Fakultät Humanwissenschaften und Theologie Seminar: Vielfalt des Islam – Traditionen und Entwicklungen Ort: Zeit: Gast: Sitzungsprotokoll vom 29.01.2014 Protokollantinnen: A. Knox, S. Gaedecke, S. Witteck Seminarraum 2.213, Emil-Figge-Straße 50, Dortmund 14:15 bis 15:45 Uhr Mehmet Soyhun Eröffnung der Sitzung mit einer Meditationsrunde zu den Worten „Liebe ist die Zerreißung der Schleier und die Enthüllung der Geheimnisse“ aus: Geduld bringt Frieden. Mystische Lösung für jeden Tag, Frankfurt/M., 1984 Hierzu wurde bemerkt, dass das Zitat an das Zerreißen des Vorhangs im Tempel bei der Kreuzigung Jesu Christi erinnert. Organisatorisches durch Herrn Kirste: - Feedback zum Sitzungsprotokoll der Vorwoche - Hinweis zu den Aktualisierungen der (Aleviten- und Rezensionsseite) auf der Blogseite des Seminars: http://religiositaet.blogspot.de/2013/07/vielfalt-des-islam-traditionen-und.html Hauptthema des Seminars: Christlich-islamische Begegnungen: Voraussetzungen, Möglichkeiten und Realität des christlich-islamischen Dialogs Zur Biographie von Mehmet Soyhun - Geboren in der Türkei - Nach einer Familienzusammenführung das erste Mal im Jahr 1981 in Deutschland - Durchlaufen der Schullaufbahn in Deutschland - Studium der islamischen Theologie in der Türkei - Beginn des Magisterstudiums der Religionswissenschaften in der Türkei, Fortsetzung und Beendigung des Studiums in Deutschland - Heute: DITIB-Dialog-Beauftragter Geschichte und Nachfolge des Propheten Muhammad Der Prophet Muhammad wurde durch das Essen einer Lammkeule vergiftet. Zwar bekam er während des Mahls die Information über das Gift in dem Fleisch von dem Erzengel Gabriel, so dass er seine Mahlzeit abbrach, jedoch wurde Muhammad trotzdem krank. Heute wird gesagt, dass sein relativ früher Tod im Alter von 63 Jahren durch diese Vergiftung mitverursacht worden ist. Vor seinem Tod verlor der Prophet mehrmals das Bewusstsein. Als er sich wieder artikulieren konnte, wollte er sich Papier bringen lassen. Die Sunniten vermuten, dass er, wenn er es hätte aufschreiben können, Abu Bakr als seinen Nachfolger bestimmt hätte. Als der Prophet Muhammad verstorben war, gab es zunächst keinen Nachfolger. Abu Bakr, potentieller Nachfolger, der oftmals vorbeten sollte, war zum Zeitpunkt von Muhammads Tod nicht in der Stadt Medina. Daraufhin wollten die Medinenser jemanden als Nachfolger bestimmen, doch Omar, der auch bereits Gebete als Vertretung für Abu Bakr vorgelesen hatte, informierte Abu Bakr über die Zustände in Medina, so dass dieser handeln konnte. Die Medinenser ließen sich daraufhin von Abu Bakr als Nachfolger überzeugen. Dieser wurde als Staatsoberhaupt anerkannt und gewann an Loyalität. Die Nachfolge Muhammads traten somit an: 1. 2. 3. 4. Erster Kalif: Abu Bakr Zweiter Kalif: Omar Ibn al-Chattab Dritter Kalif: Othman Ibn Affan (Ali verlor die Wahl gegen diesen) Vierter Kalif: Ali Ibn Abi Talib (stammte aus der Familie des Propheten) Eigentlich wäre Ali für die Schiiten der natürliche direkte Nachfolger Muhammads gewesen, da er aus seiner Familie stammte, aber Ali selbst hat dieses Recht nie eingefordert. Aischa, die Frau Muhammads, führte Krieg gegen Ali, und zwar in der sog. Kamelschlacht: http://de.wikipedia.org/wiki/Kamelschlacht (abgerufen, 04.02.14). Der Sieg Alis führte jedoch zu weiteren Verwicklungen und schließlich zur Schlacht in Kerbela mit der Niederlage Alis: Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Karbala (abgerufen 04.02.14). Ermordung Alis im Jahre 661 n.Chr. 1 Fakultät Humanwissenschaften und Theologie Seminar: Vielfalt des Islam – Traditionen und Entwicklungen Sitzungsprotokoll vom 29.01.2014 Protokollantinnen: A. Knox, S. Gaedecke, S. Witteck Dr. Kirste wies in diesem Zusammenhang auf die Zeittafel auf der Seminarseite hin: http://www.rpi-virtuell.net/workspace/CFF7AB46-2FDA-475C-A6C7-3F92D3174C51/Seminare%20TUDO%202008ff/Isl-Zeittafel.pdf Muhammads geistiges Erbe Der Prophet hat den Koran als Gottesoffenbarung an die Menschen erhalten. Außerdem hinterließ er ihnen Sprüche und Begebenheiten = die Sunna, mit der Muhammads Lebensweg und alles, was zur Hadith (=Überlieferung des Propheten) gehört, gemeint ist. Die Isnad-Kette ist einzig im Islam. So wird festgehalten, wer was zu welchem Zeitpunkt wem über den Propheten berichtet hat. Diese Aussagen sollten dann immer direkt zum Propheten Muhammad zurück verfolgt werden und bestenfalls auch doppelt überliefert sein, damit die Quelle als authentisch gilt. Quellen des Islam 1. Quelle: Koran 2. Quelle: Sunna 3. Quelle: Analogieschluss 4. Quelle: Konsens der Gelehrten Diese vier Quellen sind von den Gelehrten unterschiedlich gedeutet worden, wobei alle Urteile aber legitim waren. Dadurch sind vier (sunnitische) Rechtsschulen übrig geblieben: 1. Hanafitisch -> Imam Abu Hanifa 2. Schafitisch -> Imam Schafii 3. Hanbalitisch -> Imam Ahmad b. Hanbal 4. Malikitisch -> Imam Malik Imam Malik war der einzige unter ihnen, der in Medina lebte. Alle anderen lebten außerhalb. Zwischenfrage Es wurde gefragt, ob man sich im Islam zu einer dieser Rechtsschulen „bekennen“ muss oder ob man selber entscheiden kann, welchen Aussagen von den jeweiligen Schulen man zustimmt. Herr Soyhun erklärte, dass, wenn man geboren wird, man aufgrund der Eltern einer bestimmten Rechtsschule angehört. Wenn man sich mit den Rechtsschulen nicht beschäftigt, bleibt man auch sein ganzes Leben bei dieser Rechtsschule. Man ist jedoch in der Wahl der Rechtsschulen punktuell frei und wenn man theologisch gebildet ist, so kann man auch zu eigenen Urteilen kommen. Man darf aber anderen seine eigene Meinung bezüglich des rechten Weges keinesfalls aufzwängen. Hinweise durch Herrn Kirste • Auf den Wikipedia Artikel zu den islamischen Rechtsschulen, der auch Untergruppen mit aufführt – Madhab (islamische Rechtsschulen): http://de.wikipedia.org/wiki/Madhhab • Auf eine Ausstellung: Religiöse Toleranz – Der Islam im Sultanat Oman http://www.religioese-toleranz.de/exponate/ Sunniten und Schiiten Herr Soyhun wies darauf hin, dass nur ca. zehn bis fünfzehn Prozent der Muslime auf der Welt schiitisch seien, die vor allem im Iran, Irak, in Syrien und auf der südlichen Ebene der Arabischen Halbinsel lebten. Der Rest sei sunnitisch. Seinem Wissen nach gibt es in Dortmund keine schiitische Glaubensgemeinschaft. Es könne sein, dass einige Schiiten sunnitische Moscheen besuchen würden, da dies kein Problem sei. In der DITIB gebe es aber keine Schiiten in der Mitgliederstruktur, obwohl auch hier die Moscheen für das Gebet jedes Muslim offen seien. Des Weiteren erwähnte Herr Soyhun, dass die Deustche Islam-Konferenz durch den Innenminister wieder einberufen werden soll. Interreligiöser Dialog Der Prophet Muhammad hat schon zu Lebzeiten in Medina Vertreter anderer monotheistischer Religionen empfangen und mit ihnen theologisch diskutiert. Bei einem Empfang sind im Nachhinein Verse offenbart worden, die im Dialog als Quelle gelten, wie z.B. Sure 3, Vers 64: „Sprich: 'O Volk der Schrift, kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns, dass wir nämlich Allah (Gott) allein dienen und nichts neben ihn stellen und dass nicht die einen von uns die andern zu 2 Fakultät Humanwissenschaften und Theologie Sitzungsprotokoll vom 29.01.2014 Seminar: Vielfalt des Islam – Traditionen und Entwicklungen Protokollantinnen: A. Knox, S. Gaedecke, S. Witteck Herzen annehmen neben Allah.' Und so sie den Rücken kehren, so sprechet: 'Bezeuget, dass wir Muslime sind.'“ Dieser Vers ist die zentrale Botschaft an die anderen, sich über die Einheit Gottes Gedanken zu machen. Muhammad hat auch ein Angebot von Polytheisten bekommen, dass sie ein Jahr lang den muslimischen Gott anbeten würden, wenn die Muslime danach ein Jahr lang die Götter der Polytheisten anbeten würden. Obwohl die Antwort hier natürlich negativ ausfiel, zeigt die Geschichte doch, dass Muhammad offen für Gespräche mit Anders-/Nichtgläubigen war. Außerdem ging es um die Sure 109, die im Deutschen „Die Ungläubigen“ heißt. Herr Soyhun merkte an, dass er es an einigen Stellen für besser halte „Ungläubige“ durch „Andersgläubige“ zu ersetzen. Dem Islam zufolge ist es wichtig, dass die Prophetenschaft des letzten Propheten anerkannt wird. Dies machen die Christen nicht. Hinweise durch Herrn Soyhun zu praktischen Dialog-Initiativen - Dortmunder Islamseminar - Arbeitskreis Integration mit aufrechtem Gang - Dialogtag in Krefeld - Friedenslicht der Religionen (Kunstprojekt und Begegnungsabende) - Religiöser Stadtplan Dortmund mit den Gottesdienstgebäuden der Religionen Zwischenfrage Wie kommen Dialoge bei „normalen“ Gläubigen an? Herr Soyhun antwortet auf die Frage, dass dies nicht immer einfach sei. Durch unterschiedliche Formate versucht man, immer neue Menschen zu gewinnen, manchmal auch durch den Fußball. Unterschiedliche Veranstaltungen, Pressearbeit und Öffentlichkeitsarbeit sind weiterhin wichtig, um neue Menschen zu gewinnen. Es verlangt ein hohes Maß an Kreativität, um auch Kritiker zu überzeugen. Herr Kirste bedankte sich bei Herrn Soyhun für seinen Besuch und seinen Vortrag und verabschiedete ihn. Die Sitzung endete mit einer abschließenden Meditation und dem bereits zu Beginn der Sitzung verlesenen Zitat: „Liebe ist die Zerreißung, der Schleier und die Enthüllung der Geheimnisse“ TU-DO/WiSe 2013-14 / Protokoll-29-01-13-Dialog, 29-01-2014 3