1 DiePsychotraumatologieinderGynäkologischenOnkologie NeisesM,PloegerA Zusammenfassung DiePsychotraumatologiehatindenletztenDekadeneinezunehmendefachlicheund gesellschaftlicheBeachtunggefunden.NebenderhistorischenPerspektivewirdmitdieser ÜbersichtsarbeitderFragenachgegangen,inwieweitonkologischeErkrankungenspeziellinder GynäkologiedemBegriffdesTraumasentsprechen.IndergegenwärtigenAnwendungdes TraumabegriffsimDSMIIIundIVwirddieserrelativweitgefasst.Dennochmussim wissenschaftlichenDiskursdieFragemöglichsein,obeineonkologischeErkrankungalsTraumazu wertenist.ImVerständnisderBevölkerunggeltenKrebserkrankungenalsPrototypeines TraumatischenEreignisses.IndemMaße,wiedermedizinischeFortschrittzurVerbesserungder Überlebenschancenbeiträgt,sindnebendensomatischenauchdiepsychischenSpätfolgenvon Bedeutung.DabeispielennebenderDiagnosedieoftalshochbelastendempfundenen diagnostischenundtherapeutischenMaßnahmeneineRolle.DieseBelastungsreaktionenbedürfenin derpsychotherapeutischenArzt/Ärztin-Patientin-BeziehungeinesbesonderenZuganges. Schlüsselworte PosttraumatischeBelastungsstörung,historischePerspektive,Diagnostik,Psychodynamik,Prävalenz, Krebspatientin Summary Duringthelastdecade’spsychotraumatologyshiftedinthefocusofscientificandsocialawareness. Thefollowingreviewincludesthehistoryandespeciallypointsouttheoncologicaldiseasesin gynecologyinconcerntotheterm“trauma”.Temporarilytheconceptoftraumahasarelatively broadmeaningintheDiagnosticandStatisticalManual,DSMIIIandIV.Inthisconceptarisesthe questioninthescientificdiscussionwhetherthecriteriaoftraumaaresufficientforcancer.Inthe commonsenseoncologicdiseasesareregardedtobeasevereandeventraumaticexperience.The increaseofmedicalprogressimprovesthesurvivalratesaftercancer.Consequentlynotonlythe somaticbuteventhepsychicsymptomsarerelevantinlongtimefollow-up.Notonlyisthe knowledgeofdiagnosispartofthepsychicburdenbutalsothediagnosticandtherapeutic procedures.Thereforepsychotherapeuticrelationtothepatientdemandsspecialregards. Keywords PosttraumaticStressDisorder,HistoricView,Diagnostic,Psychodynamic,Prevalence,Cancerpatient 2 Einleitung InderGeschichtederPsychotherapiewerdeninHinblickaufdieUrsachenundErscheinungsformen vonSyndromenSchwerpunktesichtbar,welchesowohldieÄtiologie,diePathogeneseunddas SyndromsowiedenVerlaufseelischerStörungenbeschreiben.DieseelischenStörungsbilderselbst werdendadurchindenverschiedenenwissenschaftshistorischenEpochenderPsychotherapieauch inunterschiedlicherAkzentuierungbezüglichihrerÄtiologieundPathogenesegesehen.Die PhänomenederseelischenStörungsformensindimLaufedieserGeschichterelativgleichartig, unterschiedlichsindindenverschiedenenPsychotherapieepochendaherwenigerdieStörungsbilder selbstsondernihreätiopathogenetischenKonzepte. EinempsychischenTrauma,alsoeinerseelischenVerletzung,wurdezunehmendmehr Aufmerksamkeitgeschenkt,alsVeteranennachEndedesVietnam-KriegesEndeder70erJahreindie USAzurückkehrtenundunterseelischenStörungenlitten,dieeinenursächlichenZusammenhangmit denvorangegangenenschwerbelastendenKriegserlebnissenzuhabenschienen.Ausdiesem offenkundigenZusammenhangzwischenseelischerBelastungundnachfolgenderseelischerStörung wurdederBegriffdes„Psychotrauma“entwickelt.EswurdencharakteristischeFolgezuständeeines solchenPsychotraumasunterdemBegriff„PosttraumatischesBelastungssyndrom“(PTBS)oderim englischen„posttraumaticstressdisease“((PTSD)beschrieben. NachdemdiesevorallemindenUSAentstandenewissenschaftlicheEntwicklungindenwestlichen EuropäischenLändernbekanntwurdehatmanauchhierdemZusammenhangzwischenseelischem TraumaundnachfolgenderseelischerStörungvermehrtAufmerksamkeitzugewandt.Die PsychotraumaforschunggingdannaberweitüberdenRahmenhinaus,inwelchemsiezunächst entwickeltwurde:derBegriffdes„Trauma“wirdheuterelativweitüberdiekriegsbedingten BelastungenhinausaufseelischeBelastungenbezogen,dieauchimzivilenAlltagentstehenkönnen. DerBegriffTraumabeziehtsichinzwischenaufseelischeBelastungenvonMenschzuMensch(wie etwasexuelleGewaltoderÜberfall),vonMaschinezuMensch(wieetwabeiFlugzeugunfällen),von NaturkatastrophenzuMensch(wieetwabeiErdbebenundVulkanausbrüchen).Die VerallgemeinerungdesTraumabegriffsgehtteilweisesogarsoweit,dassnichtnurdieeigene Betroffenheit,sondernsogardasMiterlebeneinerTraumatisierungandereralseineigenesTrauma beschriebenwird. ManualisierungimDSM EinTraumaistentsprechendseinerManualisierungimDSMIII(Diagnostischesundstatistisches ManualpsychischerStörungenderamerikanischenGesellschaftfürPsychiatrie1987)wiefolgt beschriebenworden:diagnostischeKriterienentsprechenddemsogenanntenA-Kriteriumsind - - DiePersonhateineEreigniserlebt,dasaußerhalbderüblichenmenschlichenErfahrungliegt undfürfastjedenstarkbelastendwäre,z.B.ernsthafteBedrohungdeseigenenLebensoder körperlichenIntegrität. ErnsthafteBedrohungoderSchädigungdereigenenKinder,desEhepartnersodernaher VerwandterundFreunde. PlötzlicheZerstörungdeseigenenzuHausesbzw.derGemeinde. OdermitAnzusehenwieeineanderePersoninFolgeeinesUnfallsbzw.körperlicherGewalt vorkurzemodergeradeernsthaftverletztwurdeoderstarb. 3 AlsB-Kriteriumwirdbeschrieben: DastraumatischeEreigniswirdständigaufmindestenseinederfolgendenArtenwiedererlebt: 1.wiederholteundsichaufdrängendeErinnerungenandasEreignis,2.wiederholtestarkbelastende Träume,3.PlötzlichesHandelnoderfühlen,alsobdastraumatischeEreigniswiedergekehrtwäre, 4.intensivespsychischesLeidbeiderKonfrontationmitEreignissen,diedastraumatischeEreignis symbolisierenoderihminirgendeinerWeiseähnlichsind,einschließlichJahrestagedesTraumas. UnterC-Kriterienwerdengenannt: AnhaltendeVermeidungvonStimuli,diemitdemTraumainVerbindungstehenodereine EinschränkungderallgemeinenReagibilitätsindundsichinmindesteneinemderdreifolgenden Merkmaleausdrücken:1.Anstrengungen,GedankenoderGefühle,diemitdemTraumain Verbindungstehenzuvermeiden,2.Anstrengungen,AktivitätenoderSituationen,dieErinnerungen andasTraumawachrufenzuvermeiden,3.UnfähigkeitsichaneinenwichtigenBestandteildes Traumaszuerinnern,4.AuffallendvermindertesInteresseanbedeutendenAktivitäten,5.Gefühlder Isolierungbzw.Entfremdungvonanderen,6.EingeschränkterAffektz.B.keinezärtlichenGefühle mehrzuempfinden,7.GefühleinerüberschattetenZukunftz.B.keineKarriere,keineEhe,keine Kinder,nichtlangelebenzukönnen. AlsweitereD-Kriterienwerdengenannt:anhaltendererhöhterErregungszustand,gekennzeichnet durch1.Ein-oderDurchschlafstörungen,2.ReizbarkeitoderWutausbrüche, 3.Konzentrationsschwierigkeiten,4.Hypervigilanz,5.ÜbertriebeneSchreckreaktionen, 6.PhysiologischeReaktionenbeiKonfrontationmitEreignissen,diedemTraumaähneln, undschließlichdieE-Kriterien:dieDauerderStörung(SymptomeausB,CundD)beträgtmindestens einenMonat,sowieKriteriumF:dieBelastungenoderBeeinträchtigungentretenimsozialenund BerufsbereichoderanderenwichtigenFunktionsbereichenauf. HistorischePerspektive ObwohlFolgeerscheinungenseelischerBelastungbereitsinderAntikebeschriebenwerden,haterst dasAufkommenderTechnikundIndustrieim19.JahrhundertdenFolgenvonBelastungen wissenschaftlicheAufmerksamkeitzukommenlassen.HierwaresEricErichsender1866das sogenannte„railwayspine-Syndrom“beschrieb:dennmitdemAufkommenderEisenbahnenwar damalsfestgestelltworden,dassKopfschmerzen,Lähmungen,GedächtnisdefiziteundVerwirrungen beidenFahrgästennachEisenbahnunfällenaufgetretenwaren.Manhatdiesezunächstalseine molekulareErschütterungdesRückenmarks(spine)infolgederErschütterungderWirbelsäule verstanden,alsoeineErklärungimorganischenSinnegegeben(Löweetal.2006).Schonzudieser ZeitwurdedieTheseaufgestellt,dassAngstverantwortlichseifürspätereSymptome,dieallerdings vondenbetroffenenPatientenwillentlichhervorgerufenwürden(Caplan1995).AusdieserZeit stammtdiebisindiezweiteHälftedesletztenJahrhundertshineingetrageneDebattedarüber,obdie seelischenundpsychosomatischenSymptomenachTraumatisierungdieFolgeeinerseelischen ReaktionaufdasTraumasind. ErstmitderVerbreitungderPsychoanalyseAnfangdesletztenJahrhunderts,wurdezunehmend akzeptiert,dassseelischeReaktionenauftraumatischeEreignissehinohneanatomischeoder 4 funktionelleBeteiligungeinsetzenundalsErlebnisreaktionzuverstehensind.SigmundFreund konntediereinseelischeReaktionauftraumatisierendeGeschehnisse,besondersinderfrühen Kindheitnachweisen.FreudwarangeregtdurchdieUntersuchungendesPariserPsychiatersCharcot (1825–1893),dieerbeieinemBesuchinseinerKlinikSalpetriereinParisgesehenhatte.Charcothat nachgewiesen,dassaufreinsuggestivealsonichttraumatisierendeEinflussnahmehinSymptome entstehen,diesonstnuranatomischoderphysiologischerklärbarwaren. ImErstenWeltkrieghabenSoldaten,welchemassivenBelastungenimStellungskriegin Nordfrankreichausgeliefertwaren,einSyndromdeskörperlichenZitternsentwickelt,sodassman damalsvon„Kriegszitterern“sprach.Biszu10%derSoldatenwarendadurchdienstunfähig.Sie wurdenvorübergehendindieHeimatbeurlaubt,umdannwiederindenKrieggeschicktzuwerden. DerPsychiaterNonneerklärtedasdamalsähnlichwiedasrailwayspine-Syndrommiteiner molekularenErschütterungnunmehrdesGehirns,dessenfeinstgeweblicherAufbaudurchdie „brisantenGeschosseinZitternversetztwordenseien“. Bemerkenswertist,dassdieseKriegszittererim2.Weltkriegnichtmehrauftraten,offenbarweilin derZwischenzeitdieWissenschaftdas„Kriegszittern“alseineseelischeReaktionerkannthatte. DieseseelischeReaktionaufdiemassivenTraumataim2.Weltkriegwarenvorallemsomatoforme Störungen,vielfachinderFormvonmuskulärenParesen.ManhatdiesemitElektroschockund gleichzeitigerSuggestiontherapiert,umdieSoldatendannwiederandieFrontzuschickenundbei WiederholungalsKriegsdienstverweigerervorMilitärgerichtenabzuurteilen.DiesesVorgehen entsprachderGewaltmentalitätderNazizeit.SeelischesVersagenwarschlicht„Feigheitvordem Feinde“. NachEndedes2.WeltkriegesgaltinderPsychiarieeineähnlicheAuffassungweiterhin:eine seelischeodersomatischeReaktionaufeinbelastendesEreignishin(z.B.Unfall),dielängerals1Jahr anhalteseinichtdurchdenUnfallbedingtsondern„Persönlichkeits-spezifisch“.Mitdieser Begründungwurdendamalsz.B.Unfallrentenabgewiesen. EinebasaleÄnderungtraterstein,als1956dasBundesentschädigungsgesetzfürdieNazi-Opferin Krafttrat.DieextremenTraumatisierungen,welchedasKZ-Systemhervorgebrachthatte,wischten nundasgenannteDogmabeiseite:seelischeundkörperlicheFolgeerscheinungennachderextremen Nazi-Verfolgungwurdennunalsnichtmehrbefristetsondernevtl.sogarüberlangeZeiträumehinals verfolgungsbedingtanerkannt(Baeyeretal.1964). WeitereUntersuchungenanverschüttetenBergleutenundentführtenGeiselnbestätigtendie Auffassung,dassnachmassivenundvorallemlängeranhaltendenTraumatisierungen erlebnisreaktiveSyndromeentstehen(Ploeger1974).DieseentsprachendenspäterimDSMIVund auchimICD10als„akuteBelastungsreaktion“bzw.„PosttraumatischeBelastungsstörung“ bezeichnetenSyndromen.DieSymptombilderhierentsprechenimWesentlichendenoben referiertenausdemDSMIIIundunterscheidenauchhierdiekurzfristige„Belastungsreaktion“und dielangfristige„Persönlichkeitsstörung“. PosttraumatischeBelastungsstörungnachKrebserkrankung FürdieHandhabungdesTraumabegriffesistentscheidend,waswirunterTraumaverstehen.Dazuist derBegriffdesTraumasvondemderschwerenBelastungabzugrenzen.JedechronischeErkrankung istselbstverständlicheineschwereBelastung.Diesebestehtdann,wenneineBedrohung,seisie 5 geringenodermassivenAusmaßes,imStandeist,dievitaleExistenzzubeeinträchtigen.Zweifellos fällteineKrebserkrankungunterdiesenBegriff.EinTraumaistzumindest,wieesinder Traumaforschungverstandenwurde,einezeitlichumschriebeneBedrohungundein posttraumatischesBelastungssyndrom,einPsychosyndrom,welchessichnacheinemTrauma,also nachdemAbschlusseinerschwerenBelastung,einstellt.EinwesentlichesCharakteristikumist,dass esderdanachbestehendenRealität,welcheTraumafreiist,nichtentspricht.DassubjektiveErleben desvorangegangenenTraumasführtzuSymptomenindernach-Traumazeit.EineKrebserkrankung kannheute–unddiesgiltinsbesonderefürsolideTumore–inderGynäkologiebeientsprechend früherDiagnostikhäufiggeheiltwerden.DennochistnachderkurativenBehandlungdas WiederauftretenimindividuellenVerlauf,seiesvonLokalrezidivenoderFernmetastasen,nichtvöllig auszuschließen.InsofernhälteineBedrohungmehroderwenigerauchnachderinAussicht gestelltenHeilung,diebeieinerKrebserkrankungniemalseineGarantiefürGesundheitbietenkann, an(Neises2007). InempirischenStudien,dieZusammenhängezwischendenPrädiktorvariablenund posttraumatischerBelastungsstörungbeikrebskrankenPatientenbelegen,wurdenzumeinen genannttraumatischeVorerfahrungen,Persönlichkeitsfaktoren,Bewältigungsstileunddarüber hinausFamilienstand(alleinlebend),Lebensalter,geringesE inkommenundgeringeSchulausbildung,weiblichesGeschlecht,vermindertesozialeUnterstützung, fortgeschrittenesKrankheitsstadium,psychiatrischeMorbiditätundgleichzeitigodervorher bestehendephysischeBeeinträchtigung(Flattenetal.2003).InTabelle1sinddie „Vulnerabilitätsfaktoren“,alsobiographischeoderstrukturelleKriterienzusammengefasst,welche dieEntwicklungeinerPTBSnacheinerKrebserkrankungbegünstigen.DieinTabelle1aufgeführten ZusammenhängekonntennichtinallenStudienbestätigtwerden,seieshinsichtlicheinerlifetimePTSDbezüglichfrüherertraumatischerErfahrungeninderLebensgeschichte,oderinBezugaufdas vergangeneZeitintervallnachAbschlussderBehandlungoderStadiumderErkrankung.Auch psychosozialeRessourcenließensichnichtkonsistentalsprotektiverFaktornachweisen(Schmitt 2000).DievorliegendenBefundebeiPatientinnenmitKrebserkrankunglassendenSchlusszu,dass dietraumatischeBelastungdurchdieKrebserkrankungkauminZusammenhangstehtmitobjektiven medizinischenParametern,sondernmaßgeblichbestimmtwirddurchdiesubjektiveWahrnehmung, d.h.dasEmpfindeneinermassivenLebensbedrohung.GenerellscheinenobjektiveEinschätzungen desgesundheitlichenRisikosgegenübersubjektivenBewertungenvonuntergeordneterprädiktiver BedeutungzuseinfürdieVorhersagevonposttraumatischenBelastungsstörungenbeiKrebskranken oderauchanderweitigtraumatisiertenPersonen(Flatten2003). EinePTBSwirdpsychodynamischgesehenalseinenormaleReaktionaufeine„kranke“Situation,also ebendiedertraumatischenEinwirkungbetrachtet.Das„krankhafte“liegtdarin,dassdieReaktion aufdasTraumahinnichtmitEndedesTraumasebenfallsendetsonderninFormdereingangs genanntenSymptomgruppenhinausausdehntist.SolässtsichdiePTSDnachvanderKolketal. (1996)psychodynamischalsnormaleReaktionbetrachten,dienichtrichtigbeendetwird.Esstehen sichinderEntwicklungeinerPTBSsomitdiesituationsbedingtenundpersonenbezogenenFaktoren gegenüber.DieSituationsbedingtensinddieausdemEinflussdesTraumasfürdenBetroffenen wahrgenommenenGefahren,diepersonenbezogenenFaktorenbezeichnendieindividuelle Dispositiond.h.diegenannteVulnerabilitätdesEinzelnen.DiesituationsbedingtenFaktorenwerden imDSMIV„Ereignisfaktoren(A)diePersonenbezogenenFaktorensindaufderausTabelle1 6 ersichtlichenstrukturellenundbiographischenCharakteristikaderbetroffenenPersonenzu entnehmen. NachdenAngabenderLiteraturwerdeninderallgemeinenBevölkerungbei9%bis24%aller traumatisierendenErfahrungenvoneinerPTSDgefolgt.BeiKrebspatientenliegendieseZahlen zwischen5%und22%.DasheißtimUmkehrschluss,dassdiegrößereZahlderBetroffenenkeinPTBS entwickelt.EtwaeinViertelallerBetroffenenistmöglicherweisesovulnerabel,dasssieeinePTBS entwickeln,dieevtl.nurkurzeZeit,überMonate;möglicherweiseaberauchüberJahrehinanhält. DieSchweredesTraumasistdabeinichtgleichzusetzenmitderobjektivenGrößederGefahr, sondernleitetsichherausderBedeutung,welchesichinderWahrnehmungderGefahrfürden betroffenenMenschenergibt.EskommtalsodaraufanwelcheGefahrderBetroffeneineiner bestimmtenSituationsubjektivwahrnimmt.SokönnenmassiveGefahrenalsgeringfügigund geringfügigeGefahrenalsmassiveBedrohungwahrgenommenwerden. StudienzuSymptomeneinerPTSDnachKrebsdiagnoseweisensowohlerheblicheUnterschiede hinsichtlichderverwendetenUntersuchungsmethodenwieDesign,Messzeitpunkte,Testverfahren unduntersuchteVariablenauf,alsauchhinsichtlichdesPatientenkollektivs.Überwiegendfinden sichQuerschnittsuntersuchungen,beidenendiePatientinnenineinembreitenZeitfensterzwischen MonatenundJahrennachAbschlussderTherapiebezüglichposttraumatischerSymptome untersuchtwurden(Tabelle2).InderStudievonTjemslandetal.(1998)wirdimVerlaufdesersten postoperativenJahreseineAbnahmederPTSDauf12%beschrieben,währendinderArbeitvon Andrykowskietal.(2000)eineStabilitätvonPTSD-SymptomenimgleichenZeitraumnachweist.Von einigenAutorenwirddifferenziertzwischenSymptomenderPTSDentsprechendA1-Kriterienund demVollbildderPTSDmiteinerDifferenzvon3–5%undfürdieSymptomewieintensiveFurcht, HilflosigkeitoderEntsetzeneineHäufigkeitbiszu41%.DieunterschiedlichenZahlenresultieren zusätzlichausdenunterschiedlichendiagnostischenInstrumenten,diezurAnwendungkamen,wie Selbsterhebungsfragebögenbzw.strukturiertesInterview.DiePatientinnenselbsthabensowohldie KrebsdiagnosealsauchdieüberwältigendenGefühlebezüglicheinerungewissenZukunftals traumatischeErfahrungbeschrieben.OrientiertmansichjedochamDSMIV,trifftaufdie KrebsdiagnosedieDefinitioneinestraumatischenEreignisseszu,währendGefühlevonUngewissheit diesnichttun.UnterdiesemBlickwinkelgreiftdieDiagnoseeinerposttraumatischen BelastungsstörungfürKrebsvielzukurz,dasiedieTragweitederanhaltendenBedrohungnicht gerechtwird,zumaldieseBedrohungnichtvonexterndemMenschenwiderfährt,sondernausdem eigenenKörperresultiert. UnserThemawirftnundiegrundsätzlicheFrageauf,inwieweitauchsolcheBelastungenalsTrauma zuverstehensind,dienichtderDefinitiondesDSMIVentsprechendausFaktorenderUmgebungauf denEinzelneneintreffensondernsolcheFaktoren,diealsKrankheitsozusagenimeinzelnen Menschenentstehen.DennhieristeinewesentlicheVoraussetzungimursprünglichenBegriffdes PosttraumatischenSyndroms,nämlichdieReaktiondesIndividuumsaufeinEreignisinseinem Umfeld,aufgehoben.EsgehtimFalleeinerinsbesondereschwerenErkrankung,wieKrebszwar ebenfallsmöglicherweiseumeinemehrodermindergroßeBedrohung,ähnlichwiebeivonaußen kommendenTraumata.DochgibteseinenwesentlichenUnterschied:denaußenkommenden BedrohungenkannmanmöglicherweiseentweichenodersieführenauchzueinemzeitlichenEnde unddamitzueinerEntlastung.DieKörperlicheErkrankungKrebsdagegenkannzwarkurativgeheilt werden,aberauchindiesengünstigenKrankheitsverläufenstecktimmernocheineGefahrdes Rezidivsbzw.derMetastasierung.DerMenschkannsichalsoimFallevonKrebsnichtwieimFalle 7 einestraumatischenEiflussesimursprünglichenSinnedemTraumaentziehen,evtl.sogardagegen wehrenoderzumindestmiteinerzeitlichenBegrenzungrechnen,sondernistanhaltendmehroder wenigervondiesemTraumabelastet. Esüberraschtdeswegen,dassinderWeiterentwicklungdesDSMIII,nämlichimDSMIVauch körperlicheErkrankungenwieKrebsalsUrsacheeinesPosttraumatischenBelastungssyndroms genanntwerden.DamitresultiertgewissauchdieTatsache,dasseinspezifischesMessinstrument zurErfassungeinerPosttraumatischenBelastungsstörungbeiKrebserkrankungenbishernicht entwickeltwurde.ZwarbeschreibenHollandundRowland(1990),dassaufdieDiagnoseeiner KrebserkrankungeineStressreaktionfolgenkann.DieseistcharakterisiertdurchSchock,Betäubung undVerleugnung,häufigverbundenmitVerzweiflungundResignation.ImweiterenVerlaufkannes zudepressivenSymptomenkommenwieauchzuÄrgerundbelastendenÄngsten.Sokanndie MitteilungeinerKrebserkrankungdurchausauchzudiesenSymptomenführen,diemansonstals PTBSnacheinerausdemUmfeldeingetretenenBedrohungfindet.DennochschließenHollandund Rowland(1990),dassdieseSymptombeschreibungannehmenlasse,auchdieKrebserkrankungein traumatischerStressorseinkann.ObdieseGleichstellungunterdenBegriffderPTBSgerechtfertigt istodernichtsollhiernichtdiskutiertwerden,zumindestistdieÄtiopathogeneseeiner BelastungsstörungdurchKrebsvonandererNaturalsdiedurcheineBedrohungausdemUmfeldder Person. EinegewisseRechtfertigungfürdieGleichstellungunterdemBegriffPTBSlässtsichallenfallsausder CharakteristikderÄhnlichkeitindenSyndromenherleiten:dieStressreaktionaufKrebshinist charakterisiertdurchSchock,BetäubungundVerleugnung,häufigverbundenmitVerzweiflungund Hoffnungslosigkeit.WesentlichindiesemVergleichistaber,dasseszumindestbeieiner PosttraumatischenPersönlichkeitsveränderungdurchauszuDepressionenundeinerbelastenden Angstkommenkann.Wiederholte,sichaufdrängendeErinnerungenalsoIntrusionen,ebensowie sichwiederholendeAlbträumeundsichzurückversetztfühlenindietraumatischeErlebenssituation (flashbacks),auchdieveränderteInteraktionmitKommunikationspartnern,einsozialerRückzugund Hoffnungslosigkeit,wieeinGefühlvonEntfremdunggegenüberderUmweltsindsowohlbeiPTBSim engerenSinnealsauchbeiKrebserkrankungmöglich.EbensoliegtdieHäufigkeitderEntwicklung einesPTBSnachTraumataausdemUmfeldähnlichwiebeiPTBSimVerlaufeinerKrebserkrankung zwischen20und30%derjeweilsBetroffenen.Dennochlässtsichsagen,dassdieDiagnoseeiner PosttraumatischenBelastungsstörungbeiKrebszukurzgreift,dasiederTragweitederanhaltenden Bedrohungnichtgerechtwird,zumaldieseBedrohungausdemeigenenKörperundnichtvonaußen kommt. AndieserStelleseiaufPlügge(1962)Bezuggenommen,einemHeidelbergerPhilosophen,dersich mitAnthropologiederMedizinbefasste.Erhatunterschieden:„derMenschistLeib,aberhateinen Körper“.DerBegriff„Leib“drücktindiesemSinneaus,dassderMenschsichinseinerseelischen ExistenznurdurchseineLeiblichkeitvermittelnkannseiesdurchSprache,durchMimik,durchGestik oderdurchVerhalten.DemgegenüberbesagtderBegriff„Körper“nachPlügge,dassdiesomatische ExistenzdesMenschenzugleichauchimmereinTeilseinereigenenUmweltist,wiedieMöglichkeit derSelbstbeobachtungdeseigenenKörperszeigt.SokannderMenschseineHandbetrachtenals etwasGegenständlichesoderauchalseinInstrument,mitwelchemerSeelischeszumAusdruck bringt.NachPlüggegliedertderMenschimRahmeneinerErkrankungdenerkranktenKörperteilaus demselbstverständlichenBezug,dendererlebendeundsichverhaltendeMenschinseinem„Leib“ hataus.DieHandwirddadurchzuetwasGegenständlichem,ebeneinem„Körperteil“. 8 WenneineFraununaneinemTeilihrerkörperlichenExistenzerkrankt,welchersiealsFrauinihrer Weiblichkeit,ihremErleben,ihrerWirkung,ihremVerhalten,alsosowohlinihremSelbstalsauchin derWirkungnachaußenhininganzbesondererWeisesymbolisiert,ergibtsichfolgendeFrage.Wie wirktsichdieTatsachederAusgliederungeinessolchenKörperteilsausdersubjektiverlebtenEinheit alsLeibaus,wennessichumeinenfürdenAusdruckderspezifischenmenschlichenExistenzalsFrau derartbedeutsamenTeildesLeibeshandelt,wiez.B.dieBrustoderdieGenitalorgane.DieseFragen lassenermessen,dassderZusammenhangzwischenBrustkrebsundTraumaweitüberdieübliche BedeutungdestraumatischenErlebensnachDSMIVhinausgeht.Esgehtnichtmehrnurumdie Bedrohung,dievonaußenkamundErinnerungsspurenhinterlassenhat,Vermeidungsverhalten auslöst,AlpträumeoderFlashbacksbewirkt.VielmehrgehtesumdieBeschädigungodergarden Verlustdessen,womitdiePatientinsichzentralundunmittelbarinihrerRollealsFrauzumAusdruck bringt.DasbetrifftdasalltäglicheErscheinungsbildebensowiedieBedeutungfürdieIntimitätder partnerschaftlichenBegegnung.InAnbetrachtdessengreiftderindergegenwärtigenTraumatologie gängigeBegriffderPosttraumatischenBelastungsstörungzukurz,daesnichtnurumSymptomeder HypervigilanzoderderVermeidungoderderIntrusionengeht.Vielmehrgehtesumeinestrukturelle VeränderungimSelbsterlebenderFrau.DieÄngstedesvonaußenTraumatisiertenbeziehensichauf dasUmfeldinHinblickaufeinemöglicheWiederholungdesTraumas.DieÄngstederanKrebs erkranktenFraubeziehensichaufdenVerlustihrerRollealsFrauodergarihresLebens.Letztlich gehtesumeineIsolierungimLeiden.DiessindÄngstevonexistentiellerBedeutung,dieandersals beieinemPosttraumatischenBelastungssyndromsensustrictiorinichtnureineStörungdes subjektivenErlebenssind.EsgehtinsbesonderebeidemAuftreteneinerMetastasierungumeine BegrenzungderLebensperspektiveundderAktionsmöglichkeiten,eineBegrenzungdurchdennicht vorhersehbarenweiterenVerlaufderErkrankungunddieUngewissheitzwischenHoffnungund Befürchtung. Arzt/Ärztin-Patientin-Beziehung Beim„TraumaKrebs“mussderBegriff„PosttraumatischesBelastungssyndrom“erweitertwerden. SoforderternichtnurdasüblichepsychotherapeutischeVorgehensonderneineganzspezifische Herangehensweiseheraus:esgehtdarum,diehöchstindividuelleBedeutung,welchedieBelastung BrustkrebsmitdenhierdargestelltenanthropologischenKonsequenzenfürdiePatientinhat,inden therapeutischenBlickzunehmen.JedeSchematisierungaufTechnikenundProgrammewäre angesichtsderEinmaligkeit,welchedieErkrankungfürjedePatientinbedeutet,fehlamPlatz. WesentlichistdietherapeutischeHaltung,diesichausgewogenzwischenIdentifikationmitder PatientininihremLeidenundderReflexioninhelfenderDistanzzuihrbewegt.Diepure IdentifikationmitdemLeidenwärenureinMitleiden,beipurerDistanzimSinnedersonstüblichen „therapeutischenAbstinenz“würdediePatientinsichverlassenfühlen.Esgehthierwenigerdarum, neurotischeÄngste,dieunabhängigvonderkörperlichenBedrohunginderKindheitwurzeln,zu bearbeiten.Esgehtvielmehrdarum,dieausderErkrankungresultierendenÄngstein angemessenenRealitätsbezugzubringen.BeschönigenjeglicherGefahrendurchdieKrankheitwäre ebensofehlamPlatzwiedieVergegenwärtigungallermöglichenGefahren,dieaktuellnicht existieren.EsgehtletztlichumeineBegleitungausärztlicherKompetenzherausinstützendem VerstehenundnichtzuletztinderSuchenachneuemGehaltundneuemSinnauchdesungewissen Lebens. 9 Kommentar Wesentliche Inhalte dieses Beitrags waren Inhalt eines Vortrags, gehalten bei der 20. Arbeitstagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik in der Gynäkologie und Geburtshilfe, 15.-17.11.2002, Eisenstadt/Österreich Das vorliegende Manuskript dazu abgedruckt in der Zeitschrift „Ärztliche Psychotherapie und Psychosomatische Medizin“ Heft 3/ 2009