Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Vorlesung WS 2012/2013 Biosignale und Benutzerschnittstellen Statistik und Versuchsplanung Prof. Dr. Tanja Schultz Dipl. Math. Michael Wand 1 / 76 Fragestellung dieser Vorlesung Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Folgende Themen haben wir bisher behandelt: • Biologische Grundlagen und Entstehung der verschiedenen Biosignale • Ableitung/Messung von Signalen • Algorithmische Grundlagen der Biosignalverarbeitung Jetzt nehmen wir an, wir haben diese Kenntnisse benutzt, um ein Experiment durchzuführen. • Wir haben eine Reihe von Daten aufgenommen. • Wir haben diese Daten nach einer gewissen Methode klassifiziert und haben beispielsweise Zahlenreihen von Erkennungsergebnissen o. ä. vorliegen. Was ist nun der nächste Schritt? 2 / 76 Auswertung eines Versuchs Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Wir sollten die Ergebnisse unseres Experiments statistisch auswerten! • Ist unser Erkennungsergebnis signifikant besser als ein Zufallsergebnis, bzw. besser als schon bekannte Verfahren? • Welche Aussagen können wir über die Genauigkeit unserer Ergebnisse treffen? • Was können wir aus den Ergebnissen schließen? • Können wir Aussagen über die Generalisierbarkeit der Ergebnisse treffen? 3 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Statistik und Versuchsplanung Die Beantwortung dieser Fragen ist Gegenstand der Statistik. In dieser Vorlesung wollen wir: • eine kurze Einführung in die Statistik geben • Fragestellungen der Statistik erläutern • einen statistischen Test vorstellen • ein Rechenbeispiel durchrechnen. • Außerdem: Wie muss ein Versuch aufgebaut werden, um auch gültige Ergebnisse liefern zu können? Welche Entscheidungen muss man vor Beginn des Versuchs treffen? 4 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Literatur Jürgen Bortz: Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. 6. Auflage Springer Verlag, 2005 http://en.wikipedia.org/wiki/Statistical_hypothesis_testing Gute Einführung in das Thema, mit Hintergrundinformationen und auch Methodenkritik. 5 / 76 Übersicht Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik • Erinnerung: Elemente der Wahrscheinlichkeitstheorie • Stichproben und Konfidenzintervalle • Der t-Test • Der Kolmogorov-Smirnov-Test • Bemerkungen zur Versuchsplanung 6 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Zufallsexperimente Betrachten wir ein Zufallsexperiment, etwa den Wurf einer Münze. Der Wahrscheinlichkeitsraum der möglichen Ausgänge dieses Experiments ist der Raum Ω = {Kopf, Zahl}. Auf Ω existiert eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, die Wahrscheinlichkeiten der möglichen Ausgänge des Zufallsexperiments beschreibt. Bei einer fairen Münze gilt etwa P(∅) = 0 P({Kopf}) = P({Zahl}) = 1/2 P(Ω) = 1. Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ordnet jeder Teilmenge des Wahrscheinlichkeitsraumes eine Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 1 zu. 7 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Zufallsvariablen Eine Zufallsvariable (ZV) X ordnet den Ausgängen eines Zufallsexperiments reelle Zahlen (oder auch Vektoren des Rn ) zu. Beispiel: Jemand wettet um einen Euro, dass eine geworfene Münze “Kopf” zeigt. Dann wäre eine nützliche Zufallsvariable gegeben durch X :Ω→R Kopf 7→ 1 Zahl 7→ −1, also durch den Gewinn in Euro bei dem entsprechenden Ereignis. Die Verteilung auf Ω überträgt sich auf R. 8 / 76 Diskete und kontinuierliche Zufallsvariablen Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Verteilung einer ZV X kann • diskret sein, dann ist die Wahrscheinlichkeitsmasse auf höchstens abzählbar unendlich viele Punkte x1 , x2 , . . . des Rn verteilt • kontinuierlich sein, dann ist die Wahrscheinlichkeitsmasse auf ein ganzes Intervall verteilt. Im ersten Fall kann die Verteilung durch die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Punkte charakterisiert werden, also P(xi ) = pi , im zweiten Fall kann man (oft) eine Dichtefunktion p angeben, dann gilt für A ⊂ R: Z P(A) = p(x)dx A 9 / 76 Erwartungswert Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Der Erwartungswert einer Zufallsvariablen ist folgendermaßen definiert: • Im diskreten Fall, wenn X die Werte xi mit Wahrscheinlichkeiten pi annimmt: X X xi P(X = xi ) µ = E (X ) = xi pi = i i • Im kontinuierlichen Fall: Z x · p(x)dx. µ = E (X ) = R Ist X die Summe von Zufallsvariablen Xi , so ist der Erwartungswert von X auch P die Summe der Erwartungswerten der einzelnen Xi : P X = i Xi ⇒ E (X ) = i E (Xi ). 10 / 76 Schätzung des Erwartungswerts aus einer Stichprobe Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik • Betrachten wir eine Stichprobe x1 , x2 , . . . , xN . • Wir nehmen an, dass alle diese Werte xi unabhängige Realisationen einer gewissen Zufallsvariablen X sind! • Wie können wir aus dieser Stichprobe eine möglichst genaue Approximation (Schätzung) des Erwartungswertes von X gewinnen? • Welches Kriterium soll ein solcher Schätzer überhaupt erfüllen? 11 / 76 Schätzung des Erwartungswerts aus einer Stichprobe Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Man kann zeigen: Der Stichprobenmittelwert N 1 X x̄ = xi N i=1 der Stichprobe ist eine sehr nützliche Schätzung des Erwartungswertes: • Dies ist der Maximum-Likelihood-Schätzer: Diese Wahl des Stichprobenmittelwerts maximiert die Wahrscheinlichkeit der beobachteteten Daten (also der Stichprobe). • Diese Schätzung ist erwartungstreu: Im Mittel wird der “echte” Erwartungswert weder über- noch unterschätzt. • Die Schätzung ist auch konsistent: Das Gesetz der großen Zahlen sichert in vielen Fällen zu, dass der Stichprobenmittelwert bei wachsender Stichprobengröße gegen den Erwartungswert konvergiert. Wir werden der Mittelwertsschätzung wieder begegnen, wenn wir Konfidenzintervalle betrachten. 12 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Varianz Ist µ = E (X ) der Erwartungswert einer reellen Zufallsvariablen, so ist die Varianz durch σ 2 = Var (X ) = E ((x − µ)2 ) definiert. Direkte Formeln lassen sich wieder für den kontinuierlichen und den diskreten Fall angeben: X σ 2 = Var (X ) = (xi − µ)2 pi bzw. σ 2 = Var (X ) = Zi (x − µ)2 p(x)dx. R 13 / 76 Varianz Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Varianz gibt die “Streuung” einer Zufallsvariablen an. Das Bild zeigt zwei Gaussdichtefunktionen mit unterschiedlichen Varianzen. Die Form der Verteilungen bleibt gleich, aber die grün eingezeichnete Verteilung ist viel “ausgebreiteter”. Die Quadratwurzel der Varianz heißt Standardabweichung: p σX = Var (X ). 14 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Varianzschätzung Auch die Varianz einer Verteilung kann man aus einer Stichprobe abschätzen. Die naheliegende Formel σ̂X2 ,ML N 1 X = (xn − x̄)2 N n=1 ist zwar der Maximum-Likelihood-Schätzer, führt aber dazu, dass die echte Varianz unterschätzt wird. Das heißt, dieser Schätzer ist nicht erwartungstreu, das heißt, dass sein Erwartungswert nicht gleich der (wahren) Varianz der Population ist, sondern davon abweicht (Bias). (Trotzdem kann man ihn für gewisse Zwecke verwenden.) 15 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Varianzschätzung Um die Varianz erwartungstreu zu beheben, muss das Ergebnis noch mit N N−1 multipliziert werden, das heißt, der übliche Schätzer für die Varianz einer ZV ist die korrigierte Stichprobenvarianz N σ̂X2 1 X = (xn − x̄)2 . N −1 n=1 Wir haben also gelernt: Korrektes Schätzen ist nichttrivial, es gibt unterschiedliche Ansätze mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen! 16 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Typische Verteilungen Als nächstes besprechen wir einige häufig auftretende Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die in der Statistik eine Rolle spielen, nämlich die: • Gleichverteilung • Normalverteilung Außerdem besprechen wir Verteilungen, die im Wesentlichen bei Hypothesentests verwendet werden: • χ2 -Verteilung • t-Verteilung 17 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Gleichverteilung Die Gleichverteilung kann sowohl eine diskrete als auch eine kontinuierliche Verteilung sein. Im diskreten Fall haben alle (endlich vielen) möglichen Ergebnisse x1 , . . . , xN des Zufallsexperiments die gleiche Wahrscheinlichkeit, also pi = P(xi ) = 1/N, im kontinuierlichen Fall ist die Dichtefunktion auf einem endlich großen Intervall konstant. Die Grundidee der Gleichverteilung ist es, dass es keine “Präferenz” für ein gewisses Ergebnis eines Experiments gibt. 18 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Normalverteilung Die Normalverteilung kennen wir aus sehr vielen Anwendungsgebieten. Sie ist eine kontinuierliche Verteilung. Im eindimensionalen Fall hat sie die Dichtefunktion ! 1 x −µ 2 1 . f (x) = √ exp − 2 σ σ 2π Ihre besondere Bedeutung für die Statistik kommt vom zentralen Grenzwertsatz, der besagt, dass der Mittelwert bzw. die Summe von vielen unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen annähernd standardnormalverteilt ist. Zwei Normalverteilungen sind in der Grafik abgebilet. 19 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Normalverteilung Ein Hilfsmittel zur Veranschaulichung der Normalverteilung und des zentralen Grenzwertsatzes ist das Galtonsche Nagelbrett. Man sieht auf dem Bild, wie Kugeln in sieben Trichter rollen. Auf dem Weg wird jede Kugel von sechs Nägeln zufällig nach rechts oder links abgelenkt. Wenn die Trichter von links nach rechts mit 0, 1, . . . , 6 =: k durchnummeriert sind, so fällt eine Kugel genau dann in Trichter `, wenn sie `-mal nach rechts und 6 − `-mal nach links abgelenkt wurde. 20 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Normalverteilung Durch Abzählen sieht man, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kugel in Trichter `, 0 ≤ ` ≤ k fällt, sich ergibt zu k 1 p` = · k. ` 2 Eine solche diskrete Verteilung heißt Binomialverteilung. Können Sie erkennen, dass die “Form” der Binomialverteilung einer Normalverteilung ähnelt? Je mehr Trichter (und Nagelreihen) man verwendet, desto größer wird die Ähnlichkeit 21 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Normalverteilung Es gibt auch ein Argument, warum die Verteilung der Kugeln auf die Trichter annähernd eine Normalverteilung ist. Seien Xi (i = 1, . . . , 6) ZVen, die den Wert 0[1] annehmen, wenn eine Kugel in Nagelreihe i nach links[rechts] abgelenkt wurde (an welchem der Nägel genau, ist völlig egal). Sind die Nägel immer zentriert angebracht, so ist P(Xi = 0) = P(Xi = 1) = 0.5. 22 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Normalverteilung Ist Y eine ZV, die die Nummer des Trichters angibt, in den eine Kugel fällt, so ist Y die Summe der (voneinander unabhängigen, identisch verteilten) Xi : Y = X1 + . . . + Xk und somit annähernd normalverteilt. Je mehr Xi (also je mehr Trichter und Nagelreihen) man hat, desto genauer wird die Normalverteilung approximiert. 23 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Eigenschaften der Normalverteilung • Die Normalverteilung wird durch Mittelwert µ und Varianz σ 2 vollständig beschrieben. Man schreibt für eine normalverteilte Zufallsvariable X : X ∼ N (µ, σ 2 ). • Eine Normalverteilung mit Mittelwert 0 und Varianz 1 nennt man auch Standardnormalverteilung. • Für eine standardnormalverteilte ZV verwendet man oft das Symbol z: Also z ∼ N (0, 1). • Jede normalverteilte ZV X lässt sich durch Normierung in eine standardnormalverteilte ZV z überführen (z-Transformation): z= X −µ σx 24 / 76 Die Chi-Quadrat-Verteilung Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Ist z eine standardnormalverteilte ZV, so ist ihr Quadrat χ21 -verteilt: χ21 = z 2 Die Zahl 1 gibt die Anzahl der Freiheitsgrade (df, degree of freedom) der Chi-Quadrat-Verteilung an. Summieren wir die Quadrate von df unabhängigen, standardnormalverteilten Zufallsvariablen auf, erhalten wir eine χ2 -verteilte ZV mit df Freiheitsgraden: χ2df = df X zn2 n=1 Die rechte Grafik zeigt die Form der Chi-Quadrat-Verteilung für verschiedene Freiheitsgrade. 25 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die t-Verteilung Aus einer standardnormalverteilten ZV wird ein z-Wert gezogen, und aus einer hiervon unabhängigen χ2df -verteilten ZV wird ein χ2df -Wert gezogen. Der folgende Quotient definiert einen tdf -Wert: z tdf = q χ2df /df Die Verteilung dieser ZV heißt t-Verteilung mit df Freiheitsgraden. Die t-Verteilung wird uns später bei der Definition des t-Tests wieder begegnen. 26 / 76 Übersicht Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik • Erinnerung: Elemente der Wahrscheinlichkeitstheorie • Stichproben und Konfidenzintervalle • Der t-Test • Der Kolmogorov-Smirnov-Test • Bemerkungen zur Versuchsplanung 27 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Stichproben Nehmen wir nun an, wir haben eine Population von beliebigen Objekten, die alle ein Merkmal x aufweisen. Wir wollen der Einfachheit halber davon ausgehen, dass sich dieses Merkmal als einzige reelle Zahl beschreiben lässt. Dabei kann diese Zahl sowohl kontinuierliche als auch diskrete Werte annehmen. Beispiele: • Das monatliche Einkommen von Bevölkerungsgruppen (kontinuierlich) • Die Wirksamkeit eines Medikaments (diskret – entweder 0 oder 1) • Die Fehlerrate bei einem Biosignalexperiment am CSL (kann kontinuierlich oder diskret sein) Wir wollen nun den Mittelwert dieses Merkmals bezogen auf die gesamte Population bestimmen. Warum ist das schwierig? 28 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Stichproben Warum können wir den Mittelwert eines Merkmals nicht einfach ausrechnen? I Weil viel zu viele Daten zu betrachten sind. Beispiel: Wirksamkeit eines Medikaments, sagen wir, gegen Bluthochdruck • In D ca. 15 Mio. Menschen betroffen (http://de.wikipedia.org/wiki/Arterielle_Hypertonie) • Diese 15 Mio. Menschen bilden die Population • Medikament an jedem einzelnen ausprobieren??? 29 / 76 Stichproben Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Noch ein Beispiel: Fehlerrate eines Spracherkenners • Wie viele mögliche Sprachäußerungen gibt es eigentlich? • Nehmen wir eine Vorverarbeitung mit 13 Cepstralkoeffizienten, 100 Frames/Sekunde, jeder Koeffizient möge 256 verschiedene Werte annehmen können • Bei Äußerungen von 5 Sekunden Dauer 25613·100·5 unterschiedliche Tokenfolgen???! Auf jeden Fall kann man nicht jedes einzelne Experiment durchführen. Man ist also auf eine Stichprobe angewiesen. 30 / 76 Stichproben Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Eine Stichprobe sollte die Population möglichst gut repräsentieren. • Medizin: Möglichst große Bandbreite der Probanden z.B. bezüglich Vorerkrankungen, Alter etc. • In der Spracherkennung: Möglichst viele verschiedene Sprachaufnahmen, unterschiedliche Sprecher, ... (“Zufallsstichprobe”) • Nehmen wir also an, wir haben eine zufällige Stichprobe der Größe N aus der Population gezogen. Dann haben wir die N Merkmalswerte x1 , . . . , xN . Wir interessieren uns für den Mittelwert µ des Merkmals innerhalb der Gesamtpopulation. 31 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Stichproben Auf unserer Stichprobe können wir nun den Mittelwert x̄ = Merkmals ausrechnen: Noch einmal zur Erinnerung: 1 N PN i=1 xi des • µ = Mittelwert des Merkmals in der Gesamtpopulation • x̄ = Mittelwert des Merkmals in der Stichprobe Wie stehen µ und x̄ in Beziehung? Um diese Frage zu beantworten, machen wir ein Gedankenexperiment und ziehen noch eine weitere gleichgroße Zufallsstichprobe. Dann erhalten wir einen neuen Mittelwert x̄ 0 , der wahrscheinlich etwas von x̄ abweicht, aber doch auch mit x̄ und µ zusammenhängt. 32 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Stichprobenkennwerteverteilung Die entscheidende Beobachtung: Das Ziehen einer (Zufalls-)Stichprobe ist selbst ein Zufallsexperiment! Folglich ist der Stichprobenmittelwert x̄, der durch die Gleichung N 1 X x̄ = xi N i=1 geschätzt wird, eine Realisierung einer ZV X̄ ! Die Stichprobenkennwerteverteilung ist die (theoretische) Verteilung, die sich ergibt, wenn man Stichproben fester Größe aus der Population zieht und jedes Mal den Kennwert (hier Stichprobenmittelwert) berechnet. 33 / 76 Die Stichprobenkennwerteverteilung Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Welche Verteilung hat X̄ ? • Man kann zeigen: Der Erwartungswert von X̄ entspricht genau dem Mittelwert µ des Merkmals x in der Gesamtpopulation. • Die Schätzung von µ durch die Gleichung oben ist also erwartungstreu. Welche weiteren Eigenschaften hat X̄ ? • Die Standardabweichung σx̄ von X̄ verringert sich mit zunehmendem Stichprobenumfang (wer weiß, warum?). • Außerdem ist σx̄ offenbar von der (möglicherweise unbekannten) Streuung σ des Merkmals x in der Gesamtpopulation abhängig. 34 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Stichprobenkennwerteverteilung Die Standardabweichung von X̄ lässt sich berechnen durch r σ2 . σx̄ = N Dabei ist σ die Standardabweichung des Merkmals in der Gesamtpopulation. Das heißt, die Streuung von σx̄ nimmt mit der Quadratwurzel der Stichprobengröße ab. Wenn σ unbekanntPist, kann man es ebenfalls abschätzen (hatten wir N 1 2 vorhin: σ̂ 2 = N−1 i=1 (xi − x̄) ), und wir erhalten schließlich für σx̄ die Abschätzung sP N 2 i=1 (xi − x̄) σ̂x̄ = . N · (N − 1) 35 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Stichprobenkennwerteverteilung Wie genau sieht die Verteilung von X̄ denn nun aus? Der zentrale Grenzwertsatz der Wahrscheinlichkeitstheorie besagt, dass sich die Verteilung von X̄ bei genügender Größe der Stichprobe (etwa N > 30) der Normalverteilung annähert! Beispiel (Applet zum selberausprobieren) für den zentralen Grenzwertsatz: http://www.fernuni.de/newstatistics/applets/ZentralerGWS/ ZentralerGWS.htm. 36 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Stichprobenkennwerteverteilung Noch einmal zusammengefasst: Für genügend große Stichproben ist der Stichprobenmittelwert normalverteilt mit Mittelwert µ und Standardabweichung r σ2 . σx̄ = N Diese Verteilung ist ein Beispiel einer Stichprobenkennwerteverteilung für den Mittelwert als Kennwert einer Stichprobe. Noch ein Hinweis: Bei dieser Verteilung handelt es sich um ein theoretisches Konstrukt. Auf den nächsten Folien werden wir sehen, welche praktischen Informationen und Methoden daraus ableitbar sind. 37 / 76 Punktschätzung und Intervallschätzung Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Was schließen wir aus der Verteilung des Stichprobenmittelwerts? • Wenn wir nur eine Stichprobe haben PNund einen einzigen Schätzwert für µ angeben wollen, bleibt x̄ = i=1 xi die bestmögliche Schätzung (erwartungstreu, minimaler quadratischer Fehler). Eine solche Schätzung nennt man Punktschätzung. • Problem bei der Punktschätzung: Es gibt keine Information darüber, wie verlässlich der angegebene Wert eigentlich ist. • Wir können aber auch ein Intervall für µ angeben (Intervallschätzung ). Darin reflektiert sich, dass unsere Schätzung immer etwas ungenau sein wird. • Die Wahrscheinlichkeitstheorie erlaubt uns aber, anzugeben, wie ungenau diese Schätzung ist. Damit hat man eine wahrscheinlichkeitstheoretisch verlässliche Aussage. 38 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Konfidenzintervalle Der Bereich, in dem sich ein gewisser (hoher) Prozentsatz aller möglichen Mittelwerte eines Populationsmerkmals befinden, die einen gewissen Stichprobenmittelwert erzeugt haben können, heißt Konfidenzintervall. Üblicherweise wird als Genauigkeit eines Konfidenzintervalls 95% oder 99% festgelegt. Dies bedeutet: Wenn wir einen Stichprobenmittelwert x̄ haben und ein Konfidenzintervall für den Mittelwert µ auf der Gesamtpopulation angeben, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass µ wirklich innerhalb dieses Intervalls liegt, 95% bzw. 99%. 39 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Berechnung des Konfidenzintervalls Nehmen wir an, wir haben eine genügend große Stichprobe für ein Populationsmerkmal. Dann ist X̄ normalverteilt mit Mittelwert µ und Standardabweichung σx̄ . Wir können von X̄ den Mittelwert abziehen und durch den Standardfehler dividieren, dann erhalten wir sogar eine standardnormalverteilte Zufallsvariable Z : Z= X̄ − µ σx̄ Dieses Z kennen wir bereits als die z-Transformierte von X̄ . 40 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Berechnung des Konfidenzintervalls Wir wollen das Konfidenzintervall zur Genauigkeit 95% berechnen. Eine Tabelle der Standardnormalverteilung liefert uns die Information, dass sich zwischen z± = ±1.96 95% der Gesamtwahrscheinlichkeitsmasse dieser Verteilung befinden. Das heißt, eine Realisierung z der oben definierten Zufallsvariablen Z liegt mit 95% Wahrscheinlichkeit im Bereich [z− , z+ ]. 41 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Berechnung des Konfidenzintervalls Eine Realisierung z der oben definierten Zufallsvariablen Z liegt mit 95% Wahrscheinlichkeit im Bereich [z− , z+ ]. ergibt sich, dass dann eine Durch Einsetzen in die Gleichung z = X̄σ−µ x̄ Realisierung x̄ von X̄ mit 95% Wahrscheinlichkeit im Bereich [x̄− , x̄+ ] mit x̄± = µ ± 1.96 · σx̄ liegt! Also: Wenn wir eine Stichprobe mit der oben festgelegten Größe ziehen und auf dieser Basis den empirischen Mittelwert x̄ berechnen, dann liegt dieser Wert mit 95% Wahrscheinlichkeit nicht weiter als 1.96 · σx̄ vom echten Mittelwert µ entfernt! 42 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Berechnung des Konfidenzintervalls Das Intervall Iγ der Breite 2 · c(γ) · σx̄ um den Mittelwert x̄ einer Stichprobe nennt man Konfidenzintervall für den Parameter µ zum Konfidenzniveau γ. Der Wert von c ergibt sich aus dem gewünschten γ - für γ = 0.95 ist c = 1.96. Damit haben wir eine Möglichkeit gefunden, die Lage des unbekannten Populationsmittelwertes stochastisch zu beschreiben: Für geeignetes c und eine geeignet große Stichprobe liegt des wahre Populationsmittelwert µ mit Wahrscheinlichkeit γ innerhalb des Intervalls Iγ . 43 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Beispielrechnung Konfidenzintervall Eine Beispielrechnung: Bei einer Wahlumfrage geben 400 von 1000 Personen an, Partei A wählen zu wollen. Welchen Anteil der Stimmen wird Partei A in der Wahl bekommen? Wir betrachten die Zufallsvariable ( 0 Ein Wähler wählt Partei A nicht X = 1 Ein Wähler wählt Partei A. Wir wollen eine Aussage über den Erwartungswert von X treffen. Die 1000 befragten Personen stellen eine Stichprobe dar, aus der wir ein Konfidenzintervall für µ = E (X ) ableiten wollen. 44 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Beispielrechnung Konfidenzintervall Unsere Stichproben seien x1 , . . . , x1000 . Als Punktschätzung für µ ergibt sich 1000 400 1 X xi = = 0.4. x̄ = 1000 1000 i=1 Wir erinnern uns: x̄ ist eine Realisierung der Zufallsvariablen X̄ . Aufgrund der Stichprobengröße können wir davon ausgehen, dass X̄ normalverteilt ist. 45 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Beispielrechnung Konfidenzintervall Wir haben jetzt eine Schätzung für µ = E (X ), nämlich µ = x̄ = 0.4. Die Populationsvarianz σ 2 können wir auch aus der Stichprobe abschätzen, der Schätzwert σ̂ 2 ist σ̂ 2 = 1000 1 1 X (xi − x̄)2 = (400 ∗ 0.62 + 600 ∗ 0.42 ) 1000 1000 i=1 2 = 0.4 ∗ 0.6 + 0.6 ∗ 0.42 = 0.24. Alternativ verwende die Formel Var (X ) = E (X 2 ) − (EX )2 . Da die xi voneinander unabhängig sind, gilt für die Varianz von X̄ : σX̄2 = Var (X̄ ) = σ2 1 = · Var (Xi ) = 0.00024, N 1000 also σX̄ ≈ 0.0155. 46 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Beispielrechnung Konfidenzintervall Das Konfidenzintervall zur Genauigkeit 95% ergibt sich mit diesen Abschätzungen zu I95% = [E (X̄ ) − 1.96 · σX̄ , E (X̄ ) + 1.96 · σX̄ ] = [0.4 − 1.96 · 0.0155, 0.4 + 1.96 · 0.0155] = [0.37, 0.43]. Die Partei A wird also mit 95% Wahrscheinlichkeit zwischen 37% und 43% der Stimmen erhalten. Möchte man eine höhere Genauigkeit, muss man mehr Personen befragen. 47 / 76 Zusammenfassung dieses Abschnitts Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Wir haben im Abschnitt “Konfidenzintervall” • festgestellt, dass der Mittelwert einer Stichprobe selbst eine Zufallsvariable ist • die darüber hinaus einer ganz bestimmten Verteilung, nämlich der Normalverteilung, folgt (wenn die Population groß genug ist) • Auf dieser Basis konnten wir ein Intervall angeben, das eine 95% sichere Schätzung eines Populationsmittelwerts erlaubt. 48 / 76 Übersicht Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik • Erinnerung: Elemente der Wahrscheinlichkeitstheorie • Stichproben und Konfidenzintervalle • Der t-Test • Der Kolmogorov-Smirnov-Test • Bemerkungen zur Versuchsplanung 49 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Statistische Tests Das Konfidenzintervall liefert uns eine Aussage darüber, wo sich ein bestimmter Populationsparameter (typischerweise der Mittelwert) befindet. Jetzt wollen wir noch einen Schritt weitergehen und eine Wahrscheinlichkeitsangabe dafür fordern, dass eine gewisse konkrete Aussage wahr ist. In der Medizin könnte die Hypothese lauten: Ein neues Medikament A wirkt besser als ein klassisches Vergleichspräparat B. Solche Aussagen bezeichnet man als Hypothesen. Damit ist also die Argumentationsrichtung anders als bei Punkt- oder Intervallschätzung: • Beim Schätzen schließen wir aus in einer Stichprobe erhobenen Daten (Empirie) auf Eigenschaften der Population (Theorie). • Bei einen statistischen Test beginnen wir mit einer Hypothese über die Population, die überprüft werden soll. 50 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die wissenschaftliche Hypothese Bei der Formulierung einer Hypothese gibt es verschiedene Ansätze, die hier aus Zeitgründen nicht vollständig behandelt werden. Man unterscheidet typischerweise Unterschiedshypothesen und Zusammenhangshypothesen. Eine typische Unterschiedhypothese spezifiziert einen Unterschied, etwa wie im Beispiel oben: Ein neues Medikament A wirkt besser als ein klassisches Vergleichspräparat B. Dies ist sogar eine gerichtete Hypothese, die die Richtung des Unterschied angibt. Für diese kleine Mühe, die Richtung zu spezifizieren, werden wir mit einer einfacheren statistischen Beweisführung “belohnt”. 51 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die statistische Hypothese Die wissenschaftliche Hypothese muss nun in eine mathematisch formulierbare statistische Hypothese H1 überführt werden. Im obigen Beispiel könnte rx die Heilungsrate der Patienten bei Anwendung eines Medikaments sein, dann wäre die statistische Hypothese rA > rB Aber vielleicht ist die Heilungsrate nicht der optimale Parameter? Es gibt oft verschiedene Möglichkeiten, eine statistische Hypothese zu formulieren! Es wird weiterhin eine konkurrierende oder inverse Hypothese aufgestellt, die man als Nullhypothese H0 bezeichnet: rA ≤ rB bzw. A wirkt maximal so gut wie B. 52 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Durchführung eines statistischen Tests Der eigentliche Test besteht nun darin, mit statistischen Methoden die Unwahrscheinlichkeit der Nullhypothese zu zeigen, um dann im Umkehrschluss auf die Richtigkeit der Alternativhypothese zu schließen. Nur wenn die Realität (gegeben durch die Stichprobe) “praktisch” nicht mit der Nullhypothese zu erklären ist, darf die Nullhypothese zugunsten der Alternativhypothese verworfen werden. Merkregel: Die Nullhypothese stellt die Basis dar, von der aus entschieden wird, ob die Alternativhypothese akzeptiert werden kann oder nicht. 53 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Fehler bei statistischen Entscheidungen Jeder statistische Test kann eine falsche Aussage liefern, da er von der zufällig gewählten Stichprobe abhängt. Man unterscheidet Fehler 1. Art (α) und Fehler 2. Art (β). In der Population gilt die Entscheidung aufgrund Stichprobe zugunsten: H0 H1 H0 OK α-Fehler H1 β-Fehler OK Ein β-Fehler bedeutet also, dass die neue Hypothese irrtümlich verworfen wird, ein α-Fehler bedeutet, dass die alte Hypothese irrtümlich verworfen wird. Je nach Aufgabenstellung muss man entscheiden, welcher Fehler die gravierenderen Konsequenzen hat und eher vermieden werden muss. 54 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Der t-Test Als Beispiel für einen statistischen Test wollen wir den t-Test behandeln, der auf der t-Verteilung beruht. Die typische Anwendung dieses Tests ist der Vergleich zweier Stichprobenmittelwerte. Dies bedeutet, dass wir untersuchen wollen, ob zwei Populationen identische Mittelwerte haben. Beispielhypothesen: • Sportliche Menschen sind kognitiv leistungsfähiger als unsportliche Menschen. • Ein Medikament A heilt mehr Menschen (prozentual) als ein Standardmedikament B. • Ein neuer Algorithmus klassifiziert mehr Samples korrekt als ein klassischer Vergleichsalgorithmus. In jedem Fall werden zwei Stichproben gebildet und Mittelwerte µ1 und µ2 der zu untersuchenden Größe abgeschätzt. 55 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Der t-Test Zunächst sollten wir die wissenschaftliche Hypothese in eine statistische Hypothese überführen. Allgemein betrachten wir also als statistische Hypothese: H1 : µ1 − µ2 6= 0. Die zugehörige Nullhypothese ist dann H0 : µ1 − µ2 = 0. Wir stehen nun wieder vor einem ähnlichen Problem wie bei der Angabe eines Konfidenzintervalls: Die Mittelwerte µ1 und µ2 müssen durch Stichprobenmittelwerte abgeschätzt werden. In der Regel werden diese Stichprobenmittelwerte nicht identisch sein, aber wie unterschiedlich müssen sie sein, um aussagen zu können, dass auch µ1 und µ2 verschieden sind? 56 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Das Signifikanzniveau Klar: Eine statistische Aussage kann man immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit treffen. Diese Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau) muss man vor dem Test festlegen. Üblicherweise verwendet man ein Signifikanzniveau von α = 5% oder α = 1%. Dieser Wert beschreibt die Irrtumswahrscheinlichkeit für einen α-Fehler, also die Irrtumswahrscheinlichkeit, falls wir aufgrund der Stichprobe H0 verwerfen und H1 akzeptieren. 57 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Der t-Test Betrachten wir wieder die Stichprobenmittelwerte x̄1 und x̄2 als Realisiationen von Zufallsvariablen X̄1 und X̄2 . Die Größen der Stichproben sollen n1 bzw. n2 sein. Der Standardfehler dieser Differenz ergibt sich zu s σ12 σ22 + σx̄1 −x̄2 = n1 n2 Dieser Standardfehler kann auch auf Basis der Stichproben abgeschätzt werden. 58 / 76 Der t-Test Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Es ergibt sich eine Testgröße t= (x̄1 − x̄2 ) − (µ1 − µ2 ) σ̂(x̄1 −x̄2 ) Setzt man entsprechend der Nullhypothese (µ1 − µ2 ) = 0, so erhält man die Form (x̄1 − x̄2 ) t= σ̂(x̄1 −x̄2 ) Wir normieren also die Differenz der Mittelwerte an ihrer Streuung. Was können wir über diese Zufallsvariable aussagen? 59 / 76 Der t-Test Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Betrachte t= (x̄1 − x̄2 ) σ̂(x̄1 −x̄2 ) Man kann zeigen: Falls die Nullhypothese zutrifft, • hat t Mittelwert 0 und Standardfehler 1. • ist t t-verteilt mit n1 + n2 − 2 Freiheitsgraden. Die t-Verteilung ist ähnlich wie die Standardnormalverteilung tabelliert. Jetzt können wir prüfen, welche Fläche der ausgerechnete t-Wert von der t-Verteilung abschneidet, ähnlich wie wir es bei der Berechnung des Konfidenzintervalls getan haben. Ist t so sehr von Null verschieden, dass dieses Ergebnise bei Gültigkeit der Nullhypothese sehr unwahrscheinlich ist? 60 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Der t-Test Wir schauen, welcher Anteil der Fläche unter der t-Dichtefunktion mit n1 + n2 − 2 Freiheitsgraden vom empirischen t-Wert abgeschnitten wird. Bei einer ungerichteten Hypothese muss der ermittelte Wert p(t) noch verdoppelt werden. Heraus kommt die Wahrscheinlichkeit, mit der wir uns irren, wenn wir H0 zugunsten von H1 ablehnen. Ist dieser Wert geringer als 0.05, so sagen wir, die Hypothese H1 trifft auf einem Signifikanzniveau von 0.05 zu – dies bedeutet, dass µ1 6= µ2 . Die Nullhypothese kann also nur dann abgelehnt werden, wenn der Wert der Testgröße t eine kritische Schwelle überschreitet, die man einer entsprechenden Tabelle entnehmen kann. 61 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Voraussetzungen • Sind die Stichproben klein (jeweils n1 , n2 ≤ 30), so muss vorausgesetzt werden, dass der zu untersuchende Parameter in der Population normalverteilt ist. • Die Varianzen der beiden Stichproben müssen (annähernd) gleich sein. • Die Stichproben müssen voneinander unabhängig sein. Ist dies nicht der Fall, wird der t-Test für abhängige Stichproben verwendet. 62 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik t-Test: Rechenbeispiel Ein kleines Rechenbeispiel für den t-Test (aus Bortz: Statistik für Humanund Sozialwissenschaftler, 6. Auflage, Seite 138): • Man hat ermittelt, dass Ratten im Durchschnitt 170s benötigen, um einen bestimmten Mechanismus zu bedienen. • Diese Zeiten sind annähernd normalverteilt mit einer Streuung von σ̂ = 12. • Es soll überprüft werden, ob Ratten, deren Eltern bereits konditioniert (trainiert) waren, diese Aufgabe schneller ausführen können (einseitiger Test, Signifikanzniveau α = 5%). • 20 Ratten mit konditionierten Eltern erzielen eine Durchschnittszeit von 163s. 63 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik t-Test: Rechenbeispiel In diesem Problem sind der Stichprobenmittelwert x̄ = 163, der Populationsmittelwert µ0 = 170 und √ die Streuung der Stichprobenmittelwerts σ̂x̄ = 12/ 20 ≈ 2.68. Der t-Wert ergibt sich zu t= (x̄1 − x̄2 ) 163 − 170 = ≈ −2.61. σ̂x̄ 2.68 Der kritische Wert in der t-Verteilung mit 19 Freiheitsgraden, der von einer Seite der Verteilung 5% abschneidet, ist t5% = −1.73. Wegen |t| > |t5% | ist das gefundene Ergebnis also signifikant: Ratten, deren Eltern schon konditioniert waren, lernen schneller als Ratten mit nicht konditionierten Eltern. Jetzt könnte man noch Konfidenzintervalle berechnen, um das Ergebnis noch genauer zu quantifizieren. 64 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Der t-Test für abhängige Stichproben Eine kleine Variante des t-Tests: Wir betrachten Stichproben, deren Objekte paarweise verbunden sind. Beispiele für solche Stichproben: • (Irgendwelche) Eigenschaften von Ehemann und Ehefrau. • Medikamentenstudien an Paaren von Personen, die einander möglichst ähnlich sind. • Messwiederholungen: Eine Messung wird vor und nach einer bestimmten Handlung (etwa medikamentöse Behandlung) durchgeführt, oder die Ergebnisse zweier Klassifikationsalgorithmen auf demselben Datensatz werden verglichen (kommt am CSL sehr häufig vor). In einem solchen Fall betrachtet man nicht die Differenz von Mittelwerten, sondern man nimmt die Messwertdifferenz für jedes einzelne Sample und betrachtet die Verteilung dieser Differenzen. 65 / 76 t-Test für abh. Stichproben: Durchführung Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik (1) Wir nehmen an, wir haben eine Reihe von Messwerten xi i = 1, . . . , N. (2) und xi , • Für jedes Messwertpaar bilden wir nun die Differenz der Messwerte (1) (2) di = xi − xi . • Wir berechnen das arithmetische Mittel aller di -Werte PN di x̄d = i=1 . N • Der Standardfehler der Verteilung der Differenzmittelwerte ist wie gehabt σ̂d σ̂x̄d = √ n wobei σ̂d wie üblich eine Abschätzung der Varianz der Differenzen σd ist. 66 / 76 t-Test für abh. Stichproben: Durchführung Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Aus der durchschnittlichen Differenz berechnen wir wieder eine t-Testgröße t= x̄d − µd σ̂x̄d die sich vereinfacht, wenn wir die Nullhypothese annehmen: t= x̄d σ̂x̄d Dieser Wert wird (z.B. anhand einer Tabelle) mit dem kritischen t-Wert verglichen, der vom gewünschten Signifikanzniveau und von der Anzahl der Freiheitsgrade abhängt. 67 / 76 Übersicht Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik • Erinnerung: Elemente der Wahrscheinlichkeitstheorie • Stichproben und Konfidenzintervalle • Der t-Test • Der Kolmogorov-Smirnov-Test • Bemerkungen zur Versuchsplanung 68 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Der Kolmogorov-Smirnov-Test Zur Vervollständigung machen wir noch ein weiteres Beispiel: Den Kolmogorov-Smirnov-Test. Dieser Test kann verwendet werden, um 1. zu prüfen, ob zwei Verteilungen von irgendwelchen Merkmalen übereinstimmen 2. ob ein Merkmal eine angenommene Verteilung hat. Beispiel: Viele Tests (u.a. der t-Test) erfordern, dass das Populationsmerkmal eine gewisse Verteilung hat (z.B. Normalverteilung). Beachte: Gerade für die Normalverteilung gibt es auch bessere Tests! 69 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Der Kolmogorov-Smirnov-Test Betrachten wir den zweiten Fall: Wie haben eine Datenmenge x1 , . . . , xN , und wir wollen feststellen, ob sie einer gewissen Verteilung folgt. Wie testet man so etwas? Nehmen wir an, die angenommene Verteilung hat eine Verteilungsfunktion F0 , wenn f0 die Dichte ist, ist also Z x F0 (x) = f0 (ξ)d ξ. −∞ Für die Datenreihe nehmen wir dementsprechend die empirische Verteilungsfunktion X FX (x) = I (xi ≤ x) xi mit ( 1 wenn y ≤ x I (y ≤ x) = 0 sonst. 70 / 76 Der Kolmogorov-Smirnov-Test Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Die Nullhypothese soll sein: H0 : F0 = FX mit der Alternativhypothese H1 : F0 6= FX Man kann zeigen: Falls die Nullhypothese gilt, so geht bei zunehmender Anzahl von Samples FX gegen F0 , und zwar gleichmäßig. Daher ist der maximale Anstand von F0 und FX ein gutes Testkriterium: d = maxx∈R |FX (x) − F0 (x)| = ||FX − F0 ||∞ d ist die Realisierung einer Zufallsvariablen D, die der Kolmogorov -Verteilung folgt. Diese ist ebenso wie die t-Verteilung tabelliert (bzw. in Statistikprogrammen enthalten). Nun muss man also nur d ausrechen - wenn d einen gewissen Schwellwert überschreitet, wird H0 verworfen. 71 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Zusammenfassung: Tests Damit haben wir den Abschnitt “Statistische Tests” abgeschlossen. Wichtig war uns nicht so sehr die konkrete Anwendung (dazu müssten wir viel mehr Tests betrachten, sowie ihre Stärken, Schwächen, und Voraussetzungen), sondern die grundlegenden Ideen: • Wie funktioniert ein statistischer Test • Zwei Beispiele, was man so alles testen kann • Aufstellung der Hypothese Weitere Details überlassen wir den Lehrbüchern. 72 / 76 Übersicht Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik • Erinnerung: Elemente der Wahrscheinlichkeitstheorie • Stichproben und Konfidenzintervalle • Der t-Test • Der Kolmogorov-Smirnov-Test • Bemerkungen zur Versuchsplanung 73 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Versuchsplanung Worauf muss man achten, wenn man einen Versuch plant und das Ergebnis statistisch (z.B. durch t-Test) absichern will? Insbesondere gilt: Es muss zuerst eine Hypothese gefunden werden, die danach an einer Testdatenmenge abgesichert wird. Üblicherweise erreicht man dies, indem man vor dem Versuch eine Testdatenmenge beiseite legt und erst zur Evaluation wieder betrachtet. Die verbleibenden Daten teilt man in Trainingsdaten und Kreuzvalidierungsdaten auf. Während des Versuchs werden die Kreuzvalidierungsdaten zum Testen der Modelle verwendet, um eventuelle Parameter zu optimieren. 74 / 76 Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Versuchsplanung Nach einer Versuchsreihe (mit diversen Optimierungsschritten) könnte die wissenschaftliche Hypothese dann so aussehen: Algorithmus A mit Parametern pi = γi erreicht eine bessere Erkennungsrate als Algorithmus B. Die Ergebnisse auf den Kreuzvalidierungsdaten lassen aber eine Signifikanzaussage nicht zu, weil wir eben auf der Kreuzvalidierungsmenge optimiert haben! Jetzt werden zum ersten Mal die Testdaten betrachtet: Durch Ausführung der beiden Algorithmen (A und B) auf der Testdatenmenge ergibt sich ein Resultat, das man nun mit Hilfe eines geeigneten statistischen Tests überprüfen kann, um so zu einer abgesicherten Aussage zu kommen. 75 / 76 Zusammenfassung Biosignale und Benutzerschnittstellen – Statistik Wir haben in dieser Vorlesung folgendes gelernt: • Definitionen von Erwartungswert und Varianz – dies sind die wichtigsten statistischen Größen überhaupt! • Abschätzung von Erwartungswert und Varianz • Wenn wir eine Stichprobe haben, sind Erwartungswert usw. selbst wieder Zufallsvariablen und sind (annähernd) normalverteilt – daraus konnten wir ein Konfidenzintervall für den Erwartungswert berechnen. • Definition von statistischen Tests, Aufstellung von Hypothesen • Der t-Test als einfaches Beispiel: • Berechnung einer Testgröße (in diesem Fall t-verteilt) • Feststellung, ob die Testgröße einen kritischen Wert überschreitet • Mögliche Ablehnung der Nullhypothese. • Der Kolmogorov-Smirnov-Test 76 / 76