv als Ausdruck für Distanzierung oder Zweifel verwendet wird (Thoursie, 2003:40). Auch die Umschreibung mit „würde“ + Infinitiv ist selten, und wird nicht konsequent verwendet (Thoursie, 2003:37). 5. Zur Theorie Dieses Kapitel enthält zwei Teile. Zuerst werden für die Untersuchung wichtige Begriffe erklärt. Danach werden die Regeln für den Modusgebrauch in der indirekten Rede definiert. Wichtig ist, die Begriffe und Regeln möglichst genau zu definieren, um eine korrekte Analyse des Materials durchführen zu können. Deswegen werden hier auch einige Regeln und Begriffe aufgegriffen, bei denen es nicht um die indirekte Rede geht. 5.1. Begriffserklärung In diesem Abschnitt werden folgende Begriffe definiert: Die zwei Modi Indikativ und Konjunktiv (I und II), die Zeitrelationen zwischen Indikativ und Konjunktiv und schließlich die indirekte Rede. 5.1.1. Indikativ Indikativ (s. Tabelle 1 unten) ist der dominierende Modus des heutigen Deutsch. Der Indikativ kann auch als der normale und neutrale Modus gesehen werden (Duden, 2007:466). Neben dem Indikativ gibt es auch die zwei Modi Imperativ, der eine Aufforderung ausdrückt, und Konjunktiv, der z.B. in der indirekten Rede oder in irrealen konditionalen Satzgefügen verwendet wird. 5.1.2. Konjunktiv I Obwohl der Konjunktiv langsam seltener wird, vor allem in der Alltagssprache, kommt er im Deutschen, im Vergleich mit z.B. dem Schwedischen, häufig vor. Der Konjunktiv II ist z.B. in 5 irrealen konditionalen Satzgefügen immer noch lebenskräftig. Der deutsche Konjunktiv kennt zwei Formen, Konjunktiv I und Konjunktiv II (Freund & Sundqvist, 1988:479-480). Die Formen des Konjunktivs I werden vom selben Stamm wie Präsens Indikativ gebildet, was in Tabelle I gezeigt wird (die eindeutigen Formen sind kursiv markiert): Tabelle 1: Präsens Indikativ und Konjunktiv I Präsens Indikativ Konjunktiv I 1. ich lobe lobe 2. du lobst lobest 3. er lobt lobe 1. sie loben loben 2. wir lobt 3. ihr loben lobet loben (Freund & Sundqvist, 1988:176) Wie aus der Tabelle hervorgeht, unterscheiden sich bei den meisten Verben nur drei Formen morphologisch vom Präsens Indikativ: die zweite und dritte Person Singular und die zweite Person Plural. Die anderen Formen werden nicht eindeutig oder modusambivalent genannt. Die Modalverben3 samt dem Verb „wissen“ haben jeweils vier eindeutige Formen und „sein“ ist das einzige Verb, das sechs eindeutige Formen hat, wie aus Tabelle 2 hervorgeht: Tabelle 2: Präsens Indikativ und Konjunktiv I von den Verben „sein“ und „dürfen“ Präsens Indikativ Konjunktiv I Präsens Indikativ Konjunktiv I 1. ich bin sei darf dürfe 2. du bist sei(e)st darfst dürfest 3. er ist sei darf dürfe 1. wir sind seien dürfen dürfen 2. ihr seid seiet dürft dürfet 3. sie sind seien dürfen dürfen (Kaufmann, 1976:96) Des Weiteren gibt es ein paar Verben mit zwei eindeutigen Formen, z.B. „werden“ und „raten“ samt Verben mit nur einer eindeutigen Form wie „finden“ und „reden“ (Kaufmann, 1976:97). Da 90 Prozent aller Sätze in der indirekten Rede in der 3. Person Singular oder Plural stehen, und von den restlichen 10 Prozent die meisten in der 1. Person Singular stehen, sind die Formen der 2. Person, obwohl eindeutig, ungewöhnlich (Duden, 2007:472). 3 dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen (Freund & Sundqvist, 1988:474). 6 Der Konjunktiv I wird heutzutage zum größten Teil in der indirekten Rede benutzt. Sonst kommt er in Komparativsätzen, wie im Beispiel (5:1), in Konkurrenz mit dem Indikativ und dem Konjunktiv II, vor (Freund & Sundqvist, 1988:499). Auch in realen Wunschsätzen (5:2) oder in Aufforderungen (5:3) lebt er immer noch. In Finalsätzen (5:4) kann das Prädikat im Konjunktiv I stehen, der Indikativ ist aber sehr häufiger hier und wird auch empfohlen. (5:1) Er benahm sich, als ob er verrückt sei. (5:2) Er lebe hoch! (Freund & Sundqvist, 1988:499) (5:3) Man beachte folgendes! (Freund & Sundqvist, 1988:500) (5:4) Sie bringt die Uhr zum Uhrmacher, damit er sie kontrolliere. (Freund & Sundqvist, 1988:499) 5.1.3. Konjunktiv II Der Konjunktiv II wird vom selben Stamm wie das Präteritum Indikativ gebildet. Umlaut oder Vokalwechsel kann aber vorkommen. Bei den schwachen Verben und den Modalverben „wollen“ und „sollen“ fallen alle Formen des Konjunktivs II mit denen des Präteritums Indikativ zusammen (Kaufmann, 1976:102-103). Eine Ausnahme ist „brauchen“ mit der Konjunktivform „bräuchte“. Diese immer noch nicht als standardsprachlich akzeptierte Form kommt vor allem in der Umgangssprache vor und stammt aus dem süddeutschen Sprachraum (Duden, 2007:186). Bei den unregelmäßigen schwachen Verben4 unterscheiden sich alle Formen des Konjunktivs II von denen des Präteritums Indikativ, wobei sie mit der Ausnahme von „dächte“ ungewöhnlich sind: Tabelle 3: Präteritum Indikativ und Konjunktiv II von „brennen“ und „denken“ Präteritum Indikativ Konjunktiv II Präteritum Indikativ Konjunktiv II 1. ich brannte brennte dachte dächte 2. du branntest brenntest dachtest dächte 3. er brannte brennte dachte dächte 1. wir brannten brennten dachten dächten 2. ihr branntet brenntet dachtet dächtet 3. sie brannten brennten dachten dächten (Freund & Sundqvist, 1988:192) Die starken Verben können entweder zwei, vier oder sechs eindeutige Formen haben. Die restlichen Modalverben und „wissen“ haben jeweils sechs eindeutige Formen, was in Tabelle 4 gezeigt wird: 4 Brennen, bringen, denken, kennen, nennen, rennen, senden, wenden (Rydén, Wengse, & Wistam, 2003:109). 7 Tabelle 4: Präteritum Indikativ und Konjunktiv II von „bleiben“ und „kommen“ Präteritum Indikativ Konjunktiv II Präteritum Indikativ Konjunktiv II 1. ich blieb bliebe kam käme 2. du bliebst bliebest kamst kämest 3. er blieb bliebe kam käme 1. wir blieben blieben kamen kämen 2. ihr bliebt bliebet kamt kämet 3. sie blieben blieben kamen kämen (Kaufmann, 1976:102-103) Einige starke Verben, die sechs eindeutige Formen haben, haben im Konjunktiv II nicht Umlaut vom Vokal des Präteritums Indikativ, sondern von einem anderen Vokal z.B. „werben“ (warb – würbe). Es kommt auch vor, dass es zwei Formen des Konjunktivs II gibt wie „helfen“ (hälfe/hülfe) und „befehlen“ (befähle/beföhle). Meistens ist eine Form gewöhnlicher, welche variiert aber (Duden, 2007:575-576). Dieses Phänomen hat eine historische Erklärung: In früheren Sprachzeiten hatten die starken Verben unterschiedliche Vokale im Präteritum Singular und Präteritum Plural. Im 14. Jahrhundert hat ein Ausgleich langsam angefangen, der erst im 18. Jahrhundert abgeschlossen war. Bevor dieser Ausgleich abgeschlossen war, konnte es verschiedene Vokale im Präteritum Indikativ geben von denen der Konjunktiv II gebildet werden konnte. Dass der Konjunktiv II des heute verschwundenen Vokales immer noch vorkommt, ist manchmal dadurch zu erklären, dass die Form lautlich deutlicher ist. Ein Beispiel dafür ist das Verb „helfen“, hier ist die Konjunktiv II Form „hälfe“ lautlich nicht vom Konjunktiv I „helfe“ zu unterscheiden. Deswegen wird die Form „hülfe“ vorgezogen (Schmidt, 2007:392-394). Der Konjunktiv II kommt vor allem in irrealen konditionalen Satzgefügen vor. Ein Satzgefüge besteht aus einem Nebensatz mit einer Bedingung und einem Hauptsatz mit einer Folge. Die Satzgefüge können aber auch unvollständig sein; die Bedingung oder die Folge muss nicht stehen, sondern kann aus dem Zusammenhang hervorgehen. Viele Formen des Konjunktivs II werden heute als altmodisch oder gehoben betrachtet. Um diese Formen zu meiden, wird oft die Umschreibung mit „würde“ + Infinitiv (Konditionalis) in den Satzgefügen gebraucht. Vor allem betrifft dies die gesprochene Sprache. Bei den schwachen Verben wird auch diese Umschreibung häufig benutzt, weil der Konjunktiv II sich vom Präteritum Indikativ nicht unterscheidet (Freund & Sundqvist, 1988:491). 5.1.4. Zeitrelationen Durch ihren morphologischen Zusammenhang werden Konjunktiv I und II manchmal Präsens Konjunktiv bzw. Präteritum Konjunktiv genannt (Rydén, Wengse, & Wistam, 2003:160). Diese 8 Bezeichnungen sind aber irreführend, weil es zwischen Konjunktiv I und II keinen Zeitunterschied, wie zwischen Präsens und Präteritum Indikativ, gibt. Wie schon erwähnt, haben sie zum Teil unterschiedliche Anwendungsbereiche, und wie im Abschnitt 5.2. hervorgeht, wird Konjunktiv I manchmal gegen Konjunktiv II ausgetauscht. Um Vergangenheit auszudrücken müssen die Hilfsverben „haben“ oder „sein“ verwendet werden. In der indirekten Rede sieht das Grundmodell für die Zeitrelationen wie folgt aus: Tabelle 5: Zeitrelationen zwischen Indikativ und Konjunktiv Indikativ Konjunktiv Präsens: er kommt er komme/käme Präteritum: er kam Perfekt: er ist gekommen Plusquamperfekt: er war gekommen Futur I: er wird kommen er werde/würde kommen Futur II: er wird gekommen sein er werde/würde gekommen sein er sei/wäre gekommen (Kaufmann, 1976:37) 5.1.5. Indirekte Rede Direkte und indirekte Rede sind zwei Arten von Redeerwähnungen. Unter diesem Begriff versteht man, wie ein Sprecher das, was in einer früheren Konversation gesagt wurde, referieren kann (Kaufmann, 1976:13). Sprecher 1 Hörer 1 Ich habe den Brief gelesen. Sprecher 2 Hörer 2 Er sagte: „Ich habe den Brief gelesen.“ (direkte Rede) Er sagte, er habe den Brief gelesen. (indirekte Rede) Zwei Merkmale kennzeichnen die indirekte Rede und trennen sie von der direkten. Das erste Merkmal ist dadurch gekennzeichnet, dass das, was referiert wird, durch eine Subjunktion eingeleitet wird. Die möglichen Subjektionen sind dass, ob oder ein einleitendes Fragewort. Das zweite Merkmal ist, dass in der indirekten Rede das Gesagte aus der Sicht des Sprechers 2 referiert wird. Deswegen müssen pronominale Hinweise auf Personen und Hinweise auf Zeit und Raum der Situation des Sprechers 2 angepasst werden. Diese zwei Merkmale können getrennt oder zusammen auftreten, was in den folgenden Beispielen (5:5) – (5:10) veranschaulicht wird: 9 (5:5) Er sagte, dass er krank sei. (5:6) Sie fragten ihn, ob er komme. (5:7) Sie fragte, wohin er gehen wolle. (5:8) a. (Sprecher 1, am Mittwoch) „Ich habe den Brief gestern gelesen.“ b. (Sprecher 2, zwei Tage später) Er sagte, er habe den Brief am Dienstag gelesen. (5:9) a. (Sprecher 1, in Berlin) „Mir gefällt es hier. b. (Sprecher 2, in Bonn) Er sagte, es gefalle ihm dort. (5:10) a. (Sprecher 1) Ich habe mein Haus verkauft. b. (Sprecher 2) Er sagte, dass er sein Haus verkauft habe. Was noch die indirekte Rede definiert, ist, dass das Prädikat im Konjunktiv I (oder II) stehen können muss (Kaufmann, 1976:20). Thoursie bedient sich des Terminus „Redeanweisung“, für Ausdrücke, die die indirekte Rede einleiten können. Die Redeanweisungen können in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt werden (Thoursie, 2003:56): I. II. III. IV. Ein verbum dicendi oder ein Substantiv, dass dieselbe Funktion hat, z.B. sagen, meinen; Vorwurf, Frage Es heißt/hieß…z.B. Es hieß, … Quellenangaben, z.B. nach seiner Meinung, nach seinen Worten, laut Müller, wie er sagte; So + Personenname oder Substantiv wird in ein Satzgefüge hineingeschoben oder einer Äußerung nachgestellt, z.B. …,so Schröder, …; …, so Müller. V. Personennamen oder Substantiv gefolgt von einem Doppelpunkt + Redewiedergabe, z.B. Fischer: …. ; Der Vorwurf: …. ; Im »Duden 9« ist eine andere Einteilung zu finden. Die Verben des Sagens und Denkens verteilen sich auf drei Gruppen. Die erste Gruppe besteht aus Verben, die nur mit Indikativ stehen, wie „wissen“ und „vergessen“. Zur zweiten Gruppe gehören Verben, die sowohl mit dem Indikativ als auch mit dem Konjunktiv stehen können, ohne dass die Bedeutung sich verändert: „behaupten“, „glauben“. In der dritten Gruppe sind Verben, die normalerweise mit dem Indikativ stehen, mit dem Konjunktiv drückt der Sprecher Zweifel zur Aussage aus. Verben in dieser Gruppe sind z.B. „berichten“ und „mitteilen“ (Duden, 2007:470). Da nur wenige Beispiele gegeben werden, ist es fragwürdig, wie die Unterschiede zwischen der 2. und der 3. Gruppe zu verstehen sind. Im Text wird auch ein Beispiel, mit Konjunktiv nach dem Verb „mitteilen“ gegeben. In diesem Beispiel steht das Verb in der 1. Person und deswegen kann der Konjunktiv nicht als Zweifel verstanden werden; es ist unwahrscheinlich, dass der Sprecher an seiner eigenen Aussage zweifelt. (5:11) Ich teilte ihr mit, ich hätte keine Zeit, weil ich zu beschäftigt sei, und würde deshalb morgen nicht mitfahren. (Duden, 2007:473) 10 Noch eine andere Einteilung ist bei Freund & Sundqvist zu finden. Sie nennen 1. Verb des Sagens 2. Verb des Denkens 3. Verb der Wahrnehmung 4. Verbalsubstantiv (gebildet von Gruppe 1-3). Die 5. Gruppe besteht aus Kopulasätzen wie „einem klar sein“ (Freund & Sundqvist, 1988, S. 482), und fehlt ganz bei Thoursie. Folgendes Beispiel (5:12) zeigt einen Kopulasatz als Redeanweisung: (5:12) Er ist überzeugt, sie habe es getan. Außerdem wird bei Freund & Sundqvist die dritte Gruppe Thousies, Quellenangaben, nicht als indirekte Rede behandelt, sondern sie werden unter der Rubrik „alternative Weise Äußerungen wiederzugeben“5 gelistet (Freund & Sundqvist, 1988:489). Dies ergibt insofern Sinn, dass eines der Merkmale der indirekten Rede, dass der Satz durch eine Subjunktion eingeleitet werden kann, nicht bei Quellenangaben vorkommt. Folgende Beispiele verdeutlichen den Unterschied zwischen Verbalsubstantiv (5:13) und Quellenangaben (5:14) in dieser Hinsicht: (5:13) a. Die Behauptung, dass mehrere Leute getötet worden seien, stimmt nicht. b. Die Behauptung, mehrere Leute seien getötet worden, stimmt nicht. (5:14) Nach Angaben des Außenministeriums sind mehere Leute getötet worden. Jedoch hat Thoursie in seiner Untersuchung mehrere Belege gefunden, in denen das Prädikat nach Quellenangaben im Konjunktiv steht (Thoursie, 2003:73). Deswegen werden solche Ausdrücke in dieser Arbeit als indirekte Rede behandelt und sind in der Untersuchungen berücksichtigt worden. Eine deutlichere Einteilung der Redeanweisungen, könnte wie folgt aussehen: I. a. Ein Verb des Sagens, Denkens oder Wahrnehmens oder: b. Ein Verbalsubstantiv gebildet davon II. Kopulasätze III. Es heißt/hieß IV. Quellenangaben, z.B. Laut dem Ministerium V. VI. So + Personenname oder Substantiv Personennamen oder Substantiv gefolgt von einem Doppelpunkt + Redewiedergabe Eine Redeanweisung muss aber nicht vorkommen. In einigen Fällen signalisiert der Konjunktiv an sich die indirekte Rede (Freund & Sundqvist, 1988:482). Vor allem in der Zeitungssprache kommt 5 Meine Übersetzung 11 es vor, dass ein Satz mit einer Redeanweisung ein längeres Stück mit indirekter Rede einleitet. In den folgenden Sätzen signalisiert dann der Konjunktiv allein, dass immer noch referiert wird. Im folgenden Beispiel (5:15) fehlt eine Redeanweisung. Durch den Konjunktiv versteht man jedoch, dass die Aussage von Ingrid stammt. (5:15) Ich traf gestern Ingrid. Sie sei krank und müsse ins Krankenhaus (Freund & Sundqvist, 1988:479). 5.2. Regeln und Abweichungen Innerhalb der Linguistik wird zwischen deskriptiven (beschreibenden) und präskriptiven (vorschreibenden) Regeln unterschieden. Mit deskriptiven Regeln versucht man, den tatsächlichen Sprachgebrauch zu beschreiben. Dieser Gebrauch ist aber seinerseits durch (oft unbewusste) Regeln der Sprecher bestimmt. Mit präskriptiven Regeln werden die Sprecher aufgefordert, sich eines gewissen Sprachgebrauchs zu bedienen (Linell, 1982:131). Die zwei Grammatikbücher, die zur Untersuchung am häufigsten verwendet werden »Tysk Grammatik« und »Duden 9« sind als deskriptiv zu verstehen. Es werden keine klaren Grenzen zwischen richtigem und falschem Gebrauch gezogen. Dies heißt jedoch nicht, dass in den Bücher nicht Empfehlungen gegeben werden; die Bücher haben im Grunde das Ziel, dem Leser zu helfen, eine gute Sprache, die verstanden wird, zu erwerben. Vor allem betrifft dies »Tysk Grammatik«, weil die Zielgruppe aus Schwedischsprachigen, die Deutsch lernen wollen, besteht. In diesem Abschnitt werden die Regeln zum Modusgebrauch in der indirekten Rede mit Hilfe der Grammatikbücher definiert und erläutert. Wenn es Abweichungen zwischen den Büchern gibt, werden sie mit besonderem Interesse kommentiert. 5.2.1. Die Hauptregel Die Hauptregel lässt sich einfach formulieren: In der indirekten Rede steht das Prädikat im Konjunktiv I, wenn diese Form eindeutig ist (5:16). Eindeutig heißt, dass die Formen des Konjunktivs I nicht mit denen des Präsens Indikativ zusammenfallen. Wenn dies der Fall ist, wird der Konjunktiv II gebraucht (Duden, 2007:470) was im Beispiel (5:17) gezeigt wird: (5:16) Er sagte, dass er kein Geld habe (5:17) Sie sagten, dass sie kein Geld hätten. („…Geld haben“ wäre Zusammenfall mit dem Indikativ). Zu dieser Hauptregel gibt es zahlreiche Ergänzungen und Abweichungen, die unten aufgelistet werden. 12 5.2.2. Indikativ statt Konjunktiv I in der indirekten Rede Es gibt sowohl Fälle, in denen der Gebrauch vom Indikativ in der indirekten Rede zur Standardsprache gehört, als auch Fälle, in denen er eher zur gesprochenen Alltagssprache gehört. Eine Grenze lässt sich aber schwierig ziehen (Freund & Sundqvist, 1988, S. 486). Der Indikativ kann innerhalb eines Satzes in der indirekten Rede gebraucht werden, um eigene Erklärungen der Erzähler zu geben (Duden, 2007:471). Im Beispiel (5:18) zeigt der Indikativ „hat“, dass das Faktum, dass Peter sich ein Fahrrad lange gewünscht hat, nicht von derselben Aussage Peters stammt, sondern etwas ist, was der Erzähler Stephan schon wusste. (5:18) (Stephan berichtet:) Peter sagte, seine Eltern seien gestern in der Stadt gewesen. Sie hätten dort ein Fahrrad für ihn gekauft. Das hat er sich nämlich lange gewünscht (Duden, 2007:471). Bei Redewiedergaben mithilfe den Präpositionen laut, nach, zufolge usw. ist der Gebrauch von Konjunktiv I statt Indikativ oft falsch oder unnötig (Duden, 2007:472). Das Adverbial „oft“ wird aber nicht genauer definiert. Solche Ausdrücke werden Quellenangaben genannt und gehören in die IV. Gruppe der Redeanweisungen. Wie schon erwähnt, gibt es hier verschiende Meinungen, ob diese Ausdrücke zur indirekten Rede gehören oder nicht. Folgendes Beispiel (5:19) zeigt ein Verb im Indikativ nach einer Quellenangabe: (5:19) Laut Innenministerium besteht keine Gefahr (Duden, 2007:472). Nach dem Verb „wissen“ steht das Prädikat immer im Indikativ (Freund & Sundqvist, 1988:487). Laut Freund & Sundqvist steht das Verb häufig im Indikativ, wenn der Aussagesatz im Präsens, Perfekt oder Futur steht. Der Konjunktiv wird aber empfohlen, wenn es sich um einen uneingeleiteten Satz, einen Nebensatz ohne Subjunktion, handelt. Auch wenn das Prädikat des Aussagesatzes in der ersten Person Singular steht, ist der Indikativ häufig (Freund & Sundqvist, 1988:486). Im Duden 9 ist nichts darüber zu finden. In einer früheren Auflage gibt es jedoch eine Anmerkung dazu. Auch hier wird betont, dass das Prädikat häufig im Indikativ steht, wenn die Redeanweisung im Präsens steht. Der Grund dafür ist, dass der Sprecher den Satz eher als objektiv bestehende Tatsache, als Redewiedergabe versteht. Wenn aber die Tatsächlichkeit nicht betont werden muss, sollte man den Konjunktiv verwenden (Duden, 1965:322). Sonst kommt der Indikativ oft in der gesprochenen Alltagssprache vor. In den folgenden Beispielen (5:20) – (5:21) sollte der Konjunktiv I aber in der gepflegten Schriftsprache stehen. (Freund & Sundqvist, 1988:487) 13 (5:20) Sie behauptete, daß ihr Mann um zwei Uhr nachts nach Hause gekommen ist (Freund & Sundqvist, 1988:487). (5:21) Ihr Kollege nebenan hat uns gerade erzählt, er muß alles wegschmeißen (Freund & Sundqvist, 1988:487). 5.2.3. Konjunktiv II in der indirekten Rede Wenn eine Form des Konjunktivs II in der direkten Rede steht, z.B. in einem irrealen konditionalen Satzgefüge, bleibt diese unverändert in der indirekten Rede (Duden, 2007:472). In solchen Fällen ist der Konjunktiv an sich nicht ein Merkmal der indirekten Rede. (5:22) „Ich ginge ins Kino, wenn ich Zeit hätte.“ Er sagte, er ginge ins Kino, wenn er Zeit hätte. (5:23) „Ich würde ins Kino gehen, wenn ich Zeit hätte.“ Er sagte, er würde ins Kino gehen, wenn er Zeit hätte. Wenn man hier in der indirekten Rede den Konjunktiv I benutzen würde, wäre dies ein Zeichen dafür, dass der Satz, wenn er in die direkte Rede umgewandelt werden würde, kein Konditionalsatz wäre. (5:24) Er sagte, er gehe ins Kino, wenn er Zeit habe. „Ich gehe ins Kino, wenn ich Zeit habe.“ Manchmal stehen Formen des Konjunktivs II, obwohl die des Konjunktivs I eindeutig wären. Der Grund dafür ist, dass der Konjunktiv I gehoben oder gekünstelt wirkt. Dieser Gebrauch ist besonders in der Umgangssprache und in einigen Dialekten gewöhnlich und betrifft unter anderem die Formen „sei(e)st“, „seiet“, „seien“, die oft durch „wärest“, „wäret“ und „wären“ ersetzt werden (Duden, 2007:472). Obwohl der Konjunktiv I sehr häufig in der dritten Person Singular vorkommt, ist es nie störend, und selten ein Stilbruch, statt des Konjunktivs I den Konjunktiv II zu verwenden (Freund & Sundqvist, 1988:485). Der Sprecher oder der Schreiber kann durch den Gebrauch von Konjunktiv II statt eindeutiger Formen des Konjunktivs I Distanz oder Skepsis zur Aussage ausdrücken. Ob dies der Fall ist, ist aber nur zu beurteilen, wenn man mit dem Sprecher und dessen Sprachgebrauch vertraut ist (Freund & Sundqvist, 1988:485). Die Schwierigkeit zu beurteilen, ob der Konjunktiv II Zweifel ausdrückt oder nicht, zeigt sich u.a. dadurch, dass dieser Gebrauch, im Unterschied zur früheren Auflage (Duden, 1965:322), nicht im Duden 9 (2007) erwähnt wird. Im Duden 9 (2007) wird nur erwähnt, dass der Sprecher bei der dritten Gruppe der Verben des Sagens und Denkens (z.B. mitteilen) mit 14 dem Konjunktiv (I oder II) statt des Indikativs Zweifel ausdrückt (Duden, 2007:470). Es lässt sich schwer sagen, ob dies bedeutet, dass der Sprachgebrauch sich in dieser Hinsicht verändert hat, oder ob eher der Duden sich dem tatsächlichen Sprachgebrauch angepasst hat. Im folgenden Beispiel (5:25) steht die Form „hätte“ statt der Form „habe“. Nur wenn es einem bewusst ist, dass der Sprecher sonst immer den Konjunktiv I in der indirekten Rede verwendet, kann man beurteilen, ob der Konjunktiv II als ein Zeichen für Zweifel zu verstehen ist. (5:25) Er sagte, dass er den Aufsatz schon fertig geschrieben hätte. 5.2.4. Werden + Infinitiv in der indirekten Rede. Um eine korrekte Analyse zu machen, muss betont werden, dass das Verb „werden“ verschiedene Funktionen in der Sprache haben kann. Erstens hat „werden“ die Funktion als temporales Hilfsverb, um die Tempora Futur I und Futur II bilden zu können. Das Futur II ist im heutigen Deutsch ungewöhnlich und wird oft durch das Perfekt ersetzt (Freund & Sundqvist, 1988:466-468). „Werden“ gehört auch zu den Kopulaverben (die anderen zwei sind „sein“ und bleiben“). Diese Verben binden das Subjekt mit einem subjektiven Prädikativ zusammen (Freund & Sundqvist, 1988:607). „Werden“ + Partizip II (Perfekt Partizip) wird benutzt, um Passivum zu bilden (Freund & Sundqvist, 1988:435). Die folgenden Beispiele (5:26) – (5:29) zeigen die verschiedenen Funktionen dieses Verbes: (5:26) Der deutsche Bundespräsident wird im nächsten Jahr Schweden besuchen (Freund & Sundqvist, 1988:466). Futur I (5:27) In zwei Stunden werden wir das Ziel erreicht haben (Freund & Sundqvist, 1988:468). Futur II (5:28) Das Buch wird geschrieben. Passivum (5:29) Die Gegend wurde immer schöner. Kopulaverb In der indirekten Rede wird die Umschreibung mit Konjunktiv I (bzw. II) von „werden“ + Infinitiv benutzt, um Zukünftiges auszudrücken, wobei der einfache Konjunktiv (durch den Zusammenhang) auch Zukünftiges ausdrücken würde (Duden, 2007:473), genau wie das Präsens Indikativ auch Futur ausdrücken kann (Freund & Sundqvist, 1988:466). In der indirekten Rede wird oft die Form „würde“ statt „werde“ benutzt, da die letzte gehoben wirkt. Vor allem ist aus lautlichen Gründen die Kombination „werden werde“ zu vermeiden (Freund & Sundqvist, 1988:486). In den folgenden Beispielen zeigt das Zeitadverbial „morgen“, dass es um Zukunft geht. Wenn umgewandelt in die direkte Rede, könnten alle vier Sätze sowohl mit Präsens Indikativ, als mit Präsens von „werden“ + 15 Infinitiv stehen. (5:30) Er sagte, er werde/würde morgen kommen. (5:31) Er sagte, er komme morgen. (5:32) Sie sagten, sie würden morgen kommen. (5:33) Sie sagten, sie kämen morgen. Konjunktiv II von „werden“ + Infinitiv wird manchmal anstelle modusambivalenter Konjunktiv II Formen benutzt. Dies ist in den meisten Fällen aber nicht zwingend, weil man durch den Aussagesatz versteht, dass es sich um die indirekte Rede handelt (Duden, 2007:474). Würde + Infinitiv wird auch benutzt, weil viele Konjunktiv II Formen der starken Verben oder der unregelmäßigen schwachen Verben mittlerweile gehoben oder konstruiert klingen (Freund & Sundqvist, 1988:486). Viele Sprachpfleger sind der Ansicht, dieser Gebrauch sei falsch, weil er wie eine Bedingung oder wie Zukunft verstanden werden könne. Durch die Situation ist aber oft klar, wie der Konjunktiv zu verstehen ist (Freund & Sundqvist, 1988:485). In den folgenden Beispielen ersetzt diese Umschreibung erst eine modusambivalente Form, danach zwei Formen, die gehoben klingen. (5:34) Sie sagten, sie würden gehen. (statt … „sie gingen“). (5:35) Sie sagten, sie würden ihn schon lange kennen (statt … „kennten“) (Duden, 2007:474). (5:36) 1974 erklärten noch 70% der Vierzehn- bis Siebzehnjährigen, sie würden täglich eine Zeitung lesen (statt … „läsen“) (Freund & Sundqvist, 1988:486). Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Untersuchung präsentiert und diskutiert. Die Ergebnisse, die in dieser Arbeit den tatsächlichen Sprachgebrauch repräsentieren, werden mit den oben definierten Regeln verglichen. 6. Zur Untersuchung Dieses Kapitel enthält die Ergebnisse und die Analysen der Untersuchung. Zuerst werden die drei Teile der Untersuchung: (i) Untersuchung eines Romans, (ii) Untersuchung von Zeitungsartikeln und (iii) Umfrage unter Deutschsprachigen, für sich präsentiert und analysiert. Danach folgt eine zusammenfassende Diskussion. 6.1 Untersuchung eines Romans – Ergebnisse und Analyse Insgesamt wurden 20 Seiten des Romans »Die Vermessung der Welt« (Kehlman, 2005) analysiert. 16 Beim Durchlesen des Buches wurde festgestellt, diese Seiten könnten als repräsentativ für das ganze Werk gelten. Es wurden entweder Sätze gewählt, die mit einer der sechs Gruppen von Redeanweisungen eingeleitet waren, oder solche, die ohne Redeanweisung aber mit dem Konjunktiv als Kennzeichnen der indirekten Rede standen. 196 finite Verbformen in der indirekten Rede wurden gefunden. Alle Verbformen stehen in der 3. Person, was mit dem im Duden angegebenen Frequenzen übereinstimmt (Duden, 2007:472). Wie aus Tabelle 5 hervorgeht, stehen die meisten Verben in der 3. Person Singular des Konjunktivs I. In der folgenden Präsentation werden zuerst die anderen Verben, die nicht in der 3. Person Singular des Konjunktivs I stehen, aufgegriffen und diskutiert. Wegen Platzmangels und der Deutlichkeit zuliebe werden nicht alle Sätze als Beispiele aufgegriffen, sondern nur einige, die repräsentativ sind, wurden ausgewählt. Da alle Beispiele aus demselben Buch stammen, wird nur die Seite in Klammern angegeben. Die 196 Verbformen verteilen sich auf die folgende Weise: Tabelle 5: Ergebnisse Die Vermessung der Welt Präs. 3. Pers. Sing. Prät. Konj. I Konj. II Modusamb. 3 175 2 1 5 9 1 3. Pers. Plur. Wie oben gezeigt dominiert Konjunktiv I in der indirekten Rede dieses Buches. Nur drei Verben stehen im Indikativ, dazu kommen zwei Formen, die modusambivalent sind. Bei einem Verb im Indikativ geht es um eine Erklärung, die vom Autor stammt. Im darauf folgenden Satz liegt dann wieder die indirekte Rede vor: (6:1) Das Körperliche, sagte Gauß, der zu seinem Ärger von Turngeräten geträumt hatte, sei wahrhaftig die Quelle aller Erniedrigung. (S. 10) Ein Verb im Präteritum Indikativ und die zwei modusambivalenten Verben, „gehören“ und „stimmte“ (6:2) stehen nach dem Verb wissen. Da der Indikativ schon einmal eindeutig nach diesem Verb vorkommt, lassen sich die zwei modusambivalenten Formen auch als Indikativ einordnen. Was noch darauf hinweist ist, dass es bei dem Verb „stimmen“ die eindeutige Konjunktiv I Form „stimme“ gäbe, die als Zeichnen der indirekten Rede dienen könnte. Hier befolgt also der Autor die Empfehlung des Dudens, dass der Indikativ nach dem Verb „wissen“ verwendet werden soll (Duden, 2007:470). Einmal kommt zwar der Konjunktiv II nach diesem Verb vor (6:3). Dies liegt aber daran, dass der Satz ein gekürztes irreales konditionales Satzgefüge ist, der Konjunktiv wäre also auch außerhalb der indirekten Rede zu finden. Auch in einem anderen Satz (6:4) kommt der 17 Konjunktiv II aus diesem Grunde vor. (6:2) Eugen tat beeindruckt, obgleich er wußte, daß die Geschichte nicht stimmte. (S. 13) (6:3) /…/; er wußte, die Wahrheit hätte keiner geglaubt (S. 21). (6:4) Sogar ein Verstand wie der seine, sagte Gauß, hätte in frühen Menschheitsaltern oder an den Ufern des Orinoko nichts zu leisten vermocht, (S. 9) Ein Verb steht im Präteritum Indikativ nach dem Kopulasatz „e-m klar sein“ (6:5). Dies widerspricht der Behauptung von Freund & Sundqvist, dass der Konjunktiv nach solchen Konstruktionen stehen solle, weil sie auch zur indirekten Rede gehören. Bei Freund & Sundqvist ist sogar die Konstruktion mit „klar“ als Beispiel genommen worden (Freund & Sundqvist, 1988:482). (6:5) Ihm wurde klar, daß er nur noch Sekunden zu leben hatte. (S. 25) Neun Verben stehen in der 3. Person des Konjunktivs II. In sämtlichen Fällen ist der Konjunktiv II damit zu erklären, dass er statt modusambivalenter Formen des Konjunktivs I benutzt wird. Im Beispiel (6:6) steht „würden“ statt der modusambivalenten Form „werden“. Im Beispiel (6:7) ersetzt „führen“ die Form „fahren“. In diesem Satz kommt auch der Konjunktiv I vor. (6:6) Bald, erklärte er, würden Maschinen die Menschen mit der Geschwindigkeit eines abgeschossenen Projektils von Stadt zu Stadt tragen. (S. 8-9) (6:7) Eugen versuchte zu erklären, wer sie seien, wohin sie führen und auf wessen Wunsch (S. 11). Der Autor schreibt „bräuchten“, obwohl es immer noch als nicht standardsprachlich gilt. In diesem Satz kommt der Konjunktiv II zusammen mit einer eindeutigen Form des Konjunktivs I vor. (6:8) Eigentlich sei es nicht ohne Witz, daß reiche Leute für eine Reise doppelt so lange bräuchten wie arme (S. 10). Zum Verb „gelten“ gibt es auch die Form „gölte“, „gälte“ ist aber gewöhnlicher (Duden, 2007, S. 358). Auch in diesem Beispiel kommt der Konjunktiv II zusammen mit dem Konjunktiv I vor: (6:9) Doch die Regeln der Wahrscheinlichkeit, fuhr Gauß fort, /…/, gälten nicht zwingend. Sie 18 seien keine Naturgesetze, Ausnahmen seien möglich (S. 13). 174 Verben stehen in der ersten Person des Konjunktivs I. Die häufigste Form ist „sei“, die 32mal vorkommt. Die Form „werde“ gibt es in 19 Fällen. In 12 dieser Fälle wird „werde“ benutzt, um zukünftiges auszudrücken (6:10). In zwei Fällen hat „werde“ die Rolle als Kopulaverb (6:11) und in drei Fällen wird die Form benutzt, um Passivum zu bilden (6:12). (6:10) Eine Weile sah er mit gerunzelten Brauen aus dem Fenster, dann fragte er, wann seine Tochter endlich heiraten werde (S. 80). (6:11) /…/ während ein Durchschnittskopf wie Eugen praktisch nie krank werde (S. 10). (6:12) /…/ werde seit früher Jugend Fürst der Mathematiker genannt (S. 11). Als die einzige eindeutige Form des Konjunktivs I in der dritten Person Plural, kommt „seien“ fünfmal vor. 90 Prozent aller Verben der Indirekten Rede stehen in der 3. Person Singular oder Plural (Duden, 2007:472). Es werden aber keine Zahlen für die Verteilung zwischen Singular und Plural gegeben. In dieser Untersuchung dominiert der Singular. Folgendes Beispiel (6:13) zeigt einen Satz mit dem Verb mit der Form „seien“: (6:13) Sie seien keine Naturgesetze, Ausnahmen seien möglich (S. 13). Bei sämtlichen ausgesuchten 180 Verben, die im Konjunktiv I stehen, ist der Konjunktiv I als Kennzeichen der indirekten Rede anzusehen. Es gibt keine Formen, die in Finalsätzen oder anderen Anwendungsbereichen des Konjunktivs I stehen, bei denen es unsicher sein könnte, welche Funktion der Konjunktiv hauptsächlich trägt. Im Text kommen vor allem Sätze mit der ersten Gruppe der Redeanweisungen, Verben des Sagens, Denkens und Wahrnehmens vor. Sätze ohne Redeanweisung kommen vor, aber nicht im gleichen Maß. Wie schon erwähnt, kommt nur einmal eine Kopulakonstruktion vor, aber ohne den Konjunktiv. Die folgenden Beispiele zeigen einen Satz mit einem Verb des Sagens (6:14) und einen Satz ohne Redeeinweisung (6:15). (6:14) Natürlich, sagte Gauß, komme das einem, der nicht ans Denken gewohnt sei, selbstverständlich vor (S. 10). (6:15) Erstens könne das nun aber jeder sagen, zweitens gelte das Versammlungsverbot für alle. Und der da, er zeigte auf Eugen, sei offensichtlich Student. Da werde es besonders heikel (S. 16). 19 In dieser Untersuchung wurde gezeigt, dass der Modusgebrauch des Autors, mit zwei kleinen Ausnahmen, mit den definierten Regeln übereinstimmt. Die einzigen Ausnahmen der angeführten Regeln sind, dass die Form „bräuchten“ steht, die Duden als umgangssprachlich bezeichnet (Duden, 2007:186) und dass der Indikativ nach einem Kopulasatz steht, wider die Behauptung bei Freund & Sundqvist, dass der Konjunktiv nach solchen Kopulasätzen stehe (Freund & Sundqvist, 1988:482). Der Modusgebrauch ist konsequent und die indirekte Rede ist bewusst als Stilmittel verwendet worden. 6.2 Untersuchung von Zeitungsartikeln Insgesamt sind jeweils zehn Artikel aus den Tageszeitungen »Frankfurter Allgemeine« und »Die Welt« untersucht worden. Die Artikel wurden gewählt, wenn nach einem schnellen Durchlesen festgestellt werden konnte, dass die indirekte Rede überhaupt vorkam. Jeweils sechs Artikel behandeln dieselben Themen. Um die Formen sammeln zu können, musste beurteilt werden, wann es sich um die indirekte Rede handelt. Die Sätze wurden berücksichtigt, die von einer der sechs Gruppen von Redeanweisungen eingeleitet waren, egal ob die Verben im Indikativ oder im Konjunktiv I/II standen. Die Verben, die als Redeanweisungen galten, wurden nicht aufgenommen. In der Zeitungssprache kommt aber häufig vor, dass ein längerer Abschnitt mit einer Redeanweisung eingeleitet wird und dass der Konjunktiv an sich in den folgenden Sätzen die indirekte Rede signalisiert. Deswegen wurden solche Verben aufgenommen, bei denen es klar war, dass der Konjunktiv die indirekte Rede signalisierte und keine andere Funktion hatte. Unten werden erst die Ergebnisse nach Zeitung präsentiert und erleuchtet und danach folgt eine Diskussion. Sämtliche Artikel stammen aus dem Jahre 2011, deswegen werden nach den Beispielen nur die Zeitung, der Tag und der Monat samt der Seite in der Quellenangabe angegeben. 6.2.1 Frankfurter Allgemeine Zeitung In der »Frankfurter Allgemeinen« (FAZ) wurden insgesamt 175 finite Verben innerhalb der indirekten Rede gefunden. Die Mehrzahl (115) steht im Konjunktiv I der 3. Person Singular. In der folgenden Tabelle wird das Ergebnis nach Person und Tempus/Modus Präsentiert. Tabelle 6: Ergebnisse FAZ Präs. Prät. Konj. I Konj. II Modusamb. 1 2 115 5 1 1. Pers. Sing. 3. Pers. Sing. 20 3. Pers. Plur. 4 1 10 20 16 In den zehn untersuchten Artikeln stehen 115 Verben in der 3. Person Singular Konjunktiv I und zehn in der 3. Person Plural Konjunktiv I. Da der Konjunktiv I als der Normalmodus der indirekten Rede gelten kann, werden hier vor allem die Fälle, in denen das Verb nicht im Konjunktiv I steht, erläutert und diskutiert. Nur ein Verb steht in der 3. Person Singular Präsens. In diesem Fall geht es darum, dass der Indikativ eine Erklärung gibt, es ist eine objektive Tatsache, dass das Endlager außerhalb Niedersachsens liegt, was im Beispiel (6:16) gezeigt wird. (6:16) König teilte am Mittwoch mit, dass das Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt – neben den Standorten Gorleben, Schacht Konrad und der Asse das einzige langfristige Atommülllager, das außerhalb Niedersachsens liegt – durch die Verfüllung von 27 Hohlräumen mit Salzbeton stabilisiert worden sei (FAZ, 12.05. S. 4). Vier Verben stehen in der 3. Person Plural Präsens. Hier geht es lediglich um die Form „sind“, da die modusambivalenten Formen unten behandelt werden. In zwei der Fälle dient der Indikativ als Erklärung. Einmal steht der Indikativ nach einer Quellenangabe, was im Beispiel (6:17) gezeigt wird. Laut Duden ist der Indikativ in solchen Fällen korrekt, der Konjunktiv ist oft falsch oder unnötig (Duden, 2007:472). (6:17) Nach Angaben von Tepco sind etwa 300 Arbeiter in dem zerstörten Kernkraftwerk im Einsatz (FAZ, 21.04. S. 1-2). Der Indikativ steht einmal nach dem Verbalsubstantiv „Frage“. Hier hätte man den Konjunktiv erwarten können: (6:18) /…/ und über die Frage, ob private Schulen und Altenheime effizienter sind als kommunale (FAZ, 20.08. S. 5). Sechs modusambivalente finite Verben sind gefunden worden, bei denen sowohl Präsens Indikativ als Konjunktiv I möglich wären. Da die Formen zusammenfallen, kann man eigentlich nicht wissen, ob sie als Konjunktiv oder als Indikativ zu verstehen sind. Die gefundenen Verben (außer einem) können aber durch den Zusammenhang, in dem sie stehen, als Indikativ verstanden werden. Dazu 21 kommt auch, dass sonst immer der Konjunktiv II benutzt worden ist, wenn die Formen des Konjunktivs I modusambivalent waren (siehe unten). Zwei dieser Verben sind erläuternde Erklärungen des Verfassers, oder objektive Tatsachen. Im Beispiel (6:19) steht die Form „müssen“ in einem Nebensatz, danach folgt das Referierte mit dem Verb im Konjunktiv: (6:19) Der Anteil der Menschen an der Bevölkerung, die mit weniger als 2 Dollar am Tag auskommen müssen, sei seit 1999 von 41 Prozent auf 48 Prozent gestiegen, schätzt Abdulkarim Salam, Wirtschaftsprofessor und Chefredakteur der Wirtschaftszeitung al Iqtisadi al Yaum (FAZ, 12.05. S. 12). Zwei dieser modusambivalenten Verben stehen im Finalsatz, eingeleitet von „damit“ oder „dass“. Hier wird der Indikativ, der als korrekt in Finalsätzen gilt, auch in der indirekten Rede behalten. Dazu kommt ein Verb, das nach einer Quellenangabe steht. Beispiel (6:20) zeigt einen Finalsatz mit dem Indikativ und Beispiel (6:21) zeigt den Indikativ nach einer Quellenangabe: (6:20) Japanische Kommentatoren warfen die Frage auf, ob nicht zusätzliches Personal eingesetzt werden müsse, damit sich die einzelnen Arbeiter der gefährlichen Strahlung nur für kürzere Zeiträume aussetzen müssen (FAZ, 21.04. S. 1-2). (6:21) Die Parteien haben sich laut ihrer Vereinbarung auf eine „permanente Präsenz“ von Beamten an den Grenzen festgelegt (FAZ, 12.05. S- 1-2). Bei dem Verb „sollen“ ist es schwieriger. Im folgenden Beispiel (6:22) wäre der Konjunktiv zu erwarten; es ist klar, dass es um die indirekte Rede geht. Zwar gibt es beim Verb „sollen“ auch im Konjunktiv II keine eindeutigen Formen. Bei solchen Verben wird aber wie erwähnt der Konjunktiv II empfohlen. Das Verb „sollen“ ist aber speziell. Das Präteritum dieses Verbs (ursprünglich der Konjunktiv II) kann nämlich auch eine andere Bedeutung als das Präsens tragen; als Rat, Empfehlung, „es wäre gut wenn...“ (Freund & Sundqvist, 1988, S. 477). Wenn im Beispiel (6:22) „sollten“ stünde, wäre es schwierig zu wissen, ob in der direkten Rede „sollen“ oder „sollten“ stünde. Umgekehrt ist es im Beispiel (6:23). Wenn hier der Konjunktiv I verwendet worden wäre, wie Beispiel (6:24) veranschaulicht, würde dies bedeuten, dass in der direkten Rede „soll“ stünde. Dadurch hätte der Satz eine andere Bedeutung: 22 (6:22) Autos sollen auf Waffen und Drogen überprüft werden, die Kontrollen jedoch nur den „Charakter von Stichproben“ haben, berichtete die dänische Zeitung „Politiken“ (FAZ, 12.05. S- 1-2). (6:23) Möglicherweise sei eine politische Lösung, auf die man sich konzentriere [Sic!] sollte, (FAZ, 12.05. S- 1-2). Direkte Rede: „Man sollte sich auf eine politische Lösung konzentrieren.“ (6:24) /…/ auf die man sich konzentrieren solle Direkte Rede: „Man soll (=muss) sich auf eine politische Lösung konzentrieren.“ Außer „sollte“ stehen zwei Verben in der 3. Person Singular Präteritum Indikativ. In beiden dieser Fälle geht es um Erklärungen, was schon diskutiert worden ist. In der dritten Person des Präteritums Plural kommt nur eine eindeutige Form vor: „sind“. Auch hier liegt es an einer objektiven Tatsache. Zehn Verben sind Modusambivalent: abwendeten, engagierten, hinwiesen, machten (zweimal), sollten, stammten und zuspitzten. Bei diesen Verben kann man nicht durch die Form erkennen, ob sie als Präteritum Indikativ oder als Konjunktiv II zu verstehen sind. Acht dieser Verben sind schwache Verben; bei allen außer einem sind diese Verben als Konjunktiv zu verstehen. Der Grund dafür ist, dass sie in einem Satz von einer Redeanweisung eingeleitet oder zusammen mit eindeutigen Konjunktiv Formen stehen. Sie dienen eindeutig als Kennzeichnen der indirekten Rede. Keine Form steht in einem Konditionalsatz oder in anderen Sätzen, in denen der Konjunktiv auch in der direkten Rede gestanden hätte. Die Beispiele (6:25) und (6:26) zeigen zwei schwache Verben, die durch den Zusammenhang als Konjunktiv II zu verstehen sind: (6:25) Regierungssprecher Edano sagte am Mittwoch in Tokio, dass trotz der Aufforderung, die betroffenen Gebiete zu verlassen, immer noch Bewohner kurzfristig in ihre Häuser innerhalb der Zone zurückkehrten (FAZ, 21.04. S. 1-2). (6:26) Deswegen sei es gefährlich, wenn sich nun die Spannungen am Golf so zuspitzten (FAZ 21.04. S. 6). Nur bei einem Verb, „stammten“, ist das Beurteilen schwieriger. Im folgenden Beispiel (6:27) könnte die Form „stammten“ entweder als eine objektive Tatsache gelten, genau wie der folgende 23 Satz auch den Indikativ hat, um etwas zu erklären. Es wäre aber auch möglich diese Form als Konjunktiv anzusehen. Zusammen mit „hätten“ wäre sie dann ein Zeichnen der indirekten Rede. Was noch für den Konjunktiv spricht, ist, dass, wenn es eine Erklärung wäre, es besser im Präsens Indikativ (stammen) stünde, genau wie „sind“. Wenn der Verfasser „stammen“ geschrieben hätte, wäre es deutlich, dass das Verb nicht innerhalb der indirekten Rede steht. (6:27) Die Gemeindevertreter, die oft aus Ländern stammten, wo die Beziehungen zwischen Polizei und Bevölkerung eher gespannt sind, hätten in ihm anfangs einen Spitzel und nicht einen Partner gesehen (FAZ 25.06. S. 4). Eine modusambivalente Form eines starken Verbes innerhalb der indirekten Rede wurde gefunden, das Verb „hinwiesen“ (6:28). Das Verb „hinweisen“ hat, genau wie „bleiben“ nur vier eindeutige Formen im Konjunktiv II. Die gefundene Form ist aber als Konjunktiv zu verstehen, weil sie zusammen mit eindeutigen Formen des Konjunktivs II vorkommt. Die Form „sollten“ war einmal zu finden. Das Verb „sollen“ ist schon diskutiert worden und wird deswegen nicht erneut aufgegriffen. Fünf Verben stehen in der dritten Person Singular des Konjunktivs II. Bei sämtlichen ist der Konjunktiv als Kennzeichnen eines irrealen Konditionalsatzes zu verstehen. Dies betrifft auch zwei von den eindeutigen Konjunktiv II Formen. Die restlichen 18 Konjunktiv II Formen werden deswegen verwendet, weil die Formen des Konjunktivs I modusambivalent sind. In dem folgenden Beispiel kommen sowohl der Konjunktiv I (gebe, komme), der Konjunktiv II (würde, daherkämen, verschwänden) als auch eine modusambivalente Form (hinwiesen) vor. Erst stehen zwei Formen des Konjunktivs I, was die indirekte Rede signalisiert. Danach steht die Form „würde“, die zwar oft statt „werde“ steht. In den anderen Artikeln ist aber „werde“ schon immer in der indirekten Rede vorgekommen und deswegen müssen wegen der Form „würde“ die Sätze als irreales konditionales Satzgefüge verstanden werden. (6:28) Zwischen Polizei und Gemeinden gebe es eine große Zahl von Kontakten, und da komme es auch vor, dass mitgeteilt würde, wenn bis dahin sehr westlich orientierte Jugendliche plötzlich „in pakistanischem Gewande“ daherkämen und, beispielsweise, Mitschüler auf dem Pausenhof plötzlich kompromisslos auf den angeblich richtigen Islam hinwiesen oder gar für Wochen, Monate mit unbekanntem Ziel verschwänden (FAZ 25.06. S. 4). 24 6.2.2 Die Welt In der »Welt« wurden insgesamt 157 finite Verben innerhalb der indirekten Rede gefunden. Genau wie in der »FAZ« steht die Mehrzahl, 95, in der 3. Person Singular Konjunktiv I. In der folgenden Tabelle wird das Ergebnis nach Person und Tempus/Modus präsentiert. Tabelle 7: Ergebnisse: Die Welt Präs. Prät. Konj. I Konj. II Modusamb. 1 1. Pers. Sing. 3. Pers. Sing. 8 3 95 4 1 3. Pers. Plur. 4 7 12 12 10 Auch in dieser Zeitung überwiegt zum großen Teil der Konjunktiv I. In einem Artikel war sogar ein Verb in der 1. Person zu finden, was sonst in der Zeitungssprache selten ist. Bei den 15 Verben, die in der 3. Person Singular oder 3. Person Plural Präsens Indikativ stehen, (hierzu werden auch die modusambivaltenen Formen, die theoretisch sowohl Präsens als auch Konjunktiv I sein könnten, mitgerechnet), ist der Indikativ aus verschiedenen Gründen zu erklären. Bei drei Verben liegt der Gebrauch vom Indikativ daran, dass es um Erklärungen oder Tatsachen geht. Bei elf Verben steht der Indikativ nach Quellenangaben, Beispiel (6:29) zeigt einen solchen Satz: (6:29) Medienberichten zufolge soll den Betroffenen zuvor aber noch eine kurze Rückkehr erlaubt sein, damit sie ihre Habseligkeiten zusammensammeln können (Welt, 21.04. S. 28). Bei einem Satz (6:30) mit dem Verb „zugeben“ steht der Indikativ „kann“, obwohl man dieses Verb als ein Verb des Sagens verstehen kann: (6:30) Zwar gibt EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström zu, dass das Schenken-Abkommen in Hinblick auf die Grenzkontrollen verbessert werden kann (Welt, 12.05. S. 7). Einmal steht ein Verb im Indikativ sind obwohl der direkt folgende Satz und ein ähnlicher Satz (6:31) den Konjunktiv I haben. Dieser inkonsequente Gebrauch muss als fragwürdig bezeichnet werden. Beispiel (6:31) zeigt den Konjunktiv I nach dem Ausdruck „auf die Frage“. Beispiel (6:32) 25 zeigt dagegen sowohl den Indikativ als auch den Konjunktiv I nach diesem Ausdruck. (6:31) Auf die Frage, wieso sie einem so hohen Preis zugestimmt habe, antwortet sie: /…/ (Welt, 25.06. S. 6). (6:32) Auf die Frage, wie viele Prozesstage vorgesehen sind und wen man als Zeugen hören werde, verweigert Richter Kireev jede Antwort (Welt, 25.06. S. 6). Drei Verben stehen in der 3. Person Singular Präteritum Indikativ, zwei davon stehen nach Quellenangaben und eines ist als objektive Tatsache zu verstehen. Die modusambivalente Form „verdiente“ kommt einmal vor. Diese Form könnte sowohl Präteritum Indikativ als auch Konjunktiv II sein. Interessant daran ist, dass die Form mit dem einzigen Verb, das in der 1. Person Konjunktiv I steht, zusammen vorkommt. „Verdiente“ steht aber nicht in der 1. Person sondern in der 3. Person. Das Verb richtet sich im Bezug auf Kongruenz nach dem Relativpronomen „der“, weil das Personalpronomen nicht wieder aufgenommen worden ist. Stünde „verdiente“ in der 1. Person, könnte es als Konjunktiv II angesehen werden, der statt einer modusambivalenten Konjunktiv I Form verwendet wurde. In diesem Falle ist aber eher anzunehmen, „verdiente“ sei Präteritum Indikativ. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass der Teil „ein guter Student verdient in der Hauptstadt zu studieren“, als objektive Tatsache oder Erklärung zu verstehen ist. Es wäre auch möglich, die Form „verdiente“ als Konjunktiv II zu verstehen, der hier Irreales ausdrückt: (6:33) Ich protestierte heftig und gab zu bedenken, dass ich ein guter Student sei, der es verdiente, in der Hauptstadt zu studieren (Welt, 21.04 S. 7). In der 3. Person Plural Präteritum Indikativ stehen sieben Verben. Sechs dieser Verben samt einer modusambivalenten Form stehen nach Quellenangaben oder dienen als Erklärungen oder Tatsachen. Die Form „nahmen…fast“ kommt einmal vor. Obwohl das Verb „sagte“ hier steht, geht es nicht um die indirekte Rede sondern um die direkte Rede. Obwohl es keine Anführungszeichen gibt, versteht man dadurch, dass der Satz nicht von einer Subjunktion hätte eingeleitet sein können, dass dieser Satz in der direkten Rede innerhalb der indirekten Rede steht. Dieser Satz wurde aufgegriffen um zu zeigen, dass das Vorkommen eines Verbes wie „sagen“ nicht immer die indirekte Rede einleitet (Beispiel 6:34): (6:34) Trotz der Aufhebung der Notstandsgesetze und Reformenversprechen nahmen Sicherheitskräfte den linken Oppositionellen Mahmud Issa in seinem Haus fest, sagte der 26 Menschenrechtsaktivist Rami Adelrahman (Welt 21.04. S. 6). Bei sechs Verben ist nicht morphologisch zu unterscheiden, ob sie in der 3. Person Plural Präteritum Indikativ oder im Konjunktiv II stehen. Durch den Zusammenhang kann man aber feststellen, sie stehen im Konjunktiv II, der als Kennzeichnen der indirekten Rede dient: (6:35) Sonst bestehe die Gefahr, dass Anwohner sich einer gesundheitsschädlichen Strahlendosis aussetzten, erklärte Regierungssprecher Yukio Edano (Welt 21.04. S. 28). Vier Verben in der 3. Person Singular Konjunktiv II waren zu finden. Bei einem davon geht es um ein irreales konditionales Satzgefüge. Der Konjunktiv stünde also auch außerhalb der indirekten Rede. Die restlichen drei sind interessant. Der Konjunktiv II steht, obwohl der Konjunktiv I eindeutig wäre; der Konjunktiv II muss aber trotzdem als Kennzeichnen der indirekten Rede betrachtet werden. Zwar könnten die Formen einfach benutzt worden sein, weil der Verfasser die Konjunktiv I Formen gehoben fand. Dieses Argument hat aber die große Schwäche, dass im selben Text schon der Konjunktiv I, sogar vom selben Verb steht. Deswegen ist eher anzunehmen, der Verfasser bedient sich dieser Formen, um Distanz oder Zweifel zur Aussage auszurücken. Die Beispiele (6:36) – (6:38) zeigen diese drei Verben; wäre, hätte und ginge, die statt sei, habe und gehe stehen: (6:36) Für Demjanjuks Schuld gebe es keine Beweise. Selbst wenn er in Sobibor gewesen wäre, könne man ihm keinen individuellen Tatvorwurf machen (Welt, 12.05. S. 5). (6:37) Nachdem es der US-Justiz nicht gelungen sei, Demjanjuk in Israel verurteilen zu lassen, hätte „Deutschland“ ihr diese Aufgabe abgenommen (Welt, 12.05. S. 5). (6:38) Diese Kritik konnte Thomas Ballast nicht nachvollziehen. Es ginge lediglich darum, Patienten zu helfen (Welt, 20.08. S. 11). Schließlich stehen zwölf Verben in der 3. Person Plural Konjunktiv II. In neun der Beispiele gilt der Konjunktiv als Kennzeichnen der indirekten Rede. Bei den restlichen steht der Konjunktiv II, weil es um irreale konditionale Satzgefüge geht. Der Konjunktiv wäre deshalb auch außerhalb der indirekten Rede zu finden. Im folgenden Beispiel (6:39) ist dies einfach zu sehen, denn wenn es nur um indirekte Rede ginge, würde wahrscheinlich die eindeutige Form „seien“ stehen: 27 (6:39) Nach Meinung einiger EU-Staaten, darunter auch Deutschland, wären Situationen wie die jetzige vermeidbar, wenn Italien und Griechenland die vorgeschriebenen Asylverfahren ordnungsgemäß durchführen würden (Welt, 12.05. S. 7). 6.2.3. Zusammenfassende Diskussion Wenn man die Hauptregel nochmal wiederholt: In der indirekten Rede steht das Verb im Konjunktiv I, wenn diese Form eindeutig ist, sonst steht das Verb im Konjunktiv II (Duden, 2007:470) ist festzustellen, dass der Gebrauch beider Zeitungen zum allergrößten Teil mit den Regeln des Modusgebrauches übereinstimmt. Nur bei ein paar Sätzen gab es Abweichungen: In den Beispielen (6:19) und (6:33) stand das Verb im Indikativ, obwohl es nach dem Verbalsubstantiv „Frage“ vorkam. Nach Substantiven gebildet von Verben des Sagens, Denkens oder Wahrnehmens soll der Konjunktiv stehen (Freund & Sundqvist, 1988:482). Einmal, Beispiel (6:35), steht das Verb im Indikativ, obwohl es im Zusammenhang mit dem Verb „sagte“ vorkam. Diese drei sind die einzigen Beispiele für deutliche Abweichungen von den Regeln. Dreimal kommt der Konjunktiv II vor, obwohl der Konjunktiv I eindeutig wäre, Beispiele (6:37) – (6:39). In diesen Fällen kann der Konjunktiv II als Kennzeichnen für Distanz oder Zweifel betrachtet werden. Es wird behauptet, der Konjunktiv II statt des eindeutigen Konjunktivs I könne diese Funktion tragen. Es ist aber oft schwierig zu beurteilen, weil auch in anderen Fällen der Konjunktiv II vorkommen kann (Freund & Sundqvist, 1988:485). In diesen Beispielen kann man aber den Konjunktiv II als Kennzeichen für Distanz oder Zweifel zur Aussage verstehen, weil der Gebrauch sonst konsequent ist. In der »Welt« gab es eine größere Anzahl an Verben, die im Indikativ standen. Dies liegt daran, dass Quellenangaben häufiger in der »Welt« als in der »FAZ« vorkamen. Keine Belege wurden dafür gefunden, dass der Konjunktiv bei Quellenangaben steht. Bei der Untersuchung Thousies stand in der »Welt« 62,5 Prozent der finiten Verben nach Quellenangaben im Konjunktiv (Thoursie, 2003:72). Dies könnte bedeuten, dass »Die Welt« in etwa acht Jahren ihren Gebrauch geändert hat. In diesem Fall stimmen also die Regeln Dudens mit dem tatsächlichen Gebrauch überein (Duden, 2007:472). Nur zwei Belege für die III. Gruppe der Redeanweisungen, die Konstruktion „Es heißt/hieß…“ wurden gefunden, jeweils einer pro Zeitung. Nur einmal kommt eine Kopulakonstruktion, Gruppe II. vor. Sonst kommen die Gruppe I, die Verben des Sagens, Denkens oder Wahrnehmens und Gruppe IV, die Quellenangaben vor. Sehr oft signalisiert aber der Konjunktiv an sich die indirekte Rede. Dies ist passend gerade bei Zeitungsartikeln, weil die Verben „sagen“ nicht in jedem Satz wiederholt werden müssen. 28 6.3 Untersuchung unter Deutschsprachigen Um einen kleinen Überblick über den Modusgebrauch in der indirekten Rede unter Deutschsprachigen bekommen zu können, wurden 30 Informanten gebeten, zehn Sätze in die indirekte Rede umzuwandeln. Die Sätze wurden mit Hilfe vom Duden 9 (2007) und der schwedischen Grammatik »Tysk Grammatik« (1988) formuliert. Die verschiedenen Sätze haben den Zweck, zu untersuchen: (i) wie der Konjunktiv in der indirekten Rede verwendet wird, (ii) ob es verschiedene Tendenzen dabei gibt, wenn die Redeanweisungen in verschiedenen Tempora stehen, (iii) ob es verschiedene Tendenzen gibt, wenn das Verb in einem eingeleiteten (mit Subjunktion) und einem uneingeleiteten (ohne Subjunktion) Nebensatz steht. Die 30 Informanten stammen aus verschiedenen Teilen von Deutschland und Österreich. Es muss aber betont werden, dass diese Untersuchung nicht den Zweck hat, den Gebrauch in Dialekten zu vergleichen, sondern durchgeführt wurde, um einen Überblick zu bekommen. Abweichungen bei der Umfrage werden nicht gelistet, wenn sie keine Bedeutung für das, was untersucht wird, tragen. Z.B. wurden beim iii. Satz (Tabelle 10) die Varianten „Er sagte, er würde hingehen, wenn er Zeit hätte.“ und „Er sagte, wenn er Zeit hätte, würde er hingehen.“ zusammen gelistet, weil der Unterschied nur in der Wortfolge und nicht im Modusgebrauch liegt. Erst wird jeder Satz für sich erläutert und kommentiert, danach folgt eine Diskussion. Wenn ein Informant mehrere Alternativen zu einem Satz gegeben hat, wird nur die erste Alternative in der Statistik berücksichtigt. 6.3.1 Ergebnisse und Analyse Im folgenden Abschnitt werden die Sätze für sich präsentiert und kurz kommentiert. Die zehn Sätze sind: i. Er ist krank. ii. Warum stehen Sie da so lange? iii. Wenn er Zeit hätte, würde er hingehen. iv. Es regnet. v. Sie kennen ihn seit langem. vi. Sie ist glücklich. vii. Ich bin allein auf dieser Insel. 29 viii. Sie verliert das Spiel ix. Sie brauchen mehr Zeit für die Aufgabe. x. Sie friert immer im Winter. Beim ersten Satz steht das Verb „sein“. Zu diesem Verb gibt es sowohl einen eindeutigen Konjunktiv I als auch einen eindeutigen Konjunktiv II. Tabelle 8: i. Er ist krank. Modus Anzahl Er sagte, er sei krank. Konj. I 23 Er sagte, dass er krank sei. Konj. I 4 Er sagte, er wäre krank. Konj. II 3 Im ersten Satz überwiegt der Konjunktiv I, und die meisten Informanten haben einen uneingeleiteten Satz gewählt. Der Konjunktiv I „sei“ wird also von den Sprechern als völlig gebräuchlich angesehen. Zum Verb „stehen“ gibt es einen eindeutigen Konjunktiv I. Dazu gibt es zwei Varianten für den Konjunktiv II: stünde bzw. stände. Tabelle 9: ii. Warum stehen Sie da so lange? Der Polizist fragte ihn, warum er da so lange Modus Anzahl Konj. I 20 Konj. II 1 Konj. II 6 Konj. II 1 Ind. 2 stehe. Der Polizist fragte ihn, warum er da so lange stände. Der Polizist fragte ihn, warum er da so lange stünde. Der Polizist fragte ihn, warum er da so lange gestanden hätte. Der Polizist fragte ihn, warum er da so lange steht. In diesem stehen, wie im ersten Satz, die meisten Verben im Konjunktiv I. Man kann also annehmen, dass, wenn es einen eindeutigen Konjunktiv I gibt, er gern verwendet wird. Bei dem Konjunktiv II hat ein Informant die Form „stände“ und sechs Informanten die Form „stünde“ 30 gewählt. Demnach ist anzunehmen, dass in der Sprache die Form mit <ü> als gewöhnlicher empfunden wird als die mit <ä>. Beim Folgenden Satz (iii) geht es um ein konditionales Satzgefüge. Deswegen sollten die Verben nicht geändert werden, wenn der Satz in die indirekte Rede umgewandelt wird. Tabelle 10: iii. Wenn er Zeit hätte, würde er hingehen. Modus Anzahl Er sagte, er ginge hin, wenn er Zeit hätte. Konj. II 4 Er sagte, er würde hingehen, wenn er Zeit modusamb. + 21 hätte. Konj. II Er sagte, er wäre hingegangen, wenn er Zeit Konj. II 2 Er sagte, dass er hingehen würde, wenn er Zeit „würde“ + Inf. 1 haben sollte. + modusamb. Er sagte, wenn er Zeit habe, würde er Konj. I + hingehen. „würde“ + Inf. Er sagte, wenn er Zeit haben wird, würde er Ind. + Konj. II gehabt hätte. 1 1 hingehen. Bei diesem Satz gab es mehrere Vorschläge. Die Mehrzahl hat die Umschreibung mit „würde“ + „hingehen“ und „hätte“ gewählt. Nur vier haben die Form „ginge hin“ benutzt. Zwei Informanten haben Tempus geändert. Dazu gibt es ein paar Varianten, die drei letzten, die vielleicht als undeutlich oder falsch bezeichnet werden müssen. Da es um ein irreales konditionales Satzgefüge geht, sollte der Satz, wenn umgewandelt in die indirekte Rede, nicht verändert werden. Bei der Variante „Er sagte, wenn er Zeit habe, würde er hingehen.“ kann es schwierig sein zu wissen, wie der Satz zu verstehen ist. Der Konjunktiv I kann nicht wie der Konjunktiv II Irreales ausdrücken. Deswegen müsste der Satz als ein reales konditionales Satzgefüge verstanden werden; „würde“ stünde dann nur aus stilistischen Gründen statt „werde“. Sonst wäre der Satz außerhalb der indirekten Rede ungrammatisch, was folgende Beispiele zeigen: (6:40) Wenn er Zeit hat, geht er hin. (6:41) *Wenn er Zeit hat, würde er hingehen. Bei der Variante „Er sagte, dass er hingehen würde, wenn er Zeit haben sollte.“ müsste auch die Form „würde“ als Ersatz für die Form „werde“ verstanden werden. Dann wäre der Satz außerhalb 31 der indirekten Rede eine potentielles konditionales Satzgefüge (6:42). Bei diesen zwei Varianten verschwindet also die irreale Bedeutung des Satzes. (6:42) Er sagte, dass er hingehen wird, wenn er Zeit haben sollte. Die letzte Variante, „Er sagte, wenn er Zeit haben wird, würde er hingehen.“ muss als ungrammatisch verstanden werden, da er eine Mischung aus irrealem und realem konditionalem Satzgefüge ausdrückt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass der Informant gerade weil es eine Untersuchung ist, unsicher wird. Es ist anzunehmen, dass ein Sprecher oder Schreiber normalerweise sich so einer Ausdrucksweise nicht bedienen würde. Bei dem schwachen Verb „regnen“ gibt es einen eindeutigen Konjunktiv I, jedoch keinen eindeutigen Konjunktiv II. Tabelle 11: iv. Es regnet. Modus Anzahl Sie behauptet, es regne. Konj. I 15 Sie behauptet, dass es regne. Konj. I 2 Sie behauptet, es würde regnen. „würde“ + Inf. 6 Sie behauptet, es regnet. Ind. 3 Sie behauptet, dass es regnet. Ind. 3 Sie behauptet, dass es regnete. modusamb. 1 Im Vergleich zum ersten Satz (i), gibt es hier eine größere Variation, obwohl der Konjunktiv I immer noch dominiert. Sechs Verben stehen im Indikativ, der bei der Form „sagte“ gar nicht vorkam. Eine mögliche Erklärung der Unterschiede zwischen den zwei Sätzen könnte sein, dass das Verb „behaupten“ durch seine Bedeutung6 nicht im gleichen Maß den Konjunktiv fordert, es wird schon deutlich genug, dass der Sprecher etwas referiert. Der hohe Anteil an Umschreibungen mit „würde“ + Infinitiv könnte damit erklärt werden, dass es bei diesem Verb keine eindeutigen Formen des Konjunktivs II gibt, und deswegen wählen die Informanten diese Umschreibung. Es ist auch zu beachten, dass wie beim Satz i und ii beim Konjunktiv I vor allem ein Satz ohne Subjunktion gewählt wird. Beim Indikativ ist aber im Satz iv die Variante mit Subjunktion gleich gewöhnlich wie die Variante ohne Subjunktion. Zum Verb „kennen“ gibt es zwar einen eindeutigen Konjunktiv II, der aber heutzutage selten vorkommt. Da das Verb in diesem Satz in der 3. Person Plural steht, gibt es keinen eindeutigen 6 Mit Bestimmtheit aussprechen, als sicher hinstellen (Duden, 2010, S. 190) 32 Konjunktiv I. Tabelle 12: v. Sie kennen ihn seit langem. Modus Anzahl Sie sagten, sie kennten ihn seit langem Konj. II 1 Sie sagten, sie kännten sich seit langem. Konj. II 1 Sie sagten, sie würden ihn seit langem kennen. „würde“ + Inf. 14 Sie sagten, dass sie ihn seit langem kennen „würde“ + Inf. 3 Sie sagten, sie kennen ihn seit langem. Ind. 8 Sie sagten, dass sie ihn seit langem kennen. Ind. 3 würden. Dieser Satz ist auffallend, weil die Umschreibung mit „würde“ + Infinitiv überwiegt. Der zwar eindeutige, aber veraltete Konjunktiv II „kennte“ wurde nur von zwei Informanten gewählt. Es ist zu bemerken, dass ein Informant die falsche Orthographie „kännten“, die aber in Analogie mit den starken Verben logisch ist, gewählt hat. Im folgenden Satz steht wieder das Verb „sein“. Dieser Satz unterscheidet sich vom Satz i in Tabelle 8 dadurch, dass die Redeanweisung „sagen“ im Präsens statt Präteritum steht. Tabelle 13: vi. Sie ist glücklich. Modus Anzahl Sie sagt, sie sei glücklich. Konj. I 24 Sie sagt, dass sie glücklich sei. Konj. I 2 Sie sagt, sie wäre glücklich. Konj. II 3 Sie sagt, sie ist glücklich. Ind. 2 Bei diesem Satz gibt es keine großen Unterschiede zum Satz i in Tabelle 8, in dem auch der Konjunktiv I überwiegt. Es wurden also nur wenige Unterschiede dazwischen gemacht, ob das Verb im Präsens oder Präteritum steht. Dies ist wider die Behauptung, dass das Prädikat oft im Indikativ stehe, wenn die Redeanweisung im Präsens steht (Freund & Sundqvist, 1988:486). Im Satz vii steht im Nebensatz wieder das Verb „sein“, hier in der 1. Person. Im Hauptsatz steht die Redeanweisung in der 1. Person Perfekt . Tabelle 14: vii. Ich bin allein auf dieser Insel. Ich habe gedacht, ich sei allein auf dieser Insel. 33 Modus Anzahl Konj. I 15 Ich habe gedacht, dass ich allein auf dieser Konj. I 1 Konj. II 11 Konj. II 1 Ind. 1 Inf. 1 Insel sei. Ich habe gedacht, ich wäre allein auf dieser Insel. Ich habe gedacht, ich wäre allein auf dieser Insel gewesen. Ich habe gedacht, ich bin allein auf dieser Insel. Ich habe gedacht, allein auf dieser Insel zu sein. Fast gleich viele haben den Konjunktiv I wie den Konjunktiv II gewählt. Dies kann mit dem Satz i in Tabelle 8 verglichen werden, bei dem der Konjunktiv I überwiegend war. Es gibt zwei mögliche Erklärungen: Vielleicht liegt es daran, dass die Redeanweisung im Perfekt steht. Die zweite Erklärung ist, dass es daran liegt, dass der Satz in der ersten statt der dritten Person steht. Beide diese Erklärungen stimmen mit den Behauptungen überein, dass der Indikativ häufig sei, wenn die Redeanweisung im Präsens, Perfekt oder Futur steht, oder wenn die Redeanweisung in der 1. Person steht (Freund & Sundqvist, 1988:486). Im Satz vi (s. Tabelle 13) wurde aber gezeigt, dass der Indikativ nicht häufiger ist, wenn die Redeanweisung im Präsens steht. Im folgenden Satz sollte laut den Regeln das Verb „verlieren“ im Indikativ stehen, weil die Redeanweisung das Verb „wissen“ ist. Tabelle 15: viii. Sie verliert das Spiel. Modus Anzahl Sie weiß, sie verliere das Spiel. Konj. I 5 Sie weiß, dass sie das Spiel verliere. Konj. I 2 Sie weiß, sie würde das Spiel verlieren. „würde“ + Inf. 2 Sie weiß, dass sie dieses [Sic!] Spiel verlieren „würde“ + Inf. 1 Sie weiß, sie verliert das Spiel. Ind. 2 Sie weiß, dass sie das Spiel verliert. Ind. 12 Sie weiß, sie wird das Spiel verlieren. Ind. 3 Sie weiß, dass sie das Spiel verlieren wird. Ind. 3 würde. 34 Wie aus der Tabelle hervorgeht, überwiegt der Indikativ, was in den Regeln als korrekt definiert wurde. Erstaunlicherweise gibt es aber mehrere Abweichungen. Sieben haben den Konjunktiv I gewählt, was zeigt, dass auch der Konjunktiv nach dem Verb „wissen“ von einigen Sprechern als korrekt empfunden wird, obwohl dieser Gebrauch in den Regeln als falsch betrachtet wird (Freund & Sundqvist, 1988:487). Das Verb „brauchen“ ist interessant, weil es sich die Form „brächte“ entwickelt hat, obwohl die schwachen Verben eigentlich keinen eindeutigen Konjunktiv II haben. Tabelle 16: ix. Sie brauchen mehr Zeit für die Aufgabe. Sie meinten, sie bräuchten mehr Zeit für die Modus Anzahl Konj. II 20 Konj. II 2 „würde“ + Inf. 2 Ind. 3 Ind. 1 Ind. 1 Inf. 1 Aufgabe. Sie meinten, dass sie mehr Zeit für die Aufgabe bräuchten. Sie meinten, sie würden mehr Zeit für die Aufgabe brauchen. Sie meinten, sie brauchen mehr Zeit für die Aufgabe. Sie meinten, dass sie mehr Zeit für die Arbeit [Sic!] brauchen. Sie meinten, sie brauchten mehr [Sic!] für die Aufgabe. Sie meinten, mehr Zeit für die Aufgabe zu brauchen Die Form „bräuchten“ wurde bei Duden als immer noch inkorrekt bezeichnet (Duden, 2007:186). In dieser Untersuchung überwiegt diese Form aber in der indirekten Rede. Beim Satz x gibt es für das Verb „frieren“ sowohl eindeutige Formen des Konjunktivs I als auch des Konjunktivs II. Tabelle 17: x. Sie friert immer im Winter. Modus Anzahl Sie erzählt mir, sie friere immer im Winter. Konj. I 15 Sie erzählt mir, dass sie immer im Winter Konj. I 4 friere. 35 Sie erzählt mir, sie fröre immer im Winter. Konj. II 1 Sie erzählt mir, sie würde im Winter immer „würde“ + Inf. 3 Sie erzählt mir, sie friert im Winter. Ind. 1 Sie erzählt mir, dass sie immer im Winter Ind. 6 frieren. friert. Obwohl der Konjunktiv I am häufigsten ist, haben viele Informanten den Indikativ gewählt. Dies könnte denselben Grund wie beim Satz iv (s. Tabelle 11) haben; das Verb „sagen“ hat eher eine neutrale Bedeutung, wogegen „erzählen“ und „behaupten“ eine Bedeutung trägt, die nicht in demselben Grad den Konjunktiv fordert. 6.3.2. Zusammenfassende Diskussion In der folgenden Tabelle (18) werden die Ergebnisse zusammengefasst. Der 3. Satz ist aber weggelassen, weil er sich dadurch, dass der Konjunktiv auch außerhalb der indirekten Rede steht, von den anderen wesentlich unterscheidet. Die zwei Varianten mit Infinitiv werden hier auch nicht genannt. Tabelle 18: Das Ergebnis nach Modus und Satzart uneingeleitender eingeleitender Summe Satz Satz Konjunktiv I 117 16 133 Konjunktiv II 39 10 49 „würde/n/“ + Infinitiv 27 4 31 Indikativ 24 30 54 1 1 Modusambivalent Wie aus Tabelle 18 hervorgeht, überwiegt der Konjunktiv I. Der Konjunktiv II kommt vor allem bei den Verben vor, die keinen eindeutigen Konjunktiv I haben, und in den Sätzen, bei denen das Verb in der 1. Person Singular steht. Es ist auch interessant zu bemerken, dass die Formen wie „wäre“ und „stünde“ von mehreren Informanten gewählt worden sind, die Form „fröre“ aber nur einmal, und die Form „verlöre“ gar nicht. Es ist also anzunehmen, dass gewisse Formen des Konjunktivs II gebräuchlicher als andere empfunden werden. Dieses Ergebnis befolgt in hohem Anteil die definierten Hauptregeln, die sagen dass der Konjunktiv I verwendet wird, wenn er eindeutig ist, sonst der Konjunktiv II (Duden, 2007:470). 36 Die Umschreibung mit „würde“ ist relativ häufig. Die Tendenz ist aber, dass diese Umschreibung vor allem statt altmodischem oder modusambivalentem Konjunktiv II vorkommt, wie bei den Verben „kennen“, „verlieren“ und „regnen“. Es ist zu bemerken, dass diese Umschreibung in dieser Untersuchung nie die Formen „sei“ oder „wäre“ ersetzt. Einige meinen, diese Konstruktion mit „würde“ sei falsch (Freund & Sundqvist, 1988:482), in Duden wird aber diese Konstruktion als Teil der Standardsprache betrachtet, wenn sie statt ungebräuchlichen Konjunktivs verwendet wird (Duden, 2007:474). Wie aus Kapitel 5 hervorgeht, sind die Regeln nicht ganz wasserdicht, und unterscheiden sich auch ab und zu zwischen den gewählten Grammatikbüchern. Es gibt aber ein paar Beispiele dafür, dass der tatsächliche Gebrauch sich deutlich von den Regeln unterscheidet. Erstens steht das Konjunktiv I nach dem Verb „wissen“ (s. Tabelle 15 S. 34), gegen die Behauptung, dass nur der Indikativ nach diesem Verb korrekt sei (Duden, 2007:470). Zweitens wird die Form „bräuchte“ verwendet (s. Tabelle 16 S. 35), die als nicht standardsprachlich betrachtet wird (Duden, 2007:186). Es muss aber betont werden, dass diese Antworten vielleicht nicht ganz den Sprachgebrauch der Informanten widerspiegeln. Es kann sein, dass die Informanten gerade weil sie gebeten wurden, die Sätze umzuwandeln, mehr nachdachten, als sie normalerweise beim Schreiben tun. 7. Schlussdiskussion Zwischen den drei Untersuchungen gibt es einige Unterschiede. Die drei Textarten wurden gewählt, um einen Überblick über den Modusgebrauch bekommen zu können. Darüber hinaus können die drei Untersuchungen mit einander verglichen werden. Obwohl die Materialien statistisch begrenzt sind, ist es möglich, einige Tendenzen zu festzustellen. In der Untersuchung vom Roman und der Untersuchung von den Zeitungsartikeln kommt die Umschreibung mit „würde“ + Infinitiv überhaupt nicht vor; in der Untersuchung von Deutschsprachigen war sie aber relativ häufig. Dies könnte bedeuten, dass dieser Gebrauch eher dem legereren Sprachniveau als dem der Zeitungssprache gehört. Der hohe Anteil dieser Umschreibung macht es jedoch sinnlos, diesen Gebrauch als falsch zu bezeichnen. Er wird tatsächlich von Deutschsprachigen in der Schriftsprache verwendet und ist eine gute Möglichkeit, veraltete Konjunktivformen zu vermeiden. In diesem Fall kann diese Konstruktion als Teil der Standardsprache betrachtet werden (Duden, 2007:474). In der Untersuchung von Deutschsprachigen kommt der Indikativ in der Indirekten Rede häufiger vor, als in den anderen zwei, die nur einzelne Beispiele dafür haben. Dies stimmt mit der Behauptung überein, dass der Indikativ in der indirekten Rede eher zur Alltagssprache gehöre (Freund & Sundqvist, 1988:483). In der Untersuchung von den Deutschsprachigen ist auch der Konjunktiv II häufiger, der in den 37 anderen zwei Teilen nur statt modusambivalenten Konjunktivs I oder in konditionalen Satzgefügen vorkommt. Der Konjunktiv II in der indirekten Rede wird nicht als falsch betrachtet, er ist gewöhnlich, oft ist der Konjunktiv I aber stilistisch besser. In Texten höheren Niveaus wird der Konjunktiv I nur selten mit dem Konjunktiv II ersetzt (Duden, 2007:473). Der Konjunktiv I dominiert aber auch in dieser Untersuchung, und im Ganzen ist zu sagen, dass die Ergebnisse aller drei Untersuchungen mit den Regeln übereinstimmen. 8. Weitere Ausblicke Diese Arbeit gibt nur einen kleinen Überblick vom Modusgebrauch in der indirekten Rede. Es gibt noch mehrere Aspekte, die interessant zu untersuchen wären. Wenn man Dialoge in zum Beispiel Hörspielen oder Filmen untersuchen würde, müsste man z.B. auch Sätze, in denen das Verb innerhalb der indirekten Rede in der 2. Person steht, wie etwa „Du sagtest doch, du…“ finden. In dieser Arbeit fehlen solche Sätze ganz, und deswegen wäre solche Materialien interessant zu untersuchen. Es wäre auch möglich, eine genauere Untersuchung der Redeanweisungen durchzuführen, um besser zu verstehen, welche Verben den Konjunktiv verlangen. Wie aus Kapitel 5 dieser Arbeit hervorgeht, sind die Regeln dafür nicht ganz deutlich. Zum Schluss ist also zu sagen, da der Konjunktiv in der indirekten Rede in der deutschen Sprache immer noch lebendig ist, und da es Unterschiede zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache gibt, verdient dieser Teil der Sprache, weiter untersucht zu werden. 38 Quellenverzeichnis Duden. (2010). Duden 10 - Das Bedeutungswörterbuch (4 Ausg.). Mannheim: Bibliographisches Institut AG. Duden. (2007). Duden 9 - Richtiges und gutes Deutsch (6. Ausg.). Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG. Duden. (1965). Sprachliche Zweifelsfälle - Wörterbuch der Hauptschwierigkeiten. Mannheim: Bibliographisches Institut AG. Engström-Persson, G. (1979). Zum Konjunktiv im Deutschen um 1800. Stockholm: Almqvist & Wiksell International Freund, F., & Sundqvist, B. (1988). Tysk grammatik (3. Ausg.). Stockholm: Natur & Kultur. Jäger, S. (1971). Der Konjunktiv in der deutschen Sprache der Gegenwart. München: Max Hueber Verlag. Kaufmann, G. (1976). Die indirekte Rede und mir ihr konkurrierende Formen der Redeerwähnung (1. Ausg.). München: Max Hueber Verlag. Linell, P. (1982). Människans språk (2 Ausg.). Lund: Liber. Rydén, K., Wengse, I., & Wistam, A.-L. (2003). Modern Tysk Grammatik (4 Ausg.). Uppsala: Almqvist & Wiksell. Schmidt, W. (2007). Geschichte der deutschen Sprache (10 Ausg.). Stuttgart: S. Hirzel Verlag . Thoursie, S. (2003). Zur Moduswahl in der indirekten Rede der Presse. Karlstad: Karlstad University Press. Weinrich, I. (2005). Medien. In Länderkunde Deutschland, Österreich, Schweiz und Lichtensein im Querschnitt. Marten, Thomas; Sauer, Fritz Joachim .