Damen mit Durchblick - MTA

Werbung
Mit dem guten Zuspruch von Marita Vellen liegt
der Patient entspannt unter der SPECT-Kamera –
in der Hoffnung, so die Ursachen seiner Schmerzen
zu finden.
MTA-Berufsporträt
Damen mit
Durchblick
Hightech in Frauenhänden – Medizinischtechnische Radiologie-Assistentinnen beherrschen
die Bedienung moderner Diagnosegeräte aus
dem Effeff. Doch wenn Technik und Patienten
zusammentreffen, ist auch Fingerspitzengefühl
gefragt. Von Monika Eschner (Text) und
Jürgen Schulzki (Fotos)
D
er Schmerz steht Martina Müller* ins Gesicht geschrieben. Die junge Mutter ist beim Hausputz von
der Leiter gestürzt und dabei auf ihre linke Hand
gefallen. Jetzt wird sie in der Praxis am Berg von Helena
Medla für das Röntgen vorbereitet. Mit ruhigen Worten versucht die Medizinisch-technische Radiologieassistentin
(MTRA), der aufgeregten Frau die Angst vor der Untersuchung zu nehmen und befestigt dabei eine Bleischürze um
den Bauch der Patientin. Anschließend legt sie die schmerzende Hand vorsichtig auf eine Röntgenkassette und richtet
die von der Decke hängende Röntgenröhre aus. Ein Knopfdruck und es entstehen exakte Bilder der Hand, die auf der
Digitalfolie in der Kassette gespeichert werden. Bereits wenige
Minuten später kann die MTRA auf dem Computerbildschirm im Nachbarraum deutlich erkennen, dass die Hand
von Martina Müller gebrochen ist. Zeitgleich stehen die
Röntgenbilder dem behandelnden Radiologen zur Verfügung, der die Aufnahmen auf seinem Computer im Sprechzimmer abruft und mit der Patientin die Therapie bespricht.
* Namen der Patienten von der Redaktion geändert
31
Ist die Hand gebrochen?
Um diese Frage beantworten zu können,
bereitet Radiologieassistentin Helena Medla
die Patientin zum Röntgen vor.
Sieben Ärzte unter einem Dach. Helena Medla ist eine vom 13
Medizinisch-technischen Assistentinnen, die im Schichtdienst
in der Praxis am Berg in Bergisch Gladbach arbeiten – einer
Stadt mit rund 100.000 Einwohnern vor den Toren Kölns.
Das Zentrum für radiologische und nuklearmedizinische Untersuchungen und Therapieverfahren entstand im Jahr 2006
durch die Zusammenlegung zweier Facharztpraxen und der
Radiologischen Abteilung des örtlichen Marienkrankenhauses. Die Praxis ist aufgeteilt in die vier Bereiche Röntgendiagnostik, Computer- und Kernspintomografie, Mammografie
sowie Nuklearmedizin und erstreckt sich auf rund 1.400
Quadratmetern über zwei Stockwerke. Die insgesamt sieben
Radiologen und Nuklearmediziner und ihre 45 Mitarbeiter
betreuen täglich rund 300 bis 400 Patienten, nicht nur ambulant aus Bergisch Gladbach und Umgebung, sondern auch aus
32
dem benachbarten Krankenhaus, das durch einen Gang mit
der Praxis verbunden ist. Zudem ist das Zentrum rund um die
Uhr für medizinische Notfälle geöffnet, die radiologisch abgeklärt werden müssen. Deshalb arbeiten die meisten MTRAs
auch im Bereitschaftsdienst.
Fingerspitzengefühl im Umgang mit Patienten. Helena Medla
kann auf einen langen beruflichen Werdegang zurückblicken:
Sie arbeitet bereits seit über 30 Jahren als MTRA und hat die
rasante Entwicklung in der Röntgentechnik hautnah miterlebt. Die dunkelhaarige Frau mit der modischen Brille erinnert sich gut daran, wie noch in den siebziger Jahren die
Röntgenbilder umständlich entwickelt werden mussten, bevor ein Arzt sie beurteilen konnte. Mit dem Einzug der digitalen Radiologie in die Diagnostik hat sich vieles verändert.
Ausgabe 1/10, 13. Jahrgang
brüche oder Bandscheibenvorfälle diagnostizieren. Zudem ist
es mit einem Herz-CT möglich, Verkalkungen oder Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen dreidimensional darzustellen
und so eine beginnende Arteriosklerose zu erkennen.
Das CT ist häufig das erste radiologische Diagnostikverfahren, das bei Kopfverletzungen oder bei Verdacht auf Schlaganfall zum Einsatz kommt. Deshalb hält das Zentrum einen
24-Stunden-Notfall-Dienst vor, bei dem auch nachts eine
MTRA zur Verfügung steht. „Der Bereitschaftsdienst kann ganz
schön stressig sein“, erzählt Monika Kausemann. Manchmal
käme sie kaum dazu, zwischendurch eine Pause im gemütlich
eingerichteten Aufenthaltsraum zu machen. Aber auch in
ruhigeren Nächten sei immer eine gewisse Anspannung da.
„Es kann ja jederzeit ein Notfall kommen.“
Unmittelbar nach der Aufnahme sichtet
die Radiologieassistentin die digitalen
Röntgenbilder – Nachbearbeitung inklusive.
„Heutzutage sind die Bilder sofort verfügbar und lassen sich
am Computer nachbearbeiten, um beispielsweise die Kontraste
zu erhöhen oder Ausschnitte heranzuholen“, beschreibt sie
den aktuellen Stand der Technik. Das erspare den Patienten
eventuelle Wiederholungsaufnahmen und ermögliche einen
reibungslosen Arbeitsablauf.
Gleich geblieben ist der Umgang mit den Kranken. „Ohne
Einfühlungsvermögen für die Nöte der Patienten geht gar
nichts“, sagt die MTRA mit Nachdruck. Gerade ältere Menschen würden beim Anblick der technischen Geräte ängstlich
reagieren und benötigten viel Zuspruch. Eine besondere Herausforderung sind Menschen mit Demenz, die nicht verstehen,
was mit ihnen geschieht. „Sie können schon mal aggressiv werden, wenn sie zur Diagnostik in den Computertomografen
müssen“, ergänzt ihre Kollegin Monika Kausemann, die sich
neben der Arbeit an den verschiedenen radiologischen Geräten
auch um den Bereitschaftsplan der Medizinisch-technischen
Assistentinnen kümmert. „Dann ist wirklich Fingerspitzengefühl erforderlich.“
Notfall-Dienst rund um die Uhr. Das bestätigt auch Ursula Klein,
die heute den Computertomografen (CT) bedient. Dieses Gerät
macht im Gegensatz zum konventionellen Röntgen Schichtaufnahmen aus unterschiedlichen Richtungen, die der Computer dann zu einem dreidimensionalen Bild zusammensetzt.
Dazu muss sich der Patient auf eine Liege legen, die anschließend in das Gerät gefahren wird. Zum Schutz vor der Röntgenstrahlung verlässt die MTRA während der Aufnahme den
Raum. „Das macht vielen Leuten Angst, weil sie sich der
Technik ausgeliefert fühlen. Wir versuchen dann, ihnen Mut
zu machen“, erzählt Ursula Klein.
Das Einsatzgebiet eines Computertomografen ist groß:
Damit lassen sich beispielsweise Tumoren, Zysten, Knochen-
Ausgabe 1/10, 13. Jahrgang
Atemkommandos über die Gegensprechanlage. Ein weiteres
Diagnoseverfahren, das die Praxis am Berg vorhält, ist die
Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) auch Kernspin-Tomografie genannt. Hierbei wird nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit Magnetfeldern und Radiowellen gearbeitet. Das
MRT liefert sehr genaue Darstellungen aller Körpergewebe,
vor allem nicht-knöcherner Strukturen. Schon geringfügige
Veränderungen, beispielsweise kleine Entzündungsherde können auf diese Weise entdeckt werden. Wegen des starken Magnetfeldes müssen vor dem Betreten des MRT-Raumes alle
magnetischen Gegenstände abgelegt werden. „Dazu gehören
Brillen, Uhren oder Ringe“, erklärt Monika Kausemann,
„auch Patienten mit Herzschrittmacher dürfen deswegen
nicht ins MRT.“ Chip- oder Kreditkarten würden in der
Nähe des Gerätes unlesbar gemacht.
In dem Raum zwischen den Tomografen sitzt Monika
Kausemann vor einem der vielen Computerbildschirme, auf
denen die Daten der aktuellen Kernspintomografie gerade
einlaufen und in bewegten Bildern zu sehen sind. Unterdessen beobachtet eine Kollegin durch die Glasscheibe das
Geschehen im MRT, während Ursula Klein auf der anderen
Seite des Raumes ihrem Patienten im CT von Zeit zu Zeit
über eine Gegensprechanlage Atemkommandos gibt, um
möglichst exakte Aufnahmen zu bekommen. Eine Glasscheibe
An der Schnittstelle zwischen Patient und Technik
In Deutschland arbeiten rund 90.000 Medizinisch-technische Assistentinnen und Assistenten (MTA). Davon sind über 90 Prozent Frauen. Sie sind
beschäftigt in der Laboratoriums- und Veterinärmedizin, Radiologie sowie
Funktionsdiagnostik. Zu ihren Aufgaben gehören die Erhebung von Daten,
Messwerten und Bildern, damit der behandelnde Arzt die richtige Diagnose
stellen und eine entsprechende Therapie verordnen kann. Grundlagen dieser Tätigkeiten sind naturwissenschaftlich-medizinisches Fachwissen sowie
der versierte Umgang mit moderner Technologie. Darüber hinaus sind MTAs
Ansprechpartner für die Patienten. Das setzt ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen voraus. Neben den Hebammen dürfen die MTAs als einziger Gesundheitsfachberuf in Deutschland ihnen „vorbehaltene Tätigkeiten“ ausführen, wie beispielsweise das selbstständige Anfertigen von Röntgenbildern oder die Bestimmung von Blutgruppen. Dieser besondere Status ist im
Paragraf 9 des MTA-Gesetzes von 1993 verankert.
Quelle: Deutscher Verband Technischer Assistentinnen und Assistenten in der
Medizin e.V. (dvta), 2009. Mehr Infos: www.dvta.de
33
ermöglicht den Mitarbeiterinnen auch hier den direkten
Blickkontakt. Eine der Kolleginnen bearbeitet unterdessen
die Daten einer schon abgeschlossenen Untersuchung. „Hier
kann es manchmal schon ganz schön hektisch werden“, sagt
Monika Kausemann, ohne den Computerbildschirm aus den
Augen zu lassen.
Den Muskelschmerzen auf der Spur. Ein Stockwerk tiefer in
der Nuklearmedizin herrscht eine ruhigere Atmosphäre. Ganz
entspannt liegt Max Rieser zwischen den rotierenden Köpfen
der SPECT-Kamera (Single Photon Emission Computed
Tomography). Der Elektrotechniker wurde vor zwei Jahren
von einer Zecke gestochen und so mit Borreliose infiziert.
Seitdem leidet er unter starken Muskelschmerzen.
Im Gegensatz zum Röntgen wird der Patient bei diesem
bildgebenden Diagnoseverfahren keiner Strahlung von außen
ausgesetzt. Vielmehr hat Max Rieser eine schwach radioaktive
Substanz gespritzt bekommen, ein sogenanntes Radiophar-
Taugen die Aufnahmen des Tomografen
zur Diagnose? Monika Kausemann (links) und
ihre Kollegin beurteilen das am Monitor.
34
makon, dessen Aktivität nun von der Kamera gemessen und
in dreidimensionale Bilder umgesetzt wird. Marita Vellen
redet dem Patienten gut zu. „Nun haben Sie es fast geschafft,
Herr Rieser. Ich lasse Sie gleich wieder raus.“ Während der
Elektrotechniker seine Siebensachen einsammelt, schaut sich
die MTRA zusammen mit ihrer Kollegin Andrea Blechmann
im Nebenraum die entstandenen Bilder an. Deutlich ist zu
erkennen, wie sich das Radiopharmakon im Körper verteilt
hat. Es setzt sich zusammen aus dem radioaktiven Metall
Technetium und einer pharmazeutischen Substanz, die so gewählt wird, dass sich die Mischung bei Entzündungen,
Tumoren oder nach Knochenbrüchen in den betroffenen
Körperteilen anlagert. Die SPECT-Kamera wird eingesetzt,
um die Funktion bestimmter Organe wie Schilddrüse, Nieren,
Lungen und Herz zu untersuchen oder auch Veränderungen
im Knochenstoffwechsel zu erkennen.
Größte Sorgfalt beim Umgang mit Kontrastmitteln. Da Technetium schnell zerfällt, müssen Marita Vellen und ihre Kolleginnen in der Nuklearmedizin die Mischungen täglich frisch
zubereiten. Deshalb erhalten die MTRAs bei Arbeitsbeginn
einen Laufzettel von den Nuklearmedizinern, welche Untersuchungen zu welchem Zeitpunkt anstehen. „Beim Umgang
mit diesen radioaktiven Materialien ist größte Sorgfalt nötig“,
betont Marita Vellen. „Ein Fehler gefährdet ja nicht nur die
Patienten sondern auch uns selbst.“ Deshalb arbeiten die
MTRAs beim Mischen grundsätzlich mit Gummihandschuhen hinter einer Bleiglasscheibe. Alle dabei benutzten Materialien werden gesammelt und vier Wochen lang im sogenannten heißen Keller aufgewahrt. Danach ist die Strahlung
abgeklungen und der Müll kann entsorgt werden. Um die
Strahlung an Händen, Schuhen oder Kitteln beim Verlassen
des Kontrollbereichs zu messen, setzt Marita Vellen auch den
„Kontamaten“ ein, einen tragbaren Monitor, der eine mögliche Kontamination mit radioaktiven Substanzen misst und
durch ein Piepen anzeigt.
Ohne Weiterbildung schnell weg vom Fenster. Obwohl sie bereits seit 34 Jahren als MRTA arbeitet, macht der Beruf
Marita Vellen immer noch große Freude. „Es ist die ausgewogene Mischung aus Technik, Organisation und dem Umgang
mit den Patienten, die sich häufig vor allem fürchten, was mit
Strahlung und Radioaktivität zu tun hat.“ Deshalb sei es auch
ihre Aufgabe, mit viel Einfühlungsvermögen auf die hier
unbegründete Angst einzugehen. Auf die Frage, warum sie
Radiologieassistentin und nicht Krankenschwester oder Arzthelferin geworden ist, lacht sie: „Meine Kusine hatte eine
Freundin, die Medizinisch-technische Assistentin war. Sie war
hübsch und immer gut gekleidet. Das hat mich als 16-Jährige
tief beeindruckt.“
Schon nach wenigen Monaten in der Ausbildung habe sie
gemerkt, dass sie sich trotz ihrer damaligen Naivität für den
richtigen Beruf entschieden habe. „Mir liegt nun mal der selbstständige und eigenverantwortliche Umgang mit moderner
Technik.“ Zusätzlich müsse eine MTRA die Bereitschaft mitbringen, sich ständig weiterzubilden, weil die Entwicklung in
der Radiologie und der Nuklearmedizin so schnell voran-
Ausgabe 1/10, 13. Jahrgang
Marita Vellen weiß mit gefährlichen Stoffen
umzugehen: Hinter einer Bleiglasscheibe mischt
sie jeden Morgen die radioaktiven Kontrastmittel an. Sie machen im Ganzkörper-Szintigramm (rechts) erkrankte Organe sichtbar.
schreite. „Man ist ganz schnell weg vom Fenster, wenn man
sich auf dem ausruht, das man irgendwann gelernt hat“, bestätigt eine Kollegin, die erst vor einigen Jahren ihre Ausbildung abgeschlossen hat.
Die Ausbildung selbst finanzieren. Die junge Frau ärgert sich
bis heute darüber, dass sie den Lebensunterhalt in den drei
Jahren der Ausbildung selbst finanzieren musste, während
ihre Freunde in der Lehre schon Geld verdienten. „Und dabei
hatte ich noch Glück, weil die Uniklinik in Köln kein Schulgeld verlangt hat. Die meisten Berufsfachschulen lassen sich
die Ausbildung von den angehenden MTRAs vergüten.“ Für
die Radiologieassistentin ist dies eine Erklärung dafür, dass
sich so wenige Männer für diesen Beruf entscheiden. „Die
meisten wollen nach der Schule finanziell sofort auf eigenen
Ausgabe 1/10, 13. Jahrgang
Beinen stehen.“ Ein weiterer Grund für das mangelnde Interesse der Männer ist für Radiologieassistentin Ursula Klein das
relativ geringe Gehalt. Ihre Kollegin ergänzt: „Dass MTRA
hierzulande immer noch ein ausgesprochener Frauenberuf ist,
liegt bestimmt auch daran, dass die Bezeichnung Assistent die
Eigenverantwortung unserer Arbeit nicht richtig beschreibt.“
Das sei in fast allen europäischen Ländern anders. So würden
in Österreich die MTRAs Technologen genannt und hätten
nach ihrer Ausbildung einen Abschluss auf FachhochschulNiveau. Die Frauen sind sich einig: Dies sollte auch bald in
Deutschland möglich sein. √
Monika Eschner ist gesundheitspolitische Journalistin.
Kontakt: [email protected]
Jürgen Schulzki ist freier Fotograf. Kontakt: [email protected]
35
Herunterladen