Carlos Thomas Atlas der Infektionskrankheiten Pathologie · Mikrobiologie · Klinik · Therapie von C. Thomas, M. Hagedorn, L. Kolesnikova, K. Salfelder und I. Weyers unter Mitarbeit von I.Grimm C. Thomas Pathologie Atlas der Infektionskrankheiten Pathologie Herausgegeben von C. Thomas • Allgemeine Pathologie • Spezielle Pathologie • Histopathologie • Makropathologie • Histopathologie kompakt • Grundlagen der klinischen Medizin • Audiovisueller Kurs in Histopathologie • Atlas der Infektionskrankheiten C. Thomas Atlas der Infektionskrankheiten Autoren C. Thomas M. Hagedorn L. Kolesnikova K. Salfelder I. Weyers Unter Mitwirkung von I. Grimm Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. Besonderer Hinweis: Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu den diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung. In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk in allen seinen Teilen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden. © 2010 by Schattauer GmbH, Stuttgart, Germany Verlag für Medizin und Naturwissenschaften Hölderlinstraße 3. 70174 Stuttgart E-Mail: [email protected] Internet: http.//www.schattauer.de Printed in Germany Lektorat: Frau Dr. I. Weyers Umschlaggestaltung: Prof. Dr. C. Thomas Druck und Einband: Mayr Miesbach GmbH, Druckerei und Verlag GmbH, Am Windfeld 15, D-83714 Miesbach Germany ISBN: 978-3-7945-2762-5 V Vorwort Die Aufmerksamkeit gegenüber den Infektionskrankheiten ist sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Ärzten geringer als bei bestimmten kardiovaskulären, gastroenterologischen oder onkologischen Erkrankungen. Dabei machen die Infektionskrankheiten einen wesentlich größeren Wandel durch als die genannten Krankheitsgruppen. Dies trifft sowohl für die Erreger als auch für die durch sie hervorgerufenen Krankheiten zu. • Erreger: In den letzten Jahren sind in der Systematik und der Nomenklatur der Mikroorganismen zahlreiche Änderungen vorgenommen worden. Moderne Untersuchungsmethoden (Molekularpathologie bzw. Molekularmikrobiologie) haben zu neuen Erkenntnissen geführt. So wird heute der Erreger der Pneumozystispneumonie – unter dem neuen Namen Pneumocystis jeroveci – nicht mehr als Parasit, sondern als Pilz geführt. Zahlreiche Mikroorganismen, die teilweise zur normalen Flora gehören, zeigen immer häufiger pathogene Eigenschaften. Dies trifft besonders für den Hospitalismus und für die heute häufigeren erworbenen Immunstörungen zu. Eine besondere Bedeutung gewinnt die zunehmende Resistenz verschiedener pathogener Keime gegenüber der klassischen Antibiotikatherapie. • Verschiedene Infektionskrankheiten haben ein neues Gesicht bekommen. Dies trifft für ihre Häufigkeit, für die klinische und pathologisch-anatomische Manifestation sowie für die Therapie zu. Krankheitsbilder, die früher zu den Exoten gezählt wurden, kommen heute immer häufiger vor. In vielen Fällen sind sie sicher noch differenzialdiagnostische Ausnahmen, aber doch eine Realität, auch in unseren Breiten. Welche Ursachen sind für den genannten Wandel verantwortlich? Die teilweise unkontrollierte Behandlung mit Antibiotika hat die pathogenen Eigenschaften bestimmter Erreger aus einer Mischflora – als Selektionskeim – gestärkt und dominant gemacht. Zahlreiche, bis jetzt klinisch bedeutungslose Keime werden bei verschiedenen Infektionskrankheiten identifiziert. Andere krankmachende Mikroorganismen kommen immer häufiger bei gesunden Menschen vor. Besonders häufig trifft dies – im Rahmen des Hospitalismus – für das medizinische Personal in Krankenhäusern zu. Durch den Ferntourismus kommt es zu Infektionen, die hier den Arzt vor diagnostische Probleme stellt. Importiert werden sie auch durch Gastarbeiter oder Asylanten. Auch der Mensch als Wirt bereitet unter besonderen Bedingungen den Weg für Infektionskrankheiten vor. Aggressive Therapien verschiedener Tumoren führen über eine Immunsuppression zu einem erhöhten Infektionsrisiko. Das Gleiche gilt auch für die erworbenen Immunschwächekrankheiten (AIDS). Eine wichtige Ursache des Krankheitswandels findet bemerkenswerterweise wenig Beachtung: der Klimawandel. Nimmt die Klimaerwärmung ungebremst weiter zu, dann werden in ein paar Jahrzehnten nicht nur die Palmen im Rheinland stehen; auch die Malaria-tragenden Moskitos werden sich dort heimisch fühlen. Die Infektionskrankheiten stellen in Deutschland – im Gegensatz zu den USA – keine eigenständige medizinische Disziplin dar. Sie werden meist ätiologisch durch die Mikrobiologie und klinisch durch verschiedene Spezialgebiete der Medizin (Innere Medizin, Urologie, Pädiatrie u. a.) behandelt. Die Pathologie als Untersuchungsmethode findet in den einschlägigen Publikationen immer noch eine viel zu geringe Aufmerksamkeit. Die Pathologie geht besonders bei den spezifischen Entzündungen mit einer hohen diagnostischen Treffsicherheit einher. Dies gilt für die Sensitivität und Spezifität der Diagnose. Ein Vorteil ist auch der geringe zeitliche Aufwand: Innerhalb von Stunden oder eines Tages liegt meist bereits eine Diagnose vor, die eine Therapie erlaubt: Beispiele sind der Nachweis von säurefeste Stäbchen in einer bronchioloalveolären Lavage bei Tuberkulose oder die Darstellung von versilberbaren Erregern im Magenbiopsat (Helicobacter pylori). An vielen Gewebsproben lassen sich auch molekularpathologische Untersuchungen (PCR) durchführen, die zu einer hoch differenzierten Diagnose führen. Sie können z. B. wesentlich schneller zur Diagnose »Tuberkulose« führen als eine Kultur. In diesem Buch steht nicht die Mikrobiologie, sondern die Pathologie im Mittelpunkt. Ziele sind die Beschreibung als diagnostische Methode (Indikation, Untersuchung, Aussagekraft) und die Darstellung des pathologisch-anatomischen Organbefundes (als Atlas), der den klinischen Befund erklären soll. Klinik und Pathologie müssen in ihrer Systematik nicht immer übereinstimmen, da sie von ganz unterschiedlichen Untersuchungsmethoden ausgehen. So findet man in den S3-Leitlinien keine wesentliche Berücksichtigung der histopathologischen Diagnostik; die klinischen Angaben stützen sich vorwiegend auf immunserologische Befunde. Zur Zeit gibt es keine S3-Leitlinien für die Pathologie (siehe auch S3-Leitlinien im Glossar). In diesem Buch werden in den ersten Kapiteln die Entstehungsmechanismen (formale Pathogenese) sowie die Krankheitserreger (Ätiologie oder kausale Pathogenese) beschrieben. In den Kapiteln 3 bis 6 werden die Erreger bevorzugt morphologisch dargestellt. Kapitel 7 bringt Beispiele von polyätiologischen Infektionskrankheiten: Dies trifft für verschiedene Pneumonien, Endokarditiden, Enteritis- und Kolitisformen sowie für die durch belebte Erreger bedingten Organentzündungen (z. B. Appendizitis, Cholezystitis, Nephritis) zu. Ferner werden die reiseassoziierten Infektionskrankheiten – unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen »Schweine- VI influenza« – abgehandelt. Im Kapitel 8 werden verschiedene Infektionskrankheiten zusammengestellt, die besonders für die Zahnmedizin relevant sind. Autoren und Mitwirkenden sowie für die Mitarbeiter des Schattauer-Verlages und der Druckerei Mayr-Miesbach zu. An dieser Stelle möchte ich allen an der Fertigstellung dieses Buches Beteiligten danken: Dies trifft für die Marburg, im Frühjahr 2010 Prof. Dr. C. Thomas Herausgeber Prof. Dr. Carlos Thomas Ehem. geschäftsführender Direktor des Medizinischen Zentrums für Pathologie der Philipps-Universität Marburg Hopfengarten 16 35043 Marburg-Bauerbach Autoren und Mitwirkende Dr. Immo Grimm Hautklinik der Städtischen Kliniken Darmstadt Akademisches Lehrkrankenhaus der J. W. Goethe-Universität Frankfurt Heidelberger Landstraße 379 64297 Darmstadt-Eberstadt Prof. Dr. Manfred Hagedorn Ehem. Direktor der Hautklinik der Städtischen Kliniken Darmstadt Akademisches Lehrkrankenhaus der J. W. Goethe-Universität Frankfurt Heidelberger Landstraße 379 64297 Darmstadt-Eberstadt Dr. Larissa Kolesnikova Institut für Virologie der Philipps-Universität Marburg Hans-Meerweinstraße 2 35043 Marburg Prof. Dr. Karlhanns Salfelder Ehem. Direktor des Pathologischen Instituts der Universidad »Los Andes« Mérida, Venezuela Dr. Imke Weyers Institut für Anatomie Medizinische Universität zu Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck VII Herrn Professor Dr. Karlhanns Salfelder (ehemaliger Direktor des Pathologischen Instituts der Universität »Los Andes« in Mérida, Venezuela) gewidmet. K. Salfelder wurde am 27.01.1919 in Grossenhausen (Thüringen) geboren. Er studierte Medizin von 1937 bis 1943 in München, Jena und Frankfurt. Zwischendurch wurde das Studium durch Fronteinsätze in Frankreich und Russland unterbrochen. In den Jahren 1945 bis 1950 war er am Pathologischen Institut der Universität Frankfurt tätig. Nach seiner Ausbildung wechselte K. Salfelder nach Südamerika und übernahm die Leitung des Pathologischen Instituts der Universität Mérida, Venezuela. Auch nach seiner Pensionierung war er noch mehrere Jahre am Institut tätig. Ende 2006 kam er mit seiner Ehefrau Gisela nach Deutschland zurück. Karlhanns Salfelder verstarb am 1.03.2007. K. Salfelder war auf dem Gebiet der tropischen Infektionskrankheiten eine international anerkannte Kapazität. Zahlreiche Bücher, Atlanten und Originalpublikationen gehen auf dieses Wissensgebiet ein. Besonders aktiv war er in der Ausbildung junger Pathologen in Deutschland. In den letzten Jahrzehnten leitete er regelmäßig Workshops im Rahmen der Ausbildungsprogramme der deutschen Sektion der internationalen Akademie für Pathologie. Unvergessen für meine Mitarbeiter und für mich persönlich waren seine Aufenthalte am Medizinischen Zentrum für Pathologie der Universität Marburg. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank für sein Engagement im Rahmen meiner Bücher aussprechen. Er war über 40 Jahre Mitarbeiter der HISTOPATHOLOGIE, später der Reihe GRUNDLAGEN DER KLINISCHEN MEDIZIN. Aus dieser Zusammenarbeit ist dieses Werk INFEKTIONSKRANKHEITEN entstanden, an dem er aktiv beteiligt war. Mein Dank bleibt aber nicht nur auf seine wissenschaftliche Tätigkeit beschränkt, auch persönlich war er immer ein guter und liebenswerter Freund sowie ein besonders gern gesehener Gast. So soll er auch in der Erinnerung bleiben. C. Thomas (Frühjar 2010) This page intentionally left blank IX Inhalt 1 Pathogenese der Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Erkrankungen durch belebte Erreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Pathologie der Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Atlas der Pathologie der Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3 Erkrankungen durch Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Pathogene Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4 Erkrankungen durch Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Mykosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 5 Erkrankungen durch Parasiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Protozoonosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helminthosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arthropodenbefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parasiteneier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Erkrankungen durch Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Erkrankungen durch Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 7 Ausgewählte Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Kreislaufapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B Atmungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C Verdauungsapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E Gelenke – Knochen – Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F Harnapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G Genitale – Geschlechtskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft . . . . . . . . . I Neonatale und pädiatrische Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . J Reiseassoziierte Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Gesicht – Mundhöhle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 9 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 10 Quelle von Text und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 11 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 179 181 185 207 232 242 301 299 301 353 379 395 405 415 437 445 465 This page intentionally left blank 1 Pathogenese der Infektionskrankheiten Vorbemerkungen ............................................... Erkrankungen durch belebte Erreger .................................................. 1 Infektion ....................................................... 1.1 Infektionsquelle ............................................ 1.2 Infektionsmodus ............................................ 1.3 Pathogenitätsfaktoren – Erregervirulenz ...... 1.4 Erregeraufnahme (Penetration) ..................... 3 4 4 4 4 4 5 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Infektionskrankheit .................................... 5 Vermehrung der Erreger................................. 5 Risikofaktoren................................................ 5 Immundefekte ................................................ 6 Ausbreitung der Erreger ................................. 7 Reaktionen des Wirts ..................................... 8 3 Entzündungen bei Infektionskrankheiten .......................... 8 Ursachen einer Entzündung .......................... 8 Einteilung der Entzündungen nach dem zeitlich-klinischen Verlauf ............ 8 Komponenten und Ablauf der akuten Entzündung .................................. 9 Klinische Manifestation der Entzündung im Rahmen einer Infektionskrankheit.......... 15 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Verlauf der Entzündungen ........................... 16 4 Vor-, Begleit- und Folgekrankheiten bei Infektionskrankheiten ......................... 18 Vorerkrankungen.......................................... 18 Kreislaufstörungen bei Infektionskrankheiten .................................. 18 Degenerative Veränderungen bei Infektionskrankheiten ................................ 19 Wachstums- und Differenzierungsstörungen bei Infektionskrankheiten .......................... 20 Tumorartige Veränderungen durch Infektionskrankheiten ................................. 20 Tumorartige Veränderungen der Hautund Schleimhäute durch belebte Erreger ..... 22 Präkanzerosen .............................................. 22 Tumoren durch Infektionskrankheiten .................................. 25 Iatrogene Infektionskrankheiten .................. 27 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 5 Spätkomplikationen und Folgeschäden....................................... 28 6 Postinfektiöse Zweiterkrankungen ......... 29 This page intentionally left blank Vorbemerkungen Vorbemerkungen Unter Pathogenese versteht man die Mechanismen der Entstehung und Entwicklung einer Krankheit. Man unterscheidet die kausale Pathogenese (unmittelbare Ursache oder Ätiologie) und die formale Pathogenese (Ablauf einer Krankheit). 3 Formale Pathogenese Man unterscheidet zwei Schritte: die Infektion und die Infektionskrankheit. Erst die Reaktion des Organismus auf Eindringen, Vermehrung und Ausbreitung eines Erregers stellt das Vollbild einer Infektionskrankheit dar. Kausale Pathogenese (Ätiologie) Die Entstehung einer Infektionskrankheit ist das Ergebnis von komplexen Wechselbeziehungen zwischen der einwirkenden belebten Noxe, die man als Parasit im weitesten Sinne bezeichnen kann, und dem betroffenen Organismus als Wirt. Infektionskrankheiten werden durch belebte Noxen (Bakterien, Pilze, Protozoen und Helminthen) hervorgerufen, die – mit Ausnahme der Helminthen – als Mikroorganismen bezeichnet werden. Ob man die Viren als belebte Erreger einstufen soll, ist umstritten; oft werden sie nur als infektiöse Noxe beschrieben. Ferner sind auch andere Lebewesen (z. B. Arthropoden) als pathogene Noxen zu erwähnen, die direkt oder indirekt (als Vektoren) auf den Menschen krankmachend einwirken können. Unberücksichtigt bleiben hier Tiere, die durch Biss oder Stich, traumatisch oder toxisch den Menschen verletzen. Normal- oder Standortflora Im Rahmen der Kolonisierung findet eine Keimbesiedlung der Haut und oberflächennahen Schleimhäute statt. Nur in der Fetalzeit ist der Mensch keimfrei. Später kommt es zu einer massiven Besiedlung. Die Normalflora besteht in der Regel aus nicht krankmachenden Keimen. Unter bestimmten Bedingungen (Hospitalismus, Erregerausscheider) können auch pathogene Keime vorkommen, die aber beim Wirt keine Reaktion hervorrufen: Er ist somit nur Keimträger. Ohne sie weiter zu differenzieren, bezeichnet man die Mikroorganismen ganz allgemein als Gast. Sie werden unter Berücksichtigung der Wechselbeziehungen zwischen Gast (Mikroorganismus) und Wirt (Mensch, Tier) unterteilt in – apathogene oder harmlose Keime sowie in – pathogene oder krankmachende Erreger. Diese können obligat pathogen sein, oder als fakultative Krankheitserreger nur unter bestimmten Bedingungen (Vorerkrankung, Störung der Immunabwehr) eine Infektion/Infektionskrankheit beim Wirt auslösen. Weitere Bezeichnungen sind: – Parasiten. Jedes Lebewesen, das auf Kosten eines Anderen (Wirt) lebt, bezeichnet man als Parasit. Meist wird diese Angabe spezifisch für pathogene Protozoen verwendet. – Kommensalen sind Mikroorganismen, die von der Normal- oder Standortflora stammen, und vom Wirt ohne Reaktion geduldet werden. – Saprophyten sind Mikroorganismen, die vom organischen Abfall des Wirts leben und bei ihm keine pathogene Wirkung zeigen. – Symbionten sind Mikroorganismen, die ein parasitäres Leben führen, aber für den Stoffwechsel des Wirts von Nutzen sind. – Problemkeime entstehen aus einer Selektion der normalen Flora und zeigen pathogene Eigenschaften. Sie sind für den Hospitalismus verantwortlich. – Opportunisten sind fakultativ pathogene Mikroorganismen, die nur unter bestimmten Bedingungen (verstärkte Virulenz, herabgesetzte Abwehr des Wirts, nicht adäquate Therapie) diese Wirkung zeigen. Zu den wichtigsten Mikroorganismen, die die physiologische Flora bilden, gehören: – Haut: Staphylococcus epidermidis, Streptococcus faecalis, Peptokokken, apathogene Corynebakterien, apathogene Mykobakterien, Aktinomyzeten, Candidaarten, Trichomonaden – Mundhöhle: Staphylococcus epidermidis, Pneumokokken; Peptostreptokokken, apathogene Neisserien, apathogene Corynebakterien, Clostridien, Enterobacteriaceae, Mykoplasmen, Candidaarten, Bacteroides, apathogene Mykobakterien – Darm: E. coli, Proteus vulgaris, Proteus mirabillis, Enterobacter aerogenes, Pseudomonas aeruginosa, Bacteroides, Clostridien, anaerobe Streptokokken, Laktobakterien – Harnröhre: Streptococcus epidermidis, E. coli, Proteus spp., Enterobacter aerogenes, apathogene Mykobakterien, Enterokokken, Ureaplasma urealyticum, Mycoplasma hominis – Vagina: Laktobakterien (Döderlein-Stäbchen), apathogene Corynebakterien, aerobe Streptokokken, Mykoplasmen, Candidarten. Die genannten Erreger bilden die residente Flora. Hinzu kommen gelegentlich noch andere Mikroorganismen, die vorübergehend die erwähnten anatomischen Regionen besiedeln. Ihre Anwesenheit kann für den Wirt ohne Folgen bleiben, aber eine Quelle für eine Infektion anderer Wirte sein. Sie stellen die transiente Flora dar. Wenn pathogene Erreger in den Organismus eindringen, kann es zu einer Infektion kommen; die aber nicht immer obligat zu einer Infektionskrankheit führt. Diese kann – als inapparente Infektion bzw. Infektionskrankheit – für den Patienten und auch für den Arzt unerkannt bleiben. Sie kann ein Erstereignis darstellen oder als rekurrieren- 4 de Infektion (Rezidiv) das Aufflammen von Symptomen einer überstandenen Infektion mit den Keimen desselben Erregers sein. Bei einer Reinfektion kommt es nach ausgeheilter Erkrankung zu einer erneuten Infektion mit Keimen der gleichen Spezies. Bei einer Superinfektion liegt eine zusätzliche Infektion mit einem anderen Erreger vor. Erkrankungen durch belebte Erreger 1 Infektion 1.1 Infektionsquelle Bei der Infektion kommt der Mensch mit einem pathogenen Mikroorganismus aus einer bestimmten Erregerquelle über einen Transportmechanismus (Infektionsmodus) in Kontakt. Die Infektionsquelle stellt den Ursprung einer Infektion, d. h. den Ausgangsort eines Erregers dar. • Man unterscheidet eine primäre, natürliche oder übliche Erregerlokalisation: Infrage kommen Umwelt (Boden, Wasser), Tiere, aber auch der Mensch ist zu nennen (Problemkeim: in der Standortflora kommt ein pathogener Erreger vor, z. B. im Rahmen des Hospitalismus). Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Tier bestehen, wenn sie an dem gleichen Erreger erkranken oder ihn übertragen. Unter Berücksichtigung der Primärerkrankung unterscheidet man eine Anthropozoonose (Erreger wird vom Menschen auf ein Tier übertragen) und eine Zooanthroponose (Erreger wird vom Tier auf den Menschen übertragen). • Aus der Primärquelle können pathogene Mikroorganismen – im Rahmen einer Kontamination – auf unbelebte Gegenstände (Geräte, Trinkwasser) übertragen werden. Somit liegt eine Sekundärlokalisation des Erregers vor. Dabei kann auch der Mensch als Kranker, Keimträger oder Keimausscheider der Ursprung für weitere Kontaminationen oder Ansteckungen sein. Tragen Mensch oder Tier einen Erreger in sich, dann bezeichnet man sie als infiziert. Auch Lebensmittel können infiziert (sie stammen von einem Tier mit Erreger) oder kontaminiert (Erregeraufnahme findet erst nach der Verarbeitung oder Lagerung eines Nahrungsmittels statt) sein. 1.2 Infektionsmodus Der Infektionsmodus stellt Weg und Art der Keimübertragung dar: Am häufigsten findet diese über eine Tröpfcheninfektion (Aerosol) statt. Eine Kontaktinfektion kann direkt von Mensch zu Mensch (z. B. durch Geschlechtsverkehr) oder indirekt von der Umwelt (durch Kontamination von Boden, Wasser oder Gegenständen des täglichen Gebrauchs) auf den Menschen erfolgen. Eine eher seltene, aber wegen der Komplikationen besonders wichtige Übertragungsart findet von der Mutter – über die Plazenta (transplazentare oder vertikale Infektion) – auf 1 Pathogenese der Infektionskrankheiten den Feten statt. Erreger können auch über ein Lebewesen zu einer Infektion führen (z. B. durch Insektenstich). Infektionen durch Helminthen werden auch als Infestation bezeichnet, da bestimmte Abweichungen gegenüber der klassischen bakteriellen Infektion vorliegen: – Eine Erregervermehrung im Wirt muss nicht immer stattfinden. – Zu den wichtigsten pathogenen Eigenschaften zählt die Fähigkeit, allergische Reaktionen hervorzurufen. • Unter epidemiologischen Gesichtspunkten unterscheidet man folgende Ausbreitungsformen einer Infektion: – Epidemie: örtlich und zeitlich begrenztes Auftreten einer bestimmten Infektionskrankheit. Sie kommt als Explosionsepidemie in Gemeinschaften, die mit Toxinen verunreinigte Nahrungsmittel aufnehmen, vor. Bei der Tardivepidemie treten die von Mensch zu Mensch übertragenen Infektionskrankheiten nicht gleichzeitig, sondern zeitlich verzögert auf. Dieser Ablauf hängt von der Inkubationszeit ab. – Pandemie: Es liegt ein zeitlich begrenztes, aber örtlich unbegrenztes Auftreten einer Infektionskrankheit vor. Charakteristisch ist die rasche Ausbreitung (Pest im Mittelalter, »Spanische Grippe«). – Endemie: Hier liegt ein örtlich begrenztes, aber zeitlich unbegrenztes Auftreten einer Infektionskrankheit vor. In diesen Formenkreis zählen besonders Erkrankungen durch Pilze und Parasiten in den tropischen Regionen. Häufung von Infektionskrankheiten. Gelegentlich treten Infektionskrankheiten – zeitlich und räumlich begrenzt – vermehrt auf. Meist handelt es sich um 5 oder mehr betroffene Personen. Ursachen sind kontaminierte Nahrungsmittel oder ein enger Personenkontakt (Kindergärten, Schulen, Kasernen oder Verkehrsmittel). In diesen Fällen zählen zu den häufigsten nachgewiesenen Krankheitserregern Spezies der Gattungen Escherichia, Shigella und andere, bevorzugt gramnegative Keime. 1.3 Pathogenitätsfaktoren – Erregervirulenz Nicht jede Infektion bzw. jeder Kontakt mit einem pathogenen Keim führt zur Infektionskrankheit. Die klinische Manifestation ist letztlich die Reaktion des befallenen Organismus. Die Schwere des Krankheitsbildes hängt wesentlich von den Pathogenitätsfaktoren des Mikroorganismus ab; dabei handelt es sich um die Gesamtheit der krankmachenden Eigenschaften eines Erregers für eine bestimmte Wirtsspezies. Die Stärke dieser Pathogenitätsfaktoren wird durch den Begriff Virulenz definiert. Zu den wichtigsten Pathogenitätsfaktoren zählen: – Adhäsion, d. h. die Fähigkeit zur Anheftung an Wirtszellen – Invasion anatomischer Grenzflächen und Ausbreitung im Gewebe