Nachhaltiges Controlling fordern und fördern

Werbung
Nachhaltiges Controlling fordern und fördern
- Ethische Grundwerte als Basis Prof. Stefan Hilbert
Einführung
Nicht erst seit der Finanzkrise wird der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit in der Ökonomie lauter. Nachhaltigkeit wird in den Wirtschaftswissenschaften meist mit dem
Thema Umwelt / Umweltökonomie in Verbindung gebracht. Der grundsätzliche Ansatz, Regenerationsraten zu berücksichtigen, um möglichst ein intertemporales
Gleichgewicht bei der Nutzung der Ressourcen zu erzielen, ist ein wichtiges und erstrebenswertes Ziel. Substitutionsraten und die Lebensgrundlagen heutiger und insbesondere späterer Generationen gelangen dadurch in die Zielsysteme von Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft; kurz- und langfristige Ertragsmöglichkeiten werden aufeinander abgestimmt. - In der Vergangenheit hat sich hierzu der Ansatz der Corporate Social Responsibility (CSR) entwickelt, welcher auf den drei Säulen Ökonomie,
Ökologie und Gesellschaft/Soziales aufbaut. CSR-Initiativen setzen Eigeninitiative
und Eigenverantwortung voraus, um als Unternehmen einen Beitrag für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu leisten.
Die Nachhaltigkeit im Führungshandeln zu verankern wird dabei zur Herausforderung auch für das Controlling. Die Ansätze des Internationalen Controllervereins –
und hier insbesondere die Veröffentlichung der 10 Kernelemente nachhaltigen Controllings – sind sehr zu begrüßen. Zum besseren Verständnis seien diese hier nochmals kurz aufgelistet:
1. Dauerhafte Wertsteigerung
2. Über die Kosten hinaus
3. Nicht mit Symptomen begnügen
4. Innovation und Wettbewerbsvorteile
5. Das Tun im Vordergrund
6. Verantwortung übernehmen
7. Business Partner statt Zahlenknecht
8. Die Menschen hinter den Zahlen sehen
9. Werte des Unternehmens vertreten
10. Integer sein
Hervorzuheben ist der Aspekt, dass sich ein wirksames Controlling nicht nur auf
Ziele und Kennzahlen erstrecken darf, sondern auch die davor gelagerten Prozesse
und Maßnahmen einbeziehen sollte. Werte, Wollen und Tun sind Wesenselemente,
mit denen sich das Controlling auch auseinandersetzen muss. Wenn Controller qualifiziert etwa bei der Leitbildentwicklung eines Unternehmens mit gestalten oder Wirksamkeit und Auswirkungen des Instrumenteneinsatzes bewerten wollen, ist ein
Grundverständnis von Werten unerlässlich. Nicht nur Instrumente und Methoden
(reine Technik) sondern auch Ethik und Moral (Konsequenzen des Handelns aus
normativer Sicht) sind einzubeziehen. Dies sollte auch eine Erkenntnis aus der Finanzkrise sein.
Exemplarisch sei dies an einem der 10 Punkte kurz erläutert: Integer sein bedeutet
eben auch, das eigene Verhalten und Handeln an ethischen Prinzipien und moralischen Anforderungen auszurichten. Ein gefestigtes Wertesystem im Unternehmen ist
der Bedingungsrahmen für die Controlling-Philosophie. Aber: Sowohl Institutionen als
auch Unternehmen können weder Werte verfolgen noch gegen sie verstoßen, da
ihnen hierfür die Eigenschaften Freiheit und Vernunft fehlen. Ausschließlich Men1
schen, die hinter den Institutionen und Unternehmen stehen, können sich frei entscheiden und somit integer sein. Insofern muss sich der Mensch (Manager, Controller) mit seinem eigenen Wertesystem auseinander setzen.
Moral und Ethik
„Die Ethik erörtert alle mit dem Moralischen zusammenhängenden Probleme
auf einer allgemeineren, grundsätzlicheren und insofern abstrakteren Ebene,
indem sie rein formal die Bedingungen rekonstruiert, die erfüllt sein müssen,
damit eine Handlung, ganz gleich welchen Inhalt sie im einzelnen haben mag,
zu Recht als eine moralische Handlung bezeichnet werden kann.“ (Pieper,
Annemarie: Einführung in die Ethik, 6. Auflage, UTB 2007, S.23)
Untrennbar miteinander verbunden sind demnach die Begriffe Moral und Ethik. Dabei
bestimmt die Moral das Handeln des Menschen, die Ethik wiederum bildet die Klammer, indem sie aus der philosophischen Sicht die Moral und das richtige Handeln ins
Zentrum rückt.
Bevor ein Instrument zum Einsatz kommt, muss es also auf seine Zweckdienlichkeit
in Bezug auf das Ziel- und Wertesystem des Unternehmens überprüft werden. Ein
kurzes Beispiel soll dies verdeutlichen: Bereits bei der wertorientierten Führung
wurde das Dilemma zwischen kurzfristiger Wertsteigerung und langfristiger Wertvernichtung offenbar. Der Kern des Economic-Value-Added-Ansatzes (EVA) etwa liegt
darin, dass ein Investment bzw. das Gesamtunternehmen eine Rendite erzielt, die
größer ist als die damit verbundenen Kapitalkosten. Wenn diese Differenz (Spread)
positiv ist, wurde Wert geschaffen, der Kapitaleinsatz erfolgte wertsteigernd.
EVA =
(ROCE – WACC)
x
K
ROCE: Return on Capital Employed (= EBIT / K)
WACC: durchschnittliche, gewichtete Kapitalkosten
K: eingesetztes, verzinsliches Kapital
In dieser verkürzten Darstellung wird aber schnell ersichtlich, dass EVA gesteigert
werden kann, wenn
•
Spread > 0 oder
•
K sinkt.
Entsprechend kann die eigentliche Absicht des wertorientierten Managements den
Unternehmenswert über einen Anstieg der Rendite zu erzielen, kurzfristig dadurch
erreicht werden, dass der Kapitaleinsatz gesenkt wird. Denn der Renditeeffekt (über
den ROCE) überkompensiert den verminderten, absoluten Kapitaleinsatz. Diesem
kurzfristigen Anstieg des Unternehmenswertes wird aber mittel- bis langfristig ein
Rückgang desselben entgegenstehen, da ein reduzierter Kapitaleinsatz langfristig zu
einem Innovations- und Umsatzeinbruch führen wird. Weniger Investitionen heute
erhöhen kurzfristig den Shareholder Value, führen aber auch dazu, dass künftige
Wachstumspotenziale (und damit Gewinnmöglichkeiten) nicht entstehen können. Als
nachhaltig kann ein solcher Instrumenteneinsatz nicht bezeichnet werden.
Nachhaltigkeit bezieht sich somit nicht nur auf das Unternehmen sondern bspw. über
die sozialen Sicherungssysteme auch auf die Gesamtgesellschaft. Dies bedeutet,
dass Werte und ethisches Grundverständnis eben ein Thema aller Gruppierungen
einer Gesellschaft ist. - Nun könnte man natürlich dem Trugschluss verfallen, dass
2
ethisch-moralisches Handeln ausschließlich durch die Gesellschaft, das
Wirtschaftssystem oder das Unternehmen determiniert wird. Dann wiederum wäre es
leicht, für die Konsequenzen des eigenen Handelns nicht einstehen zu müssen. Der
Hinweis darauf, dass eine Entscheidung das Ergebnis vorherrschender Sitten,
Gebräuche oder der Unternehmenskultur ist, würde jede Handlung exkulpieren. Aber
hier greift diese als naiv zu bezeichnende Ethik zu kurz: Der Mensch ist in seinen
Entscheidungen und somit Handlungen nämlich frei. Dies gilt für den Controller
ebenso! Entsprechend muss eine Handlung oder ein Instrumenteneinsatz hinterfragt
werden.
Die Frage nach der Moral, welche im Zusammenhang mit der derzeitigen Finanzund Wirtschaftskrise aufkommt, sollte auch als Chance betrachtet werden, sich in
einer arbeitsteiligen und globalisierten Gesellschaft über die Grundwerte oder die
unterschiedlichen Ziele von Systemen Gedanken zu machen. Den Ausgangspunkt
bildet die Strukturierung der Grundwerte. Sie bilden zudem die Basis für die Beurteilung der Nachhaltigkeit.
Grundwerte als Ausgangspunkt
Unser freiheitlich, demokratisch geprägter Kulturkreis fußt auf drei Wertgruppen (vgl.
Abbildung 1), welche untereinander in hierarchischer Beziehung stehen und das
Wertesystem dominieren. Die ethischen Grundwerte sind dabei als Fundament für
die übrigen Werte zu verstehen. Unsere abendländische und damit christlich geprägte Gesellschaft wird ohne Respekt in Bezug auf die Menschenwürde im wahrsten Wortsinne sinnlos sein. Nachhaltigkeit in Unternehmensführung und Controlling
muss eben auch diese Aspekte berücksichtigen. Leitbild- und Strategieentwicklung
etwa machen nur Sinn, wenn auch diese Metaebene in den Gesamtprozess des
strategischen Controllings einbezogen wird.
ökonomische Werte
Arbeit und Handel
Güterwerte
Freie Marktwirtschaft
Vertragsfreiheit
moralische Werte
Individualwerte
Sozialwerte
ökologische Werte
Gutes Leben
Ethische
Grundwerte
Freiheit
Gleichheit
Gerechtigkeit
Menschenwürde
Abbildung 1: Abendländisches Wertesystem; in Anlehnung an Pieper (Einführung,
2007), S.249
3
Gibt es eine allgemeingültige Moral, welche das Tun im Controlling bestimmt?
Ausgehend von diesen Vorüberlegungen sollen im Folgenden die wesentlichen normativ-ethischen Grundpositionen kurz dargestellt werden. Controlling muss nämlich
mehr sein als bloßes Entwickeln und Anwenden von Instrumenten. Controlling als
integrierter und nachhaltiger Ansatz mit Blick auf Markt, Ökologie und Gesellschaft
muss ethisch-moralische Aspekte einbeziehen. Ein Navigator, und als solcher wird
der Controller verstanden, muss sein Gebiet kennen. Mit allen Unwägbarkeiten und
Untiefen, eben mit den Chancen und Risiken, welche sich aus dem Umfeld ergeben.
Nur so kann in Abstimmung mit den Stärken und Schwächen des Unternehmens ein
Erfolgsbeitrag geleistet werden.
„Nachhaltiges Controlling erweitert damit traditionelles Controlling und integriert marktbezogene, ökologische und gesellschaftliche Aspekte in die ökonomischen Zielgrößen zum dauerhaften Unternehmenserfolg.“ (Biel, Alfred:
Controller-Anforderungen, Selbstverständnis und Chancen, Internationaler
Controller Verein e.V. (Hrsg.), Gauting 2008, S. 10)
Controller müssen als Berater und Sparringspartner des Managements über eine
Vielzahl an Fähigkeiten verfügen. Das Wissen über die Instrumente und Managementtechniken sind ein Bereich, welcher zum Anforderungsprofil zählt. Wollen Controller aber nicht nur die reine Fachebene abdecken und somit alleine der Beherrschung der Technik anheimfallen, sind weitere, persönlichkeitsbezogene Fähigkeiten
erforderlich (Business Partner statt Zahlenknecht; vgl. 10 Kernelemente). Auch dies
entscheidet über Erfolg und Misserfolg der Controlling-Philosophie. Kenntnisse über
ethische Grundpositionen erweisen sich hierbei als unerlässlich, will das Controlling
einer umfassenden und integrierten Navigatorenrolle gerecht werden (Die Menschen
hinter den Zahlen sehen; vgl. 10 Kernelemente).
Hierzu sollen kurz ethische Grundpositionen (Tugendethik, Pflichtethik, Utilitaristische Ethik sowie Konsensethik) in ihren Wesenszügen dargestellt werden.
Tugendethik
Dieser Ansatz geht auf Aristoteles zurück. Er stellt ein gutes, gelingendes Leben ins
Zentrum des Handelns. Das höchste Gut, die Glückseligkeit, gilt es zu erreichen.
Glückseligkeit muss sich aber auch einer Wertprüfung unterziehen. Denn in einer
niedrigen Form dient das Glück lediglich einem (körperlichen) Lustempfinden (hedonistischer Glücksbegriff). Kurzfristiges Gewinn- oder Wertwachstum würden zwar ein
Glücks- oder Lustempfinden auslösen, langfristig oder nachhaltig aber nicht unbedingt zur Glückseligkeit führen (Dauerhafte Wertsteigerung; vgl. 10 Kernelemente).
Ein nachhaltiges Gewinn- oder Wertwachstum führt hingegen zu einem höheren
Wert des Glücks (eudämonistischer Glücksbegriff).
Um das gute und gelingende Leben zu erreichen, gibt Aristoteles intellektuelle und
moralische Tugenden (z.B. Gerechtigkeit, Freigiebigkeit, Mäßigung, Weisheit) vor,
die als Leitlinien dienen. Leitlinien oder Tugenden kennen wir auch heute noch. Für
den Controller fordert etwa der Internationale Controllerverein Integrität (vgl. 10
Kernelemente). Leitlinien, und damit Tugenden, unterliegen aber selbst einem Wandel. In unserem Informationszeitalter sei etwa auf die sich verschiebenden Grenzen
etwa im Informationsmanagement (z.B. Daten sozialer Netzwerke) oder durch Innovationen in der Medizintechnik (z.B. Gentechnik) verwiesen. Controller müssen hier
auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit den Wandel begleiten und gestalten, dürfen dabei aber nicht einem kurzfristigen Trend aufsitzen.
4
Pflichtethik
Transparenz und frei entscheiden können führen zur Pflichtethik, welche auf Kant
zurückgeht. Beim Begriff der Pflicht würde man mutmaßen, dass es sich hierbei um
Vorschriften, denen man sich zu unterwerfen habe, handeln müsse. Die Pflichtethik
von Kant setzt aber gerade die Selbstbestimmung des Individuums voraus. Der
Mensch als Individuum ist in seinen Entscheidungen nämlich frei. Die Vernunft befähigt ihn, sein Handeln und die Regeln (Maximen) seines Handelns selbst zu bestimmen. Ein für die Controllingtätigkeit naiver Ansatz? Wäre es da nicht einfacher, den
Zielvorgaben des Unternehmens zu folgen, diese umzusetzen und im Falle des
Scheiterns exkulpiert zu sein? Controlling bedeutet aber auch steuern und lenken,
dies kann und muss auch eine Gestaltung mit Blick auf die eigenen Werte sein und
somit die eigene Vernunft einbeziehen. Warum etwa soll der Controller einer kurzfristigen Wertsteigerung das Wort reden und entsprechende Instrumente bereit stellen, wenn die Nachhaltigkeit dieser Vorgehensweise zweifelhaft ist? Die Pflicht des
Controllers würde folglich darin liegen, das Handeln sowie den Instrumenten- und
Methodeneinsatz einem permanenten Prüfverfahren der Vernunft zu unterziehen.
Controller müssen Verantwortung übernehmen (vgl. 10 Kernelemente). Als moralisch
kann eine Handlung (das Tun; vgl. 10 Kernelemente) nur dann gelten, wenn sie auf
der moralischen Einsicht (dem guten Wollen) basiert.
Utilitaristische Ethik
Während sich die Pflichtethik auf die metaphysische Ebene bezieht, enthält die
utilitaristische Ethik eine weitaus praktischere Komponente. Nun wird nämlich die
Realität (Empirie) in die Wertbetrachtung einbezogen. Das größte Glück der größten
Zahl wird zum Bewertungsmaßstab, was bedeutet, dass negative Auswirkungen mit
positiven Wirkungen eines Instruments verrechnet werden können. Wenn nun insgesamt ein Nutzenzuwachs erzielt wird, ist das Instrument aus utilitaristischer Sicht
ethisch-moralisch vertretbar. Bezogen auf die Nachhaltigkeit bedeutet dies, dass z.B.
die Entlassung einiger Mitarbeiter (Missnutzen für eben diese Mitarbeiter) akzeptiert
werden kann, wenn das Unternehmen insgesamt gerettet werden kann (Nutzen).
Problematisch bleibt hier aber immer, den Nutzen und Missnutzen messbar zu machen, um eine Verrechnung zu ermöglichen. Probleme bestehen auch in Bezug auf
die Anreizkompatibilität; ökonomisch gesehen wird der Nutzen der Eigentümer am
höchsten gewichtet, so dass sich das Controlling mit seinen Instrumenten daran orientieren wird.
Konsensethik
Aus der Kombination von Pflichtethik und utilitaristischer Ethik ist die Konsensethik
entstanden. Die Individuen (oder Akteure) würden sich folglich freiwillig einer Norm
unterwerfen, die auf sie und ihr Handeln angewandt wird. Controller müssen demnach auch die Werte des Unternehmens vertreten (vgl. 10 Kernelemente). De facto
verbirgt sich dahinter ein vertragstheoretischer Ansatz, d.h. über allgemein gültige
Regeln (Gesetze, Institutionen, Kodices) wird versucht, den Ausgleich der Interessen
herbeizuführen.
Der Corporate-Governance-Kodex etwa kann als eine Form der Selbstbindung im
Rahmen der Konsensethik verstanden werden.
Werte und Risiken: Plädoyer für ein Integriertes-Risiko-Management-System
Aus der Kurzdarstellung ethischer Grundpositionen kann abgeleitet werden, dass es
keinen allgemein gültigen Ethikansatz gibt bzw. geben kann. Unser Wertesystem ist
von unterschiedlichen Grundpositionen geprägt, wobei die utilitaristische Sichtweise
dominiert.
5
Da sich die Quantifizierung des operationellen Risikos immer wieder als schwierig
erweist, sollte der Risikoentstehungsprozess als Ganzen betrachtet werden. Die Bezifferung in Euro und Cent kann nämlich vermieden werden, wenn das moralische
Fehlverhalten - als Ausgangspunkt des Verlustbeitrages - vermieden wird (vgl. Abbildung 2). Ein vielleicht altes Konzept rückt damit wieder ins Zentrum der Wertdebatte:
Der ehrbare Kaufmann. Damit wird deutlich, warum in einem nachhaltigen Controlling und Führungssystem ein gefestigtes Wertesystem zum Erfolgsfaktor wird.
Werte
Ethik
Moral
Handlung
Ergebnis
Tun
Verlustbeitrag
ehrbarer Kaufmann!
(Fehlverhalten reduzieren)
bestimmte
ökonomische
Risiken entstehen nicht
Abbildung 2: Ansatzpunkt für Ethik / Moral
Corporate Governance und Compliance machen aber deutlich, dass eine Integration
moralischer Risiken mit ihren möglichen ökonomischen Verlustbeiträgen zwingend
geboten ist. Insofern ist in einem Integrierten-Risiko-Management-System die
ethisch-moralische Komponente ein wesentliches Element (vgl. Abbildung 3).
6
Integriertes Risiko-Management-System
Frühwarnsystem
Externe Beobachtungen
Internes Überwachungssystem
Controlling
Planung
Organisatorische
Sicherungsmaßnahmen
Steuerung
Interne Revision
Informationsversorgung
Kontrolle
Risikoidentifikation Risikobewertung
und -analyse
rechtliche Risiken
Risikosteuerung
moralische Risiken
Risikokontrolle
ökonomische Risiken
Abbildung 3: Integriertes-Risiko-Management-System
Moralische Aspekte weisen etwa auch auf der Risikoebene eine konkrete ökonomische Komponente auf. Aus moralischen Risiken können zweifelsohne Verlustbeiträge entstehen, welche für die Gesamtrisikoposition eines Unternehmens bedeutend
sein können. Nimmt etwa ein Premiumhersteller von Konsumgütern aus Kostengründen in Kauf, dass Komponenten seines Produktes in Niedriglohnländern unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen produziert werden, kann daraus ein Umsatzund Gewinnrückgang entstehen, wenn die Käuferinnen und Käufer unter moralischen
Aspekten dieses Produkt ablehnen.
Insofern ist in einem integrierten Risikomanagementsystem auch die moralische Risikoposition zu bewerten und zu controllen.
Konklusio
Eine stärkere Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten in die generellen Führungsansätze ist zwingend geboten, um eine bestmögliche Verteilung von Verfügungsrechten
zu gewährleisten. Nachhaltigkeit muss auch noch konsequenter in die Kontrollstrukturen von Unternehmen einbezogen werden. Entscheidend muss aber auch hierbei
sein, dass die Einhaltung dieser Normen auf Freiwilligkeit und Vernunft beruht. Der
Controller muss diesen Prozess kritisch begleiten, die Festlegung der Norm verbleibt
originäre Aufgabe der Unternehmensführung.
Es ist festzustellen, dass ethische Überlegungen für Unternehmen aufgrund verschiedener Einflüsse (z.B. Anspruchsgruppen, Sensibilisierung der Bürger, Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologie) an Bedeutung gewinnen.
Die Frage nach den moralischen Wertvorstellungen von Unternehmen treten nicht
erst seit Aufkommen der Finanzkrise in den Fokus von Management und Controlling.
Denn Gewinnstreben einerseits und moralische Ideale andererseits werden verstärkt
hinterfragt und determinieren den Rahmen unternehmenspolitischer Entscheidungen.
Für die Unternehmen besteht die Gefahr, ihre Legitimation innerhalb der Gesellschaft
7
zu verlieren, wenn moralische Aspekte nicht berücksichtigt werden. Credibility, eine
glaubwürdige Nachhaltigkeit, ist somit unabdingbar. Die Wertesysteme von Gesellschaft und Unternehmen sind noch konsequenter aufeinander abzustimmen (vgl.
Abbildung 4).
Abbildung 4: Interdependenzen der Wertsysteme
Die Ernsthaftigkeit, mit der Nachhaltigkeit betrieben wird, ist wesentlich von der ethischen Grundhaltung des jeweiligen Entscheidungsträgers beeinflusst. Das Herausbilden von ethischen Einstellungen ist dabei aber als Prozess zu verstehen, der bei
offenem Geist das ganze Leben lang anhält. Das Controlling kann und muss hierzu
beitragen. Nicht das reine Anwenden von Methoden und Instrumenten darf im Zentrum des Controllings stehen, vielmehr ist die kritische Reflexion unter dem Aspekt
der Nachhaltigkeit zu fordern und zu fördern. Eine Weiterentwicklung des ControllingInstrumentariums ist hierfür unabdingbar und bleibt eine spannende Herausforderung
für Wissenschaft und Praxis. Die alleinige Vermittlung von Instrumenten würde zu
kurz greifen und eine rein technokratische Sichtweise bedeuten. Hier sind neben Institutionen wie dem Internationalen Controllerverein auch und insbesondere die
Hochschulen gefordert, der Willens- und Meinungsbildung zu dienen. Nur so kann
gewährleistet werden, dass Marktteilnehmer, Manager oder Controller ihre Handlungen reflektieren und die Menschen hinter den Zahlen ihrer Verantwortung gerecht
werden.
Der Artikel erscheint im Controllermagazin 1/2011.
8
Herunterladen