Cuxhaven Cuxhaven Nur nicht den Mut verlieren! Eine Information für Angehörige und Freunde von Depressionspatienten TAD Pharma Heinz-Lohmann-Straße 5 D-27472 Cuxhaven Postfach 720 Telefon: 04721/606-0 Telefax: 04721/606-333 Web: www.tad.de E-Mail: [email protected] Gesundheit ist TADsache! Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 4 Liebe Leserin, lieber Leser, ein Mensch, der Ihnen nahe steht, ist an einer Depression erkrankt. Damit wird Ihre Beziehung sehr belastet. „Die Depression legte sich über unsere Familie wie ein dunkles, schweres Tuch, und wir glaubten alle, ersticken zu müssen“, beschreibt eine junge Frau den Alltag mit ihrem depressiven Partner. Natürlich möchte man dem Betroffenen in dieser schwierigen Zeit gerne helfen. Doch der einst so vertraute Mensch hat sich völlig verändert, man weiß nicht, wie man sich ihm nähern kann. In einer solchen Situation gerät man leicht an die Grenzen der Belastbarkeit. Mit der vorliegenden Broschüre möchten wir Ihnen Mut machen und Ihnen „Hilfe beim Helfen“ anbieten. Helfen heißt zunächst: Lernen Sie das vielschichtige Krankheitsbild Depression näher kennen – lesen Sie, wie eine Depression entstehen kann und wie sie verläuft. Anschließend erhalten Sie einen Überblick über die Vielzahl der möglichen Symptome, die im Rahmen einer depressiven Erkrankung auftreten können, sowie über die therapeutischen Möglichkeiten, die dem Arzt zur Verfügung stehen. Im dritten Teil finden Sie schließlich Empfehlungen und Anregungen, wie Sie selbst dem depressiven Menschen helfen können. Diese Information kann ein umfassendes Therapiegespräch nicht ersetzen. Deshalb unsere Bitte: Zögern Sie nicht, sich an einen Arzt oder Therapeuten Ihres Vertrauens zu wenden, wenn Sie Fragen haben oder wenn Ihnen etwas Sorgen macht. Gemeinsam werden Sie Wege finden, die dem depressiven Patienten und Ihnen weiterhelfen. Wir wünschen Ihnen eine informative und anregende Lektüre sowie Kraft und Zuversicht! Ihr TAD Patientenservice 3 Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 6 I. Die Depression – ein komplexes Krankheitsbild Inhalt I. Die Depression – ein komplexes Krankheitsbild .................................................... 5 1 Erste Annäherungen: Was eine Depression nicht ist ............................................ 5 2 Ursachen einer Depression .................................................................................. 7 3 Verlauf und Formen der depressiven Erkrankung ................................................ 9 II. Depressive Erkrankungen erkennen und behandeln.......................................... 10 1 Eine Depression hat viele Gesichter .................................................................... 10 2 Arzneimittel stellen das gestörte Gleichgewicht wieder her ................................ 13 3 „Die Seele heilen“ – mit der Psychotherapie ...................................................... 14 III. So können Sie dem depressiven Menschen helfen .......................................... 15 1 Der depressive Mensch nimmt seine Umwelt verändert wahr ............................ 15 2 Begegnen Sie dem Patienten partnerschaftlich .................................................... 16 3 Eine wichtige Hilfe: der geregelte Tagesablauf .................................................... 18 „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal an einer Depression erkranken würde! Ich habe mich immer sehr stark gefühlt, hatte einen eisernen Willen. Und dann mit einem Schlag .... Ich hatte für absolut nichts mehr Kraft.“ Werner, 53 Jahre alt 1 Erste Annäherungen: Was eine Depression nicht ist Depressionen sind ein weit verbreitetes Leiden: Inzwischen zählen sie zu den am häufigsten auftretenden behandlungsbedürftigen Erkrankungen in der westlichen Welt. In Deutschland, so die Statistik, leidet jeder 10. Patient in einer Hausarztpraxis an einer Depression. Allerdings kommen viele Patienten in der Regel nicht wegen, sondern mit einer Depression zum Arzt. Sie leiden z. B. unter Rückenschmerzen, Magenbeschwerden oder Schwindel. Nachdem eine körperliche Ursache ausgeschlossen worden ist, stellt sich häufig heraus, dass eine depressive Erkrankung vorliegt. Eine Depression ist eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung, die unbedingt vom Arzt behandelt werden muss. Sie beeinflusst die körperliche Gesundheit genauso wie die seelische, greift selbst in grundlegende Lebensfunktionen wie Schlafen und Essen ein. Leider wird das Krankheitsbild immer noch häufig missverstanden. Wir alle erleben gelegentlich ein Stimmungstief, sind traurig oder niedergeschlagen – das hat nichts mit einer depressiven Erkrankung zu tun, wenngleich wir uns hier gerne sprachlich aus dem Bereich der Depression bedienen: Das ist deprimierend, das macht depressiv u.s.w. Eine Depression ist auch nicht mit dem Gefühl der Trauer zu verwechseln, das wir z. B. nach dem Verlust eines uns nahe stehenden Menschen empfinden. Trauer ist ein „gesundes Gefühl“. Depressionen sind auch kein Zeichen von Charakterschwäche, Wehleidigkeit oder mangelnder Belastbarkeit! Appelle wie „Nun reiß dich doch mal zusammen!“ oder „Lass dich nicht so hängen!“, die der Betroffene aus seinem Umfeld erfährt, sind dementsprechend völlig unangebracht. 4 5 Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 8 2 Ursachen für eine depressive Erkrankung Und schließlich: Depressionen sind keine Geisteskrankheit! Die möglichen Folgen eines falschen Umgangs mit einer depressiven Erkrankung sind fatal. Aus Angst, Unsicherheit oder Scham geht der Betroffene nicht zum Arzt. Unbehandelt aber wächst der Leidensdruck oft ins Unermessliche, nicht selten wird Selbstmord als einziger Ausweg gesehen. Dabei ist diese Erkrankung kein unabwendbares Schicksal. Längst sind ausgezeichnete Arzneimittel entwickelt worden, die die meisten Patienten heilen oder zumindest ihr Leiden spürbar bessern. Daneben kommen bewährte nichtmedikamentöse Maßnahmen erfolgreich zum Einsatz. Wichtig ist also zunächst, dass der Betroffene die Depression als Erkrankung erkennt und ärztliche Hilfe sucht. Wie entsteht eine Depression? Diese Frage wird in der Medizin seit vielen Jahren diskutiert. Fest steht: Eine Depression wird nicht durch einen einzelnen Faktor ausgelöst. In der Regel führt das Zusammenwirken mehrerer Faktoren zur Entwicklung der Erkrankung. Als wissenschaftlich gesichert gilt, dass biochemische Prozesse im Gehirn eine wesentliche Rolle bei depressiven Erkrankungen spielen. Werfen wir deshalb zunächst einen „Blick“ in unser Gehirn: Hier sind Botenstoffe, die so genannten Neurotransmitter, für die Informationsvermittlung zwischen den einzelnen Nervenzellen zuständig. Bei den Informationen kann es sich sowohl um Sinneseindrücke wie Sehen und Hören als auch um Gefühle und Gedanken handeln. Es konnte nachgewiesen werden, dass bei einer Depression die Konzentration bestimmter Botenstoffe, insbesondere der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin, geringer ist. Die Folge: Positive Gefühle wie Freude, Hoffnung oder Glück werden nicht mehr empfunden. Der Betroffene hat nur noch negative Empfindungen: Er fühlt sich niedergeschlagen, kraftlos, mutlos u. v. m. Der erste Schritt: Die Depression erkennen Der Ausbruch der Depression hat Auswirkungen auf den gesamten Organismus. So kommt es zu hormonellen Veränderungen – es ist belegt, dass bei depressiven Patienten z. B. das Stresshormon Cortisol erhöht ist. Cortisol wiederum beeinflusst die Wirkung des Botenstoffes Serotonin. Weitere Veränderungen sind Muskelverspannungen, ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus, Störungen des Appetits und der Sexualität. Als Auslöser dieser folgenreichen Stoffwechselstörungen im Gehirn gelten erblich bedingte (genetische), biologische sowie psychosoziale Faktoren. 6 7 Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 10 3 Verlauf und Formen der depressiven Erkrankung Die erbliche Veranlagung spielt eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess einer Depression. Verschiedene Zwillings- und Familienstudien konnten zeigen, dass sich die Erkrankung in Familien von Patienten, die an einer Depression leiden, häuft. Ist z. B. ein Elternteil an einer Depression erkrankt, besteht bei den Kindern eine Wahrscheinlichkeit von 10 bis 15 %, ebenfalls eine Depression zu entwickeln. Sind beide Elternteile betroffen, erhöht sich das Risiko für die Kinder auf 30 bis 40 %. Das bedeutet aber nicht, dass die Depression vererbt wird. Nur die Anfälligkeit für diese Erkrankung ist erblich bedingt. Depressive Erkrankungen treten in Episoden auf, deshalb spricht man hier von einem „phasischen Auftreten“. Eine depressive Episode kann Wochen, aber auch Monate und Jahre andauern, wenn sie nicht konsequent behandelt wird. Biologische Faktoren, die eine depressive Erkrankung auslösen können, sind z. B.: Der Arzt unterscheidet verschiedene Formen der Depression, z. B. nach ihrem Verlauf oder der Intensität der Symptome. Zu den wichtigsten Formen zählen die unipolare Depression, bei der ausschließlich depressive Phasen auftreten, und die bipolare affektive Störung. Hier leidet der Patient abwechselnd unter depressiven und manischen Episoden. Kennzeichen manischer Episoden sind z. B. ein unbändiger Tatendrang, eine meist euphorische Stimmung, fehlendes Schlafbedürfnis, Größenideen, Kaufrausch und vieles mehr. Ungefähr 30 % aller Betroffenen erleben einmal eine depressive Episode, die vollkommen ausheilt. Eine Depression ist also nicht immer zwangsläufig eine dauerhafte (chronische) Erkrankung. Die meisten Patienten, die an einer Depression erkranken, erleiden in ihrem Leben jedoch mehr als eine depressive Episode. • schwere körperliche Erkrankungen (z. B. Krebs) • Erschöpfung nach chronischer körperlicher und psychischer Anspannung, Folter • Geburt eines Kindes (Wochenbettdepression) • Alkoholsucht bzw. -entzug • die Wirkung bestimmter Medikamente • bestimmte Erkrankungen, wie z. B. Schilddrüsenerkrankungen Leidet der Patient an leichter ausgeprägten Symptomen einer Depression, die dafür aber dauerhaft auftreten, so spricht der Arzt von einer Dysthymie. Sie beginnt meist im frühen Erwachsenenalter. Als psychosoziale Faktoren, die eine Depression verursachen können, gelten z. B.: • Trennungs- und Verlusterlebnisse (Tod eines geliebten Menschen) • permanente Über- oder Unterforderung im Beruf • einschneidende Lebensereignisse, wie z. B. Verlassen des Elternhauses, Umzug in eine neue Stadt, Berufswechsel, Arbeitslosigkeit, Eintritt in die Rente etc. 8 Darüber hinaus werden weitere Arten der depressiven Erkrankung unterschieden, die im Rahmen bestimmter Lebensereignisse oder durch besondere Umstände entstehen, wie z. B. die Wochenbettdepression oder die so genannte saisonale Depression, die in den Herbst- und Wintermonaten auftritt. 9 Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 12 II. Depressive Erkrankungen erkennen und behandeln „Julia grübelte stundenlang, sie saß einfach da und grübelte. Sie aß nur noch wenig, nahm sehr ab. Und nichts machte ihr Spaß. Oft sagte sie: Es hat ja doch alles keinen Zweck! Ich hatte schreckliche Angst, sie könne sich etwas antun.“ Anna über ihre 21-jährige Tochter 1 Eine Depression hat viele Gesichter Das Krankheitsbild Depression ist sehr vielschichtig – dementsprechend groß ist auch die Anzahl der möglichen Symptome. Die „typische Depression“ gibt es nicht, doch weisen bestimmte Beschwerden für den Arzt auf eine depressive Erkrankung hin. Hauptsymptome: • depressive Stimmung (nicht mit Trauer gleichzusetzen) „Ich fühle mich innerlich völlig leer.“ • Interessenverlust, Freudlosigkeit „Ich kann mich an nichts mehr erfreuen, nichts macht mehr Spaß.“ • Antriebsmangel „Ich habe keine Kraft mehr, morgens aufzustehen und mich zu waschen.“ Zusatzsymptome: Manche Krankheitszeichen sind deutlich erkennbar: Äußerliche Veränderungen sind z. B. eine leise, monotone Stimme, eine gebeugte Haltung, ein schwerer Gang, müde oder fahrige Gesten u. v. m. Auch bestimmte Verhaltensweisen, wie permanentes Grübeln oder das Vernachlässigen von Hobbys, sind augenfällige Merkmale. Die meisten Symptome trägt der Betroffene jedoch „in sich“, sie bleiben der Umgebung oft lange verborgen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Patienten, seinen Angehörigen oder Freunden und dem Arzt ist hier sehr wichtig, denn gemeinsam kommt man einer depressiven Erkrankung schneller auf die Spur. Bei der Diagnose unterscheidet der Arzt nach Haupt- und Zusatzsymptomen*. Dabei müssen nicht alle Haupt- und Zusatzsymptome gleichzeitig auftreten. • verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit • vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen • Gefühl von Schuld/Wertlosigkeit • negative und pessimistische Zukunftsperspektiven • Selbsttötungsgedanken oder -handlungen • Schlafstörungen • verminderter Appetit Die Anzahl der vorhandenen Krankheitszeichen macht es dem Arzt möglich, den Schweregrad der Erkrankung zu bestimmen. Schweregrade: Leicht: 2 Hauptsymptome + 2 Zusatzsymptome Mittelgradig: 2 Hauptsymptome + 3-4 Zusatzsymptome Schwer: 3 Hauptsymptome + mindestens 4 Zusatzsymptome jeweils mindestens zwei Wochen andauernd *Vgl. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) 10 11 Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 14 2 Arzneimittel stellen das gestörte Gleichgewicht wieder her Häufig verstecken sich Depressionen auch hinter körperlichen Beschwerden, wie z. B. Spannungs- und Druckgefühle oder Schmerzen im Kopf oder in der Herzgegend, Nacken- und Rückenschmerzen, Probleme im Magen-Darmtrakt mit Erbrechen, Verstopfung oder Durchfall, Atemstörungen, Schluckstörungen, Menstruationsprobleme. Alle Organe können im Grunde betroffen sein. Hier müssen körperliche Ursachen durch weiterführende Untersuchungen ausgeschlossen werden – für die Betroffenen bleiben die Beschwerden auch ohne Befund sehr real und belastend. Sie erinnern sich: Kennzeichnend für depressive Erkrankungen sind Stoffwechselstörungen im Gehirn. Genau hier setzt die medikamentöse Behandlung an. Die so genannten Antidepressiva, die der Arzt verschreibt, wirken auf den Stoffwechsel im Gehirn, indem sie die Menge der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin regulieren und so das Gleichgewicht wieder herstellen. Hierbei stehen dem Arzt verschiedene, sehr gut erprobte Wirkstoffe zur Verfügung. Ein nachlassendes Interesse an Sexualität (Libidoverlust), Unruhe und Rastlosigkeit sowie Entscheidungsunfähigkeit sind ebenfalls häufig auftretende Symptome im Rahmen einer depressiven Erkrankung. Antidepressiva • machen nicht abhängig! • verändern nicht die Persönlichkeit! • wirken gezielt gegen die depressive Erkrankung! Es ist also nicht einfach, depressive Erkrankungen zu erkennen. Ist erst einmal die Diagnose erfolgt, ist ein wichtiger Schritt getan: Jetzt kann der Arzt einen individuellen Behandlungsplan erstellen, der dem Betroffenen Linderung bringen wird. Manche Patienten lehnen die Einnahme von Antidepressiva besorgt ab, doch Ängste sind hier unbegründet: Dennoch sollte der Betroffene einige Punkte beachten. Grundsätzlich gilt: Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. Wenn während der Tabletteneinnahme Nebenwirkungen auftreten, sollte sich der Betroffene an den Arzt wenden. Depressionen verstecken sich häufig hinter körperlichen Beschwerden 12 Wichtig ist auch, dass er sich streng an die Einnahmevorschriften hält, das Medikament nicht eigenmächtig absetzt oder die Dosierung verändert. Und Geduld muss der depressive Patient ebenfalls mitbringen: Die Wirkung von antidepressiven Arzneimitteln ist häufig erst nach einigen Wochen spürbar. 13 Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 16 III. So können Sie dem depressiven Menschen helfen 3 „Die Seele heilen“ – mit der Psychotherapie Die zweite Säule, auf der die antidepressive Behandlung ruht, ist die Psychotherapie. Hier versucht der Therapeut die Gründe, die zu der depressiven Erkrankung geführt haben, zu finden und zu behandeln. Die aktive Mitarbeit des depressiven Patienten ist bei diesem schwierigen Prozess sehr wichtig. Je nach Schweregrad der depressiven Erkrankung kann die Psychotherapie erst im Anschluss an eine medikamentöse Behandlung erfolgen. Welches psychotherapeutische Verfahren zum Einsatz kommt, wird der Arzt individuell entscheiden. Sehr gut belegt ist die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer und tiefenpsychologischer Maßnahmen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten, wie z. B. Musik-, Kunst- oder Tanztherapie, deren Wirksamkeit wissenschaftlich jedoch nicht belegt ist. Dennoch können diese Therapieformen dem Betroffenen Erleichterung bringen – immer sollte allerdings der Arzt mit einbezogen werden. Gerade bei schweren Depressionen muss unbedingt eine Behandlungsstrategie gewählt werden, die eine zuverlässige Wirksamkeit gewährleistet. Psychotherapie erfordert aktive Mithilfe des Patienten „Meine Freundin war mir in dieser Zeit eine unglaubliche Hilfe – das ist mir erst im nachhinein klar geworden. Sie hat mich nie mit Mitleid überschüttet oder mich unter Druck gesetzt. Sie war einfach immer da, wenn ich sie brauchte.“ Daniel, 32 Jahre alt 1 Der depressive Mensch nimmt seine Umwelt verändert wahr Sie haben jetzt vieles über depressive Erkrankungen gelesen und wissen, dass Depressionen nicht nur für die Betroffenen mit einem sehr hohen Leidensdruck verbunden, sondern auch sehr gefährlich sein können: Die Gefahr, dass sich der depressive Mensch etwas antut, ist groß. Und auch deshalb ist es für Angehörige und Freunde so schwierig: Eben wegen seiner Erkrankung ist es dem Betroffenen oft nahezu unmöglich, sich überhaupt helfen lassen zu können. Dies hängt mit seiner veränderten Wahrnehmung der Umwelt zusammen: Depressive Patienten sehen ihre Umgebung durch eine „negative Brille“. Dunkle Gefühle bestimmen ihr Erleben: Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, innere Leere, Schuldgefühle, Angst und Verzweiflung. Ihre pessimistische Grundhaltung richtet sich auch gegen die eigene Person: Sie fühlen sich wertlos, stellen alles an sich selbst in Frage: ihre Fähigkeiten, ihr Aussehen. Permanente Schuldzuweisungen an sich selbst („Ich mache alles falsch!“) enden nicht selten in Wahnvorstellungen, wie z. B. in der Überzeugung, die Familie in den Ruin getrieben zu haben. Die gestörte Wahrnehmung hat fatale Auswirkungen auf das soziale Leben: Die depressiven Patienten ziehen sich von ihrer Familie, von Freunden und Kollegen zurück, sie vernachlässigen Arbeit und Hobbys. Und schließlich fehlt oftmals sogar die Kraft, morgens aufzustehen. Der erste Schritt zu helfen heißt entsprechend: Unterstützen Sie den Patienten dabei, seine Krankheit anzunehmen, um sich überhaupt helfen lassen zu können. 14 15 Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 18 2 Begegnen Sie dem Patienten partnerschaftlich Außenstehende können leicht einen völlig falschen Eindruck gewinnen: Der Patient erscheint ihnen vielleicht als faul, willensschwach, konfliktscheu o. ä. Sie aber wissen es besser, schließlich kennen Sie den Betroffenen als gesunden Menschen. Und genau so sollten Sie ihn auch jetzt behandeln – wie einen gesunden Menschen! Bieten Sie dem Patienten Partnerschaft an – mit allen Aspekten, die für eine Partnerschaft wichtig sind: • Vertraulichkeit: Schenken Sie dem Betroffenen Liebe, Geborgenheit und Vertrauen. So gewinnt er das Gefühl, sich einfach fallen lassen zu können. • Offenheit: Verheimlichen Sie dem depressiven Menschen nichts. Treffen Sie keine Entscheidungen hinter seinem Rücken. Seien Sie ehrlich. Jeder Vertrauensmissbrauch würde den Patienten in seinen Minderwertigkeitsempfindungen bestätigen. • Wertschätzung: Der Betroffene leidet unter starken Selbstzweifeln. Zeigen Sie ihm mit Liebe und Geduld, wie wichtig er für Sie ist. Nehmen Sie den depressiven Menschen immer ernst! Wie Sie wissen, ist das Selbstmordrisiko bei einer depressiven Erkrankung groß. Nehmen Sie entsprechende Andeutungen des Betroffenen immer ernst und wenden Sie sich an den behandelnden Arzt – er wird Ihnen weiterhelfen. Bitte versuchen Sie nicht, dem Patienten sein Vorhaben einfach auszureden, sondern geben Sie ihm die Möglichkeit, sich auszusprechen. Hören Sie ihm ruhig zu: Er will jetzt nicht Ihre Geschichte hören, sondern möchte von sich reden – dies tut ihm gut. Den depressiven Menschen ernst nehmen – das heißt auch: • keine Mitleidsbeteuerungen! Sie bestärken den Patienten in seiner negativen Sicht der Dinge. • keine Bevormundungen! Sie verstärken die Minderwertigkeitsempfindungen des Betroffenen! • keine Überforderung! Setzen Sie den Patienten nicht unter Druck. Er darf keine wichtigen Entscheidungen treffen müssen, solange er krank ist. Bieten Sie dem Betroffenen das Gespräch an – dann, wenn er es braucht: • Der Betroffene entscheidet, wann er sprechen will und worüber. • Versuchen Sie, eine Absprache mit dem Betroffenen zu treffen, bei welchen Maßnahmen Sie ihn unterstützen dürfen. • Sorgen Sie dafür, dass im Tagesablauf Zeit für Gespräche möglich ist. Helfen Sie mit Liebe und Geduld! 16 17 Broschüre 05_08_24 L 24.08.2005 10:26 Uhr Seite 20 3 Eine wichtige Hilfe: der geregelte Tagesablauf Tägliche Routine schafft ein beruhigendes Sicherheitsnetz. Dazu zählt, dass der depressive Patient morgens immer zur gleichen Zeit aufsteht, auch wenn er nicht viel Schlaf gefunden hat. Bestimmte Tätigkeiten wie Körperpflege, Essen, Einkaufen u.s.w. sollten regelmäßig verrichtet werden. Wichtig ist auch, dass der Betroffene seine Medikamente regelmäßig nimmt und seine Termine beim Arzt oder beim Therapeuten einhält. Bei der Gestaltung eines „gesunden Tagesprogramms“ wird Ihnen der Arzt gerne helfen. Er wird den Patienten und Sie darüber informieren, was gut für den depressiven Menschen ist und was nicht. Bewegung an der frischen Luft, z. B. ein Spaziergang oder Radfahren, sorgt für Wohlbefinden. Natürliches Sonnenlicht hellt zudem die Stimmung auf. Von einem Urlaub nach dem Motto „Einfach mal abschalten“ wird der Arzt hingegen abraten. Die fremde Umgebung könnte den Patienten zusätzlich verunsichern, aufmunternde Worte wie „Lass doch mal die Seele baumeln!“ haben auf den depressiven Menschen oft eine verstörende Wirkung. Schließlich noch ein Tipp: Wenn Sie einen Tagesplan erstellen, achten Sie bitte auch darauf, dass Sie selbst nicht zu kurz kommen. Einem depressiven Menschen helfen zu wollen, kann extrem belasten. Überfordern Sie sich bitte nicht, suchen Sie vielmehr Freiräume, in denen Sie Kraft tanken können. Auch der Kontakt zu Menschen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, kann sehr hilfreich sein. Die Adresse einer so genannten Angehörigengruppe in Ihrer Nähe wird Ihnen Ihr Arzt gerne geben. Auch im Internet finden Sie ein vielfältiges Informationsangebot rund um die depressive Erkrankung, z. B.: • kompetenznetz-depressionen.de • bapk.de Nutzen Sie alle Hilfsangebote, um dem Patienten und sich selbst zu helfen. Und bitte vergessen Sie nicht: Sie sind nicht allein! Gemeinsam mit Ihrem Arzt werden Sie diese schwierige Zeit meistern. Auch Alkohol sollte für den Patienten tabu sein. Er kann die Erkrankung noch verstärken und ein Gesundwerden verhindern. Verlieren Sie nicht den Mut! 18 19