Kein Folientitel

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Grenzverletzungen
und Veränderungen der
Persönlichkeit nach erworbener
Hirnschädigung
Dr. Hartwig Kulke
Workshop beim Plauener Reha-Symposium am 23. Oktober 2012
© by H. Kulke 2012
Grenzverletzungen
und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
Gliederung
➔
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Typische Verhaltensauffälligkeiten nach
Hirnschädigung
➔
Wie entsteht eine Hirnschädigung ?
➔
Kognitive Folgen, Erklärung
➔
Verhaltensauffälligkeiten, Erklärung
➔
Lösungsmuster ?
Grenzverletzungen
und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
Verhaltensauffälligkeiten:
Antriebsarmut
Überantriebigkeit
Ständige Gedanken- und Handlungssprünge
eingefahrenes Denken, keine Flexibilität
Ideenarmut
Vorschnelles Handeln, Impulsivität
Verletzung sozialer Regeln
Fehlbewertung von Situationen
Reizbarkeit
….
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und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
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Grenzverletzungen
und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
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Grenzverletzungen
und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
Das Gehirn ist eine hochkomplexe und
sehr empfindliche Substanz, die
deswegen nicht nur von mehreren
Hirnhäuten, sondern auch von einem
stabilen Knochengehäuse ge-schützt
wird. Gegen grobe Erschütterungen
hilft, dass es schwimmend gelagert ist.
Die Zellen des Gehirns sind auf regelmäßigen
Stoffwechsel zur Energieversorgung
angewiesen; dieser wird durch ein
feinverästeltes System zur Blutversorgung
gewährleistet.
Zum korrekten Funktionieren benötigt das
Gehirn konstante Bedingungen hinsichtlich
Temperatur und Druckverhältnissen.
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und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
Das gedeckte Schädelhirntrauma ist eine
äußerlich harmlos wirkende, in Wirklichkeit aber
akut lebensbedrohliche Verletzung.
Durch die Ödembildung an der Aufprallstelle
wird das Gehirn verdrängt, es kann das gesamte
Gehirn unter starken Druck setzen.
Hinzu kommen meistens Verletzungen von
Hirngefäßen entweder durch den Schlag oder
durch den Verdrängungsprozeß; diese führen zu
Minderversorgung der strömungstechnisch
dahinter liegenden Hirnbereiche und vor allem
zu Blutaustritt, der den Hirndruck weiter steigert.
Im Extremfall drückt die Flüssigkeitsmenge das
Tentorium nach unten (einzig offener Ausgang
im Schädel), das Mittelhirn wird eingeklemmt,
das Bewußtsein wird verloren, das Überleben ist
akut bedroht.
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Das offene SchädelhirnTrauma löst weniger
Druckrisiken und -schäden
aus; dafür bringt der
fehlende Schutz durch den
Schädelknochen die Gefahr
direkter Substanzschäden
mit sich.
Auch hier sind heftige Blutungen die Regel, oftmals verursacht durch
Zerstörung der Blutgefäße in den Hirnhäuten, in schweren Fällen
auch durch Schäden an den hirnversorgenden Arterien.
Die Hirndruckverhältnisse sind eher niedriger als im gesunden
Zustand, da das einschließende Gehäuse zerstört ist. Die
Temperaturverhältnisse werden instabil, das Infektionsrisiko ist durch
die defekten Schutzhüllen erheblich erhöht.
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und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
Die Schwere der Verletzungsfolgen ….
kann naturgemäß sehr stark variieren
steht in einem gewissen Zusammenhang mit der ursprünglichen
Schwere der Verletzung, aber nicht sehr eng
kann unterschiedliche Schwerpunkte haben (Körperbehinderung,
kognitive Probleme, Verhaltensauffälligkeiten)
Gerade scheinbar gut wiederhergestellte Schädelhirnverletzte behalten
oft auf der Ebene der Verhaltenssteuerung Störungen, die sich sehr
negativ auf soziale oder berufliche Integration auswirken können.
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und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
Die für das Verhalten wichtigste Hirnregion und
gleichzeitig die bei Schädelhirntraumen meistbetroffene
Hirnregion ist das Frontalhirn (präfrontaler Cortex).
Was macht diesen Hirnbereich so wichtig ?
Er bildet das Kernstück der sogenannten exekutiven
Funktionen. Was ist das ?
Wir wollen uns das einmal an einem simplen Beispiel
ansehen: einem Gespräch.
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Was muss ich tun:
•Konzentration auf mein Gegenüber
•Aktives Ignorieren möglicher
Ablenker
•Wachsamkeit gegenüber wichtigen
Störreizen (Alarm)
•Hören auf Text
•Hören auf Untertöne
•Achten auf Mimik
•Sorgfältige eigene Wortwahl
•Wahrnehmen von Verständnis oder
Unverständnis
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•Halten der Beziehung
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und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
Die exekutiven Funktionen
setzen sich nach Smith & Jonides aus fünf Komponenten zusammen:
1.
2.
Prozesse der Zeit- und Ablaufplanung
3.
Planung des Lösungsprozesses selbst
4.
5.
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Aufmerksamkeit bezüglich relevanter Information und Inhibition
irrelevanter Information
Überwachung ablaufender und noch bevorstehender Prozesse
(monitoring)
Kodierung der Informationen im Arbeitsgedächtnis
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Planungsprozesse (Modell nach SHALLICE)

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
Der Mensch besitzt eine Reihe von Handlungsroutinen, die sich jeweils in
bestimmten Situationen bewährt haben. Die Koordination dieser Routinen
besorgt eine Routinenverwaltung (CS), diese wählt anhand der Stimulation
die passende Routine aus und setzt sie ein.
Beispiel: Auftauchende Treppenstufen lösen in der Regel keine
Problemlösungsprozesse aus, dafür haben wir Routinen, die von selbst
ablaufen und keine konzentrative Hinwendung brauchen.
Nicht für alle Situationen haben wir Routinen, müssen daher welche
entwickeln
Manchmal scheitern Routinen, weil sie ungeeignet sind oder die
Rahmenbedingungen nicht die gewohnten sind
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Planungsprozesse (Modell nach SHALLICE)

Beispiele:

In der Treppe fehlt eine Stufe

Mein Bein hat Lähmungserscheinungen

Dasselbe Phänomen kann auch viel komplexere Situationen betreffen

Beispiele:
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
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Als routinierter Autofahrer sitze ich auf einmal in einem rechtsgelenkten
Auto
Ich habe gelernt, Frauen gegenüber ein Mißgeschick mit einem
Blumenstrauß wettzumachen; meine Chefin reagiert aber ganz anders auf
diese Maßnahme
Bei der ersten großen „Stuttgart 21“-Demonstration rechnete die Polizei
mit den „üblichen“ Demonstranten und hat viel zu spät begriffen, daß sie
da ganz bürgerliche Leute verprügelt
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Planungsprozesse (Modell nach SHALLICE)
Wir brauchen ein Überwachungssystem, das uns hilft,

die geeignete Routine auszuwählen,

sie bedarfsgerecht zu modifizieren

oder eine neue zu finden.

Das Überwachungssystem muß gleichzeitig Monitoring des
Ablaufs betreiben, d.h. bewerten, ob unsere Maßnahme Erfolg
hat, was wir verändern müssen, welche Information wir noch
brauchen.
Dieses Überwachungssystem heißt SAS (supervisory attentional
system) oder Zentrale Exekutive. Störungen in der zentralen
Exekutive sind die wesentlichste Ursache für Fehlhandlungen,
wie sie für Schäden des Frontalhirns typisch sind.
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Woraus ergeben sich diese Diskrepanzen ?
Schädelhirnverletzte haben häufig ein eingeschränktes
oder gar fehlendes Störungsbewußtsein.
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Verschiedene Formen von Einschränkungen des
Störungsbewusstseins
Eingeschränktes Störungsbewusstsein
•Pat. berichten nicht spontan von Defiziten
•Pat. äußern unrealistische Ziele
•Pat. passen ihr Verhalten nicht an Defizite an
Schwere kognitive
Defizite
Unawareness
Denial/
Verdrängung
Unfähigkeit zum
Erkennen von Defiziten
Auf Basis von Hirnschädigung
Psychische Reaktion/
Copingmechanismus
spezifisch
generell
Anosognosie
z.B. bei
Hemiplegie
kortikaler Blindheit
für kognitive, soziale,
Emotionale Probleme
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Ausmaße eingeschränkten
Störungsbewusstseins
PRIGATANO unterscheidet
• Globale Unawareness
– Störung wird vollständig ignoriert
• Auftauchende Awareness
– Störung wird punktuell in der Situation registriert, aber in
ihrer Bedeutung verkannt, kein Übertrag auf andere
Situationen
• Informelle Awareness
– Störung wird prinzipiell wahrgenommen, die
Wahrnehmung ist aber nicht handlungsleitend
• Vorausschauende Awareness
– Störung wird in Handlungsplanung integriert
Umgangsregeln bei eingeschränktem
Störungsbewusstsein
•
Wichtigstes Element:
– Unterscheiden zwischen Unawareness und Denial anhand der
beschriebenen Kriterien
– Denial ist erlaubt und notwendig, nur mit psychotherapeutischem Schutz
zu überwinden (oder mit Zeit-Geben)
•
Was bei Unawareness nicht hilft:
– Konfrontation mit Fehleistungen
– Vorwürfe
– Gezieltes Scheitern
•
•
•
Kurzfristige Lösungen gibt es nicht. Voraussetzung: gute
Therapiebeziehung, aus der der Betroffene den Eindruck gewinnen
kann, ich bin kompetent (= weiß was ich tue) und verfolge gute
Absichten für ihn.
Respekt für seine Einschätzung, „unkonkurrenziges“ Danebenstellen
meiner Einschätzung
Dadurch wird der Boden bereitet für
– Bereitschaft, eigene Sichtweise zu relativieren
– Andere Positionen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen
– Meine Einschätzung als vorübergehende „Prothese“ zu akzeptieren
•
Im Zweifel hat der Schutz des Patienten Vorrang.
Grenzverletzungen
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Warum lernt ein Schädelhirnverletzter so wenig aus
seinen Fehlern ?
Dazu müßte er
Ähnlichkeiten oder übereinstimmende Merkmale
zuverlässig feststellen können
●
Erfahrungen aus einer Situation auf eine andere
übertragen können
●
Beides kann er nicht oder nur sehr eingeschränkt.
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Wie kann sich die Symptomatik eines
Schädelhirnverletzten bessern ?
Um diese Frage zu beantworten, lohnt zunächst ein Blick
darauf, wie Gesunde bzw. Betroffene ohne exekutive
Störungen ihr Verhalten verändern bzw. anpassen können.
Sie brauchen zu diesem Zweck in erster Linie ...
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Die exekutiven Funktionen !

Sorgen für Verhaltensanpassung

kontrollieren des Erfolg unseres Handelns

verändern gegebenenfalls die Strategie

können Konsequenzen unter Zuhilfenahme des Gedächtnisses
vorwegnehmen und damit unserem Verhalten Wirksamkeit verleihen
Die Exekutiven Funktionen sind dadurch (unter anderem) für die
erfolgreiche Bewältigung von Funktionsstörungen besonders wichtig.
Was aber, wenn sie selbst betroffen sind ??
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Grenzverletzungen
und Veränderungen der Persönlichkeit nach erworbener Hirnschädigung
Zusammenfassende Thesen: Schädelhirnverletzte …
sind weder dumm noch im eigentlichen Sinne vergeßlich, es fehlt ihnen
aber eine wichtige Funktion, um ihre Fähigkeiten einzusetzen
haben keinen bösen Willen oder nicht genügend Anstrengungsbereitschaft, sondern analysieren die Situation oft falsch oder können einen
auftretenden Impuls nicht hemmen
sind nicht faul, sie reagieren nur auf „Situationen mit Aufforderungscharakter“ nicht, weil sie sie nicht als solche erkennen
brauchen häufig mitmenschliche Führung „als Prothese“, Therapie ist
langwierig und von begrenztem Erfolg.
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