Die Fantasie für Flöte im Wandel der Zeit Wissenschaftliche Masterarbeit Zsuzsanna Hrtyan Matr. Nr. 0873197 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Institut 15: Alte Musik und Aufführungspraxis Betreuerin: Ao. Univ. Prof. Mag. phil. Dr. phil. Ingeborg Harer Juni 2016 Abstract Die Fantasie für Flöte im Wandel der Zeit Werke für Flöte, die – unabhängig vom Titel – als „Fantasien“ bezeichnet werden können, sind seit Jahrhunderten im Repertoire der Flöte anzutreffen, wenngleich das Instrument schon vor der Entstehung der musikalischen Gattung Fantasie existierte und es während der Entwicklungsgeschichte der Fantasie Unterbrechungen im Repertoire für die Flöte gab. Die Untersuchung ausgewählter Fantasien für Flöte im Laufe der Musikgeschichte zeigt, dass die Quantität der Fantasien für Flöte im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, wobei die Salon- und Opernfantasien als Basis für die Entstehung der Virtuosität dienten. Weiters ist festzustellen, dass die Anzahl der Kompositionen für Flöte, unter anderen auch der Fantasien, nach der Weiterentwicklung des Instruments durch Theobald Böhm einen deutlichen Aufstieg erreichte. Durch die bauliche Veränderung des Instruments waren viele Komponisten inspiriert neue Werke zu schaffen. Diese bereicherten das Flötenrepertoire mit bis heute oft aufgeführten Werken. Die vorliegende Arbeit zeigt Veränderungen in den verschiedenen musikalischen Stilen auf, die in Flötenfantasien vorkommen. Die „Freiheit in der Fantasie” einerseits im Aufbau der Komposition, andererseits als Gestaltungsmöglichkeit in der Aufführung erwies sich dabei als verbindendes Element. The Fantasia for flute throughout history Works for Flute, which - regardless of the title - can be referred to as "Fantasies" may be found in the flute repertoire for centuries, even though the instrument existed before the creation of the musical genre "Fantasy" and during the evolutionary history of the Fantasy substantial gaps occur in the repertoire for flute. The analysis of selected Fantasies for flute in the course of musical history shows that the quantity of flute Fantasies reached its peak in the nineteenth century, during which time the Salon and Opera Fantasies served as a basis for virtuosity. Futhermore, we can assert that the number of compositions for flute (including Fantasies) increased considerably after Theobald Böhm’s development of the instrument. Because of the constructural changes in the flute many composers were inspired to write new works which enriched the flute repertoire with works that are still often performed nowadays. The present thesis highlights the changes of different musical styles that occur in the history of the Flute Fantasy. At the same time, the aspect of "Freedom in Fantasy" concerning both, compositional structure as well as flexibility in performance, proves to be a unifying element. 2 Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................................................... 5 Einleitung ................................................................................................................................................. 6 1. 2. 3. 4. Fantasie ........................................................................................................................................... 9 1.1. Was bedeutet „Fantasie”? ...................................................................................................... 9 1.2. Was bedeutet das Wort „Fantasie” in der Musik? ................................................................ 11 Entwicklung der Fantasie .............................................................................................................. 14 2.1. Anfänge, Renaissance, 16. Jahrhundert ................................................................................ 14 2.2. Barockmusik, 17. Jahrhundert ............................................................................................... 16 2.3. Übergang zur Klassik, 18. Jahrhundert .................................................................................. 21 2.4. Romantik, 19. Jahrhundert .................................................................................................... 23 2.5. Zeit der Salonfantasien, 19. Jahrhundert .............................................................................. 25 2.6. Neue Musik, 20. Jahrhundert ................................................................................................ 26 Verschiedene Aspekte der Fantasie .............................................................................................. 28 3.1. Fantasie mit Doppelbezeichnungen ...................................................................................... 28 3.2. Pädagogische Rolle der Fantasie ........................................................................................... 30 3.3. Form ...................................................................................................................................... 32 3.4. Besetzung .............................................................................................................................. 33 Die Flöte und die Fantasien für Flöte ............................................................................................ 35 4.1. Fantasien für Flöte in der Barockmusik ................................................................................. 36 4.1.1. 4.2. Salonfantasien ....................................................................................................................... 41 4.2.1. 4.3. Georg Philipp Telemann: 12 Fantasien für Flöte ohne Bass TWV 40:2-13 .................... 37 Franz Doppler: Fantasie Pastorale Hongroise Op. 26 .................................................... 43 Opernfantasien ...................................................................................................................... 47 4.3.1. Franҫois Borne: Carmen-Fantasie ................................................................................. 49 4.3.2. Giulio Briccialdi: Lohengrin-Fantasie für Flöte und Klavier, op. 129 ............................. 53 4.3.3. Claude-Paul Taffanel: Fantasie über „Der Freischütz” .................................................. 58 4.3.4. Friedrich Kuhlau: Fantasie für Flöte allein D-Dur .......................................................... 61 4.4. Weitere berühmte Fantasien für Flöte.................................................................................. 65 4.4.1. Gabriel Fauré: Fantasie, Op. 79 ..................................................................................... 67 4.4.2. Georges Hüe: Fantasie................................................................................................... 70 4.5. Fantasien aus dem 20. Jahrhundert ...................................................................................... 74 4.5.1. Fantasien für Solo-Flöte ................................................................................................ 76 4.5.2. Ma Shui-Long: Fantasie für Flöte Solo, Op. 35. Nr. 6 .................................................... 77 3 4.5.3. 5. Fantasien für Piccoloflöte .............................................................................................................. 84 5.1. 6. Malcolm Arnold: Fantasy for flute, op. 89..................................................................... 80 Paul Agricole Genin: Fantasie für Piccolo und Klavier ........................................................... 85 Werke, ohne Fantasiebezeichnung ............................................................................................... 89 6.1. Werke für Flöte ohne Fantasiebezeichnung ......................................................................... 91 6.1.1. Franz Schubert: Introduction und Variationen über „Trockne Blumen” aus Die schöne Müllerin, D 802 .............................................................................................................................. 92 6.2. Der Katalog der Flötenwerke von Emil Prill und die häufigsten Fantasie-Themen ........... 96 Zusammenfassung................................................................................................................................. 99 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. 101 Primärliteratur ............................................................................................................................. 101 Sekundärliteratur ........................................................................................................................ 102 Internetquellen................................................................................................................................ 107 Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................................... 110 4 Vorwort Während meines Studiums der Querflöte bin ich immer wieder mit „Fantasien” in Berührung gekommen. Die, die ich einstudiert habe, z. B. die 12 Fantasien für Flöte ohne Bass TWV 40: 2-13 von George Philipp Telemann oder die Carmen-Fantasie von Franҫois Borne, beeindruckten mich stets sehr in ihrem jeweiligen Ausmaß an Freiheit und Kreativität. Da ich diese Aspekte, die sich in der Komposition selbst und auch in der musikalischen Ausführung zeigen, also im Musizieren, gründlicher erforschen wollte, habe ich das Thema „Fantasie” für meine Masterarbeit gewählt. Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass alle, die den Versuch unternehmen, Fantasien zu spielen, die zeitlichen und kulturellen Hintergründe dieser Stücken genau kennenlernen sollten, um die Stücke besser verstehen und interpretieren zu können. Es gibt sehr viele erhaltene Kompositionen mit dem Titel „Fantasie” oder ähnlich. Diese Arbeit beschäftigt sich zunächst damit, was das Wort Fantasie überhaupt und was die Fantasie in der Musik bedeutet. Grundsätzlich verlangt ja künstlerische Arbeit immer Fantasie! Wie aber verläuft die Geschichte der musikalischen Gattung Fantasie, wie hat sie sich während den Epochen geändert und wann kommt die Querflöte ins Spiel? 5 Einleitung Die Beschäftigung mit dem Thema „Fantasie” in der Musik führt zu einer Fülle an Materialien, Quellen, Literatur und schließlich einer unüberschaubaren Menge an Kompositionen, die „Fantasie” als Werkbezeichnung im Titel tragen oder aufgrund ihrer musikalischen Merkmale Fantasie genannt werden können. Folgende Fragen drängen sich auf: 1. Zur Wortbedeutung: Es zeigt sich, dass der Begriff Fantasie eine vielfältige Bedeutung annehmen kann und auch die deutschsprachige Schreibweise verschieden sein kann: Fantasie, Fantasia, Phantasie. In der vorliegenden Arbeit wird einheitlich der Begriff Fantasie verwendet, um den sprachlichen Fluss zu vereinfachen. Die Bedeutung des Begriffes selbst kann grundsätzlich auf drei Ebenen erfolgen.1 Vereinfacht ausgedrückt versteht man unter Fantasie - die Vorstellungskraft, die Voraussetzung für künstlerisches Handeln ist, - die Praxis des Musizierens im Bereich des individuellen Gestaltungsfreiraums, - die Titelbezeichnung für Kompositionen innerhalb der Instrumentalmusik. 2. Zur Werkbezeichnung Fantasie: Für welche Instrumente wurden die ersten Fantasien geschrieben und warum? Seit wann wurden Fantasien auch für Flöte komponiert und von welchen Komponisten sind diese Stücke? In welchen Epochen waren Fantasien für Flöte besonders populär? Wie hat sich die Fantasie für Flöte verändert und warum? 3. Aus der pädagogischen und interpretatorischen Sicht: Wie soll man eine Fantasie klanglich realisieren? Wie frei ist die „freie Fantasie” zu spielen? Folgendes Merkmal der Fantasien zeigt sich allgemein: Es sind oft hohe technische Herausforderungen an die Ausführenden gestellt. Daher stellt sich auch die Frage: Seit wann ist die Virtuosität eine signifikante Eigenschaft der Fantasie und damit verbunden des Instruments Querflöte? 1 Schipperges, Thomas und Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 316. 6 Bei der Erforschung des Themas zeigten sich folgende Lücken in der Literatur: Zur Geschichte der Fantasie findet man ausreichend Literatur. Das Problem ist jedoch, dass in der Entwicklung dieser Gattung wichtige Rollen oft nur die Laute und Tasteninstrumente gespielt haben und deswegen steht für diese Instrumente ein breiteres literarisches Spektrum zur Verfügung. Die Entwicklung der Gattung Fantasie beschreibt sowohl das Lexikon Die Musik in Geschichte und Gegenwart2 als auch das New Grove Dictionary of Music and Musicians bzw. Oxford Music Online.3 Die Geschichte ist jeweils nach Länder und Epochen geordnet. Obwohl die Flöte in diesen Artikeln kaum erwähnt ist, haben sie mir als Hauptquelle im Kapitel zur Entwicklung der Fantasie im Allgemeinen gedient. Nach einer erweiterten Suche war es noch immer schwierig ausführliche Berichte zu dem Thema zu finden. Während der Forschung nach Querflötenfantasien bin ich am häufigsten auf die 12 Fantasien für Flöte ohne Bass TWV 40:2-13 von George Philipp Telemann getroffen. In dem Magazin für Holzbläser, Tibia findet man Artikel zum Thema. Das Buch, Führer durch die Flöten-Literatur, herausgegeben von Emil Prill ist ein Katalog von allen existierenden Flötenwerken. Der Katalog wurde vermutlich 18994 herausgegeben und deswegen sind nur die bis zum 19. Jahrhundert komponierten Flötenstücke zu finden. Man kann untersuchen, wie viele Flötenfantasien nach Opernmelodien es überhaupt gibt und welches die am häufigsten vorkommenden Melodien sind. Es sind zahlreiche Fantasien von Komponisten aufgezählt, die man heutzutage weniger, oder gar nicht mehr kennt. Die Schwierigkeit bei der Suche nach Literatur, welche sich mit Querflötenfantasien beschäftigt, war, dass man zwar zahlreiche Noten und teilweise sogar verschiedene Ausgaben von den berühmteren Fantasien finden kann, man dazu aber kaum eine Beschreibung, eine Analyse oder einen Artikel darüber findet. Es ist auch nicht möglich in der Arbeit alle Beispiele tiefgehend von allen Seiten zu beleuchten, aber die wichtigsten Charaktereigenschaften der Fantasie werden in den Beispielstücken hervorgehoben und beschrieben. 2 Schipperges, Thomas und Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 316-345. 3 Drabkin, William: Art. Fantasie in: Oxford Music Online http://www.oxfordmusiconline.com.oxfordmusiconline.han.kug.ac.at/subscriber/article/grove/music/40048?q =fantasie&search=quick&pos=1&_start=1#firsthit 30.05.2016. 4 Führer durch die Flöten-Literatur. Grosser Katalog enthaltend über 7500 Nummern, zusammengestellt von Emil Prill. Leipzig [etc.] J. H. Zimmermann [1899?] Ergänzungsband. Neuerscheinungen von 1898-1912, zusammengesellt von Paul Lehmann." Leipzig, J. H. Zimmermann [1913?]. 7 Bei den Analysen der als Beispiel genommenen Stücken habe ich mich auf das Notenbild fokussiert. Vor allem die musikalischen Anweisungen, wie Dynamik, Tempoangaben und Charakterbeschreibungen, wurden betrachtet. Phraseneinteilungen und Akzente helfen dem Interpreten/der Interpretin beim stilgerechten Vortragen. Man kann oft nicht genau feststellen, ob die Ausdrücke von dem Komponisten oder von dem Herausgeber sind, aber für die Aufführung haben sie auf jeden Fall eine wesentliche Bedeutung. Der Hauptgedanke der Arbeit ist die Untersuchung der Freiheit der Fantasie, den Spielraum auszuloten, den heutige Musiker/Musikerinnen haben, um diese Kompositionen zum Erklingen zu bringen. 8 1. Fantasie 1.1. Was bedeutet „Fantasie”? Das deutsche Wort Fantasie ist in mehreren europäischen Sprachen fast vollkommen identisch. Sowohl auf lateinisch als auch italienisch heißt es fantasia, auf spanisch fantasía, auf französisch fantasie, auf griechisch phantasía, auf englisch ist es fancy und in den slawischen Sprachen fantázia oder fantazie.5 Die erste Bedeutung ist die Fähigkeit Gedächtnisinhalte zu neuen Vorstellungen zu verknüpfen, sich etwas in Gedanken auszumalen. Die Fantasie kann man unterschiedlich bezeichnen. Man kann zum Beispiel eine wilde, eine krankhafte und reiche Fantasie haben. Man kann auch überhaupt Fantasie haben oder eben gar keine Fantasie haben, aber auch viel, oder wenig. Wenn man viel Fantasie hat, dann übertreibt man alles maßlos. Man sagt auch: Du hast ja eine blühende Fantasie! Man kann eine ungewöhnliche Fantasie haben. Es kann unterschiedlich sein, positiv und auch negativ. Im negativen Sinne heißt es dann eine schmutzige Fantasie haben. Das ist, wenn man sich zu Unrecht etwas Unanständiges vorstellt. Es ist eine gute Frage, ob die Fantasie von Anfang an angeboren ist, oder es eine Sache ist, die man erlernen und entwickeln kann. Wenn man auf ein Problem eine kreative, einfallsreiche Lösung sucht, braucht man oft viel Fantasie und so gibt es den Spruch: Der Fantasie freien Lauf lassen. Wenn etwas nicht wahr, nicht realistisch, nicht möglich oder unvorstellbar ist, dann sagt man: Das ist nur in deiner Fantasie so, das ist nur ein Produkt deiner Fantasie. Das ist eine nicht der Wirklichkeit entsprechende Vorstellung. Es ist reine Fantasie, es ist das Gebilde der Fantasie, nicht wirklich nur ein Spiel. Folgende Synonyme zum Wort Fantasie können genannt werden: „Anschauungskraft, Vorstellungsgabe, Anschauungsvermögen, Vorstellungskraft, Einbildungskraft, Vorstellungsvermögen; Einbildungsvermögen, (bildungssprachlich) Imagination, Einfallsreichtum, Erfindergeist, Erfindungsgabe, Erfindungsreichtum, Findigkeit, Gedankenreichtum, Ideenreichtum; (gehoben) Schöpfertum; (bildungssprachlich) Kreativität, Originalität; (veraltend) Witz; (Sport, besonders Fußball) Spielwitz, Dichtung, Einbildung, Fantasiegebilde, Illusion, Irrealität, 5 http://www.duden.de/rechtschreibung/Fantasie_Einbildung_Traum_Musik 05.02.2016. 9 Kartenhaus, Kopfgeburt, Luftschloss, Phantom, Traumbild, Trugbild, Unwirklichkeit, Utopie, Vision, Vorstellung, Wahn, Wunschtraum; (bildungssprachlich) Fiktion, Imagination, Schimäre; (abwertend) Hirngespinst; (umgangssprachlich abwertend) Spinnerei” 6 Eine ganz andere Bedeutung hat das Wort Fantasia aber außerhalb Europas. Im arabischen Raum, vor allem in Marokko ist es ein berühmter, traditioneller Pferdesport. Fantasia ist der europäische Begriff dafür. Der Name ganz genau auf Deutsch übersetzt wäre Spiel des Pulvers. Die festlichen Reiterspiele sind vor allem in Nordafrika und Arabien, aber auch bei asiatischen Reitervölkern verbreitet.7 Fantasie ist ein Film aus dem Jahr 1940 von Walt Disney, der die Zeichentrickfilmfabrikation über alle Maßen umwälzte. Der Film ist in der Branche so eine berühmte und wichtige Produktion, dass es seit seiner Entstehung keine radikale Erneuerung in der Geschichte des Zeichentrickfilmes mehr gab. 8 Die Musik war angegeben, es waren unter anderen die folgenden berühmten Stücke von namhaften Komponisten der Musikgeschichte, wie von Johann Sebastian Bach: d-Moll Toccata und Fuge, Igor Strawinsky: Sacre du printemps, Franz Schubert: Ave Maria, Claude Debussy: Clair de lune, Amilcare Ponchielli: Tanz der Stunden, Ludwig van Beethoven: 6. Pastorale Symphonie und Pjotr Iljitsch Tschaikowsky: Nussknacker Suite. Die Musik wurde durch das Philadelphia Symphonieorchester eingespielt unter der Leitung des Dirigenten Leopold Stokowsky. Die Idee war, dass die Künstler, die Bilder zeichnen, ihren Fantasien freien Lauf lassen und mit ihrer Kreativität denken. Die Zuschauer können an der riesigen Leinwand spannende Geschichten mit den verschiedensten Fantasiegeschöpfen genießen.9 Der Film hatte nicht nur beim Publikum einen riesengroßen Erfolg, sondern auch die Filmkritiker hatten das hohe Niveau des Produkts positiv beurteilt. Ihre Kritik kann man in der Sammlung Kritische Notizen aus den Kinojahren 1945 bis 1958 nachlesen: „Originelle Illustration klassischer und moderner Musikstücke mit genialem Einfallsreichtum an Formen und Farben.“10 6 http://www.duden.de/rechtschreibung/Fantasie_Einbildung_Traum_Musik 05.12.2016. http://www.wissen.de/lexikon/fantasia-geschichte 05.02.2016. 8 http://movieweb.com/movie/fantasia/ 26.03.2016. 9 http://www.allmovie.com/movie/v16752/ 26.03.2016. 10 Brüne, Klaus (Hg.): 6000 Filme. Kritische Notizen aus den Kinojahren 1945 bis 1958. Handbuch V der katholischen Filmkritik, 3. Auflage, Verlag Haus Altenberg, Düsseldorf 1963, S. 110. 7 10 1.2. Was bedeutet das Wort „Fantasie” in der Musik? Nach der Betrachtung des Wortes „Fantasie” in der allgemeinen Bedeutung kann festgestellt werden, dass sie immer mit neuen Ideen, Kreativität und Freiheit in Verbindung gebracht wird. Wenn man an die Musik denkt, denkt man selbstverständlich an diese charakteristischen Gedanken. Musik regt die Fantasie an, sie beflügelt sie sogar. Auch im Duden findet man eine kurze, jedoch zutreffende Beschreibung, welche die Fantasie in der Musik betrifft: „Instrumentales Musikstück mit freier, oft improvisationsähnlicher Gestaltung ohne formale Bindung”11 Von dieser Beschreibung ausgehend kommen zwei Hauptaussagen zustande. Die Fantasia ist kein vokales Werk, sondern ist immer an ein Instrument gebunden. Es ist möglich, dass die Fantasie nicht für die Singstimme geeignet ist, da man mit dem Text und der Melodie nicht so frei umgehen und improvisieren kann. Die zweite Hauptaussage ist, dass die Stücke immer wie neu entstanden erklingen und an die Individualität des Spielers/der Spielerin gebunden sind. Der Interpret/die Interpretin hat in der Aufführung Freiheiten, wie die vorliegenden musikalischen Werke zum Klingen zu bringen und darzustellen sind. Und dies gilt als eines der Wesensmerkmale der Fantasie. Eine Beschreibung aus dem Musiklexikon, Musik in Geschichte und Gegenwart über die Wortbedeutung Fantasie lautet wie folgt: „Etymologisch ursprüngliche Bedeutung ist das Vorstellungsvermögen an als wesentlichen Teil des Schaffens und Nachschaffens und damit die Voraussetzung des Musikmachens. Das Wort findet sich in Traktaten des frühen 14. und 15. Jahrhundert.”12 Dieser Lexikon-Artikel zeigt in weiterer Folge, dass die Fantasie, als musikalische Gattung schon ganz früh in die Geschichte der Musik eingetreten ist. Die Fantasie als musikalische Gattung gibt es seit dem 14. Jahrhundert und wird bis zur Gegenwart ständig verwendet. Weil die Gattung sich durch alle Epochen zieht, ist es so schwierig sie und ihre Regeln, wenn sie überhaupt existieren, allgemein zu beschreiben. 11 http://www.duden.de/rechtschreibung/Fantasie_Einbildung_Traum_Musik, 05.12.2016. Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 327. 12 11 Aus diesem Grund, nämlich dass eine allgemeine Beschreibung der Regeln und der Eigenschaften der Fantasie schwierig ist, beschäftigt sich die Arbeit genau mit diesen Fragen, jedoch limitiert auf die Fantasie für Flöte. In allen Epochen gibt es andere Vorstellungen, Erwartungen und Schönheitsideale. Was in einem Stil erlaubt und sogar gewünscht ist, ist in einem anderen unerlaubt oder vollkommen verboten. Was kann und muss in der Noten stehen? Was war nicht nötig aufzuschreiben, weil es in der damaligen Zeit selbstverständlich zu spielen war? Wie frei kann man ein Stück nach den eigenenen Vorstellungen interpretieren und was verlangt die historische Aufführungspraxis? Große Bereiche, in denen man während der Aufführung seine Freiheit ausüben und genießen kann, sind zum Beispiel, wenn man ein Stück verziert oder eine Kadenz improvisiert wird. Die Verzierungen sollen aber nach Möglichkeit dem Stil der Epoche, dem Stil des Komponisten und den Gegebenheiten des Instrumentes entsprechen.13 Besonders seit den romantischen Fantasien spielt der Charakter und der Ausdruck der Gefühle eine wesentliche Rolle. Der Name Romantik kommt bekanntlich aus der Literatur und wurde nach dem Roman benannt. Die Charaktereigenschaften des Romans, welcher im 19. Jahrhundert in ganzen Europa verbreitet wurde, sind träumerisch, märchenhaft und üppig mit Emotionen. Die Themen sind oft Revolutionen, Reformen, gesellschaftliche Wandlungen und Bestreben nach Unabhängigkeit. Diese Angelegenheiten sind entscheidend im Leben des Menschen und deswegen ist es eindeutig, dass sie tiefste Gefühle auslösen können. Wenn man diese Hintergründe einer Epoche und noch genauer einer Komposition kennt, kann man besser eine passende Stimmung und Atmosphäre schöpfen und erzeugen.14 Fantasieren und Improvisieren sind Gedanken, die untrennbar sind. In der Neuen Musik kommt es zum Beispiel vor, dass eine Partitur wie eine Grafik ausschaut und es dazu keine Hinweise gibt, wie man das Stück konkret spielen soll. 15 Über das Konzept der „Offenen Form” schreibt Christoph Blumröder einen Artikel im Buch Terminologie der Musik im 20. Jahrhundert: 13 Cardin, Michel: Das Londoner Manuskript erklärt 5. Verzierungen mit Beispielen, London 2005, S. 2. http://www.irodalmiradio.hu/femis/zene/korzene/romantika.htm 27.03.2016. 15 Brinkmann, Reinhold (Hg.): Improvisation und Neue Musik, Mainz 1979, S. 98. 14 12 „das Prinzip der ’Offenen Form’, einer Form nämlich bei der Zeitablauf und Zeitdauer, kurz die musikalische Zeitgestaltung, nicht von vornherein festgelegt sind, einer Form, die ohne Anfang und Ende ist, einer Form, die sich in der Aufführung […] konstruiert.”16 16 Blumröder, Christoph: Offene Form, in: Eggebrecht, Hans (Hg.): Terminologie der Musik im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1995, S. 330. 13 2. Entwicklung der Fantasie Damit man sich bei den Fantasien für Flöte besser auskennen und leichter orientieren kann, welche Komponisten überhaupt für die Flöte komponiert haben und weshalb sie es so gemacht haben, sollte man vor allem mit einer chronologischen Übersicht über die Fantasie allgemein anfangen. In jeder Epoche ist die Fantasie dadurch definiert, dass ihre Gestalt von den, in der jeweiligen Zeit gültigen formalen, stilistischen und satztechnischen Normen abweicht 17 Es ist zu beachten, dass die Normen in allen Epochen unterschiedlich sind und der Charakter der Fantasie sich ständig diesen Normen entsprechend ändert.18 Da die Fantasie als Gattung ausgesprochenermaßen zur Instrumentalmusik zählt, spielte die Entwicklung der Instrumentalmusik und der einzelnen Instrumente eine wesentliche Rolle in ihrer Entwicklung.19 Außer den musikalischen Veränderungen der verschiedenen Epochen ist die Wandlung der Gesellschaft auch zu verfolgen. Was haben die Leute gedacht? Was waren die neuen Ideen und Entwicklungen in den verschiedenen Zeitaltern? Wie hat sich das Idealbild der Schönheit und die Ӓsthetik der Künste und der Musik geändert? Wenn man während unterschiedlicher Epochen das Maß der Freiheit in der Musik betrachtet, gibt es wesentliche Abweichungen. Es gab viele verschiedene Voraussetzungen und feste Regeln, die manchmal streng ausgeschrieben waren und ein anderesmal durch verbale Tradition existierten und so fortbestehen konnten. 2.1. Anfänge, Renaissance, 16. Jahrhundert Der Gedanke der Freiheit und des Individuums gewann in der Renaissance eine wichtige Bedeutung. In der Schrift De dignitate hominis aus dem 15. Jahrhundert von Pico della 17 Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 6. Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 7. 19 Betz, Marianne: Fantasie, Leipzig 2001, in: http://www.sim.spk-berlin.de/static/hmt/HMT_SIM_Fantasia.pdf 28.03.2016. 18 14 Mirandola steht geschrieben, dass der Mensch frei ist und sich nicht nach Urbildern richten oder Bindungen anstreben muss. „Keinen festen Ort habe ich dir zugewiesen und kein eigenes Aussehen, ich habe dir keine dich allein auszeichnende Gabe verliehen, da du, Mensch, den Ort, das Aussehen, die Gaben, die du dir wünschst, nach eigenem Willen und Ermessen erhalten und besitzen sollst. Die bestimmte Natur der übrigen Wesen wird von Gesetzen eingeschränkt, die ich gegeben habe. Du sollst deine Natur ohne Beschränkung nach deinem freien Ermessen selbst bestimmen.”20 Eine Besonderheit der Renaissance war die Bewunderung des Genies. Das Genie stand in der Renaissance für den aus sich selbst heraus schaffenden Künstler, der die Natur nicht nur nachahmt, sondern der vollendet, was die Natur selbst noch nicht vollenden konnte. Ein Genie hat Ideen, die keiner vorher hatte und wegen dieser Schöpferkraft ist es der kreativste und fantasievollste Mensch.21 Schon seit dem frühen 16. Jahrhundert steht „Fantasie” im Titel für Instrumentalwerke, wobei die Spontanität und die Nähe zur Improvisation in dieser Zeit im Vordergrund steht.22 Wahrscheinlich weil sie kein Melodieinstrument ist, sondern nur die eigene Melodie begleiten kann, gehört die Fantasie in der 1. Hälfte des 16. Jahrhundert fast ausschließlich dem Lautenund Vihuelaspiel an. Die Vihuela ist ein spanisches Zupfinstrument, das im 16. Jahrhundert seine Blütezeit erlebte. Der berühmte Meister und Komponist dieser Zeit war Luis de Milán.23 Sein eigenständiges Musizier- und Vortragsstück, El maestro aus dem Jahr 1536 nähert sich der Fantasie, da Modifikationen des Tempos in Richtung freies Spiel erwünscht sind.24 Eine neue Phase in der Geschichte der Entwicklung der Fantasie begann um 1560 in Italien. Statt der Zupfinstrumente, wie die Laute und die Vihuela, kommen für die Polyphonie besser geeignete Tasteninstrumente in Mode. Bedeutendster Komponist für Cembalo und Orgel war Girolamo Frescobaldi. Unter seinen Kompositionen für Tasteninstrumente sind zahlreiche Toccaten, Capriccen, Variationen, Tänze und Fantasien erhalte. 25 Diese Fantasien der Renaissancemusik haben ihre Freiheit in der Form so, dass sie mehrteilig sind, ihre Freiheit in 20 Zitiert nach Mirandola, Pico della: De hominis dignitate/ Über die Würde des Menschen, Schwaetzer, Harald: Phantasia naturalis. In: System & Struktur. Neue Zeitschrift für spekulative Physik Band V / Heft 2, 1977, S. 151. 21 http://interfiction.wikidot.com/genie 28.03.2016. 22 Art. Fantasie: in: Dahlhaus, Carl (Hg.): Brockhaus Riemann Musiklexikon, Mainz 1978, S. 389. 23 http://www.allmusic.com/artist/luis-de-mil%C3%A1n-mn0001197222/biography 17.02.2016. 24 Thiel, Eberhard: Sachwörterbuch der Musik, Stuttgart 1962, S. 141. 25 http://portraits.klassik.com/people/template.cfm?KID=1201 17.02.2016. 15 ihrem Metrum zeigen, durch Wechseln zwischen Zwei- und Dreizeitigkeit. Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist, dass sie ihre Themen variieren.26 Freie Improvisation innerhalb der Gattung der Instrumentalkomposition verläuft im Kontext der Erfindung des Notendrucks. Das Instrument Laute wird wieder eine größere Bedeutung gewinnen und damit fängt die Orientierung an einem breiteren Publikum an. Die Orgel bleibt im Kirchenraum, aber die Laute ist leicht transportierbar und kommt so leicht in die Hausund Hofmusik. Parallel zur wachsenden Anzahl publizierter Lautenbücher seit 1536 begegnet man dann auch der Fantasia als Titelbezeichnung von Musikstücken.27 Am Ende des 16. Jahrhunderts stand die Fantasie in Spanien und in Italien dem Ricercar nahe und war weniger eine Gattung als die Tätigkeit der Improvisation.28 Im 16. Jahrhundert ist damit ein freies Instrumentalstück gemeint. Ricercar ist also Vorläufer sowohl von der Fantasie als auch von der Fuge. 29 Die folgende Beschreibung ist eine Definition dieser Gattung: „[Ricercar] bedeutet suchen, forschen und meint im musikalischen Sinne improvisieren. Das Ricercar ist eine Instrumental-Komposition vorwiegend für Laute oder für Tasteninstrumente aus dem 16. Jahrhundert und zeichnet sich durch eine freie musikalische Gestaltung aus. Es ist beeinflusst von der musikalischen Form der Motette und besteht aus einer losen Aneinanderreihung von Durchführungen, in denen jeweils ein anderes Thema vorherrscht.”30 Es zeigt sich hier, wie komplex Definitionsversuche von Fantasien verlaufen und wie häufig Überschneidungen mit anderen musikalischen Erscheinungsformen vorkommen wie eben mit Ricercar und - wie später gezeigt wird - Fuge, Cappricio, Variation. 2.2. Barockmusik, 17. Jahrhundert Der Triumph ist das Zentralthema der barocken Kunst. Man hat versucht in jedem Bereich der Kunst etwas zu schaffen, was für immer bleibt. Gleichsam ist das Barockzeitalter das Zeitalter der Fantasie, die notwendig war, um die Menschen geistig zu erheben. 26 Thiel, Eberhard: Sachwörterbuch der Musik, Stuttgart 1962, S. 141. Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 318. 28 Thiel, Eberhard: Sachwörterbuch der Musik, Stuttgart 1962, S. 141. 29 http://www.musikurlaub.com/lexikon/ricercar.html 17.02.2016. 30 http://mcbriner.ch/musik-2/ 28.03.2016. 27 16 „Triumphal ist das gesteigerte, oft übersteigerte Lebensgefühl, mit dem uns die Persönlichkeiten der Zeit von Bildnissen und Denkmälern entgegensehen. Triumphal ist der Geist, aus dem heraus Schlösser, Kirchen, Plätze, ja selbst ganze Stadtanlagen entstanden. In den barocken Gärten mit ihrem geometrischen Regelmaß, ihrer Strenge und mit den technischen Wunderwerken ihrer Wasserspiele triumphiert die Kunst des Barock sogar über die Natur.”31 Die Musik der Barockzeit ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr das individuelle im Vordergrund steht, sondern das nach bestimmten Regeln systematisch lehrbare. In Rom, Venedig und Neapel entstanden die ersten öffentlichen Opernhäuser, die an den Höfen Europas bald nachgeahmt wurden. Das Theater wurde zum Statussymbol des Hochadels. Die Technik der Themenabwandlung und –verschlüsselung wird im 17. Jahrhundert zum Hauptmerkmal der Fantasie. Sie ermöglicht ein hohes Maß an individueller Erfindungsfreiheit in der Instrumentalmusik.32 Im England des 17. Jahrhunderts war die Fantasie, fancy, eine eigenständige Tradition. Sie hatte für die spätere Entwicklung der Fantasie eine wesentliche Bedeutung. Es wurden tänzerische und folkloristische Elemente aufgenommen. 33 Neben der Sololautenmusik, den Tanzformen und Variationen sind die Fantasien die wichtigste thematisch freie Instrumentalform. In England war John Dowland der berühmteste Lautenkomponist seiner Zeit. Es sind von ihm zahllosen Drucke überliefert. Er stellt mit seinen Fantasien den Spieler/die Spielerin vor eine Herausforderung, weil alle diese eine Fülle komplex ausgearbeiteter Details haben sowie eine große Bandbreite an Stimmung und Charakter.34 Es ist ganz interessant, dass der rein instrumentalen Fantasie in Frankreich um 1610 vokale Themen zugrunde liegen.35 Der wichtigste Komponist dieser Form der Fantasie ist Albert de Rippe. Seine Werke sind exzellente Beispiele des polyphonen Satzes. Sie werden als kompositorischer Maßstab für das ganze Jahrhundert festgelegt, genauso wie in England John Dowlands und in Italien Francesco Canova da Milanos Werke vorbildgebend waren.36 Der niederländische Komponist Sweelinck hatte eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Fantasie im 17. Jahrhundert. Seine Werke sind oft homophone Echostücke, die diminuierende 31 http://m.schuelerlexikon.de/mobile_kunst/Merkmale_und_Zentralthema_des_Barock.htm 29.03.2016. Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 9. 33 Thiel, Eberhard: Sachwörterbuch der Musik, Stuttgart 1962, S. 141. 34 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 323. 35 Thiel, Eberhard: Sachwörterbuch der Musik, Stuttgart 1962, S. 141. 36 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 322. 32 17 und augmentierende, durch Zwischenspiele gegliederte Durchführungen eines Themas sind. Das ist so, wie die Variation. Variationsstücke werden später in der Romantik auch als Fantasien bezeichnet. Es ist auch ein Vorläufer. In Deutschland im 17. Jahrhundert ging die Fantasie für ein Ensemble von Musikern wohl aus der einheimischen Schuldidaktik hervor, während die Klavier- und Orgel-Fantasien die stärkste Anregung empfing. 37 Hinzu kommen Choral-Fantasien, die die Spezialität der Organisten waren. Sie sind entweder Bearbeitungen von Chorälen oder Kirchenliedern. Die imitierende Behandlung eines freien Themas wird schließlich unter dem Name Fuga weitergeführt. Erwähnenswert sind aus Osteuropa, die Fantasien von Bálint Bakfark. Über das individuelle und einzigartige Schaffen des aus Ungarn stammenden reisenden Virtuosen wird folgendes berichtet: „Seine Fantasien sind exzeptionell Meisterwerke, ausgezeichnet durch konzise Formung außergewöhnlicher Längen, strikte polyphone Satzgestaltung in meist freier Imitation, große Varietät der Textur und stark persönlich geprägte Ornamentation.”38 Eine weitere Variation des Begriffes Fantasie soll hier erwähnt werden: Die Bezeichnung Stylus Phantasticus stammt vom Musiktheoretiker Athanasius Kircher. Er meint damit die musikalische Erscheinung, in der mehrere soggetti verwendet und manchmal so stark geändert werden, dass die Abwandlung kaum mehr erkennbar ist.39 Der deutsche Komponist und Musikschriftsteller, Johann Mattheson beschreibt die Freiheit des Stylus Phantasticus als kompositorische und interpretatorische Kunst in seinem Werk Der vollkommene Capellmeister, wie folgt: „Der Stylus Phantasticus ist die allerfreieste und ungebundenste Setz-Sing- und Spiel-Art, die man nur erdencken kan, da man bald auf diese bald auf jene Einfälle geräth, da allerhand sonst ungewöhnliche Gänge, versteckte Zierrathen, sinnreiche Drehungen und Verbrämungen hervorgebracht werden, ohne eigentliche Beobachtung des Tacts und Tons; bald hurtig bald zögernd; bald ein- bald vielstimmig; bald auch auf eine kurze Zeit nach dem Tact: ohne Klang-Maasse; doch nicht ohne Absicht zu gefallen, zu übereilen und in Verwunderung zu setzen.“40 37 Art. Fantasie in: Dahlhaus, Carl (Hg.): Brockhaus Riemann Musiklexikon, Mainz 1978, S. 389. Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 324. 39 Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 10. 40 Mattheson, Johann: Der vollkommene Capellmeister, Kapitel 10, §93, Hamburg 1739, S.88. 38 18 Schon im 18. Jahrhundert, aber noch immer in der Barockmusik war Johann Sebastian Bach der letzte Komponist, der Expressivität, Virtuosität und alle Möglichkeiten der damaligen Orgel- und Klavierinstrumente ausnutzte. Von seinen 15 überlieferten Fantasien ist die berühmteste die Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903, die viele rezitativische Bögen und reichen Modulationen beinhaltet. 41 Wegen ihrer harmonischen Ungebundenheit und Taktfreiheit ist sie zukunftsweisend. Aber es gibt noch eine deutliche Trennung zwischen einem „ordentlichen” Eingangsteil und Schlussteil. 42 Die Kadenz ist noch planvoll. Diese Fantasie ist jedoch deutlich ein Schrittmacher in Richtung „Freie Fantasie”, weil sie alle genannten Elemente und Möglichkeiten des Stylus Phantasticus in sich zu einer neuen, eigenständigen Ausdrucksmittel vereint.43 Carl Philipp Emanuel Bach war inspiriert von den Werken seines Vaters, Johann Sebastian Bach. Er entwickelt aber neue Gedanken und so entsteht eine komplett neue Musik, die freie Fantasie, genauer die freye Fantasie, wie in der damaligen Zeit genannt wurde. In seinem Werk Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen beschreibt er, was für ihn eine Fantasie bedeutet und wie man diese nach seiner Meinung spielen soll.44 „Die Dauer der Noten wird durch das vorgesetzte Moderato überhaupt und durch die Verhältniß der Noten unter sich besonders bestimmt. Die Triolen sind hier ebenfalls durch die blosse Figur von drey Noten zu erkennen. Das Fantasiren ohne Takt scheint überhaupt zu Ausdrückung der Affeckten besonders geschickt zu seyn, weil jede Tackt-Art eine Art von Zwang mit sich führet. Man siehet wenigstens aus den Recitativen mit einer Begleitung, daß das Tempo und die Tacktarten offt verändert werden müssen, um vielen Affeckten kurz hinter einander zu erregen und zu stillen. Der Tackt ist alsdenn offt bloß der Schreibart wegen vorgezeichnet, ohne daß man hieran gebunden ist. Da wir nun ohne diese Umstände mit der Freyheit, ohne Tackt, durch Fantasien dieses auf unserem Instrumente bewerkstelligen können, so hat es dieserwegen einen besonderen Vorzug.” 45 Die 3. Fantasie, Allegro moderato aus der f-Moll Sonate (Wq 67) ist ein gutes Beispiel für diese freie Kompositionstechnik, die für die Fantasie charakteristisch ist. C. Ph. E. Bach schreibt von Taktart und Metrum losgelöst und erzeugt einen ständigen Wechsel zwischen dem Aufbauen und Zurücknehmen von Affekten. 41 Thiel, Eberhard: Sachwörterbuch der Musik, Stuttgart 1962, S. 141. Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 336. 43 Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 14. 44 http://www.cpebach.de/ueber-bach/noch-mehr-bach/das-fantasieprinzip-und-die-freie-schoenheit 18.02.2016. 45 Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen, Berlin 1753, Faksimilenachdruck, Wiesbaden 1992, S. 123. 42 19 Dies ist im Notenbild gut erkennbar: Notenbeispiel 1: C. Ph. E. Bach: Fantasia in F-sharp minor, Wq 67 An einer anderen Stelle in seinem Buch, Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen beschreibt C. Ph. E. Bach noch genauer, was er unter Fantasie versteht: „Eine Fantasie nennt man frey, wenn sie keine abgemessene Tacteintheilung enthält, und in mehrere Tonarten ausweichet, als bey andern Stücken zu geschehen pfleget, welche nach einer Tacteintheilung gesetzet sind, oder aus dem Stegreif erfunden werden [Sie] bestehet aus abwechselnden harmonischen Sätzen, welche in allerhand Figuren und Zergliederungen ausgeführet werden können.” 46 Fehlen von Taktstrichen, improvisatorische Natur, kühne Harmonik mit Trugschlüssen und enharmonische Verwechlungen machen seine Fantasien aus. So sind die Hälfte seiner Fantasien nicht mit Taktstrichen versehen. Fantasieren ist eine improvisatorische Kunst, damit ist gemeint, dass die Regeln nicht schriftlich fixiert sind. So haben zum Beispiel die Fantasien von Wilhelm Friedemann Bach schlicht imitativen Charakter. Die Werke sind sozusagen 46 Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen, Berlin 1753, Faksimilenachdruck, Wiesbaden 1992, S. 325. 20 lediglich als Gerüste überliefert, die in der Praxis virtuos ausgeschmückt und umspielt wurden.47 Carl Philipp Emanuel Bachs Theorie über die Fantasie fand nicht nur in der Musik, sondern auch in der Philosophie Bedeutung. Immanuel Kant verweist in einem Text über die „freie Schönheit” in seinem Werk Kritik der Urteilskraft auf Bachs „freye Fantasien”. „Man kann auch das, was man in der Musik Phantasien (ohne Thema) nennt, ja die ganze Musik ohne Text zu derselben Art zählen.“48 Die zwischen 1783 und 1785 komponierten „freyen Fantasien” haben Stilelemente der Toccata und des Praeludiums verarbeitet und taktmäßig geordnete Mittelpunkte gruppiert. Teilweise fehlen auch hier die Taktstriche.49 2.3. Übergang zur Klassik, 18. Jahrhundert In der Klassik hat die Fantasie eine verhältnismäßig geringe Bedeutung. Das für Fantasien oft benutzte Instrument, das Cembalo, kam gegen Ende des Jahrhunderts langsam aus der Mode und mit dem Aufkommen des Hammerflügels entstand eine neue Klangästhetik. Wolfgang Amadeus Mozart hat die Werke von J. S. Bach und C. Ph. E. Bach studiert und sich von diesen inspirieren lassen. Er lernte von deren Fugen, Suiten und Fantasien. In seiner CDur Fantasie und Fuge K. V. 394 ist die Fantasie erst später zu der darauf folgenden Fuge als Einleitung hinzugefügt worden. Die sogenannte Kleine Fantasie, in C-Dur K. V. 395, nennt W. A. Mozart in einem Brief an seine Schwester Nannerl „nur so ein Capriccio - um das Clavier zu probiren”. Trotzdem haben die Fantasien in seinen Klavierwerken eine große Bedeutung. Die c-Moll Fantasie K. V. 396 und die d-Moll Fantasie K. V. 397 sind heute die im Klavierunterricht am häufigsten gespielten. 50 In diesen Kompositionen findet man die typischen Merkmale einer Fantasie, wie die formale Ungebundenheit, Aufwärts- und 47 Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 337. 48 Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft, Berlin 1790, Teil 1, §16 49 http://www.cpebach.de/ueber-bach/noch-mehr-bach/das-fantasieprinzip-und-die-freie-schoenheit 18.02.2016. 50 Keller, Hermann: 1963 ∙ Bemerkungen zu Mozarts d-Moll-Fantasie In: Acta Mozartina. Mitteilungen der deutschen Mozart-Gesellschaft e.V., Zehnter Jahrgang 1963, Heft 4 http://www.hermannkeller.org/content/aufsaetzeinzeitschriftenundzeitungen/1963bemerkungenzumozartsdmollfantasie.html 18.02.2016. 21 Abwärts-Akkordzerlegungen. Das Thema ist wie ein vokales Werk angelegt, es ist sehr melodisch. Sowohl diese Sangbarkeit, als auch die Fermaten geben dem Interpreten/der Interpretin im Ausdruck viel Freiheit.51 Die Werke von W. A. Mozart sind inspirierend und haben eine große Wirkung für die Fantasien der nächsten Epoche und ihre Komponisten. Zwar wird Ludwig van Beethoven meist noch zu den klassischen Komponisten gezählt, einige seiner Kompositionen fallen jedoch bereits in die Romantik. Sein Kompositionsstil ist wie eine Brücke zwischen zwei Epochen. Die beiden berühmten Klaviersonaten op. 27 Nr. 1 und 2 tragen den Untertitel quasi una fantasia.52 In dem Werk passieren ungewöhnliche Sachen, die zu diesem Zeitpunkt für den Zuhörer völlig neu waren. Nach dem Titel erwartet man Dramatik und Kontraste, es gibt aber Gleichförmigkeit durch die ständige Triolen-Bewegung und das gibt ihr eine ruhige Stimmung. Der Musikverein Wien hat sich mit dem Mythos der Mondscheinsonate beschäftigt und in einem Artikel der Monatszeitung wurde die Wirkung dieser Fantasie dem Zuhörer im Vergleich zu anderen Stücken L. van Beethovens publiziert: „Es ist gerade die für Beethoven so ungewohnte Einheit der Stimmung, die es möglich machte, diesem Adagio – dem wohl populärsten Satz aller Beethoven-Sonaten – Konkretes überzustülpen und es romantisch zu verklären. Kein anderes Stück des Komponisten hat die Fantasien der Hörer derart entzündet.”53 Die Fantasie bei W. A. Mozart und L. v. Beethoven ist ganz anders. Während die Fantasien W. A. Mozarts der Zuhörerschaft das Gefühl geben, dass alles improvisiert ist und immer neue Themen angefangen werden, so dass die bisherigen noch nicht beendet sind, so ist bei L. v. Beethoven der Fall anders. Den ersten Satz der Sonate, welche unter dem Namen Mondschein-Sonate bekannt geworden ist, folgen gleich ohne Pause die anderen Sätze. Obwohl es noch nicht das einzige Werk mit nahtlosen Übergängen ist, ist es ein Vorläufer der späteren Fantasie, die alle Ideen und Melodieabschnitte in ein einziges Werk zusammenfasst.54 51 Bartha, Dénes: Mozart zongoraműveiről, Budapest 1942, S. 47. Art. Fantasie in: Dahlhaus, Carl (Hg.): Brockhaus Riemann Musiklexikon, Mainz 1978, S. 390. 53 Artikel: Mythos Mondscheinsonate, in: https://www.musikverein.at/monatszeitung/show_artikel_pdf.php?artikel_id=1460 29.03.2016. 54 http://music.stackexchange.com/questions/6078/is-beethovens-title-sonata-quasi-una-fantasia-anoxymoron-and-does-the-title 29.03.2016. 52 22 2.4. Romantik, 19. Jahrhundert In der Romantik hat sich die Gattung der Fantasie im wesentlichen innerhalb der Klaviermusik weiterentwickelt. Der Terminus Fantasie wird mehr und mehr als Werkbezeichnung verwendet, wobei gleichzeitig die Gestaltungselemente des Imitierens, Improvisierens etc. allmählich zurücktreten. Fantasie dient zunächst als Hilfsterminus und kann beispielsweise ein Suitensatz oder Concertosatz sein. Freiheit in der Interpretation wird ein wesentliches Charakteristikum dieser notierten Fantasien. Es gibt drei Komponisten im 18. Jahrhundert, die sich schon damals über die Gattung Fantasie geäußert haben. Der französische Musiktheoretiker und Komponist, Sébastien de Brossard bezeichnete 1703 die Fantasie als völlig freie Gattung, die mit dem Capriccio verwandt ist. Der deutsche Musikschriftsteller und Komponist, Johann Mattheson schrieb 1739, dass Fantasie ist, wenn alle regelnden und einschränkenden Momente untypisch sind. Der eher als Philosoph und Schriftsteller bekannte Jean-Jacques Rousseau, war auch Komponist und meinte 1775, dass die Fantasie sich vom Capriccio durch ihre völlig freie und ungeregelte Faktur unterscheidet.55 Wie schon vorher mit der Brücke zwischen Klassik und Romantik erwähnt wurde, tritt mit L. v. Beethoven eine neue Phase ein. Auf einer Seite stehen die klar strukturierten Gattungen, auf der anderen Seite die „unordentliche” Fantasie. Die Grenzen verwischen sich. In den Sonatensätzen entwickeln sich freiere Durchführungsteile. Die Tonartenwechsel häufen sich und die harmonischen Zusammenhänge werden komplexer.56 Der Grundgedanke dieser Zeit war, dass sich keine Musik ohne Fantasie denken läßt. „Auf solche Weise hören und spielen wir aber nichts, als lauter Phantasien. Unsere Sonaten sind Phantasien, unsere Ouvertüren sind Phantasien und selbst unsere Sinfonien, wenigstens die von Beethoven […].”57 55 Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 336. 56 http://www.komoly-zene.eoldal.hu/cikkek/mufajok/fantazia.html 29.03.2016. 57 Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 339. 23 Die Bezeichnung wird nicht mehr als schrittmachend, für ein von der Norm abweichendes Werk verwendet, sondern für Werktypen, die sich schwer in eine bestimmte musikalische Gattung einordnen lassen.58 Oft wurden Stücke als Fantasie bezeichnet, wenn sich der Komponist für den Titel nicht entscheiden konnte, oder wenn die Stücke der ursprünglich geplanten Form nicht mehr entsprachen. Als Beispiel für die Anlehnung an bereits existiterende Formen, wie die der Sonate, kann die Wanderer-Fantasie D 760 von Franz Schubert genannt werden. Es kommt auch vor, dass Komponisten eine Reihung einzelner abgeschlossener Fantasie-Stücke zu einem Zyklus ordnen. Ein Beispiel dazu ist die Kreisleriana op. 16 von Robert Schumann. Eine ganz wesentliche Veränderung ist, dass die Fantasie im 19. Jahrhundert zum Potpourri in der Salonmusik quasi „absinkt”, wenngleich der Salonmusik heute bereits wieder ein eigener (nicht abwertender) Stellenwert zugesprochen wird. 59 Die virtuose Großform ist die Opernfantasie, für die Franz Liszt als einer der bedeutendsten Komponisten gilt, vor allem in der Klaviermusik. Die Orchesterfantasie steht der Sinfonischen Dichtung nahe, erhielt aber während ihrer Entwicklung wieder eine strengere Form.60 F. Liszt schrieb in einem Brief 1868 an die Pianistin und Kunstförderin, Maria Kalergi, dass er in diesen Stücken nur die Bravour und die Bewunderung des Publikums sieht und die Wiederholungen langweilig findet: „[...] zur ewigen Gymnastik der tobenden Oktaven verurteilt. Was ist das doch für eine widerliche Notwendigkeit in dem Virtuosenberufe – dieses unausgesetzte Wiederkäuen derselben Sachen!”61 Ob es wirklich um eine Rückfälligkeit des Niveaus in der Musik und in der Gattung der Fantasie geht, wie es das Brockhaus Riemann Musiklexikon 1978 aufweist, kann man heute wegen den hohen technischen Erwartungen von dem Vortragenden bezweifeln. Da für Flöte zahlreiche Salon- und Opernfantasien komponiert wurden, spielen diese Begriffe eine wesentliche Rolle und werden in dieser Arbeit noch genauer beschrieben und durchleuchtet. Der Begriff Fantasie wird jedoch im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich wieder allgemein verwendet. Es wird einerseits eher eine Grundgstimmung, wie Melancholie ausgedrückt, andererseits lässt der Komponist den Zuhörer/die Zuhörerin selbst entscheiden, was für 58 Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 13. Art. Fantasie in: Dahlhaus, Carl (Hg.): Brockhaus Riemann Musiklexikon, Mainz 1978, S. 390. 60 Thiel, Eberhard: Sachwörterbuch der Musik, Stuttgart 1962, S. 141. 61 Brief Liszts an Marie von Kalergis 1868, Zit. nach Voelcker, Franz Liszt, S. 194. 59 24 Gefühle die Musik bei ihm gerade erweckt und so wird der Begriff nicht für eine spezifische Form oder Gattung verwendet. 2.5. Zeit der Salonfantasien, 19. Jahrhundert Im 19. Jahrhundert haben die Salon- und Opernfantasien eine große Bedeutung bekommen. Sie sind nicht mehr an ein erlesenes Publikum, sondern an einen breiten Zuhörerkreis gerichtet. Das hatte einerseits eine reduzierte Komplexität der Kompositionen zu Folge. Andererseits wird vom Spieler/von der Spielerin eine ausgezeichnete Technik erwartet und es besteht die Möglichkeit sowohl Virtuosität als auch Musikalität voll zu präsentieren. Das Klavier wird ein beliebtes Instrument bei privaten Hauskonzerten, damit wird die Zugänglichkeit dieser Stücke für ein großes Publikum möglich. Auch andere Besetzungen werden beliebt, wie zum Beispiel Fatasien und Bravourstücke für Klavier zu vier Händen, für Soloinstrumente mit Klavierbegleitung oder für Salonorchester. Unter dem Titel Fantasie finden sich hier Bearbeitungen allgemein bekannter und damals bereits beliebter Kompositionen.62 Obwohl die Fantasie noch immer eng mit dem Klavier verbunden bleibt, wird sie auch für Orchester immer verbreiteter. Ein gutes Beispiel ist die 4. Symphonie op. 120 von Robert Schumann. Er nannte sie in ihrer ersten Fassung, die 1841 veröffentlicht wurde, Symphonische Fantasie. Im 19. Jahrhundert wird das Orchester erweitert und dadurch werden viele der Melodie- und Soloinstrumente weiterentwickelt. Auch durch Verbesserungen im Instrumentenbau ergab sich für die Musiker sowohl beim solistischen Spiel als auch im Orchester die Möglichkeit für mehrere Klangfarben und Effekte. R. Schumann meinte, dass die zahllosen Kompositionen von Opernfantasien und Variationsstücken einen Mangel an Produktivität von neuem musikalischen Material mit sich bringt, da die bearbeiteten Themen schon gegeben waren. Die Komponisten gaben ihren Werken exotische Titel, damit sie das Interesse der Zuhörer erweckten und das Publikum faszinierten.63 62 Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 340. 25 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die Technik der Variation sehr wichtig. Die Variation ist ähnlich wie die Fantasie, weil diese Gattung auch auf der Kreativität des Komponisten basiert. In dieser Zeit entstanden unglaublich viele Fantasien und Variationsstücke. 2.6. Neue Musik, 20. Jahrhundert Die wichtigste Veränderung im 20. und 21. Jahrhundert im Vergleich zu den anderen Epochen ist die Erweiterung der Tonalität. In der Tradition der atonalen Musik kommt die Fantasie nur selten vor. Beispiele sind unter anderem die Phantasy für Oboenquartett von 1932, von dem englischen Komponisten Benjamin Britten, die quasi eine programmatische zyklische Struktur hat64 und das Scherzo fantastique op. 3 von Igor Strawinsky aus dem Jahr 1907, bei dem ein hohes Maß von chromatischer Harmonik zu bemerken ist. Andere wichtige Grundlagen der gesamten Neuen Musik, außer der tonalen Freiheit, ist das Fehlen jeder allgemeinverbindlichen stilistischen oder gattungstechnischen Norm oder Bindung.65 Wichtigstes Beispiel für die Fantasie in der Neuen Musik ist die Fantasie für Violine mit Klavierbegleitung op. 47, aus dem Jahr 1949 von Arnold Schönberg, einem der zentralen Komponisten der atonalen Musik. Dieses Stück ist ein spezielles Beispiel auf Grund der folgenden zwei Aspekte. Der erste ist ein Zurückblicken auf das sogenannte FantasieTombeau. Das Werk ist ein Tombeau, hat also einen Klagecharakter und wurde für den Geiger Adolph Koldofsky komponiert. 66 Die zweite Besonderheit ist, dass sich in dieser Epoche die Freiheit der Fantasie nicht gegen die Norm der Zeit richtet, sondern gegen den Personalstil des Komponisten selbst. Das folgende Zitat beweist, wie A. Schönberg im Gegensatz zu seinem persönlichen Stil, zu den klassischen Formen zurückgreift und klare Harmonien und Strukturen verwendet, die in den früheren musikalischen Epochen häufig waren. 64 Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 341. 65 Schleuning, Peter: Die Fantasie II, 18. bis 20. Jahrhundert, Köln 1971, S. 20. 66 Schleuning, Peter: Die Fantasie II, 18. bis 20. Jahrhundert, Köln 1971, S. 21. 26 „Die Bezeichnung Fantasie ist mit Bedacht für die freiere Art gewählt, in der Schönberg hier im Gegensatz zu seinen früheren Werken Form bildet und die dodekaphone Methode anwendet. Es zeigt sich darin Schönbergs enge Bindung an die von ihm auf das genaueste studierten historischen Vorbilder (Bach, Mozart, Beethoven)”67 Wegen dieser individualistischen Freiheitsbewegung wird die Fantasie als Gattungsbezeichnung sinnlos. Ab diesem Punkt dient die Fantasie nur für den Titel der Musikstücke und hat nichts mit einer wie immer definierten Gattung zu tun. 67 Schönberg, Arnold: Die formbildenden Tendenzen der Harmonie, Mainz 1954, S. 162. 27 3. Verschiedene Aspekte der Fantasie 3.1. Fantasie mit Doppelbezeichnungen Der Name Fantasie wird in vielen Titeln oft mit anderen Wörter zusammen benutzt. Diese Doppelbezeichnungen erleuchten den Inhalt des Stückes oft besser. Solche Doppelbezeichnungen der Fantasie sind noch aus der Renaissance überliefert, zum Beispiel die Ricercar-Fantasia und das Fantasia Capriccio. Ӓhnlich wie das Ricercar, das eine freiere musikalische Gestaltung erlaubt, zeigt das Capriccio die individuelle Komponierweise des Komponisten und verfolgt das Ziel, sich vom Gewöhnlichen abzusetzen. So wie auch bei der Fantasie werden eigene Einfälle über die Regeln des Komponierens gestellt.68 Cantus-firmus Fantasien sind die Bearbeitungen der schon gegebenen cantus firmi. Ein Cantus firmus besteht aus einer festgelegter Melodie und aus mehrere Stimmen, die die Melodie umspielen.69 Fantasie-Suite sind Fantasiesätze mit einer Folge von Tanzsätzen. 70 Die der Suite fast immer angehörenden Tänze sind: Allemande, Courante, Sarabande und Gigue. 71 Diese Tanzsätze werden so geändert, dass sie nicht mehr nur in die Form der Suite passen, sondern mehr Freiheiten bekommen. Die berühmtesten Ostinato-Fantasien stammen vom holländischen Komponist Jan Pieterszoon Sweelinck. Sie wiederholen ihr Grundthema konstant gegenüber frei figurierten Gegenstimmen, die Länge des Themas wird verändert und die Stimmenanzahl wächst an. Die Hauptgruppe der imitierenden Fantasien ist gleichfalls monothematisch, aber mehrteilig. J. P. Sweelinck erschöpft hier nahezu alle Möglichkeiten imitierender Echoeffekte, dynamischer 68 http://www.sim.spk-berlin.de/static/hmt/HMT_SIM_Capriccio-caprice.pdf 29.02.2016. http://www.cantus-firmus.ch/pages_de/chor/definition/ 29.02.2016. 70 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 328. 71 http://www.wissen-digital.de/Suite_(Musik) 29.02.2016. 69 28 Abstufung, Registerwechsel durch Oktavtransposition, Farbkontraste durch verschiedene Manuale.72 Variations- und Ostinatofantasie sind ähnlich wie die Chaconne. Zum Beispiel von Johann Pachelbel oder Johann Krieger. Die Fantasie von Krieger heisst auch Chaconne en rondeau. Das Thema kommt immer wieder zurück.73 Imitationsfantasie ist die Fantasie, welche sich im 17. Jahrhundert aus der Fuge entwickelt hat. Sie hat die Freiheit der Stimmführung und der Imitation.74 Die Choral-Fantasien sind vielgliedrige Choralbearbeitungen der deutschen Organisten im 17. Jahrhundert. 75 Es kommen weltliche und geistliche Melodien in die Fantasie. Das ist die einzige Art der Fantasie, die seit ihrer Entstehung bis heute noch immer lebt und deswegen ist es interessant wie sie sich in verschiedenen Epochen verändert hat.76 Ganz berühmt sind die insgesamt sieben Choral-Fantasien von Max Reger, darunter Drei Choral-Fantasien op. 52 Max Reger für Orgel, die er 1900 komponierte. Adalbert Lindner über Regers ChoralFantasie ’Ein feste Burg ist unser Gott’, op. 27 (1898): „Ich fühlte es deutlich: das waren Klänge von einer solch ehernen Wucht, erhabenen Majestät und Weihe, wie sie seit den Tagen Johann Sebastian Bachs wohl nicht mehr von eines Sterblichen Geist ersonnen; das waren Stentorstimmen, Heroldsrufe, die den Anbruch einer neuen Epoche auf dem Gebiete der Orgelliteratur verkünden mussten.“77 Die Komponisten von Choral-Fantasien sind Organisten, wie Matthias Weckmann, Franz Tunder, Jan Adams Reincken oder Heinrich Scheidemann. Diese Choral-Fantasien entstanden nach den berühmten Chorälen von J. S. Bach und sind meistens für die Orgel komponiert, aber es gibt auch Bearbeitungen für Blechbläser und sogar Blockflöten. 72 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 333. 73 Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 13. 74 Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 11. 75 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 335. 76 Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 12. 77 http://www.capriccio-kulturforum.de/index.php?thread/6520-reger-max-fantasie-%C3%BCber-den-choral%E2%80%9Eein-feste-burg-ist-unser-gott%E2%80%9C-op-27/ 30.03.2016. 29 Parodie-Fantasie ist eine Fantasie mit überraschenden Einfällen auf der Basis eines vorgegebenen Themas.78 Während der Nachahmung der Komposition muss die musikalische Substanz des Werkes erkennbar bleiben. Bei Frédéric Chopin findet man Titelkombinationen im Zusammenhang mit der Fantasie, wie zum Beispiel Polonaise-Fantasie Op. 61 oder Fantasie-Impromptu Op. 66. 79 Das Wort „Impromptu” kommt aus dem Lateinischen „in promtu“ was „in Bereitschaft“ bedeutet. Es bezeichnet eine Komposition, die sich nicht an klassischen Vorbildern orientiert. Es greift entsprechend der romantischen Ästhetik, den augenblicklichen, vorübergehenden Gemütszustand auf. Es geht hierbei natürlich nicht darum, auf eine wohldurchdachte Werkform zu verzichten, sondern um die Darstellung des emotionalen Ausdrucks.80 Wie schon in der Entwicklungsgeschichte der Fantasie erwähnt wurde, sind die Opernfantasien in der Romantik Potpourris bekannter Opernnummern, die sich im Gegensatz zur Salonfantasie zu einer besonders anspruchsvollen Form entwickelten. Sie entstanden auf der Basis bekannter Ausschnitte der damals beliebten Opern, wie zum Beispiel die Don-JuanFantasie für Klavier von Franz Liszt nach Themen aus Mozarts Don Giovanni.81 3.2. Pädagogische Rolle der Fantasie Schon zur Zeit der Entstehung der Fantasie im 16. Jahrhundert gab es für das Saiteninstrument, z. B. die Vihuela de mano, Stücke, deren didaktische Intention durch Beiworte wie fácil und difícil instrumenten- oder kompositionstechnische Eigenheiten in den Mittelpunkt rückt. Die umfangreichste Fantasiensammlung des 16. Jahrhunderts mit 40 Stücken heißt El maestro und stammt vom valencianischen Adeligen Luis de Milán. Seine didaktische Intention ist, dass die Sätze progressiv nach Schwierigkeitsgrad angeordnet sind. Zentrales Problem ist die Ausbildung des Klanglichen. Es sind effektvolle Wechsel von Akkordik und raschen 78 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 330. 79 Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 339. 80 http://www.chopin-musik.com/w_impromptu66.php 29.02.2016. 81 Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 340. 30 Passagen, Tempomodifikation und Ornamentation, virtuose Skalen und Arpeggien in elegantem Spiel und perfekter Darbietung. Miláns Fantasien stehen so an der Schwelle zwischen spontaner Improvisation und planvoller Strukturierung.82 Die schon erwähnten Choralfantasien sind vielgliedrige und nicht selten auch didaktisch ausgerichtete Choralbearbeitungen der deutschen Organisten im 17. Jahrhundert. Zentraler Ort der Ensemblefantasie in Deutschland ist die Musikausbildung, die pädagogisch motivierte systematisch-kompositorische Aufarbeitung von Melodiebildung, Moduslehre und kontrapunktischer Kunstfertigkeit. In dem Lehrtraktat Compendium musicae steht: „Gleichfalls unter didaktischem Aspekt sind Fantasien vielfach als schlichte Einzelsätze neben anderen Spielstücken (Fuga, als streng kanonische Form, Canzon mit Abschnittswiederholung) [zu betrachten]”83 Im 18. Jahrhundert wird das Wort Fantasie für die virtuos, studienartigen Sätze, wie zum Beispiel die Sätze einer Sonate oder Tanzsätze von Suiten, verwendet. Es gibt auch mehrere Instrumentalzyklen, beispielweise von Georg Philipp Telemann (wie die 12 Fantasien für Flöte ohne Bass TWV 40:2-13), von denen später noch die Rede sein wird. Die Gliederung und die stilistische Gestaltung dieser Stücke sind fest gebunden. Die Freiheit des überraschenden Wechsels oder die Taktfreiheit sind hier nicht anzutreffen.84 In welcher Form die Tanzsätze einen zielführenden Unterrichts- und Lernstoff bieten, beschreibt Johann Philipp Kirnberger 1877 in der Vorrede seiner Sammlung Recueil d’Airs de danse caractéristiques: „Um die zum guten Vortrag nothwendigen Eigenschaften zu erlangen, kann der Tonkünstler nichts besseres thun, als fleissig allerhand charakteristische Tänze spielen. Jede diese Tanzmusiken hat ihren eigenen Rhythmus, ihre Einschnitte von gleicher Länge, ihre Accente auf einerley Stellen in jedem Satz; man erkennt sie also leicht, und durch das öftere Executiren gewöhnt man sich unvermerkt, den einer jeden eigenen Rhythmus zu unterscheiden […].”85 82 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 321. 83 Gumpelzhaimer, Adam: Compendium Musicae, zitiert nach: Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 327. 84 Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 13. 85 Kirnberger, Johann Philipp: Recueil d’Airs de danse caractéritiques, Berlin 1777, S. 1. 31 Weil diese Stücke mit hohem Unterhaltungswert, Abwechslungsreichtum und Spielwitz geschrieben sind, ist es eine pädagogische Aufgabe, dies dem Schüler/der Schülerin für einen entsprechenden Vortrag zu vermitteln.86 3.3. Form Die Fantasie ist gekennzeichnet von ihrer formalen Freiheit. Diese Tatsache wird auch dadurch bestärkt, dass Komponisten gelegentlich dann den Titel Fantasie wählten, wenn sie nicht wussten, wie sie eine Komposition, die sich nicht in eine Kategorie einordnen ließ, nennen sollten. Sowohl in der Anfangszeit, als auch in den späteren Zeiten ist für die Fantasie die Tendenz zur monothematischen Anlage typisch sowie die Transformation des einen grundgelegten soggettos. Die Techniken der Themenaugmentation, -diminution oder -umkehrung können dabei ergänzt werden durch metrische Verschiebungen und proportionale Veränderungen. Reiche Chromatik und untypische formale Abrundung im Wiederaufgreifen einzelner Imitationsabschnitte kommt auch häufig vor, wie zum Beispiel die Form: A B C D A’ beziehungsweise A A B C D E F F’87 Der englische Komponist und Musikschriftsteller der Renaissance, Thomas Morley, definiert folgendermaßen, wie man eine Fatasie komponieren soll: „The most principal and chiefest kind of Music which is made without a ditty (Text) is the Fantasy, that is when a musician taketh a point (soggetto) at his pleasure and wretcheth and turneth it as he list, making either much or little of it according as shall seem best in his own conceit. In this may more art be shown than in any other music because the composer is tied to nothing, but that he may add, diminish and alter at his pleasure. And this kind will bear any allowances whatsoever tolerable in other music.”88 86 Reidemeister, Peter: „…gnung, wenn’s nütztet und ergetzet” Bemerkungen zu G. Ph. Telemanns Fantasien für Flöte solo in: Delius, Nikolaus und Nastasi, Mirjam (Hg.): Travers & Controvers : Festschrift Nikolaus Delius : eine Sammlung von Beiträgen mit und über Musik für Nikolaus Delius, Celle 1992, S. 25. 87 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 320. 88 Morley, Thomas: A plaine and Easie Introduction to practicall Musicke, London 1597, Teil III, S. 193, zititert nach: Schleuning, Peter: Die Fantasie I 16. bis 18. Jahrhundert, Köln 1971. S. 9. 32 Dieses Zitat beschreibt nicht nur die Kompositionsregeln für die Fantasie in der Renaissance, sondern verweist auch auf einige Variationsmöglichkeiten der späteren musikalischen Epochen. Diese Variationen kommen in den zahlreichen Fantasien und Variationen vor. Die Freiheit einer Fantasie zeigt sich auch oft mit ungewöhnlichen Modulationswegen, z. B. wenn ein Akkord oder eine Wende in der Harmonie unerwartet kommt, seine Wirkung überraschend und einzigartig ist. Damit bleibt die Musik lebendig und die Aufmerksamkeit des Zuhörers/der Zuhörerin immer wach.89 3.4. Besetzung Zwischen ca. 1550 und 1700 war die Fantasie nicht nur für Soloinstrumente, sondern auch für Ensemblemusik typisch. Die Variabilität der Besetzung war selbstverständlich und dies belegen sogar Titelzusätze wie da cantare et sonare per ogni instrumento. Es bedeutet, dass das Stück zu singen und zu spielen für alle Instrumente möglich ist. Ein anderes Beispiel von Giovanni Bassano ist die Fantasie a tre per cantar et sonar con ogni sorte d’instrumenti. Es bedeutet, dass das Stück für beliebige Instrumente spielbar ist und auch gesungen werden kann.90 In England entwickelte sich die mehrstimmige Fantasie, Fancy, seit Mitte des 16. Jahrhundert zur wichtigsten Form der Ensemblemusik, sodass in England von der Ensemblefantasie gesprochen werden kann. Ihre Ausgestaltung erfolgte mit Rücksicht auf die Idiomatik der Instrumente. Der Terminus Fancy bezeichnet den Haupttypus der englischen Kammermusik von etwa 1575 bis 1680. Die Fantasie-Suiten haben alle Varianten der Besetung vom Duo bis zum traditionellen sechsstimmigen Consort. Zu diesen Tänzen sind Instrumente bevorzugt, die einen zurückhaltenderen Klang haben, weil es in einem Ensemble sehr wichtig ist, dass alle Instrumente gleichrangig sind. Solches Consort wird meistens mit Blockflöten gespielt, die 89 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 320. 90 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 325. 33 alle unterschiedliche Größe und Stimmung haben und deren Klang sehr weich und deswegen besonders anpassungsfächig ist.91 Ein letzter Höhepunkt der englischen Ensemblefantasie war Henry Purcell. Seine fünfstimmige Fantasie Fantazia upon one note ist berühmt wegen der Anwendung aller Kunstgriffe der Kontrapunktik, von der expressiven Steigerung der langsamen, homophonen Abschnitte durch harmonische Effekte bis hin zu überraschenden Einfällen, oft mit ParodieElementen.92 Wenn wir von Fantasien für Flöte sprechen, zeigt sich, dass es keinen Unterschied macht, ob das Werk als Fantasie, Sonate, Konzert oder mit einer anderen Bezeichnung für die Flöte komponiert wurde. Das heißt, auch Werke ohne explizite Bezeichnung können analytisch betrachtet und ihrem Wesen nach Fantasien sein. Die die häufigste Besetzung ist für FlötenFantasien entweder für Solo-Flöte oder mit Klavierbegleitung. Typisch sind noch manchmal Begleitinstrumente, die mehrstimmig spielen können, z. B. die Gitarre oder die Harfe für eine akkordische unterstürzende Basis. 91 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 328. 92 Schipperges, Thomas: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 330. 34 4. Die Flöte und die Fantasien für Flöte Die Geschichte und Verwendung des heutzutage allgemein bekannten und beliebten Instrumentes Querflöte, reicht einige Jahrhunderte vor Christus zurück. 93 So wie sich die Beschaffeneheit des Intrumentes während der Epochen geändert hat, so haben sich seine spieltechnischen und klanglichen Möglichkeiten auch geändert und entwickelt. Weil die Flöte während der Entwicklung der Gattung Fantasie in allen Epochen schon präsent war, kann man verfolgen, wie sich diese Präsenz auf die Flötenliteratur ausgewirkt hat. Raymond Meyland beschreibt in seinem Buch Die Flöte (1984) das Instrument und seinen Klang folgendermaßen: „Die eigentliche Bedeutung des Wortes Flöte ist zunächst ganz einfach Hauch, menschlicher Atem, noch bar allen Gesanges, noch blaß wie Wasser, würzelos und ohne Duft. Doch weist das Wort Flöte auch noch über sich selbst hinaus auf einen Klang, der sich vom Wehen des Atems deutlich unterscheidet, auf eine Tonwesenheit von poetischer Fülle, die über der Flöte schwebt wie ein Gedanke höherer Ordnung.” 94 Diese Beschreibung zeigt, dass der Klang der Flöte sehr ausdruckvoll ist und deswegen kann man mit dem Instrument schon von vorneherein sehr fantasievoll umgehen. Beim Spielen können Schwierigkeiten mit der modernen Flöte auftreten, besonders was den Klang betrifft. Folgende Bewertungskriterien stellen die Bayrischen Musikschulen an die Beschaffenheit des Flötenklanges: „Die Klangbildung darf als größte Herausforderung des Instruments gesehen werden. Die tiefen Töne sind von Natur aus meist blass und matt, die hohen oft schrill und zu hoch intoniert. Es gilt zwischen den Registern einen Ausgleich zu schaffen: Eine tragfähige, tiefe Lage mit der Möglichkeit zum Forte sollte daher ebenso ein Ziel sein, wie eine flexible 3. Oktave mit ausgeglichener Intonation und PianoKlängen. Schnelle Sprünge über große Intervalle verlangen im Legato- wie im Staccato-Spiel ebenso viel klangliche Beherrschungwie das Durchhalten angestrebter Klangfarben durch alle Lagen.” 95 Egal in welcher Epoche oder in welchem Stil die Komposition geschrieben wurde, wenn man diese klanglichen und technischen Feinheiten des Flötenspiels beherrscht, ist es leichter der eigenen Fantasie freien Lauf zu lassen und die Interpretation bunter und abwechslungsreicher zu gestalten. 93 http://www.musikzeit.de/instrumente/querfloete_geschichte.php 06.03.2016. Meylan, Raymond: Die Flöte, Mainz 1984, S. 6. 95 http://www.musikschulen-bayern.de/assets/Fachberater/Infos/Literaturliste-Querfloete.pdf 31.03.2016. 94 35 4.1. Fantasien für Flöte in der Barockmusik Es ist interessant zu erwähnen, dass es eine Bearbeitung für Flöte Solo gibt von der, in der Entwicklung der Fantasie so wichtigen Chromatischen Fantasie und Fuge BWV 903 von J. S. Bach. Die Bearbeitung ist von Christian Gottlieb Belcke, einem deutschen Flötisten des frühen 19. Jahrhunderts und erschien 1834.96 Der Charakter dieser Fantasie ist sehr abwechslungsreich mit vielen tonartlichen Experimenten. Wie großartig das Stück ist, haben schon Bachs Zeitgenossen beurteilt. Der erste Biograph J. S. Bachs, Johann Nikolaus Forkel schrieb: „Unendliche Mühe habe ich mir gegeben, noch ein Stück dieser Art von Bach aufzufinden. Aber vergeblich. Diese Fantasie ist einzig und hat nie ihresgleichen gehabt.“97 Die Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903 gehört zu den außergewöhnlichsten und besonders beliebten Kompositionen J. S. Bachs für Tasteninstrumente. Der virtuose und improvisatorische Stil der Fantasie, bei denen sich beide Hände des Pianisten/der Pianistin rasch abwechseln, ist für die Traversflöte ziemlich passend, weil die schnellen Läufe für die Flöte möglich und sogar sehr gut geeignet sind. Notenbeispiel 2: J. S. Bach: Chromatische Fantasie, BWV 903 96 Davon gibt es eine Aufnahme der Flötistin, Anne Pustlauk mit Traversflöte, die Online zugänglich ist: http://anne-pustlauk.de/johann-sebastian-bach-chromatische-fantasie/ 05.03.2016. 97 Cristoph Rueger (Hg.): Johann Sebastian Bach. In: Harenberg Klaviermusikführer, Dortmund 1998, S. 86. 36 Hierzu sei jedoch angemerkt: Es ist mit der Flöte (weder Travers- noch Querflöte) nicht möglich das Stück in seiner Bandbreite, seinem Tonunfang und seinem vollen Glanz zu präsentieren, wie dies für das Tasteninstrument durchführbar ist. Trotzdem nimmt diese Fassung einen wichtigen Stellenwert innerhalb der Literatur der Flöten-Fantasien ein. 4.1.1. Georg Philipp Telemann: 12 Fantasien für Flöte ohne Bass TWV 40:2-13 Obwohl man die 12 Fantasien für Flöte ohne Bass TWV 40:2-13 von Georg Philipp Telemann nicht zu den in vollkommen freier Gattung komponierten Fantasien einordnen kann, muss man ihnen unbedingt ein Kapitel widmen. Die Telemann-Fantasien gehören zum Basisrepertoire aller Flötisten. Es handelt sich eigentlich um Studien, wie schon gezeigt, und deswegen kommt die Frage umso mehr auf, wie frei sie gespielt werden sollen und dürfen? Weil in der Barockzeit die Blockflöte und die Traversflöte von gleich großer Bedeutung waren, taucht die folgende Frage auf: Für welches Instrument sind die Fantasien original geschrieben? Blockflöte oder Traversflöte? J. S. Bach unterscheidet Blockflöte und Querflöte eindeutig. Es wurden die folgenden Namen für Altblockflöte verwendet: flauto, flûte à bec und für Querflöte auf Italienisch: flauto traverso, auf Französisch: flute traversière, auf Deutsch: Traversflöte, oder Querflöte. Bach verwendet das Instrument, wenn überhaupt, dann erst nach 1730, nach einem Besuch in Dresden im Opernhaus.98 In den Werken von Bach gibt es entweder Blockflöte oder Querflöte. Er verwendet die zwei Instrumente nie gleichzeitig, weil die Wahrscheinlichkeit, dass sie von der gleichen Person gespielt wurden, sehr groß war. Für das Orchester, im Gegensatz zum Ensemble, eignete sich die Blockflöte im 18. Jahrhundert nicht besonders gut. Die Entwicklung des klassischen Orchesters ließ die Blockflöte endgültig aus der Mode kommen. Einige außerordentliche Interpreten halfen der Querflöte, sich mit ihren vielfältigeren Möglichkeiten und ihrer größeren Ausdruckskraft als Orchester- und Soloinstrument sich gegenüber der Blockflöte durchzusetzen. 98 Galway, James: Die Flöte, Ullstein 1988, S. 29. 37 Wie stark die Rolle der Querflöte gegenüber der Blockflöte gewonnen hat, beschreibt vielleicht am besten der folgende Satz aus dem Buch Die Flöte von James Galway „Der letzte Komponist, der ausführlich für Blockflöte schrieb, war Telemann.”99 Es zeigt sich, dass die Blockflöte sich für einige Epochen zurückzieht und damit für die Querflöte einen großen Raum öffnet. Die 1732 gedruckten 12 Fantasien von G. Ph. Telemann in der Urtext-Ausgabe von Günter Haußwald und der Artikel aus der Zeitschrift Tibia dienten mir als Hauptquelle für die folgende Untersuchung.100 Die Besetzung, Flöte ohne Generalbass, ist gleich im Titel auffällig und ein bemerkenswertes Faktum. Telemann hat das Gebiet der Kammermusik mit Vorliebe nicht nur für Flöte, sondern besonders auch für Violine gepflegt. Der Verleger verlangte vom Komponisten einige Verpflichtungen: „Eine Fantasie sollte auf einer Druckseite (Folio-Format, 12zeilig) Platz haben; der Umfang der Stücke mußte also knapp sein, daß lästiges Seitenwenden überflüssig war, und ihre Form hatte bei aller Komprimierung und Konzentration leicht faßlich zu sein.”101 Der Wunsch des Verlegers war eine Druckseite pro Fantasie, wobei der Vorteil ist, dass dies einen leichten Überblick auf die ganze Form zulässt. Nicht wirklich zum Nachteil, aber eine Schwierigkeit ist, dass der Flötist/die Flötistin in der Aufführung in kurzer Zeit die Charaktere wechseln muss. In jeder der Fantasien findet man die Freiheit durch die ständigen Überraschungsmomente und besonders in der Möglichkeit des Einfügens eigener Verzierungen im Stil Telemanns. In dem Zyklus der Fantasien, die Struktur und den Aufbau betreffend, finden sich alle Instrumentalformen der Zeit. Die Fantasie Nr. 2 ist zum Beispiel eine Kirchensonate, die Nr. 4 ist eine Sonate in der Stretta-Form, eine Französische Ouvertüre ist die Nr. 7, eine suitenähnliche Reihung ist unter anderem die Nr. 9 und es sind auch freie Stücke enthalten, die auf ein Satzfolgeschema verzichten, wie zum Beispiel die Fantasie Nr. 1. 99 Galway, James: Die Flöte, Ullstein 1988, S. 31. Eppinger Sigrid: Georg Philipp Telemann: 12 Fantasien für Flöte solo, in: Tibia 9(2) S. 86-89. 101 Zitiert nach: Reidemeister, Peter: „…gnung, wenn’s nütztet und ergetzet” Bemerkungen zu G. Ph. Telemanns Fantasien für Flöte solo in: Delius, Nikolaus und Nastasi, Mirjam (Hg.): Travers & Controvers : Festschrift Nikolaus Delius : eine Sammlung von Beiträgen mit und über Musik für Nikolaus Delius, Celle 1992, S. 26. 100 38 G. Ph. Telemann geht mit der Form der einzelnen Fantasien ganz frei um. Es gibt zwei-, dreiund vier- sätzige. In der Gebundenheit der formalen Elemente und im gleichzeitigen SichErheben über alle formalen Regeln, stehen die Fantasien an der Grenze des Spätbarocks und der Frühklassik. In den suitenmäßigen Fantasien sind die Tanzsätze hinter Bezeichnungen, wie Allegro, Presto, Vivace versteckt und jede Fantasie schließt mit so einem Tanzsatz. Diese Sätze darf man trotz ihrer Gleichmßigkeit in Ryhthmus und Tempo keineswegs monoton und gleichförmig darzustellen. Immer wieder zeigen sich Gegensätze im Charakter der einzelnen Sätze. Es soll grundsätzlich flüssig, aber ruhig, eilig aber nicht gehetzt klingen. Es sind fünf Gigue-Sätze in den Fantasien, die variiert, immer in verschiedenen Erscheinungsformen vorkommen. In der 11. Fantasie ist alles zu finden, was für die Flöte in der Barockzeit möglich war. Nach einer quasi improvisierenden Einleitung, die als ein Präludium zum eigentlichen Satz ist, „fantasiert” Telemann mit Dreiklangsbrechungen und Tonleiterpassagen. Es ist auch eine gebrochene Zweistimmigkeit zu finden. Der kurze Satz Adagio ist wie ein Gerüst für eine freie Kadenz. Die zwei Takte geben Platz für die eigenen Gedanken und Überlegungen, wodurch das Stück noch mehr den Charakter der Fantasie erhält. Eine Beschreibung der Gattung Fantasie von Johann Mattheson lautet wie folgt: „[…] dieser Styl ist die allerfreieste und ungebundenste Setzarth, […] da man bald auf diese, bald auf jene Einfälle geräth, […] da allerhand sonst ungewöhnliche Gänge, versteckte Zierrathen, sinnreiche Drehungen und Verbrämungen hervorgebracht werden […] 102 Die Fantasien Nr. 1, 3 und 12 sind die, die in einer freieren Form komponiert sind und in denen Takt- und Tempowechsel, improvisatorische und virtuose Passagen auftreten. Die Überraschungseffekte machen das Stück noch erstaunlicher und fantasievoller. Die Meinung von J. Mattheson über die Überraschungseffekte ist die Folgende: „[…] ohne eigentliche Beobachtung des Tacts und Tons, unangesehen dieselben auf dem Papier Platz nehmen, […] ohne förmlichen Hauptsatz und Unterwurff, […] ohne Thema und Subject das ausgeführt werde, bald hurtig, bald zögernd; […] bald auch auf eine kurtze Zeit nach dem Tact; […] die Hauptsätze und Unterwürffe lassen sich zwar, eber der ungebundenen Eigenschafft halber nicht gantz 102 Mattheson, Johannes: Der vollkommene Capellmeister, Hamburg 1739, Reprint Kassel 1954, S. 87. 39 und gar ausschließen; sie dürffen aber nicht recht aneinander hangen, viel weniger ordentlich ausgeführet werden […]”103 Mit Fantasie wird hier vorwiegend eine Spielweise bezeichnet, nämlich die Freiheit im Gebrauch der interpretatorischen Mittel. G. Ph. Telemann verwirklicht alle Form- und Satztypen innerhalb der engen Grenzen der Solobesetzung. Fantasie bedeutet also hier die völlige Freiheit in der Wahl der Mittel und zugleich die Beherrschung der Kompositionstechnik. Freiheit im Verfolgen einzelner Formprinzipien unter Verzicht auf Konsequenz, Entfaltung der instrumentalen Möglichkeiten und des spontanen Einfalls. Telemann beschreibt seine eigenen Kompositionen folgendermaßen: „Meines Erachtens besteht sie darinne: daß man/vermittelst harmonische Sätze in den Gemüthern der Menschen allerhand Regungen erwecken/und auch zugleich/durch solcher Sätze ordentliche und sinnreiche Verfassung/den Verstand des Kenners belustigen könne.” 104 Didaktisches Ziel der Fantasien ist das Eröffnen neuer Horizonte der damaligen Musiker und die Erweiterung deren Kreativität und Vorstellungskraft. Das Spiel mit äußerst schnellem Tonartwechsel, manchmal auch sogar taktweise, erweckt für den Zuhörer das Gefühl der Improvisation. Der Interpret/die Interpretin hat die Freiheit in Bezug auf Verzierungen, sowie Dynamik und Phrasierung. In der Urtextausgabe sind ganz wenige Angaben zur Lautstärke vorhanden. Das Tempo ergibt sich nach dem Charakter der einzelnen Sätze, die nicht nur zu den versteckten Tanzsätzen sondern auch zur Personalität des Interpreten passen sollen. Zur Aufführung der Fantasien ist die folgende Anmerkung des Herausgebers G. Haußwald hilfreich: „Der Triller, stets mit der oberen Hilfsnote begonnen, ist häufig ohne Nachschlag zu spielen und reicht bei den durch einen Punkt verlängerten Werten bis zu diesem. Die langen Vorschläge, quellenmäßig nicht einheitlich notiert, sind meist halb so lang wie die Hauptnote zu bewerten, deren Dauer dadurch bestimmt wird. Der akkordisch gebundene Schleifer ist als betonter Vorschlag mit Kürzung der Hauptnote aufzufassen.”105 103 Mattheson, Johannes: Der vollkommene Capellmeister, Hamburg 1739, Reprint Kassel 1954, S. 88. Ohne Angaben zitiert nach: Eppinger, Sigrid: Georg Philipp Telemann: 12 Fantasien für Flöte solo, in: Tibia 9(3) S. 179. 105 Vorwort von Haußwald, Günther (Hg.): Urtextausgabe. Georg Philipp Telemann, Musikalische Werke, Herausgegeben im Auftrag der Gesellschaft für Musikforschung, Band VI, Kammermusik ohne Generalbaß, Kassel 1955. 104 40 Die Telemann-Fantasien sind Stücke, in denen der Komponist seine Freiheit im Komponieren und der Interpret/die Interpretin Freiheit in der Kreativität im Vortragen des Stückes zeigen können, ebenso wie Können und Musikalität. Nicht nur weil die Fantasien mit ihrer Vielfältigkeit und ihrem spielerischen Charakter überzeugen und auch nicht nur wegen ihrer didaktischen Ziele, sondern weil es schon in der damaligen Zeit ausdrücklich erwähnt wurde, war der Gebrauch anderer Instrumente üblich. Heute spielt man die Fantasien von G. Ph Telemann mit der modernen Querflöte, mit Blockflöte, aber auch mit Oboe.106 Nach meiner persönlichen Erfahrung ist es klar und auch Aufnahmen zeigen, dass es einen sehr großen Unterschied in der Aufführung mit unterschiedlichen Instrumenten gibt. Es zeigt sich vor allem, dass historisch orientierte Aufführungen viel freier klingen, beispielsweise wenn die Fantasien von Blockflötisten/Blockflötistinnen gespielt werden, die sich nach diesen Quellen orientieren. Ihr Spiel ist freier und sie achten mehr auf die Genauigkeit der Regeln der historischen Quellen. Mit Traversflöte spielt man noch immer ähnlich nach den Quellen, aber mit der modernen Querflöte spielt man nicht so frei. Im Vergleich von Traversflöte und der modernen Flöte ist der größte Unterschied im Ausmaß der Ausgeglichenheit des Klanges. Bei der Traversflöte sind die tiefe Töne stärker und die hohen klingen schwach. Die moderne Flöte ist dagegen komplett das Gegenteil. Nicht nur in ihren faszinierenden Harmonien und Melodien, sondern in der Freiheit der Interpretation findet sich die Besonderheit der 12 Fantasien von G. Ph. Telemann. 4.2. Salonfantasien Die Fantasie und das Virtuosentum hängt besonders im 19. Jahrhundert mit den Salonfantasien zusammen. Die Bravourstücke entsprechend zu spielen benötigen eine hervorragende Technik und eine selbstverständliche Beweglichkeit. „Die Technik ist vor allem eine Sache der Phantasie. Die einfachsten Motive sind Gemeingut aller Instrumentalisten und Sänger. Deshalb entwickelt sich die Virtuosität beim Üben weltbekannter Motive, die das Grundmaterial des Instrumentalspiels darstellen. Es sind dies fast immer zusammenhängende 106 Vorwort von Linde, Hans Marthin (Hg.) in: Georg Philipp Telemann: Sechs Fantasien für Altblockflöte solo, Mainz 1962. 41 Melismen, kleine Klangschnörchel: Kurven, flüchtige Umspielungen, die nicht wichtiger sind als die Folge der notierten Noten, aber deren Linienführung unterstreichen. Hier haben wir die Elemente des Satzes, die man aufnimmt, ohne hinzuhorchen, die aber zur Fortführung des musikalischen Gedankens gehören wie die Gebärden des Redners zum Sinn seiner Rede.”107 Die Frage ist, wie kann die Flöte mit Nicolo Paganinis und Franz Liszts Stücken wetteifern? Zahlreiche Stücke von Jean-Louis Tulou, Jules Demersseman, Theobald Böhm, Matheus André Reichart oder Brüder Doppler von dieser Zeit sind überliefert. Diese erwarten technische Akrobatik. „In den Konzerten beansprucht die Flöte die Vorherrschaft über das Orchester, dessen Rolle auf kärgliche, platte Akkorde reduziert ist. Die Tutti scheinen nur dazu zu dienen, daß der Solist wider Atem schöpfen kann. Sonaten und Konzertsoli sind von gleicher Form. Die Rolle des Klaviers verhält sich umgekehrt proportional zu derjenigen der Flöte, welche systematisch mit ihrem ganzen Umfang und allen technischen Mitteln eingesetzt wird.”108 Nachdem der Flötenbauer Theobald Böhm ein Konzert von Charles Nicholson hörte, war er so beeindruckt von deren Klang, dass er die Flöte weiterentwickelt hat. Er konnte ihre Grundprobleme lösen, wie die Ausgeglichenheit des Klanges und der Chromatik. Sowohl das Spielen technisch betrachtet, als auch die Tonerzeugung wurde einfacher und der Ton selbst wurde kräftiger. 1832 war der Klappenmechanismus fertig und seitdem ist diese die Flöte, die man noch heute benutzt. Da das Orchester erweitert wurde, sind auch die Konzertsäle immer größer geworden. Das erweiterte Fassungsvermögen erforderte mehr Tonvolumen, größeren Tonumfang und Virtuosität von den Instrumentalisten und Instrumentalistinnen. Auch die Probleme mit der Stimmung der Traversflöte trugen dazu bei, dass die moderne Flöte sich allmählich durchsetzte. L. van Beethoven war mit dem Klang und mit den Fähigkeiten der Flöte in seiner Zeit gar nicht zufrieden und deswegen äußert sich in 1809 folgendermaßen über das Instrument: „Ich kann mich nicht entschließen, für die Flöte zu schreiben, weil dieses Instrument zu begrenzt und unvollkommen ist.”109 Das 19. Jahrhundert war eine Zeit, die von Kammermusik- und Hauskonzerten geprägt war. Diese Konzerte haben für ein größeres Publikum eine gute Möglichkeit geboten sich mit 107 Meylan, Raymond: Die Flöte, Mainz 1984, S. 69. Artaud, Pierre-Yves: Die Flöte, Frankfurt am Main 1986, S. 37. 109 Artaud, Pierre-Yves: Die Flöte, Frankfurt am Main 1991, S. 7. 108 42 aktuellen Opern, beziehungsweise überhaupt mit neuem Repertoire der zeitgenössischen Musik vertraut zu machen. Zugleich erwuchs aufgrund von Theobald Böhms revolutionären technischen Entwicklungen und Neuerungen auf der Flöte eine Virtuosengeneration, die ihrerseits die Zugkraft und Popularität dieser Werke für sich nützte und salonfähig machte. The Flute Collection ist eine Reihe, die durch den Universal Edition Verlag von Emmanuel Pahud, den weltberühmten zeitgenössische Flötisten, 2012 herausgegeben wurde. Die Reihe besteht aus hervorragenden Fantasien und Paraphrasen für Flöte und Klavier aus dem 19. Jahrhundert. Die Idee des Flötisten war die Bravourstücke nicht nur in kammermusikalischer Form für Flöte und Klavier, sondern auch in größerer Besetzung mit Orchester aufzuführen und wieder zu beleben.110 Die emotionale Stimmung der Stücke dieser Zeit ist es wert, dass diese wieder belebt werden. Die Kompositionen der Salonmusik geben nicht nur eine gute Möglichkeit der Verbesserung der Technik und der Fähigkeit der Beweglichkeit mit dem Instrument, sondern auch des musikalischen Ausdrucks. Das Aufführen diese Stücke erweitert den Horizont der Vorstellungskraft und der Kreativität der Interpretation lyrischer Melodieabschnitte. 4.2.1. Franz Doppler: Fantasie Pastorale Hongroise Op. 26 Ein besonders berühmtes Beispiel für Salonfantasien ist die Fantasie Pastorale Hongroise Op. 26 von Franz Doppler. Der in Polen geborene Komponist hatte seine Karriere schon früh angefangen. Er war mit 17 der Erste Flötist am Deutschen Theater in Pest und später war er ebenfalls in Pest, im Nationaltheater tätig. Da er für einige Zeit in Ungarn lebte, schätzte er die ungarische Volksmusik sehr. Mit Ferenc Erkel gründete er das ungarische Symphonieorchester.111 Nach der Gründung des Orchesters begann er mit seinem Bruder Karl als Flötenduo Konzertreisen durch Europa. Dank ihres Vaters, der ein Oboist war und ihnen bei den ersten Schritten in ihre musikalische Tätigkeit geholfen hatte, waren sie beide virtuose Spieler. Sie komponierten einige Werke in Zusammenarbeit, meistens Opernfantasien, wobei sie ihre Fertigkeiten auf dem höchsten Niveau zeigen konnten. 110 111 Vorwort von Pahud, Emmanuel in: Doppler, Franz und Karl: Fantasie über „Rigoletto”, Wien 2012. http://www.naxos.com/person/Franz_Doppler_22589/22589.htm 18.03.2016. 43 Wie berühmt die zwei Brüder Franz und Karl Doppler mit ihren Kompositionen zu ihrer Zeit waren, wollte Emmanuel Pahud in seiner Ausgabe, in The Flute Collection auch nachweisen. Er nahm z. B. deren Fantasie über „Rigoletto” in die Serie auf. Die Brüder komponierten zahlreiche Fantasien und alle diese Werke wurden während ihrer europaweiten Konzerttourneen vorgetragen. Die Bearbeitungen dieser Fantasie über „Rigoletto”, nämlich für Flöten und Orchester stammen von Yoel Gamzou, einem israelisch-amerikanischen Dirigenten. Es gibt auch einen Klavierauszug zu der Orchesterfassung.112 Wie ihr Titel schon verrät, sind die ungarischen Volksmotive in der Fantasie Pastorale Hongroise leicht zu erkennen. Die meisten charakteristischen Merkmale, die in den ungarischen Volksliedern vorkommen, sind die rubato-Spielweise, Verzierungen und das Einsetzen eigener Gefühle.113 Die romantisch klingende Fantasie ist eine Kombination von Volkselementen und klassischer Musik. In Ungarn spielten die Hirten damals auf dem Land eine bestimmte Art von Flöte. Der Klang dieser aus Holz gebauten Flöte war ganz besonders und F. Doppler wollte die Stimmung in die Komposition übertragen und zeigen, dass zwar das Material der Flöte ganz anders ist, es aber auch mit der Silberflöte möglich ist, die Stimmung hervorzurufen.114 Der Rhythmus ist sehr kompliziert. Gleich am Anfang des Stückes, im Teil Molto andante sind Triolen, Sechstolen, Septolen und es kommen sogar auch 12 und 24 Töne in einer Gruppe vor. Die Gruppierung der Zahl der Töne ist immer unterschiedlich eingeteilt. Dieser Anfangsteil ist wie eine Einleitung, in der der Klang der Flöte vorgestellt wird und hat die Wirkung, als ob der Spieler ganz frei spielen würde, was es ihm gerade einfällt. 112 Vorwort von Pahud, Emmanuel in: Doppler, Franz und Karl: Fantasie über „Rigoletto”, Wien 2012. Kiszely, István: A magyar nép őstörténete, A magyar népzene és annak eredete http://istvandr.kiszely.hu/ostortenet/018.html 18.03.2016. 114 Greenbaum, Adrianne: Tips for playing Doppler’s Fantasie Pastorale in: Flute Talk, Vol. 24, Issue 7, 2005 March S. 12. 113 44 Notenbeispiel 3: F. Doppler: Fantasie Pastorale Hongroise, Op. 26 Der nächste Teil, Poco animato beginnt zwar mit einem bestimmten Rhythmus, endet aber mit einer freien Kadenz der Flöte mit vielen Fermaten. Wenn die fünfte Fermate kommt, erreicht die Kadenz ihren Höhepunkt. Die nach drei Läufen aufgebaute Spannung, in der die Flöte die angegebene ff Dynamik erreicht, entstand nach crescendi und decrescendi. Dieser Höhenpunkt wird von der Klavierbegleitung in f mit einem verminderten Septakkord verstärkt und unterstützt. Notenbeispiel 4: F. Doppler: Fantasie Pastorale Hongroise, Op. 26 (Takt 27-28) 45 Die Kadenz geht mit dem Flötensolo weiter. Nach weiteren Läufen kommt die Melodie wieder zu einem Höhepunkt, diesmal aber allein und mit pp Dynamik. Mit einer abwärts gehenden Phrase und einem rallentando von der Flöte wird das Hauptthema dann ab Tempo 1 wieder zusammen mit Klavier angefangen. Der einzige Unterschied zum Anfang ist, dass das Klavier dreifache p hat. Wegen den vielen ausgeschriebenen Verzierungen, die die Wirkung der Improvisation aufweisen sollen und wegen den vielen Tempowechsel ist die Fantasie voll mit Überraschungseffekten. Ein weiterer besonderer Überraschungseffekt ist zum Beispiel in Takt 47, wo nach einem ganz ruhigen Teil plötzlich auf den letzten Ton ein sf kommt. Notenbeispiel 5: F. Doppler: Fantasie Pastorale Hongroise, Op. 26 (Takt 44-47) Die Fantasie zeigt sich in der Komposition, in dem die häufig vorkommenden Tonleitern oft unerwartete Töne beinhalten. Die Stimmung des Stückes ist außergewöhnlich vielfältig. Es gibt sehr ruhige Passagen, aber an anderen Stellen ist es dramatisch. Die Verwendung der Obertöne der Flöte, die besonders leise sind, ist eine hervorragende Idee damit die leiseste, stimmungsvollste und innerlichste Stelle zu schaffen. In dieser Fantasie kommen sehr viele Tempowechsel vor, das sieht man unter den Bezeichnungen wie aufeinander folgende Molto andante, Poco animato, Poco piú allegro und ganz häufig ist rallentando ausgeschrieben. Der Interpret/die Interpretin muss seine Freiheit im Tempo haben, denn einige schnelle Läufe sind im Tempo unmöglich auszuspielen. Wegen dem komplizierten Rhythmus und den vielen rubato-Passagen ist das Zusammenspiel schwierig und wünscht einen eingespielten Einklang. Rhythmische Akzente können den 46 Flötist und den Pianist zusammen halten. Die Begleitung ist original für Klavier, aber es gibt auch eine Fassung für Orchester von Alexander Gagarinov.115 4.3. Opernfantasien Die Opern waren schon immer sehr beliebt im Musikleben der Gesellschaft in den Städten Europas. Es war eine Ӓnderung im 19. Jahrhundert, dass Musikliebhaber nicht nur von der hohen Gesellschaftsschicht mit diesem Vergnügen in Berührung kommen konnten, sondern auch die bürgerliche Sozialschicht, wenn nicht in den Theatern und Opernhäuser, dafür aber in den Salons der Paläste die aktuellen Opernmelodien genießen konnten. In den bürgerlichen Runden haben sie ständig Hauskonzerte organisiert, wo ein Klavier meistens zur Verfügung stand. Weil die Räume klein waren, waren nur kleine Besetzungen möglich. Professionelle und Laien-Komponisten haben meist für Singstimme mit Klavierbegleitung komponiert. Es standen meistens Solostücke für Instrumente und Instrumentalstücke mit Klavierbegleitung auf dem Programm. Auf Basis von aktuellen Opernstücken wurden schließlich die KlavierTranskriptionen erstellt. Diese Hauskonzerte ermöglichten Amateurmusikern und -musikerinnen ihre Fähigkeiten durch Aufführungen zu zeigen und zu entwickeln. Diese hatten auch den Komponisten die Möglichkeit zur Entfaltung der kompositorische Kreativität gegeben. Das Publikum konnte Musik genießen und die Leute, die erschienen, konnten miteinander Kontakte knüpfen.116 Der Begriff Transkription und Arrangement bedeutet sozusagen die Kopiatur eines musikalischen Werkes mit einigen Ӓnderungen in der Notation. Der Komponist muss überlegen, was für das gegebene Instrument wirklich passt, was gut spieltechnisch liegt und gut klingt. Die Nachfrage nach Vortragsstücken für Singstimme oder Instrument der jeweils aktuellen Opernproduktion war so groß, dass der Verleger Walsch zahlreiche Bearbeitungen herausgegeben hat. Weil der Gesang und das Flötenspiel nah zu einander stehen, ist die Idee entstanden, die Opernmelodien für Flöte zu transkribieren. 115 Greenbaum, Adrianne: Tips for playing Doppler’s Fantasie Pastorale in: Flute Talk, Vol. 24, Issue 7, 2005 March S. 13. 116 http://www.unomaha.edu/esc/2011Proceedings/MarisiPaper.pdf 19.03.2016. 47 In dieser Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts gab es eine große Vorliebe für Flöteninstrumente bei den Musikliebhabern. Nicht nur Friedrich der Große, sondern auch Friedrich Hölderlin zählen zu den berühmten Dilettanten auf dem Instrument.117 Weil Welsch, der mit den Ausgaben ein gutes Geschäft machen konnte, gemerkt hatte, dass statt der Blockflöte die Querflöte mit der Zeit mehr an Bedeutung gewann, veranlasste er seine Transkriptionen für dieses Instrument. Transkriptionen für zwei Flöten waren auch sehr beliebt und unterhaltsam, sowohl für die Spieler als auch für das Publikum. In diesen Stücken musste man aber die originale Fassung bearbeiten. Wegen der immer größeren Ӓnderungen haben sich Kompositionsformen entwickelt wie Fantasie über… oder Introduktion und Variation über ein Thema von… Hier ist die Opernmelodie noch das musikalische Grundmaterial, aber das Wesentliche wird, die Virtuosität des Spielers zu zeigen. Von einem Thema von Rossinis Oper La Cenerentola waren mehrere Komponisten inspiriert und haben Fantasien und Variationen geschrieben. Das berühmteste ist von Frédéric Chopin, Variationen über ein Thema von Rossini für Flöte und Klavier, es gibt aber auch eine Ausgabe für Flöte und Gitarre. Ein weiteres Beispiel zum gleichen Thema ist von Louis Tulou, Introduktion und Variationen über ein Thema von G. Rossini, Op. 55. Die Besetzung Flöte und Gitarre kommt oft vor. Anton Diabelli war in diesem Bereich besonders produktiv. Seine Transkriptionen sind vor allem nach Melodien aus den Opern von Gioachino Rossini und Carl Maria von Weber. Fantasien für Solo-Flöte aus der gleichen Zeit sind von Komponisten wie Giacomo Meyerbeer oder Louis Herold. Den Abschluss und Höhepunkt von dieser Entwicklung bilden Werke wie die berühmte Carmen-Fantasie von Franҫois Borne oder die Lohengrin-Fantasie von Giulio Briccialdi. Diese Werke sind bis heute ständig im Standardrepertoire. 117 Braun, Gerhard: Arrangé pour deux flûtes. Opernbearbeitungen für Flöteninstrumente, in: Tibia 12 (4) S. 566. 48 4.3.1. Franҫois Borne: Carmen-Fantasie Franҫois Borne war ein Flötist am Grand Theatre in Bordeaux und Flötenprofessor am Konservatorium in Toulouse. Er war verantwortlich für einige technische Ӓnderungen der Böhmflöte.118 Mit dem Flötenbauer Djalma Julliot vollendete er die Klappen-Mechanik der Flöte, die man heute E-Mechanik nennt. Obwohl F. Borne zahlreiche Kompositionen für die Flöte geschrieben hat, kennt und spielt man heutzutage meist nur noch die Carmen-Fantasie, die zum Standardrepertoire aller Flötisten/Flötistinnen gehört. Außerdem ist noch die Fantaisie brillante sur L'Africaine de Meyerbeer, pour flûte avec accompagnement de piano ou d'Orchestre aus dem Jahr 1885 ein Werk von ihm, welches aber nur oberflächlich bekannt geblieben ist. Wie in den anderen Carmen-Fantasien für Violine von Pablo de Sarasate und für Klavier von Ferruccio Busoni, ist auch in dieser Fantasie das Fundament die Virtuosität, das Gespür der Tanzrhythmen und die leidenschaftliche Farben der Oper.119 Die Carmen-Fantasie bezieht sich auf die Zigeunerin Carmen, die die Hauptfigur der Handlung ist. Das musikalische Geschehen basiert auf einer Skala, die die ganze Stimmung des Stückes wieder gibt. Die Variationen kommen sowohl in Dur als auch in Moll vor und so wird der Doppelcharakter von Carmen dargestellt, die während der Geschichte sich immer wieder ändert. Der Komponist weist auf ihre Wechselhaftigkeit, Redegewandtheit und Unbeschwertheit mit der lebhaften Tonleiter und dem für die Finger anspruchsvollen Arpeggo hin. Es kommen die berühmtesten Themen der Oper vor, die der Flötist mit Virtuosität und Bravour präsentieren soll, vom Anfang an bis zum triumphierenden Finale.120 F. Borne nützt die Gestaltungsfreiheit in der Komposition beispielsweise, indem er während einem langen Triller diminuendo schreibt und am Ende den Teil eine Oktav höher enden läßt. Außergewöhnlich ist, dass es in den Noten für einige Passagen zwei Möglichkeiten gibt: Wenn man eine Flöte mit H-Fuß hat, dann soll man in der tiefer gelegenen Lage spielen, wenn es sich um einen C-Fuß handelt, dann ist es selbstverständlich, dass nur die Töne der oberen Lage möglich zu spielen sind. 118 Franҫois Borne, http://www.naxos.com/person/Francois_Borne/17292.htm 19.03.2016. Borne - Fantasie Brillante on Themes from Bizet’s Carmen, http://www.utahsymphony.org/insight/programnotes/1193-borne-fantasie-brillante-on-themes-from-bizet-s-carmen 07.04.2016. 120 Borne, fantaisie-brillante [...], http://www.allmusic.com/composition/fantaisie-brillante-on-themes-frombizets-carmen-for-flute-piano-or-orchestra-mc0002379656 19.03.2016. 119 49 Notenbeispiel 6: F. Borne: Carmen-Fantasie (Takt 68-69) Die Verzierungen und die Kadenzen sind ausgeschrieben, sie müssen aber ganz frei und wie eine Improvisation klingen. Es gibt viele Pausen für die Flöte, wo das Klavier das neue Thema vorstellt, kann sich der Spieler/die Spielerin vom letzten Teil voll von den virtuosen Stellen ausruhen und sich für den nächsten vorbereiten und Kräfte sammeln. Das Zusammenspiel ist nicht so schwierig, weil die immer gleich im Rhythmus bleibende Klavierbegleitung eher monoton ist und es so eine fixe Basis gibt, worauf die Flöte ihre Läufe beliebig einteilen kann. Notenbeispiel 7: F. Borne: Carmen-Fantasie (Takt 189-196) Das Stück ist original für Flöte und Klavier geschrieben, aber das Klavier soll immer das Orchester präsentien. Weil die Atmosphäre der Oper mit Orchesterbegleitung besser vorstellbar ist. Es gibt mehrere Fassungen mit Orchester die den Zuhörer/die Zuhörerin 50 direkter in die Opernatmosphäre versetzen. Die Bearbeitungen orientieren sich an Georges Bizet’s Orchestrierung. Es gibt auch viele Aufnahmen sowohl mit der Besetzung für Flöte und Orchester, als auch mit Flöte und Klavier. Gleich in der Einleitung der Fantasie, wo die Flöte noch nicht spielt, wird das Klavier diese Aufgabe erfüllen und damit dem Stück eine Grundstimmung geben. Die Stimmung führt den Zuhörer/die Zuhörerin mit den spanischen Klängen zu dem Ort des Geschehens, nach Sevilla. Das Stück lässt sich in mehrere Teile gliedern, wobei diese eindeutig voneinander getrennt sind, weil die gespielten Melodieabschnitte immer mit einem Ritardando und einem Ganzschluss schließen. Die neue Abschnitte tragen Charakterbezeichnungen, wie Allegro Moderato, Moderato oder Andante Moderato. Die Habanera mit ihren Variationen und das Finale sind von diesen Teilen vollkommen getrennt. Die Variationen der Habanera beginnen immer in der g-Moll und wechseln dann zu G-Dur. Die Charakteristik der g-Moll-Tonart beschreibt der deutsche Philologe Ferdinand Gotthlef Hand schon 1837 folgendermaßen: „Das Ganze aber durchdringt Ein geheimer Schmerz, selbst wo die Gefühle lebendige Regung und helleren Schwung gewinnen, umzieht sie ein Duft der Wehmuth [...] Andere Zwecke werden freilich auch auf Trost in Leiden hinführen, Andere die Wonne in Thränen bezeichnen [...]” 121 Notenbeispiel 8: F. Borne: Carmen-Fantasie (Takt 183-189) Im Gegensatz zum Schmerz und Wehmut der g-Moll-Tonart wird die G-Dur-Tonart als ernst und munter von Georg Christoph Kellner und Johann Mattheson im 18. Jahrhundert beschrieben.122 Das folgende Zitat ist der Schrift Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst von 121 Hand, Ferdinand Gotthelf: Aesthetik der Tonkunst, Erster Theil, Leipzig 1837. Zitat nach: http://www.koelnklavier.de/quellen/tonarten/moll.html#gmoll 07.04.2016. 122 vgl: Mattheson, Johann: Das Neu-eröffnete Orchester, Hamburg 1713, S. 243 51 Christian Friedrich Daniel Schubart entnommen, welches auch auf die Liebe Carmens übertragen werden könnte: „Alles Ländliche, Idyllen- und Eklogenmäßige, jede ruhige und befriedigte Leidenschaft, jeder zärtliche Dank für aufrichtige Freundschaft und treue Liebe; – mit einem Worte, jede sanfte und ruhige Bewegung des Herzens läßt sich trefflich in diesem Tone ausdrücken.” 123 Notenbeispiel 9: F. Borne: Carmen-Fantasie (Takt 199-209) Der Interpret/die Interpretin soll während der Variationen diese beiden Atmosphären in kurzer Zeit verwirklichen können, was mit der Vorstellung dieser Gefühle, den Tonarten, und den dazu passenden Klangfarben möglich ist. Der Schlussteil Chanson de Bohéme & Final bringt ein neues Thema und zieht sich bis zum triumphierenden Schluss, der von der Stimmung der Oper Carmen von G. Bizet abweichend ist. Diese Fantasie erinnert mehr an die Bravourstücke des 19. Jahrhunderts, während die Oper mit dem tragischen Tod Carmens durch den Sergeant, ihrem eifersüchtigen Liebhaber Don José endet. Nach zwei Takten Klaviereinleitung, die den Grundrhythmus angeben, beginnt die Flöte mit der fff Dynamik den Finaleteil. Obwohl der ganze Teil in Richtung triumphierendes Finale geht, sind auch kurze lyrische Melodieabschnitte erhalten, die der Komponist mit den Bezeichnungen dolce, delicamente oder grazioso versah. In dem letzten, Presto Teil, nach EDur Akkordzerlegungen und Läufen in der Dominante, also H-Dur wird der Höhepunkt vgl: Kellner, Georg Christoph: Etwas von Toenen und Tonarten, in: Magazin der Musik, Cramer, Carl Friedrich (Hg.), Jg. 2, Hamburg 1786. Sp. 1185. 123 Schubart, Christian Friedrich Daniel: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, Wien 1806, S. 380. 52 erreicht und ganz zum Schluss kommt sogar eine sehr rasche Passage, die nur mit einer hervorragenden Technik der Doppelzunge zu spielen möglich ist. Notenbeispiel 10: F. Borne: Carmen-Fantasie 4.3.2. Giulio Briccialdi: Lohengrin-Fantasie für Flöte und Klavier, op. 129 Der italienische Flötist, Giulio Briccialdi schloss seine Ausbildung an der Academia Santa Cecilia in Rom mit 15 Jahren ab und wurde bald berühmt. Eine prägende Phase in seinem Leben war, als er den Grafen von Syrakus in Neapel unterrichtete. So hatte er die Möglichkeit, am Hof Opern kennenzulernen und sich mit ihnen ausführlich zu beschäftigen. Er war als Virtuose sowohl in Mailand als auch in Wien und in London unterwegs. Nachdem er in München mit dem Flötenbauer Theobald Böhm Freundschaft geschlossen hatte, wurde auch er eine wichtige Person in der Weiterentwicklung des Instrumentes. Er hat die doppelte Daumenklappe konstruiert und die Neuerungen in Italien verbreitet. Da er ein Flötist und bis Ende seines Lebens Flötenlehrer am Konservatorium in Florenz war, wusste er ganz genau, was der Flöte gut liegt und komponierte so seine Opernfantasien. Alle Flötisten kommen während ihres Studiums mit seinen Stücken, wie zum Beispiel mit der Lohengrin-Fantasie, Norma, Barbier oder Die Afrikanerin, in Berührung.124 Von Briccialdis Flötenspiel waren in seiner Zeit sowohl Kenner, als auch Laien fasziniert. Das folgene Zitat von Richard Shepherd Rockstro beschreibt, wie hervorragend G. Briccialdi das Instrument beherrschte und wie er mit den Klangfarben und technischen Schwierigkeiten umgehen konnte. Sein einziges Problem war aber seine Haltung beim Spielen, die auf der Bühne als wenig akzeptabel eingestuft wurde: „I have no hesitation in saying that Briccialdi was one of the finest performers that I ever heard on any instrument. His perfect intonation, carried style and consummate mastery over his instrument are to be remembered but not described, and his tone made such an impression upon me that I immediatelyset it up as a model to be imitated if possible, and I therefore seized every opportunity of hearing him play. 124 Vorwort von Delius, Nikolaus in: Delius, Nikolaus (Hg.): Giulio Briccialdi: Lohengrin-Fantasie nach Themen aus der Oper von Richard Wagner, Mainz 1999. 53 […] his manner of holding the flute was so ungainly that one derived more pleasure from his performance when not looking at him.” 125 Die Opern von Richard Wagner waren im 19. Jahrhundert unterrepräsentiert, deswegen ist es außerordentlich, dass die Fantasie über die Oper Lohengrin so populär wurde. Sie kann gleichzeitig Flöten- und Wagner-Liebhaber unterhalten.126 Das Stück erschien in 1872, 20 Jahre nach der Uraufführung der Oper von R. Wagner, die 1850 in Weimar stattgefunden hatte. Es ist nicht bekannt, wann G. Briccaldi und R. Wagner sich begegnet sind, aber wie sehr ersterer von seinem Zeitgenossen beeindruckt war, zeigt die Fantasie als eine Art Bestätigung.127 In den Opernfantasien hat das Klavier die Rolle des Orchesters und die Flöte ist wie der Sänger oder die Sängerin auf der Bühne. Das bedeutet, dass die Flöte ihre Freiheiten hat sich auszudrücken, das Klavier eine begleitende Rolle einnimmt. Aber weil das Klavier doch nicht ein ganzes Orchester, sondern eine „einzige Person” ist, kann sich der Begleiter besser auf den Solisten/die Solistin konzentrieren und sie können im Zusammenspiel die Stücke freier und während der Aufführung auch ganz spontan die Musik gestalten. Das Stück ist so aufgebaut, wie eine typische Opernfantasie oder ein Salonstück des 19. Jahrhunderts. Es beginnt langsam und beinhaltet einige langsamen Teile, führt aber allmächlich zu einem Höhepunkt und zu einem großen Finale, mit virtuosen Läufen. In der Begleitung der Klavierstimme sind viele Stellen mit Tremolo und Repetition versehen. Das erinnert an das Orchester und sein Tremolospiel, was eine Basis für die Melodie gibt.128 125 Rockstro, Richard Shepherd: A treatise on the construction, the history and the practice of the flute, London 1928, S. 641. 126 https://www.flute4u.com/store/Briccialdi-G-Lohengrin-Fantasie-Lohengrin-Fantasy.html 08.04.2016. 127 Vorwort von Delius, Nikolaus in: Delius, Nikolaus (Hg.): Giulio Briccialdi: Lohengrin-Fantasie nach Themen aus der Oper von Richard Wagner, Mainz 1999. 128 http://www.musikzeit.de/theorie/abbreviaturen.php 08.04.2016. 54 Notenbeispiel 11: G. Briccialdi: Lohengrin-Fantasie: nach Themen aus der Oper von Richard Wagner, Op. 129 (Takt 4-9) Notenbeispiel 12: G. Briccialdi: Lohengrin-Fantasie: nach Themen aus der Oper von Richard Wagner, Op. 129 (Lento) Es ist bemerkenswert, dass das C4 und sogar das Cis4 in der Flöte während der Fantasie vorkommt. Diese Töne benutzte man sehr selten im 19. Jahrhundert, weil sie nicht nur auszuspielen, sondern auch zu intonieren besonders schwer sind. Das ganze Stück wird sogar mit einem hohen Cis4 beendet. Weil es gar nicht einfach zu spielen ist, besteht die Möglichkeit, dass man eine Variante nimmt und statt Cis4 ein A3 spielt. Notenbeispiel 13: G. Briccialdi: Lohengrin-Fantasie: nach Themen aus der Oper von Richard Wagner, Op. 129 55 Obwohl die Teile des Stückes sich leicht gliedern lassen, kommt das bei den Übergängen so typisch wirkende Ritardando nur selten vor. Die neue Themen beginnen gleich, oft in eine stürmische Stimmung mit raschen Tremoli, die für die Kompositionen von R. Wagner so charakteristisch sind. Die Technik der Variation lässt sich durch die Akzente in der Flötenstimme gleich erkennen. Die Aufgabe des Interpreten/der Interpretin ist, dass er/sie diese mit Akzenten versehene Melodietöne so betont, dass die Melodie dem Zuhörer immer leicht erkennbar bleibt. Am deutlichsten sieht man eine Stelle im Moderato con moto Teil. Notenbeispiel 14: G. Briccialdi: Lohengrin-Fantasie: nach Themen aus der Oper von Richard Wagner, Op. 129 Eine andere Technik, womit der Komponist die Melodietöne hervorheben kann, ist, wenn er die Haupttöne in eine hohe Lage plaziert und die von einem großen Sprung gefolgt werden. Die Töne in der unteren Lage sind meistens repetiert und leiser gespielt. Diese Folgeerscheinung in der Lautstärke ist einerseits dem Aufbau des Instruments zu verdanken, welches in der hohen Lage einen stärkeren und schrillen und in der unteren einen schwächeren und leiseren Klang hat, andererseits der verständlichen und logischen Wiedergabe des Werkes durch den/die Flötisten/Flötistin. Notenbeispiel 15: G. Briccialdi: Lohengrin-Fantasie: nach Themen aus der Oper von Richard Wagner, Op. 129 56 Das fantasievolle Spiel mit den Akkordzerlegungen findet man fast in allen Teilen des Stückes. Gleich am Anfang, wo die Flöte mit dolce-Spielweise zum ersten Mal auftritt, sind die A-Dur Akkordzerlegungen dominierend. Im ersten Moderato con moto Teil ändert sich die Tonart und die Akkordzrelegungen werden in B-Dur vorkommen. Notenbeispiel 16: G. Briccialdi: Lohengrin-Fantasie: nach Themen aus der Oper von Richard Wagner, Op. 129 Wegen seiner hervorragenden Virtuosität hat man G. Briccialdi „Paganini der Flöte” genannt. Wenn die Flöte die ganz raschen Variationen spielt, klingt die Musik so, als wäre die Flöte gleichzeitig Solist und ihre eigene Begleitung.129 Es sind viele Tonartänderungen, aber die A-Dur-Tonart gibt einen Rahmen der Komposition. Außer A-Dur ist die B-Dur-Tonart besonders lange präsent. Es treten noch D-Dur kurz und FDur etwas läger auf. Jede Tonart bringt andere Gefühle mit sich. Die Stimmung der dominierenden A-Dur-Tonart passt gut zu der Geschichte der Oper, weil am Ende die Hauptfigur, Elsa, ihren Bruder wiedersehen wird. Dieser Gedanke wurde schon vom Musiktschriftsteller Ch. F. D. Schubart mit A-Dur verbunden: Hoffnung des Wiedersehens beim Scheiden des Geliebten.130 Neben seinem für alle Flötisten selbstverständlich gekannten Stück für Flöte, Carnevale di Venezia, Op. 78, sind zahlreiche Fantasien und Opernfantasien von G. Briccialdi für Flöte, die heutzutage nicht mehr gespielt werden und in Vergessenheit geraten sind.131 129 https://musopen.org/de/composer/giulio-briccialdi/ 09.04.2016. http://www.wellermusik.de/Padagogik/Tonarten/tonarten.html 09.04.2016. 131 Einige davon findet man auf der Hompage www.flutemonkey.com.09.04.2016. 130 57 4.3.3. Claude-Paul Taffanel: Fantasie über „Der Freischütz” Der bedeutende französische Flötist des 19. Jahrhunderts, Claude-Paul Taffanel, hatte nicht nur als Flötist, sondern auch als Dirigent Erfolg. Am Anfang seiner Lebensbahn hat er am Pariser Konservatorium bei Louis Dorus studiert, der die Böhmflöte mit ihren Neuerungen in Frankreich endgültig eingeführt hat.132 P. Taffanel war Flötist an der Opéra Comique und später an der Grand Opéra, wo er als Soloflötist wirkte. Die fortgesetzte Berührung mit der Oper und das ständige Spiel des Opernrepertoires hatte die Auswirkung, dass er diesen Stil sehr gut kennenlernte und vermutlich deswegen seine zahlreiche Ideen so gut verwirklichen konnte. Das ist in seinen Variationen und Verzierungen der Opernmelodien leicht nachvollziehbar. P. Taffanel konnte die Tradition der in seiner Zeit noch modernen Böhmflöte weiterführen. Damit die Schüler und Schülerinnen die technische Neuerungen vertiefen und auch die zukünftige Generation weiterführen können, hat er die Tradition des jährlichen Flötenwettbewerbs unterstützt und auch weitergeführt. Diese Wettbewerbe sicherten sowohl die technische, als auch die musikalische Entwicklung der Schüler. Die Schüler sollten in kurzer Zeit eine Komposition auf höhstem Niveau vorbereiten und vortragen müssen. Die Wettbewerbe waren sowohl für den Flötisten, als auch für den Komponisten eine entsprechende Herausforderung ihre Fähigkeiten im Spiel und in der Komposition zu verbessern und verfeinen. Die Anerkennung und die Preise waren weltweit anerkannt. Die Fantasie über „Der Freischütz” nach der Oper von Carl Maria von Weber wurde auch, in der Serie The Flute Collection von Emmanuel Pahud herausgegeben. Das Stück ist heutzutage beliebt und wird gern gespielt. Der Grund, warum E. Pahud das Stück in seine Reihe aufgenommen hat, kann sein, dass es den Erwartungen der Opern- und Salonfantasien der Zeit mit seinen bravourösen Läufen und zahlreichen technischen Schwierigkeiten vollkommen entspricht.133 In der Schweizer Musikzeitung 2011 wird das Werk P. Taffanels im Detail beschrieben und präsentiert: 132 http://www.oldflutes.com/articles/dorus.htm 11.04.2016. Pahud, Emmanuel (Hg.): Taffanel, Claud-Paul: Fantasie über „Der Freischütz” nach der Oper von carl Maria von Weber für Flöte und Klavier, Wien 2011. 133 58 „Die Fantasie von Taffanel macht einen breiten Querschnitt durch die Oper und greift auch bekannte Arien auf. Nach einer kurzen Allegro-Einleitung folgt ein rezitativischer, kadenzierender Abschnitt. Die folgenden Teile sind von verschiedenen Tempoangaben geprägt, einen größeren Platz nimmt das barcarolenhafte Allegretto grazioso ein, es folgt ein Andante quasi allegretto, das über eine Achtelbewegung, dann Triolen und Zweiunddreissigstel-Girlanden das folgende Allegro energico vorbereitet. Die Fantasie mündet in eine wirkungsvolle Schlusssteigerung vorn Poco meno mosso ins Piu vivo. Die ganze Kornposition enthält einen interessanten Wechsel von langsam-melodischen und schnellen Abschnitten und liegt trotz ihrer Virtuosität gut für die Flöte. Man merkt, dass sie von einemFlötisten geschrieben wurde.”134 Die Fantasie sprüht vor Farben und Einfällen und bietet virtuosen Flötisten/Flötistinnen die perfekte Plattform, um das eigene Können zu präsentieren. Die Kadenzen sind Sequenzen oder verschiedene Tonleitern, beispielweise die chromatische. Der Interpret/die Interpretin kann die Zeitlosigkeit ohne Begleitung genießen und die Passagen in einem ganz freien Tempo spielen. Notenbeispiel 17: C. P. Taffanel: Fansie über „Der Freischütz” 134 Weissbarth, Claudia: Opernthemen als Bravourstück, in: Schweizer Musikzeitung, 2012/12 https://www.universaledition.com/noten-und-mehr/fantasie-ueber-der-freischuetz-von-carl-maria-von-weberfuer-floete-und-klavier-taffanel-claude-paul-ue35316 14.04.2016. 59 Die Tempobezeichnung Andante quasi allegretto klingt auf den ersten Eindruck wie ein Gegensatz, weil man sich unter Andante etwas Langsames und unter Allegretto etwas Schnelles vorstellt. Aber wenn man die genaue Bedeutung der Wörter betrachtet, ist es möglich ein fröhlich dahinschreitendes Tempo zu spielen. Wie langsam und schnell gleichzeitig dargestellt wird, ergibt einen einzigartigen Charakter. Notenbeispiel 18: C. P. Taffanel: Fansie über „Der Freischütz” Die virtuosen Läufe sind entweder Tonleitern, Sequenzen oder Akkordzerlegungen, die sich immer wiederholen. Um die Geschwindigkeit der Läufe erreichen zu können, braucht man eine hervorragende Technik. Notenbeispiel 19: C. P. Taffanel: Fansie über „Der Freischütz” 60 Der Drang zum Finale passiert einerseits mit der Erhöhung des Tempos, andererseits mit den immer kleineren Notenwerten. Der Teil Allegro energico beginnt mit Klaviereinleitung im Tempo 135, worauf das etwas langsamere Meno vivo folgt. Am Ende wird der Schlussteil Piú vivo in 132 beendet. 4.3.4. Friedrich Kuhlau: Fantasie für Flöte allein D-Dur Der Name von Friedrich Kuhlau ist heutzutage in den Musikerkreisen vor allem wegen des alle zwei Jahre unter seinem Namen stattfindenden Wettbewerbs berühmt. Er wurde auch „Beethoven der Flöte” genannt. Der Grund für diese Bezeichnung kann sein, dass der Stil, in dem die Stücke von F. Kuhlau komponiert wurden, für den Übergang von der Klassik in die Romantik steht. Der Stil dieser früh romantischen Werken der beiden Komponisten tragen ähnliche Stilelemente.135 Obwohl F. Kuhlau kein Flötist war, was eine besonders bemerkenswerte Angabe ist, wenn Flötenwettbewerbe mit seinen Namen stattfinden, hat er sich mit dem Instrument gut ausgekannt. Es gibt einen Katalog mit seinen Werken, 1977 herausgegeben von Dan Fog. In diesem Katalog schreibt F. Kuhlau über seine Beziehung zu dem Instrument: „Ich spiele dieses Instrument nur ein wenig; aber ich kenne es genau.”136 Er hat nicht nur die Fantasie für Flöte allein in D-Dur, sondern andere Fantasien für SoloFlöte und auch Fantasien für die Besetzung Flöte und Klavier komponiert. Unter Op. 95, sind Nr. 1, 2 und 3 für Flöte und Klavier.137 Die 1820 komponierte Fantasie für Flöte allein in D-Dur findet sich unter Op. 38, Nr. 1 mit zwei anderen Solo-Fantasien für Flöte in der gleichen Sammlung, Nr. 2 in g-Moll und G-Dur und Nr. 3 in C-Dur. Die drei Fantasien wurden 1975 von Frans Vester in London herausgegeben. F. Vester, der holländische Flötist und Herausgeber zahlreicher Werke des Flötenrepertoires, schreibt in der Einleitung zu den Stücken: „Diese Stücke beinhalten alle Möglichkeiten expressiven und virtuosen Flötenspiels und sind daher eines der besten Beispiele frühromantischer Musik für Flöte.” 138 135 Farwick, Susanne: Studien zur zeitgenössischen Musik für Flöte Solo in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Münster 2008, S. 41. 136 Thrane, Carl: Friedrich Kuhlau, Buren 1979, S. 44. 137 http://www.klassika.info/Komponisten/Kuhlau/wv_gattung.html 12.04.2016. 61 Die Fantasie besteht aus drei Teilen, die mit den Tempoangaben Adagio, Allegro agitato und Andante, mit dem Titel Ariette con Variationi versehen sind. Der erste ist ein langsamer Teil, der mit der Bezeichnung Adagio versehen ist. Das Thema beginnt mit punktierten Rhythmen, die in der Aufführung nicht nur überpunktiert wirken sollen, sondern der erste Viertelton ist wirklich mit drei Punkten, und der Achtelton mit zwei Punkten versehen. Diese Einleitung wird durch Tonleiterläufe, durch Zerlegen des Dominantseptakkords und die Auflösung in DDur, die Grundtonart des Stückes, charakterisiert. Notenbeispiel 20: F. Kuhlau: Fantasie für Flöte Weil in diesem ersten Teil das Tempo langsam ist, gibt es Zeit für ein paar Verzierungen, die von dem Komponisten ausgeschrieben sind. Beispielweise auf langen Töne kommt vor einem Ganzschluss oft eine Umschreibung vor. Es sind Vorschläge, Triller und schließlich führt eine chromatische Tonleiter über zwei Oktave mit crescendo und Schwung zu einer f-Stelle. Diese kleinen Verfeinerungen sind wichtig, um die langen Töne aneinander zu binden und das Stück lebendiger zu zaubern. Der zweite Teil ist in der Paralell-Molltonart, in d-Moll. Genauso wie der erste Teil ist dieser auch mit Läufen und Akkordzerlegungen aufgebaut. Es sind viele große Sprünge sowohl mit Bindungen, als auch mit Staccatotönen. Als Hinweis für die Expression der Musikalität stehen dafür die Bezeichnungen wie espress., smorz. und dolce. 138 Vester, Frans (Hg.): Kuhlau, Friedrich: Three Fantasias Opus 38, London 1975. 62 In diesem Teil kann man gut erkennen, was man mit der Bezeichnung F. Kuhlau als „Beethoven der Flöte” meint. In den reinen Klängen, in den eindeutigen Führungen und in den Auflösungen hört man den Stil des Endes der Klassik und gleichzeitig der Frühromantik. Obwohl das Stück für ein Soloinstrument komponiert wurde, hat man nicht das Gefühl, dass eine Begleitung fehlt. Die vielen Tonleiterläufe, aber besonders die zahlreichen Akkordzerlegungen klingen auch vollständig und man vermisst keine weitere zusätzliche Stütze. Wie der Komponist mit dem Kompilieren der Akkordzerlegungen arbeitet, ist bemerkenswert. Er schreibt häufig riesige Sprünge, die dem Flötisten/der Flötistin eine technische Herausforderung stellen und der Zuhörerschaft das Gefühl einer Zweistimmigkeit vermitteln. Andere Stellen, wo man ähnliche Zweistimmigkeit findet, gibt es ab Takt 23 und genau diese Phrasen werden ab Takt 113 noch einmal wiederholt. Der kurze Melodieabschnitt ist, wie eine Umschreibung und er wiederholt sich in absteigenden Sequenzen. In der zweiten Hälfte dieser Sequenzfolge wird immer das d in der hohen Lage umgeschrieben und klingt, wie eine Begleitung zu der in der tiefen Lage befindlichen Melodie. Notenbeispiel 21: F. Kuhlau: Fantasie für Flöte Der letzte Teil, Arietta con Variationi ist eine Variation, die ihr Thema von einer Oper von W. A. Mozart nimmt. Die Melodie ist die Arie der Zerline „Batti, batti, o bel Masetto”, aus der Oper Don Giovanni. In den Variationen wird das Mittel der Umschreibung wieder verwendet, wie es in den zwei anderen Teilen auch der Fall war. Die Verwendung von Verzierungen und Akkordzerlegungen werden hier auch ähnlich vorkommen. Ab Takt 88 ist es leicht nachvollziehbar, dass jeder Ton der Akkordzerlegung mit einem Vorschlag verziert ist. 63 Notenbeispiel 22: F. Kuhlau: Fantasie für Flöte Andante ist das Grundtempo des Teiles, aber wegen der kleinen Notenwerte, wegen der fast ständigen Zweiunddreissigstel fühlt sich das ruhige Tempo nur im Thema wirklich langsam an. In den Variationen erinnert das Stück schon mit den schnellen Passagen an die im 19. Jahrhundert so typischen Bravourstücke. Zum Schluss bestätigt nicht nur die Tempoangabe Allegro, sondern auch die Spielanweisung con fuoco das Finale. In einem Artikel von Sandra Rowland über die Aufführung der Fantasie wird beschrieben, welche Schwierigkeiten die Flötistin Jasmine Choi beim Vortragen des Stückes hatte. Sie findet, dass eine extreme Ausdauerfähigkeit die größte Herausforderung ist. Das Stück ist sehr lang, dauert mehr als zehn Minuten und ohne Begleitung sind keine Pausen zum Ausruhen vorgesehen. „…a performance notable for both its virtuosity and lyricism, did not disappoint. Talking about the Kuhlau, she mentioned how difficult it is to play for twelve consecutive minutes without a measure of rest, 139 Der klassische Stil ist eindeutig mit den Spannungen und Auflösungen und das soll auch in der Aufführung genauuso deutlich gezeigt werden. Dynamik- und Charakteranweisungen sind angegeben, die einen Kontrast vorstellen. In der Dynamik sind häufig diminuendo- und crescendo-Stellen. Besonders ist, dass im letzten Teil, Ariette con variationi, der Interpret/die Interpretin oft auf einen langen Ton mit Fermate crescendieren und dann gleich diminuieren soll. Dies sind Übergänge, wo der Charakter des Stückes geändert wird und der Flötist/die Flötistin im Gegensatz zur vorherigen Stimmung dolce weiterspielen soll. Die Charakteranweisungen, wie con anima, dolce und con fuoco beschreiben den zu erzielenden Ausdruck. Die gegebene Artikulation macht die Melodie einmal ganz lyrisch, ein anderesmal rezitativisch. 139 Rowland, Sandra: Flute Fantasies with Jasmine Choi, in: Pipeline, Spring 2014. 64 Notenbeispiel 23: F. Kuhlau: Fantasie für Flöte Die vielen Läufe und virtuosen Stellen soll der Flötist mit „Fantasie” – im wörtlichen Sinn – erfüllen und das Stück nicht wie eine Übung, sondern mit viel Musikalität und Kreativität vortragen. 4.4. Weitere berühmte Fantasien für Flöte Wie früher in der Arbeit schon erwähnt wurde, sind Fantasien Musikstücke, die eine freie Form haben und sich meistens formal nicht in eine bestimmte Gattung einordnen lassen. Bei einer Fantasie hat der Komponist die vollkommene Freiheit in dem Aufbau des Stückes, es ist ihm sozusagen alles erlaubt. Der Interpret/die Interpretin soll die fantasievolle Komposition durch vielfältiges und fantasievolles Spiel auf das Publikum übertragen und so eine Einigkeit schaffen. Das musikalische Thema der Fantasie kann alles sein und dieses Thema muss nicht in einer Reprise zurückkehren. Es können immer neue Themen und Ideen auftauchen ohne Regeln und Zwänge. Diese Offenheit ist der Vorteil der Fantasien aber es tritt damit gleichzeitig die Frage und Schwierigkeit auf, wie man mit dieser Freiheit umgehen soll. Besonders bedeutend ist die Zeit, als das moderne Instrument Querflöte nach der Weiterentwicklung von Th. Böhm sehr beliebt wurde und infolge der Erweiterungen seiner Möglichkeiten die Gattung „Fantasie für Flöte” im 19. Jahrhundert besonders beliebt wurde. Die Komponisten wollten in dieser Zeit vor allem die Gefühle ausdrücken, die mit Wörtern 65 nicht beschreibbar waren und die Flöte war dafür ein sehr geeignetes Instrument, welches diese Aufgabe dementsprechend erfüllen konnte. Die romantische Künstler haben nach Spannung und Extremität gestrebt und die langen, cem Gesang ähnlichen Phrasen waren beliebt. Es waren auch häfuig bildhafte Darstellungen in der Musik, die mit dem Klang der Flöte leicht zu vergegenwärtigen waren.140 Die Bezeichnung „Romantik” hat ihre Wurzeln in der Literatur. Romane und Gedichte wurden geschrieben, die für die andere Kunstrichtungen unter anderem natürlich auch für die Musik wesentliche Einflüsse waren. Weil viele Fantasien für Flöte in der Epoche der Romantik entstanden sind, ist es wichtig, die Grundstimmung dieser Periode zu kennen. Diese Grundstimmung der Romantik kann das folgende Gedicht von Clemens Brenato vorstellen, in dem sogar die Flöte erwähnt wird:141 „Hör, es klagt die Flöte wieder und die kühlen Brunnen rauschen. Golden wehn die Töne nieder, Stille, stille laß uns lauschen! Holdes Bitten, mild Verlangen, Wie es süß zum Herzen spricht! Durch die Nacht, die mich umfangen, Blickt zu mir der Töne Licht.” 142 Man verbindet die Romantik zuallererst mit der Lyrik, mit der Klangmalerei, mit dem Reimzauber und mit der Synästhesien. Im 19. Jahrhundert werden mehrere Instrumente des Orchesters weiterentwickelt. Sowohl die einzelnen Instrumente, als auch der Zusammenklang mehrerer verschiedener Kombinationen von Instrumenten ergeben neue Klangfarben. Studien über die Orchestration beschäftigen sich mit diesen Klängen und behaupten, wenn man zwei Holzblasinstrumente einigt, ist es die Flöte, die den gesamten Klang weicher macht. In der Kombination mit Flöte und Oboe ist es 140 http://enciklopedia.fazekas.hu/tarsmuv/romantika.htm 18.04.2016. Gidion, Heidi: Phantastische Nächte, Traumerfahrungen in Poesie und Prosa, Göttingen 2006, S. 58. 142 Brentano, Clemens: Abendständchen, in: Reclam, Philipp (Hg.): Gedichte, Stuttgart 1995, S. 54. 141 66 am meisten nachempfindbar, da die Oboe einen ziemlich scharfen Klang hat, die Flöte aber mit ihrer Geschmeidigkeit zu einem weicheren Klang beitragen kann.143 Die Komponisten nützen die Vielfältigkeit der Flöte im Spektrum der Klangfarben sowohl mit der Verwendung des Soloinstruments als auch mit anderen Besetzungen aus. Diese Eigenschaft war für viele inspirierend und die Flöten-Fantasien wurden auch Auslöser für weitere Fantasie-Kompositionen für andere Instrumente, sodass heute Fantasien generell häufig im Repertoire vorhanden sind. 4.4.1. Gabriel Fauré: Fantasie, Op. 79 Das Original von Gabriel Faurés beliebter Fantasie, Op. 79 für Flöte und Klavier wurde aus Anlass eines Flötisten-Wettbewerbs am Pariser Conservatoire im July 1898 komponiert, wo der Sieger Gaston Blanquart war. Das Stück wurde im gleichen Jahr bei Hamelle in Paris veröffentlicht. Das Werk ist Paul Taffanel, gewidmet, der in dieser Zeit Professor am Conservatoire in Paris war.144 Viele Flötenstücke wurden Paul Taffanel gewidmet, weil es ihm zu verdanken war, dass die Möglichkeiten der Flötisten vielfältiger geworden sind. Diese Flötenwettbewerbe hatten eine große Bedeutung und die Sieger haben nicht nur Preise, sondern auch Anerkennung erhalten. Die französische Schule war in dieser Zeit weltbekannt. Dazu zählte nicht nur die Virtuosität der Spieler sondern auch die Fähigkeit, wie sie viele verschiedene Klangfarben spielen konnten. Larry Krantz hat eine Liste zusammengestellt, wo alle Werke mit Angabe des Komponisten, des Titels und Erscheinungsjahr aufgelistet sind, die für die Flötenwerttbewerbe in Paris komponiert und gespielt wurden.145 P. Taffanel hatte hervorragende Schüler, die ihn wegen seinen pädagogischen und künstlerischen Fähigkeiten sehr schätzen und verehrten. Ein Schüler von ihm, Georges Barrére, äußert sich über ihn folgendermaßen: 143 Rimsky-Korssakow, Nikolai, Shtenberg, Oseevich Maksimilian: Grundlagen der Orchestration; mit Notenbeispielen aus eigenen Werken, Berlin 1922, S. 54. 144 http://www.henleusa.com/us/detail/index.html?Title=Fantaisie+op.+79+and+Morceau+de+lecture+for+Flut e+and+Piano_580 11.04.2016. 145 http://www.larrykrantz.com/concours.htm 14.04.2016. 67 „Ich bin sicher (…), dass Taffanel nicht nur der beste Flötist der Welt war, sondern daß auch Zweifel erlaubt sein dürfen, ob je wieder ein Flötist seinen Platz wird einnehmen können. Die Schönheit und Fülle seines Tones und seine präzise Fingertechnik waren nur ein geringer Teil seiner Eigenschaften als Flötenspieler. Seine Musikalität, seine musikalische Ausstrahlung, insbesondere seine Stilsicherheit waren in höchsten Maße inspirierend.”146 P. Taffanel hat an der Flötenstimme der Fantasie, Op. 79 von G. Fauré einige Änderungen vorgenommen, aber das Original-Manuskript ist verloren gegangen, man kennt deren Ausmaß nicht.147 1958 veröffentlichte der Verlag Hamelle eine Bearbeitung der Fantasie für Flöte und Orchester herausgegeben von Louis Aubert. So wurde das Stück im Februar 1957 in der Salle Gaveau, in Paris unter der Leitung von Fernand Oubrados uraufgeführt. Der Solist war JeanPierre Rampal. Der erste Teil der Fantasie ist ein ruhiger Teil, Andantino in e-Moll, er wirkt wie eine Einleitung. Die ersten 18 Takte waren mit einer kurzen Coda bereits Teil von G. Faurés Bühnenmusik zu Pelléas et Mélisande Op. 80, die er zur gleichen Zeit wie die Fantasie für eine Bühnenproduktion in London in Arbeit hatte. Die langen Phrasen im Andantino erfordern eine gute Atemkontrolle seitens der Solisten. Die Freiheit in der Komposition zeigt sich in der Schlichtheit der reinen Linien und Harmonien und in der unerwarteten und farbigen Modulationen. Die Freiheit der Fantasie für den Spieler/die Spielerin zeigt sich in der Gestaltung dieser Melodielinien und in der Einteilung der musikalischen Phrasen über eine immer gleich im Rhythmus und eher im Hintergrund bleibende Klavierbegleitung. Die Ausdrücke, wie espressivo und dolce ermutigen die Flötisten ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Der viel beweglichere und lebhaftere zweite Teil trägt nicht umsonst die Bezeichnung Allegro. Dieser schnellere zweite Teil erfordert vom Spieler/von der Spielerin Beweglichkeit, exzellente Intonation und gegen Ende des Stückes eine gleichmäßige Tonproduktion vom höchsten bis zum tiefsten Register der Flöte. 148 Wie es für die Wettbewerbstücke erwartet wurde, kommen auch Teile vor, in denen der Flötist vor allem seine technischen Fähigkeiten zeigen soll. Die Begleitung gibt einen freien Raum dafür, so dass einige Takte für die Flöte 146 Pešek, Ursula und Željko: Flötenmusik aus drei Jahrhunderten, Komponisten ∙ Werke ∙ Anregungen, Kassel 1990, S. 145. 147 Wagstaff, John: Gabriel Fauré Fantasie op. 79, 2009 in: https://repertoire-explorer.musikmph.de/wpcontent/uploads/vorworte_prefaces/934.html 22.03.2016. 148 Wagstaff, John: Gabriel Fauré Fantasie op. 79, 2009 in: https://repertoire-explorer.musikmph.de/wpcontent/uploads/vorworte_prefaces/934.html 22.03.2016. 68 Solostellen sind. Es ist zwar eine sehr kurze Zeit um etwas zeigen zu können, aber die Abwechslung macht den Gesamteindruck fantasievoller. Notenbeispiel 24: G. Fauré: Fantasie Op. 79 (Takt 54-62) Notenbeispiel 25: G. Fauré: Fantasie Op. 79 (Takt 68-71) Raymond Meylan beschreibt in seinem Buch Die Flöte, wie Marcel Moyse die Fantasie, Op. 79 von Fauré am 22. August 1970 unterrichtete. M. Moyse war Schüler von P. Taffanel und es ezigt sich, dass er die Tradition der französischen Schule weitergeführt hat, wie es auch das folgende Zitat beweist: „Wenn ich meinen Lehrer Marcel Moyse (geb. 1889) lehren höre, glaube ich noch heute den Gedankenstrom zu spüren, diesen Drang nach orphischer Ausdruckskraft, den er selbst zu Beginn dieses Jahrhunderts bei Taffanel erfahren hat.” 149 149 Meylan, Raymond: Die Flöte, Mainz 1984, S. 96. 69 Während des Unterrichts hat M. Moyse dem Schüler zuerst lange zugehört und dann hat er ihn aufgefordert wieder anzufangen. Sobald der Schüler dies umsetzte, hatte er die Angewohnheit gleich beim ersten Ton zu stoppen und ihn nach dem Verhältnis zwichen Flöte und Begleitung zu fragen. Zum Beginn soll man jeden Ton genau wahrnehmen. Im 4. Takt klingt das aufgelöste F nach einem Geheimnis, man weiß nicht warum es aufgelöst wird und was die Funktion des Tons ist. Der Ausdruck im Anfangsteil muss innerlich bleiben. Der Anschluss des langsamen Andantino und des schnellen Allegro-Teils darf nicht gewaltsam ineinander stürmen. Es ist beim Wettbewerb passiert, dass dieser Übergang so dramatisch gespielt wurde, dass sich Fauré daraufhin mit den Worten äußerte: „Ich glaubte nicht ein Drama für die Flöte geschrieben zu haben.”150 Eine besondere Stelle in der Fantasie ist, wo die Flöte, obwohl sie ein Melodieintrument ist, quasi eine Zweistimmigkeit verwirklichen soll. Die Haupttöne der Melodie sind von den immer gleich bleibenden Nebentönen begleitet. Notenbeispiel 26: G. Fauré: Fantasie Op. 79 (Takt 25-27) Die Fantasie op. 79 von G. Fauré eignet sich entsprechend als Beispiel, sowohl die Atmosphäre der französischen Schule zu zeigen, als auch die Freiheit der Klangidealen und der Stimmung der Fantasie repräsentieren zu können. 4.4.2. Georges Hüe: Fantasie Georges Hüe, der 1858 in Versailles geborene französischer Komponist, hat bei bekannten Musikern und Komponisten, wie Charles Gounod und César Frank, gelernt. Er hat 1879 den Rompreis mit seiner Komposition Médée gewonnen. Als er nach Paris zurückkehrte, hatte er hauptsächlich Bühnenwerke geschrieben. Obwohl er mehrere Opern geschrieben hat, ist er heute trotzdem nur noch wegen einzelnen Instrumentalstücken bekannt geblieben. 150 Fauré [ohne weitere Angaben] zitiert nachMeylan, Raymond: Die Flöte, Mainz 1984, S. 98. 70 Die 1913 komponierte Fantasie für Flöte und Klavier von G. Hüe wird nur noch gelegentlich aufgeführt. Sie gleicht der Fantasie von G. Fauré und wurde genauso für einen Wettbewerb für Studenten am Pariser Konservatorium geschrieben. Der Untertitel der Fantasie lautet: Morceau de Concours, Conservatoire National de Musique de Paris (1913).151 Obwohl seine Kollegen Claude Debussy und Gabriel Fauré seine Kompositionen schätzten, werden die Stücke von G. Hüe nicht so oft gespielt. Er hatte doch weniger Erfolg und ist im Vergleich zu C. Debussy und G. Fauré nicht so bekannt, vielleicht weil seine Kompositionen sich mit der Zeit nicht verändert haben, sondern im romantischen Stil geblieben sind, was in der Mitte des 20. Jahrhundert altmodisch klang und nicht mehr interessant wirkte.152 Wie schon vorher erwähnt, ist die Fantasie für einen Wettbewerb komponiert worden, so beinhaltet sie alle Elemente, wobei der Interpret/die Interpretin seine Fähigkeiten zeigen kann. In den Noten sind die musikalischen Vortragszeichen, wie crescendo, decrescendo, diminuendo und a Tempo sehr oft ausgeschrieben, es sind also feste Erwartungen an den Interpret/die Interpretin gestellt. Aber wie man mit der Gestaltung dieser vorgegebenen Ӓnderungen umgeht hängt von dem Individum ab. Eine Besonderheit ist erwähnenswert: Die Möglichkeit gibt es nicht so oft, dass man die Fantasie, im Original wie mit Orchesterbegleitung spielt. Der Klavierbegleiter hat nämlich eine schwierige Rolle, da er alle unterschiedlichen Kangfarben des Orchersters auf das Klavier übertragen soll. In den Noten steht, welches Instrument das Orchester gerade spielen würde, was natürlich eine große Hilfe ist um sich die Klangfarben vorzustellen und diese verwirklichen zu können. 151 152 Hüe, Georges: Fantasie pour flûte avec accompagnement de piano, Paris 1913. https://musopen.org/composer/georges-hue/ 22.03.2016. 71 Notenbeispiel 27: G. Hüe: Fantasie Wenn man die Noten betrachtet, fallen gleich einerseits die komplizierten Rhythmen, andererseits die Balance zwischen der Flöte und der Begleitung auf. Der erste Teil bis Ziffer 2 hat die Wirkung wie eine freie Einleitung, wo das Klavier mit dem punktierten Rhythmus im ersten Takt sich präsentiert, aber ab dem zweiten kommt die Flöte dazu. Der punktierte Rhythmus des Klaviers bleibt in dem ganzen Einleitungsteil präsent. Die Flöte hat die Aufgabe, wie bei vielen anderen für Wettberwerbe geschriebenen Stücken, dass sie gleich am Anfang ihren Klang und Beweglichkeit präsentiert. Die Überleitung zum nächsten Teil zur Ziffer 2, bezeichnet als Modéré, ist wie quasi eine kurze Kadenz aufgebaut. Der Komponist fügt eine technisch schwierige Stelle ein, wo der Flötist seine Fähigkeit mit der Verwendung der Doppelzunge in der tiefen Lage zeigen soll. Nach crescendo, accelerando und zum Schluss doch diminuendo und Schlusstriller beginnt eine ruhige Melodie, die sich schon mehr in eine Form ordnen läßt. Den 4/4 Takt, abwechselt die 12/8 Takt, die eine fließende Taktart ist. 72 Notenbeispiel 28: G. Hüe: Fantasie Im zweiten, ruhigen Teil kommt ein Thema in einer helleren Durtonart. Die Bezeichnung für Flöte, bien chanté, weist auf eine gefühlsvolle Vortragsweise hin. Die Taktartwechsel und das Spiel mit dem Rhythmus macht das Stück so speziell. Ab Ziffer 8 beginnt ein sehr rhythmischer Teil im 3/8 Takt. Es ist leichter nachvollziehbar, wie die Instrumente in diesem Teil aufgeteilt sind, wenn ein Orchester die Flöte begleitet. Die Begleitung spielt ständige staccato-Töne und dazu ist das Schlaginstrument Triangel sehr passend. Abwechselnd bekommen Triangel und Harfe die wichtige Rolle, diesen Rhythmus zu fundieren. „Das Triangel trat ebenfalls im Gefolge der Türkenmusik in Erscheinung und kam dann vor allem im Ballett der Tauridischen Iphigenie Glucks zu schöner Verwendung. […] Seine Handhabung erfolgte dann in den einzelnen Orchestern sehr ungleichmäßig. Erst Wagner nahm sie ernst genug, um auch dieses Instrument von einem gewandten Musiker bedienen zu lassen.”153 Dieses Zitat beschreibt die Funktion des Triangels im Orchester. Es zeigt, dass dieses einfache Schlaginstrument eine besondere Wirkung für den gesammten Klang des Orchesters schaffen kann. Der punktierte Rhythmus in der Begleitung, der immer wieder vorkommt, ist wie eine Erinnerung an das Anfangsthema. Es ist interessant, dass dieser punktierte Rhythmus ab der Ziffer 8 in der Flötenstimme vorkommt. Während die Begleitung die staccato-Töne spielt, kommt der Rhythmus zwar nicht mit der gleichen Melodie, aber mit diesem ähnlichen Rhythmus vor. 153 Schreiber, Ottmar: Orchester und Orchesterpraxis in Deutschland zwischen 1780 und 1850, Hildesheim 1978, S. 201. 73 Notenbeispiel 29: G. Hüe: Fantasie Die Fantasie von G. Hüe ist ein gutes Beispiel dafür, wie fantasievoll der Komponist tatsächlich mit den Klangfarben umgehen kann. Auch heute noch wird dieses in jeder Hinsicht anspruchsvolle Stück dem Repertoire von Wettbewerbstücken zugeordnet. 4.5. Fantasien aus dem 20. Jahrhundert In der Musik des 20. Jahrhunderts werden viele Neuigkeiten entdeckt, auch in Hinblick auf Veränderungen in den grundlegenden Spielweisen der Flöte. Es werden die Spieltechniken in Kompositionen der Neuen Musik weiterentwickelt. Es werden Vierteltöne, die Mehrklangtechnik, die sogenannte Multiphonics, perkussiven Effekten wie zum Beispiel Beatbox, es wird die Zirkularatemtechnik und Luftgeräusche verwendet. Martin Gümbel beschreibt in seinem Buch Neue Spieltechniken in der Querflöten-Musik nach 1950, dass in dieser Zeit eine Abkehr von dem bis dahin benutzten schönen, idealen Ton 74 geschieht.154 In diesem Ton wurden nicht nur die J. S. Bach-Sonaten oder die W. A. MozartKonzerte, sondern auch alle Salonstücke der französischen Schule gespielt. Vor dem 20. Jahrhundert war die Periode, in der für diesen gleichbleibenden Klang komponiert wurde lange und erstaunlich produktiv. Die Wende zu einem neuen Tonverständnis hat daher eine große Bedeutung für die Klangveränderung der Flöte und zieht eine neue Klangvorstellung nach sich.155 Obwohl die wichtigste Neuerung des 20. Jahrhunderts der freie Umgang mit der Tonalität ist und dieses Vorgehensweise sich auch in den Flötenstücken findet, ist die allerwichtigste Ӓnderung für die Flöte die Verwirklichung des neuen Klangideals und die Anwendung neuer Spielweisen und Effekte. Im Gegensatz zu der traditionellen Notenschrift entsteht auch ein neues Notenbild. Es genügt manchmal eine ganz kurze Phrase aufzuschreiben und daraus wird eine lange Komposition bei der Aufführung entstehen. Die freie Improvisation ist ein wichtiges Thema, das in der Neuen Musik eine wesentliche Rolle spielt. Sie ist ein Thema, womit man sich ausführlich beschäftigen sollte, wenn man die Fantasien betrachtet. Unabhängig von der Epoche braucht man für die Improvisation Vorstellungskraft und Kreativität. Jede Komposition des 20. Jahrhunderts und unserer Zeit ist einzigartig und unvergleichbar. Von den früheren Epochen unterscheiden sich die Werke stark nicht nur klanglich, sondern auch formal und haben oft individuelle Ziele. Damit man einen besseren Einblick in die Kompositionen dieser Zeit bekommt, ist es wichtig die Hintergründe der Entstehung und die Absichten des Komponisten kennenzulernen. Die Atmosphäre der einzelnen Musikwerke zu erfassen, den Kontext der Zeit zu erarbeiten, kann für die Realisierung des Stückes von großer Bedeutung sein und verändert den Zugang des Spielers/der Spielerin zur jeweiligen Musik, wenn er/sie die Gründe und Ziele des Werkes und des Komponisten versteht. Die der Zuhörerschaft oft fremden Klänge und die entsprechende Atmosphäre dieser Musik können vom Musiker/ von der Musikerin mit diesem Wissen in der Interpretation besser zum Ausdruck gebracht werden. Durch den Vortragenden /die Vortragende wird dem Publikum auch der Sinn der Komposition und ihre Botschaft näher gebracht. 154 Gümbel, Martin: Neue Spieltechniken in der Querflöten-Musik nach 1950, Kassel 1974, S. 2. Farwick, Susanne: Studien zur zeitgenössischen Musik für Flöte solo in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2009, S. 47. 155 75 Man kann sich mit den Kompositionen der zeitgenössischen Musik mehr vertraut machen, wenn man nicht nur das Werk, das man gerade spielt, betrachtet, sondern sich mit anderen Arbeiten des betreffenden Komponisten beschäftigt und mehr darüber herausfindet. Das Anhören der Aufnahmen, falls solche vorhanden sind, bringt mehr Gefühl und Verständnis. Wichtig sind auch die Kompositionen, welche den Komponisten mit ihren Klängen oder Harmonien inspiriert haben. Durch das Hörerlebnis und die Sammlung der Erfahrung erhält man wertvolle Einsichten und es ist eine gute Übung, um die eigene musikalische Vorstellungskraft zu erweitern. Wenn man zeitgenössische Musik spielt und die Klänge ungewöhnlich findet, kann man eine kurze Passage aus dem Stück herausnehmen, an der man gerade arbeitet. Man legt die Komposition beiseite und improvisiert eine Passage im selben Stil.156 4.5.1. Fantasien für Solo-Flöte Obwohl die Flöte ein Melodieinstrument ist und meistens mit Begleitung gespielt wird, hat das Repertoire für das Soloinstrument ein breites Spektrum. Es gibt Sammlungen mit Solostücken für die Flöte. Ein berühmtes Album wurde Die Soloflöte in mehreren Bänden von der deutschen Flötistin Mirjam Nastasi herausgegeben. Es ist eine Sammlung repräsentativer Werke vom Barock bis zur Gegenwart. Sowohl die stilistischen als auch die technischen Ӓnderungen und Entwicklungen des Instruments während der verschiedenen Epochen lassen sich verfolgen.157 Als Voraussetzung der von Th. Böhm herbeigeführten entscheidenden Verbesserungen im Flötenbau und der Verbreitung des Instruments, kam es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Revolution der Flötenmusik und zur Entwicklung eines modernen solistischen Flötenrepertoires. Die Abkehr von der Dur-Moll-Tonalität ermöglichte eine neue Gestaltung der Melodie und beeinflusste somit die Stilistik solistischer Flötenmusik. Der stabile Mechanismus der Flöte ermöglichte dabei die unterschiedlichsten Versuche im Umgang mit der Flöte und ihrer Klangfarbe, woraus sich eine Abwechslung individueller Ansätze ergab. 156 157 http://www.helenbledsoe.com/Tipszurvor.html 03.05.2016. http://nastasi.no-te.com/ 28.04.2016. 76 Das neu erwachte Interesse zeigte sich deutlich an der Zahl neuer Kompositionen für Flöte Solo.158 Wie vorher erwähnt wurde, gibt es immer mehrere Solostücke für Flöte schon seit mehreren Jahrhunderten, die das Charakteristikum des Instruments betonen. In dieser Arbeit werden zwei Beispiele für Solo-Flöte der Neuen Musik untersucht. Die zwei Stücke präsentieren völlig andere Richtungen und Betrachtungsweisen der Möglichkeiten in der Komposition. Während der Aufbau der Fantasie für Flöte Solo op. 35, Nr. 6 von Ma Shui-Long eine eindeutige Freiheit mit den häufigen Taktart- und Tempowechsel zeigt, ist die Form der Fantasie for flute, Op. 89 von Malcolm Arnold leicht in mehrere Sätze zerlegbar, die aber während des Vortrags ohne Pause, attacca weitergehen. Neben dem formalen Aufbau der zwei Stücke, ist der Unterschied im Klang maßgeblich. Die Fantasie von Ma Shui-Long erinnert mehr an die Klangwelt der Musik im 20. Jahrhundert, wo alles erlaubt ist und die Töne einander quasi nach Belieben folgen. Der Klang der Fantasie von M. Arnold ist ganz traditionell, das harmonische Geschehen ist leicht verfolgbar und es sind keine Effekte, die in diesem Jahrhundert im Flötenklang so typisch wären, wie Luftgeräusch, Flatterzunge, Flageolett oder Multiphonics. Die Idee, warum aus der Neuen Musik nicht zwei Fantasien mit Begleitung untersucht werden ist, dass man sich ohne Begleitung besser in die Flötenstimme und ihren Klang vertiefen kann. Der Klang lässt sich mit seinem vollen Glanz entfalten. Obwohl die Aufführung mit der modernen Flöte eine bessere und stärkere Klangqualität hervorbringt, wäre die Flöte neben dem Klang des Orchesters und des Klaviers etwas unterdrückt, auch wenn dies ungewollt geschieht. Um diesen Fall zu vermeiden fiel die Wahl in dieser Arbeit auf die beiden Fantasien für die Soloflöte von Ma Shui-Long und Malcolm Arnold. 4.5.2. Ma Shui-Long: Fantasie für Flöte Solo, Op. 35. Nr. 6 Der 2015 gestorbene, taiwanische Komponist Ma Shui-Long ist nicht nur in seinem Land, sondern auch im internationalen Sinn bedeutend für die Musik im 20. Jahrhundert. 158 Farwick, Susanne: Studien zur zeitgenössischen Musik für Flöte solo in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2009, S. 42. 77 Seine kompositorische Philosophie wurde beeinflusst von den Techniken der Malerei und der Kalligraphie, wie es das folgende Zitatet beweist: „Poetry, painting, and music have commonality, for they not only appeal to our senses but also allow us draw parallels between the reactions of our senses to these art forms. […] Poetry is more or less music, since they express the same ideas by different means, so that these remarks correspond to my theory of ´seeing music and listening to painting.” 159 In dem Zitat spürt man die Wichtigkeit der Beziehung der Poesie und der Musik. Die beiden spielten für den Komponisten eine bedeutende Rolle in seinem kompositorischen Schaffen. Es gibt eine Kategorie der Fantasien, die nationale Bezüge haben und über die später in der vorliegenden Arbeit noch mehr geschrieben wird. Obwohl im Titel nichts darauf hinweist, könnte das Concerto for bamboo flute and orchestra von Ma Shui-Long in diese Kategorie passen. Das Stück zeigt eine Mischung von moderner und traditioneller chinesischer Volksmusik.160 Der Komponist selbst beschreibt die Fantasie für Flöte Solo op. 35, Nr. 6: „A long sigh penetrates the silent night, swells of thoughts move like waves that start with ripples and eventually turn into surges. There is no break between movements in this piece and the form is also very free. I wrote this piece to reflect homesickness while I was a student in Germany.”161 Diese Beschreibung beweist ebenfalls die Wichtigkeit der Bildhaftigkeit in den Kompositionen von Ma Shui-Long. Das ganze Stück gehört zusammen, man darf nicht mit Pausen die Teile „zerstückeln”. Es ist wichtig, dass der Interpret/die Interpretin während des Vortrags des Stückes eine Einheit der verschiedenen Teile schafft. Ma Shui-Long beschreibt, dass die Form ganz frei ist, was eine der wesentlichsten Eigenschaften der Gattung Fantasie bestärkt. Das Stück war 1974 fertig komponiert und die Uraufführung war am 15. Jänner 1975 an der Hochschule Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg, wo Ma Shui-Long Komposition studierte. Der Flötist der Fantasie war Axel Stein. 159 National Taiwan Symphony Orchestra, Ting Jien Tai Wan De Sheng Ying: Ma Shui Long Zuo Ping Xue Shu Yen Tao Hui Luen Wen Ji [The Sound of Formosa: Papers and Proceedings of Conference on Ma, Shui-Long’s Compositions] (Taiwan: National Taiwan Symphony Orchestra, 2008), 18. in: Chung, Ti: Shui-Long Ma: A Stylistic Analysis and Discussion of Fantasy for Flute Solo, Texas 2014, S. 4. 160 http://www.springautumnmusic.com/publication_en13.html 05.04.2016. 161 http://www.springautumnmusic.com/publication_en03.html 05.04.2016. 78 Die Freiheit der Komposition zeigt sich gleich, wenn man das Notenbild anschaut. Auf den ersten Blick erkennt man eine Unregelmäßigkeit im Taktartwechsel und im Aufbau der Form. Der Komponist spielt mit der Gruppierung der Töne. Es sind drei, fünf, sechs und sogar zwölf Töne in eine Gruppe gestellt. Es kommen nicht so viele spezielle Spieltechniken der Neuen Musik in dieser Fantasie vor, aber es wird unter anderem die Spielweise mit Flatterzunge und das Tremolo auch oft benutzt. Die Flatterzunge erzeugt einen auffälligen Effekt, der von dem gewohnten Charakter des Stückes plötzlich abweicht. Solche Stellen kommen immer wieder vor, haben aber jedesmal die gleiche überraschende Wirkung. Notenbeispiel 31: Ma Shui-Long: Fantasie für Flöte Solo Obwohl das Stück zwar eine freie Form hat, wo die verschiedene Tempoangaben sich ständig wechseln, kann man doch einen Aufbau vom langsameren und ruhigen Teil bis zum schnelleren Finale nachvollziehen. Die Mischung von nationalen Klängen und moderner Technik ist wegen den ungewöhnlichen Tonleitern und den dadurch entstehenden exotischen Klängen bemerkbar. Die Atmosphäre des Stückes ist für europäische Ohren etwas ganz Besonderes, die die fremde Kultur näher bringt und vertraut macht. Für Leute aus östlichen Nationen, denen die Klänge bekannter sind, verlebendigt dieses Stück möglicherweise die Stimmung ihre Heimat. Mit der Hilfe der Musik und der eigenen Fantasie kann man dem Publikum die fernen Länder und ihre Kultur näher bringen. 79 4.5.3. Malcolm Arnold: Fantasy for flute, op. 89 Als zweites Beispiel wird die Fantasy For Flute, Op. 89 von Malcolm Arnold aus dem Jahr 1966 geannt. Die Fantasie lässt sich wegen ihrer Entstehungszeit zur Neuen Musik einordnen, aber die für Neue Musik typische Atonalität findet man gar nicht, sondern die Exklusivität des Stückes besteht in der Zusammenstellung einfache Akkorde und Läufe. Malcolm Arnold legte zahlreiche Kompositionen in unterschiedlichen Richtungen, wie zum Beispiel Concerti, Balettmusik und Sinfonien für verschiedene Besetzungen vor. Er erhielt sogar im Jahr 1957 einen Oscar für die Filmusik zu River Kwai gewonnen, damit war er der erste britische Komponist in der Geschichte, der das erreicht hat.162 Die Fantasy For Flute war ein Wettbewerbstück, welches das Symphonieorchester Birmingham für einen internationalen Wettbewerb für Blasinstrumente in Auftrag gab. Mit seinen Läufen und schnellen Tempoangaben hat Malcom Arnold die technischen Erwartungen an die Flötisten/Flötistinnen ziemlich hoch gestellt und damit ist das Stück als Wettbewerbstück besonders entsprechend.163 Es gibt eine CD-Aufnahme mit dem weltberühmten britischen Flötisten, James Galway, die 1997 veröffentlicht wurde. Das Album beinhaltet noch andere Werke von M. Arnold für Flöte, wie zwei Konzerte, Flute Concerto Nr. 2, Op. 111, Concerto For Flute And Strings, Op. 45, die Sonatina For Flute And Piano, Op. 19 und die Sonata For Flute And Piano, Op. 121.164 Das Pipeline-Magazin hat einen Artikel über ein Konzert von Jasmine Choi publiziert. Die koreanische Starflötistin wurde vom Magazin Sinfini 2015 sogar in die „Top 10 Greatest Flutist in History” gewählt. Die Künstlerin widmete deinen Vrotragsabend den Flötenfantasien, wobei auch die Fantasie von M. Arnold aufgeführt wurde. Zu dieser Aufführung und zum Komponisten kann man in dem erwähnten Artikel Folgendes lesen:165 162 http://malcolmarnold.co.uk/bio.html 01.04.2016. http://www.musicroom.com/se/id_no/059610/details.html 01.04.2016. 164 https://www.discogs.com/de/Sir-Malcolm-Arnold-James-Galway-Phillip-Moll-Gareth-Hulse-Antony-PayPhilip-Eastop-Rachel-Gough-Acad/release/5348599 01.04.2016. 165 http://www.jasminechoi.com/#about 01.04.2016. 163 80 „Arnold believed that music is ´a social act of communication among people´ and ´a gesture of friendship´. Choi conveyed both friendship and musicality throughout this piece. Her energetic lightness and bounce displayed gestures of both dance and song.”166 Die Freiheit dieser Fantasie kann man im Aufbau des Stückes erkennen, wie die Teile mit verschiedenen Charakteren einander folgen. Für die Vortragsweise dieses Stückes sind beinahe alle Hinweise angegeben. So sind genaue Tempoangaben, dynamische Angaben von pp bis zu ff vorhanden und die Überschriften zu den einzelnen Teilen bestimmen den jeweiligen Charakter. Das Stück besteht aus vier Teilen. Der ruhige, erste Teil Andante con moto gibt kein Zeichen dafür, wie sehr der Charakter bis zum Schluss noch geändert wird. In den ersten zwei Takten wird eine einfache Melodie als Muster gegeben, das für den ganzen ersten Teil dienen wird. Das fantasievolle Veränderung des Musters passiert durch Augmentation und Verschiebung der Betonungen durch Pausen. Notenbeispiel 31: Fantasy for flute Op. 89 Es führt eine Akkordzerlegung zum zweiten Teil. Es wird noch ganz ruhig und leise angefangen und innerhalb zweier Takte soll die Stimmung des nächsten Teils erreicht werden, der die Überschrift Vivace e molto ritmico trägt. In diesem Teil sind die Gegensätze dominierend. Man kann diese Kontraste in verschiedenen Bereichen beobachten. Im Rhythmus wechseln sich ständig Sechszehntelnoten und Triolen, in der Dynamik folgen pp und ff einander sogar taktweise und es wird die höchste und die tiefste Lage der Flöte mit riesigen Sprüngen hervorgehoben. Diese drei Gegensätze ziehen sich durch den gesamten Teil 166 Rowland, Sandra: Flute Fantasies with Jasmine Choi in: Pipeline, Spring 2014. 81 und machen ihn abwechslungsreich und interessant. Nach einer langen Phrase, die mit Sechszehntelnoten beginnt, wird aber mit Triolen zum Thema des Teiles weitergeleitet. Das heißt, damit wird von der Flöte fast Unmögliches verlangt. Notenbeispiel 31: Fantasy for flute Op. 89 Im dritten Teil lässt sich die von dem Anfangsthema bekannte Melodie erkennen, aber mit einem ganz anderen Charakter. Schon die Überschrift Allegro marziale weist darauf, dass es um einen Marschcharakter geht. Dem Zuhörer/ der Zuhörerin wird es mit dem punktierten Rhythmus, mit den Akzenten und staccato-Tönen bestätigt. Die Vortragsweise molto marcato soll auch erkennbar sein. Der Teil ist kurz und wird genauso als ein Übergang mit Akkordzerlegungen den letzten Teil vorbereiten, wie es schon zwischen ersten und zweiten Teil geschah. 82 Notenbeispiel 32: Fantasy for flute Op. 89 Der letzte Teil ist ein typisches Finale, wo alle Grenzen sowohl des Instruments, als auch des Spielers/der Spielerin gezeigt werden. Es kommen die so selten verwendeten Töne öfter vor, wie das tiefe C und das D in der vierten Oktave. Der Flötist/die Flötistin soll zeigen, dass er/sie das Instrument mit allen seinen Möglichkeiten beherrschen kann, wie die Beweglichkeit der Finger, eine rasche Doppelzunge für die Artikulation und er/sie kann seinen Luftstrom dementsprechend steuern. Die Fantasy for Flute op. 89 von M. Arnold ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Freiheit sich in der Komposition mit traditionellen Mitteln, also einfache Akkordzerlegungen und Tonleiter in der Neuen Musik zeigt. 83 5. Fantasien für Piccoloflöte Für Flötisten, besonders für Orchestermusiker und -musikerinnen ist die Piccoloflöte genauso wichtig, wie die Flöte. Erst nach den Veränderungen im Flötenbau durch Theoald Böhm hat auch die Piccoloflöte eine größere Bedeutung gewonnen. Ihr Material ist zunächst noch immer das Holz, so bleibt der Klang der Traversflöte ähnlich, aber ihre Mechanik ist schon gleich, wie das der instrumententechnisch verbesserten modernen Flöten. Von historischen Quellen weiß man, dass die Piccoloflöte schon im 18 Jahrhundert verwendet wurde. Der französische Komponist und Organist Michel Corrette erwähnt sie in seinem Buch, Méthode schon 1740. Andere Komponisten, wie Jean-Philippe Rameau und Christoph Willibald Gluck haben für dieses kleine Instrument im 18. Jahrhundert einige Werke geschaffen. In den symphonischen Orchesterwerken und in den Opern wurde die Piccoloflöte ein wesentlicher Bestandteil, meistens wurde sie für spezielle Effekte verwendet. Gustav Mahler und Richard Strauss haben seit dem 19. Jahrhundert durchgesetzt, dass sie sich in die Klangfarbe des Orchesters schließlich integrieren konnte. 167 Durch die Entwicklung neuer Spieltechniken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert werden außer der Piccoloflöte auch die andere Instrumente der Querflötenfamilie öfter verwendet, wie die Alt-, Bass-, und Kontrabassflöte.168 Weil die Piccoloflöte das allerhöchst klingende Instrument überhaupt ist, hört man ihren Klang sowohl in den Tutti-Teilen des Orchester, als auch im Zusammenspiel mit anderen Flöten deutlich. Wahrscheinlich eben deswegen wurden nicht so viele Stücke und Solowerke für die Piccoloflöte geschrieben, weil die hohe Lage trotz des Professionalismus des Spielers nicht immer angenehm zu hören ist. Hector Berlioz schreibt in seiner Instrumentationslehre: „… der Ton ist fast unerträglich und man muß daher vermeiden, ihn zu verwenden.”169 Es ist möglich mit dem Instrument ganz schnelle Läufe zu spielen und diese Beweglichkeit und der besondere Klang kann eine überraschende Wirkung bei den Zuhörern hervorrufen. Diese Möglichkeiten des Instruments haben verschiedene Komponisten motiviert, dass sie diese 167 Jeremy Montagu, Howard Mayer Brown/Jaap Frank, Ardal Powell in: Oxford Music Online http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grove/music /40569?q=fantasie+piccolo&search=quick&pos=2&_start=1#firsthit 23.03.2016. 168 http://www.ruthwentorf.de/artikel-solo.html 23.03.2016. 169 Berlioz, Hector: Instrumentationslehre, Leipzig 1905, S. 251. 84 besonderen Eigenschaften der Piccoloflöte in Kompositionen, unter anderem auch in Fantasien zeigen. Einen engen Zusammenhang gab es von Anfang an zwischen Piccoloflöte und Militärmusik. Dazu kommen Lehrwerke. Es sind einige Schulen für die Piccoloflöte aus dem 19. Jahrhundert vorhanden, ein Beispiel ist die Leichtfassliche praktische Schule für Piccolo oder D-Fuß-Flöte und Trommelflöte mit vielen Übungs- und Vortragsstücken verfasst von Professor H. Kling, Op. 425b. Ein weiteres Beispiel ist von dem berühmten Komponisten zahlreicher Flötenetüden, von Ernesto Köhler. Diese Schulen setzen ihren Schwerpunkt vor allem auf die Spieltechniken, wie man Militärmusik spielen soll und sie beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Studieren und Aufführen der Märsche. Warum die Themen für Piccoloflöte vorwiegend von der Militärmusik stammen, während im 19. Jahrhundert die Themen der zeitgenössischen Opern ihre Blütezeit erlebten, begründet Daniele Eden, die bekannte Piccolospielerin in ihrem Artikel Methods for the piccolo in late nineteenth and early twentieth century Germany folgendermaßen:170 „The repertoire concentrates primarly on military pieces. While there are some arrangements from operas and orchesteral compositions of the day, there are no examples of orchestral piccolo solos.” 171 Weil der Klang des Instruments und seine Fähigkeiten durch seine Größe so außergewöhnlich sind, ist es einerseits schwierig dafür passende Werke komponieren, aber andererseits besteht die Möglichkeit für Komponisten mit diesen Möglichkeiten frei umgehen zu können und etwas ganz Neues präsentieren zu können. Dies mögen die folgenden Beispiele zeigen. 5.1. Paul Agricole Genin: Fantasie für Piccolo und Klavier Der französische Komponist und Flötist des 19. Jahrhunderts, Paul Agricole Genin hat in Paris am Konservatorium bei Jean-Louis Tulou und Louis Dorus studiert. Nachdem er 1861 einen Ersten Preis gewonnen hatte, war er tätig als Flötist in Theatre Italien und im Orchester Colonne in Paris.172 170 http://www.piccolohq.com/players.html 12.04.2016. Eden, Danielle: Methods for the piccolo in late nineteenth and early twentieth century Germany, in: Schmuhl, Boje E. Hans (Hg.): Geschichte, Bauweise und Spieltechnik der Querflöte, Augsburg 2008, S. 233. 172 http://www.flutepage.de/deutsch/composer/person.php?id=722&englisch=true 24.03.2016. 171 85 Er komponiert viele Werke für sein eigenes Instrument, die meistens typisch für das 19. Jahrhundert und zur französischen Schule passende virtuose Werke sind. Er hat nicht nur für Flötenwettbewerbe komponiert, sondern er war einer der ersten Komponisten, die auch für Saxophon virtuose Variationsstücke schrieb.173 Seine technische Fähigkeiten kann man anhand dieser Stücken gut nachvollziehen. Seine bekanntesten Werke sind Bravourstücke, wie zum Beispiel Carnaval de Venice, fantasie variée Op. 14, Fantaisie sur un Bal Masque Op. 17, Fantasie sur la Traviata Op. 18 und Fantasie sur Rigoletto Op. 19. Alle seine Werke sind typisch für die Zeit, aber Genins persönlicher Stil lässt sich besonders in seiner Fantasie Carnaval de Venice zeigen.174 In der Zeitschrift The Musical Times ist die Fantasie sur „Il Pleut, Il Pleut Bergére” für Piccolo und Klavier folgendermaßen erwähnt: „The 1898 Fantasie for piccolo and piano by Paul Genin treats the perky little tune ’Il pleut, il Pleut, bergére’ to a succession of light and forthy transformations that are entirely in keeping with it. A serviceable edition by Jean-Louis Beaumadier […].”175 Das Stück hat sein Thema Il Pleut, Il Pleut Bergére aus der opéra comique Laure et Pétrarque von Fabre d’Églantine, die 1780 komponiert wurde.176 Mit dem Klang der Piccoloflöte kann man sozusagen die Natur vertonen, besonders die Stimmen der Vögel, wie auch Henri Kling in seiner Instrumentationslehre bestärkt: „Als Soloinstrument eignet sich die kleine Flöte besonders zur Nachahmung des Gesanges der Vögel.”177 In der Fantasie für Piccoloflöte von P. A. Genin werden nicht nur die so typischen Kläge der Nachahmung den Vögel, sondern auch andere Klänge der Natur dargestellt. Der Regen wird mit Staccatotöne in der Piccolostimme und der Strom mit schnellen Läufe sowohl in der Flötenstimme als auch in der Klavierbegleitung dargestellt. Dazu kommen noch eine laute Grunddynamik und starke Akzente in der Klavierbegleitung. Man kann gleich im Notenbild erkennen, in welchem Teil die Regentropfen und die Blitze vorgestellt werden. 173 http://www.classicalmusicnow.com/genin.htm 24.03.2016. http://www.naxos.com/person/Paul_Agricole_Genin/23283.htm 24.03.2016. 175 O’Loughlin, Niall: Romantic flute, in: Barford, Imogen: The Musical Times Vol. 129, No. 1741 (Mar., 1988), S. 139. 176 https://en.wikipedia.org/wiki/Il_pleut,_il_pleut,_berg%C3%A8re 24.03.2016. 177 Kling, Henri: Populäre Instrumentationslehre, Hannover 1902, S. 29. 174 86 Notenbeispiel 33: P. A. Genin: Fantasie für Piccolo und Klavier Es gibt weitere berühmte Orchesterwerke, wo die Piccoloflöte für die Nachahmung des Gewitters verwendet wird. Dazu gehört die 6. Symphonie, die sogenannte „Pastorale” von L. van Beethoven, welche H. Berlioz in seiner Instrumentationslehre beschreibt: „die höheren Töne eignen sich im Fortissimo vortrefflich für heftige und schneidende Effekte, z. B. in einem Gewitter, oder in Szenen von wildem, höllischem Charakter. So ist die kleine Flöte im vierten Stücke von Beethovens Pastoralsymphonie mit äußerst glücklicher Wirkung verwendet, bald allein, frei über dem tiefen Tremolo der Violen und Bässe schwebend und das Pfeifen eines Sturmes nachahmend, 87 dessen Gewalt noch nicht entfesselt ist; bald in den höchsten Tönen zugleich mit der Gesamtmasse des Orchesters.”178 Aus dieser Beschreibung von H. Berlioz wird die Wirkung der Effekte sichtbar, die die Piccoloflöte erzeugen kann. Ihre Rauheit und Härte wird dafür benutzt, dass sie mit dem schrillen Klang unangenehme Gefühle erwecken kann. Es gibt eine 1978 veröffentlichte Aufnahme der Fantasie von P. A. Genin in der Interpretation von Jean-Louis Beaumadier. Diese Aufnahme enhält einen positiven Kommentar des Flötisten Jean-Pierre Rampal: "It is a great pleasure for me to present this record by Jean-Louis Beaumadier. Endowed with a marvelous technique, he immediately stood out thanks to his engaging personality and his acute artistic senses. It is a great pleasure to listen to him spinning around or dreaming in this record, dedicated to a few works from what can be called the golden era of the piccolo".179 Die Aufnahme des Stückes befindet sich neben anderen Werken für Piccolo in diesem Album. Das Zitat nennt die Ӓra, in der die Werke entstanden sind, die goldene Zeit für das Instrument. Der Grund, warum diese Epoche so genannt wurde, ist sowohl in der Quantität, als auch in der Qualität der Kompositionen für Piccoloflöte zu finden. Etwas später wurden die Querflöte sowohl als auch die Piccoloflöte mit Klappen ausgestattet. Aus diesem Grund kann man ungefähr die gleiche Zeit, also das 19. und den Anfang des 20. Jahrhunderts als das goldene Zeitalter benennen. Über diese besonders entscheidende Zeit für die Flötenliteratur haben Karl Ventzke und Karl Lenski das Werk mit dem Titel Das goldene Zeitalter der Flöte herausgegeben, in dem die Ӓnderungen des Instruments und die damit verbundenen Qualitätsänderungen beschrieben sind.180 Wie die Piccoloflöte ihre Funktion mit der Vermittlung der besonderen Effekte erfüllt, zeigt sich deutlich in der Fantasie von Genin. Während der Aufführung soll der Interpret/die Interpretin der Zuhörerschaft die Bildhaftigkeit des Werkes weiterleiten und eine Atmosphäre schaffen, in der alle idyllische und Bilder der Natur in ihrer Wildheit und die dazu gehörigen Gefühle gezeigt werden. Das Ziel des Flötisten/der Flötistin soll sein, diese Stimmung zu erreichen. 178 Berlioz, Hector: Instrumentationslehre, Leipzig 1905, S. 251. http://www.amazon.com/The-Piccolo-Flute-Jean-Louis-Beaumadier/dp/B00LJ3ESO6 24.03.2016. 180 http://www.manz.at/list.html?isbn=978-3-87549-040-4 29.04.2016. 179 88 6. Werke, ohne Fantasiebezeichnung Viele Einzelwerke, die mit dem Titel Fantasie versehen sind, erscheinen mehr als zufällig gewählte Überschriften. In der Barockzeit handelt es sich um homophone Werke die sich an schon bestehenden anderen Gattungen orientieren, wie die Werke von G. Ph. Telemann oder G. F. Händel. Ein berühmtes Werk dafür aus der Klassik ist die g-Moll Fantasie Op. 77 von L. v. Beethoven. Es gibt eine improvisatorische Einleitung, in der Gedanken rezitativisch, variationsmäßig quasi beziehungslos nebeneinander stehen. In seinen Klaviersonaten Op. 27, Nr. 1 und Nr 2, vereinigt die Teile der Sonate als „abgewandelte Sonatensätze” zum Typ Sonata quasi una fantasia, der mit einem „frei” gestaltetem Kopfsatz beginnt.181 Notenbeispiel 34: L. van Beethoven: Sonata Op. 27, Nr. 2 Im Grunde genommen sind auch Variationen kompositionstechnisch betrachtet den Fantasien ähnlich. Das Thema einer Variation kann von ganz verschiednen Bereichen stammen. Es kann ein einfaches Volkslied oder eine bekannte Melodie von früheren Kompositionen sein, die meistens einen ruhigen und cantabilen Charakter haben. Die Kadenz ist klar gliederbar und ihre Gestaltung hängt vom eigenen Geschmack und Gefühl des Interpreten/ der Interpretin ab. Das Variieren der Tonart, also der Wechsel von Dur- in die Molltonart, oder umgekehrt von Moll- in die Durtonart war die erste und grundlegende Möglichkeit der Variationsform. 181 Teepe, Dagmar: Art. Fantasie in: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 3, Kassel 1995, Sp. 338. 89 Weitere Möglichkeiten sind die melodische, rhythmische, harmonische oder charakterische Ӓnderungen des Themas. Der Komponist kann die sogenannte Figuralvariation verwenden, die die Umspielung oder Verzierung der Melodie bedeutet. Während diese Variation werden rhythmische Verkleinerungen und Vergrößerungen verwendet. Eine andere Vorgehensweise ist die Charaktervariation. In diesem Fall wird der Ausdruckscharakter des Themas geändert. Alle Veränderungen bevorzugen einen neuen Hinweis auf die Hauptmelodie und greifen in das Thema tiefer ein. Die Ӓnderungen der Taktartes sind häufig, die ein anderes Rhythmusgefühl und damit eine vollkommen neue Variation ergeben. Eine weitere Form der Variationen ist, wenn das musikalische Gerüst des Themas verändert wird und die Melodie bleibt. Das Spiel und die Variation über ein rhythmisches Motiv aus dem Thema ist auch eine Möglichkeit um die Vielfältigkeit der Variationen zu nennen. Damit wird der gegebene Rhythmus modifiziert dargestellt und das ergibt einen anderen Anblick auf den originalen Rhythmus des Themas. Die Variation im zyklischen Aufbau des gesamten Werkes ist auch möglich. In diesem Fall werden die Längenverhältnisse der einzelnen Variationen verändert und so ergeben sich die folgende Verhältnisse wie zum Beispiel 1:1, 2:1, 1:2.182 An dieser Stelle möchte ich auch auf die Improvisation zu sprechen kommen, die die größte Freiheit im Spielen zulässt. Die Improvisation ist die Variation, in der sich die komplette Freiheit zeigt. Der Flötist und Musikologe Andreas Dieter Nanz beschreibt die Improvisation in der Einleitung des von ihm herausgegebenen Buches Aspekte der Freien Improvisation in der Musik: „[Die Improvisation ist] ´frei´, indem sie ihre Äußerungen – Aktion und Reaktion zugleich – nur auf die Gegebenheiten, Gelegenheiten des Augenblicks bezieht, aber immer auf ihre Gesamtheit, auf ein dynamisches Feld, in dem eine un- überhörbare Zahl verschiedener Elemente interagiert, deren geringfügigste noch folgenschwer sein können und deren Bedingungen sich, ohne einer stabilen Ordnung zugeführt zu werden, ständig verändern; Musik, die sich nicht nur mit bekanntem, sondern 182 Michels, Ulrich: dtv-Atlas Musik Band 1 Systematischer Teil, Musikgeschichte von den Anfängen bis zur Renaissance, München 1977, S. 156. 90 möglichst auch mit unbekanntem Unbekannten konfrontieren will, die sich wenig um Aussagen, Inhalte, Thesen oder Antworten auf ästhetische und andere Probleme kümmert, um vielmehr den Augenblick zu erfinden, das reine Ereignis, wo man zusammen redet, nicht, weil es etwas zu sagen gibt, sondern weil es gut ist, zusammen zu reden […].”183 Dieses Zitat beschreibt die Wichtigkeit des Moments. Die Gedanken, die in dem Augenblick auftreten sind einmalig und nicht wiederholbar. Diese Momente und die dazu gehörenden Gefühle sind dauerhaft bleibende Erlebnisse, die man nach einer Erfahrung immer wieder erleben möchte, sowohl als Künstler als auch Zuhörer. Meist wenn man einen Wert entdeckt und für wichtig hält, möchte man diesen mit anderen Leuten auch teilen. So kann man die Momente der freien Improvisation in kammermusikalischer Form teilen, vorausgesetzt sie ist im Notenbild „gefordert”. 6.1. Werke für Flöte ohne Fantasiebezeichnung Am häufigsten lassen sich die Variationsstücke in die Kategorie „Werke ohne Fantasiebezeichnung” einordnen. Die Lösungen und Möglichkeiten der verschiedenen Variationen wuren bereits beschrieben. Die einfachste Lösung ist bei diesen Stücken, wenn ein Thema mit Diminution und Figuration systematisch durchvariiert wird. Die Begleitung bekommt meistens keine große Rolle. Das ganze Werk wird von einem einfach gehaltenem Klaviersatz begleitet. Das harmonische und rhythmische Gerüst ist meistens einfach aufgebaut. In den Variationen bringen Takt- und Tonart keine schwerwiegenden Veränderungen. Weil die meisten Stücke so aufgebaut sind, könnte man es als Voraussetzung dafür, dass sie einer Fantasie zumindest ähnlich sind, annehmen, dass zum Schluss eine Steigerung entstehen und das Stück meistens mit vollem Klang bzw. großem Finale mit bravurösen Läufen enden sollte.184 Die Bezeichnungen Fantasie und Variationen oder Thema und Variationen beinhalten grundsätzlich die gleiche Anlage in ihrem Aufbau, wobei ein Thema vorgestellt und dann vom Komponisten beliebig variiert wird. Die Entscheidung des Komponisten den einen oder 183 Einleitung von Nanz, Dieter A. in: Aspekte der Freien Improvisation in der Musik, Nanz, Dieter A. (Hg.), Hofheim 2011, S. 9. 184 Pešek, Ursula und Željko: Flötenmusik aus drei Jahrhunderten, Komponisten ∙ Werke ∙ Anregungen, Kassel 1990, S. 114. 91 anderen Titel zu wählen bzw. keinen Titel zu wählen, der auf dieses Charakteristikum hinweist, ist der einzige Unterschied. Wie der Komponist mit dem Mittel der Variationsmöglichkeiten arbeitet, erfordert zweifellos Fantasie im übertragenen Sinn und ein gründliches Kennen der Möglichkeiten. Das Thema bleibt immer gleich, aber es soll nie langweilig klingen, sondern mit den Variationen muss der Komponist das Interesse des Publikums und die Spannung halten. Es spielt eine bedeutende Rolle, wie die Variationen einander folgen, also wie die Komposition insgesamt aufgebaut ist. Das Thema müssen die Zuhörer/Zuhörerinnen immer heraushören können, aber wenn es zu eindeutig ist, verliert es sein „Mysterium”. Die Kreativität ist eine Voraussetzung aller Variationsstücke. Einige Stücke der Romantik mit genauen Titeln könnten auch als Fantasien bezeichnet werden, weil in der Komposition Elemente verwendet wurden, die den Charakter einer Fantasie darstellen. Der Charakter der Fantasie ist mit einer Stimmung gemeint, die die Zuhörer/Zuhörerinnen zum Denken/Fühlen anregt und in ihnen ihre eigene Vorstellungswelt fördert. Diese Kategorie von solchen Musikstücken, also von Fantasien, die am Titelblatt nicht so bezeichnet werden, hat ein breites Spektrum und es könnten sich unzählige geeignete Werke einordnen lassen. Wegen der großen Anzahl dieser Kompositionen werden in der Arbeit keine Beispiele vorgestellt und die Kategorie wird nicht tiefergehend untersucht. Das folgende Beispiel stellt jedoch eines der bekanntesten „Variationen” mit dem Charakter einer Fantasie dar. 6.1.1. Franz Schubert: Introduction und Variationen über „Trockne Blumen” aus Die schöne Müllerin, D 802 Franz Schubert verwendet in seiner Zeit die damals beliebte Variationsform und legt einen Schwerpunkt auf die Virtuosität in seiner Werke. Bemerkenswert ist, dass einige seiner Fantasien speziell für hohe spieltechnische Ansprüche geschaffen wurden, wie zum Beispiel 92 die Wanderer-Fantasie für Klavier oder die Fantasie C-Dur mit Variationen über sein Lied: „Sei mir gegrüßt” für Violine und Klavier.185 Die einzige Originalkomposition für Flöte von F. Schubert ist die Introduction und Variationen über „Trockne Blume” aus Die schöne Müllerin, entstanden im November 1823. Der Zyklus besteht aus 20 Lieder, wobei das Lied die Trocknen Blumen die Nr. 18 ist.186 Die Variationen für Flöte sind 1824, ein Jahr nach dem Liederzyklus, für den Flötisten Ferdinand Bogner, Professor am Wiener Konservatorium, entstanden. Er war mit F. Schubert persönlich bekannt und suchte das Lied selbst aus, das, als Schubert diese Variationen schrieb, noch ganz neu war.187 Aber die Variationsform war schon in dieser Zeit verbreitet, die Flöte ein dafür sehr gut geeignetes Instrument, wie auch die folgenden Sätze über die Flöte dieser Zeit beweisen: „It was very common for 19th-century composers or composer-performers to turn to variations on wellknown tunes for sets of elaborate variations. The flute was one of the chief beneficiaries of this practice. Schubert’s Introduction and Variations D 802 for flute and piano on his recently composed ’Trockne Blumen’ from Die schöne Müllerin is an enormously difficult showpiece.” 188 Die Grundtonart ist e-Moll, eine Tonart, die für die Flöte besonders günstig ist. Die MollTonart kennzeichnet eine bekümmerte Stimmung des Stücke. Es ist einer jener melancholischen „Gesänge”, zu denen F. Schubert sich hingezogen fühlte. Der Wechsel nach E-Dur in jeder Variation macht einen besoderen Effekt und bringt auch die brillanten Seiten des Instruments zur Geltung. Das Thema ist jenes im Lied und die Lieder eignen sich besonders gut für die Flöte. Aber in der Variationsform hat diese Instrument noch mehr Möglichkeiten als die menschliche Stimme, das zeigt eine Erforschung der Lieder im 19. Jahrhundert von Lawrence Zbikowsky: „… it is ideal as the basis for an extended instrumental work that will, over the course of seven variations, enact a rather different form of drama than that possible in a single song. This drama will not be one of 185 Scheck, Gustav: Die Flöte und ihre Musik, Mainz 1975, S. 217. http://www.capriccio-kulturforum.de/index.php?thread/4686-franz-schubert-die-sch%C3%B6nem%C3%BCllerin-op-25-d-795/ 24.03.2016. 187 http://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1638 24.03.2016. 188 O’Loughlin, Niall: Romantic flute, in: Barford, Imogen: The Musical Times Vol. 129, No. 1741 (Mar., 1988), S. 139. 186 93 human passion, but of instrumental play; the dangers it encounters will not be those of lost love and lonely death but those engendered by the brinkmanship of virtuosity.”189 F. Schubert kommt natürlich auch in Berührung mit der virtuosen Musik in den Wiener Salons und mit den Opernfantasien. Von der Mechanik der Flöte, wie sie Ferdinand Bogner damals verbessert hatte, machte Schubert hier - fast möchte man sagen - bis an die Grenzen des Möglichen Gebrauch. Im Salon goutierte man Virtuosenstücke ebenso wie fein gearbeitete Kammermusik oder anspruchsvolle Klavierliteratur. Vieles von dem, was die bedeutenderen Streichquartette und Klaviersonaten des reifen F. Schubert auszeichnet, spiegeln auch seine Stücke für den Salon wider, allen voran die Arpeggione-Sonate und die Flötenvariationen Trockne Blumen.190 Über die Interpretation des Stückes und über die Schwierigkeiten der Verwirklichung der feinen Klangfarben findet sich eine Analyse in der Publikation, Die Flöte und ihre Musik von Gustav Scheck: „Bei dieser Musik genügt nicht ein brillanter und aggressiver, ja nicht einmal ein ´schöner´ Ton […]. Der Ton der Flöte muß hier vor allem Wohllaut sein, auch in den virtuosen Passagen, und er sollte reich ausgestattet sein mit dynamischen Schattierungen, Farben und Nuancen.”191 Das Stück beginnt mit der Introduktion, die ganz bedeutend ist, weil sie das Thema einführt und die Variationen folgen. Bereits die Introduktion beruht auf F. Schuberts Todesrhythmus und führt in Abgründe der Melancholie. Notenbeispiel 35: F. Schubert: Introduction und Variationen über „Trockne Blumen” aus Die schöne Müllerin, D 802 (Takt 18-23) Der Interpret/die Interpretin darf das Stück nicht als reine technische Herausforderung betrachten, sondern soll in der Introduktion und im Thema die Schönheit der menschlichen Stimme in ihrem Instrument zu verwirklichen versuchen. 189 Zbikowsky, Lawrence M.: The Blossoms Of ’Trockne Blumen’, Music and text in the early nineteenth century, 1999, S. 339. http://zbikowski.uchicago.edu/pdfs/Zbikowski_Trockne_Blumen_1999.pdf 24.03.2016. 190 http://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1638 24.03.2016. 191 Scheck, Gustav: Die Flöte und ihre Musik, Mainz 1975, S. 216. 94 Die erste Variation ist in Zweiunddreißigsteln, die zweite mit vielen Oktaven-Passagen im Klavier und die dritte mit Kreuzrhythmen zwischen Flöte und Klavier. Die vierte Variation wartet mit raschen Arpeggio-Figurationen des Klaviers auf, die fünfte gibt der Flöte virtuose Beweglichkeit. Die sechste Variation ist mit der Tempobezeichnung Allegro moderato das Lied transferiert in einen Dreiertakt (3/8), die siebte Variation ist eine handfeste marschartige Allegro-Version des Themas in E-Dur.192 Das Marschfinale erinnert an die neuern Opern und ist überhaupt sehr auf den Effekt ausgerichtet. Diese abschließende 7. Variation, der brillante Marsch in E-Dur, gibt dem Werk ein strahlendes, in seinem Optimismus jedoch nicht ganz überzeugendes Ende. Das Werk stellt hohe Anforderungen nicht nur in technischer, sondern auch in musikalischer Beziehung. Im Zusammenspiel hat das Klavier nicht eine begleitende, sondern eine kammermusikalische Rolle. In den sechs Variationen lösen Klavier und Flöte einander in der motivischen Führung ab. Schubert selbst nennt den Zyklus übrigens immer Variations pour le pianoforte et flûte und damit ist gemeint, dass der Pianist auch in den Variationen Nr 2, 4, 6 wirklich einiges zu tun hat. Das Klavier vertieft den schwermütigen Zug des Themas mit Staccatobässen und Triolenausbruch zum Thema in der linken Hand.193 Notenbeispiel 36: F. Schubert: Introduction und Variationen über „Trockne Blumen” aus Die schöne Müllerin, D 802 (7. Variation, Takt 22-29) 192 Keith, Anderson: Franz Schubert (1797-1828) Musik für Flöte und Klavier (Deutsche Fassung: Theise, Thomas) http://www.naxos.com/mainsite/blurbs_reviews.asp?item_code=8.570754&catNum=570754&filetype=About+ this+Recording&language=German 24.03.2016. 193 http://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1638 24.03.2016. 95 6.2. Der Katalog der Flötenwerke von Emil Prill und die häufigsten FantasieThemen Im Katalog Führer durch die Flöten-Literatur (Großer Katalog), der von Emil Prill 1899 (?) herausgeben wurde, sind die Titel sämtlicher eruierbarer Flötenwerke aufgezählt. Er ist nach einem System geordnet, in dem die Besetzung die Zugehörigkeit der einzelnen Stücke entscheidet. Im ersten Teil sind die Flötenwerke mit Klavier- oder Orchesterbegleitung aufgelistet. Im zweiten sind die Stücke für zwei Flöten mit Klavier- oder Orchesterbegleitung zusammengestellt, dem der dritte Teil mit den Solostücken für Flöte folgt.194 In den darauffolgenden Teilen sind die kammermusikalischen Stücke für Flöte mit verschiedenen Instrumenten aufgelistet. Die Menge zeigt, dass diese Kategorie viel weniger Kompositionen beinhaltet. Die Instrumente, die oft mit der Flöte kombiniert sind, sind die Harfe und die Gitarre. Diese sind Begleitinstrumente, erfüllen also die gleiche Funktion wie das Klavier oder das Orcheser neben der Flöte. Wenn die Flöte mit anderen Melodieinstrumenten erklingen soll, braucht die Melodie einen stabilen Bass und volle Akkorde und so werden die Melodieinstrumente, zum Beispiel Oboe oder Geige, mit dem Klavier harmonisch unterstützt. Die häufigste Themen, über die Fantasien oder Themen und Variationen komponiert wurden, sind die damals, im 19. Jahrhundert aktuellen Opernthemen. Die beliebtesten waren unter anderen Der Barbier von Sevilla von Giachino Rossnini, Die Afrikanerin von Giacomo Meyerbeer, Der Freischütz von Carl Maria von Weber, Norma von Vincenzo Bellini, Rigoletto, Aida und Don Carlo von Giuseppe Verdi, Lohengrin von Richard Wagner. Es sind zahlreiche Kompositionen dieser Themen sowohl von berühmten als auch heute schon weniger berühmten Komponisten erhalten. Einige weniger berühmte italienische Komponisten, die zu diesen Themen komponierten, waren Serafino Alassio, Enrico Codivilla und Cesare Ciardi.195 194 Führer durch die Flöten-Literatur. Grosser Katalog enthaltend über 7500 Nummern, zusammengestellt von Emil Prill. Leipzig [etc.] J. H. Zimmermann [1899?] Ergänzungsband. Neuerscheinungen von 1898-1912, zusammengesellt von Paul Lehmann." Leipzig, J. H. Zimmermann [1913?]. 195 Führer durch die Flöten-Literatur. Grosser Katalog enthaltend über 7500 Nummern, zusammengestellt von Emil Prill. Leipzig [etc.] J. H. Zimmermann [1899?] Ergänzungsband. Neuerscheinungen von 1898-1912, zusammengesellt von Paul Lehmann." Leipzig, J. H. Zimmermann [1913?]. 96 Ein häufig vorkommendes Thema für Fantasien war Der Karneval von Venedig. Dieses Thema hat unter anderem folgende Komponisten beschäftigt und inspiriert: den französischen Flötisten und Komponisten Jules Demerssemann, der die Introduktion und Variationen über den „Karneval von Venedig” Op. 7 schrieb, den Komponisten der Fantasie über das Thema Il pleut, il Pleut Bergére für Piccoloflöte, Paul Agricole Génin, und den italienischen Flötenvirtuosen Giulio Briccialdi. Es gibt auch Fantasien, die wie die Titel schon ankündigen, nationale Themen enthalten und daher Charaktereigenschaften der verschiedenen Länder vorstellen. Einige Beispiele sind: Fantasie sur thémes suisses Op. 23 von Theobald Böhm, Fantasie über ein spanisches Thema Op. 22 von Carl Berg, Ungarische Fantasie Op. 33 von Ferdinand Büchner, 6 kleine Fantasien über russische Romanzen von Ceasre Ciardi, und Fantasies nationales Op. 59. Nr. 2 Eccosais, Nr. 3. Russe, Nr. 4. Suédois, Nr. 5. Italie, Nr. 6. Hongrois von Joachim Andersen. Herbert L. Clarke hat mehrere Werke im Stil der verschiedenen Nationen geschrieben, wie Fantasie im italienischen Style, Fantasie im irischen Style, Fantasie im schottischen Style und Fantasie über böhmische Lieder. Im Katalog von E. Prill sind Fantasien incl. der Komponistennamen aufgelistet, jedoch in manchen Titeln kommt nur der Name des Komponisten vor, von dem das musikalische Thema stammte und gar nicht das Werk, welches als eigentliche Grundlage der Inspiration diente. Einige Beispiele sind Fantasie über Beethovens Sehnsuchtswalzer Op. 21. von Th. Böhm, Fantasie über ein Thema von Bellini und Fantasie über Themen von Beethoven von Franz Doppler. Es sind weiters bestimmte Bezeichnungen, die im Titel einer Fantasie oft vorkommen wie Fantasie brillante oder Fantasie Charakteristika. Unter dem Titel Fantasie brillante ist die Carmen-Fantasie nicht das einzige Werk. Ein weiteres Beispiel ist unter anderem die Fantasie brillante Op. 46 von Cesare Ciradi. Einige Beispiele sind für die Fantasie Charakteristika die Fantasie caractéristique Op. 4. 1. von Joseph-Henri Altés und Fantasie caractéristique Op. 16. von J. Andersen. Die Sammlung der Flötenwerke von E. Prill zeigt eindeutig, wie bedeutend die Fantasien waren. Die zahlreichen entstandenen Werke von den berühmten und weniger berühmten 97 Komponisten bestätigen, in welchem Maße das Komponieren der Gattung Fantasie beliebt und inspirierend war. So heißt es: „Die eigene Fantasie soll die allerletzte Grenze sein.”196 Das folgende Zitat, welches sich im Vorwort zur Rigoletto Fantasie von Franz und Karl Doppler befindet, überträgt diese Gedanken. Die Fantasie soll in allen Bereichen des Lebens verwendet und erweitert werden, damit man mehr Wert und dauerhafte Erlebnisse sowohl in den bedeutende Tätigkeiten als auch in den Kleinigkeiten schafft. Man soll für die eigene Meinungen einstehen und sich nicht von den allgemeinen Anschauungen beeinflussen lassen. Man muss für alles aufgeschlossen sein und die Eindrücke wirken lassen, weil man mit dem Kennenlernen neuer Ansichten Erfahrungen sammeln kann und man innerlich reicher wird. 196 Vorwort von Pahud, Emmanuel in: Doppler, Franz und Karl: Fantasie über „Rigoletto”, Wien 2012. 98 Zusammenfassung In der Arbeit wurden die Fantasien im Allgemeinen in den verschiedenen Epochen beschrieben. Seit der Entstehung dieser Gattung ist die Fantasie immer präsent geblieben. Die ersten Instrumente für diese freie Gattung waren die Laute und das Tasteninstrument. Auch die Flöte gewann neben anderen Melodieinstrumente bald das Interesse der Komponisten und für sie wurden zahlreiche Werke komponiert. Aus der Zeit, als die Traversflöte große Bedeutung hatte, stammen die für die Barockzeit vielleicht berühmtesten Fantasien, die Zwölf Fantasien für Querflöte ohne Bass von G. Ph. Telemann. Dieser Zeit folgte ein langer Bruch in der Kompositionsgeschichte der Fantasien für Flöte und die nächste wesentliche Periode öffnete sich mit den Salon- und Opernfantasien erst im 19. Jahrhundert. Die Forschungen zeigen deutlich, dass der Grund des Bruchs zwischen diesen zwei Perioden die begrenzten Möglichkeiten des Instruments Flöte waren. Die Flöte hat sich in den Hintergrund verzogen, solange, bis ein neuer Aufschwung in der Verbesserung des Orchesterinstrumentes begann. Es ist auffällig, dass die Anzahl der Kompositionen für Flöte, unter anderen auch die Fantasien, nach der Weiterentwicklung des Instruments durch Theobald Böhm einen deutlichen Aufstieg erreichte. Dank dem Flötenbauer waren viele Komponisten inspiriert und bereicherten das Flötenrepertoire mit den bis heute oft aufgeführten Werken. Man kann feststellen, dass die Quantität der Fantasien für Flöte im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, wobei die Salon- und Opernfantasien als Basis für die Entstehung der Virtuosität dienten. In der vorliegenden Arbeit wurden einige Beispiele aus den verschiedenen Epochen und Arten der Fantasie hervorgehoben und gründlicher betrachtet. Das Ziel der Arbeit war eine Untersuchung und ein Vergleich der Ӓnderungen in den verschiedenen musikalischen Stilen. Bei der Untersuchung nach dem Prinzip „Freiheit in der Fantasie” waren zwei Grundgedanken bei der Analyse der Stücke richtungsweisend. Erstens der Aufbau der Komposition, also die Freiheit des Komponisten im Umgang mit dem Tonmaterial, und 99 zweitens die musikalische Gestaltung in der klanglichen Realisierung, also die Freiheit des Interpreten/der Interpretin bei der Aufführung. Anhand der angeführten und diskutierten Beispiele ist klar geworden, dass die Freiheit des Komponisten im Aufbau analog zu den diversen Epochen und deren Stilen erfolgte. Während im Barock eine leicht gliederbare und nach Regeln aufgebaute Form überwiegend war, genießt die Form in der Neuen Musik die vollkommene Freiheit. Die Beweglichkeit des Instrumentes nach seiner Weiterentwicklung durch Böhm gab einen weiteren Grund, dass die Komponisten die Vielfalt der brillanten und raschen Läufen mit Vorliebe in die Kompositionen einbrachten. So gewann die Virtuosität mehr Popularität und diente für die Unterhaltung sowohl des Komponisten als auch des Publikums. Obwohl die formalen Regeln nicht immer aufgelöst wurden, findet sich die Freiheit der Fantasie in der Möglichkeit der zu wählenden Verzierungen und in den Kadenzen, die quasi als eine Improvisation aufgeführt werden sollen. Die Freiheit des Interpreten/der Interpretin liegt weiters in der eigenständigen Bestimmung, wie die Phrasen musikalisch zusammengefasst werden, wie die dynamische Stufen einander folgen und die Aussage des Stückes mit einem passenden Tempo und mit einem passenden Charakter dem Publikum vermittelt wird. Dieser Arbeit soll das folgende Zitat mit den Worten des Gitarristen Andrés Segovia als Abschluss dienen, der die Musik mit dem Leben vergleicht und die Freiheit als Grundidee nimmt: „Musik muss wie das Leben sein: ein leidenschaftlicher Ausdruck von Freiheit.” 197 197 Segovia, Andrés: http://www.unerhoerte-musik.de/Zitate.html 05.05.2016. 100 Literaturverzeichnis Primärliteratur Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen, Berlin 1753, Faksimilenachdruck, Wiesbaden 1992. Berlioz, Hector: Instrumentationslehre, Leipzig 1905. Brentano, Clemens: Abendständchen, in: Reclam, Philipp (Hg.): Gedichte, Stuttgart 1995. Hand, Ferdinand Gotthelf: Aesthetik der Tonkunst, Erster Theil, Leipzig 1837. Zitat nach: http://www.koelnklavier.de/quellen/tonarten/moll.html#gmoll 07.04.2016. Hüe, Georges: Fantasie pour flûte avec accompagnement de piano, Paris 1913. Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft, Berlin 1790, Teil 1, §16. 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