Themenpapier 5 - Zukunft statt Kohle

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Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD
Bundesamt für Landwirtschaft BLW
Fachbereich Ökonomie und Soziales
Themenpapier 5: Klimawandel, Luftverschmutzung
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Einleitung
Die Landwirtschaft spielt bezüglich Klimawandel und Luftverschmutzung – wie auch bei weiteren Umweltthemen – eine Doppelrolle. Einerseits trägt sie mit ihren Schadstoffemissionen zur Beeinträchtigung der Luftqualität und insbesondere mit den Treibhausgasemissionen zur globalen Erwärmung bei.
Auf der anderen Seite wirken sich hohe Schadstoffkonzentrationen in der Luft und der Klimawandel
direkt auf die Produktionsmöglichkeiten der Landwirtschaft aus. Dabei beeinflussen nicht nur langfristige sondern auch kurzzeitig auftretende Ereignisse aufgrund der unelastischen Nachfrage die Agrarmärkte stark. Dies insbesondere dann, wenn die Versorgungslage bereits angespannt ist.
2
Treibhausgase und Klimawandel
2.1
Globale Sicht
2.1.1 Treibhausgasemissionen und der Beitrag der Landwirtschaft zur Klimaveränderung
Die globalen Treibhausgasemissionen durch menschliche Aktivitäten sind seit vorindustrieller Zeit
angestiegen, mit einem Zuwachs von 70% zwischen 1970 und 2004. Energieversorgung, Verkehr und
Industrie sind die grössten Treiber, der Gebäudebereich, die Forstwirtschaft (einschließlich der Entwaldung) und die Landwirtschaft sind Sektoren mit einer vergleichsweise geringeren Zunahme. Kohlendioxid (CO2) ist das wichtigste anthropogene Treibhausgas. Seine jährlichen Emissionen haben
sich zwischen 1970 und 2004 um rund 80% von 21 auf 38 Mrd. Tonnen erhöht und machten im Jahr
2004 77% der gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen aus (Abbildung 1).
Abbildung 1:
Globale anthropogene Treibhausgasemissionen (gemäss UNFCCC)
Quelle: Climate Change 2007: Synthesis Report
Referenz/Aktenzeichen: 2008-03-28/230
Die Landwirtschaft emittierte 2005 schätzungsweise 5,1 bis 6,1 Mrd. Tonnen CO2eq (10-12% der
gesamten globalen anthropogenen Treibhausgasemissionen). Davon waren 3,3 Mrd. Tonnen CO2eq
Methan (rund 50% der globalen anthropogenen Methanmissionen) und 2,8 Mrd. Tonnen CO2eq
Lachgas (etwa 60% der globalen anthropogenen Lachgasemissionen). Beim CO2 wird angenommen
dass – trotz des großen jährlichen Austauschs zwischen der Atmosphäre und der landwirtschaftlichen
Flächen (v.a. Auf- und Abbau von Humus) – der Netto-Fluss etwa ausgeglichen ist und die Emissionen nur 0,04 Mrd. Tonnen CO2 betragen.
Landwirtschaftlich genutzte Böden (zu 38%) und die enterische Fermentation (zu 32%) stellen die
grössten Treibhausgasquellen der Landwirtschaft dar. Weiter tragen die Biomasseverbrennung (12%),
die Reisproduktion (11%) und das Hofdüngermanagement (7%) zu den direkten landwirtschaftlichen
Treibhausgasemissionen bei (Abbildung 2). Die indirekten Emissionen der Landwirtschaft umfassen
die Nutzung fossiler Kraftstoffe für den landwirtschaftlichen Betrieb inkl. Bewässerung, die Herstellung
von Agrochemikalien und die Umwandlung von Flächen für die Landwirtschaft. Werden direkte und
indirekte Emissionen berücksichtigt, liegt der Beitrag der Landwirtschaft im Jahr 2005 zwischen 8,5
und 16,5 Mrd. Tonnen CO2eq, was zwischen 17 und 32% aller globalen vom Menschen verursachten
Treibhausgasemissionen ausmacht.
Abbildung 2:
Quellen landwirtschaftlicher Treibhausgasemissionen (exkl. Landnutzung), Angaben in Mio. Tonnen CO2eq
Quelle: Bellarby et al. 2008
Die direkten landwirtschaftlichen CH4- und N2O-Emissionen haben von 1990 bis 2005 weltweit um
fast 17% zugenommen, was einer durchschnittlichen jährlichen Emissionssteigerung von rund 60 Mio.
Tonnen CO2eq entspricht. Gemäss Projektionen (FAO 2003) dürften die Methan- und Lachgasemissionen aus der Landwirtschaft bis 2030 um weitere 35 - 60% ansteigen, getrieben von wachsendem
Stickstoffdüngereinsatz und steigender Tierproduktion.
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2.1.2 Erwartete Entwicklung des Klimas
Das Klimasystem zeichnet sich durch eine grosse Trägheit gegenüber Veränderungen aus. Die Begründung dafür liegt einerseits in der langen Verweilzeit der Treibhausgase in der Atmosphäre (bei
CO2 beträgt sie 50 bis 200 Jahre) und andererseits im langsamen Austausch zwischen den Reservoirs (Atmosphäre – Ozeane – Landökosysteme). Unabhängig von heute getroffenen Massnahmen
wird sich das weltweite Klima als Folge der Treibhausgasemissionen in der Vergangenheit somit weiter erwärmen. Die heute ergriffenen Reduktionsmassnahmen werden aber die Entwicklung der Konzentrationen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts entscheidend beeinflussen.
Die mittlere globale Temperatur wird gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1980-1999 bis zum Jahr
2050 um 0.8-2.4 º C zunehmen und auch danach weiter ansteigen (IPPC, climate change 2007, the
IPPC fourth assessment report, 2007, http://www.ipcc.ch/press/index.htm). Die Unsicherheiten der
Temperaturszenarien sind nicht auf ungenaue Forschungsresultate zurückzuführen. Vielmehr sind sie
eine Folge der Unkenntnis betreffend der zukünftigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen globalen
Entwicklung, welche die Emissionen und somit Veränderungen im Klimasystem beeinflussen. Zudem
sind sie auch bedingt durch die Unterschiede der Klimamodelle, die für die Berechnung der Klimaszenarien verwendet werden.
Unmittelbare Folgen der globalen Erwärmung sind eine Zunahme der durchschnittlichen Wassertemperaturen und eine Erhöhung des Meeresspiegels. Zu den weiteren Auswirkungen gehören mit grosser Wahrscheinlichkeit auch:
-
Zunahme der Frequenz und Intensität von Hitzewellen und schweren Niederschlägen
-
Zunahme der Niederschläge in hohen Breitengraden und Abnahme in den meisten subtropischen Gebieten
-
Zunahme des Wasserabflusses in hohen Breitengraden und Abnahme in trockenen Gebieten
in mittleren Breitengraden und den Tropen
-
Abnahme der Wasserverfügbarkeit in semiariden Gebieten (Mittelmeerraum, Westküste der
USA, Südafrika, Nordostbrasilien).
2.1.3 Auswirkungen auf die Landwirtschaft
Für die weltweite Nahrungsmittelproduktion bedeutet dies folgendes (IPPC, WG2 "Impacts, Adaptation
and Vulnerability" report 2007, Kapitel 5, http://www.ipcc.ch/ipccreports/ar4-wg2.htm; Tabelle 1):
Höhere Temperaturen beeinflussen das Produktionspotenzial je nach Stärke der Zunahme
In den mittleren bis hohen Breitengraden sind bei ausreichendem Wasserangebot bei Temperaturzunahmen von 1-3 º C bescheidene Ertragszunahmen zu erwarten. In niedrigen Breitengraden sind hingegen bereits bei Temperaturzunahmen von 1-2 º C Ertragsabnahmen beim Getreide zu erwarten.
Insgesamt nimmt das Potenzial für die globale Nahrungsmittelproduktion bei einer moderaten Erwärmung zu. Sobald die Temperaturen aber um mehr als 3 º C zunehmen, nimmt das Potenzial ab. Durch
die Erhöhung des Meeresspiegels als Folge der Erwärmung gehen zudem Flächen für den Anbau
verloren.
Temperatur- und Wetterextreme beeinflussen das Produktionspotenzial negativ
Die Landwirtschaftlichen Erträge werden global durch extreme Wetterereignisse negativ beeinflusst.
Dazu gehören Hitzeperioden, Dürren, Starkniederschläge, Hochwasser, Stürme etc.. Zudem gibt es
indirekte negative Effekte wie beispielsweise die Zunahme des Feuerrisikos oder die Ausbreitung von
Schädlingen und Krankheiten.
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Phänomen und Richtung des Trends
Wahrscheinlichkeit des
zukünftigen Trends für
das 21. Jahrhundert
Beispiele für wesentliche projizierte Auswirkungen für
Land- und Forstwirtschaft und Ökosysteme
Über den meisten Landflächen wärmere und
weniger kalte Tage und Nächte; wärmere
und häufiger heiße Tage und Nächte
Wärmeperioden/ Hitzewellen: Zunahme der
Häufigkeit über den meisten Landflächen
Starkniederschlagsereignisse: Die Häufigkeit
nimmt über den meisten Gebieten zu
Von Dürre betroffene Gebiete nehmen zu
Praktisch sicher
Die Aktivität starker tropischer Wirbelstürme
nimmt zu
Zunehmendes Auftreten von extrem hohem
Meeresspiegel (ausgenommen Tsunamis)
Wahrscheinlich
Höhere Erträge in kälteren Gebieten; geringere Erträge in wärmeren Gebieten; zunehmende Massenvermehrung von Insekten
Geringere Erträge in wärmeren Regionen durch
Hitzebelastung; erhöhte Gefahr durch Flächenbrände
Ernteschäden; Bodenerosion, Verhinderung des
Anbaus durch Vernässung der Böden
Bodenbeeinträchtigung, geringere Erträge/Ernteschäden und -ausfälle; vermehrtes Viehsterben; erhöhtes Risiko von Flächenbränden
Ernteschäden; Windwurf (Entwurzelungen) von Bäumen; Schäden an Korallenriffen
Versalzung des Wassers für die Bewässerung, in
Flussmündungen und Süßwassersystemen
Tabelle 1:
Sehr wahrscheinlich
Sehr wahrscheinlich
Wahrscheinlich
Wahrscheinlich
Mögliche Auswirkungen der Klimänderung für die Landwirtschaft
Quelle: Climate Change 2007. Summary for Policymakers
Die Auswirkungen sind regional stark unterschiedlich (IPPC, WG2 "Impacts, Adaptation and Vulnerability" report, summary for policymakers, http://www.ipcc.ch/press/index.htm ): Am stärksten von den
negativen Auswirkungen werden Länder im Süden betroffen sein, insbesondere in Afrika, wo die notwendigen Ressourcen (Ersparnisse, Zugang zu Bankkrediten, Know-How, Zugang zu Wetterprognosen etc.) nicht vorhanden sind, um Strategien gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu entwickeln.
Wie wichtig diese Ressourcen z. B. im Bereich der Forschung sind, zeigen Anbauversuche mit Weizen bei unterschiedlichen Temperaturen (vgl. Abbildung 3). Mit gezielten Anpassungsstrategien (Sortenwahl, Anbaumethode: Bewässerung etc.) können die Ertragsverluste bei höheren Temperaturen in
Grenzen gehalten respektive der Ertrag sogar gesteigert werden (grüne Punkte). Die roten Punkte
hingegen zeigen die Ertragsveränderungen ohne Anpassungen im Anbau.
Abbildung 3:
Weizenerträge bei zunehmenden Temperaturen: Resultate ohne (rot) und mit
(grün) Anpassungen bei der Sortenwahl und im Anbau (Resultate aus Simulationsstudien)
Quelle: IPPC, WG2 "Impacts, Adaptation and Vulnerability" report 2007, Kapitel 5
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2.2
Klimaänderung und die Schweiz
2.2.1 Entwicklung der Treibhausgasemissionen
2006 emittierte die Schweizer Landwirtschaft gemäss nationalem Treibhausgasinventar rund 5.29
Mio. Tonnen CO2eq. Dies entspricht einem Anteil von rund 10% der gesamtschweizerischen Treibhausgasemissionen (53.21 Mio. Tonnen CO2eq, vgl. Abb. 4). Die Emissionen der Landwirtschaft sind
auf die Nutztierhaltung (2.30 Mio. Tonnen CO2eq), auf die landwirtschaftliche Böden (2.07 Mio. Tonnen CO2eq) und die Hofdüngerbewirtschaftung (0.90 Mio. Tonnen CO2eq) zurückzuführen. Der Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen schlägt darüber hinaus mit 0.61 Mio. Tonnen CO2 zu Buche.
Werden weiter noch Landnutzung und Landnutzungsänderungen hinzugezählt, erhöhen sich die
Emissionen um 1.05 Mio. Tonnen CO2.
Abbildung 4:
Beitrag der einzelnen Treibhausgasemissionen zu den Gesamtemissionen der
Schweiz und Anteil der einzelnen Sektoren je Gas
Quelle: Switzerland’s Greenhouse Gas Inventory 1990-2006, 2008.
Die gesamten landwirtschaftlichen THG-Emissionen haben sich zwischen 1990 und 2006 um gut 10%
vermindert (Zum Vergleich: Die Bruttoemissionen der Schweiz haben in diesem Zeitraum um knapp
1% zugenommen). Der Rückgang ist – methodenbedingt – hauptsächlich auf die Reduktion des Tierbestands und auf den verminderten Einsatz von mineralischem Stickstoffdünger zurückzuführen, und
beträgt bei den Methanemissionen 7.5%, bei den Lachgasemissionen rund 13.5%. Die CO2Emissionen aus dem Einsatz land- und forstwirtschaftlicher Maschinen sowie der Grastrocknung haben um 3% abgenommen. Die Abnahme der landwirtschaftlichen Methanemissionen ist im Wesentlichen vor dem Jahr 2003 erfolgt. Seit 2004 kann eine leichte Zunahme beobachtet werden. Diese Entwicklung ist auf die wieder zunehmenden Rindviehzahlen zurückzuführen.
2.2.2 Entwicklung des Klimas
Die kontinentale Lage und die komplexe Topographie der Alpen spielt eine grosse Rolle für das Klima
in der Schweiz. So ist auf regionaler Ebene und insbesondere im Alpenraum mit einem rund doppelt
so starken Anstieg der mittleren Temperatur im Vergleich zum globalen Trend zu rechnen. Die Analyse der Vergangenheit bestätigt diese Aussage: In der Schweiz sind die mittleren Temperaturen seit
1970 um rund 1.5 ° C angestiegen. Während den letzt en 30 Jahren sind die mittleren Jahrestemperaturen um einen Faktor 2.3 im Vergleich zu den Jahresmitteltemperaturen auf der nördlichen Hemisphäre angestiegen (Abbildung 5). In den letzten 20 Jahren wurden in der Schweiz fast ausschliesslich positive Temperaturabweichungen zum mittleren Referenzwert (1961-1990) registriert und die fünf
wärmsten Jahre der Zeitperiode 1864 bis 2007 fallen allesamt in die letzten zehn Jahre (Abbildung 6).
Weitere Klimaindikatoren wie Anzahl warme Jahre, Hitzetage, Tropennächte oder auch die Schneebedeckung im Mittelland belegen den Trend zu wärmeren Temperaturen in der Schweiz. Betreffend
mittlerem Jahresniederschlag über die ganze Schweiz lassen sich zum heutigen Zeitpunkt keine eindeutigen Trends beobachten. Es gibt jedoch Anzeichen sowohl für jahreszeitliche als auch regionale
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Veränderungen.
Abbildung 5
Jährliche Temperaturabweichung [°C] in der Schweiz im Vergleich zur Temperatur auf der Nordhemisphäre 1901 – 2004.
Quelle: Rebetez M., Reinhard M., 2007.
Abbildung 6
Abweichung der mittleren Jahrestemperatur in der Schweiz relativ zur Norm
1961-1990 (rot = positive, blau = negative Abweichung)
Quelle: MeteoSchweiz, 2008.
Neuste Modellrechnungen zeigen, dass bis 2050 in der Schweiz mit einer Erwärmung von etwa 2 °C
im Winter (Dezember, Januar, Februar) und 2.5 °C im Sommer (Juni, Juli, August) zu rechnen ist. Die
Unsicherheiten über diese Entwicklung sind relativ gross (Konfidenzintervall Winter: 0.9 – 3.4° C;
Sommer: 1.4 – 4.9 °C) – trotzdem muss davon ausgega ngen werden, dass die mittlere Temperatur
den bisherigen Schwankungsbereich deutlich verlässt. Beim mittleren Niederschlag wird für die
Schweiz im Winter mit einer Zunahme von etwa 8% und im Sommer mit einer Abnahme von rund 15
% gerechnet.
In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts werden sich die beschriebenen Änderungen verstärkt fortsetzen. Ohne eine globale Reduktion der Treibhausgase muss bis 2100 in der Schweiz mit einer
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Temperaturzunahme der Sommertemperaturen von rund 3.5 bis 7 °C gegenüber 1990 gerechnet
werden. Ein Durchschnittssommer wird dann in etwa dem Hitzesommer 2003 entsprechen. Dazu wird
es im Sommer deutlich trockener, im Winter dagegen feuchter werden. Auch einzelne extreme Wettereignisse werden sich bezüglich Charakter und Ausmass verändern. So werden Kältewellen und
Frostperioden seltener, Hitzewellen und Sommertrockenheit häufiger auftreten. Starkniederschläge
dürften im Winterhalbjahr zunehmen. Für die Entwicklung im Sommer gibt es keine verlässlichen
Prognosen. Betreffend Stürmen oder Hagel können noch keine Aussagen gemacht werden.
2.2.3 Auswirkungen auf die Schweizer Landwirtschaft
Sofern alle Bodennährstoffe und Wasser ausreichend vorhanden sind, erhöht eine Zunahme der atmosphärischen CO2-Konzentration, zusammen mit wärmeren Temperaturen und erhöhten Niederschlägen, den Ertrag vieler landwirtschaftlicher Kulturpflanzen. In kühleren Regionen verlängert sich
zudem die Vegetationsperiode. So haben Analysen bestehender Beobachtungen (global als auch
national) gezeigt, dass sich allein zwischen 1951 und 1998 die Vegetationsperiode signifikant um 2.7
Tage pro Jahrzehnt, also insgesamt um fast zwei Wochen, verlängert hat und dass sich bei vielen
Pflanzen in der derselben Zeitperiode der Spross- und Blühzeitpunkt durchschnittlich um 11.5 Tage
verfrüht hat. In trockenen Gebieten ergibt sich eine fördernde Wirkung aus der verbesserten Ausnutzung des verfügbaren Wassers durch die Pflanzen.
Diese positiven Wirkungen können durch andere Faktoren eingeschränkt werden: Die gleichzeitige
Einwirkung von Luftschadstoffen (z.B. Ozon) und zunehmender UV-B-Strahlung oder Veränderungen
im Nährstoff- und Wasserhaushalt der Agrarökosysteme dürften die Ertragssteigerungen begrenzen
oder – in seltenen Fällen – gar ins Gegenteil umkehren. In einem wärmeren Klima steigen das Risiko
für verschiedene Pflanzenkrankheiten und der Konkurrenzdruck durch Unkräuter in Ackerkulturen.
Wärmeliebende Arten könnten sich ausbreiten, beispielsweise Gräser subtropischen Ursprungs mit
geringerem Nährwert für Tiere oder vermehrt holzige Pflanzenarten. Eine Zunahme des KohlenstoffStickstoff-Verhältnisses der Pflanzen, verbunden mit einer Abnahme des Proteingehalts, steigert den
Insektenbefall. Auch die Qualität der landwirtschaftlichen Produkte ist von der Klimaänderung und der
Zunahme der atmosphärischen CO2-Konzentration betroffen. Beispielsweise sinkt der Proteingehalt
von Weizen, wodurch sich die Backqualität von Weizenmehl verschlechtert. Ebenso sinkt die Futterqualität von Wiesen, weshalb die Wiederkäuer mehr Methan produzieren. Auch die Zunahme der Intensität und Frequenz der Witterungsereignisse hat negative Auswirkungen. Beispielsweise fördert
eine Zunahme der Windgeschwindigkeit und der Niederschlagsintensität die Bodenerosion und damit
den Verlust von Nährstoffen und senkt die Bodenfruchtbarkeit.
Die schweizerische Landwirtschaft kann bei einer moderaten Erwärmung von 2-3°C von erhöhter Produktivität profitieren, sofern geeignete Massnahmen getroffen werden. Bei einer stärkeren Erwärmung
werden die negativen Effekte überwiegen, wie das Beispiel der Mittelmeerregion zeigt. Dort ist die
Produktivität schon jetzt im Sinken begriffen (Easterling et al., 2007). Langandauernde Trockenheit
führt allgemein zu reduzierter Produktivität und damit zu Ertragseinbussen. Im Hitzesommer 2003
ergaben sich beträchtliche Ertragsverluste (Italien: Mais 36%; Frankreich: Ackerbau 30%, Obstbau
25%; für die Schweiz gibt es ebenfalls entsprechende Schätzungen) und die Weinerträge waren auf
einem Jahrzehntetief. Dem Trend zunehmender Trockenheit kann durch künstliche Bewässerung
vorerst entgegengewirkt werden. Bei ungebremstem Klimawandel wird jedoch auch in der Schweiz die
landwirtschaftliche Produktivität langfristig beeinträchtigt sein, insbesondere wenn infolge früherer
Schneeschmelze und schwindender Gletscher während der Vegetationsperiode das verfügbare Wasser knapp wird. Auch die erhöhte Klimavariabilität wird die schweizerischen Landwirte vor besondere
Herausforderungen stellen und die Ertragssicherheit gefährden. Instabilitäten im Gebirge und Hangrutschungen, Murgänge und Hochwasser stellen sowohl für die landwirtschaftlichen Kulturen als auch
für Infrastrukturen und Gebäude eine Gefahr in den Alpen und Voralpen dar.
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3
Andere Luftschadstoffe
Bei Luftschadstoffen wird unterschieden zwischen solchen, die das Pflanzenwachstum in der Umgebung des Quelle negativ belasten, und solchen mit grossräumigen Effekten. Zur ersten Kategorie gehören Schwefeldioxid (Quelle: Kohlekraftwerke, Ölverbrennung), Fluoride (Quelle: Kohlekraftwerke,
Aluminium- und Stahlproduktion etc.), Ammoniak (Quelle: Düngung Landwirtschaft) und Stäuben
(Zementstaub etc.). Zur zweiten Kategorie gehören Oxidantien, vor allem Ozon (Quelle: Folgeprodukt
aus der Reaktion von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen aus Autoabgasen).
Die Luftverschmutzung hat Auswirkungen auf die Erträge im Pflanzenbau. Die Auswirkungen der Luftschadstoffe können sehr mannigfaltig sein: Ertragsveränderungen, Veränderungen der Proteingehalte, Krankheitsanfälligkeit. So haben Studien gezeigt, dass verschiedene landwirtschaftliche Kulturen
(beispielsweise Weizen und Kartoffeln), welche lange hohen Ozonbelastungen ausgesetzt sind, einen
geringeren Ertrag abwerfen. Die Ernteeinbussen fallen jedoch nach Kultur, Sorte und Region sehr
unterschiedlich aus, so dass keine generelle Aussage zum Ausmass der weltweiten Beeinträchtigung
der Erträge im Pflanzenbau aufgrund von Ozonbelastung im Speziellen als auch zur Luftverschmutzung im Allgemeinen gemacht werden können. Es ist davon auszugehen, dass sich die Schadstoffrisiken unter der Klimaveränderung ebenfalls ändern werden.
4
Schlussfolgerungen
-
Die Klimaerwärmung wird bis zu einem gewissen Schwellenwert die Produktionsbedingungen
in Mittel- und Nordeuropa tendenziell verbessern (wärmeres Klima, längere Vegetationsperiode), in anderen Regionen wie Südeuropa oder Nordafrika aber verschlechtern (verändertes
Niederschlagsregime). Besonders negativ dürfte Afrika betroffen sein, wo die notwendigen
Ressourcen fehlen, um sich optimal an die neuen Bedingungen anzupassen. Erschwerend
kommt dazu, dass Afrika gleichzeitig ein grosses Bevölkerungswachstum bewältigen muss.
Die unterschiedliche Betroffenheit der verschiedenen Weltregionen kann zu politischen Spannungen (Konflikte, Migration) führen.
-
Auf den Agrarmärkten ist zu erwarten, dass der Klimawandel aufgrund der Zunahme von Extremereignissen zu einer höheren Preisvolatilität führt.
-
Bei einem Anstieg der mittleren globalen Temperatur um mehr als 1,5-2,5°C (gegenüber dem
vorindustriellen Niveau) und einem gleichzeitigen Anstieg der CO2-Konzentration in der Luft
werden erhebliche Veränderungen der Struktur und Funktion von Ökosystemen sowie der
ökologischen Interaktionen und geografischen Verbreitung von Arten prognostiziert, mit
hauptsächlich negativen Folgen für die Biodiversität sowie für Güter und Leistungen der Ökosysteme wie zum Beispiel Wasser- und Nahrungsmittelversorgung. Aus diesem Grund ist die
Staatengemeinschaft aufgefordert, die Treibhausgasemissionen substanziell zu reduzieren:
der weltweite Treibhausgasausstoss muss bis 2050 mindestens halbiert werden und darf bis
Ende Jahrhundert je nach Entwicklung der Weltbevölkerung noch maximal 1 bis 1,5 Tonnen
CO2-Äquivalente pro Kopf betragen. [Heute emittiert die Weltbevölkerung 6,3 Tonnen CO2Äquivalente pro Kopf und Jahr. In der Schweiz beträgt der Ausstoss 7 Tonnen CO2Äquivalente pro Kopf und Jahr.]
-
Bei abnehmender Wasserverfügbarkeit (infolge früherer Schneeschmelze und Gletscherschwund während der Vegetationsperiode) wird auch in der Schweiz die landwirtschaftliche
Produktion negativ betroffen sein. Die verstärkte Variabilität des Klimas und die mögliche Zunahme der Extremereignisse dürften die Landwirtschaft vor weitere grosse Herausforderungen stellen. Neben der Reduktion der klimaschädlichen Emissionen sind daher ebenfalls die
notwendigen Anpassungen (z. B. Bewässerung) frühzeitig in die Wege zu leiten.
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Quellen
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(IPCC). Cambridge University Press, Cambridge, UK,NY pp. 497–540.
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