(404) 31 8. Nebengruppe Als einzige Gruppe des PSE enthält die 8.NG Elemente verschiedener Elektronenzahl in der zweitäußersten Schale. In ihr werden jeweils drei Elemente der drei Übergangsmetallreihen aufgenommen, wodurch sich drei Triaden ergeben. Die erste Triade (Eisengruppe) unterscheidet sich chemisch so erheblich von den restlichen sechs Elementen (Platinmetalle), dass eine getrennte Behandlung sinnvoll erscheint. Eisen Fe Ruthenium Ru Osmium Os Cobalt Co Rhodium Rh Iridium Ir Nickel Ni Palladium Pd Platin Pt Eisengruppe, unedel leichte Platinmetalle schwere Platinmetalle edel 31.1 Eisengruppe (Eisenmetalle: Fe, Co, Ni) Ordnungszahl Außenelektronen Dichte bei 20oC/g · cm-3 Schmelzpunkt /oC E°/V für M/M2+ für M2+/M3+ Ionenradien (in pm) Eisen 26 3d64s2 7,87 1535 -0,44 +0,77 M2+(KOZ = 6) 92(hs), 75(ls) M3+(KOZ = 6) 79(hs), 69(ls) Cobalt 27 3d74s2 8,70 1490 -0,28 +1,81 Nickel 28 3d84s2 8,90 1452 -0,25 89(hs), 79(ls) 75(hs), 69(ls) 83 ls: low spin hs: high spin Die Elemente der Eisengruppe (3d-Übergangsmetalle) besitzen ähnliche Dichten und Schmelzpunkte. Sie sind alle ferromagnetisch. Für das Verhalten von Übergangsmetallen ist die Beteiligung ihrer d-Elektronen bei der Verbindungsbildung charakteristisch. Die Behandlung der übrigen Nebengruppen des PSE wird zeigen, dass bis zur halben Füllung der d-Unterschalen (also bis d5) alle diese ungepaarten d-Elektronen (zusammen mit den beiden äußersten s-Elektronen) sich mehr oder weniger leicht an der Verbindungsbildung beteiligen (bis zur maximalen Oxidationsstufe +VII in der 7. NG.). Diese vollständige Beteiligung der d-Elektronen gilt dann nicht mehr, wenn die d-Bahnen über die Hälfte besetzt sind (vom Eisen ab in der ersten Übergangsreihe). Deshalb werden die formal denkbaren höchsten Oxidationsstufen (Fe +VIII, Co +IX und Ni +X) nicht erreicht; die Elemente bilden vielmehr recht niedrige Oxidationsstufen aus - von Fe und Co kennt man als wichtigste +II und +III, und von Ni +II. Die Normalpotentiale der drei Elemente zeigen, dass alle drei zwar prinzipiell “unedel” sind, dass aber nur Eisen schon an feuchter Luft - naturgemäß besonders von Säuren - leicht oxidiert wird, während Cobalt und Nickel gegenüber H2O und nicht oxidierenden Säuren zunehmend beständiger werden. Von oxidierenden Säuren werden dagegen alle drei Eisenmetalle erwartungsgemäß leicht angegriffen und aufgelöst. Die kleinen Ionenradien in den Oxidationsstufen +II und +III zeigen eine sehr hohe Ladungsdichte an. Diese hohe Ladungsdichte einerseits und das Vorhandensein nur unvollständig gefüllter d-Orbitale andererseits begünstigen in sehr starkem Maße die Bildung von zahlreichen Komplexverbindungen dieser Elemente. Das Redoxpotential Fe2+/Fe3+ zeigt, dass Fe2+ leicht zu Fe3+ zu oxidieren ist. Beim Cobalt ist in Salzen die stabile Oxidationsstufe +II, Co(II)-Komplexe lassen sich aber leicht oxidieren, und in Komplexverbindungen ist Co(III) beständiger. (405) Charakteristische Komplexverbindungen sind: oktaedrische diamagnetische Co(III)-Komplexe mit der low-spin-Konfiguration t62g, tetraedrische Co(II)-Komplexe und planar-quadratische Pd(II)-Komplexe. Die Salze und Komplexe sind meist farbig. 31.1.1 Eisen Eisen(II)- und Eisen(III)-Verbindungen Standardredoxpotentiale Eo (in V, pH = 0) Fe Fe2+ + 2e- -0,41 Fe Fe3+ + 3e- -0,036 Fe2+ Fe3+ + e- +0,77 Diese Standardredoxpotentiale verändern sich mit der Erhöhung des pH-Wertes und in Gegenwart von Komplexbildnern. Eisen(II)- und Eisen(III)-Salze hydrolysieren und bilden mit OH- schwerlösliche Hydroxide. Fe2+ - und Fe3+ besitzen eine reiche Komplexchemie. FeSO4 · 7H2O, Eisen(II)-Sulfat-Heptahydrat (blassgrün) Hydrolyse (Reaktion von Fe2+ mit dem koordinierten H2O): [Fe(H2O)6]2+ + H2O blassgrün [FeOH(H2O)5]+ + H3O+ K = 10-7 schwach saure Reaktion! pH einer 0,1 molaren Lösung 4 Mit der Zeit wird die Lösung dunkler und trübe. Die infolge Hydrolyse sauer reagierende Lösung oxidiert sich an der Luft unter teilweiser Abscheidung von basischem Eisen(III)-Sulfat: 4Fe2+ + O2 + 4H3O+ 4Fe3+ + 6H2O Fe2+ Fe3+ + e- +0,77 V 6H2O O2 + 4H3O+ + 4e- +1,23 V FeSO4 · 7H2O “verwittert” an der Luft zu Fe(III) (Gelbbraunfärbung). Luftstabiler ist das Doppelsalz mit Ammoniumsulfat (NH4)2 Fe(SO4)2 · 6 H2O “Mohrsches Salz”. Fe2+ lässt sich leicht zu Fe3+ oxidieren. (406) Fe(NO3)3, Eisen(III)-nitrat (blassrosa) Hydrolyse: [Fe(H2O)6]3+ + H2O [FeOH(H2O)5]2+ + H3O+ K = 10-3 gelbbraun pH einer 0,1 molaren Lösung 2, vergleichsweise stark saure Reaktion -2H2O 4[FeOH(H2O)5] 2+ +2H2O 2[(H2O)5 Fe - O - Fe - (H2O)5]4+ gelbrauner, zweikerniger Eisenkomplex 6+ -H2O, -2H+ +H2O, +2H+ H2O OH2 H2O Fe H2O H2O O OH2 OH2 Fe H2O H2O O OH2 OH2 Fe H2O H2O O OH2 OH2 Fe H2O OH2 OH2 rotbraun Die Lösung färbt sich mit der Zeit immer mehr rotbraun und es kommt zur Niederschlagsbildung; aus den mehrkernigen löslichen Eisenkomplexen (Isopolyoxykationen) haben sich schwerlösliche Eisen(III)-oxid-Hydrate gebildet. Die Hydrolyse lässt sich mit Salpetersäure zurückdrängen (Bildung des [Fe(H2O)6]3+ in stark sauer Lösung). Fe(OH)3, Eisen(III)-hydroxid Fe(OH)3 FeO(OH)x · xH2O Eisen(III)-oxid Hydrat Versuch: Fe3+ + 3OH- Lp {Fe(OH)3} = c (Fe3+) . c3(OH-) = 5 . 10-38 mol4/l4 Fe(OH)2, Eisen(II)-hydroxid Versuch: Fe2+ + 2OH- Fe(OH)2 weiß (grünlich durch Anwesenheit von Fe3+, mit der Zeit grün-schwarz-braun Fe(OH)3) Lp {Fe(OH)2} = c (Fe2+) . c2(OH-) = 2 . 10-15 mol3/l3 Wie groß ist das Redoxpotential für das Redoxgleichgewicht Fe2+/Fe3+ bei pH = 14 {c(OH-) = 1 mol . l-1}? Unter Berücksichtigung der Löslichkeitsprodukte für Fe(OH)3 und Fe(OH)2 kann mit der Nernstschen Gleichung das Redoxpotential berechnet werden: E(Fe2+/Fe3+) = E°(Fe2+/Fe3+) + E°(Fe2+/Fe3+) = 0,77 V 0,059 1 lg c(Fe3+) c(Fe2+) (407) c(Fe3+) = 5 · 10-38 mol4 · l-4 / c3(OH-) c(Fe2+) = 2 · 10-15 mol3 · l-3 / c2(OH-) c(OH-) = 1 mol · l-1 2+ 5 . 10-38 3+ E(Fe /Fe ) = 0,77 + 0,059 lg 2 . 10-15 = 0,77 + 0,059 lg (2,5 · 10-23) = 0,77 + 0,059 (0,398-23) E(Fe2+/Fe3+) = -0,56 V Aufgrund der erheblichen Unterschiede in den Löslichkeitsprodukten von Fe(OH)3 und Fe(OH)2 wird das System Fe2+/Fe3+ im basischen Milieu zu einem starken Reduktionsmittel. Versuche: Fe2+ als Reduktionsmittel a) im basischen Milieu +II +V 8 Fe(OH)2 + NO3- + 6H2O +III -III 8Fe(OH)3 + NH3 + OH- Fe(OH)2 kann Nitrat bis zum Ammoniak reduzieren. Entweichendes NH3 färbt feuchtes Lackmuspapier blau. b) im sauren Milieu +II +V 3Fe2+ + NO3- + 4H+ +III +II 3 Fe3+ + NO + 2H2O Die Bildung von NO wird durch die Bildung des braunen Pentaaquanitrosyleisen(II)-Komplexes [Fe(H2O)5NO]2+ sichtbar. In saurer Lösung ist Fe(II) ein deutlich schwächeres Reduktionsmittel. Es wird nur durch stärkere Oxidationsmittel, wie HNO3 oder H2O2 in Fe(III) überführt. Da Fe2+ im alkalischen Medium stärker reduzierend wirkt, muss umgekehrt Fe3+ in saurem Milieu stärker oxidierend wirken. Versuch: H2O + HSO3Fe2+ +IV 2Fe3+ + HSO3- + H2O SO42- + 3H+ + 2e- Eo(V) 0,158 Fe3+ + e- 0,77 +VI 2Fe2+ + SO42- + 3H+ Die Bildung von Fe2+ kann durch die Zugabe von OH- sichtbar gemacht werden {Bildung von “grünlichem” Fe(OH)2}. (408) Fe(II) und Fe(III)-Komplexverbindungen +4CNVersuch: Fe2+ + 2CN- K4[Fe(CN)6] K3[Fe(CN)6] Fe(CN)2 rotbraun -4CNEisen(II)-cyanid Kalium-hexacyanoferrat(II) Kalium-hexacyanoferrat(III) [Fe(CN)6]4gelbe Lösung Hexacyanoferrat(II)-Komplex gelbes Blutlaugensalz rotes Blutlaugensalz Blutlaugensalze - der Name rührt daher, dass sie früher u.a. durch Erhitzen von Blut (Fe-, C- und Nhaltig) mit K2CO3 und Auslaugen der dabei erhaltenen Schmelze mit Wasser gewonnen wurden. Das Redoxpotential des Paares Fe2+/Fe3+ verändert sich, wenn Fe2+ und Fe3+ als Hexacyanokomplexe vorliegen: E(pH = 7) 2+ 3+ Fe Fe + e ~ -0,15 V +II [Fe(CN)6]4- +III [Fe(CN)6]3- + e- + 0,36 V Durch die Komplexbildung mit CN- hat die Reduktionskraft von Fe2+ abgenommen und die Oxidationskraft von Fe3+ zugenommen. Die 18-Elektronen-Regel erklärt die relative Redoxstabilität von [Fe(CN)6]4- gegenüber [Fe(CN)6]3- . [Fe(CN)6]4Fe2+(d6) 6 Elektronen 12 Elektronen _____________________ 18 Elektronen Edelgaskonfiguration (Krypton) [Fe(CN)6]3- - jeweils 6CN - Liganden (koordinative Bindung in Durchdringungskomplexen) Fe3+(d5) 5 Elektronen 12 Elektronen _______________________ 17 Elektronen Ein Elektron fehlt zur KryptonElektronenkonfiguration, deshalb ist Hexacyanoferrat(III) ein mildes Oxidationsmittel Nachweise für Fe2+ und Fe3+ Fe3+ + gelbes Blutlaugensalz tiefblaue Niederschläge von Berliner Blau +II +III Fe2+ + rotes Blutlaugensalz Fe[FeFe(CN)6]3 Die Strukturen dieser Niederschläge leiten sich von einem einfachen Würfelgitter ab, in welchem die Würfelecken von Fe-Ionen und die Würfelkanten zwischen den Fe-Ionen von längs dieser Kante angeordneten CN-Ionen besetzt sind (Abb.). Das weichere Lewis-basische Kohlenstoffende von CN- ist mit dem weicheren Lewis-sauren Fe2+ und das härtere Lewis-basische Stickstoffende mit dem härteren Lewis-sauren Fe3+ verknüpft. (409) (NC)5Fe low spin C N - Fe(NC)5 ambidentes high spin Cyanidion Ausschnitt aus der Kristallstruktur von Berliner Blau zur Illustration der Brückenbildung durch die ambidenten Cyanidionen. Große Kreise: Fe(II), kleine Kreise: Fe(III), schwarzer Punkt: Sauerstoffatom eines Wassermoleküls. Weitere, in den kubischen Hohlräumen eingelagerte Wassermoleküle wurden nicht eingezeichnet, ebenso die meisten der Cyanidionen. Ein sehr empfindlicher Fe3+-Nachweis ist die Reaktion mit Kaliumthiocyanat, KSCN. Fe3+ + 3SCN- Fe(SCN)3 + 3H2O blutrot Versuch: Farbiges Zaubergemälde Mit fünf Lösungen {Kaliumhexacyanoferrat(II), Kaliumthiocyanat, Gallusssäure, Salicylsäure und Natriumcarbonat} wird ein Bild auf Filterpapier gemalt. Man lässt so lange trocknen, bis die Pinselstriche fast unsichtbar geworden sind und besprüht dann das “latente” Gemälde mit FeCl 3-Lösung, worauf sich ein Bild mit folgenden Farben entwickelt: dunkelblau blutrot violett schwarz “Berliner Blau” Thiocyanatoeisen(III)-Komplexe Fe3+-Komplexe der Salicylsäure Eisengallustinte - Fe3+-Komplexe der Gallusssäure (410) hellbraun Eisen(III)-hydroxid (OH--Ionen werden durch die Hydrolyse von Na2CO3 gebildet). Vorkommen In der Erdhülle (Lithosphäre, Hydrosphäre, Biosphäre und Atomsphäre) ist Eisen das vierthäufigste Element und zweithäufigste Metall (4,7 Gew.-% Fe, 8,13 % Al, 26,3 % Si, 48,9 % O). Dagegen besteht der Erdkern mit einem Radius von 3500 km (mehr als die Hälfte des gesamten Erdradius) aus etwa 86 % Fe (Eisen ist ein besonders beständiges Element nach der Kernbindungsenergie pro Nukleon - siehe Punkt 1.8 (Massendefekt - S. 16). Bezogen auf die ganze Erdkugel ist Fe mit 34,6 % das häufigste Element. In der Erdkruste (Lithosphäre) liegt Eisen meist in Form von Oxiden, Sulfiden und Carbonaten vor. Das aus Magma abgeschiedene Gestein enthält Eisen in der Regel in zweiwertiger Form, während die Verwitterungsprodukte meist dreiwertiges Eisen aufweisen “Eisen(II) ist das Reduktionsmittel der Erdoberfläche”. Die roten, braunen und gelben Farbtöne des Erdbodens rühren von Fe2O3 bzw. Fe2O3 · xH2O her. Wichtige Erze: Magneteisenstein Roteisenstein Brauneisenstein Spateisenstein Eisenkies Fe3O4 (= FeO · Fe2O3, Magnetit) Fe2O3 (verschiedene Erscheinungsformen: Hämatit, Eisenglanz) Fe2O3 · H2O (Limonit) FeCO3 (Siderit) FeS2 (Pyrit, Schwefelkies) Der Name Eisen leitet sich von der gotischen Bezeichnung isarn für festes Metall ab (im Gegensatz zur weichen Bronze), das Symbol Fe vom lateinischen Namen “ferrum” für Eisen. Gewinnung Die technische Darstellung von Eisen ist einfach und besteht in der Reduktion von oxidischen Eisenerzen mit Koks im Hochofen. Das dabei entstehende Eisen enthält durchschnittlich 4 % Kohlenstoff und wird „Roheisen“ genannt, wobei man ganz allgemein unter der Bezeichnung Roheisen Eisensorten mit einem Kohlenstoffgehalt > 1,7 % versteht. Roheisen ist spröde, daher nicht schmiedbar und schmilzt beim Erhitzen plötzlich. Durch Verringerung seines C-Gehaltes kann man es in den schmiedbaren und beim Schmelzen allmählich erweichenden „Stahl“ (<1,7 % C) überführen. Der Hochofen (h = 25-30 m) besteht aus zwei mit den breiten Enden zusammenstoßenden, abgestumpften Kegeln. Der breiteste Teil des Ofens hat einen Durchmesser von rund 10 m. Eine gerade Zylinderform ist für den Hochofen nicht möglich, weil die Beschickung während des Niedergehens (Zunahme der Temperatur) anschwillt und ein “Hängen” des Hochofens verursachen würde, falls man nicht durch Verbreiterung des Durchmessers nach unten dieser Volumenvergrößerung Rechnung trüge. Im unteren Teil des Hochofens ist wiederum eine Verkleinerung des Durchmessers möglich, da hier wegen der noch höheren Temperatur die Beschickung unter Volumenverminderung zum Schmelzen kommt. Der Hochofen wird vom oberen Ende („Gicht“) her automatisch schichtweise mit einem entsprechend dem Eisengehalt des Erzes zusammengesetzten Gemisch von Koks und Erz beschickt (Pyrit FeS 2 und Eisenspat FeCO3 müssen vor ihrer Verarbeitung in das Oxid überführt werden „Rösten“). Dazu müssen noch „Zuschläge“ gegeben werden, die zusammen mit der „Gangart“ (mineralische Beimengungen der Erze) eine relativ niedrig schmelzende Schlacke bilden. Für basische Gangarten setzt man kieselsäurereiche Gesteine, für saure Gangarten dagegen entsprechende Mengen an Kalk zu, so dass die geschmolzene Schlacke ein Calciumaluminiumsilicat ist. Die Schlacke wird je nach ihrer Zusammensetzung als Straßenbaumaterial oder zur Herstellung von Mörtel, Bausteinen bzw. Eisenportlandzement oder Hochofenzement verwendet. (411) Aus der untersten Öffnung des Hochofens wird das flüssige Roheisen abgelassen. Darüber schwimmt die leichtere, aber ebenfalls geschmolzene Schlacke. Sie wird daher aus einer höher gelegenen Öffnung „abgestochen“. Unmittelbar über der geschmolzenen Schlacke wird heiße Gebläseluft zur Verbrennung des eingebrachten Kokses eingepresst. Während des Betriebes - ein Hochofen „läuft“ kontinuierlich mehrere Jahre lang und liefert dabei täglich 1000-1500 Tonnen Eisen und fast ebensoviel Schlacke (s. oben) - finden im Hochofen folgende Vorgänge statt: Unterhalb der Gicht wird die Beschickung bei 200 °C getrocknet, aufgelockert und vorgewärmt. Darunter folgt die „Reduktionszone“ mit einer Temperatur von 450-850 °C, in dieser Schicht reduziert das im Rast aus Koks und heißer Luft gebildete Kohlenstoffmonoxid CO das Eisenoxid zu sehr lockerem, oberflächenreichem metallischem Eisen nach: Schematische Darstellung eines Hochofens: Dieses so gebildete Eisen katalysiert noch die Einstellung des mit Temperaturerniedrigung ohnehin nach rechts verschobenen Gleichgewichtes, (412) 2CO C + CO2 weshalb sich an ihm feinst verteilter Kohlenstoff abscheidet. Dieser löst sich zu einem erheblichen Anteil im Eisen und erniedrigt dadurch dessen Schmelzpunkt so (von 1535 °C auf 1100 - 1200 °C), dass es in der 1500 °C heißen Schmelzzone zusammenschmilzt. Die darauf schwimmende Schlacke schützt das flüssige Roheisen vor der eingeblasenen Heißluft, die sonst das unedle Metall wieder verbrennen würde. Das an der Gicht austretende „Gichtgas“ enthält 25 % CO; daher kann es noch zur Energiegewinnung - bes. zum Erhitzen der notwendigen Gebläseluft im „Winderhitzer“ - herangezogen werden. Zur Überführung von Roheisen in Stahl werden heute praktisch nur noch zwei Verfahren technisch angewandt: das Konverterverfahren (Windfrischverfahren) und das Siemens-Martin-Verfahren. Legierte Stähle: Für viele praktische Anwendungszwecke werden besondere Stahllegierungen hergestellt. Sie können neben C, Si und Mn noch Cr, Ni, W, Mo, V und weitere Elemente enthalten. Der Stahl wird mit den gewünschten Legierungsbestandteilen unter möglichst vollkommenem Ausschluss des Luftsauerstoffs umgeschmolzen. Ni-Zusatz macht den Stahl sehr zäh (mit 25 % Ni, kann er auf die doppelte Länge ausgezogen werden). Cr-Zusätze machen Stahl besonders verschleißfest und korrosionsbeständig. So enthält beispielsweise V2A-Stahl 0,2 % Kohlenstoff, 18 % Chrom und 8 % Nickel, V4A-Stahl dazu noch 2 % Molybdän. Eigenschaften des Eisens Reines Eisen ist silberweiß. Es tritt in drei verschiedenen enantiotropen Modifikationen auf. Bis 906 °C als kubisch raumzentriertes -Eisen, von 906 °C bis 1401 °C als kubisch flächenzentriertes -Eisen oder Austenit und von 1400 °C bis zum Schmelzpunkt bei 1535 °C als -Eisen: 906oC 1401oC 1535oC - Eisen -Eisen -Eisen krz ferromagentisch, kdp paramagnetisch krz paramagnetisch geschmolzenes Eisen Wie auch seine beiden rechten Nachbarn im Periodensystem, Cobalt und Nickel, ist Eisen ferromagnetisch. Für den an den kristallinen Zustand gebundenen Ferromagnetismus ist charakteristisch, dass die magnetische Suszeptibilität ( Aufnahmefähigkeit) sehr hohe Werte annimmt. Ferromagnetismus - kooperatives bzw. kollektives magnetisches Phänomen, magnetische Spinmomente der paramagnetischen Zentren (Fe, d6) richten sich unterhalb einer bestimmten Temperatur (ferromagnetische Curie-Temperatur, Fe: 770°C, Co: 1130 °C, Ni: 358 °C) spontan parallel in kleinen Stoffbezirken “Weiss’sche Bereiche” aus. Jedoch sind die Richtungen der Magnetisierung der einzelnen Weiss’schen Bereiche statistisch im Raum verteilt, so dass sich die magnetischen Momente zu einem Gesamtmoment von Null ergänzen. Eine Magnetisierung der Ferromagnetika (parallele Ausrichtung der Momente der Weiss’schen Bereiche) erfolgt erst im äußeren Magnetfeld. Ferromagnetika besitzen eine magnetische Aufnahmefähigkeit , die um 107 bis 1010 mal größer als die normaler Paramagnetika ist (sie werden besonders stark von Magneten angezogen). Ferrimagnetismus Ferrimagnetische Stoffe (z. B. Fe3O4 = FeO . Fe2O3 enthalten zwei Sorten paramagnetischer Zentren (im Falle Fe3O4*: Fe2+ und Fe3+). Unterhalb der ferrimagnetischen Curie-Temperatur (585oC für Fe3O4) richten sich innerhalb Weiss’scher Bereiche die magnetischen Spinmomente gleichartiger Zentren (413) spontan parallel und ungleichartiger Zentren antiparallel zueinander aus. Sofern sich die antiparallel orientierten magnetischen Momente wie etwa im Falle von Fe3O4 nicht kompensieren, resultieren beachtliche magnetische Momente für die einzelnen Weiss’schen Bereiche, die aber wegen ihrer statistischen Verteilung im Raum nach außen nicht in Erscheinung treten. Eine Magnetisierung der ferrimagnetischen Stoffe (parallele Ausrichtung der einzelnen Momente der Weiss’schen Bereiche) erfolgt ähnlich wie bei den ferromagnetischen Stoffen erst nach Einwirkung eines äußeren Magnetfeldes. * Fe3O4 enthält pro Formeleinheit ein Fe2+-Ion (4 ungepaarte Elektronen, magnetisches Moment pro Ion 5.2 BM) und zwei Fe3+-Ionen (5 ungepaarte Elektronen; magnetisches Moment pro Ion 5.9 BM). Es sind die Fe3+-Ionen auf Tetraederplätzen mit den Fe2+- und Fe3+-Ionen auf Oktaederplätzen des inversen Spinells antiferromagnetisch gekoppelt, so dass das magnetische Moment der Fe2+- Ionen unkompensiert bleibt. Der älteste bekannte magnetische Werkstoff ist “Magneteisenstein” (“Magnetit”) Fe 3O4. Er gab als “lithos magnetis” (= Stein aus Magnesia) der Erscheinung Magnetismus ihren Namen. Ferro- und ferrimagnetische Werkstoffe werden in der Stark- und Schwachstromtechnik, in der Nachrichtentechnik und Elektronik und in der Tonaufzeichnungs- und Videotechnik verwendet. (Fe3O4 und -Fe2O3 als Magnetpigmente in Audiocassetten, Ton- und Videobändern). Chemische Eigenschaften Eisen löst sich als unedles Metall in Säuren Eo(Fe/Fe2+) = -0,44 V. Es bildet an trockener Luft und in luft- und kohlendioxidfreiem Wasser eine zusammenhängende OxidSchutzhaut (bildet sich auch in konz. H2SO4 und konz. HNO3, sowie beim Behandeln mit Mennige Pb3O4-Rostschutzfarbe). An feuchter, kohlendioxidhaltiger Luft oder in kohlendioxid- und lufthaltigem Wasser wird Eisen unter Bildung von Eisen(III)-oxid-Hydrat FeO(OH) = “Fe2O3 · H2O” angegriffen (“Rosten”), indem sich zunächst Eisencarbonate bilden, die dann der Hydrolyse unterliegen (besonders aggressiv verhält sich elekrolythaltiges Meerwasser oder SO2-haltiges Wasser in Industriegebieten). Die auf diesem Weg gebildete Oxidschicht stellt keine zusammenhängende festhaftende Haut dar, sondern springt in Schuppen ab und legt dabei frische Metalloberflächen frei, so dass der Rostvorgang weiter in das Innere des Eisens fortschreiten kann. Für das Rosten sind Wasser, Sauerstoff und ein Elektrolyt vonnöten - fehlt nur eine dieser Komponenten, ist kein merkliches Rosten feststellbar. Zum Schutz von Eisen und Stahl vor Rost geht man vielerlei Wege a) Aufbringung resistenter Schichten (Lackierung, Emaille) und b) Zulegieren von edleren Metallen (Edelstähle) oder man macht sich die Elektrochemie zu Nutze. Versuch (Korrosionsschutz): In einer Schale mit einer K3[Fe(CN)6]-Lösung (rotem Blutlaugensalz) werden drei abgeschmirgelte FeNägel hineingelegt. Ein Fe-Nagel wird leitend mit einem Cu-Blech verbunden, ein anderer mit Zink. Nach wenigen Minuten bildet sich in der Umgebung des mit Kupfer verbundenen Nagels eine Blaufärbung, später (10-20 Min.) auch am „freien Nagel. An dem mit Zink verbundenen Nagel bleibt die Blaufärbung aus. Erklärung: Werden zwei verschiedene Metalle leitend miteinander verbunden, bildet sich ein „Lokalelement“ aus. Das unedlere Metall geht in Lösung (Anode) und überträgt die entstehenden Elektronen auf das edlere Metall, das dann als Kathode wirkt und vor einem Angriff geschützt ist. Dieses Prinzip wird bei Rohrleitungen, Brücken, Tanks und Schiffen ausgenutzt. An den zu schützenden stählernen Objekten bringt man „Opferanoden“ an (meist aus Magnesium oder Zink). (414) Der umgekehrte Fall kann auftreten, wenn ein eisernes Bauteil mit einem Überzug eines edleren Metalls (z.B. Zinn) versehen ist. So lange die Schutzschicht unversehrt ist, erfolgt keine Korrosion. Ist die Oberfläche beschädigt, bildet sich ein Lokalelement aus, wobei das unedlere Eisen schneller angegriffen wird. Im Versuch wird die Auflösung des Eisens, d.h. die Freisetzung von Fe2+-Ionen, durch das Hexacyanoferrat angezeigt: Es bildet sich „Berliner Blau“. Bioanorganische Chemie des Eisens Eisen übt unter allen Elementen besonders viele Funktionen in der lebenden Natur aus und ist in Organismen in Form von Eisenproteinen wesentlich am Sauerstofftransport sowie an Elektronenübertragungsreaktionen (“Elektronentransfer”) beteiligt. Man unterteilt die Eisenproteine in Hämproteine, welche Eisen-Porphyrin-Komplexe enthalten, sowie in Nichthämproteine, welche Eisen-Schwefel-Cluster oder reine Eisen-Protein-Komplexe aufweisen. Eisenhaltige Wirkstoffe der Biosphäre: Hämproteine Nichthämproteine Eisenporphinproteine Funktion Eisenschwefelproteine Funktion Hämoglobin Myoglobin Cytochrome Oxygenasen Oxidasen Peroxidasen Catalasen Rubridoxine Ferredoxine Nitrogenasen Elektronentransfer (B)a) Elektronentransfer (T, B, P)a) N2-Redukt. zu NH3 (B, P)a) Eisenproteine Funktion Transferrine Ferritine Tierischer Eisentransport Eisenspeicherung (T, B, P)a) Tierischer O2-Transport Tierische O2-Speicherung Elektronentransfer (T, B, P)a) Oxygenierungen mit O2 O2-Redukt. zu O2-, O22-, O2Oxidation mit H2O2 H2O2-Dispr. zu H2O/O2 a) Tierische (T), bakterielle (B) und pflanzliche (P) Funktionen. -b) Ferredoxine sind in Kombination mit anderen Enzymen u.a. an der „Stickstofffixierung“, der „Photosynthese“, der „Atmung“ in den Zellmitochondrien, der „Kohlendioxidfixierung“ beteiligt. -c) Einführung von O-Atomen aus O2Molekülen in Biosubstrate {Monooxygenierungen: O2 O (inkorporiert) + H2O; Dioxygenierungen: O2 2O (inkorporiert)}. Der erwachsene Mensch enthält ca. 4,2 g chemisch gebundenes Eisen, wobei etwa 73 % des Gesamtgehaltes auf das Hämoglobin entfallen. Bei der Atmung wird das Disauerstoffmolekül durch das Hämoglobin (Hb) der roten Blutkörperchen (“Erythrocyten”), von der Lunge zum ortsfesten Myoglobin (O2-Speicherung) in den Muskeln transportiert. Von dort gelangt das O2-Molekül bei Bedarf zur Energiegewinnung zu den Cytochromen, einer Gruppe weiterer Hämproteine, die als Redoxkatalysatoren die Endglieder der Atmungskette sind (Energiegewinnung durch metabolische Oxidation von Glucose). (415) Blut Gewebe Hb(O2)2-3 Mb Lunge O2 H2O Cytochrome Hb Mb(O2) 2H+ Der Transport und die Speicherung von O2 mittels der Metalloproteine Hämoglobin und Myoglobin ist eine ”stöchiometrische Funktion”. Vereinfacht dargestellt ist Hämoglobin (2 x 141 und 2 x 136 Aminosäuren) ein tetrameres des monomeren Hämoproteins Myoglobin, das aus einer Polypeptidkette von 153 Aminsäure besteht, die um eine “Hämgruppe” herum gefaltet ist (s. Abb.) Die chemische Umgebung der Häm-Gruppe ist in Myoglobin und Hämoglobin fast identisch. Schematische Strukturen des Myoglobins (links) und des tetrameren Proteins Hämoglobin (rechts); jeweils mit Proteinfaltung und angedeuteter Häm-„Scheibe“: (416) Die Häm-Gruppe besteht aus einem Porphyrin-Eisen-Komplex (s. unten). Porphyrine sind substituierte Porphine. In diesen Tetrapyrrol-Makrocyclen sind die Pyrrol-Ringe über Methin-Brücken (=CH-) verknüpft. Es resultiert ein 18--Elektronensystem, wodurch diese Makrocyclen planar und relativ starr werden. Deshalb ist die Größe des Hohlraumes des Porphyrins recht genau definiert (r = 60-70 pm) und es können im Hohlraum nur Metallionen entsprechender Größe ungespannt koordiniert werden (durch vier N-Atome quadratisch planar). Im Hämoglobin schirmt jeweils eine Polypeptidkette ein Eisenzentrum weitgehend ab und fungiert mit einem Histidin-Imidazolring als axialer Ligand am Eisen, während die zweite axiale Koordinationsstelle der Komplexeinheit im Desoxyhämoglobin nicht besetzt ist (s. Abb.). In diesem Zustand erhält die Hämgruppe zweiwertiges Eisen in einem high-spin Zustand mit einem Ionenradius von 92 pm, das nicht in den Hohlraum des Porphyrins hineinpasst. Folglich nimmt der Komplex eine out-of-plane Struktur an, mit dem Fe-Atom 42 pm oberhalb der Ringebene. eg Fe2+ (d6) Fe2+ high spin t2g r (Fe2+) = 92 pm out-of-plane Struktur Bei der end-on Koordination eines O2-Moleküls in der freien axialen Position ändert das Eisen seinen Spinzustand und wird zu einem low-spin Zentrum mit einem Ionenradius von unter 75 pm. Durch das “Schrumpfen” des Eisen-Kations erlaubt dieses eine in-plane Koordination (vergl. Abb. unten). (417) eg Fe2+ (d6) Fe2+ low spin t2g r(Fe2+) < 75 pm in-plane Struktur Das Fe(II)-Ion bewegt sich also infolge der O2-Koordination in Richtung der Porphyrinebene und “zieht” dabei den Histidinrest des Proteins mit sich und löst dadurch eine teilweise Umordnung in der Peptidkette aus. Diese Umordnung in einer Peptidkette löst eine Störung der Salzbrücken zwischen den vier Häm-Protein-Ketten aus, wodurch die “Taschen” der drei verbleibenden Häm-Untereinheiten geöffnet werden und die Affinität der betreffenden Häm-Gruppen für O2 zunimmt. (Kooperativität bei der O2-Aufnahme durch Hämglobin; ist erst einmal ein O2 pro Hb aufgenommen, so wird die Bindung weiterer O2-Moleküle erleichtert.). Die außerordentliche Giftwirkung von CO beruht darauf, dass das Hämoglobin (weiches Fe2+-Zentrum) CO noch stärker bindet als O2, wodurch ein O2-Transport unmöglich wird. Die Giftigkeit von CN- geht wesentlich auf eine Blockierung von Cytochromoxidase (Fe3+-Zentrum) zurück. 31.1.2 Cobalt Cobalt verdankt seinen Namen dem bösen Erdgeist Kobalt. Ihn machten die Bergleute dafür verantwortlich, dass die Co enthaltenden Erze, die ein schönes, vielversprechendes Aussehen besaßen, beim Rösten einen üblen, knoblauchähnlichen Geruch entwickelten (Arsen-Gehalt!) und dass sich mit den damaligen Verhüttungsmethoden kein wertvolles Metall gewinnen ließ. Mit Co-Verbindungen haben bereits im Altertum die Ägypter, Griechen, Römer und Babylonier Gläser blau gefärbt. Vorkommen Co ist ein Spurenelement. Es ist in den meisten Böden anzutreffen und kommt in zahlreichen Mineralien, fast immer in Begleitung von Nickel, vor. Wichtigste Co-Erze: Cobaltin (Kobaltglanz, CoAsS) Skutterudit (Speiskobalt, Smaltin, CoAs3) Erythrin (Kobaltblüte, Co3(AsO4)2 · H2O) Verwendung - korrosionsbeständige Legierungen - gepulvertes Kalium-cobaltsilicat zur Blaufärbung, farbloser Glasflüsse („Cobaltblau“) - Co2(CO)8 Katalysator Hydroformylierung (Alken + CO + H2 Aldehyd) - Ein Sinterwerkstoff aus Wolframcarbid WC und 10 % Co dient als “Widia” (hart wie Diamant) zur Herstellung von Schneidwerkzeugen anstelle von Diamanten für Gesteinbohrer. Co(II)- und Co(III)-Verbindungen Die wichtigsten Oxidationsstufen von Co sind +II und +III. Bei den einfachen Co-Verbindungen ist die zweiwertige Oxidationsstufe wesentlich beständiger als die dreiwertige, in Gegenwart von Komplexbildner lässt sich Co(II) dagegen leicht zu Co(III) oxidieren. (418) 2+ E°(V) bei pH = 0 -0,28 - Co Co + 2e Co Co3+ + 3e- +0,41 Co2+ Co3+ + +1,808 ([Co(H2O)6]2+ rosa Co2+(d7) [Co(H2O)6]3+ + e-) blau Co3+(d6) e- - anders als beim Eisen ist in Wasser beim Cobalt die zweiwertige Oxidationsstufe wesentlich beständiger als die dreiwertige, demzufolge gibt es eine große Zahl von Co(II)-Salz-Hydraten und nur wenige Co(III)-Salze Co(II)-Salze: meist rosa gefärbt durch das oktaedrische [Co(H2O)6]2+-Ion Hydrate: CoSO4 · 7H2O, CoCl2· 6H2O, Co(NO3)2 · 6H2O Co(III)-Salz: CoF3 braun, aus den Elementen erhältlich (Co(III)-Salze können nur H2O-frei existieren). Wie im Falle des Redoxsystems Fe(III)/Fe(II) verschiebt sich das Potential auch für das Redoxsystem Co(III)/Co(II) beim Übergang von pH = 0 zu pH = 14 auffallend zu weniger positiven Werten wegen der geringen Löslichkeit der dreiwertigen Stufe im alkalischen Milieu, so dass frisch mit NaOH gefälltes blaues Co(OH)2 an der Luft analog Fe(OH)2 zu braunem CoO(OH) oxidiert wird. - Eo(in V) pH = 14 +0,17 Co(OH)2 Co(OH)3 + e 4OH- O2 + 2H2O + 4e- +0,40 Versuch: 2+ 2Co - + 4OH 2Co(OH)2 1 2 O2 H2O 2CoO(OH) . H2O blau [Co(H2O)6]Cl2 H2O-Abgabe 2Co(OH)3 braun [CoCl2(H2O)2] H2O-Aufnahme rosa blau Auf dem gleichen Vorgang beruht der Farbumschlag von blauem Kieselgel (“Blaugel”), der anzeigt, dass das Trocknungsvermögen des Kieselgels erschöpft ist und das nunmehr rosafarbene Trockenmittel durch Erhitzen (Wasserabgabe unter Rückkehr der blauen Farbe) wieder regeneriert werden muss. (419) Zwei- und dreiwertiges Cobalt weisen ähnlich wie zwei- und dreiwertiges Eisen eine hohe Komplexbildungstendenz auf und treten auch in der lebenden Natur als Wirkstoffzentren auf. Co(III)-Komplexe Co3+ (isoelektronisch mit Fe2+ ) bildet in der Regel oktaedrische low-spin-Komplexe, da nur so hohe Ligandenfeldstabilisierungsenergien (LFSE) erzielbar sind: eg t2g low-spin - 24Dq + 2P LFSE: high-spin - 4Dq In Komplexverbindungen ist Co(III) stabiler als Co(II). Die hohen Ligandenfeldstabilisierungsenergien stabilisieren die Co(III)-Komplexe, und die meisten oktaedrischen Co(II)-Komplexe sind, wie die Redoxpotentiale zeigen, instabil gegen Luftsauerstoff (in Anwesenheit von Komplexbildnern wird Co(II) von Luftsauerstoff oxidiert). [Co(CN)5] 3- - + CN [Co(CN)6] 3- - + e Eo(V) -0,83 + e- +0,11 [Co(NH3)6]2+ [Co(NH3)6]3+ 6H2O O2 + 4H3O+ + 4e- 4[Co(H2O)6]2+ + 4NH4+ + 20NH3 + O2 rosa 4[Co(NH3)6]3+ + 26H2O orangegelb +1,23 Co(III) besitzt eine starke Affinität zu N-Liganden. Es sind etwa 2000 Komplexe mit NH3, Aminen und Nitrogruppen bekannt. Paramagnetische high-spin Komplexe sind die Ausnahme (z. B. blaues [CoF6]3-). Co(II)-Komplexe Fast alle Co(II)-Komplexe sind oktaedrisch oder tetraedrisch gebaut und high-spin-Komplexe. Co(II) bildet mehr tetraedrische Komplexe als die anderen Übergangsmetallionen. Für ein d 7-Ion ist die Differenz zwischen oktaedrischer und tetraedrischer Ligandenfeldstabilisierung kleiner als für die meisten d-Konfigurationen, die Benachteiligung der tetraedrischen Koordination also gering. (420) d7 oktaedrisch (high-spin) tetraedrisch LFSE: -8DqO LFSE: -12DqT LFSE: -12DqT . 4 9 ~ -5,3DqO ~ Tetraedrische Komplexe werden mit einzähnigen Liganden wie Cl-, Br-, SCN-, OH- gebildet. Der Wechsel der Koordination führt auch zu einem Farbwechsel. Oktaedrische Co(II)-Komplexe sind im allgemeinen rosa bis rot, tetraedrische Co(II)-Komplexe blau. Versuch: +4Cl- (konz. HCl) [Co(H2O)6] rosa 2+ [CoCl4]2tiefblau -6H2O Versuch: Co2+-Nachweis neben Fe3+ (Maskierung durch F-) +7SCN2+ Co + Fe 3+ +6F2- [Co(SCN)4]2- + [FeF6]3- [Co(SCN)4] + [Fe(SCN)3] blau blutrot -3SCN- blau farblos dunkel Tetra(thiocyanato)cobaltat(II)-Komplex Bioanorganische Chemie Spuren von Cobalt (2,5 mg im erwachsenen Menschen) haben im lebenden Organismus u.a. in Form des mit verschiedenen Apoenzymen gekoppelten Coenzyms B12 5-Desoxyadenosylcobalamin (s.Abb.), einem dem Hämoglobin (FeII-Komplex, s.o.) verwandten Co(III)-Komplex mit hydriertem, leicht verändertem Porphin-Liganden (Corrin-Ligand) eine Reihe von Funktionen bei der Erythrocytenbildung im Knochenmark, ferner bei der Nervenleitung und beim Wachstum. Da das Cobalaminsystem von Menschen und Tieren nicht selbst erzeugt werden kann, muss es u.a. in Form “von Vitamin B 12" von außen zugeführt werden. (421) Das 5-Desoxyadenosylcobalamin (Coenzym B12) und das Methylcobalamin (s. Bioalkylierung von HgII) besitzen in der axialen Metall-Koordinationsstelle eine primäre Alkylgruppe, wodurch diese Komplexe zu den bislang einzigen gesicherten Beispielen für “natürliche” metallorganische Verbindungen in der Biochemie werden. Alkylcobalamine nehmen an Redoxreaktionen, Alkylierungen und Umlagerungen teil. An EinelektronenReduktionen und -Oxidationen können CoIII-, CoII- und CoI- Spezies teilnehmen. In der Ausgangskonfiguration (Abb. unten) liegt dreiwertiges Cobalt (d6) in sechsfach koordinierter Form vor (Corrin-Anion, carbanionischer Alkyl-Ligand und neutrales Dimethylbenzimidazol; negativ geladenes Phosphat in der Seitenkette sorgt für den Ladungsausgleich). Hiervon ausgehend sind zwei Einelektronen-Reduktionsschritte möglich, wobei für die Redoxpotentiale die Art und Anzahl der axialen Liganden ausschlaggebend sind. Insbesondere tritt bei der Reduktion eine Tendenz zur Verringerung der axialen Koordination bis hin zur völligen Abspaltung dieser Liganden ein. X CoIII Y -X-+e +X-e- CoII Y -Y-+e +Y-e- reduktive Eliminierung oxidative Addition CoI (422) 31.1.3 Nickel Vorkommen, Darstellung, Verwendung NiS ist mit Magnetkies und Kupferkies vergesellschaftet, die arsenidischen Nickelerze meist mit Co, Cu und Edelmetallen. Über verschiedene Verfahren erhaltenes Rohnickel wird durch den Mond-Prozess (Carbonylverfahren) gereinigt. 80oC Ni + 4CO Ni(CO)4 180-200oC Tetracarbonylnickel, tetraedrische Struktur, Schmp. -19oC, Sdp. 43oC stark giftig Metallisches fein verteiltes Nickel wird in Türmen im Gegenstrom mit Kohlenmonoxid bei etwa 80 oC zu Ni(CO)4 umgesetzt. Anschließend wird Ni(CO)4 dann bei höherer Temperatur thermisch zersetzt, wobei sehr reines Nickel (99,99 %) erhalten wird. Ni wird vorrangig für korrosionsbeständige Stähle und Legierungen (Monellmetall: 70 % Ni, 30 % Cu) verwendet. Nickel(II)-Verbindungen (d8) Ni [Ar] 3d8 4s2 Ni2+ [Ar] 3d8 Die wichtigste Oxidationsstufe des Nickels ist +II. In wässeriger Lösung ist Nickel nur in dieser Oxidationsstufe stabil. Die wasserhaltigen Nickel(II)-Salze und ihre Lösungen sind grün. [Ni(H2O)6]2+, Hexaaquanickel(II)-Komplex, blassgrün z. B. in NiSO4 · 6H2O und Ni(NO3)2 · 6H2O Nickel(II)-hydroxid, Ni(OH)2 Ni2+ + 2OH- Ni(OH)2 Lp{Ni(OH).2} = 2 . 10-16 mol2/l2 voluminöses grünes Gel Komplexverbindungen Die einzige stabile Oxidationsstufe des Nickels ist +II. Nickel(II)–Komplexe sind daher redoxstabil. Nickel(II)-Komplexe existieren mit unterschiedlichen Koordinationen. Typisch für Nicke(II) sind oktaedrische, quadratisch-planare und tetraedrische Komplexe. (423) oktaedrisch quadratisch-planar H2O NH3 Ethylendiamin tetraedrisch Als Liganden kommen entweder starke Liganden wie das CN- in Frage, oder solche, die die quadratisch-planare Konfiguration erzwingen, wie z. B. Dimethylglyoxim grün, blau bis violett gelb, rot Cl-, Br-, I- blau dx2-y2 eg t2 dxy dz2 t2g e dxz,d yz paramagnetisch diamagnetisch paramagnetisch Versuche zum Chelateffekt: [Ni(H2O)6]2+ +6NH3 [Ni(NH3)6]2+ -6H2O hellgrün +3en [Ni(en)3]2+ -6NH3 blau G = G = H - TS - Ni stärker an N als an O gebunden H=S 0 violett G = - in beiden Komplexen 6 N an Ni gebunden H 0 - Zahl der Teilchen nimmt zu S=+ Der Chelateffekt wird durch einen Entropiegewinn verursacht. (424) Versuch zum Nachweis (qual. und quant.) von Ni2+: H O H3C 2 C + Ni2+ C H3C O H3C N N O H Dimethylglyoxim (Diacetyldioxim) +2NH3 C -2NH4+ C H -- N O N CH3 C Ni H3C N N O -H O C CH3 Bis(dimethylglyoximato)nickel(II)