Klausurvorbereitung Medizinische Psychologie und Soziologie

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Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
Vorbereitung Klausur
Motivation
Persönlichkeit und Verhaltensstile
• Attributionstheorie nach Heider: Menschen suchen immer nach kausalen Zusammenhängen bei wichtigen
Ereignissen und versuchen Leistungsergebnisse immer auf die Eigenschaft des Stimulus, der Umgebung oder der
Person zurückzuführen; man unterscheidet drei Dimensionen der Attribuierung:
Internal versus external: bei der internalen Attribuierung schreibt sich der Betroffene die Ursache selbst zu;
bei der externalen Attribuierung sucht er die Ursache außerhalb/bei anderen
Spezifisch versus global: spezifische Attribuierung betrifft nur bestimmte Bereiche (z.B. Partnerschaft,
Krankheit), während die globale Attribuierung sich auf alle/viele Lebensbereiche erstreckt
Variabel versus stabil: variabel heißt, in unterschiedlichen Situationen (adäquat) unterschiedliche Ursachen
zu finden; stabiler Attribution liegen, unabhängig von der Situation, immer die gleichen Ursachen zugrunde
• Kontrollattribution (locus of control): subjektiv wahrgenommene Unterstellung von Kontrolle (im Gegensatz zur
objektiven/tatsächlich bestehenden Kontrolle) als Ursache für möglicherweise zukünftig eintretende Ereignisse
optimistische, erfolgsmotivierte Menschen führen Erfolge auf stabil-internale, globale Ursachen und
Misserfolge auf variabel-externale, spezifische Ursachen zurück
misserfolgsmotivierte, pessimistische Menschen attribuieren ihren Erfolg auf Grundlage external-variabler,
spezifischer Faktoren; schreiben Misserfolge stabil-internalen, globalen Ursachen zu (Risikofaktor für Depression)
fundamentaler Attributionsfehler: eigene Handlung schreibt man externalen Faktoren zu, der Beobachter
beruft sich hingegen auf Motivation des Handelnden (internal) -> Akteur-Beobachter-Verzerrung
• Bedürfnishierarchie (nach Maslow): physiologische Bedürfnisse -> Bedürfnis nach Sicherheit -> Bedürfnis nach
Zuwendung -> Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung -> Bedürfnis nach Selbstverwirklichung
• Yerkes-Dodson-Regel: zwischen der physiologischen Aktivität und der Leistungsfähigkeit besteht ein umgekehrt uförmiger Zusammenhang, d.h. bei Geringaktivierung und Übererregung sinkt das Leistungsniveau ab, wobei das
Leistungsoptimum vom Schwierigkeitsniveau der Aufgaben abhängt (komplexe Aufgaben erfordern ein niedrigeres
Aktivationsniveau als einfache Aufgaben
Vigilanz: gerichtete Daueraufmerksamkeit bei monotonen Aufgaben
Suggestion: Übertragung einer affektbesetzten Handlung auf einen anderen Menschen; man unterscheidet
Heterosuggestion (Beeinflussung durch Fremdpersonen) und Autosuggestion
Stereotype sind stark verallgemeinernde Bilder oder Vorurteile, vorgefasste Meinungen, die man von
Angehörigen einer fremden Gruppe (Heterostereotype) oder der eigenen Gruppe (Autostereotype) hat
Reaktanz: Trotzreaktion, bei der man vernünftig erkannte Ratschläge nicht befolgt, weil man sich in seiner
Entscheidungsfreiheit eingeschränkt fühlt; man entwickelt zur Rechtfertigung viele (Schein)Gründe
Resilienz (= Widerstandsfähigkeit): Fähigkeit, auf Anforderungen wechselnder Situationen flexibel zu reagieren
Stigmatisierung: Vorurteile der Gesellschaft gegenüber bestimmten Personen
• Persönlichkeit ist ein bei jedem Menschen eigenartiges, stabiles und die Zeit überdauerndes Verhaltenskorrelat
zeitlich stabile Abhängigkeit der Erlebens- und Verhaltensweisen: trait dependent (interindividuell)
zeitlich instabiles zustands- und situationsabhängiges Verhalten: state dependent (intraindividuell)
Disposition: Neigung oder Bestreben „in“ einer Person, auf die Situation charakteristisch zu reagieren
• Persönlichkeitstypologie nach Hippokrates und Galenos: Sanguiniker (heiter, aktiv), Choleriker (reizbar, unausgeglichen),
Phlegmatiker (bedächtig, behäbig), Melancholiker (verzagt, schwermütig)
• Persönlichkeitstypologie nach Kretschmer: Leptosomen (emotional kühl, zurückhaltend, introvertiert, Neigung zur
Schizophrenie), Athleten (schwerfällig, phlegmatisch, zuverlässig, Neigung zur Epilepsie), Pykniker (gesellig, gemütvoll,
explosibel, extravertiert, Neigung zu affektiven oder manisch-depressiven Psychosen)
Hyperthymiker: betriebsam, wortgewandt, gesellig
Explosible: Neigung zu impulsiven Taten und Kurzschlussreaktionen, schnell reiz- und erregbar
Astheniker: Menschen mit geringer körperlicher und charakterlicher Belastbarkeit
• Topographisches Modell nach Sigmund Freud unterscheidet drei Teile der Persönlichkeit: das Bewusste (das im
Moment bewusst erfasste Erleben, augenblickliche Gedanken), das Vorbewusste (Erinnerungen und Wissensinhalte)
und das Unbewusste (beinhaltet verdrängte Erinnerungen und nicht erlaubte Triebwünsche)
• Instanzenmodell nach Sigmund Freud: das Es mit Funktion des Lustprinzips und Sitz unbewusster irrationaler
Leidenschaften (Eros -> Liebestrieb und Thanatos -> Todestrieb), das Über-Ich als Sitz des Gewissens und des Ich-Ideals
und das Ich ermöglicht die Anpassung der Wünsche des Es und die Gebote des Über-Ich an die Realität (Realitätsprinzip)
• Persönlichkeitstypen nach Fixierung auf einer psychosexuellen Phase:
Orale Persönlichkeit: Persönlichkeit, die in der Phase des Drängens auf unmittelbare Triebabfuhr fixiert ist:
entweder zu keinerlei Triebaufschub in der Lage (dominierendes Es), oder sie sind aufgrund der erfahrenen
Sanktionen in der Kindheit nicht in der Lage, sich spontane Impulse einzugestehen
Anale Persönlichkeit: bei übertriebener Sauberkeitserziehung entwickelt diese Person eine zwanghafte
Haltung (extremes Interesse Sauberkeit und Pünktlichkeit ) mit konfliktträchtigem Verhältnis zu Autoritätspersonen
Phallische Persönlichkeit: Personen unterliegen ständig dem inneren Zwang, “der erste sein zu müssen”,
übersteigertes Konkurrenzdenken, Rivalitätskämpfe, Menschen und Objekte beherrschen wollen
Genitale Persönlichkeit: erfolgreiche Entwicklung zu einer reifen, Ich-starken Persönlichkeit, die liebes-, bindungsund arbeitsfähig ist
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• Faktorenanalytische oder empirisch-statistische Persönlichkeitsmodelle:
Cattell entwickelte den 16 PF-Test mit unabhängigen Persönlichkeitsdimensionen (Intelligenz, Selbstachtung, ...)
Eysenck reduzierte die Persönlichkeit auf vier Hauptdimensionen: Extraversion – Introversion (Extravertierte
Persönlichkeit und Verhaltensstile
Entwicklungspsychologie und Sozialisation
suchen äußere Stimulation, sind nach außen gerichtet, kontaktfreudig; Introvertierte sind schüchtern,
zurückgezogen, meiden Stimulation, kontaktärmer), Stabilität – Labilität (= Neurotizismus als mangelnde
emotionale Stabilität), Realismus – Psychotizismus, Intelligenz
„Big five“ nach Costa und McCrae: Extraversion/Introversion, Neurotizismus (Tendenz, in belastenden
Situationen neurotische Verhaltensweisen zu zeigen), Verträglichkeit (= Agreeableness), Rigidität
(= Gewissenhaftigkeit, = Conscientiousness), Offenheit für Erfahrungen
o Neurasthenie: Erschöpfungssyndrom mit depressiven Zuständen
o Zyklothymie: periodische Stimmungsschwankung von heiter bis traurig (keine affektive Psychose)
o Schizothymie: Veranlagung zur Schizophrenie
Repression: der Repressor unterdrückt und verleugnet Gefahren
Sensitization: der Sensitizer nimmt Risiken übermäßig wachsam wahr und beschäftigt sich emotional damit
o Sensation-Seeking: Tendenz, stimulierende Situationen aufzusuchen (größerer „Reizhunger“)
o Novelty-Seeking: Suche nach Neuigkeit, Abwechslung; Ursache: Dopamindefizit
• Selbstkonzept: affektiv-motivational reguliertes, selbstbezogenes Wissen einer Person, das aus Selbstbeobachtung oder
dem sozialen Vergleich stammt und zur Konstruktion einer zeit- und situationsstabilen Identität beiträgt
• Narzissmus: tief greifendes Muster von Großartigkeit in Phantasie oder Verhalten mit der Überzeugung von eigenem
grenzenlosem Erfolg, Macht, Glanz, Schönheit und idealer Liebe, Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung, eigene
übertriebene Erwartungen müssen von anderen erfüllt werden, Mangel ihm an Empathie
• Psychosen: Gruppe schwerer psychischer Veränderungen, deren besonderes Kennzeichen der Realitätsverlust der
Betroffenen bei mangelnder Krankheitseinsicht ist; bekanntestes Krankheitsbild ist die Schizophrenie:
Gedankeneingebung, Begriffszerfall, Wahn, Halluzinationen, Fehleinschätzung eigener Fähigkeiten,
Sprachstörungen mit Zerfahrenheit und Neologismen, Katalepsie (Bewegungsarmut), Stupor, Mutismus
(Sprachverweigerung) als Positivsymptomatik
Apathie, verflachte Affekte und sozialer Rückzug als Negativsymptomatik
• Neurosen: psychische Erkrankungen, die sich durch ein erhöhtes Ausmaß an Angst und übermäßigen Befürchtungen
kennzeichnen lassen, aus denen abnormale Verhaltensweisen resultieren
psychoanalytisch Befindlichkeits- und Persönlichkeitsstörungen aufgrund unbewusster, ungelöster Konflikte und
kindlicher Entwicklungsdefizite
hierzu zählen Phobien, Zwangsneurosen, posttraumatische Belastungsstörung, multiple Persönlichkeiten
• Persönlichkeit und Krankheit: Typ A/Typ B-Längsschnittstudie (Western Collaborative Group Study von 1958) von
Friedman und Rosenman zur Untersuchung von typischen Eigenschaften eines Herzinfarktpatienten
Typ A: leistungsorientierter Einzelkämpfer, ständig unter Zeitdruck, neigt zu Aggressivität und Feindseligkeit,
hohe selbstgesetzte Ziele, sprechen und gestikulieren schnell, wollen andere beherrschen
Typ B: ruhig und bedächtig, sucht Erholung und entspannt sich in der Freizeit, ausgewogenes Bedürfnis nach der
Begegnung mit anderen, oftmals cholesterinhaltige Ernährung und hoher Tabak- und Alkoholkonsum
• Typ C-Verhalten nach Temoshok: Neigung zur Krebserkrankung bei mangelnder Stressbewältigung, Unterdrückung von
Emotionen, aufopferungsvollem Verhalten, Depression, Hoffnungslosigkeit bei Verlusterlebnissen und der Unfähigkeit, Ärger zu zeigen
• Kognitive Entwicklungsphasen nach Jean Piaget:
Sensumotorische Intelligenz (Geburt bis 2 Jahre): Entwicklung und Koordination sensumotorischer Schemata
(visuelle Steuerung des Greifens), reflexartige Verhaltensweisen, Entwicklung der Objektpermanenz
Präoperationale Intelligenz (2 Jahre bis 7 Jahre): Egozentrisches Denken (keine Perspektivübernahme möglich),
Entstehen von Vorstellungen und innerer Nachahmung, Klassifizierung von Objekten nach einem Merkmal
Einteilung: vorbegrifflich-symbolisches Denken (2 Jahre bis 4 Jahre) und anschauliches Denken (4 Jahre bis 7 Jahre)
Konkretlogische Operationen (7 Jahre bis 11 Jahre): Benutzung von verinnerlichten Handlungen und reversiblen
Denkvorgängen, Lösung von konkreten Zahl-, Raum- und Zeitproblemen
Formallogische Operationen (ab 12 Jahre): Denkoperationen werden unabhängig vom Gegenständlichen,
schlussfolgerndes Denken bei beliebigen, fiktiven Annahmen möglich (Gedankenexperimente)
• nach Piaget entwickeln sich in der Kindheit die Prozesse der Wahrnehmung und des Denkens im direkten Austausch mit
den Eindrücken der Umwelt:
Assimilation: neue Erfahrungen werden in vorhandenen Schemen verarbeitet bzw. Verallgemeinerung des
gelernten Verhaltens auf neue Situationen
Akkommodation: Veränderung der Denkstrukturen führen zur Modifizierung alter bzw. Entwicklung neuer
Schemata (dem Kind fällt es schwer, eigene Vorstellungen an die Umweltgegebenheiten zu akkommodieren)
Assimilation und Akkommodation unterliegen dem Äquilibrationsprinzip (= Gleichgewichtsmodell): Entwicklung
als fortlaufende Folge von Ungleichgewichtszuständen, die nach Neuordnung verlangen, um Gleichgewicht auf
höherem Niveau herzustellen (majorierende Äquilibration)
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• menschliche Entwicklungsphasen nach Erikson: 1. Urvertrauen versus Urmisstrauen (1. Lebensjahr), 2. Autonomie versus
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Scham und Zweifel (2.-3. Lebensjahr; bei übermäßiger Kritik und Unterdrückung kindlicher Neugier kommt es zu Scham
und Zweifel), 3. Initiative versus Schuldgefühl (4.-5. Lebensjahr), 4. Leistung versus Minderwertigkeit (6.-11. Lebensjahr),
5. Identität versus Rollendiffusion (12.-18. Lebensjahr), 6. Intimität versus Isolation (junges Erwachsenenalter; es
entstehen emotionale, sexuelle oder moralische Bindungen an andere Personen oder aber Einsamkeit), 7. Zeugende
Fähigkeit versus Stagnation (mittleres Erwachsenenalter), 8. Ich-Integrität versus Verzweiflung (Alter; alter Mensch
beschließt Leben mit Zufriedenheit und positiver Rückschau oder reagiert verzweifelt auf nicht erreichte Ziele)
„Fremdeln“ als typische 8-Monats-Angst (Kind kann zwischen bekannten und fremden Personen unterscheiden)
autoritative Erziehung unterhält emotionale Wärme zum Kind, unterstützt es, gibt zugleich klare Regeln und Normen vor
permissive Erziehung: Eltern im Hintergrund, Kind muss bei persönlichen Entscheidungen selbst Initiative ergreifen
Peer-Group: Gruppe von Gleichaltrigen mit maximalem Einfluss auf das Verhalten Pubertierender
Statuskristallisation: einheitliche Niveauausprägung mehrerer Statusmerkmale einer Person im Erwachsenenalter
• Psychosexuelle Entwicklungsphasen nach Sigmund Freud:
orale Phase (1. Lebensjahr): Säugling beginnt im Prozess der Einverleibung und Ausstoßung eine Vorstellung
seiner Selbst in Abgrenzung zum Es; Mund vermittelt höchste Lustbefriedigung; Aufbau eines gesunden
Urvertrauens; Einteilung in oral-erotische und oral-aggressive Phase
anale Phase (2.-3. Lebensjahr): Kind festigt durch körperliche Erfahrung der Kontrolle und Verweigerung die
Grenzen seines Selbst und entwickelt stabileren Ich-Begriff; beide Elternteile als Identifikationsobjekte;
Ausscheidungsfunktionen stehen im Vordergrund
phallische (ödipale) Phase (3.-6. Lebensjahr): entlang der Erfahrung des genitalen Begehrens manifestiert sich
das Ich in der Geschlechterrolle; in Konkurrenz zum gegengeschlechtlichen Elternteil bildet sich Über-Ich aus: der
Knabe verliebt sich in seine Mutter (Ödipuskomplex) und das Mädchen in den Vater (Elektrakomplex)
Latenzphase (6.-10. Lebensjahr): körperliche Sensationen verlieren Bedeutung, soziale Erfahrungen stehen im
Vordergrund
genitale Phase (ab der Pubertät): Reifung der Identität des Erwachsenen
• Sozialisation umfasst den lebenslangen Prozess der Vermittlung und Aneignung sozialer Normen, Werte und
Handlungsmuster, wobei der Mensch durch den Prozess der Erziehung und die Erfahrungen persönlichkeitsprägender
Lernvorgänge in die Sozietät hineinwächst und gesellschaftlich handlungsfähig wird
• nach dem interaktionistischen Persönlichkeitsmodell findet ein wechselseitiger Austausch zwischen dem biologischen
Organismus und der sozialen Umwelt statt
Primäre Sozialisation (0-3 Jahre): Grundstrukturen des Denkens, Sprechens, Empfindens und des sozialen
Verhaltens werden gebildet; Erziehung durch die Kernfamilie; Kind lernt Sprache, Sauberkeit, Vertrauen,
Unterscheidung von Recht und Unrecht und Anpassung
Sekundäre Sozialisation (ab 3 Jahre): Kindergarten (Lernen von sozialer Rücksichtnahme), Schule (Aneignung von
Wissen und Leistungsmotivation), „peergroup“ (Lernen sozialer Regeln unter Gleichaltrigen)
Tertiäre Sozialisation: Beruf (Arbeiten für finanzielle Sicherheit, Unterordnung, Verantwortungsbewusstsein)
Nonkonformität: bewusstes Nicht-Anpassen an die Normen einer Gruppe
Institutionalisierung: Erstarrung sozialer Normen und Verhaltensmuster zu allgemein gültigen und nicht mehr
hinterfragbaren Gegebenheiten, es entsteht die „Wirklichkeitskonstruktion“ einer Gesellschaft
Professionalisierung: bezeichnet die „Verberuflichung“ bestimmter Tätigkeiten; Steigerung der Effizienz,
Qualitätsverbesserung und Standardisierung; bei akademischem Beruf mit hohem Prestige, einem hohen Grad
an beruflicher Organisation (Standesorganisation) sowie persönlicher und sachlicher Gestaltungs- und
Entscheidungsfreiheit der Angehörigen dieser Profession und einer eigenen Berufsethik verbunden
Akkulturation: Prozess der Angleichung einer Kultur an die andere bzw. das Hineinwachsen einer Person in die
kulturelle Umwelt; vier Handlungsmöglichkeiten: Integration (gute Beziehung zur Kultur des aufnehmenden
Landes und Erhalt der Kultur der ehemaligen Heimat), Assimilation (vollständige Anpassung unter Aufgabe der
eigenen kulturellen Identität), Segregation (Wahrung eigener Kultur bei gleichzeitiger Abgrenzung zur
Gesellschaft des Gastlandes) und Marginalisierung (Abgrenzung von inter- und intrakulturellen Beziehungen)
Devianz: soziale Abweichung bei Personen, die aus der Norm der produktiven Mitglieder herausfallen
sekundäre Emotionen: bewertende Emotionen, wie Dankbarkeit, Stolz, Neid, Scham, Verlegenheit; sind einem
Lernprozess unterworfen, bilden sich im Rahmen der Sozialisation aus und sind von kulturellen Einflüssen
geprägt
• Hospitalismus: Folgeerscheinungen von längeren Heim- oder Krankenhausaufenthalten bei Kindern, die durch
sensorische Deprivation (= Reizentzug) und Mangel an emotionaler Zuwendung entstehen
drei Phasen nach Pfaundler: 1. Phase der Unruhe (Protest nach Trennung von Mutter), 2. Phase der Resignation,
3. Phase der Verzweiflung (Marasmus = körperlicher und geistiger Verfall)
• bis zum 9.-11. Monat entwickelt das Kind eine spezifische Bindung (attachment) an eine Bezugsperson, wobei die Qualität
der Bindung von der Verfügbarkeit und Einfühlsamkeit der Bezugsperson, aber auch mit dem Temperament des Kindes
zusammen hängt; im Fremde-Situationstest (FST) können folgende Bindungsstile erkannt werden (nach Bowlby/Ainsworth)
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Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
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Entwicklungspsychologie und Sozialisation
Arzt-Patient-Beziehung
sicher-gebundener Bindungsstil: ausgewogene Balance zwischen Exploration und Bindungsverhalten,
Sicherheitsgewinn aus Nähe zur Bezugsperson, offene Kommunikation der Gefühle
unsicher-vermeidender Bindungsstil: Explorationsverhalten auf Kosten des Bindungsverhalten aktiviert,
Verbergen negativer Gefühle, Sicherheitsgewinn durch Spiel und Leistung, Distanz zur Bindungsperson
ambivalent-unsicherer Bindungsstil: Bindungsverhalten auf Kosten des Explorationsverhaltens aktiviert,
unbeherrschte Mischung aus Angst und Ärger, weil Zuwendung der Bezugsperson nicht steuerbar ist
desorganisierte Bindung (Typ D): Kombination aus verschiedenen Bindungstypen mit bizarren Verhaltensweisen,
BP ist Auslöser für Bindungsverhalten, ausweglose double-bind-Situation (nach Main)
• Theorien des erfolgreichen Alterns: Disengagementtheorie (freiwillige Entbindung aus sozialen Aufgaben zur Steigerung
des Wohlbefindens), Aktivitätstheorie (soziale Aktivität und Produktivität korreliert positiv mit Lebenszufriedenheit),
Kontinuitätstheorie (Fortsetzung der Gewohnheiten einschließlich Anpassungsvorgängen an objektive und subjektive
Veränderungen)
• man unterscheidet die kristallin-pragmatische Intelligenz (Schulwissen und Allgemeinbildung; Verlust im hohen Alter
gering) und die fluid-mechanische Intelligenz (Problemlösefähigkeit, Wahrnehmungsgeschwindigkeit; stetiger Abbau)
• Generalfaktorentheorie nach Spearman: Intelligenz setzt sich aus Generalfaktor (G-Faktor, allgemeine Leistungsfähigkeit)
und voneinander unabhängigen speziellen Einzelfaktoren (S-Faktoren) zusammen
• Verhaltenserwartungen an den Arzt (nach Parsons): Funktionale Spezifität (Arzt handelt nur zum Zweck der Diagnose
und der Heilung von Krankheiten), Universalismus (= uneingeschränkte Hilfsbereitschaft, d.h. Arzt soll alle Patienten
gleich behandeln, unabhängig ihrer sozialen Stellung und Eigenarten), Affektive Neutralität (Hilfeleistung des Arztes darf
nicht durch Sympathie oder Antipathie beeinträchtigt werden), Fachliche Kompetenz, Altruismus (Arzt handelt
uneigennützig und nutzt Notlage des Patienten nicht zu seinen Gunsten aus)
• „iatrogene Fixierung“: eine durch den Arzt verursachte, übermäßig enge Bindung des Patienten an den Arzt mit dem
Bestreben, Krankheitssymptome über lange Zeit aufrechtzuerhalten, um den Arzt weiter aufsuchen zu können
• der Hypochonder projiziert Angst auf körperliche Krankheiten und entdeckt ständig neue (unheilbare) Symptome
• Krankheitsgewinn: primärer Krankheitsgewinn (= innere Vorteile, d.h. ein unbewusster, intrapsychischer Konflikt kann
durch Symptombildung verringert werden), sekundärer Krankheitsgewinn (= äußere, bewusste Vorteile des Krankseins,
z.B. durch vermehrte Zuwendung durch Umgebung (Familie) oder finanzielle Vorteile (Rente))
Regression: Rückschritt in frühere, kindliche Verhaltensweisen; wird in den Kliniken gefördert durch
institutionelle (Entscheidungen zum Tagesablauf sind Patienten abgenommen), situative, individuelle Faktoren
Aggravation: absichtliche, zweckgerichtete Übertreibung von tatsächlich vorhandenen Krankheitssymptomen
und subjektiver Krankheitsempfindung
Simulation: bewusstes Vortäuschen und Nachahmen von Symptomen, um für krank gehalten zu werden
Dissimulation (= Nicht-Simulation): Verheimlichen von Symptomen
• Transaktionales Stressmodell von Lazarus: Stresssituationen erfordern nach intrapsychischer Bewertung der Reize die
Entwicklung von Bewältigungsstrategien im Kontext zwischen Anforderungen der Situation und der handelnden Person
alle Reize sind Stressoren, wenn sie von einer Person subjektiv als bedrohlich empfunden werden
Lazarus unterschied drei Formen der Bewertung:
o „Primary appraisal“: erste Bewertung des Reizes als bedrohlich/belastend, günstig/positiv,
neutral/irrelevant; Abstufungen: Herausforderung (challenge), Bedrohung, Verlust
o „Secondary appraisal“: zweite Bewertung der eigenen Ressourcen, auf deren Verfügbarkeit die
Bewältigungsstrategie basiert
o Re-appraisal (= Neubewertung): nach Bewältigungsreaktion Rückblick und Neueinschätzung der Situation
• Formen der Stressbewältigung (=Coping): Wahrnehmung -> kognitive Verarbeitung -> Bewältigungsformen:
Handeln (problemorientiert): Kompensation, Zuwendung suchen, Rückzug, Wut ausleben, Altruismus
Kognition: Dissimulieren, Ablenken, Valorisieren (sich selbst aufwerten), vernünftiges Abwägen, Vermeidung,
Rumifizieren (ständiges Grübeln über die Krankheit), Stoizismus (mit Fassung tragen)
Intrapsychisch-emotinal: Selbstkontrolle, Fatalismus (Resignation aufgrund externaler Kontrolle durch höhere
Mächte, dem Schicksal ergeben), Auflehnung, Selbstbeschuldigung, Emotionen, Religiosität
• Dimensionen der Krankenrolle nach Parsons: Entlastung von Rollenverpflichtungen (soziale Entlastung), Entlastung von
der Verantwortung für die Krankheit (erleichtert, ohne Angst vor Stigmatisierung über Krankheit zu sprechen),
Verpflichtung, gesund werden zu wollen, Verpflichtung, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und mit dem Arzt zu
kooperieren (Mitarbeit -> Compliance)
• bei der verbalen Kommunikation unterscheidet man den linguistischen (Inhalt, Grammatik, Vokabular) und
paralinguistischen Aspekt (Rhythmus, Tempo, Betonung)
• zur nonverbalen Kommunikation zählen Körpersprache, Mimik, Körperhaltung, Gestik, Körperkontakte (Distanz)
• Interaktionsniveaus zwischen zwei oder mehreren Personen:
pseudokontingente Interaktion: Verhaltensweisen durch eigene Verhaltenspläne bestimmt, die schon vor dem
Gespräch definiert wurden
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Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
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Arzt-Patient-Beziehung
Untersuchung und Gespräch
asymmetrische Kontingenz: ein Partner agiert nach festgelegten Zielen, der zweite reagiert lediglich auf ersten,
z.B. Arztvisite im Krankenhaus
reaktive Kontingenz: Interaktion verläuft sprunghaft, mit starken Emotionen; wechselseitige Orientierung auf die
Aussagen des Partners
wechselseitige Kontingenz: Interaktionspartner verfolgen eigene Vorstellungen, sind aber bemüht diese anhand
des Gesprächs zu modifizieren; gemeinsames Problemlösen und Austausch von Beziehungen
Kontingenz: Abhängigkeit der Kommunikationen von eigenen Bedürfnissen oder vom Interaktionspartner
• restringierter Sprachcode: kurze, unfertige, starre Sätze, dürftige Syntax, kontextgebunden-defizitär
• elaborierter Sprachcode: grammatisch komplex, stark differenzierter Wortschatz, kontextunabhängig-autonom
• Perseveration: der Betroffene wiederholt ständig das bereits gesagte
• Modelle der Arzt-Patienten-Beziehung zur gemeinsamen Entscheidungsfindung und Empowerment:
paternalistisches Modell: Arzt entscheidet im wohlverstandenen Interesse des Patienten über diagnostische und
therapeutische Maßnahmen; passive Haltung des Patienten; bei Notfällen und akuten Psychosen angebracht
Konsumentenmodell/informatives Modell: Patient benötigt vom Arzt Informationen, um seine Entscheidung
souverän zu treffen; Rolle des Arztes besteht darin, der Entscheidung des Patienten zu folgen
Shared-Decision-Making/partizipative Entscheidungsfindung (PEF): Patient teilt Präferenzen mit und der Arzt
die medizinische Evidenz; Arzt und Patient diskutieren gemeinsam eine Entscheidung, für die sich beide
verantwortlich fühlen; Erarbeitung eines Handlungsplans, für dessen Einhaltung beide Partner einstehen
• Grundgesetze der Kommunikation nach Paul Watzlawick: 1. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (jedes Verhalten ist
Kommunikation), 2. „Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt.“, 3. „Kommunikationspartner neigen
dazu, Kommunikationsabläufe unterschiedlich zu interpretieren.“, 4. „Kommunikation bedient sich digitaler (verbaler)
und analoger (nonverbaler) Modalitäten.“, 5. „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch
oder komplementär (= ergänzend).“
• Metakommunikation: Kommunikation über die Kommunikation, d.h. man redet darüber, wie man spricht
• verbale Konditionierung: bestimmte Handlungsweisen werden durch verbale Äußerungen verstärkt
• „double bind“: aufgeforderte Person sieht sich einem, innerhalb der Interaktion auftretenden Widerspruch zwischen
verbalen und paraverbalen Informationsanteilen ausgesetzt (Widerspruch kann bei gleichberechtigten Personen durch
Metakommunikation aufgelöst werden)
• Balint-Gruppen als Supervision im medizinischen Arbeitsbereich: in Arbeitsgruppen besprechen Ärzte ihre ärztlichen oder
psychotherapeutischen Erfahrungen unter Anleitung eines Supervisors, Ziel: Aufdecken der unbewussten Anteile der
Handlungen in der Arzt-Patient-Interaktion und die Reduktion der Angst des Arztes vor dem Patienten
• Übertragung: Vorgang, bei dem ein Mensch Gefühle, Wünsche, Einstellungen, Reaktionsmuster, die aus früheren (meist
kindlichen) Interaktionserfahrungen mit wichtigen Bezugspersonen stammen, auf die aktuelle Bezugsperson richtet
• Gegenübertragung: entsprechend kann der Arzt/Analytiker auf die vom Patienten angebotenen Emotionen und Affekte
eingehen, da es seinen eigenen Wunschvorstellungen entspricht und verhält sich in entsprechender Rolle (z.B. Vaterrolle)
Konversion: Umwandlung eines psychischen Konfliktes in körperliche Symptome
Projektion: eigene Persönlichkeitseigenschaften werden auf andere Personen projiziert
paradoxe Intention: es kommt zum Verhalten trotz gegenteiliger Einstellung
• Compliance: Mitarbeit des Patienten bezüglich der Befolgung therapeutischer und diagnostischer Anweisungen
• als „under-utilizer“ bezeichnet man eine Person mit Krankheitszeichen, die einen Arzt nicht oder erst dann aufsucht, wenn
die Krankheit bereits weit fortgeschritten ist
• Non-Comprehension (= Unverständnis): mangelndes Verständnis für Krankheitsentstehung bzw. die Wichtigkeit der
Befolgung ärztlicher Anweisungen; Teilvoraussetzung für Entstehung von Non-Compliance
• Grundhaltungen des Therapeuten bei klientenzentrierter Gesprächsführung (nach Carl Rogers):
Echtheit: Übereinstimmung von innerem Erleben und äußerem Verhalten (Arzt sollte sich geben, wie er ist und
im Gespräch auftauchende Gefühle nicht verbergen)
Wertschätzung des Patienten: Achtung vor seiner Gesamtperson und seiner Krankheit
Empathie: einfühlendes Verständnis
Förderung der Introspektionsfähigkeit des Patienten (Lernen, eigene Gefühle besser wahrzunehmen)
non-direktiver Gesprächsstil: Nicht-Direktivität (Patient entscheidet Gesprächsinhalte, Arzt vermeidet Vorschläge
zur Problemlösung), Verbalisieren (Arzt wiederholt Gesprächsinhalte des Patienten, um Verständnis zu zeigen
und Problematik widerzuspiegeln), Konfrontieren (auf Widersprüche aufmerksam machen, ohne zu kritisieren)
• „informed consent“ (Einwilligung nach Information): ist die erforderliche Zustimmung eines Patienten zu einer
diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme nach einem Aufklärungsgespräch durch den Arzt
• Strategien des Arztes, um während des Patientendialogs die Asymmetrie der Beziehung aufrecht zu erhalten: Übergehen
von Fragen und Einwänden, Nichtbeachten von Patienteninitiativen, Adressatenwechsel oder Themenwechsel,
Beziehungskommentar (Metakommunikation), Mitteilung funktioneller Unsicherheit
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Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
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• unter Exploration versteht man die Befragung des Patienten und unter Anamnese die Erhebung der
Untersuchung
Krankenvorgeschichte im Zuge der Datengewinnung für die Differentialdiagnose und die Therapieplanung
• darüber hinaus Aufklärung, Edukation, emotionale Unterstützung mit Einsicht in psychosomatische Zusammenhänge
• Anamneseformen: Eigenanamnese (Patient gibt selbst über Symptomatik Auskunft), Fremdanamnese (andere, oft
nahestehende Personen werden über den Patienten befragt), Sozialanamnese, Medikamentenanamnese
• Fragestile Anamnesegespräch: offene Fragen sollten gegenüber geschlossenen Fragen (Antwortmöglichkeiten festgelegt)
Sexualität und Medizin
bevorzugt werden; Sonderformen: Katalogfrage (Aufzählung von mehr als zwei Antworten), dichotome Frage =
Alternativfrage (zwei Antworten), Sondierungsfrage, Suggestivfrage (inhaltliche Antwort nahelegend -> Ergebnisverzerrung)
• Sexualität ist eine im Biologischen verankerte, aber nicht notwendig manifest werdende Möglichkeit des Erlebens und hat
beim Menschen reproduktive (= biologischer Sinn), narzisstische (= Selbstbestätigung) und interpersonale Aspekte
• Resultat der auf Ebenen des Zentralnervensystems (Hypothalamus, limbisches System) und des endokrinen Systems
(Androgene, Östrogene) geregelten sexuellen Reaktion ist die von den Gynäkologen Masters und Johnson postulierte
Vier-Phasen-Struktur des Sexualzyklus, dessen Verlauf bei Mann und Frau unterschiedlich ausgeprägt sein kann:
Erregungsphase: längste Phase des Zyklus, Herzfrequenz und Blutdruck steigen, Sex flush (= Sexualröte), beim
Mann Erektion des Penis und bei Frau Vasokongestion der Beckenregion mit Lubrikation der Vagina
Plateauphase: hohe Stufe sexueller Spannung, weiteres Ansteigen von Blutdruck und der Atem- und
Pulsfrequenz, bei der Frau Ausbildung der vaginalen orgastischen Manschette und Absonderung von
Gleitflüssigkeit, beim Mann Zunahme des Hodenvolumens und Absonderung des Cowperdrüsensekrets
Orgasmusphase: größte Intensität der Lustempfindung unter Lösung sexueller Spannung durch unwillkürliche
rhythmische Muskelkontraktionen, Kulmination der Herz-, Atmungs- und Kreislauftätigkeit mit Einengung der
Bewusstseinsempfindung, Immissio und Koitus, beim Mann Ejakulation und anschließende Refraktärzeit
Rückbildungsphase: Gefühl muskulärer Entspannung und allgemeinen Wohlbefindens unter Normalisierung der
Kreislaufparameter, Abschwellen des Penis beim Mann und der Klitoris, Schamlippen und Brustwarzen bei Frau
• sexuelle Appetenzphase: Erwachen sexuellen Begehrens mit hektischer Suche nach einem Geschlechtspartner
• Erregungskurve bei Frau langsamer und flacher mit variablen Verlauf, beim Mann schneller und steiler mit relativ
konstantem Verlauf; Erregung beim Mann v.a. durch visuelle Stimuli, während bei Frau situativ gebunden (Körperkontakt)
• biologische Differenzierung des Geschlechts manifestiert sich primär auf chromosomaler Ebene (genetisches Geschlecht),
auf Ebene der gonadalen Entwicklung (Keimdrüsengeschlecht), der Ebene der inneren (= gonoduktalen) und äußeren
Geschlechtsmerkmale und auf Ebene der geschlechtstypischen Differenzierung des Gehirns, wobei für die letzten beiden
Stadien die Pubertät als entscheidende Entwicklungsphase angesehen wird
• interpersonaler Aspekt der Sexualität durch Entwicklung von Bindungsfähigkeit und Einfluss zwischenmenschlicher Erfahrungen:
sicher-gebundener Bindungsstil: geringe Präferenz von Sex außerhalb der Beziehung, Prinzip der Gegenseitigkeit
ambivalent-unsicherer Bindungsstil: sexuelle Praktiken im Hintergrund, dagegen Zärtlichkeitsprinzip
unsicher-vermeidender Bindungsstil: Gelegenheitssex, weniger Intimitätsempfinden
• sexuelle Störungen werden in drei Bereiche klassifiziert:
sexuelle Funktionsstörungen: Mangel sexuellen Verlangens und häufig Assoziation mit Ängsten, Traumata und
Partnerkonflikten, woraus oft sexuelle Inappetenz und Alibidimie resultiert
o erektile Dysfunktion (= Impotentia coeundi) durch psychische Ursachen (Erwartungsangst, Überforderung,
Attraktivitätsverlust der Frau im Alter) oder körperliche Ursachen (Alkoholismus, Diabetes mellitus)
o Ejakulationsstörungen: Ejaculatio praecox (zu früher Samenerguss), Ejaculatio retardata (verzögerter
Samenerguss), Ejaculatio deficiens (ausbleibender Samenerguss); Anorgasmie bei der Frau
o Vaginismus: unwillkürliche Spasmen im äußeren Drittel der Vaginal- und Beckenbodenmuskulatur
o Dyspareunie: mangelhafte oder ausbleibende Lubrikation (= Sekretabsonderung) in der Plateauphase
Störungen der Sexualpräferenz (Paraphilien): wiederkehrende, intensive, sexuell dranghafte Bedürfnisse,
Phantasien und suchtartige Verhaltensweisen
o Fetischismus: Gegenstände des anderen Geschlechts (Kleidung, Schuhe, Büstenhalter) werden zur
sexuellen Erregung/Befriedigung benutzt; Entstehung durch klassische Konditionierung
o Fetischistischer Transvestitismus: Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts zur Erregungssteigerung
o Exhibitionismus: Entblößung der Geschlechtsregion vor unbefangenen Fremden in der Öffentlichkeit
o Voyeurismus: Drang, anderen Menschen bei sexuellen und intimen Handlungen nachzusehen
o Pädophilie: homo- oder heterosexuell orientierte Präferenz für Kinder vor der Pubertät
o Sadomasochismus: sexuelle Aktivitäten mit Zufügen (Sadismus) oder Ertragen (Masochismus) von
Schmerzen und Erniedrigung
Störung der Geschlechtsidentität:
o Homosexualität: nicht mehr als pathologisch bewertet (Studie nach Kinsey)
o Transvestitismus: Transvestiten (fast ausschließlich Männer) sind vom Drang ergriffen, sich mit Kleidung
und dem Aussehen des anderen Geschlechts zu identifizieren; bevorzugen homosexuellen Kontakt
o Transsexualität (Transidentität): Diskrepanz zwischen körperlichen und geistigen Geschlecht; langfristiges
Anstreben einer Geschlechtsoperation
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• die ärztliche Beratung ist eine zielgerichtete, methodenbasierte, die Mithilfe des Patienten informationell und emotional
Interventionsformen
Interventionsformen
stimulierende Tätigkeit des Arztes, wobei das Beratungsgespräch dem Kranken ein Erklärungsmodell für seine
Beschwerden (Pathogenese) vermittelt und die Diagnose und Behandlungsoptionen erläutert
Festigung der internalen Kontrollüberzeugung durch Einbeziehung des Patienten in Therapieentscheidungen
Stärkung salutogener Potentiale des Patienten (Salutogenese = Gesundheitsentstehung, Antonym: Pathogenese)
Steigerung der Compliance durch partizipative Entscheidungsfindung
Aufbau der Argumentation: These -> Argument -> Beweis -> Beispiel -> Alternative
• unter Patientenschulung (patient education) versteht man den Einsatz von wissenschaftlich überprüften
Schulungsprogrammen, die den Patienten darin unterstützen sollen, die vielfältigen Anforderungen im Kontext einer
chronischen Krankheit (z.B. Diabetes mellitus, Asthma, Morbus Crohn) besser zu bewältigen
diese Interventionsform ist der tertiären Prävention zuzurechnen und kann in Form individueller
Gesundheitsaufklärung im Gespräch (Patientenberatung), durch Einüben neuer Verhaltensweisen im
Gruppenverband (Patiententraining) oder als Informationsvermittlung (Patientenaufklärung) erfolgen
Ziele der Patientenschulung: Vermittlung von Krankheits- und Behandlungswissen, Verbesserung der
Körperwahrnehmung (Symptommonitoring), Einübung von Fertigkeiten zum Selbstmanagement, Aufbau einer
langfristigen Motivation zur Risikovermeidung und Lebensstiländerung, Erhöhung der Lebensqualität, Beitrag zu
besseren ökonomischen (Krankheitskostenreduzierung) und sozialen Outcomes (Entlastung von Bezugspersonen)
• Psychotherapie ist eine Form der Behandlung seelischer Störungen und wurde von Strotzka definiert als bewusster und
geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem
Konsens (zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit
psychologischen Mitteln (Kommunikation) meist verbal, aber auch nonverbal, in Richtung auf ein definiertes, nach
Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung/Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels
lehrbarer Technik, auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens, wobei eine tragfähige
emotionale Bindung notwendig ist
• nach dem Behandlungssetting differenzieren sich Psychotherapien nach der spezifischen Dauer (Krisenintervention,
Kurztherapie (25 Sitzungen) oder Langzeittherapie (25-100 Sitzungen)) und den Anwendungsformen (Einzel-, Paar-,
Familien- oder Gruppenpsychotherapie; ambulant, stationär oder teilstationär (Tagesklinik))
• Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich als erste umfassende, psychotherapeutische Theorie aus den suggestiven
Behandlungsmethoden (nach Mesmer) und der Hypnose (nach Charcot) die Psychoanalyse (nach Sigmund Freud)
• Psychotherapieformen:
psychoanalytisch orientierte Psychotherapieverfahren: Psychoanalyse (Psa) und tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie (Tp)
o psychoanalytisch orientierten Verfahren gemeinsam ist die Annahme unbewusster und verdrängter
Konflikte, die zu psychischen und körperlichen Beschwerden führen
o therapeutische Situation arbeitet mit Übertragung/Gegenübertragung, freiem Assoziieren, Traumdeutung
o infolge des Bewusstwerdens unangenehmer, verdrängter Affekte und Bedürfnisse entsteht durch eine
Katharsis (= Seelenreinigung) ein Widerstandsverhalten des Patienten (Abwehrmechanismus)
o analytische Haltung des Therapeuten: Zugewandtheit, gleichbleibende Aufmerksamkeit und
grundsätzliche Zurückhaltung (Abstinenzregel)
o Psa: Patient liegt auf Couch und der Therapeut sitzt ohne Blickkontakt am Kopfende
o Tp: Patient und Therapeut sitzen sich gegenüber; Klärung und Bewältigung eines fokalen Konfliktes
o Langzeitpsychoanalyse: Anstreben einer Veränderung der Persönlichkeitsstruktur
nondirektive Gesprächspsychotherapie (GT) (nach Carl Rogers): klientenzentrierte Psychotherapie
o GT begreift Menschen als freie Person, die sich autonom ständig weiterentwickelt (Selbstverwirklichung)
o Ziel: Stärkung der Selbstaktualisierungstendenz als zunehmendes Maß an Wachstum, Reife und
Lebensbereicherung in der menschlichen Entwicklung („fully functioning person“)
o bei gesunden Personen Übereinstimmung des tatsächlichen Erlebens mit dem Selbstbild, bei psychisch
Kranken Inkongruenz zwischen dem Realselbst und dem Idealselbst -> Folge: Neurosen (s.o.)
o Basisvariablen des Therapeutenverhaltens: s.o.
Entspannungstechniken zielen auf Veränderung physiologischer Reaktionen ab, die als Begleiterscheinung von
Angst und Stress auftreten können, da der fehlende körperliche und seelische Ausgleich die Entwicklung
psychosomatischer und psychischer Störungen begünstigt
o Ziel: Kontrolle und Modifikation von Anspannung durch Autosuggestion und Diskriminationslernen
o Verfahren: progressive Muskelrelaxation, autogenes Training, Atementspannung, Aktivhypnose
kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist hauptsächlich an den Befunden der experimentellen Lernpsychologie
orientiert und ist als Erweiterung der Verhaltenstherapie (VT) zu verstehen
o setzt an Veränderung pathogener gedanklicher Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Verarbeitungsmuster
an, die für unerwünschte Emotionen und Verhaltensweisen verantwortlich sind
o die Verhaltenstherapie beinhaltet Veränderungen der Umwelt und der sozialen Interaktion und weniger
eine direkte Veränderung körperlicher Prozesse durch biologische Vorgänge
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Interventionsformen
Neurobiologische Aspekte
o auf der Basis der Verhaltensanalyse werden Therapieziele abgeleitet und Interventionen ausgewählt
o horizontale Verhaltensanalyse nach Kanfer und Saslow: S-O-R-K-C-Modell als operantes Verfahren
• Stimulus (S): die das Verhalten auslösende Reizkonfiguration (Umwelt- und Sozialsituation)
• Organismus (O): körperliche Variablen (biologische Merkmale, Persönlichkeitsmerkmale)
• Reaktion (R): Problemverhalten auf motorischer, verbaler, kognitiver und vegetativer Ebene
• Konsequenz (K): positive und negative Verstärker des Verhaltens
• Kontingenz (C): Bedingungen und Verknüpfung von Verhalten und Verstärkern, Verstärkerplan
o bei der vertikalen Verhaltensanalyse werden Informationen zu wichtigen Lebensereignissen und
Lernerfahrungen des Patienten aus seiner Biographie erhoben
o systematische Desensibilisierung im Rahmen der Gegenkonditionierung: Ausgangspunkt: körperliche
Entspannung und ängstliche Erregung sind nicht miteinander vereinbar; Erstellen einer Angsthierarchie ->
Entspannungstechniken erlernen -> Konfrontation in sensu bei aufsteigender Reihenfolge
o Habituationstraining: systematische Desensibilisierung in vivo mit realen Reizen
o Stimuluskontrolle: Auslösen einer Verhaltensänderung, in dem man Stimulus nur gezielt einsetzt
o Reizüberflutung („flooding“): man begibt sich in die maximal Angst auslösende Situation, wobei bei der
Implosionstherapie die angstauslösenden Objekte/Situationen nur als Vorstellung herbeigeführt werden
o Selbstbeobachtung: Patient protokolliert Häufigkeit/Intensität der unerwünschten Verhaltensweisen
o Prompting: ein angestrebtes Verhalten wird manipulativ herbeigeführt, um es zu verstärken
o Reattribution (= Neuzuschreibungen): Ersetzen von destruktiven Gedankengängen durch positive
o in der KVT erlernen Patienten ihre dysfunktionalen Kognitionen zu erkennen und durch gezielte
Selbstbeobachtung und gelenkte Fragen (sokratischer Dialog) zu positivieren
systemische Familientherapie als systemisches Therapieverfahren
o Grundlage: individuelle Probleme können nur im Kontext des Systems (Familie) verstanden werden
o aufgrund der zirkulären Kausalität des Systems ist die Ursache des Symptoms nicht eruierbar
o Therapieziel: die sich zwischen den Mitgliedern des Systems eingespielten, disharmonischen Deutungsund Kommunikationsmuster sowie krankmachenden Erwartungshaltungen müssen gestört werden
o Interventionsformen: Befragen von Familienmitgliedern über die Beziehung/Verhalten zweier anderer
Familienmitglieder (zirkuläre und reflexive Fragen); Reframing (= Umdeuten) festgefahrener
Zusammenhänge, um Neuorientierung zu bewirken; Symptomverschreibungen durch paradoxe
Interventionen, um Aufmerksamkeitsfokus von den problemerhaltenden Punkten wegzulenken
neuropsychologisches Training zielt auf eine Verbesserung und Restitution (= Wiederherstellung)
beeinträchtigter Hirnfunktionen und vermehrte Nutzung verbleibender neuropsychologischer Restpotentiale
o Therapie nutzt die Plastizität, um durch repetitive Stimulation neuronale Netzwerke zu reaktivieren
o oft computergestütztes Aufmerksamkeits- und Gedächtnistraining (Imagery, Loci-Technik)
o Methoden der Bewältigung emotionaler Belastung bei bleibenden Schäden (Kompensation)
Biofeedback als Methode der operanten Konditionierung, um automatisierte, spezifische Körperfunktionen
(Herzfrequenz, Muskelspannung) über apparativ-elektronische Rückmeldung aktiv zu kontrollieren
• zentrale Wirkfaktoren von Psychotherapie:
Ressourcenaktivierung (Anknüpfen an positive Möglichkeiten des Patienten, einschl. Beziehungsverhalten)
Problemaktualisierung („Prinzip der realen Erfahrung“, Veränderung durch reales Erleben)
aktive Hilfe zur Problembewältigung
motivationale Klärung (Klärung der Bedeutungen des Erlebens und Verhaltens bezüglich bewusster und
unbewusster Ziele und Werte, Förderung von Einsicht)
• die Hirnaktivität, die sich während psychologischer Prozesse abspielt, lässt sich mit dem funktionellen
Kernspintomogramm (fMRT) und dem Positronen-Emissions-Tomogramm (PET) darstellen
formale Denkstörungen, wie Zerfahrenheit (Auflösung des logischen Zusammenhangs) gehen mit
Minderaktivierung im Wernicke-Sprachareal einher
Gedächtnisstörungen sind mit einer verminderten Aktivität und Struktur des Hippocampus verknüpft
• im Elektroenzephalogramm (EEG) lässt sich die Gehirnaktivität in Echtzeit darstellen, aber schlechte Auflösung
• Erwartungswelle (Contingent Negative Variation, CNV): negatives Potential von 1 sec tritt auf, wenn gepaarte Stimuli
(Warnreiz und Imperativreiz) auf das Gehirn einwirken
• evozierte Potentiale sind durch spezifische Reize hervorgerufene und nur über bestimmten Hirnarealen ableitbare
Potentialschwankungen
• Modell zur Pathogenese psychosomatischer Erkrankung bei fehlender Gefühlswahrnehmung/-ausdruck: aversiver
Stimulus -> fehlende bewusste Verarbeitung -> Aktivierung des Corpus amygdaloideum -> Aktivierung des Hypothalamus
-> chronische Erhöhung sympathischer Aktivität (Dauerstress mit Adrenalinausschüttung, erhöhter Herzfrequenz und
Desynchronisation im EEG)
Stressreaktion nach Selye: unspezifische Antwort des Organismus auf Störung der Homöostase: Alarmreaktion
(Stimulierung des sympathischen NS und ACTH-Ausschüttung), Widerstandsphase (Cortisolausschüttung),
Erschöpfungsphase (Dekompensation der Stressreaktion)
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Stressmodell nach Henry: Furcht (Fluchtverhalten) geht mit Adrenalinanstieg , Ärger (Kampf) mit NA- und
Testosteronanstieg einher und Depression (Kontrollverlust) mit Cortisolanstieg und Testosteronabfall
• bei Patienten, die Gelegenheit haben, über Gefühle zu sprechen: bewusste Wahrnehmung aversiver Stimuli (z.B.
Verbalisierung von Wut) -> Aktivierung des präfrontalen Kortex -> Abnahme der Aktivierung des Corpus amygdaloideum
-> Abnahme der sympathischen Aktivität
• Konsequenzen für die Arzt-Patient-Interaktion: Ärzte sollen Empathie zeigen und dem Patienten ermöglichen, seine
Gefühle auszudrücken
• Placebo-Effekt: positive Erwartungshaltung des Patienten an die Wirksamkeit eines Medikaments oder einer
Therapiemethode; Placebo als konditionierter Reiz
positive Erwartung geht mit Aktivierung dopaminerger Neuronen im ventralen Tegmentum und präfrontalen
Kortex einher: Stimulation von D2-Rezeptoren im Nucleus accumbens: dopaminerges Belohnungssystem
desweiteren Aktivierung des Opioidsystems, besonders wenn zuvor eine spezifische Erwartung erzeugt wurde
das Belohnungssystem ist individuell ausgeprägt (reward system)
sowohl Opioide, als auch Placebo führen zur Aktivierung des rostralen, anterioren Gyrus cinguli
• Nocebo: die Erwartung einer negativen Wirkung einer therapeutischen Maßnahme hat negative gesundheitliche
Auswirkungen
Aktivierung des Cholecystokininsystems als Gegenspieler zum Opioidsystem
• Gemeinsamkeit von besonderen medizinischen Situationen: hohe Relevanz psychosozialer Faktoren, psychosoziale
Belastungsmomente für Patienten und Personal, ethische Implikationen, Bedeutung von Interdisziplinarität
• Intensivstationen sind mit einer aufwendigen apparativen und personellen Ausstattung versehene Stationen, in denen
die Versorgung kritisch kranker Patienten gewährleistet wird und die hinsichtlich psychosozialer Belastungsfaktoren für
den Patienten Gemeinsamkeiten aufweisen (ICU-Syndrom):
sensorische Monotonie, Schmerzen und Immobilität
chronischer Schlafentzug in Verbindung mit Lichtbelastung
Verlust der Intimsphäre, hochgradige Reglementierung
Kommunikations- und Informationsdefizit, Fehlen von Bezugspersonen, fehlende zeitliche Orientierung
hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS) und Halluzinationen
Bewusstseinseintrübung und verschiedene Vigilanzstufen
• Belastungsfaktoren seitens der Angehörigen:
emotionale Belastungen: Verwirrung durch Apparatemedizin, Sorge über Krankheitsverlauf, Schuldgefühle, ...
soziale Belastungen: Einkommensverluste, Einschränkung sozialer Kontakte
Beeinträchtigung der eigenen physischen Gesundheit (z.T. auch durch Pflege des Angehörigen)
• Belastungen beim pflegerischen und ärztlichen Personal:
physische und fachliche Beanspruchung, hohe Erwartungen seitens der Klinik/der Angehörigen
häufige Erfolglosigkeit trotz maximalem Einsatz, „Burn-out“-Syndrom
Konfrontation mit eigener Sterblichkeit
• Spezifische Belastung von Krebspatienten:
Todesdrohung („Sturz aus der normalen Wirklichkeit“)
Verletzung der körperlichen Unversehrtheit, Autonomieverlust, Verlust von Aktivitäten
soziale Isolierung, Stigmatisierungsangst, Bedrohung der sozialen Identität und des Selbstwertgefühls
• Bewältigungsstile bei Krebspatienten:
Leugnung/Bagatellisierung, Rebellion, Resignation, depressive Verarbeitung
Vertrauen in Ärzte, Informationssuche, Kampfgeist (fighting spirit), Selbsthilfegruppen
• Psychoonkologie: Beratung, Begleitung und Behandlung von seelischen und sozialen Problemen von Krebspatienten in
den verschiedenen Phasen der Erkrankung, der Rehabilitation und des Sterbens
• spezifische psychoonkologische Interventionen dienen der Reduktion von Nebenwirkungen der Tumortherapie, der
Beeinflussung emotionaler Störungen wie Angst und Depression und zur Verbesserung von Lebensqualität und
Selbsthilfepotential (selbstregulatorische Kompetenz, Stressmanagement)
• präsuizidales Syndrom (Ringel) geht Suizidversuchen voraus und setzt sich aus drei Komponenten zusammen:
Einengung der sozialen und psychischen Lebensbereiche (passiver Rückzug auf sich selbst)
Aggressionshemmung nach außen und Wendung gegen die eigene Person (Autoaggression)
erste Todesphantasien und Selbstmordankündigungen
• Palliativmedizin ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen
konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen
• Verhaltensstandards im bestmöglichen Umgang mit Sterbenden:
Sterbebegleitung: Beschwerden und Schmerzen auf ein Minimum reduzieren
Sterbebegleiter sind an den Bedürfnissen des Sterbenden orientiert
fürsorgliche und unbedingte Nähe zum Sterbenden
• Sterbebegleitung geschieht jedoch nur selten individualisiert zwischen zwei Personen, sondern meist innerhalb eines
institutionellen Rahmens, d.h. das die Mehrheit der Menschen in Pflegeheimen und Krankenhäusern versterben
Neurobiologische Aspekte
Besondere medizinische Situationen
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Besondere medizinische Situationen
• Sterbephasen nach Elisabeth Kübler-Ross:
Nicht-wahr-haben-wollen: der Gedanke, sterben zu müssen wird verleugnet
Aggression/Zorn: Wut gegen eine Welt, in der es niemanden kümmert, „Warum gerade ich?“
Verhandeln: Patient verhandelt mit Ärzten oder mit Gott, bittet um Heilung und um Aufschub des Todes
Depression: durch Voranschreiten der Symptome verliert der Patient die Hoffnung, verweigert Mitarbeit
Akzeptieren: Tod wird als Ende eines natürlichen Zyklus akzeptiert, fast gefühlsfreie Phase
Abfolge und Länge dieser Phasen bei sterbenden Patienten ist individuell verschieden verteilt, dabei können die
einzelnen Stufen sehr wohl auch nebeneinander bzw. nur unvollständig erlebt werden
• Trauerarbeit ist ein normaler Prozess, der dem Verlust nahestehender Bezugspersonen, aber auch dem Verlust der
eigenen körperlichen Unversehrtheit folgt
• die Trauerreaktion (nach Bowlby) lässt sich in vier Phasen einteilen:
Schock/Betäubung: physischer und psychischer Zusammenbruch, dauert einige Stunden bis eine Woche
Sehnsucht und Suche nach dem Verstorbenen, Endgültigkeit des Geschehenen wird erkannt
Verzweiflung, Desorganisation: der Trauernde beginnt den dauerhaften Verlust zu akzeptieren; es kommt zu
Depression, Appetitlosigkeit, Schwächung des Immunsystems
Erholung/Reorganisation: Neudefinition des Selbst, Zukunftsplanung wird wieder in Denken einbezogen
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