doc - ChidS

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Philipps-Universität Marburg
Fachbereich Chemie
Lehramt
Sommersemester 2007
Seminar: Übungen im Experimentalvortrag (AC)
Hinweis:
Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule).
Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht heruntergeladen werden,
unter anderem hunderte von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende:
http://www.chids.de/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html
Komplexchemie
Experimentalvortrag vom 21.06.2007
Dörthe Fillbrandt
Zeppelinstraße 17a
35039 Marburg
[email protected]
2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seite
3
2 Einstieg in das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.1 Versuch 1: Das Phänomen der Komplexbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
3 Geschichte der Komplexchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
3.1 Geschichte der Komplexchemie vor Werner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
3.2 Werners Koordinationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
3.2.1 Demonstration 1: Koordinationspolyeder . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
3.2.2 Werners Erfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
4 Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
4.1 Valence-Bond-Theorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
4.1.1 Versuch 2: Magnetische Eigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
4.2 Ligandenfeldtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
4.2.1 Versuch 3: Oxidationsstufen des Mangans . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
4.3 Vergleich der Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
5 Stabilität von Komplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
5.1 Qualitative Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
5.1.1 Versuch 4: Ligandenaustauschreaktionen an Fe(II)-Komplexen . . 20
- Berliner Blau
5.2 Quantitative Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
5.2.1 Versuch 5: Bestimmung der Komplexbildungskonstanten von
Cu(II)-Komplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
- Chelateffekt
6 Demonstration 2: Bestimmung der Koordinationszahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
7 Bedeutung und Verwendung von Komplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
7.1 Versuch 6: Nickeltest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
7.2 Versuch 7: Geheimtinte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
8 Schulrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
9 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3
1 Einleitung
Das Gebiet der Komplexchemie ist sehr umfangreich. Nach dem hessischen Lehrplan tritt es
als Wahlthema im Leistungskurs Chemie auf. Um das Thema in der Schule zu behandeln, ist
eine didaktische Reduktion unerlässlich. Es sollte auf dem Wissensstand der Schüler
aufgebaut werden und auf exemplarische Weise an das Thema herangegangen werden.
Theoretische Aspekte können anhand von Versuchen eingeführt werden, welche sich zum
Beispiel in Form schöner Farbänderungen förderlich auf die Motivation auswirken sollten.
Ein lebensweltlicher Bezug kann hergestellt werden, indem auf das Vorkommen von
Komplexverbindungen in der Natur und die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten
eingegangen wird.
Im Gebiet der Komplexchemie können bereits vermittelte Unterrichtsinhalte wieder
aufgegriffen und somit vertieft werden, was auch der Abiturvorbereitung zugute kommt.
Ich habe in meinem Experimentalvortrag wichtige Bereiche der Komplexchemie aufgegriffen:
geschichtliche Aspekte, theoretische Modelle, Farbigkeit, Stabilität und Anwendung von
Komplexen. Zu jedem Gebiet werden Versuche durchgeführt und der Schüler wird dabei auch
an komplizierte theoretische Aspekte herangeführt.
4
2 Einstieg in das Thema
In der Schule könnte man das Thema der Komplexchemie mit einem Versuch beginnen, der
auf vorhandenes Wissen der Schüler aufbaut. Das Phänomen der Komplexbildung soll an
einem einfachen Beispiel demonstriert werden.
2.1 Versuch 1: Das Phänomen der Komplexbildung
Material:
Bürette (50 mL), Becherglas (250 mL), Magnetrührer, Rührfisch,
schwarze Pappe, Stativmaterial
Chemikalien:
Natronlauge NaOH (aq) (c = 1 mol/L)
Aluminiumnitratlösung Al(NO3)3 (aq)*9H2O (c = 0,1 mol/L)
Durchführung:
100 mL der Aluminiumnitratlösung werden im Becherglas vorgelegt
und mit der Natronlauge titriert.
Beobachtung:
Es bildet sich ein weißer Niederschlag, der zunächst an Volumen
zunimmt. Bei weiterer Zugabe von Natronlauge wird die Lösung dann
klarer. Bei einem Verbrauch von ca. 40 mL Natronlauge hat sich der
Niederschlag wieder vollständig aufgelöst.
Erläuterung:
Die
Aluminium-Ionen
bilden
mit
den
Hydroxid-Ionen
einen
Niederschlag
von
Aluminiumhydroxid.
Al3+(aq) + 3 OH- (aq)
Al(OH)3 (s)
Die Fällung wird durch das Löslichkeitsprodukt bestimmt, das sich aus den Konzentrationen
der Aluminium- und der Hydroxid-Ionen berechnet.

K L AlOH3   c Al
3
 c OH   2 10
3

33
mol 4
L4
Wenn das Löslichkeitsprodukt überschritten wird, fällt so lange Aluminiumhydroxid aus, bis
das Produkt der Konzentrationen wieder dem Löslichkeitsprodukt entspricht.
5
Dies sollten die Schüler bereits gelernt haben. Für sie ist nun jedoch neu, dass sich der
Niederschlag bei weiterer Zugabe von Hydroxid-Ionen wieder auflöst und es nicht zu einer
weiteren Niederschlagsbildung kommt.
Die Schüler könnten nun vermuten, dass die zusätzlichen Hydroxid-Ionen mit dem
ausgefallenen Aluminiumhydroxid eine Reaktion eingehen. Die neue Verbindung muss
wasserlöslich sein, mehr als drei Hydroxid-Ionen enthalten und negativ geladen sein.
Es lässt somit zunächst die folgende vorläufige Gleichung für die Auflösung des
Niederschlags aufstellen.
Al(OH)3 (s) + n OH- (aq)
Al(OH)3+n
n-
(aq)
Nun wurden 40 mL Natronlauge für die Titration verbraucht. Damit lässt sich das
Stoffmengenverhältnis der Aluminium- zu den Hydroxid-Ionen berechnen.
n(Al 3 ) V(Al 3  Lsg.)  c(Al 3 ) 0,1 L  0,1 mol/L 1



n(OH - ) V(OH -  Lsg.)  c(OH - ) 0,04 L 1 mol/L 4
Man erhält also ein Stoffmengenverhältnis der Aluminium- zu den Hydroxid-Ionen von 1 : 4.
Damit lässt sich die folgende Reaktionsgleichung aufstellen.
Al(OH)3 (s) + OH- (aq)
Al(OH)4
(aq)
Es hat sich ein Komplex gebildet, das Tetrahydroxoaluminat.
2.2 Definition
Es ist nicht einfach eine Definition von Komplexen zu geben. Die Lehrbücher versuchen dies
auf unterschiedliche Weise. Die Definitionen sind teilweise sehr umfangreich, um alle Arten
von Komplexen einschließen zu können. Oft werden einfach die Eigenschaften von
Komplexverbindungen aufgelistet. Wenn man den Schülern dennoch eine Antwort auf die
Frage geben möchte, was ein Komplex denn eigentlich sei, so kann man folgende Definition
von Kober verwenden.
„Das Prinzip der Bindung in Komplexen ist die Wechselwirkung eines elektronisch
ungesättigten Zentralteilchens mit Partnern (= Liganden), die mindestens ein freies
6
Elektronenpaar besitzen. Bindet dabei das Zentralteilchen mehr Bindungspartner, als dies
nach dessen Ladung oder Stellung im PSE zu erwarten ist, so liegt ein Komplex vor.“
(Friedhelm Kober in „Komplex – Versuch einer Definition“, PdN-Ch. 4/34. Jahrgang 1985,
S. 7)
Diese Definition lässt sich auch auf das Tetrahydoxoaluminat aus Versuch 1 beziehen. Das
elektronisch ungesättigte Teilchen ist das Al3+-Ion, das die Hydroxid-Ionen als Liganden
bindet, und zwar mehr Hydroxid-Ionen als nach seiner Stellung in der dritten Hauptgruppe zu
erwarten wäre.
3 Geschichte der Komplexchemie
Wie ist die Komplexchemie im Laufe der Zeit entstanden?
3.1 Geschichte der Komplexchemie vor Werner
Einzelne Substanzen, deren charakteristischer Inhaltstoff eine Komplexverbindung ist,
wurden schon im Altertum verwendet, z.B. Alizarin, der Farbstoff der Krappwurzel.
Der erste dokumentierte Beleg einer Komplexverbindung geht auf den Arzt Libavius im Jahr
1597 zurück. Er entdeckte in einer Lösung aus Kupferhydroxid und Ammoniumchlorid auf
Bronze eine Blaufärbung, die er beschrieb, aber weder analysierte noch identifizierte. Es
handelt sich dabei um den heute bekannten Tetraamminkupfer(II)-Komplex.
1704 entdeckten Diesbach und Dippel in einer Alchemisten- und Malerküche per Zufall das
„Berliner Blau“.
Im 19. Jahrhundert sind vor allem die Chemiker Fremy und Jørgensen zu nennen. Fremy
führte die Benennung von Komplexen nach Farben ein, z.B. wurden gelbe Komplexe als
Luteosalze, rote Komplexe als Purpureosalze bezeichnet.
Der Däne Jørgensen war ein sehr produktiver Chemiker; er synthetisierte eine Vielzahl von
Komplexverbindungen. Er war auch Anhänger eines Strukturkonzepts, das der Schwede
Christian Blomstrand entwickelt hatte und das ab 1870 unter dem Begriff „Kettentheorie“
bekannt wurde. Als Beispiel ist in Abb. 1 die Vorstellung des Hexammincobalt(II)chlorid
7
aufgezeigt, welches damals als Cobaltchlorid-Ammonikat bezeichnet wurde. Das Molekül
sollte Ketten enthalten, in denen fünfbindiger Stickstoff auftritt.
Co
NH3
Cl
NH3
Cl
NH3
NH3
NH3
NH3
Cl
Abb. 1: Hexammincobalt(II)chlorid nach der Kettentheorie
3.2 Werners Koordinationstheorie
Alfred Werner lebte von 1866 bis 1919 und wird auch als „Vater der Komplexchemie“
bezeichnet.
1
Abb. 2: Alfred Werner
1893 publizierte er die „Beiträge zur Konstitution anorganischer Verbindungen“ in der kurz
zuvor gegründeten „Zeitschrift für Anorganische Chemie“. Diese Schrift entstand quasi „über
Nacht“. Werner wachte eines Nachts gegen zwei Uhr plötzlich auf und hatte die Lösung eines
Problems vor Augen, welches ihn schon länger beschäftigte. Er stand auf und schrieb sofort
seine Gedanken bis fünf Uhr des nächsten Nachmittags nieder, mit Hilfe einiger Tassen
Kaffee. Eine weitere Besonderheit seiner Theorie ist es, das Werner auf dem Gebiet der
Komplexchemie bisher kein Experiment durchgeführt hatte. Ein deutscher Kollege
bezeichnete seine Koordinationstheorie daher auch als „eine geniale Frechheit“. Werners
Lebenswerk war es dann diese „geniale Frechheit“ auf eine empirische Grundlage zu stellen.
1
Aus: http://nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/1913/werner-bio.html
8
Werner postulierte eine Bindung von Liganden in erster oder zweiter Sphäre. Demnach
können anionische Liganden entweder in erster Sphäre direkt an das Zentralteilchen gebunden
sein oder in zweiter Sphäre als Gegenionen fungieren.
Nach Werner besitzt jedes Ion Hauptvalenzen (≡ Oxidationszahl), einige außerdem
Nebenvalenzen (≡ Koordinationszahl). Die Atome seien durch die Nebenvalenzen fester
gebunden. Diese seien zudem räumlich gerichtet.
Werner machte sich Gedanken über die räumliche Anordnung. Für die Koordinationszahl vier
schlug er die tetraedrische oder die quadratisch-planare Anordnung vor.
Mit der folgenden Demonstration soll Werners Gedankengang zur räumlichen Anordnung
von sechsfach koordinierten Metallatomen nachvollzogen werden.
3.2.1 Demonstration 1: Koordinationspolyeder
Zu Werners Zeit war bereits bekannt, dass Komplexe des Typs [MA5B] keine Isomere
besitzen. Denkbare Geometrien waren daher die hexagonal-planare, die trigonal-prismatische
und die oktaedrische Geometrie.
Diese Koordinationspolyeder können nun von den Schülern gebastelt werden.
Material:
Papier, Schere, Klebe, Buntstifte
Bastelvorlage:
2
Abb. 3: Bastelvorlage für Koordinationspolyeder
2
Vgl. Gelies, S. 73
9
Durchführung:
Die Polyeder werden ausgeschnitten, entlang der schwarzen Linien
gefaltet und entsprechend der Pfeile zusammengeklebt.
Nun werden Komplexe des Typs [MA4B2] betrachtet. Im Modell liegen
die Metallatome in der Mitte des gebastelten Polyeders, die Liganden
an den Eckpunkten. Die Liganden B können mittels farbiger Punkte an
den Ecken der Polyeder markiert werden. So werden die Polyeder auf
die Anzahl der möglichen Isomere untersucht.
Beobachtung:
Für die planare Struktur findet man drei Isomere. Die Liganden B
können sich in ortho-, meta- oder para-Stellung zueinander befinden.
B
A
B
B
A
A
A
M
A
B
A
A
B
A
A
M
M
A
A
A
ortho (1,2)
B
meta (1,3)
para (1,4)
Für die trigonal-prismatische Struktur findet man ebenfalls drei
Isomere. Die Liganden B können an einer Dreiecksfläche liegen,
nebeneinander an einer Vierecksfläche oder einander gegenüberliegend
an einer Vierecksfläche.
B
A
B
B
M
A
A
B
A
M
A
B
A
A
M
A
A
A
A
A
B
(1,2)
(1,3)
(1,4)
Für die oktaedrische Struktur findet man nur zwei Isomere. Das cisIsomer, bei dem die beiden Liganden B an zwei benachbarten
Eckpunkten sitzen und das trans-Isomer, bei dem die beiden Liganden
B an zwei einander gegenüberliegenden Eckpunkten sitzen.
10
B
B
A
A
B
A
A
M
M
A
A
cis (1,2)
A
A
B
trans (1,6)
Erläuterung:
Zu Werners Zeit ließen sich nur zwei isomere Reihen von Komplexen des Typs [MA4B2]
synthetisieren. Daher hielt er die oktaedrische Koordination für diese Komplexe am
wahrscheinlichsten.
Tatsächlich ist die oktaedrische die häufigste Koordination von Komplexen mit sechs
Liganden. Es existieren auch trigonal-prismatische Komplexe, diese sind allerdings sehr
selten.
Mit dieser Demonstration kann das räumliche Vorstellungsvermögen und das Isomeriedenken
der Schüler geübt werden und es kann auf weitere Isomerien eingegangen werden, z.B. auf
die fac-/mer-Isomerie bei oktaedrisch koordinierten Komplexen.
3.2.2 Werners Erfolge
Werner wollte das Oktaedermodell durch die Synthese optisch aktiver Metallkomplexe
empirisch stützen. Bei geeigneter Wahl der Liganden sollte es möglich sein, chirale
Verbindungen zu erhalten. 1911 gelang schließlich Werners Doktoranden Victor King nach
über 2000 Fehlversuchen die Trennung eines Racemats und somit der Beweis der
stereochemischen Vorstellungen.
Durch Werners Koordinationstheorie gelang außerdem 1894 die vollständige Erklärung der
Ergebnisse von Leitfähigkeitsmessungen an Amminkobaltkomplexen, was zuvor nicht
möglich war.
1913 wurde Werner für seine Arbeit belohnt, indem er als erster anorganischer Chemiker den
Nobelpreis für Chemie erhielt.
Seine Hypothesen bilden auch heute noch die theoretische Basis der Komplexchemie.
11
Der folgende Versuch soll mit der heutigen Komplexchemie fortfahren. Der Versuch zu den
magnetischen Eigenschaften von Komplexen soll auf eine wichtige Theorie, die ValenceBond-Theorie hinführen.
4 Theorien
4.1 Valence-Bond-Theorie
4.1.1 Versuch 2 : Magnetische Eigenschaften
Materialien:
Hufeisenmagnet mit Spulen (500 Windungen) und Polschuhen,
Transformator, Kabel, Stativ (2 Glasstäbe parallel zueinander befestigt,
2 Schlaufen aus Garn daran geknüpft), 2 NMR-Röhrchen, Kamera,
Lampe
Chemikalien:
Gelbes Blutlaugensalz K4[Fe(CN)6] (s)
Eisen(II)sulfat-Heptahydrat [Fe(H2O)6]SO4 (s)
(beides in die NMR-Röhrchen eingeschmolzen)
Durchführung:
In die am Stativ befestigten Schlaufen wird ein NMR-Röhrchen mit
eingeschmolzener Substanz wie in eine Schaukel eingehängt. Das mit
der Substanz gefüllt Ende ist kurz vor den Spitzen der Polschuhe
justiert. Die Kamera wird ebenso wie die Lampe direkt von oben auf
das Röhrchen und die Polschuhe gerichtet. An den Magneten wird eine
Spannung von 15 Volt angelegt.
Beobachtung:
Das NMR-Röhrchen mit Eisensulfat wird in das Magnetfeld
hineingezogen. Beim gelben Blutlaugensalz ist keine deutliche Rektion
erkennbar.
Erläuterung:
Jedes Elektron besitzt ein magnetisches Moment auf Grund seines Bahndrehimpulses und
seines Eigendrehimpulses, des Spins. Das gesamte magnetische Moment von Stoffen
12
resultiert aus den Bahn- und Spinmomenten aller Ionen. Bei Substanzen mit abgeschlossenen
Schalen oder Unterschalen kompensieren sich die magnetischen Momente. Es gibt kein
resultierendes magnetisches Moment. Die durch ein Magnetfeld induzierte magnetische
Polarisation ist dem äußeren Feld entgegengerichtet. Es kommt zur Schwächung im Innern
des magnetischen Feldes, in Abb. 4 erkennbar an den weiter auseinander stehenden
Feldlinien. Die Substanz wird aus dem Magnetfeld abgestoßen. Solche Stoffe werden als
diamagnetisch bezeichnet.
Substanzen mit ungepaarten Elektronen hingegen sind paramagnetisch. Sie besitzen ein
permanentes magnetisches Moment. Die magnetischen Momente richten sich im Magnetfeld
aus, es kommt zur Anziehung der Substanz (vgl. Abb. 4).
Demnach ist das Eisensulfat paramagnetisch, das gelbe Blutlaugensalz diamagnetisch.
Die Abstoßung kann unter den Versuchsbedingungen nicht beobachtet werden, da der
Paramagnetismus 103- bis 104-mal größer ist als der Diamagnetismus.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass alle Substanzen auch einen diamagnetischen Anteil besitzen.
Diamagnetischer Stoff
Paramagnetischer Stoff
K4[Fe(CN)6]
[Fe(H2O)6]SO4
Binnen = Induktion im Innern des Körpers
Baußen = Induktion des äußeren Magnetfelds
3
Abb. 4: Dia- bzw. paramagnetischer Stoff im Magnetfeld
Bei beiden Stoffen tritt Eisen in der Oxidationsstufe +II auf. Warum ist nun die eine Substanz
paramagnetisch und die andere diamagnetisch?
Um dies zu erklären, möchte ich die Valence-Bond-Theorie nach Pauling vorstellen.
3
Aus: http://www.mmch.uni-kiel.de/supra_folien_2.htm
13
Valence-Bond-Theorie
Nach der Valence-Bond-Theorie entstehen Bindungen durch Überlappung von gefüllten
Ligandenorbitalen mit leeren Orbitalen des Zentralatoms. Die räumliche Anordnung der
Liganden resultiert aus dem Hybridisierungstyp der Orbitale des Zentralatoms. Die häufigsten
Hybridisierungstypen sind das sp3, das dsp2, und das d2sp3-Hybrid.
sp3
dsp2
d2sp3
4
Abb. 5: Hybridorbitale
Das Eisen(II)-Ion besitzt sechs d-Elektronen. Beim Übergang zum Hexaquaeisen(II)-Ion
kommt es zur Hybridisierung und Besetzung der Hybridorbitale mit Ligandenelektronen (vgl.
Abb. 6, die Ligandenelektronen sind hier rot markiert). Es sind ungepaarte Elektronen
vorhanden, der Stoff ist also paramagnetisch.
Beim Übergang zum Hexacyanoferrat(II)-Ion erfolgt eine Spinnpaarung sowie Hybridisierung
und Besetzung der Hybridorbitale mit Ligandenelektronen. Es sind keine ungepaarten
Elektronen vorhanden, der Stoff ist diamagnetisch.
4
Vgl. Kowoll, Protokoll zum Experimentalvortrag, S. 11
14
3d
4s
4p
4d
Fe2+
[Fe(H2O)6]2+
paramagnetisch
sp3d2-Hybrid
[Fe(CN)6]4diamagnetisch durch
Spinpaarung
d2sp3-Hybrid
Abb. 6: Besetzung der Orbitale mit d-Elektronen
Die Valence-Bond-Theorie kann die magnetischen Eigenschaften also erklären, aber nicht
vorhersagen. Dafür ist eine weiterführende Theorie nötig, auf die mit dem folgenden Versuch
hingeführt werden soll. Der Versuch zeigt eine Eigenschaft von Komplexen, die auf die
Schüler motivierend wirken sollte: die Farbigkeit.
3.2 Ligandenfeldtheorie
3.2.1 Versuch 3: Oxidationsstufen des Mangans
Material:
Magnetrührer, Rührfisch, Erlenmeyerkolben (300 mL), Pasteurpipette,
Messpipette
Chemikalien:
Natronlauge NaOH (aq) (w = 0,3) und (c = 2 mol/L)
Kaliumpermanganatlösung KMnO4 (aq) (w = 0,75)
Borsäurelösung H3BO3 (aq) (c = 0,5 mol/L)
Wasserstoffperoxidlösung H2O2 (aq) (c = 0,5 mol/L)
15
Durchführung:
Im Erlenmeyerkolben werden 150 mL der 30%igen Natronlauge
vorgelegt und mit 1,5 mL der Kaliumpermanganatlösung versetzt. Dann
tropft man sofort unter Rühren eine frisch bereitete Lösung aus 4 mL
Wasserstoffperoxidlösung, 25 mL Natronlauge (c = 2 mol/L) und
20 mL Borsäurelösung hinzu.
Beobachtung:
Die violette Farbe der Kaliumpermanganatlösung ändert sich jeweils
über Mischfarben nacheinander zu grün, blau und schließlich braungelb.
Erläuterung:
Es laufen Redoxreaktionen ab, bei denen das Wasserstoffperoxid als Reduktionsmittel auftritt.
Dabei wird das Mangan der Oxidationsstufe +VII des Permanganats schrittweise reduziert:
zum grünen Manganat mit Mangan der Oxidationsstufe +VI, zum blauen Hypomanganat mit
Mangan der Oxidationsstufe +V und schließlich zum braun-gelben Manganit mit Mangan der
Oxidationsstufe +IV. Die Reaktionsgleichungen sind im Folgenden dargestellt.
+7
2 MnO4- (aq)
-1
+ H2O2 (aq)
+6
violett
+6
2 MnO42-(aq)
grün
+5
-1
+ H2O2 (aq)
2 MnO43-(aq)
grün
+5
2 MnO43-(aq)
0
2 MnO42- (aq) + O2 (g) + 2 H+(aq)
0
+ O2 (g) + 2 H+(aq)
blau
-1
+ H2O2 (aq)
+4
0
2 MnO44-(aq) + O2 (g) + 2 H+(aq)
blau
braun-gelb
Anhand der Manganat-Ionen möchte ich nun die Ligandenfeldtheorie erläutern.
Ligandenfeldtheorie
Die Ligandenfeldtheorie beruht auf der abstoßenden Wechselwirkung der Liganden eines
Komplexes mit den d-Elektronen des Zentralatoms.
Übergangsmetallionen besitzen fünf entartete d-Orbitale: dxy, dxz, dyz, dz2, dx2-y2. Diese sind in
der folgenden Abbildung dargestellt.
16
dx2-y2
dxy
dz2
dxz
dyz
Abb. 7: d-Orbitale
Wenn sich nun Liganden dem Zentralteilchen nähern, so wird die Energie der d-Orbitale
angehoben. Würde die Annäherung der Liganden kugelsymmetrisch erfolgen, so würde die
Entartung der d-Orbitale erhalten bleiben.
Bei den Tetraoxomanganat-Ionen liegt ein tetraedrisches Ligandenfeld vor, d.h. die Liganden
nähern sich den Zentralteilchen in Form eines Tetraeders. Die Größe der Abstoßung bei
Annäherung der Liganden ist für die unterschiedlichen d-Orbitale verschieden, die Entartung
wird also aufgehoben.
Stellt man sich nun vor, dass sich die Liganden entlang der Raumdiagonalen eines Würfels
dem Zentralteilchen nähern (vgl. Abb. 8), dann stellt man fest, dass die dxy-, dxz- und dyzOrbitale direkt auf Orbitallappen treffen. Die Energie dieser Orbitale erhöht sich daher.
Bei den dx2-y2- und dz2-Orbitalen hingegen treffen die Liganden auf die Knotenebenen. Sie
nähern sich diesen Orbitalen weniger stark, ihre Energie ist daher erniedrigt.
5
Abb. 8: dx2-y2- und dxy-Orbital im tetraedrischen Ligandenfeld
5
Aus: Riedel, S. 693
17
Diese Erkenntnisse lassen sich in einem Energieniveaudiagramm darstellen.
t2-Orbitale
d-Orbitale
dxy dxz dyz
2/5 T
T
3/5 T
Energie
e-Orbitale
dz2 dx2-y2
d-Orbitale
isoliertes Ion
kugelsymmetrisches
Ligandenfeld
tetraedrisches
Ligandenfeld
Abb. 9. Energieniveaudiagramm der d-Orbitale
Man erkennt, dass die d-Orbitale im kugelsymmetrischen Ligandenfeld gegenüber dem
isolierten Ion energetisch angehoben sind. Im tetraedrischen Ligandenfeld kommt es dann zu
einer Aufspaltung bzw. Entartung der Energie der d-Orbitale. Die energetisch angehobenen
dxy-, dxz- und dyz-Orbitale werden als t2-Orbitale, die energetisch abgesenkten dx2-y2- und dz2Orbitale als e-Orbitale bezeichnet. Die Aufspaltung wird als Ligandenfeldaufspaltung ΔT
bezeichnet. Sie erfolgt nach dem Schwerpunktsatz, der besagt, dass sich der energetische
Schwerpunkt der Orbitale beim Übergang vom kugelsymmetrischen zum tetraedrischen
Ligandenfeld nicht verändert. Die t2-Orbitale sind um 2/5 ΔT angehoben, die
e-Orbitale um
3/5 ΔT abgesenkt. Für den Fall, dass alle Orbitale mit zwei Elektronen besetzt sind, erhält man
nach dem Schwerpunktsatz: + 6*2/5 ΔT – 4*3/5 ΔT = 0.
Wenn man die d-Orbitale entsprechend der Hundschen Regel mit Elektronen besetzt, so erhält
man die größtmögliche Zahl ungepaarter Elektronen, was auch als high-spin-Zustand
bezeichnet wird. Für die Manganat-Ionen ist dieser Zustand in Abbildung 10 gezeigt. Das
Permanganat-Ion besitzt kein d-Elektron, das Manganat-Ion eins, das Hypomanganat-Ion
zwei und das Manganit-Ion drei d-Elektronen.
18
d0 im MnO4-
d1 im MnO42-
d2 im MnO43-
d3 im MnO44-
Abb. 10: d-Elektronen der Manganat-Ionen
Es ist nun auch denkbar, zunächst die energetisch abgesenkten Orbitale mit d-Elektronen
vollständig zu besetzen, bevor die energetisch angehobenen Orbitale besetzt werden. Dabei
wird Energie entsprechend der Ligandenfeldaufspaltung frei, es muss allerdings
Spinpaarungsenergie aufgewandt werden. Komplexe mit einer derartigen Besetzung der
d-Orbitale entstehen daher nur, wenn die Ligandenfeldaufspaltung Δ größer als die
Spinpaarungsenergie ist. Hier liegt die geringste Anzahl ungepaarter Elektronen vor, der
Zustand wird daher auch als low-spin-Zustand bezeichnet.
Für die d3-Elektronenkonfiguration des Manganit-Ions ist sowohl ein high- als auch ein lowspin-Zustand denkbar (vgl. Abb. 11).
High-spin
Low-spin
Abb. 11: d3 im MnO44-
Farbigkeit der Manganate
Zur Farbigkeit der Manganat-Ionen kann man gleich zwei Aspekte erläutern, die für die
Farbigkeit von Komplexen von Bedeutung sind.
Zum einen liegen Charge-Transfer-Übergänge vom Ligand zum Metall vor (LMCT). Dabei
wird durch Absorption eines Lichtquants Elektronenladung innerhalb eines Komplexes
übertragen. Abbildung 12 zeigt dies am Beispiel des Permanganat-Ions.
19
O
O
Mn
O
O
e-
Abb. 12: LMCT des MnO4--Ions
Zum anderen treten bei den Manganat-Ionen d-d-Übergänge auf, außer bei dem PermanganatIon, da dieses keine d-Elektronen besitzt. Die d-d-Übergänge sind für die Farbgebung weniger
bedeutsam als die Charge-Transfer-Übergänge, da sie Laporte-verboten sind.
Ein Elektron kann von einem tiefer liegenden d-Orbital in ein höher liegendes angeregt
werden (vgl. Abb. 13).
h*
h*
d1 im MnO42-
d2 im MnO43-
h*
d3 im MnO44-
Abb. 13: d-d-Übergänge der Manganat-Ionen
4.3 Vergleich der Theorien
Valenzbindungstheorie Ligandenfeldtheorie
Grundlage
Kovalente Bindung
Elektrostatische Wechselwirkung
Struktur
Ja
Nein (keine Bindungstheorie)
Magnetismus Richtig erklärt, aber
Ja
nicht vorhersagbar
Farbigkeit
Nein
Ja
Tab. 1: Vergleich der Theorien
Die Valenzbindungstheorie betrachtet kovalente Bindungen. Sie erklärt die Struktur
komplexer Verbindungen. Der Magnetismus kann richtig erklärt, aber nicht vorhergesagt
werden. Es wird keine Aussage über die Farbigkeit getroffen.
20
Der Ligandenfeldtheorie liegt die Betrachtung elektrostatischer, abstoßender Wechselwirkungen zugrunde. Es wird keine Aussage über die Struktur getroffen, da die
Ligandenfeldtheorie keine Bindungstheorie ist. Magnetismus und Farbigkeit können jedoch
erklärt werden.
Es gibt eine weitere wichtige Theorie zur Beschreibung von Komplexverbindungen: die
Molekülorbitaltheorie. Diese Theorie kann alle eben genannten Eigenschaften von
Komplexen deuten. Ich werde auf die Molekülorbitaltheorie allerdings nicht weiter eingehen,
da sie in der Schule nie benutzt wird. Ich möchte stattdessen lieber weitere schulrelevante
Experimente zeigen.
5 Stabilität von Komplexen
5.1 Qualitative Betrachtung
5.1.1 Versuch 4: Ligandenaustauschreaktionen an Fe (III)-Komplexen
Material:
6 Bechergläser (250 mL), Ziegelsteine, 6 Bechergläser (50 mL) oder
Reagenzglasgestell,
6
Reagenzgläser,
Universal-Indikatorpapier,
Pasteurpipetten
Chemikalien:
Eisen(III)-nitratlösung Fe(NO3)3*9H2O(aq) (c = 0,1 mol/L)
Salpetersäure HNO3 (aq) (halbkonz.)
Natriumchloridlösung NaCl (aq) (gesättigt)
Kaliumthiocyanatlösung KSCN (aq) (c = 0,1 mol/L)
Natriumfluoridlösung NaF (aq) (gesättigt)
Gelbes Blutlaugensalz K4[Fe(CN)6] (s)
Durchführung:
Sechs Bechergläser (250 mL) stehen zur besseren Sichtbarkeit auf
Ziegelsteinen erhöht. Davor befinden sich sechs Bechergläser (50 mL),
in denen sechs Reagenzgläser stehen. Im ersten Becherglas befinden
sich 100 mL Eisen(III)-nitratlösung. Diese wird nun immer ein
Becherglas weiter gegossen. Aus jedem Becherglas wird eine Probe in
ein Reagenzglas gefüllt, damit der jeweilige Farbeindruck vor Augen
bleibt. Während des Versuchs wird geheim gehalten, was sich in den
21
Bechergläsern befindet. Erst bei der Erklärung des Versuchs werden die
Substanzen genannt. Dies wurde im Vortrag so gestaltet, dass die
Bechergläser nacheinander umgedreht wurden und die Aufschrift auf
der Rückseite gezeigt wurde. Im zweiten Becherglas werden 4 mL
halbkonzentrierte Salpetersäure vorgelegt, im dritten Becherglas 6 mL
gesättigte Natriumchloridlösung, im vierten Becherglas ca. 5 Tropfen
Kaliumthiocyanatlösung, im fünften Becherglas 50 mL gesättigte
Natriumfluoridlösung und im sechsten Becherglas eine Spatelspitze
gelbes Blutlaugensalz.
Beobachtung:
Die Eisen(III)-nitratlösung ist orange. Im zweiten Becherglas kommt es
zur Entfärbung, im dritten wird eine gelbe Farbe sichtbar. Im vierten
Becherglas tritt eine rote Farbe auf, die im fünften Becherglas wieder
verschwindet. Hier ist außerdem eine weiße Trübung erkennbar. Im
sechsten Becherglas wird die Lösung schließlich tiefblau.
Abb. 14: Farbenfolge in den Bechergläsern
Abb. 15: In Reagenzgläser abgefüllte Proben
22
Erläuterung:
Es finden Ligandenaustauschreaktionen aufgrund der unterschiedlichen Beständigkeit der
Eisen(III)-Komplexe statt.
Der Hexaquaeisen(III)-Komplex ist farblos. Die orange Farbe der Eisen(III)-nitratlösung
entsteht, da eine wässrige Lösung von Eisen(III)-salzen leicht sauer reagiert. Es bildet sich der
Hydroxokomplex. In der Probe der Eisen(III)-nitratlösung im Reagenzglas lässt sich die saure
Reaktion mit einem Streifen pH-Papier nachweisen. Es färbt sich rot.
Fe(H2O)6
3+
(aq)
+ H2O
farblos
2+
(aq)
Fe(OH)(H2O)5
+ H3O+(aq)
orangegelb
Dieses Gleichgewicht lässt sich durch Zugabe von Säure nach links verschieben. Mit dem
Hydroxokomplex verschwindet auch seine Farbe. Dies ist der Fall im zweiten Becherglas, in
welchem 4 mL halbkonzentrierter Salpetersäure vorliegen.
Im dritten Becherglas befinden sich 6 mL einer gesättigten Natriumchloridlösung. Mit
Chlorid-Ionen bilden sich gelbe Chloro-Komplexe, z.B. das tetraedrische Tetrachloroferrat.
Fe(H2O)6
3+
(aq)
+ 4 Cl-(aq)
orangegelb
FeCl4
(aq)
+ 6 H2O
gelb
Im vierten Becherglas wird mit einigen Tropfen Kaliumthiocyanatlösung ein bekannter
Eisennachweis gezeigt. Es bildet sich der rote, oktaedrische Triaquatrithiocyanatoeisen(III)Komplex.
FeCl4
(aq)
+ 3 SCN-(aq) + 3 H2O
Fe(SCN)3(H2O)3
gelb
(aq)
+ 4 Cl-(aq)
rot
Diese Lösung wird durch Zugabe von Fluorid-Ionen entfärbt. Im fünften Becherglas liegt
nämlich eine gesättigte Natriumfluoridlösung vor. Es bilden sich stabile Fluorokomplexe, in
wässriger Lösung liegt überwiegend das Aquapentafluoroferrat vor.
Fe(SCN)3(H2O)3
rot
(aq)
+ 5 F-(aq)
FeF5(H2O)
farblos
2(aq)
+ 3 SCN-(aq) + 2 H2O
23
Die weiße Trübung ist dabei auf die Bildung von schwerlöslichem Eisen(III)-fluorid
zurückzuführen.
Im Fluorokomplex sind die Eisen(III)-Ionen gegenüber den Thiocyanat-Ionen maskiert. Dies
kann man zeigen, indem man einige Tropfen Kaliumthiocyanatlösung in das Reagenzglas mit
der Probe des fünften Becherglases gibt. Es tritt keine rote Farbe auf. Die rote Farbe im
vierten Reagenzglas lässt sich hingegen noch intensivieren.
Es lässt sich nun eine Reihe der relativen Stabilität der Eisen(III)-Komplexe aufstellen. Dabei
ist der Fluorokomplex der stabilste und der Hexaquakomplex der am wenigsten stabile
Komplex.
[Fe(H2O)6]3+ < [FeCl4]- < [Fe(SCN)3(H2O)3] < [FeF5(H2O)]2Dieses Ergebnis lässt sich teilweise mit dem HSAB-Konzept („principle of hard and soft
acids and bases“) begründen. Das Fe3+-Kation ist eine harte Säure, es bindet daher eher an
harte Basen. Das Fluorid-Ion ist z.B. eine sehr harte Base, der Fluorokomplex daher sehr
stabil.
Das Thiocyanat bindet in dem Komplex über das relativ harte Stickstoffatom. Außerdem liegt
beim Thiocyanatkomplex ein low-spin-Komplex vor und es wird Ligandenfeldstabilisierungsenergie frei.
Diese unterschiedlichen Konzepte lassen sich allerdings nicht direkt miteinander vergleichen.
Nun möchte ich noch den letzten Schritt der Farbreihe erläutern. Im sechsten Becherglas
befand sich eine Spatelspitze gelbes Blutlaugensalz, Kaliumhexacyanoferrat(II). Mit den
Eisen(III)-Ionen der Lösung bildet sich Eisen(III)-hexacyanoferrat(II), das Berliner Blau.
+3
4
FeF5(H2O) 2-(aq)
+2
+ 3 Fe(CN)6 4-(aq)
+3
+2
Fe4 Fe(CN)6 3 .n H2O + 20 F-(aq)
blau
n = 14-16
Die Struktur des Berliner Blau-Komplexes lässt sich folgendermaßen beschreiben. Die
Elementarzelle besteht aus acht Würfeln, deren Eckpunkte abwechselnd mit Eisen(II) und
Eisen(III) besetzt sind. Die Cyanidgruppen liegen entlang der Kanten der Würfel. Jedes
Eisen(II) ist oktaedrisch von sechs Cyanidliganden umgeben. Ebenso ist ein Eisen(III)
oktaedrisch von sechs Cyanidliganden koordiniert. Dabei sind die weicheren lewis-sauren
Eisen(II)-Ionen an das weichere lewis-basische Kohlenstoffende des Cyanids und die härteren
24
lewis-sauren Eisen(III)-Ionen an das härtere lewis-basische Stickstoffende des Cyanids
gebunden.
Drei Eisen(III)-Ionen sind jeweils von vier Cyanidliganden und zwei Wassermolekülen
koordiniert. In jedem Oktanten der Elementarzelle befindet sich ein weiteres Wassermolekül.
● Fe (II)
● Fe (III)
○HO
2
6
Abb. 16: Struktur von unlöslichem Berlinerblau
Die charakteristische blaue Farbe kommt durch Charge-Transfer-Übergänge vom Metall zum
Metall (MMCT) zustande, da das Eisen in zwei Oxidationsstufen vorliegt (intervalence
charge-transfer). Durch gelbes Licht erfolgt der Übergang eines d-Elektrons vom low-spinFe(II) zum high-spin-Fe(III).
Nach diesem Versuch zur qualitativen Bestimmung der Stabilität von Komplexen möchte ich
nun einen Versuch zur quantitativen Bestimmung zeigen.
5.2 Quantitative Betrachtung
5.2.1 Versuch 5 : Bestimmung der Komplexbildungskonstanten von Cu(II)Komplexen
Material:
2 Bechergläser (100 mL), Messzylinder (100 mL), Messpipette
(10 mL), 2 Kupferelektroden, 2 Krokodilklemmen, 2 Kabel, Voltmeter,
Papiertaschentuch, Glasstab, Stativmaterial
6
Aus Riedel, S. 834
25
Chemikalien:
Kupfer(II)-sulfatlösung CuSO4 (aq) (c = 0,1 mol/L)
Ammoniaklösung NH3 (aq) (w = 0,25)
Ethylendiamin NH2(CH2)2NH2 (l)
Kaliumnitratlösung KNO3 (aq) (w = 0,2)
Durchführung:
In zwei Bechergläser werden jeweils 50 mL Kupfer(II)-sulfatlösung
gefüllt. Zwei blanke Kupferelektroden werden mit dem Voltmeter
verbunden und in die Kupfersulfatlösungen eingetaucht. Ein Stromschlüsselrohr wird auf einfache Weise hergestellt, indem ein halbes
Papiertaschentuch zusammengerollt und in der Kaliumnitrat-lösung
getränkt wird. Damit werden die beiden Bechergläser verbunden. Zeigt
das Voltmeter keine Spannungsdifferenz an, so werden 5,6 mL ( =
0,08 mol) Ammoniaklösung in das Becherglas gegeben, welches mit
dem Minuspol des Voltmeters verbunden ist. Mit einem Glasstab wird
vorsichtig umgerührt und die Spannungsdifferenz wird gemessen. Das
Becherglas wird ausgetauscht, die Elektrode abgespült. In einem
zweiten Versuchsteil verfährt man analog, wobei diesmal 2,7 mL (=
0,04 mol) Ethylendiamin hinzugegeben werden.
Beobachtung:
Nach der Zugabe der Ammoniaklösung färbt sich die Lösung
dunkelblau-violett. Es wird eine Spannungsdifferenz von ca. 0,4 V
gemessen.
Nach der Zugabe des Ethylendiamins färbt sich die Lösung ebenfalls
dunkelblau-violett (vgl. Abb. 17). Die Spannungsdifferenz beträgt ca.
0,58 V.
Abb. 17: Versuchsaufbau nach Zugabe von Ethylendiamin
26
Auswertung und Erläuterung:
Ich betrachte zunächst die Reaktion mit Ammoniak. In einer verdünnten Kupfer(II)salzlösung sind die Kupfer-Ionen verzerrt oktaedrisch koordiniert. Auf Grund des Jahn-TellerEffekts bei d9-Elektronenkonfiguration sind zwei H2O-Liganden weiter entfernt und
schwächer gebunden. Nur bei den quadratisch koordinierten Liganden ist deswegen eine feste
Bindung und damit eine dauerhafte Substitution durch H2O-Moleküle möglich. Bei der
Reaktion mit Ammoniak entsteht somit der Diaquatetraamminkupfer(II)-Komplex.
Cu(H2O)6
2+
(aq)
+ 4 NH3 (aq)
Cu(H2O)2(NH3)4
2+
(aq)
+ 4 H2O
Im Folgenden werden zur Vereinfachung der Gleichungen die koordinierten Wassermoleküle
weggelassen.
Eine Spannungsdifferenz ist messbar, da durch Zugabe der Liganden die Konzentration der
Kupfer(II)-Ionen in der Lösung in Folge der Bildung des Komplexes stark herabgesetzt wird.
In dem Becherglas bzw. der Halbzelle mit der geringeren Konzentration an Kupfer(II)-Ionen
ist das Potential negativer und es kommt zur Oxidation. Hier gehen Kupfer(II)-Ionen in
Lösung. In der Halbzelle mit der höheren Konzentration an Kupfer(II)-Ionen und somit mit
dem positiveren Potential, d.h. in dem Becherglas ohne Zusatz des Liganden, findet eine
Reduktion statt. Kupfer scheidet sich ab.
Für die oben gezeigte Komplexbildungsreaktion lässt sich die Gleichung für eine
Komplexbildungskonstante aufstellen, genauer gesagt die Bruttokomplexbildungskonstante.
Diese berechnet sich aus den Gleichgewichtskonzentrationen des Komplexes, der Kupfer(II)Ionen und des Ammoniaks.

K B CuNH3 4 
2

c CuNH3 4 
  cCu  c
2
2
4

NH3 
Diese Konstante soll im Folgenden berechnet werden, um eine Aussage über die Stabilität der
Komplexe treffen zu können.
Die Anfangskonzentration des Ammoniaks lässt sich leicht aus der Stoffmenge und dem
Volumen der Lösung berechnen.
c 0 NH3  
nNH3  0,08 mol
mol

 1,44
V Lsg. 0,0556 L
L
27
Für die Halbzelle 1, d.h. die reine Kupfer(II)-sulfatlösung, lässt sich das Potential mit Hilfe
der Nernstschen Gleichung berechnen.


E1  E 0 Cu / Cu 2 


0,059
0,059
V  lg c Cu 2  0,34 V 
V  lg 0,1  0,3105 V
n
2
Damit kann dann das Potential der Halbzelle 2, d.h. der Kupfer(II)-sulfatlösung, zu der die
Ammoniaklösung gefügt hinzugefügt wurde, berechnet werden, und zwar als Differenz des
Potentials der Halbzelle 1 und der gemessenen Spannungsdifferenz von ΔE = 0,4 V.
E 2  E1  E  0,3105 V  0,4 V  0,0895 V
Die Gleichgewichtskonzentration der Kupfer(II)-Ionen lässt sich nun berechnen, indem man
die Gleichung für die Halbzelle 2 nach dieser Konzentration auflöst.


E 2  E 0 Cu / Cu 2 
lg

2  E
c Cu  
2
2

0,059
V  lg Cu 2
2




 E 0 Cu / Cu 2
2   0,0895 V  0,34 V

0,059 V
0,059 V


c Cu 2  2,76  10 15 mol / L
Der erhaltene Wert ist so gering, dass man näherungsweise annehmen kann, dass praktisch
alle Kupfer(II)-Ionen in komplexierter Form vorliegen. Damit entspricht dann die
Konzentration des Komplexes der Anfangskonzentration der Kupfer(II)-Ionen. Die Gleichgewichtskonzentration des Ammoniaks lässt sich berechnen aus der Anfangskonzentration
abzüglich der vierfachen Anfangskonzentration der Kupfer(II)-Ionen, da zur Komplexbildung
vier Moleküle Ammoniak an ein Kupfer(II)-Ion gebunden werden.

c CuNH3 4 
2
  0,1 mol / L


c NH3   c 0 NH3   4  c 0 Cu 2  1,44 mol / L  4  0,1 mol / L  1,04 mol / L
Mit den Gleichgewichtskonzentrationen lässt sich schließlich die Bruttokomplexbildungskonstante berechnen.
28

2

2
K B CuNH3 4 
K B CuNH3 4 

c CuNH3 4 
  c Cu  c
2
2
4
  3,10 10
13


NH3 
0,1 mol / L

2,76  10 15 mol / L  1.04 mol / L

4
L4 / mol 4
Literaturwert: K B CuNH3 4 
2
  2 10
13
L4 / mol 4
Im zweiten Versuchsteil wird Ethylendiamin zur Kupfer(II)-sulfatlösung gegeben. Das
Ethylendiamin ist ein zweizähniger Ligand. Es kann mit beiden Stickstoffatomen an ein
Zentralatom binden.
H2N
NH2
Abb. 18: Ethylendiamin
Die Kupfer(II)-Ionen reagieren mit Ethylendiamin zum Diaquadiethylendiaminkupfer(II)Komplex.
Cu(H2O)6
2+
(aq)
+ 2 en (aq)
Cu(H2O)2(en)2
2+
(aq)
+ 4 H2O
Die Bruttokomplexbildungskonstante berechnet sich nach folgender Gleichung.

K B Cuen 2 
2


c Cuen 2 

c Cu 2  c 2 en 
 
2

Die Berechnung folgt analog der Berechnung der Komplexbildungskonstanten für den
Tetraamminkupfer(II)-Komplex.
Mit der gemessenen Spannungsdifferenz von ΔE = 0,58 erhält man folgenden Wert.

K B Cuen 2 
2
  1,46  10

20
L2 / mol 2
Literaturwert: K B Cuen 2 
2
  0,5  10
20
L2 / mol 2
Es fällt auf, dass dieser Wert um sieben Zehnerpotenzen größer ist als der Wert für die
Komplexbildungskonstante des Amminkomplexes.
29
Die größere Stabilität des Ethylendiaminkomplexes erklärt sich durch den Chelateffekt.
Chelateffekt
Das Wort Chelat stammt aus dem Griechischen von Chelé und bedeutet Krebsschere. Man
kann sich anschaulich vorstellen, dass das Zentralteilchen in einem Chelatkomplex von
mehrzähnigen Liganden wie von einer Krebsschere umfasst wird.
Der Chelateffekt basiert zum einen auf einem thermodynamischen Effekt. Bei der Bildung
eines Chelatkomplexes führt der Austausch von einzähnigen Liganden gegen Chelatbildner zu
einer größeren Anzahl freier Teilchen. Dies ist an der Reaktionsgleichung der Bildung des
Ethylendiaminkupfer(II)-Komplexes erkennbar.
Cu(H2O)6
2+
(aq)
+ 2 en (aq)
Cu(H2O)2(en)2
2+
(aq)
+ 4 H2O
Die Entropie nimmt somit zu. Der positive Wert für die Entropieänderung hat nach der GibbsHelmholtz-Gleichung negativere Werte der freien Bildungsenthalpie zur Folge.
ΔGB = ΔHB – TΔSB
Nach folgender Gleichung ergibt sich demnach auch eine größere Komplexbildungskonstante.
KB  e
 GB
RT
Weiterhin ist ein kinetischer Effekt für den Chelateffekt von Bedeutung. Bei mehrzähnigen
Liganden ist die Besetzung der zweiten Koordinationsstelle wahrscheinlicher als bei
einzähnigen Liganden, da sich die zweite Bindungsstelle des Liganden bereits in der Nähe
befindet (vgl. Abb. 19). Man spricht auch von einer größeren Konzentration des Liganden in
der Umgebung der zweiten Koordinationsstelle.
H2
N
H2
N
Cu
N
H2
Abb. 19: kinetischer Effekt
NH2
30
Mit dem nächsten Versuch möchte ich noch bei den Chelatkomplexen bleiben und zeigen,
dass man den Schülern nicht immer vorgeben muss, wie viele Liganden an ein Zentralteilchen
koordinieren, sondern dieses auch experimentell ermitteln kann.
6 Demonstration 2: Bestimmung der Koordinationszahl
Material:
5 Reagenzgläser, Reagenzglasständer, 5 Gummistopfen, Messpipette
(10 mL), Spritzflasche mit entionisiertem Wasser
Chemikalien:
Nickel(II)-nitratlösung Ni(NO3)2 (aq) (c = 1 mol/L) oder
Nickel(II)-sulfatlösung NiSO4 (aq) (c = 1 mol/L)
Ethylendiaminlösung NH2(CH2)2NH2 (aq) (c = 1 mol/L)
Durchführung:
In fünf nummerierte Reagenzgläser wird jeweils 1 mL der
Nickelsalzlösung
gegeben
und
eine
bestimmte
Menge
an
Ethylendiaminlösung, wie in der Tabelle angegeben. Die Reagenzgläser
werden mit Wasser auf das gleiche Niveau aufgefüllt und durchmischt.
Nummer des Reagenzglases 0 1 2 3 4
V(Ni2+-Lösung) in mL
1 1 1 1 1
V(en-Lösung) in mL
-
V(H2O) in mL
5 4 3 2 1
1 2 3 4
Tab. 2: Mengenangaben für Demonstration 2
Bei Verwendung von Demoreagenzgläsern wird das Zehnfache der
angegebenen Volumina verwendet.
Beobachtung:
Reagenzglas 0 zeigt die hellgrüne Farbe der Nickelsalzlösung. Durch
Zugabe von Ethylendiaminlösung ändert sich die Farbe von blau über
blauviolett nach violett. Die Violettfärbung tritt erstmalig in
Reagenzglas 3 auf und bleibt im Reagenzglas 4 bestehen.
31
Abb. 20: Reagenzgläser 0 bis 4
Auswertung und Erläuterung:
Die verwendete Methode zur Bestimmung der Koordinationszahl wird auch als Methode der
molaren Verhältnisse bezeichnet.
Bei einem molaren Verhältnis von Nickel : Ethylendiamin wie 1 : 3 tritt der endgültige
Farbton des gebildeten Komplexes auf, der auch bei weiterer Zugabe von Ethylendiamin
bestehen
bleibt.
Somit
ist
anzunehmen,
dass
die
Koordinationszahl
des
Ethylendiaminnickel(II)-Komplexes drei beträgt.
Je nachdem, wie viel Äquivalente Ethylendiamin zur Nickelsalzlösung gegeben werden,
werden ein, zwei oder drei Ethylendiaminmoleküle im Komplex gebunden.
Ni(H2O)6
2+
(aq)
+ en (aq)
grün
Ni(en)(H2O)4
2+
(aq)
+ 2 H2O
blau
2+
(aq)
+ en (aq)
blau
Ni(en)2(H2O)2
blauviolett
Ni(en)(H2O)4
Ni(en)2(H2O)2
2+
(aq)
+ 2 H2O
blauviolett
2+
(aq)
+ en (aq)
Ni(en)3
2+
(aq)
+ 2 H2O
violett
Bei Zugabe von drei oder mehr Äquivalenten Ethylendiamin liegt der endgültige Komplex
vor, der violette Tris(ethylendiamin)nickel(II)-Komplex.
Da Ethylendiamin ein zweizähniger Ligand ist, wird das Nickel im Komplex sechsfach
koordiniert und zwar in Form eines Oktaeders (vgl. Abb. 21).
32
7
Abb. 21: Struktur des Tris(ethylendiamin)nickel(II)-Komplexes
7 Bedeutung und Verwendung von Komplexen
Die Bedeutung von Komplexverbindungen ist weitreichend und die Anwendungsgebiete sind
sehr vielfältig.
In der Natur findet man Komplexe z.B. im Blutfarbstoff Hämoglobin, im Pflanzenfarbstoff
Chlorophyll oder im Vitamin B12. In folgenden Bereichen werden Komplexe angewendet: in
der Photographie (Fixiersalz), zur Bestimmung der Wasserhärte, in der Galvanotechnik, bei
der Cyanidlaugerei, bei Reaktionen mit Kronenethern oder auch als „optische Thermometer“,
d.h. bei der Bildung oder Zersetzung von Komplexverbindungen bei einer bestimmten
Temperatur tritt eine Farbänderung auf.
In meinem nächsten Versuch möchte ich eine alltäglichere Möglichkeit für die Anwendung
von Komplexen zeigen.
7.1 Versuch 6: Nickeltest
Material:
1- oder 2-Euro-Münze, Wattestäbchen (weiß), Tropfflasche
Chemikalien:
Ammoniaklösung NH3 (aq) ( w = 0,05)
Lösung des Dimethylglyoxim-Dinatriumsalzes in Wasser (w = 0,03)
Durchführung:
Ein Wattestäbchen wird mit der Dimethylglyoximlösung befeuchtet und
mit 1-2 Tropfen 5%iger Ammoniaklösung alkalisch gemacht.
Anschließend reibt man damit etwa eine halbe Minute an der
7
Vgl. Krempel, S. 36 aus Asselborn, W., Jäckel, M., Risch, K.T. (Hrsg.), Chemie, 1998, S. 198
33
Oberfläche einer Euromünze (oder eines anderen nickelhaltigen
Gegenstandes).
Beobachtung:
Es ist eine Rotfärbung zu erkennen.
Erläuterung:
Nickel reagiert mit Dimethylglyoxim zum Bis(dimethylglyoximato)nickel(II). Dieser
Komplex besitzt eine rote Farbe.
H
O
N
OH
H3C
O
N
N
CH3
+2
Ni(H2O)6
2+
+ 2 OH-(aq) +2
Ni
N
OH
H3C
+ 8 H2O
N
N
O
O
CH3
H
Bis(dimethylglyoximato)nickel(II)
Ein derartiger Nickeltest ist auch in Apotheken erhältlich und dient Personen, die auf Nickel
allergisch reagieren, als Schnelltest für z.B. metallische Haushaltgeräte oder Modeschmuck.
1- und 2-Euro-Münzen bestehen aus nickelhaltigen Legierungen und einem Nickelkern im
Innern. Die silberfarbene Legierung besteht zu 75% aus Kupfer und zu 25% aus Nickel
(Cu75Ni25), die goldfarbene Legierung besteht aus einer Nickel-Messing Legierung
(Cu75Zn20Ni25). Euro-Münzen setzen rund 50mal mehr Nickel frei als bei Modeschmuck
erlaubt ist. Es findet allerdings im Allgemeinen kein länger andauernder Hautkontakt statt
außer bei beruflich exponierten Personen. Die meisten Bankinstitute nehmen daher keine
Stellenbewerber mit Nickelallergie auf.
7.2 Versuch 7: Geheimtinte
Material:
weißes Papier, Glaskapillare, Becherglas (50 mL)
Chemikalien:
Cobalt(II)-chloridlösung CoCl2 (aq) (c = 0,5 mol/L)
34
Durchführung:
Man taucht die Glaskapillare in ein Becherglas, in dem sich etwas
Cobalt(II)-chloridlösung befindet und schreibt damit auf ein Stück
weißes Papier. Anschließend legt man das Papier auf eine warme
Heizplatte.
Beobachtung:
Die Schrift ist zunächst blassrosa und kaum zu erkennen. Auf der
Heizplatte erscheint dann jedoch eine blaue Schrift.
Erläuterung:
Der Farbumschlag wird durch die Entwässerung des rosafarbenen Hexaquakomplexes zum
festen blauen Cobalt(II)-chlorid verursacht.
Co(H2O)6 Cl2 (s)
CoCl2 (s) + 6 H2O
rosa
blau
Diese Reaktion wird z.B. für Feuchtigkeitsmessungen im Raum angewendet und ist auch die
Ursache für den charakteristischen Farbumschlag des Silicagels.
Mit diesem Versuch müssten die meisten Schüler zu begeistern sein.
8 Schulrelevanz
Im hessischen Lehrplan für G8 tritt das Thema Komplexchemie als Wahlthema für den
Leistungskurs LK 12G.2 auf. 43 Unterrichtsstunden werden dafür eingeplant. Folgende
Bereiche sollen nach dem Lehrplan behandelt werden: Eigenschaften und Reaktionen von
Komplexen, Aufbau und Struktur (Polyeder, Nomenklatur, Zähnigkeit, Chelate), Stabilität
von
Komplexverbindungen
(Komplexbildungskonstante),
Modellvorstellungen
zur
chemischen Bindung in Komplexen mit dem Schwerpunkt auf der Valence-Bond-Theorie,
Bedeutung und Verwendung von Komplexverbindungen.
Die gezeigten Versuche eignen sich für eine Behandlung der Komplexchemie im
Schulunterricht, da eben diese Bereiche angesprochen werden und die Durchführung mit
einfachen Materialien möglich ist. Versuch 1 führt in das Thema ein und zeigt eine
Komplexbildungsreaktion. Demonstration 1 stellt anschaulich Koordinationspolyeder vor und
lässt die Schüler die Gedanken der Forscher zur Struktur der Komplexe nachvollziehen.
Versuch 2 und 3 führen auf zwei Modellvorstellungen zur chemischen Bindung in
35
Komplexen hin, auf die Valence-Bond-Theorie und die Ligandenfeldtheorie. Versuch 4 und 5
zeigen wichtige Komplexbildungsreaktionen, anhand derer die Stabilität von Komplexen
diskutiert wird. Mit Versuch 5 kann die Berechnung einer Komplexbildungskonstanten
erarbeitet werden. Demonstration 2 zeigt die Bedeutung der Koordinationszahl an einem
Chelatkomplex. Versuch 6 und 7 stellen einfache Möglichkeiten zur Anwendung von
Komplexverbindungen dar.
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