Neue Z}rcer Zeitung FORSCHUNG UND TECHNIK Mittwoch, 07.01.2004 Nr.4 7 Bald direkter Blick in die Geburtsstätte der Gesteine? Ende der sechziger Jahre hat die amerikanische National Science Foundation ein Tiefseebohrungs-Programm, das Deep Sea Drilling Project, lanciert, um die Ozeansedimente zu erkunden und nach Beweisen für die Theorie der Plattentektonik zu suchen. Das Projekt wurde im Laufe der Jahre von weiteren Nationen unterstützt und ging später ins Ocean Drilling Program über. Mit der Zeit verlagerten sich aber die wissenschaftlichen Schwerpunkte. Die Plattentektonik ist inzwischen unbestritten, anhand der Bohrkerne konnten jedoch auch wesentliche Erkenntnisse über das Klima in der Vergangenheit gewonnen werden. Seit Oktober gibt es nun ein neues, gut dotiertes Folgeprojekt, das Integrated Ocean Drilling Program (IODP). Zwölf Millionen Dollar sollen im kommenden August im Rahmen des IODP eine Expedition in die Arktis ermöglichen, bei der von einem Explorationsschiff der Erdölindustrie aus Bohrungen in den untermeerischen Loma-Rücken abgeteuft werden sollen. Die Forscher wollen mit drei Bohrkernen weit über hundert Meter in die Tiefe vordringen. Von deren Analyse erhofft man sich Aufschluss über die klimatische Geschichte des Nordpols der vergangenen 50 Millionen Jahre. Über dessen Klimageschichte ist so gut wie nichts bekannt. Für eine Sensation könnte ein neues Schiff der Japaner, die «Chikyu», sorgen. Ihre Bohrausstattung ermöglicht bei einer Wassertiefe von 2500 Metern eine bis zu 7000 Meter tiefe Bohrung in die ozeanische Kruste. Damit dürfte es möglich werden, in den Erdmantel, die Schicht direkt unter der erstarrten ozeanischen Kruste, zu bohren und zum ersten Mal junges Gestein des Mantels zu untersuchen. Ob dies wirklich gelingt, muss sich allerdings erst zeigen. Denn um dieses Ziel zu erreichen, wollen die Wissenschafter in Bereichen der Tiefsee mit möglichst geringer Tiefe bohren. Solche Bedingungen sind an einem Mittelozeanischen Rücken gegeben. Da hier jedoch ozeanische Kruste gebildet wird, trifft man bald auf bis zu 1200 Grad heisses Gestein. Mit Bohrungen unter derartigen Bedingungen hat man bis anhin jedoch noch keine Erfahrungen. Eines der ersten Ziele der Japaner ist jedoch eine Bohrung in einer der vielen tektonischen Störungszonen, von denen Japan umgeben ist. Das Land liegt in einer seismisch hoch aktiven Zone © 1993-2004 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 1 Neue Z}rcer Zeitung FORSCHUNG UND TECHNIK Mittwoch, 07.01.2004 Nr.4 7 und ist ständig von Erdbeben bedroht. Die Forscher erhoffen sich jetzt einen Einblick in die geologische und mineralogische Situation innerhalb einer jener Zonen, wo eine tektonische Platte unter eine andere abtaucht. Dies könnte neue Erkenntnisse oder aber eine Bestätigung bisheriger Theorien über das Verhalten der Platten bei dieser sogenannten Subduktion liefern, ebenso wie über die sie begleitenden Mineral-Neubildungen und die viel diskutierte Bedeutung von Fluiden. Simone Ulmer Quellen: www.oceandrilling.org; Nature 426, 492–494 (2003). © 1993-2004 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 2