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Bei der antithrombotischen Therapie unterscheidet man direkte von indirekten Antikoagulanzien und Fibrinolytika. Bei direkten Antikoagulanzien
handelt es sich um Substanzen mit einer Inhibierung von Thrombin oder
der Thrombingenerierung. Es finden sich direkte Antithrombine, die mit
oder ohne Kofaktoren wirken. Bei Antithrombinen, deren Wirkung über
Kofaktoren entfaltet wird, unterscheidet man Substanzen, die die Aktivität
von Antithrombin oder Heparin-Kofaktor II aktivieren. Zu Ersteren zählen
Heparine, niedermolekulare Heparine und synthetisches Pentasaccharid.
Die Inhibierung von Heparin-Kofaktor II wird verstärkt durch Dermatansulfat (in Deutschland nicht zugelassen) und Danaparoid.
Bei Inhibitoren von Serinproteasen des Gerinnungssystems unterscheidet man biologische von synthetischen Substanzen. Wichtigster Vertreter
der biologischen Substanzen ist r-Hirudin (Lepirudin, Refludan® und
Revasc®). Bei den synthetischen Substanzen findet sich Argatroban (Novastan®), in den USA und in Japan zur Therapie der HIT und anderen speziellen Indikationen (Japan) zugelassen. In Entwicklung (Phase-III-Studien
abgeschlossen) befindet sich Ximelagatran als oraler Thrombininhibitor.
Die aktive Form von Ximelagatran („double prodrug“) ist Melagatran, das
aus dem Prodrug durch esterolytische und hydrolytische Spaltung nach
oraler Verabreichung entsteht.
Indirekte Thrombininhibitoren sind Substanzen, die Thrombin indirekt über eine verminderte Syntheseleistung in der Leber hemmen. Diese
Substanzen sind zusammengefasst als Vitamin-K-Antagonisten, indem sie
die γ-Karboxylierung der inaktiven Vorstufen der Serinproteasen Faktor
II, VII, IX und X hemmen. Dadurch wird die Kalziumbindung der Serinproteasen über die verminderte Karboxylierung verringert und der antikoagulatorische Effekt vermittelt.
Heparine
Klinische Pharmakologie. Heparine sind polysulfatierte lineare Mukopolysaccharide, deren Ketten in den kommerziell erhältlichen Zubereitungen
ein Molekulargewicht von 6000–30.000 Dalton aufweisen. Das mittlere
Molekulargewicht beträgt etwa 12.000 Dalton. Von diesen nichtfraktionierten Heparinen unterscheidet man die niedermolekularen Heparine.
Hierbei handelt es sich um Substanzen, die durch physikalische oder che-
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mische Methoden aus dem unfraktionierten Heparin hergestellt werden.
Die Größe der Molekülketten reicht von 1200–10.000 Dalton. Das mittlere
Molekulargewicht beträgt etwa 6000 Dalton [1]. Alle Heparine besitzen als
wesentliche biologische Wirkung die Hemmung der Blutgerinnung. Diese
verläuft über eine Bindung an Antithrombin. Die optimale Bindungssequenz in allen Heparinmolekülen ist ein Pentasaccharid mit einem Molekulargewicht von etwa 1700 Dalton. Dies ist für die starke Bindung an
Antithrombin verantwortlich. Entsprechend unterscheidet man „Highaffinity-Heparine“ und „Low-affinity-Heparine“. High-affinity-Heparin
hat eine hohe Bindung, Low-affinity-Heparin eine geringere Bindung an
Antithrombin. Eine Kombination von High-affinity- und Low-affinityHeparin im Verhältnis von 30/70 ist erforderlich, um den antithrombotischen Effekt zu vermitteln [2].
Klassifikation der Heparine:
• unfraktionierte, konventionelle Heparine, z. B. Liquemin®, Thrombophob® u. a. m.,
• niedermolekulare Heparine, z. Z. Clexane®, Fragmin®, Fraxiparin®,
Innohep®, Mono-Embolex®, Reviparin®,
• Heparinoide, z. B. Orgaran®,
• synthetisches Pentasaccharid: Fondaparinux, Arixtra®.
Heparine können als Natrium- oder als Kalziumsalz vorliegen. Die
Herkunft ist in der Regel die Darmmukosa des Schweins, in den USA wird
gelegentlich Heparin aus Rinderlunge hergestellt. Prinzipiell finden sich
Heparine in praktisch allen Organen von allen Spezies. Die Indikation der
Heparine ist die Prophylaxe und Therapie thromboembolischer Erkrankungen. Entsprechend lassen sich die Indikationen wie folgt klassifizieren:
• primäre Thromboembolieprophylaxe: perioperativ; nicht operative
Erkrankungen,
• Therapie der manifesten Thrombose,
• Einsatz in der extrakorporalen Zirkulation,
• Beschichtung künstlicher Oberflächen zur Antithrombogenität.
Pharmazeutische Zubereitung. Heparine: Ampullen (2500–20.000 IE/0,5–1,0 ml),
bei Mehrfachentnahmen (25.000–150.000 IE/5–10 ml), bei Fertigspritzen
(5000, 7500, 10.000 IE/0,5–1,0 ml), Durchstechflaschen für Mehrfachentnahmen, Fertigspritzen (IE = Internationale Einheiten).
Pharmakokinetik. Unfraktionierte Heparine unterscheiden sich nach ihrem
Ausgangsstoff geringfügig. Die Pharmakokinetik wird anhand der pharmakodynamischen Effekte auf das Gerinnungssystem erfasst. Pharmakokinetische Daten im eigentlichen Sinne liegen nicht vor, da eine radioakti-
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ve Markierung der Substanz ohne Aktivitätsverlust bisher nicht gelungen
ist. Nach intravenöser Verabreichung beträgt die biologische Halbwertszeit (t1/2) beim Menschen etwa 60 min (Tabelle 21.1). Sie erhöht sich bei
Dosissteigerungen und bei Patienten mit eingeschränkter Leber- und
Nierenfunktion [3–5]. Nach subkutaner Verabreichung beträgt die Halbwertszeit 2 h. Dies ist wahrscheinlich auf Rückverteilungsphänomene aus
den subkutanen Depots zurückzuführen.
Dosierung
Erwachsene. Die unfraktionierten Heparine werden zur Thromboseprophylaxe
mit 3-mal 5000 IE täglich eingesetzt. Gelegentlich finden sich folgende
Dosismodifikationen: 2-mal 5000 IE täglich, 2-mal 7500 IE täglich. Bei der Therapie der Thrombose richtet sich die Dosierung nach der aktivierten partiellen
Thromboplastinzeit (aPTT). Diese sollte unter einer Therapie auf das 2- bis 3fache
verlängert sein. Initial werden 5000 IE intravenös injiziert, anschließend 30.000 IE
pro Tag kontinuierlich intravenös oder 3-mal 10.000 IE täglich subkutan.
Sonderfälle. Unter einer Thrombosetherapie mit Heparin wird die Dosis anhand
der aPTT angepasst, die auf das 2- bis 3fache der Norm verlängert sein soll. Der
Dosierungsbereich bei der Thrombosetherapie mit unfraktioniertem Heparin
liegt im Mittel bei 30.000 IE/Tag kontinuierlich intravenös oder aufgeteilt in 3 Dosen
subkutan. Der therapeutische Bereich einer Heparinbehandlung liegt zwischen
20.000–50.000 IE/Tag [6]. Bei Patienten mit niedrigem Körpergewicht, (<50 kg),
bei einer Nierenfunktionseinschränkung und im hohen Alter (reduzierte Nierenfunktion, geringeres Verteilungsvolumen) kann in Ausnahmefällen eine Dosisadjustierung bei unfraktioniertem Heparin erforderlich sein [7].
Von einer Heparinresistenz spricht man, wenn eine Verlängerung der aPTT mit
Dosierungen von mehr als 50.000 IE/Tag nicht erreicht wird. In der Regel liegt ein
Mangel an Antithrombin zugrunde. Weitere Ursachen sind erhöhte Konzentrationen von heparinneutralisierenden Proteinen, wie sie im Rahmen von thrombotischen oder malignen Erkrankungen beobachtet werden. Unter niedermolekularem Heparin ist bisher keine Resistenz beschrieben worden.
Unerwünschte Wirkungen. Die häufigsten und schwerwiegendsten unerwünschten Wirkungen der Heparine sind Blutungskomplikationen. Diese
betreffen alle parenchymatösen Organe, das Gehirn, den Retroperitonealraum sowie die ableitenden Harnwege. Leichte Blutungskomplikationen
können in allen Körperregionen auftreten [8]. Eine weitere schwere Nebenwirkung ist die heparininduzierte Thrombozytopenie. Man unterscheidet eine HIT-Typ-I von einer HIT-Typ-II. Erstere ist gekennzeichnet
durch eine reversible Aktivierung der thrombozytären Adenylatzyklase,
einem Abfall der Thrombozytenzahl auf 30–50% des Ausgangswertes und
eine Normalisierung der Thrombozytenzahlen nach Absetzen oder auch
unter weiterer Heparinbehandlung. Bei Letzterer handelt es sich um eine
immunologische Reaktion, bei der der Komplex aus Plättchenfaktor 4 und
Clexane®
Ampulle
12 mg/0,2 ml
24 mg/0,4 ml
Clivarin®
Embolex®
Fertigspritzen
Durchstechflaschen
×
12 mg/0,2 ml
24 mg/0,4 ml
10 mg/0,25 ml
Indikationen
Perioperativ
ThromboseNiedriges/
Hohes
therapie
mittleres Risiko Risiko
10.000 IE/ml (5 ml)
×
×
×
0,2 ml
0,3 ml
0,4 ml
0,6 ml
0,8 ml
1,0 ml
×
×
×
×
160 mg/ml
Fraxiparin®
21 mg/0,3 ml
60 mg/1 ml
Monoembolex® 18 mg/0,3 ml
Monoembolex® 8000 IE/0,8 ml
Therapie
9.500 IE/ml (5 ml)
21 mg/0,3 ml
120,5 mg/ml (5 ml)
18 mg/0,3 ml
6000 IE/ml (15 ml)
×
×
×
×
×
×
×
×
×
×
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Innohep®
×
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×
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15 mg/0,2 ml
30 mg/0,2 ml
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18 mg/0,5 ml
plus 0,5 mg DHE
Fragmin®
Hämodialyse
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Substanz
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Tabelle 21.1. Darreichungsformen von niedermolekularem Heparin und Indikationen
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Heparin als Neoantigen wirkt. Es kommt zu einem Thrombozytenabfall in
der Regel auf <50% des Ausgangswertes und zu einer thromboembolischen Komplikation. Labornachweise wie der heparininduzierte Plättchenaggregationstest (HIPA-Test) sind positiv. Diese tritt sowohl unter
unfraktioniertem als auch unter niedermolekularem Heparin auf, wenn sie
bei Letzterer jedoch auch seltener ist [9]. Weitere Nebenwirkungen sind
lokale allergische Reaktionen mit Juckreiz und Rötung [10, 11] und gastrointestinale Nebenwirkungen. Bei schweren Nebenwirkungen mit
lebensbedrohlichen Blutungen ist eine Neutralisation mit Protaminchlorid oder Protaminsulfat erforderlich. Die Dosis beträgt 1:1 auf der Basis
von mg oder angegebenen Einheiten. Ausschlaggebend ist die Anzahl der
IE/ml Blut von Heparin zur Berechnung der Gesamtdosis von Protamin.
Eine zu hohe Dosis an Protamin bewirkt selbst eine Gerinnungshemmung.
Bei Blutungen unter subkutan verabreichtem Heparin ist mit einem Rebound des gerinnungshemmenden Effektes zu rechnen, da Heparin aus
den Depots auch nach Gabe von Protamin weiterhin in das Blut freigesetzt
wird. Nach Gabe von Protamin bleibt etwa die Hälfte der Antifaktor-XaAktivität von niedermolekularem Heparin bestehen. Die Bedeutung ist
jedoch ungeklärt. Die übrigen Gerinnungsparameter normalisieren sich
nach Protaminchlorid wie auch unter einer Therapie mit Heparin [12]. Bei
Gabe von Embolex® sind die zahlreichen unerwünschten Wirkungen, insbesondere vasokonstriktiven Wirkungen von Dihydroergotamin zu berücksichtigen (Taubheit, Kälte, Angina pectoris, livide Verfärbung) sowie
die Kontraindikationen (Koronarsklerose, pAVK, Niereninsuffizienz).
Arzneimittelinteraktionen. Bei kontinuierlicher intravenöser Infusion kann
bei gleichzeitiger Verabreichung anderer Substanzen durch denselben Katheter eine Komplexbildung entstehen, die an einer milchigen Verfärbung
der Lösung zu erkennen ist. Allgemein gültige Informationen können hier
nicht gegeben werden, Literaturdaten wie z. B. im Hinblick auf Interferenzen mit Nitraten, sind widersprüchlich. Die gleichzeitige Gabe von
Acetylsalicylsäure erhöht die Blutungsgefahr etwa um das 2,5fache. Dextrane führen ebenfalls bei gleichzeitiger Verabreichung mit Heparinen zu
einer Erhöhung der Blutungsneigung. Glyceroltrinitrat soll die Wirkung
von Heparinen reduzieren. Hier liegen jedoch unterschiedliche Ergebnisse
vor. Bei gleichzeitiger Gabe sollte daher die aPTT (aktivierte partielle
Thromboplastinzeit) sorgfältig überwacht werden.
Schwangerschaft und Laktation. Während der Schwangerschaft kann unfraktioniertes Heparin subkutan oder intravenös verabreicht werden.
Hinweise und Pat ienteninfor mat ionen
Patienten mit einer Blutungsneigung (Hämophilie oder andere Gerinnungsstörungen) dürfen nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen
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mit Heparinen behandelt werden. Alle Patienten mit Heparinnebenwirkungen (schwere Blutungskomplikationen, heparininduzierte Thrombozytopenie u. a.) sollten einen Ausweis bzw. Allergiepass erhalten, in
dem die Nebenwirkung vermerkt ist. Besondere Vorsichtsmaßnahmen
sind bei Patienten mit relativen oder absoluten Kontraindikationen für
eine Gerinnungshemmung zu berücksichtigen.
Niedermolekulare Heparine (NMHs)
NMHs werden aus unfraktioniertem Heparin durch verschiedene chemische Verfahren hergestellt. Sie unterscheiden sich in ihrer chemischen
Struktur in Molekülmasse sowie in ihrer endständigen Zuckergruppe.
Weiterhin unterscheiden sie sich in ihrer Antifaktor-Xa-Aktivität, aPTTAktivität und Thrombinhemmung/mg Trockensubstanz. Die einzelnen
niedermolekularen Heparine sind jedoch in ihren antithrombotischen
Effekten im klinischen Einsatz einzeln klinisch geprüft, sodass die jeweils
angegebenen Dosierungen für die entsprechenden Indikationen adäquat,
d. h. wirksam und verträglich sind.
Pharmazeutische Zubereitung. NMHs werden am I. Internationalen Standard
für NM-Heparine standardisiert. Dieser enthält 160 Anti-Faktor-Xa IU/mg
und 66,5 Antithrombin IU/mg. Derzeit werden zusätzliche Indikationen
mit entsprechend zusätzlich zu den in Tabelle 21.1 aufgeführten Zubereitungsformen für die Zulassung geprüft. Entsprechend werden Zubereitungsformen in Zukunft weiter entwickelt. Embolex® (1500 aPTT =
3100 aXa IE/0,3 ml) ist ein niedermolekulares Heparin und enthält zusätzlich 0,5 mg Dihydroergotamin. Die Dosierungen werden für unfraktioniertes Heparin in internationalen Einheiten (IE) angegeben. NMHs werden entweder in internationalen Einheiten, gemessen anhand der spezifischen Antifaktor-Xa-Aktivität, oder in mg angegeben.
Pharmakokinetik. Niedermolekulare Heparine weisen aufgrund ihrer hohen
Bindungsfähigkeit an Antithrombin eine längere Eliminationshalbwertszeit auf. Sie beträgt nach intravenöser Verabreichung 2 h (Tabelle 21.2) und
nach subkutaner Verabreichung 4 h [13]. Zusätzlich ist die Hemmung von
Faktor Xa um ein Mehrfaches gegenüber unfraktioniertem Heparin gesteigert. Als Ursache wird eine Freisetzung endothelständiger Glykosaminoglykane mit antikoagulanter und antithrombotischer Wirksamkeit diskutiert. Bei Patienten mit Leber- und Niereninsuffizienz ist die Halbwertszeit
verlängert [14]. Die Ausscheidung von allen Heparinen erfolgt rezeptorgebunden über die Leber sowie zu etwa 60% durch glomeruläre Filtration in
den Nieren.
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Tabelle 21.2. Klinisch pharmakologische Angaben zu Heparinen
Charakteristikum
Heparin
NM-Heparine
Herstellung aus
Darmmukosa des Schweins Heparin aus Darmoder Rinderlunge
mukosa des Schweins
Aktivität Anti-Faktor-Xa
160–200 U/mg
100–160 U/mg
Antithrombin Aktivität
160–200
40–60
aXa/aIIa Ratio
1
2–4
Biologische Halbwertszeit
1h
2h
Neutralisierung
Protaminchlorid
Protaminchlorid
Dosierung
Erwachsene. NMHs werden aufgrund ihrer längeren Halbwertszeit auf die Inhibierung von Faktor Xa nur einmal täglich subkutan zur Thromboseprophylaxe in
der perioperativen Medizin verabreicht. Die Dosierungen finden sich in Tabelle
21.1. Eine Substanz (Fragmin®) ist zur Gerinnungshemmung in der Hämodialyse
zugelassen. Für die anderen Substanzen bestehen derzeit keine weiteren
Zulassungen.
In der Thrombosetherapie sind derzeit Enoxaparin (Clexane®) in einer Dosierung
von 2-mal 1 mg/kg KG täglich subkutan und Nadroparin (Fraxiparin®) in einer
Dosierung von 2-mal 100 IU/kg KG und (Fraxodi®) 1-mal 200 IU/kg KG und Certoparin (Monoembolex®) 2-mal 8000 IE täglich subkutan zugelassen.
Sonderfälle. Bei niedermolekularem Heparin sollte bei Niereninsuffizienz eine
Dosisanpassung erfolgen, da die Elimination verzögert ist. Die Dosisanpassung bei
Niereninsuffizienz mit einer Kreatinin-Clearance <20 ml/min kann anhand der
Inhibierung von Faktor Xa vorgenommen werden. Die Elimination ist etwa auf das
2- bis 3fache verlängert, sodass eine entsprechende Reduzierung der Dosis auf die
Hälfte oder ein Drittel erforderlich ist. Die Spiegel zu einer Dosierung für eine
Thromboembolieprophylaxe betragen 0,2–0,4 IE Heparin/ml Plasma 2–4 h nach
subkutaner Verabreichung und 0,6–1,2 IE/ml Plasma bei einer therapeutischen
Antikoagulation. Bei Kleinkindern wird zur Thromboseprophylaxe eine Dosis von
3-mal 70 IE/kg KG eingesetzt.
Unerwünschte Wirkungen. Prinzipiell sind alle unerwünschten Wirkungen
wie unter unfraktioniertem Heparin bekannt. Blutungskomplikationen
sind jedoch anhand der klinischen Studien insbesondere bei der Thrombosetherapie seltener. Zur Thromboseprophylaxe und zur Hämodialyse
sind alle unerwünschten Nebenwirkungen gleich häufig wie unter unfraktioniertem Heparin.
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Arzneimittelinteraktionen. Interaktionen von niedermolekularem Heparin
sind wie für unfraktioniertes Heparin gelegentlich in der Literatur beschrieben. Gesicherte Arzneimittelinteraktionen gibt es jedoch nur mit
Protaminchlorid/Protaminsulfat, das als Antidot eingesetzt wird. Ein
Metabolismus von niedermolekularen Heparinen in der Leber findet nicht
statt, sodass keine Interaktionen bestehen. Die Bindung an Antithrombin
ist spezifisch, unspezifische Plasmaeiweißbindungen finden sich für
niedermolekulares Heparin kaum.
Schwangerschaft und Laktation. Für die niedermolekularen Heparine liegen
derzeit noch keine ausreichenden Erfahrungen vor. Kontrollierte Studien
und über 2000 Behandlungen mit niedermolekularem Heparin in der
Schwangerschaft zeigen keine Hinweise für Schädigungen des Feten. In
Österreich sind niedermolekulare Heparine auch während der Schwangerschaft zugelassen. Bezüglich der Laktation gilt, dass weder unfraktionierte
noch niedermolekulare Heparine in die Muttermilch übertreten (Fallberichte, keine systematischen Untersuchungen), da eine Resorption aus dem
Magendarmtrakt nicht erfolgt (ls, i6). Während der Laktation können daher Heparine verabreicht werden.
Hinweise und Pat ienteninfor mat ionen
Eine HIT-Typ-II tritt sehr viel seltener auf als unter Heparinen. Die Häufigkeit dürfte höchstens 10% von denen der herkömmlichen Heparine
betragen. Alle Patienten mit einer HIT-Typ-II benötigen einen Patientenausweis mit dem entsprechenden Warnhinweis.
Patienteninformationen gibt es inzwischen für mehrere niedermolekulare Heparine wie z. B. für Nadroparin oder Dalteparin. Diese können
von den Herstellern angefordert werden und enthalten wertvolle Hinweise für die Wirksamkeit, mögliche Nebenwirkungen bzw. Unwirksamkeit, allgemeine Verhaltensweisen und Injektionstechniken.
Synthetischer Faktor-X
Xa-IInhibitor, Fondaparinux (Arixtra®)
Substanzklasse. Die wirksame Einheit von Heparin und niedermolekularem
Heparin stellt ein Pentasaccharid dar, das inzwischen in leicht modifizierter Form synthetisch hergestellt werden konnte und ein Molekulargewicht
von 1728 Dalton aufweist. Es besitzt in Antithrombin eine alleinige Bindungsstelle im Gegensatz zu Heparinen und niedermolekularen Heparinen, die auch unspezifisch an andere Proteine und z. B. an Plättchenfaktor
4 binden. Antithrombin/Pentasaccharid-Komplex inhibiert alleine Faktor
Xa. Über die Faktor-Xa-Hemmung wird die Thrombingenerierung vermindert. Eine direkte Thrombinhemmung besteht nicht. Nach Komplex-
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bildung von Antithrombin mit Faktor Xa kommt es zu einer Loslösung von
Pentasaccharid (Fondaparinux, Arixtra®) und zu einem Recycling an
freies Antithrombin. Dieser Wirkungsmechanismus trifft jedoch auch für
Heparine und niedermolekulare Heparine zu.
Klinische Pharmakologie. Fondaparinux besteht aus einem linearen Polysaccharid aus 5 Zuckereinheiten mit einem optimierten Sulfatierungsgrad für
die Bindung an Antithrombin. Die Halbwertszeit beträgt 18–24 h; die Substanz wird renal ausgeschieden. Bei einer Kreatinin-Clearance von unterhalb 20 ml/min ist eine Kumulation zu erwarten. Aufgrund der langen
Halbwertszeit finden sich Steady-state-Spiegel nach 4–5 Tagen. Sowohl in
der Prophylaxe als auch in der Therapie thromboembolischer Erkrankungen hat sich eine große therapeutische Breite von Fondaparinux herausgestellt. Bis zu 4fachen Dosisunterschieden (z. B. 2,5 mg–10 mg zur
Thrombosetherapie und bei akutem Koronarsyndrom) finden sich keine
Unterschiede auf die klinische Wirksamkeit oder die Nebenwirkungsquote.
Pharmazeutische Zubereitung. Fertigspritzen mit 2,5 mg in 0,5 ml isotonischer Kochsalzlösung.
Pharmakokinetik. Nach subkutaner Verabreichung wird Fondaparinux innerhalb von 2 h komplett resorbiert und es finden sich maximale Plasmaspiegel von etwa 3 mg/l. Das Verteilungsvolumen ist somit geringer als das
Plasmavolumen und zeigt die spezifische Bindung an Antithrombin sowie
das notwendige Recycling für eine effektive Thromboembolieprophylaxe.
Dosierung
Erwachsene. 1-mal 2,5 mg täglich subkutan etwa 6 h postoperativ beginnend.
Sonderfälle. Bei Patienten mit einem niedrigen Körpergewicht unter 50 kg und
mit eingeschränkter Nierenfunktion (s. oben) bestehen derzeit keine Erfahrungen.
Es soll daher auf ein alternatives Antikoagulanz (NMH oder r-Hirudin) umgestellt
werden.
Unerwünschte Wirkungen. Blutungskomplikationen in der postoperativen
Medizin sind die häufigsten Nebenwirkungen. Sie treten jedoch nicht häufiger als mit niedermolekularem Heparin auf. Überdosierungen sind bisher nicht bekannt geworden. Eine Neutralisierung ist in vitro und in tierexperimentellen Untersuchungen mit rekombinantem Faktor VII beschrieben.
Arzneimittelinteraktionen. Interaktionen mit anderen Substanzen sind bisher
aufgrund der spezifischen Bindung nicht bekannt.
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Schwangerschaft und Laktation. Da Fondaparinux bisher in der Schwangerschaft nicht angewendet wurde, besteht hier eine Einschränkung für die
Therapie.
Heparinoid, Danaparoid
Orgaran®
Klinische Pharmakologie. Es handelt sich um ein Heparinoid, das zu 95% aus
Chondroitinsulfat und Heparansulfat besteht sowie zu 5% aus niedermolekularem Heparin mit hoher Affinität zu Antithrombin. Die Wirkung entfaltet sich daher sowohl über Antithrombin (Heparinanteil) als auch über
Heparin-Kofaktor II (Heparansulfat und Chondroitinsulfat). Es wird aus
der Darmmukosa des Schweins hergestellt [15]. Indikation: Heparininduzierte Thrombozytopenie (Thromboseprophylaxe und Thrombosetherapie bisher nicht zugelassen). Dosierung: 2250 bis 4500 IE s.c. oder kontinuierlich i.v. Zur Thromboembolieprophylaxe wird bei Patienten mit HITTyp II die Dosierung von 3-mal 750 IE/kg KG eingesetzt.
Pharmazeutische Zubereitung. Ampullen (750 IE/ml, entsprechend 100 mg
Trockensubstanz).
Pharmakokinetik. Danaparoid besitzt nach intravenöser Verabreichung eine
Halbwertszeit von ca. 7 h. Nach subkutaner Verabreichung beträgt die biologische Halbwertszeit ca. 14 h. Bei Patienten mit Leber- und Niereninsuffizienz ist die Halbwertszeit verlängert.
Dosierung
Erwachsene. Die Dosierung wird überprüft anhand der Inhibierung von Faktor Xa
mittels spezieller Gerinnungsanalysen (chromogenes Substrat oder Gerinnungstest, z. B. Heptest). Die Dosierung für eine Thromboseprophylaxe beträgt 2- bis 3mal täglich 750 IE subkutan, entsprechend eine Anti-Faktor-Xa-Aktivität von
0,2–0,4 IE/ml 2–4 h nach subkutaner Verabreichung.
Zur Thrombosetherapie bei heparininduzierter Thrombozytopenie (Thrombozytopenie + Thrombose durch Heparin/NM-Heparin): 750 IU als Bolus intravenös
und 4000 IU/24 h als Dauerinfusion in Plastikmaterial (kein Glas, da Substanz an
Glas adsorbiert werden kann). Angestrebte Anti-Faktor-Xa-Aktivität: 0,6–1,0 IU/ml.
Entsprechend der Dosisanpassung an die Anti-Faktor-Xa-Aktivität werden bei
Kindern und Personen mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion geringere Dosierungen als Thromboseprophylaxe oder zur Dauerinfusion benötigt.
Sonderfälle. Die Anpassung der Dosis erfolgt anhand der Anti-Faktor-Xa-Aktivität, wie oben beschrieben.
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Unerwünschte Wirkungen. Die häufigsten und schwerwiegendsten unerwünschten Wirkungen sind Blutungskomplikationen. Bei 10% der Patienten
mit heparininduzierter Thrombozytopenie besteht eine sog. Kreuzreaktion, d. h. die Thrombozytenzahlen steigen nach Umsetzen der Antikoagulation auf Danaparoid nicht innerhalb von 3–5 Tagen in den Normbereich
an. Übrige Nebenwirkungen, wie sie unter Heparin beschrieben sind, finden sich nur in Form von kutanen allergischen Reaktionen, andere Nebenwirkungen sind aufgrund der relativ seltenen Verabreichung bisher nicht
beobachtet. Ein Antidot existiert nicht.
Arzneimittelinteraktionen. Diese sind nicht beschrieben. Es bestehen jedoch
Vorsichtsmaßnahmen bei gleichzeitiger Anwendung von Thrombolytika
oder Substanzen mit Hemmung der Thrombozytenfunktion.
Schwangerschaft und Laktation. Eine Kasuistik zu einer langfristigen Behandlung mit Danaparoid während der Schwangerschaft ist beschrieben
worden, nachdem eine heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II aufgetreten war. Nebenwirkungen waren nicht beobachtet worden.
Hinweise und Pat ienteninfor mat ionen
Die Substanz sollte nur bei der definierten Indikation eingesetzt werden.
Bei Vorliegen einer akuten Allergie ist ein Allergiepass auszustellen. Es
gelten die gleichen Vorsichtsmaßnahmen oder andere Indikationen wie
für Heparine, ausgenommen die heparininduzierte Thrombozytopenie.
Hirudine
Klinische Pharmakologie. Bei rekombinantem Hirudin (Lepirudin, Refludan®) handelt es sich um ein Polypeptid mit einem Molekulargewicht von
6900 Dalton. Hirudin bindet direkt an Thrombin. Es wirkt daher im Gegensatz zu Heparinen unabhängig von Kofaktoren [16, 17]. Indikationen:
Heparininduzierte Thrombozytopenie (Lepirudin, Refludan®), Behandlung bei der instabilen Angina pectoris (derzeit in Zulassung), perioperative Thromboseprophylaxe bei orthopädischen Patienten mit hohem
Thromboembolierisiko (Desirudin, Revasc®).
Pharmazeutische Zubereitung. Trockensubstanz mit 15 mg (Revasc®) bzw. 20
und 50 mg (Refludan®). Diese wird in physiologischer Kochsalzlösung gelöst und subkutan oder intravenös verabreicht.
Pharmakokinetik. Hirudine besitzen eine Halbwertszeit von 60 min nach
intravenöser Injektion. Nach subkutaner Verabreichung beträgt die appa-
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rente Halbwertszeit etwa 180 min. Bei eingeschränkter Nierenfunktion
verlängert sich die Halbwertszeit erheblich. Sie verlängert sich bei niereninsuffizienten Patienten mit steigendem Kreatinin bis auf 2–3 Tage. Eine
entsprechende Dosisanpassung bei diesen und bei dialysepflichtigen Patienten ist unbedingt erforderlich, da Hirudin über die Dialysemembranen
nicht elimiert wird. Die Dosierung beträgt etwa 0,1 mg/kg als Bolus 3-mal
pro Woche, d. h. vor jeder Dialyse. Während der gesamten Phase zwischen
2 Dialysen besteht nach bisherigen Erfahrungen eine wirksame Antikoagulation mit verlängerter aPTT.
Dosierung
Erwachsene. Hirudin wird zur Thromboseprophylaxe in einer Dosierung von 2mal 15 mg täglich eingesetzt.
Zur Thrombosetherapie (heparininduzierte Thrombozytopenie) und bei instabiler Angina pectoris (z. Z. zur Zulassung eingereicht) richtet sich die Dosierung an
einer Verlängerung der aPTT auf das 1,5- bis 2,5fache der Norm aus. Die Dosierungsrichtlinien sind nicht komplett einheitlich. Wegen der kurzen Halbwertszeit
ist ein intravenöser Bolus empfohlen (0,1–0,4 mg/kg KG), gefolgt von einer kontinuierlichen Dauerinfusion von 0,1–0,2 mg/kg/h. Die Substanz ist in einer
Plastikspritze aufzuheben und kontinuierlich intravenös zu verabreichen. An Glas
findet eine Adsorption statt.
Sonderfälle. Die Anpassung der Dosierung von Hirudin erfolgt über die aPTT. Bei
einer Thromboseprophylaxe wird 2–4 h nach subkutaner Verabreichung eine
geringfügig verlängerte PTT auf das 1,5fache der Norm erwartet. Bei der Therapie
einer Thrombose oder bei einer extrakorporalen Zirkulation sollte die aPTT auf
das 1,5- bis 2,5fache verlängert sein. Bei eingeschränkter Nierenfunktion und bei
Kindern findet die Dosisanpassung entsprechend statt. Die Ecarinzeit (ECT) ist
ein besserer Parameter als die aPTT. Eine Standardisierung der ECT steht jedoch
aus.
Unerwünschte Wirkungen. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind
Blutungskomplikationen, die mit steigender Dosis zunehmen. Allergische
Reaktionen sind in einem „Rote Hand Brief“ bei 7 von ca. 15.000 behandelten Patienten beschrieben worden. Bei 5 Patienten kann die Todesfolge
durch die Erkrankung nicht sicher von der Gabe des Hirudin getrennt werden. Gelegentlich findet man IgG-, IgA- oder IgM-Antikörper gegen
Hirudin nach mehr als 8-tägiger Verabreichung, die biologische Relevanz
ist jedoch bislang offen. Eine Neutralisation von Hirudin ist bisher nicht
möglich. Gegebenenfalls ist eine Elimination über eine Hämofiltration
möglich. Vor Kurzem wurden anaphylaktische, z. T. tödlich verlaufende
Reaktionen in Zusammenhang mit der Verabreichung von Lepirudin
beschrieben. Diese treten unmittelbar nach Verabreichung von Lepirudin
auf. Sie finden sich häufiger bei Reexposition von Lepirudin.
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Arzneimittelinteraktionen. Interaktionen von Hirudin mit anderen Substanzen sind bisher nur für Acetylsalicylsäure beschrieben, bei der es zu
einer Verstärkung des Effektes auf die Blutungszeit kommt.
Schwangerschaft und Laktation. Während der Schwangerschaft ist Hirudin
bisher nur in Einzelfällen verabreicht worden. Nebenwirkungen sind nicht
beobachtet worden. Die Dosierung richtet sich nach der klinischen
Indikation (Thromboseprophylaxe oder Thrombosetherapie) und ist
gegebenenfalls an der aPTT zu steuern. Hinweise zur Verabreichung während der Laktation liegen nicht vor.
Hinweise und Pat ienteninfor mat ionen
Es gelten die gleichen Kontraindikationen wie für Heparine. Ausnahme
bei den Kontraindikationen ist die heparininduzierte Thrombozytopenie. Andere Vorsichtsmaßnahmen sind bei Patienten in der Schwangerschaft und Laktation und bei Einsatz in bisher nicht zugelassenen
Indikationen zu berücksichtigen. Bei Unverträglichkeitsreaktionen auf
Lepirudin sind diese in einem Patientenausweis (Allergiepass) einzutragen.
Orale Antikoagulanzien
Coumadin®, Marcumar®
Klinische Pharmakologie. Die wichtigsten Vertreter der oralen Antikoagulanzien sind Phenprocoumon (Marcumar®, Falithrom®), und Warfarin (Coumadin®). Sie hemmen die Umwandlung von Vitamin K in seine aktive
Form Vitamin-K-Epoxid. Dadurch wird die Karboxylierung der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X sowie von Protein C und Protein S
gehemmt [18, 19]. Beide Antikoagulanzien liegen als S- und R-Enantiomer
vor. Bei Phenprocoumon sind die Enantiomere gleich wirksam, während
S-Warfarin stärker ist [20, 21]. Die wichtigsten Indikationen sind die
Rezidivprophylaxe nach Thrombose und Lungenembolie sowie die
Primärprophylaxe nach prothetischem Herzklappenersatz, das chronische
nicht rheumatische Vorhofflimmern, Herzwandaneurysmen, Kardiomyopathien, intrakardiale Thromben, ein Mitralvitium mit Vorhofflimmern
und Zustände nach Implantation von Gefäßprothesen.
Pharmazeutische Zubereitung. Tabletten zu 3 mg (Phenprocoumon) und
Tabletten zu 1, 2,5, 5, 7,5, 10 mg und Ampullen zu 50 mg (Warfarin).
Pharmakokinetik. Orale Antikoagulanzien sind zu über 99% an Plasmaproteine gebunden. Dadurch entstehen eine lange Halbwertszeit und vielfältige medikamentöse Interaktionen. Die Plasmakonzentrationen oraler
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Antikoagulanzien können nur mit aufwendigen Methoden (Gaschromatographie, Massenspektrometrie) gemessen werden. Die Wirkung tritt meist
am 2.–3. Tag ein. Sowohl der Eintritt als auch das Ende der Wirkung wird
nicht nur von der Halbwertszeit der oralen Antikoagulanzien sondern
auch von der Halbwertszeit der einzelnen Gerinnungsfaktoren sowie ihrer
Syntheserate beeinflusst. Deshalb dauert es nach Absetzen der oralen Antikoagulation (Phenprocoumon) 3–7 Tage, bis die Prothrombinzeit nach
Quick auf 50–70% der Norm ansteigt. Die Eliminationshalbwertszeit (t1/2)
von Phenprocoumon beträgt etwa 160 h, die von Warfarin etwa 42 h (Tabelle 21.3). Metabolismus/Exkretion: Phenprocoumon wird im Wesentlichen über die Leber nach Glukoronidierung ausgeschieden. Einzelne
Hinweise liegen zur Metabolisierung über Cytochrom-P450-3A4 vor.
Rifampicin beschleunigt den Metabolismus von Phenprocoumon über das
Cytochrom-P450-System, sodass Dosiserhöhungen erforderlich sind. Bei
Absetzen von Rifampicin ist entsprechend mit einer verstärkten antikoagulanten Wirkung und einer Blutungsneigung zu rechnen. Ketonazol
hemmt den Abbau und verstärkt so die Wirkung.
Metabolismus und Exkretion von Warfarin: Der Metabolismus erfolgt
im Wesentlichen über das Cytochrom-P450-CYP2C9-System. Hier bestehen Interaktionen mit vielen Substanzen. Entsprechend sind die Fachinformationen von Medikamenten zu möglichen Interaktionen mit
Warfarin sorgfältig zu beachten. Rifampicin führt erneut zu einer
Beschleunigung des Metabolismus, die zu einer Dosiserhöhung von
Warfarin führt. Die Beendigung der Therapie mit Rifampicin führt erneut
zu einem verstärkten antikoagulanten Effekt mit Blutungsneigung. Hier ist
besondere Vorsicht geboten.
Glukuronidiertes Phenprocoumon wird über die Galle eliminiert und
durch erneute, teilweise Resorption über den enterohepatischen Kreislauf
wieder dem Kreislauf zugeführt. Anionische Harze, z. B. Cholestyramin®,
binden freies und glukuronidiertes Phenprocoumon.
Tabelle 21.3. Halbwertszeiten oraler Antikoagulanzien beim Menschen
Substanz
Phenprocoumon
Warfarin
Erhaltungsdosis
Halbwertszeit
1–6 mg
2,5–10 mg
160 h
42 h
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Dosierung
Erwachsene. Die Dosierung erfolgt individuell anhand der Prothrombinzeit nach
Quick, die auch als internationale normalisierte Ratio (INR) angegeben wird.
Letztere bietet den Vorteil einer von dem benutzten Wirkstoff unabhängigen
Beschreibung des Effektes. Da alle oralen Antikoagulanzien eine relativ lange
Halbwertszeit besitzen, wird initial höher dosiert als in der Erhaltungstherapie
(Aufsättigungsdosis). Eine Aufsättigung durch initial höhere Dosierungen ist
wegen der langen apparenten Halbwertszeit erforderlich. Für Phenprocoumon ist
als initiale Dosis etabliert: 7–8 Tabletten in den ersten 3 Tagen, 3–4 Tabletten Tag
1, 2 Tabletten Tag 2, 1 Tablette Tag 3, Quick-INR Tag 4. Für Coumadin ist folgende
Standarddosis üblich: 5 mg an Tag 1 und 2, Quick-INR an Tag 3. Die
Erhaltungsdosis orientiert sich an der Prothrombinzeit nach Quick, die in der
Regel 15–30% der Norm (Norm 70–120% des Gerinnungswertes im gesunden
Normalplasma) beträgt. Dies entspricht einem INR von 2,5–4,0. Die mittlere
Dosierung bei Erwachsenen beträgt 1,5–6 mg Phenprocoumon/Tag oder 2–10 mg
Warfarin/Tag. Zur venösen Thromboembolieprophylaxe wird heute die sog.„Lowdose-Antikoagulation“ mit einem Quick-Wert von 25–40% (INR 2,0–3,0) bevorzugt.
Sonderfälle. Orale Antikoagulanzien sind in jedem Fall individuell zu dosieren, da
die interindividuelle Streuung der zu verabreichenden Dosen ausgesprochen hoch
ist. Chronische Lebererkrankungen sowie hohes Lebensalter führen zu einem verlangsamten Metabolismus mit der Notwendigkeit einer Dosisreduktion. Der therapeutische Bereich der Prothrombinzeit nach Quick liegt in der Regel zwischen
15–25% der Norm. Die wöchentliche Dosierung von Phenprocoumon schwankt
von Patient zu Patient zwischen 3–30 mg, die von Warfarin zwischen 6–60 mg
[22–24]. Empfehlungen für Neugeborene und Kleinkinder liegen nicht vor.
Unerwünschte Wirkungen. Die wichtigste unerwünschte Wirkung oraler
Antikoagulanzien ist die Blutungskomplikation. Pro 100 Patientenjahre
treten 20 leichte, 4 mittelschwere und 0,2 tödliche Blutungskomplikationen
auf. Andere seltene Nebenwirkungen sind Allergie, Juckreiz, Haarausfall
und sehr selten toxische Leberschäden, Darmnekrosen und die „Marcumarnekrose“. Cave: Bei einem Protein-C- und Protein-S-Mangel kommt es
zu Beginn der oralen Antikoagulation zu einem verstärkten Abfall dieser
Proteine, sodass eine kurzfristige Hyperkoagulabilität entsteht. Der Abfall
von Protein C und Protein S erfolgt schneller als der der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X aufgrund der kürzeren Halbwertszeit. Die Hyperkoagulabilität führt zu lokalen Thrombosierungen in der peripheren
Strombahn. Die anschließende Hypokoagulabilität verursacht eine
Einblutung in die thrombosierten Gefäßbereiche. Auf diese Weise entsteht
das klinische Bild der Marcumarnekrose. Bei Patienten mit bekanntem
Protein-C- oder Protein-S-Mangel ist daher eine sehr langsame Einstellung auf die Erhaltungsdosis der oralen Antikoagulanzien erforderlich. Bei
diesen Patienten ist überlappende Therapie mit Heparin erforderlich; sie
sollte mindestens 14 Tage betragen. Bei schweren und lebensbedrohlichen
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Blutungskomplikationen erfolgt eine Anhebung der Prothrombinzeit
mittels 2000 Einheiten Prothrombinkomplex (PPSB) als Kurzinfusion
intravenös. Diese Maßnahme ist alle 6–8 h über etwa 48 h nach Maßgabe
des Quickwerts zu wiederholen. Gleichzeitig ist zu Beginn der Therapie
die Gabe von 20 mg Vitamin K per infusionem, subkutan oder per os
erforderlich. Die Nebenwirkungen Allergie und Haarausfall treten bei
einem Patienten nie sowohl unter Gabe von Phenprocoumon als auch
Warfarin auf. Bei Auftreten dieser Nebenwirkungen unter einem der beiden Antikoagulanzien kann daher auf das entsprechende andere Medikament umgesetzt werden.
Arzneimittelinteraktionen. Orale Antikoagulanzien führen aufgrund der hohen Plasmaeiweißbindung zu vielfältigen Interaktionen mit verschiedenen
Pharmaka, die ebenfalls eine hohe Proteinbindung haben (z. B. mit
Indometacin und anderen NSAID). Interaktionen mit zusätzlich verabreichten Medikamenten entstehen durch eine Hemmung der Resorption
(z. B. Cholestyramin), den Metabolismus über das Cytochrom-P450CYP2C9-System (Beschleunigung durch Barbiturate, Aminoglutethimid
oder Rifampicin, Hemmung durch Cimetidin nicht jedoch Ranitidin) und
eine Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs (Bindung der
Gallensäuren [25, 26]). Es bestehen Unterschiede in den Interaktionen der
beiden besprochenen oralen Antikoagulanzien. Während Cimetidin zu
einer Verstärkung des gerinnungshemmenden Effektes von Warfarin
führt, ist dies für Phenprocoumon nicht beschrieben. Die Wirkung der
oralen Antikoagulanzien wird verstärkt und führt zu einer Verlängerung
der Prothrombinzeit nach Quick durch folgende Medikamente:
Amiodaron, Danazol, Acetylsalicylsäure, Azapropazon, Erythromycin,
Cefmandol, Cefperazon, Cefazolin, Latamoxef, Chloramphenicol, Cimetidin (Warfarin) – nicht jedoch Ranitidin, Cyclophosphosphamid, 5-Fluorouracil, Methotrexat, Vincristin, Vindesin, Etoposid, Doxurubicin, Procarbazin, Flutamide, Clofibrat, Bezafibrat, Glucagon, Piroxicam, Ketoconazol,
Miconazol, Metronidazol (Warfarin), anabole Steroide, Nalidixinsäure,
Cotrimoxazol, Sulfonamide (Warfarin), Tamoxifen, Thyroxin.
Die Wirkung der oralen Antikoagulanzien wird vermindert und führt
zu einer Verkürzung der Prothrombinzeit nach Quick (Erhöhung des
Quickwertes in %) durch folgende Medikamente:
Aminoglutethimid, Rifampicin, Barbiturate, Carbamazepin, Colestyramin, Spironolakton, Gluthetimid, Haloperidol, Vitamin K.
Schwangerschaft und Laktation. Orale Antikoagulanzien führen im ersten Trimenon der Schwangerschaft, d. h. zwischen der 6.–14. Schwangerschaftswoche zu einer Hemmung der Vitamin-K-abhängigen Enzyme des Knochenstoffwechsels. Es sind daher Missbildungen von Knorpel und Knochen
(Chondrodysplasie) beschrieben worden. In dieser Zeit müssen daher Heparine zur Thromboseprophylaxe verabreicht werden. Sechs Wochen vor
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Beendigung der Schwangerschaft sollen orale Antikoagulanzien wieder
abgesetzt werden, um Einblutungen in die Plazenta zu vermeiden. Während der übrigen Zeit der Schwangerschaft können orale Antikoagulanzien
bei entsprechender Indikation zur Thromboseprophylaxe eingesetzt werden. Während der Laktation dürfen orale Antikoagulanzien nicht verabreicht werden, da sie in die Muttermilch übertreten und aus dem
Magendarmkanal des Neugeborenen resorbiert werden [27].
Hinweise und Pat ienteninfor mat ionen
Alle Patienten, die eine orale Antikoagulation erhalten, sollten einen
Ausweis mit sich führen, in dem die Tagesdosis und die Prothrombinzeitwerte festgehalten sind. Gefährdet für Nebenwirkungen sind insbesondere Patienten, bei denen anamnestisch medikamentös induzierte
Blutungen oder Organblutungen stattgefunden haben (Magenulkus,
Darmblutungen, Urolithiosis, Zystitis). Die erhöhte Gefahr einer Blutung
besteht bei einer Kombination mit nichtsteroidalen Antirheumatika und
anderen Medikamenten, die den Metabolismus der oralen Antikoagulanzien beeinflussen (s. Abschnitt Interaktionen). Innerhalb der ersten
drei Monate sollte nach einer Blutung infolge der Gabe oraler Antikoagulanzien mit Heparinen antikoaguliert werden, bei intrazerebralen
Blutungen über einen Zeitraum von 6 Monaten. Ein wichtiger Hinweis
bezieht sich auf die Beeinflussung der Gerinnungswerte unter Phenprocoumon und Warfarin durch Lebensmittel. Vitamin-K ist als Antagonist
von oralen Antikoagulanzien in folgenden Lebensmitteln enthalten:
Leber, Spinat, Spargel u. a. m. Wichtig ist eine regelmäßige und gleichmäßige Ernährung der Patienten, um die Wirkung der oralen Antikoagulanzien durch Ernährungsumstellungen nicht zu beeinflussen. Der
Gehalt an Vitamin-K in wichtigen Lebensmitteln ist in Tabelle 21.4 dargestellt.
Eine Kombination oraler Antikoagulanzien mit weiteren gerinnungshemmenden Pharmaka oder Acetylsalicylsäure führt zu einer deutlichen
Erhöhung des Blutungsrisikos. Diese Kombinationen sollten nur unter
Kontrolle entsprechend ausgewiesener Fachärzte (Hämostaseologen) erfolgen.
Spezielle Patientengruppen:
1. Eine Überlappung der Therapie von niedermolekularem Heparin
und oralen Antikoagulanzien gehört zum Standard der Rezidivprophylaxe thromboembolischer Erkrankungen. Die orale Antikoagulation wird innerhalb der ersten Woche unter der Therapie mit
niedermolekularen Heparinen/Heparinen begonnen. Dosierung der
oralen Antikoagulanzien s. oben. Bei Erreichen des INR-Wertes innerhalb des therapeutischen Bereiches (INR 2–3) muss dieser an
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einem zweiten Tag ebenfalls innerhalb des therapeutischen Bereiches
liegen. Erst dann kann die Therapie mit Heparin/niedermolekularen
Heparinen beendet werden.
2. Bei dem Absetzen der oralen Antikoagulation für chirurgische Eingriffe o. Ä. ist bei Erreichen eines INR von 2,0 mit Heparin/niedermolekularem Heparin zu beginnen. Die Dosierung richtet sich nach
der Indikation. Meist werden 50–75% der therapeutischen Dosis von
Heparin/niedermolekularem Heparin verwendet, da kein akutes
thromboembolisches Ereignis vorliegt.
3. Bei Kontraindikation für orale Antikoagulanzien kann eine längerfristige Rezidivprophylaxe mit niedermolekularem Heparin durchgeführt werden. Die Dosierung beträgt 50–75% der therapeutischen
Dosierung (s. dort). Die Dauer entspricht der Rezidivprophylaxe mit
oralen Antikoagulanzien. Spezielle Gerinnungskontrollen der Antifaktor-Xa-Aktivität sind durch einen entsprechenden Facharzt erforderlich.
4. Während der Schwangerschaft und Laktation (s. dort) können Heparine und insbesondere niedermolekulare Heparine subkutan alternativ zur oralen Antikoagulation verabreicht werden. Insbesondere bei
gleichzeitig vorliegenden vererbten Gerinnungsstörungen sind spezielle Therapieerfahrungen erforderlich.
Fibrinolytika
Klinische Pharmakologie. Fibrinolytisch wirksame Substanzen sind Streptokinase (z. B. Kabikinase®), Urokinase (z. B. Actosolv®), anisoylierter Plasminogen-Streptokinase-Aktivator-Komplex (APSAC), (Eminase®), rekombinanter Gewebe-Plasminogen-Aktivator (rt-PA) (Actilyse®) (Tabelle 21.5).
Antifibrinolytika sind Aprotinin, (Trasylol®) und Tranexamsäure (z. B.
Anvitoff®). Streptokinase benötigt zur Wirkung Plasminogen als Koenzym. Gleichzeitig wird Plasminogen als Substrat für den StreptokinasePlasminogen-Komplex benötigt. Eine hohe Streptokinasedosis bindet
daher viel Plasminogen, sodass eine geringe fibrinolytische Wirkung
resultiert. Bei niedriger Streptokinasedosis wird viel Plasminogen in Plasmin umgewandelt [28]. Urokinase aktiviert hingegen direkt Plasminogen
zu Plasmin, sodass ein dosisabhängiger fibrinolytischer Effekt entsteht.
Rekombinanter Gewebe-Plasminogen-Aktivator (rt-PA) aktiviert an
Thrombin gebundenes Plasminogen zu Plasmin. Im Plasma wird Plasmin
direkt von α-2-Antiplasmin neutralisiert. Dies unterbleibt bei der fibringebundenen Umwandlung von Plasminogen in Plasmin durch rt-PA. Die
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Tabelle 21.4. Vitamin K-Gehalt wichtiger Lebensmittel
100 g enthalten
Vitamin K (mg)
Hühnerei, ganz
Kuhmilch
Leber (Dorsch, Kabeljau)
Leber (Rind, Ochse, Schaf, Kalb)
Leber (Schwein)
Muskel (Rind, Schaf, Schwein)
Erbsen, Bohnen
Erdbeeren, Hagebutten
Kartoffeln
Kohlsorten (frisch, Wirsing-,
Rosen-, Blumen- und Grünkohl)
Spinat, frisch
Tomaten
0,05
0,004
0,1
0,3
0,03
0,2
0,02
0,01
0,05
0,2
0,4
0,008
Tabelle 21.5. Klinisch pharmakologische Daten von Fibrinolytika
Eigenschaften
Streptokinase
Urokinase
t-PA
Herstellung
Hämolysierende
Streptokokken
Urin oder fetales
Nierengewebe
Rekombinante
Gentechnologie
Molekulargewicht
47.000
54.000
60.000
Wirkungsmechanismus
Komplexbildung Aktivierung von
mit Plasminogen Plasminogen
Aktivierung
fibringebundenen
Plasminogens
Halbwertszeit
15 min
15 min
3–4 min
Initialdosis
250.000 IE
250.000 IE
ca 15 mg
Erhaltungsdosis
Abhängig von der klinischen Indikation
Wirkung von APSAC führt zu einer direkten Aktivierung von Plasminogen
zu Plasmin. Es handelt sich bei diesem Komplex um eine Bindung von
Streptokinase an Plasminogen, sodass ein dosisabhängiger Effekt wie bei
der Urokinase entsteht. Die Indikationen der Thrombolytika sind die tiefe
Beinvenenthrombose (Dauer des Bestehens bis zu 10 Tagen), die schwere
Lungenembolie, der frische Herzinfarkt (Dauer des Bestehens nicht länger
als 6 h), die periphere arterielle Embolie und die lokale Lyse peripherer
arterieller Thrombosen. Andere, spezielle Indikationen wie instabile
Angina pectoris und zerebrale Embolien werden derzeit klinisch geprüft.
Pharmazeutische Zubereitung. Streptokinase: 100.000, 150.000, 750.000, 1,5 Mio
IE als Trockensubstanz, Urokinase: 100.000, 500.000 IE als Trockensub-
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stanz, APSAC: 30 mg als Trockensubstanz, rt-PA: 10, 20, 50 mg als Trockensubstanz.
Pharmakokinetik. Die Eliminationshalbwertszeiten der Streptokinase,
Urokinase und von rt-PA sind mit 15 min, 15 min und 4–5 min sehr kurz
(Tabelle 21.5). Dies liegt zum einen an der unmittelbaren Bindung an
Plasminogen und zum anderen an der Neutralisierung durch α-2-Antiplasmin bzw. Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 und 2. Metabolismus/Exkretion: Die Substanzen werden schnell in der Leber metabolisiert und in
Metabolitenform renal durch glomeruläre Filtration ausgeschieden
[29–31]. Der Komplex aus modifiziertem Plasminogen und Streptokinase
(APSAC) führt zu einer längeren Halbwertszeit, da der Komplex nicht neutralisiert und langsamer eliminiert wird.
Dosierung
Erwachsene. Aufgrund physiologischer Inhibitoren (α-2-Antiplasmin u. a.) sowie
eines physiologischen Antistreptokinasetiters werden Streptokinase und Urokinase mit 250.000 Einheiten initial per infusionem über 30 min dosiert.
Anschließend werden 100.000 Einheiten pro Stunde bei tiefer Venenthrombose
und Lungenembolie infundiert. Bei akutem Myokardinfarkt wird Streptokinase
mit 1,5 Mio Einheiten über 90 min gegeben. Bei ultrahoher Kurzzeitlyse der tiefen
Venenthrombosen werden 9 Mio Einheiten Streptokinase über 6 h/Tag für maximal 4 Tage verabreicht. APSAC wird bei akutem Myokardinfarkt mit 90 mg als
Bolusinjektion appliziert. rt-PA wird mit 10–20 mg als Initialdosis im Bolus intravenös und anschließend mit 10 mg/h über 60–90 min infundiert. Die Dosierungen
von APSAC und rt-PA zur Behandlung der tiefen Venenthrombose und der
Lungenembolie werden derzeit klinisch geprüft.
Die Dosisadaptierung erfolgt anhand der Gerinnungswerte bei der Behandlung der tiefen Venenthrombose und Lungenembolie. Richtwerte sind ein Fibrinogen (nach Clauss) zwischen 50–100 mg% und eine Verlängerung der PTT und
Thrombinzeit auf das 2- bis 3fache der Norm. Unter APSAC fällt Fibrinogen leicht,
unter rt-PA praktisch nicht ab. Die Dosierung des ggf. zusätzlich zu verabreichenden Heparins richtet sich nach den gemessenen Werten des Fibrinogens. Bei
gleichzeitiger rt-PA-Gabe werden initial 30.000 Einheiten Heparin verabreicht. Bei
der Therapie der Venenthrombose wird Streptokinase kombiniert mit ca. 15.000
Einheiten Heparin/24 h und Urokinase mit 30.000 IE Heparin/24 h. Diese Dosierungsrichtlinien gelten auch für Kinder.
Sonderfälle. Bei kurzfristiger Therapie (Herzinfarkt) ist unter der Behandlung
kein Drug Monitoring erforderlich. Bei einer längerfristigen Behandlung über 6 h
(ultrahohe Kurzzeitlyse mit Streptokinase) oder bei der Therapie einer tiefen
Venenthrombose bzw. Lungenembolie sowie bei der arteriellen Verschlusskrankheit ist ein Drug Monitoring erforderlich. Dies besteht in der Bestimmung von
Fibrinogen, aPTT, Thrombinzeit und fakultativ von Reptilasezeit, Thrombinkoagulasezeit, Fibrinmonomer und Antithrombin. Die therapeutischen Bereiche für
Streptokinase und Urokinase bei der tiefen Venenthrombose sind: Fibrinogen
50–100 mg%, aPTT und die Thrombinzeit sollten auf das 2- bis 3fache der Norm
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verlängert sein. Bei akutem Myokardinfarkt fällt unter Streptokinase das Fibrinogen ab und steigt innerhalb von 4–24 h an. Sobald Fibrinogen über 100 mg%
liegt, wird hochdosiert mit Heparin (30.000 IE/24 h) behandelt. Bei APSAC kann
es zu einem mittelgradigen Abfall des Fibrinogen kommen, sodass mit Heparin
30.000 IE bei einem Fibrinogenspiegel über 100 mg% behandelt wird. Unter rt-PA
fällt das Fibrinogen nur unwesentlich ab, sodass gleich zu Beginn der Behandlung
hochdosiert mit Heparin (30.000 IE/24 h) therapiert wird.
Die gleichzeitige Heparingabe ist bei allen Substanzen im Rahmen der längerfristigen Therapie von Venenthrombosen und Lungenembolien erforderlich.
Bei chronischen Lebererkrankungen und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist mit vermehrten Blutungskomplikationen zu rechnen. Diese beruhen
vor allem auf den Störungen der Hämostase durch die hepatogene und die renale
Beeinflussung der Hämostase (einschließlich Thrombozytenfunktion). Aufgrund
der Zunahme der Blutungskomplikationen im Alter sollte eine Fibrinolysetherapie nur bis zu einem Alter von 65 oder 70 Jahren durchgeführt werden. Die
Notwendigkeit zur Dosisanpassung bei der Therapie des akuten Myokardinfarktes
mit Kurzzeitlyse besteht nicht.
Unerwünschte Wirkungen. Die wichtigsten Nebenwirkungen aller fibrinolytisch wirksamen Substanzen sind die Blutungskomplikationen. Tödliche
Blutungen nehmen mit zunehmendem Alter zu und sind vorwiegend zerebral lokalisiert. Unter Streptokinase und rt-PA treten tödliche Blutungskomplikationen in etwa 0,3–0,5% der Patienten auf. Unter APSAC und
Urokinase beträgt deren Inzidenz etwa 0,3%. Schwere Blutungskomplikationen finden sich außer im ZNS retroperitoneal, intrahepatisch und im
Gastrointestinaltrakt [32].
Wichtig ist zur Reduzierung der Häufigkeit der Blutungskomplikationen eine exakte Anamneseerhebung mit Berücksichtigung einer vorbestehenden hämorrhagischen Diathese und potentieller Blutungsquellen.
Da die Entscheidung zur Durchführung einer Fibrinolysetherapie schnell
zu erfolgen hat, können in der Regel technische Untersuchungen zum
Ausschluss potentieller Blutungsquellen oder die Spiegelung des Augenhintergrundes nicht durchgeführt werden. Das ABC der Kontraindikationen lautet:
Kontraindikationen der Fibrinolysetherapie
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Aneurysmen, bekannte
Blutdruckwerte >200 mmHg systolisch, >100 mm Hg diastolisch
Cerebrovaskulärer Insult innerhalb der letzten 3 Monate
Diabetes mellitus, schlecht eingestellt
Epilepsie
Frühschwangerschaft
Gefäßpunktionen, arterielle
Hämorrhagische Diathese
Intestinale Blutungen
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Konsumierende Allgemeinerkrankung
Leberinsuffizienz, schwere
Malignome im Endstadium
Niereninsuffizienz, schwere
Operation innerhalb der letzten 8–10 Tage
Pankreatitis, akute
Reanimation innerhalb der letzten 4 Wochen
Sepsis
Tuberkulose
Ulcera ventriculi
Vorhofflimmern
Zerebralsklerose, schwere
Unter Streptokinase und APSAC kann es zu Fieberreaktionen mit Schüttelfrost aufgrund einer allergischen Reaktion gegen die aus Streptokokken
gewonnene Streptokinase kommen. Gelegentlich bzw. im Zweifelsfall wird
aus diesen Gründen mit 250 mg Cortison intravenös vorbehandelt. Weiterhin können Nausea, Cephalgien und Myalgien auftreten. Ein QuinckeÖdem bzw. anaphylaktische Reaktionen sind sehr selten. Unter Urokinase
kann es zu einem Bronchospasmus und zu Exanthemen kommen (Antigen). Antikörperreaktionen treten nicht auf. Auch bei rt-PA-Gabe wurden
allergische Reaktionen bisher nicht beobachtet.
Antidote bei Blutungskomplikationen sind Aprotinin 4-mal 500.000 Einheiten/24 h über 4 Tage als Kurzinfusion intravenös allein oder in Kombination mit Tranexamsäure 4-mal 500 mg/24 h über 2 Tage.
Arzneimittelinteraktionen. Unerwünschte Arzneimittelinteraktionen von
Fibrinolytika mit zusätzlich verabreichten Pharmaka sind nicht bekannt.
Additive Effekte bestehen bei gleichzeitiger Verabreichung weiterer Antikoagulanzien; deren Effekte müssen, wie oben beschrieben, kontrolliert
werden. Die gleichzeitige Verabreichung von Medikamenten mit ulzerogener Wirkung sollte klinisch streng indiziert sein und überwacht werden.
Allerdings gehört die Gabe von Acetylsalicylsäure im Initialstadium des
Herzinfarktes zur Standardtherapie.
Schwangerschaft und Laktation. In den ersten 18 Schwangerschaftswochen
kann die Anwendung von Fibrinolytika zu einer Ablösung der Plazenta
führen. Daher sollte in diesem Zeitraum keine Fibrinolysetherapie durchgeführt werden. Das erhöhte Blutungsrisiko ist auch in der späten Schwangerschaft eine potentielle Gefahr. Die Fibrinolytika sind daher nach der 18.
Schwangerschaftswoche nur nach sorgfältiger Abwägung anzuwenden.
Die Fibrinolytika sind, selbst wenn sie nur in geringer Menge in der
Muttermilch übertreten, für das Kind unschädlich, weil sie im Gastrointestinaltrakt nicht in wirksamer Menge resorbiert werden. Auch für die Antifibrinolytika liegen keine Berichte über Schäden beim gestillten Kind vor.
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Hinweise und Pat ienteninfor mat ionen
Nach einer Therapie mit Streptokinase oder APSAC kommt es zu einer
Antikörperbildung mit Nachweis eines Antistreptokinasetiters. Dieser
fällt langsam über einen Zeitraum von 6 Monaten ab. Eine erneute Behandlung mit Streptokinase kann daher erst nach diesem Zeitraum
durchgeführt werden. Stattdessen sind Gaben von Urokinase und rt-PA
bei rezidivierenden Gefäßverschlüssen jederzeit in diesem Zeitraum
nach Gabe von Streptokinase oder APSAC möglich. Bei stattgehabten
Blutungskomplikationen unter einer Fibrinolysetherapie hat deren erneute Durchführung unter besonders strenger Indikationsstellung zu
erfolgen. Eine Information des Hausarztes über Blutungskomplikationen nach stattgehabter Fibrinolysebehandlung ist erforderlich.
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