Heilpraktikerskript Psychiatrie

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Skript HP-Psych Psychopathologie
Seite 1
Heilpraktikerskript
Psychiatrie
von
Arpana Tjard Holler
für den Unterricht für
Heilpraktikeranwärter
Skript HP-Psych Psychopathologie
Seite 2
2016
Unter Berücksichtigung der schriftlichen und mündlichen Prüfung für den HP-Psych.
Aktualisierungsdatum: 08.12.2016
1. Auflage
ISBN 978-3-9817266-3-3
Hinweis für den Benutzer:
Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen durch Forschungen und medizinischen Erfahrungen einem ständigen Entwicklungsprozess,
so dass alle Angaben immer nur dem jeweiligen Wissensstand entsprechen können. Der Herausgeber hat mit größtmöglicher Sorgfalt
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Person darf nur von dieser Person benutzt werden und nicht weiter veräußert werden.
Arpana Tjard Holler
Herausgeber:
Holler-Verlag
Holler Heilpraktikerschule
Bunsenstr.5
51647 Gummersbach
Mail: [email protected]
Skript HP-Psych Psychopathologie
Inhaltsverzeichnis
1.
1.1
1.2
1.3
1.4
Einleitung
Definitionen
Klassifikationen
Menschliche Psyche
Ursachen von psychischen Störungen
2.
2.1
2.1.1
2.1.2
2.2
2.3
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.4
2.5
2.6
2.6.1
2.6.2
2.6.2.1
2.6.2.2
2.6.2.3
2.7
2.7.1
2.7.2
2.7.3
2.7.4
2.7.4.1
2.7.4.2
2.7.4.3
2.7.4.4
2.7.4.5
2.7.4.6
2.7.5
2.8
2.9
2.9.1
2.9.2
2.9.3
2.9.4
Psychopathologie
Bewusstseinsstörungen
Quantitative Bewusstseinsstörungen
Qualitative Bewusstseinsstörungen
Orientierungsstörungen
Störungen komplexer kognitiver Leistungen
Gedächtnisstörungen
Auffassungsstörungen
Konzentrationsstörungen
Störungen der Affektivität
Störungen des Antriebs und der Psychomotorik
Denkstörungen
Formale Denkstörungen
Inhaltliche Denkstörungen
Wahnkriterien
Wahnformen
Wahnthemen
Sinnestäuschungen und Wahrnehmungsstörungen
Illusionen
Pareidolien
Pseudohalluzinationen
Halluzinationen
Akustische Halluzinationen
Optische Halluzinationen
Olfaktorische Halluzinationen
Gustatorische Halluzinationen
Taktile Halluzinationen
Körperhallzinationen
Andere Sinnestäuschungen
Ich-Störungen
Ängste, Phobien, hypochondrische Befürchtungen, Zwänge
Angst
Phobien
Hypochondrie
Zwänge
3.
3.1
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.1.5
3.1.6
3.1.7
3.2
3.3
3.4
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
Schizophrenie
Paranoide Schizophrenie
Hebephrene Schizophrenie
Katatone Schizophrenie
Undifferenzierte Schizophrenie
Postschizophrene Depression
Schizophrenes Residuum
Schizophrenia Simplex
Schizotype Störungen
Anhaltend wahnhafte Störungen (paranoide Psychose)
Akute vorrübergehende psychotische Störung
Seite 3
Skript HP-Psych Psychopathologie
Seite 4
3.5
3.6
Induziert wahnhafte psychotische Störungen
Schizoaffektive Störungen
4.
4.1
4.1.1
4.1.2
4.1.3
4.2
4.3
4.3.1
4.3.1.1
4.3.1.2
4.3.1.3
4.3.1.4
4.3.1.5
4.3.1.6
4.3.1.7
Affektive Störungen / Affektive Psychosen
Manische Episode
Hypomanie
Manie ohne psychotische Symptome
Manie mit psychotischen Symptomen
Bipolare affektive Störung
Depressive Episode
Formen der Depressionen
Leichte depressive Episode
Mittelgradige depressive Episode
Schwere depressive Episode
Rezidivierende depressive Störung
Zyklothymia
Dysthymia
Weitere Formen der depressiven Störung
5.
5.1
5.1.1
5.1.1.1
5.1.1.2
5.1.1.3
5.1.1.4
5.1.2
5.1.3
5.2
5.2.1
5.2.1.1
5.2.1.2
5.2.2
5.2.3
5.2.4
5.2.5
5.2.6
Neurotische Störungen
Physiologie
Entstehung von Neurosen
Aufbau der Persönlichkeit
Konflikte
Konfliktgruppen
Entwicklungspsychologie
Abwehrmechanismen
Krankheitsgewinn
Pathologie: Neurotische Störungen, Belastungsstörungen und somatoforme Störungen
Angststörungen
Phobische Störungen
Andere Angststörungen
Zwangsstörungen
Belastungs- und Anpassungsstörungen
Dissoziative Störungen
Somatoforme Störungen
Andere neurotische Störungen
6.
6.1
6.1.1
6.1.2
6.1.3
6.1.4
6.1.5
6.2
6.2.1
6.2.2
6.2.3
6.2.4
6.2.5
6.2.6
6.3
6.3.1
6.3.2
6.3.3
Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
Essstörungen
Anorexia nervosa
Bulimia nervosa
Essattacken bei anderen psychischen Störungen
Erbrechen bei anderen psychischen Störungen
Sonstige Essstörungen
Nicht-organische Schlafstörungen
Nicht-organische Insomnie
Nicht-organische Hypersomnie
Nicht-organische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus
Schlafwandeln
Pavor nocturnus
Albträume
Sexuelle Störungen
Physiologischer Ablauf des Geschlechtsverkehrs
Nicht-organische sexuelle Funktionsstörungen
Störungen der Geschlechtsidentität
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6.3.4
Störungen der Sexualpräferenz
7.
7.1
7.1.1
7.1.2
7.1.3
7.1.4
7.1.5
7.1.6
7.1.7
7.1.8
7.1.9
7.2
7.2.1
7.2.2
7.3
7.3.1
7.3.2
7.3.3
7.3.4
Persönlichkeitsstörungen
Spezifische Persönlichkeitsstörungen
Paranoide Persönlichkeitsstörung
Schizoide Persönlichkeitsstörung
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Störung)
Histrionische Persönlichkeitsstörung
Anankastische Persönlichkeitsstörung
Ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung
Abhängige Persönlichkeitsstörung
Schizotype Persönlichkeitsstörung
Andauernde Persönlichkeitsstörungen
Andauernde Persönlichkeitsstörungen nach Extrembelastung
Andauernde Persönlichkeitsstörungen nach psychischer Krankheit
Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
Pathologische Spielen
Pathologische Brandstiftung
Pathologisches Stehlen
Trichotillomanie
8.
8.1
8.2
8.3
8.4
8.5
Intelligenzminderung
Leichte Intelligenzminderung
Mittelgradige Intelligenzminderung
Schwere Intelligenzminderung
Schwerste Intelligenzminderung
Dissoziierte Intelligenzminderung
9.
9.1
9.1.1
9.1.2
9.1.3
9.1.4
9.2
9.2.1
9.2.2
9.2.3
9.3
9.4
9.4.1
9.4.2
9.4.3
9.4.4
Entwicklungsstörungen
Umschrieben Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache
Artikulationsstörung (Dyslalie)
Expressive Sprachstörung
Rezeptive Sprachstörung
Erworbene Aphasie mit Epilepsie
Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
Lese- und Rechtschreibstörung
Isolierte Rechtschreibstörung
Rechenstörung
Umschriebene Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen
Tiefgreifende Entwicklungsstörungen
Frühkindlicher Autismus
Atypischer Autismus
Rett-Syndrom
Asperger-Syndrom
10.
10.1
10.2
10.2.1
10.2.2
10.2.3
10.2.4
10.3
10.4
10.4.1
Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
Hyperkinetische Störungen (ADHS)
Störungen des Sozialverhaltens
Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens
Störungen des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen
Störungen des Sozialverhaltens bei Vorhandensein sozialer Bindungen
Störungen des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten
Kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen
Emotionale Störungen des Kindesalters
Emotionale Störung mit Trennungsangst
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10.4.2
10.4.3
10.4.4
10.4.5
10.5
10.5.1
10.5.2
10.5.2.1
10.5.2.2
10.6
10.7
10.7.1
10.7.2
10.7.3
10.7.4
10.7.5
10.7.6
10.7.7
Phobische Störung des Kindesalters
Störung mit sozialer Ängstlichkeit im Kindesalter
Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität
Generalisierte Angststörung des Kindesalters
Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
Elektiver Mutismus
Bindungsstörungen des Kindesalters
Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters
Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung
Ticstörungen
Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
Nicht-organische Enuresis
Nicht-organische Enkopresis
Futterstörung im frühen Kindesalter
Pica im Kindesalter
Stereotypische Bewegungsstörungen
Stottern
Poltern
11.
11.1
11.1.1
11.1.1.1
11.1.1.2
11.1.1.3
11.1.1.3.1
11.1.1.3.2
11.1.1.3.3
11.1.1.3.4
11.1.1.3.5
11.1.1.3.6
11.1.2
11.1.3
11.1.4
11.2
11.2.1
11.2.2
11.2.3
11.2.4
11.2.5
11.2.6
11.2.7
11.2.8
11.2.9
11.2.10
11.2.11
11.2.12
11.2.13
Exogene Psychosen
Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
Demenz
Demenz bei Alzheimer-Krankheit
Vaskuläre Demenz
Demenz bei anderorts klassifizierten Krankheiten
Demenz bei Pick-Krankheit
Demenz bei Creutzfeld-Jakob-Krankheit
Demenz bei Chorea Huntington
Demenz bei primären Parkinson-Syndrom
Demenz bei HIV-Krankheit
Andere Erkrankungen mit Folgen einer Demenz
Organisches Amnestisches Syndrom
Delir
Andere psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des
Gehirns oder einer körperlichen Krankheit
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder
Funktionsstörung des Gehirns
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
Definition „schädlicher Gebrauch“
Definition „Abhängigkeits-Syndrom“
Definition „Entzugs-Syndrom“
Das Belohnungssystem
Störungen durch Alkohol
Störungen durch Opioide
Störungen durch Cannabinoide
Störungen durch Sedativa und Hypnotika
Störungen durch Kokain
Störungen durch Stimulanzien einschließlich Koffein
Störungen durch Halluzinogene
Störungen durch Tabak
Störungen durch flüchtige Lösungsmittel
12.
12.1
12.2
Suizidalität
Präsuizidales Syndrom nach Ringel
Stadien der Suizidalität nach Poldinger
11.1.5
Skript HP-Psych Psychopathologie
13.
13.1
13.1.1
13.1.2
13.1.3
13.2
13.3
13.4
13.5
13.6
13.7
Psychopharmakologie
Antidepressiva
Trizyklische Antidepressiva
Monoaminooxidasehemmer
Selektive Wiederaufnahmehemmer
Neuroleptika (Antipsychotika)
Stimmungsstabilisierer (Phasenprophylaktika)
Psychostimulanzien
Anxiolytika / Tranquilizer
Hypnotika
Antidementiva
14.
14.1
14.1.1
14.1.2
14.1.3
14.2
14.2.1
14.2.2
14.2.2.1
14.2.2.2
14.2.2.3
14.2.3
14.3
Therapieverfahren
Psychodynamische Therapieverfahren
Klassische Psychoanalyse
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Neopsychoanalyse
Verhaltenstherapie
Klassische und operante Konditionierung
Methoden der klassischen Verhaltenstherapie
Systematische Desensibilisierung
Konfrontationstherapie
Weitere Methoden der klassischen Verhaltenstherapie
Kognitive Therapieverfahren
Humanistische Psychotherapie
15.
15.1
15.1.1
15.1.2
15.1.3
15.1.3.1
15.1.3.2
15.1.3.3
15.1.3.4
15.2
15.2.1
15.2.2
15.2.3
15.2.4
15.2.5
15.2.6
15.2.7
Neurologie
Anatomie und Physiologie
Nervengewebe
Erregungsleitung
Nervensystem
Zentralnervensystem
Peripheres Nervensystem
Willkürliches Nervensystem
Unwillkürliches Nervensystem
Pathologie
Abklärung bestimmter pathologischer Begriffe
SHT (Schädelhirntrauma)
Apoplex (Hirnschlag)
Epilepsie
Parkinson-Syndrom
Multiple Sklerose
Chorea Huntington
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Skript HP-Psych Psychopathologie
Seite 8
1.
Einleitung
Gesundheit und Krankheit
WHO: Gesundheit ist das Wohlbefinden in physischen Zusammenhängen (Körper),
psychischen Zusammenhängen (seelische Erkrankungen) und in sozialen Zusammenhängen
(z. B. Arbeitslosigkeit)
Krankheit: Leiden, Störungen (ICD-10), Abweichung.
Normal – Gesund
Nichtnormal (abnormal) – Abweichung
Positive Abweichung = nicht krank
Negative Abweichung = krank
1.1
Definitionen
1.1.1
Psychiatrie (Teilgebiet der Medizin)
Lehre der seelischen Krankheiten des Menschen.
Befasst sich mit der Erforschung, Diagnostik, Therapie und Prophylaxe psychischer
Erkrankungen.
1.1.2
Forensicher Psychiatrie
Untersucht die Zusammenhänge zwischen Straftaten und psychischen Störungen (z.B.
Strafunfähigkeit aufgrund schwerer psychischer Erkrankungen)
1.1.3
Sozialpsychiatrie
Untersucht die Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und sozialen
Faktoren (zwischenmenschliche Beziehungen = Familie, gesamtgesellschaftliche Faktoren).
1.1.4
Psychologie
Die Wissenschaft von den normalen Verhaltens- und Erlebensweisen des Menschen
(menschliche Entwicklungsphase von der Schwangerschaft bis zum Tod)
1.1.5
Psychosomatische Medizin (Psychosomatik)
Untersuchung der Wechselbeziehungen zwischen seelischen(psychischen)
körperlichen Prozessen (psychosomatische Erkrankungen).
1.1.6
und
Psychotherapie (Eigenes Kapitel)
Therapeutische Verfahren zur Behandlung von seelischen Störungen. Darf vom HP
angewendet werden.
Die von den Krankenkassen anerkannten Verfahren: Entspannungsverfahren,
Gestalttherapie, Gesprächstherapie, Hypnotherapie, Körperpsychotherapie, Psychoanalyse,
tiefenpsychologische Psychotherapie, Verhaltenstherapie.
 Psychotherapeutengesetz = Psych ThG von 01.01.1999. Schützt und definiert die
Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“.
1.1.7
Psychopathologie (Eigenes Kapitel)
Symptome und Grundlagen psychischer Erkrankungen. Erfassung von psychischen
Störungen anhand von bestimmten (psychopathologischen) Begriffen. Das Symptom als
kleinste beschreibbare Einheit in der Psychiatrie.
1.1.8
Neurotische Störungen (alt: Neurosen) ICD-10 F 4
 Leichte psychische Beeinträchtigung
 Bezug zur Realität erhalten
 Soziale und berufliche Funktionsfähigkeit erhalten
 Ich-Identität erhalten
 Stationäre Behandlung in der Regel nicht notwendig
Skript HP-Psych Psychopathologie
1.1.9
Seite 9
Psychotische Störungen (alt: Psychosen)
 Sehr schwere psychische Beeinträchtigung
 Bezug zur Realität weitgehend verloren
 Soziale und berufliche Funktionsfähigkeit verloren
 Ich-Identität verloren
 Müssen meist mit Psychopharmaka behandelt werden
 Möglicherweise ist eine stationäre Behandlung erforderlich
Beeinträchtigung
Realitätsbezug
Soziale und berufliche
Funktionsfähigkeit
Ich-Identität
Stationäre Behandlung
Medikamentöse
Behandlung
Neurotische Störung
Leicht
Erhalten
Erhalten
Psychotische Störung
schwer
Weitgehend verloren
Verloren
Erhalten
In der Regel nicht
notwendig
Evtl. medikamentöse
Behandlung
Verloren
Häufig notwendig
Psychopharmaka sind
notwendig
1.1.10 Psychopharmakologie
Erforschung der Möglichkeiten zur Behandlung von seelischen Störungen anhand von
Medikamenten. (Siehe Kapitel 13.)
1.1.11 Kinder- und Jugendpsychiatrie
Fachgebiet, das sich mit der Erkennung und Behandlung von psychischen Störungen
vom Säuglingsalter bis zum vollendeten 18. Lebensjahr befasst.
1.2
Klassifikationen
Der Versuch psychische Krankheitsbilder zu beschreiben und zu klassifizieren
 Triadisches System (nach dem deutschen Psychiater Emil Kraeplin)
 Endogene Psychosen (z.B. Schizophrenie, Manisch-Depressiv)
 Exogene Psychosen = organische Psychosen bzw. psychische Störungen
 Psychogene Störungen = neurotische Störungen („Neurosen“)

Einteilung nach ICD-10 (International Classification of Deseases) Kapitel F bzw. V
nach WHO:
F0
Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
F1
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
F2
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F3
Affektive Störungen
F4
Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen
F5
Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
F6
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F7
Intelligenzminderung
F8
Entwicklungsstörungen
F9
Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn in der Kindheit und Jugend

Einteilung nach DSM-5 (Diagnostisches und statistische Manual psychischer
Störungen) nach der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung
Skript HP-Psych Psychopathologie
1.3
Seite 10
Menschliche Psyche
Die menschliche Psyche wird in grundlegende psychische Funktionen eingeteilt
(Scharfetter):
 Bewusstsein (Übersetzung: „Mitwissen vom Sein“)
Fähigkeit, mit dem Verstand und den Sinnen sich und die Umwelt wahrzunehmen.
Die Orientierung entsteht durch die Fähigkeiten des Bewusstseins und des
Gedächtnisses.

Gedächtnis (griechisch: „Menm“)
Das Gedächtnis hat die Fähigkeit neue Informationen aufzunehmen, sie zu speichern
und zu verknüpfen und bei Bedarf wieder abzugeben (mnestische Funktion).
Unterschieden wird das Ultrakurzzeitgedächtnis (ca. 30 sec), das
Kurzzeitgedächtnis (ca. 60 min.) und das Langzeitgedächtnis („Schubladensystem“).
Im Vergleich zum Computer könnte man sagen, der Arbeitsspeicher entspricht dem
Kurzzeitgedächtnis und die Festplatte dem Langzeitgedächtnis.

Denken
Kognitive Arbeit des Gehirns Informationen zu verarbeiten. Unterscheidung in
formales Denken und inhaltliches Denken.
 Formales Denken bezeichnet den Ablauf und die Geschwindigkeit des
Denkens („Wie denke ich?“).
 Inhaltliches Denken bezeichnet die Einfälle, Ideen und Urteile des
Denkprozesses („Was denke ich?“)

Affektleben (lat. affectus = Stimmung, Gemütsverfassung, Gefühl)
Bezeichnung für das Gefühlsleben eines Menschen. Rene Descartes beschreibt sechs
Grundformen von Affekten: Freude, Hass, Liebe, Trauer, Verlangen, Bewunderung.
Das Affektleben bezeichnet kurzandauernde Emotionen sowie längerfristig
bestehende Stimmungen (z.B. Stimmungshoch oder Stimmungstief).

Wahrnehmung
Die Wahrnehmung von sinnlichen (optischen, akustischen, olfaktorischen,
gustatorischen und taktilen) Reizen.

Antrieb
Der Antrieb bezeichnet die Quantität der Grundenergie eines Menschen. Beim
Antrieb werden unterschieden die Grundaktivität (das Können) und die
Motivation (das Wollen). Der Antrieb zeigt sich nach außen hin durch die
Psychomotorik (Körperhaltung, Mimik, Gestik).

Ich-Bewusstsein
Die Gewissheit eines Menschen „Ich bin selbst“. Das Ich-Bewusstsein ist die klare
Erkenntnis des eigenen Selbst und die Erfahrung des Abgrenzt-Seins zur Umwelt
und zum Du. Es werden fünf Kriterien des Ich-Bewusstseins (nach Christian
Scharfetter) unterschieden:
 Ich-Vitalität
Das Spüren des eigenen Selbst, die Gewissheit der einen Lebendigen („Ich
lebe“). Bei Störungen der Ich-Vitalität ist sich der Patient nicht sicher, dass er
überhaupt existiert, ob er lebt, ob er nicht schon tot ist oder zu Staub
zerfallen.
 Ich-Aktivität
Die Gewissheit der Eigenbestimmung von Erleben, Denken und Handeln
(„Ich kann selbst bestimmten was ich will“). Die Äußerung des Ichs durch
sprachliche Mitteilung und motorische Abläufe. Bei Störungen der IchAktivität sind die motorischen Bewegungsabläufe und das Sprechen gestört.
Skript HP-Psych Psychopathologie
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 Ich-Konsistenz
Die Gewissheit der eigenen Einheit, des zusammenhängenden
Lebensverbandes („Ich bin vollständig und funktioniere“). Bei Störungen der
Ich-Konsistenz fühlt sich der Patient nicht mehr als Einheit. Der Patient fühlt
sich gespalten (Spaltungs-Irresein) und zerrissen.
 Ich-Demarkation
Die Grenzen zwischen mir – meinem Eigenleben – und der Umwelt – den
anderen Menschen – kann deutlich unterschieden werden. Abgrenzung des
Eigenbereichs („Ich gehöre mir“). Bei Störungen der Ich-Demarkation hat
der Patient Schwierigkeiten sich abzugrenzen. Er kann das Außen nicht vom
Innen unterscheiden.
 Ich-Identität
Die Sicherheit bzw. Gewissheit des eigenen Selbst („Ich weiß, wer ich bin“).
Bei der Störungen der Ich-Identität wird die Wesenseinheit angezweifelt:
“Ich bin nicht mehr ich selber“.

1.4
Vitalität (lat. vitalis = Lebensfähigkeit)
Vitalität bezeichnet die Kraft und Ausdauerfähigkeit sich an seine Umgebung
anzupassen. In der Regel zeigt sich die Vitalität eines Menschen in den vegetativen
Funktionen des Körpers.
Ursachen psychischer Störungen
Heute wird vom Konzept der multifaktoriellen Verursachung ausgegangen. Man geht davon
aus, dass prädisponierende Faktoren (Anfälligkeit für die Ausbildung bestimmter
Krankheiten) zur Vulnerabilität (Prädisposition) führt. Darunter versteht man eine
erhöhte Sensibilität oder Verwundbarkeit, welche eine Erkrankung zulassen können.
Unter prädisponierende Faktoren versteht man:
 Organische bzw. körperliche Faktoren können angeboren (endogen) oder auch
erworben sein: Neurophysiologische Faktoren (Störungen und Erkrankungen des
Gehirns), biochemische Faktoren (Neurotransmitter)
 Persönlichkeitsstruktur bzw. Persönlichkeitsfaktoren
 Psychosoziale Strukturen bzw. Faktoren sind Einflüsse aus der Familie und der
Erziehung, z.B. psychische Traumen, Konflikte innerhalb der Familie
Prädisponierende Faktoren
Organische
Ursachen
Persönlichkeitstrukturen
Psychosoziale
Strukturen
Vulnerabilität = Verletzlichkeit
Life Events = belastende
Lebensereignisse
Schutzfaktoren
Psychische Erkrankung
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Auslösende Faktoren (sog. Life Events) können infolge der Prädisposition dazu führen, dass
eine psychische Erkrankung ausbricht, wenn die Schutzfaktoren wie z.B. soziale
Unterstützung und gute Problem-bewältigung ungenügend sind oder ganz fehlen.
2.
Psychopathologie (Symptome und Grundlagen psychischer Erkrankungen)
 Ein psychopathologische Symptom einzeln auftretend ist nicht unbedingt als
pathologisch einzustufen. Unter Umständen können diese auch bei gesunden Menschen
auftreten. Pathologisch wird es dann, wenn die Betroffenen oder anderen darunter
leiden und die soziale und berufliche Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist.
Übersicht der Psychopathologie
Bewusstseinsstörungen
Orientierungsstörungen
Auffassungs-, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen
Affektstörungen
Antriebsstörungen (einschließlich der Psychomotorik)
Formale Denkstörungen
Inhaltliche Denkstörungen (Wahnwahrnehmung)
Sinnes- und Wahrnehmungsstörungen
Ich-Störungen
Ängste, Phobien, hypochondrische Befürchtungen,
Zwänge
2.1
Bewusstseinsstörungen
Dämmerungszustand unterschiedlichen Ausmaßes. Krankhafte Veränderungen des
Bewusstseins.
 Definition Bewusstsein: Grad der Wachheit (Vigilanz) und reflektierendes Bewusstsein
(Ich-Erleben, bewusste Kenntnis über psychische Vorgänge).
2.1.1 Quantitative Bewusstseinsstörungen (Bewusstsein ist vermindert).
Verminderte Wachheit (Vigilanz). Treten im Rahmen organischer Veränderungen auf (SHT,
Apoplex, Meningitis, Enzephalitis, Hirntumor, Intoxikation durch Alkohol, Drogen oder
Medikamente, u.a. Erkrankungen.
Grade der quantitativen Bewusstseinstrübung:
 Grad I (leichte Bewusstseinstrübung)
 Orientierungsstörungen, Benommenheit, herabgesetzte Wahrnehmung,
Verlangsamung von motorischen und geistigen Aktivitäten,

Grad II (stärkere Bewusstseinstrübung)
 Somnolenz: Patient ist nur durch gröbere Reize (z.B. lautes Rufen) weckbar

Grad III (starke Bewusstseinstrübung)
 Sopor: Schlafähnlicher Zustand, aus dem der Patient nur durch
Schmerzreize weckbar ist (Abwehrreaktion)

Grad IV (tiefste Bewusstlosigkeit)
 Koma: Keine Reaktion auch auf stärkste Reize (Wachkoma: Augen sind
offen)
2.1.2 Qualitative Bewusstseinsstörungen
Hier sind die Bewusstseinsinhalte verändert und die Bewusstseinsklarheit vermindert.
Treten v.a. im Rahmen von Psychosen auf.
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