Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen Vorsitzender: Peter Silbernagel STELLUNGNAHME des Philologen-Verbandes Nordrhein-Westfalen zum Kernlehrplan (Entwurf Verbändebeteiligung vom19.4.13) für das Fach KATHOLISCHE RELIGIONSLEHRE für die Sekundarstufe II Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen ------------------------------------------------------------------------------------I. Grundlegende Anmerkungen Aufteilung der Inhaltsfelder in EF und Q1/2 (Grundkurs), vgl. S. 18-30 Die fünf inhaltlichen Dimensionen des Faches im bisherigen Lehrplan werden zu sechs Inhaltsfeldern im neuen Lehrplan erweitert. Diese Erweiterung entsteht durch die Aufteilung der bisherigen Dimension „Die Sinngebung menschlichen Daseins und Handelns aus christlicher Motivation“ (Anthropologie und Ethik) in die zwei Inhaltsfelder „Der Mensch in christlicher Perspektive“ (Anthropologie) und „Verantwortliches Handeln aus christlicher Motivation“ (Ethik). Diese Aufteilung trägt zur Klarheit bei und ist nachvollziehbar. Bisher kam häufig entweder die Anthropologie oder die Ethik zu kurz. Von den nun sechs Inhaltsfeldern sollen drei in der EF behandelt werden und dann nochmal alle sechs in der Q1/2. Anthropologie, Gottesfrage und Ethik tauchen im Verlauf der Oberstufe also doppelt auf. Es werden dabei zwar zumeist unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte gesetzt, aber es besteht dennoch die Gefahr der Doppelung. In diesem Zusammenhang entsteht ein weiteres, sehr schwerwiegendes Problem: Die Behandlung aller sechs Inhaltsfelder (Anthropologie, Gottesfrage, Christologie, Ekklesiologie, Ethik und Eschatologie) in der Q1/2 stellt eine inhaltliche Überfrachtung dar. Die damit verbundene Absicht dürfte sein, von der bisherigen Verteilung der inhaltlichen Dimensionen bzw. Inhaltsfelder auf die Kurshalbjahre wegzukommen (pro Kurshalbjahr eine Dimension bzw. ein Inhaltsfeld), weil alle sechs Inhaltsfelder zusammenhängen und stärker verzahnt werden sollen. Die konkretisierten Kompetenzerwartungen zeigen jedoch, dass insbesondere die Graf-Adolf-Straße 84 40210 Düsseldorf Landesgeschäftsstelle Telefon: 0211/177440 Telefax: 0211/161973 E-mail: [email protected] Web: www.phv-nw.de Inhaltsfelder Gotteslehre, Christologie und Ekklesiologie weiterhin sehr umfangreich sind, also jeweils ein Halbjahr benötigen (Q 1.1/Q1.2./Q 2.1.). Dann bleibt noch ein Quartal in Q 2.2. für die Inhaltsfelder Anthropologie, Ethik und Eschatologie. Es erscheint zeitlich kaum möglich die konkretisierten Kompetenzerwartungen zu diesen Inhaltsfeldern - auch nicht teilweise - in die Kursplanung der vorangehenden drei Halbjahre einzuarbeiten. Zu beachten ist dabei außerdem, dass neben der Obligatorik noch ein Freiraum bleiben soll für eigene Schwerpunkte der Kurse. Dieser Freiraum wäre nicht mehr gegeben. Es ist klar, dass es sich bei dieser Konzeption um ein zentrales Anliegen des neuen Lehrplans handelt. Trotzdem halten wir Änderungen in dieser Frage für notwendig. Eine mögliche Lösung des Problems könnte darin bestehen, das Inhaltsfeld der Anthropologie (IF 1) nur in der EF obligatorisch vorzuschreiben und nicht noch einmal in der Q1/2. Die Ethik (IF 5) lässt sich gut an die Christologie (IF 3) und Ekklesiologie (IF 4) in Q1/2 anbinden, Teilaspekte der Christologie (Tod und Auferstehung Jesu) gut mit der Eschatologie (IF 6) verknüpfen. Es wird empfohlen, aus dem Inhaltsfeld 5 (Ethik) die erste Sachkompetenz (SuS analysieren verschiedene Modelle der Normbegründung an einem konkreten ethischen Entscheidungsfeld) in der Q1/2 zu streichen (vgl. S. 29). Es ergibt sich daraus grob gesagt folgende Verteilung der Inhaltsfelder: EF: IF 1: Anthropologie (so wie vorgesehen, ergänzt durch den inhaltlichen Schwerpunkt „Die Sehnsucht nach einem gelingendem Leben“ vgl. S. 25f.) IF 2: Gotteslehre (so wie vorgesehen) IF 5: Ethik (so wie vorgesehen) Q1/2: IF 2: Gotteslehre (so wie vorgesehen) IF 3: Christologie (so wie vorgesehen) IF 4: Ekklesiologie (so wie vorgesehen) IF 5: Ethik (Streichen der ersten Sachkompetenz, vgl. S. 29) IF 6: Eschatologie (so wie vorgesehen) Entsprechend müsste man beim Leistungskurs verfahren. II. Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln Kapitel 1: Aufgaben und Ziele des Faches - - Insgesamt sind Aufgaben und Ziele des Faches unter den gegebenen gesellschaftlichen Herausforderungen gut beschrieben. Bedenklich erscheint die Deutung von Pluralität in der Gesellschaft als „Gleichgültigkeit“ und „Beliebigkeit“ (S. 10). Relativismus ist ebenso wie Fundamentalismus mit dem Rationalitätsanspruch unseres Glaubens in der Tat nicht vereinbar (vgl. S. 11). Pluralität dagegen sollte in einer demokratischen Gesellschaft allerdings als etwas Positives gelten. Auch im Inhaltsfeld 5 wird ein eher negativer Begriff von Pluralität verwendet (vgl. S. 18). Mehrfach ist im Lehrplan vom „Verhalten“ der Schülerinnen und Schüler die Rede (vgl. S. 9, S. 17 unter „Handlungskompetenz“! und S. 40). Anstelle dieses Begriffes sollte wie sonst auch der Begriff „Handeln“ verwendet 2 werden, da es nicht um Verhaltenskonditionierung geht, sondern eben um verantwortliches, bewusstes Handeln. Kapitel 2: Kompetenzbereiche, Inhaltsfelder und Kompetenzerwartungen - - - - - - - Die Verknüpfung von fachspezifischen Kompetenzbereichen und Inhaltsfeldern zu Kompetenzerwartungen trägt der inhaltlichen Ausrichtung des Lehrens und Lernens in angemessener Weise Rechnung und bildet somit eine gelungene Umsetzung des Kompetenzbegriffes. Die Kompetenzerwartungen werden dann nach übergeordneten und konkretisierten Kompetenzerwartungen unterschieden. Für die EF und die Q1/2 (unterschieden nach GK und LK) werden für alle vier Kompetenzbereiche übergeordnete Kompetenzerwartungen formuliert. Für die beiden Kompetenzbereiche „Sach- und Urteilskompetenz“ werden dann jeweils konkretisierte Kompetenzerwartungen zu den einzelnen Inhaltsfeldern benannt. Die konkretisierten Kompetenzerwartungen geben wertvolle Hinweise, wie die Inhaltsfelder entfaltet werden sollen, behalten aber immer ein mittleres Abstraktionsniveau bei. Problematisch erscheint der Umfang der für die EF vorgeschriebenen, übergeordneten Kompetenzerwartungen. So verlangt z.B. die Sachkompetenz 4, dass Schülerinnen und Schüler Merkmale religiöser Sprache identifizieren und ihre Bedeutung auch in geschlechterspezifischer Perspektive erläutern (S. 19). Zum einen kommt diese Kompetenzerwartung bei den konkretisierten Kompetenzerwartung in der EF gar nicht mehr vor, zum anderen ist sie in sich unklar formuliert: Geht es um Charakteristika religiösen Sprechens oder um die Geschlechterfrage? Zumindest der Passus „auch in geschlechterspezifischer Perspektive“ sollte gestrichen werden. Auf Seite 21 ist hinter Kunst wohl eine Klammer zu viel. Unklar bleibt der Grad der Verbindlichkeit der übergeordneten Kompetenzerwartungen für den Grund- bzw. Leistungskurs. Dort heißt es jeweils, dass die übergeordneten Kompetenzerwartungen anzustreben seien (S. 23 und 30). Wenn man das als Möglichkeit für eigene Schwerpunktsetzung und Freiräume verstehen kann, ist die Formulierung grundsätzlich zu begrüßen. Die Formulierung der Sachkompetenz 4 (S. 23.31.52) ist nicht ganz schlüssig: „Die SuS erläutern grundlegende Inhalte des Glaubens an…, Kenntnisse der auf Jesus Christus gegründeten Kirche und der christlichen Hoffnung auf Vollendung“. Der Begriff „erläutern“ passt zu „Inhalte“, aber nicht zu „Kenntnisse“. Zur Methodenkompetenz wird auch im Grundkurs die Recherche in Archiven verbindlich vorgeschrieben. Das sollte man ändern durch Hinzufügen von „z.B.“ oder durch Änderung des Konnektors „und“ in „oder“ (S. 24.53f.). Die konkretisierten Kompetenzerwartungen zum Inhaltsfeld 4 im Grund- und Leistungskurs berücksichtigen zu wenig die historische Dimension der Kirche (vgl. S. 28f. und 36f.). Die Formulierung der inhaltlichen Schwerpunkte des Inhaltsfeldes 6 zum Grundkurs (S. 30) und Leistungskurs (S. 38) haben einen falschen Akzent und sollten in der Formulierung geändert werden. Statt „Tod – Wiedergeburt – Auferstehung: der Streit der Hoffnungen“ sollte es heißen: „Tod und Auferstehung: Die christliche Zukunftshoffnung“. Entsprechend auch im 3 - - Leistungskurs. Dort müsste dann zusätzlich der erste Schwerpunkt geändert werden von „Weltimmanente Glücks- und Heilsentwürfe und christliche Zukunftshoffnung“ in „Weltimmanente Glücks- und Heilsentwürfe“. In den übergeordneten Kompetenzerwartungen zum Leistungskurs taucht bei der Sachkompetenz wieder der Passus „auch in geschlechterdifferenzierender Perspektive“ auf (S. 31). Er sollte auch hier gestrichen werden, zumal er zur Deutung von Glaubensaussagen nicht passt. In der Formulierung der Urteilskompetenz 5 im Grund- und Leistungskurs findet sich ein schwerwiegender Grammatikfehler: Statt „erörtern im Kontext der Pluralität unter besonderer Würdigung spezifisch christlicher Positionen komplexeren religiösen und ethischen Fragen“ muss es heißen: „erörtern im Kontext der Pluralität unter besonderer Würdigung spezifisch christlicher Positionen komplexere religiöse und ethische Fragen“ (S. 24.32.54). Kapitel 3: Lernerfolgsüberprüfung und Leistungsbewertung - - Die gut nachvollziehbaren Hinweise zur Lernerfolgsüberprüfung und Leistungsbewertung werden ergänzt durch eine Übersicht der Überprüfungsformen. Diese orientieren sich sehr stark an der Operatorenliste und bilden somit eher Aufgabenstellungen für Klausuren ab als wirkliche Formen der Überprüfung (vgl. die unter dem Beurteilungsbereich „Sonstige Mitarbeit“ genannten weiteren Formen auf S. 41). Auf der anderen Seite ist die Liste zwar weitgehend, aber nicht gänzlich kompatibel mit der Operatorenliste. Hier müsste ggf. eine Änderung an der Operatorenliste vorgenommen werden (vgl. auch den Punkt „Gestaltung“ S. 44). Problematisch erscheint folgender Satz vor allem in Hinblick auf Klausuren: „Die Beurteilung von Leistungen soll demnach grundsätzlich mit der Diagnose des erreichten Lernstandes und Hinweisen zum individuellen Lernfortschritt verknüpft sein“ (S. 39). Die Tendenz geht bei der Bewertung und Begutachtung der Klausuren dahin, den Schülerinnen und Schülern einen Erwartungshorizont zur bewerteten Klausur zu geben, aus dem der individuelle Lernfortschritt abgelesen werden kann. Wird der zitierte Satz sehr umfassend verstanden (auch im Bereich der Sonstigen Leistungen) stellt er eine Überforderung der Lehrerinnen und Lehrer dar. Kapitel 4: Abiturprüfung - - Wir unterstützen ausdrücklich den Hinweis, dass es weiterhin Vorgaben zu den unterrichtlichen Voraussetzungen für die schriftlichen Prüfungen im Abitur in der gymnasialen Oberstufe (Abiturvorgaben) geben wird (S. 45). Es sollte aber darauf geachtet werden, dass durch die Vorgaben die inhaltlichen Anforderungen nicht über den in den Kompetenzerwartungen zu den einzelnen Inhaltsfeldern der Q1/2 formulierten Umfang hinaus erweitert werden. Neu sind in dieser Form die drei schriftlichen Aufgabentypen (S. 47f.). Hilfreich wäre ein Hinweis, welcher Aufgabentyp (z.B. Aufgabentyp I) den Schwerpunkt der Aufgabenstellung bilden sollte bzw. für Aufgabenstellungen in der schriftlichen Abiturprüfung vor allem relevant ist. 4 III. Implementation und Unterstützungsmaßnahmen Wir weisen auf die Notwendigkeit von Implementationsveranstaltungen hin und halten die geplanten unterstützenden Maßnahmen (Beispielcurricula, weitere Materialien z.B. für die individuelle Förderung) für äußerst sinnvoll und hilfreich. Düsseldorf, 10.06.13 gez. Peter Silbernagel - Vorsitzender - 5