Landschaften im Bereich des Mittelgebirgssaumes in Nord

Werbung
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 1
Landschaften im Bereich des Mittelgebirgssaumes in Nordrhein-Westfalen: Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Einleitung
Die auf dem paläozoischen Grundgebirgssockel auflagernden Kreideschichten des
Münsterländer Beckens bilden morphologisch gesehen eine breite, flache Schüssel,
deren Ränder nach Osten und Westen muldenartig aufgebogen sind. Dies wird im
Landschaftsbild des Teutoburger Waldes und im Nordwesten des Münsterlandes
besonders durch die parallel verlaufenden Höhenzüge deutlich, die aus mehr oder
weniger steil aufgerichteten Sandsteinen der Unterkreide und Kalksteinen des Cenomans und Turons bestehen (Schichtkämme/-rippen) .
Der Mittelgebirgssaum im Bereich Nordrhein-Westfalens befindet sich in den Gebieten der inneren und äusseren Peripherie der Westfälischen Bucht. In der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick über die Naturräume an der nördlichen Grenze der
deutschen Mittelgebirgsschwelle gegeben werden. Dabei werden sowohl Charakter
(Morphologie), Geologie und Entwässerung als auch Klima, Vegetation, Böden und
Nutzung in der genannten Reihenfolge behandelt.
1. Innere und äussere Peripherie der Westfälischen Bucht: Eingrenzung und Charakter der verschiedenen Teilräume (HEMPEL 1983)
Der Rand der Westfälischen Bucht zeigt den Charakter einer Strukturlandschaft. Je
nach Gesteinshärte und Lagerungsverhältnissen tendieren die Oberflächenformen
zu weitgespannten Stufenflächen oder steilen Schichtrippen (zum erdgeschichtlichen
Überblick siehe Tabelle 1)
· Der Haarstrang: Der Haarstrang (Abb.1) erstreckt sich als Schichtstufe entlang
dem Südrand der Münsterländer Bucht, sein westlichster Ausläufer reicht als sich
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 2
Abb.1: Geologische Übersichtskarte des Münsterlandes und des Mittelgebirgssaumes. Quelle: GLN
1999
verjüngender Zipfel bis Dortmund. Im Osten sich verbreiternd, biegt er bei der Ortschaft Brilon in sanftem Bogen nach Nordosten um. Bei Rüthen erreicht er mit 389 m
üNN seine größte Höhe.
Der Haarstrang-Höhenzug bildet die geomorphologische Südgrenze der Westfälischen Tieflandsbucht (KARTE 1983) und stellt eine Kombination von strukturbedingter
Schichtstufenlandschaft und einer Rumpfflächentreppe als Skulpturform dar. Geologisch ist er Teil des randlich aufgewölbten Münsterschen Kreidebeckens (zu den
geologischen Schichten des Haarstrangs siehe Kapitel 2). Die am besten erhaltenen
Ebenheiten der vermutlich bereits im Oligozän zeitgleich mit tektonischer Hebung
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 3
begonnenen flächenhaften Abtragung stammen aus dem Tertiär (Miozän, siehe Tabelle 1). Im östlichen Haarstrang, etwa bei Lippstadt und Soest, ist der Charakter der
Rumpftreppe gut zu erkennen. Den stärkeren Abtragungsvorgängen im Westen zwischen Bochum und Oberhausen, in der Nähe der niederrheinischen Bucht, entsprechen die wesentlich kleinflächigeren und zugerundeteren Flachformen. Im Westen
ist die Rumpftreppe durch zahlreiche tiefe Täler zerschnitten. Auf der Südseite fällt
ein Stufenhang zur Möhne-Ruhr-Linie ab. Hier sind die strukturellen Züge des Haarstranges erkennbar. Die Herauspräparierung der Stufe könnte tertiären Verebnungsvorgängen, pleistozäner Abtragung oder holozäner Taleintiefung zuzuschreiben sein
bzw. allen dreien mit unterschiedlich starker Wirksamkeit an verschiedenen Stellen.
(HEMPEL 1983)
· Die Paderborner Hochfläche: Die Paderborner Hochfläche (Abb.1) folgt im Osten
im Anschluss an den Haarstrang: Man sieht weitgespannte Verebnungen in verschiedenen Höhenlagen, bedingt durch die Gleichförmigkeit der Gesteinslagerungen
und tertiäre, flächenhafte Abtragung während tektonischer Hebungsvorgänge. Die
verschiedene Höhenlage der Ebenen ist das Ergebnis sowohl tektonischer Hebung
als auch die Anlehnung an verschiedene Gesteinsserien. Markante Reliefform ist der
Stufenhang, der von der Turonkalkstufe zur Hochfläche der Cenoman-Pläner führt.
In beide Kalkgesteine sind wenige steile Täler eingeschnitten, die meist kastenförmig
und oft trocken sind. An vielen Stellen gibt es Spuren rezenter Verkarstung. Der
Haarstrangabdachung und der Paderborner Hochfläche sind die Hellwegbörden vorgelagert (Abb1). (HEMPEL 1983)
· Das Eggegebirge: Teils in Form einer Schichtstufe, teils als stufenloser, langgezogener Hang folgt der Übergang von der Paderborner Hochfläche zum Eggegebirge (Abb.1). Das Eggegebirge bildet einen NNW-SSE-streichenden asymmetrischen Schichtkamm, der parallel zum Ostrand der Paderborner Hochfläche verläuft
und im Velmerstot (468 m) seine größten Höhe erreicht (der Begriff “Gebirge” ist also
relativ zu sehen). Die eigentliche Egge, aus Gesteinen der Unterkreide-Sandsteine
aufgebaut, besitzt rheinische Streichrichtung. Von Westen her greifen aber steil herzynisch streichende Störungen durch das Eggegebirge hindurch (Berlebecker Achse,
Driburger Achse, Netheberg-Achse, Warburger Achse). An diesen Stellen sind teils
kleinere Schichtstufen entstanden, teils haben sie den Egge-Kamm in zwei Ketten
mit Höhen über 400 m gespalten. Parallelverwerfungen fallen meist mit langgezogenen Ausräumen an steilen Grabenrändern zusammen. (HEMPEL 1983)
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 4
· Der Teutoburger Wald: Der Teutoburger Wald (Schichtkammlandschaft) bildet
den Abschluss der Westfälischen Bucht nach Norden (Abb.1). Er ist in einen Bielefelder und einen Tecklenburger Osning gegliedert. Nach Nordosten geht er in das
Weserbergland über. Genetisch ist der Teutoburger Wald Teil der Saxonischen Rahmenfaltung am Nordrand der Mittelgebirge und zugleich ein spezielles Beispiel für
die Vorgänge der damit verbundenen Falten, Bruchtektonik und Schichtverstellung
bei seitlichem Druck. Entscheidende tektonische Leitlinie ist die im allgemeinen
herzynisch streichende Osning-Achse, eine Aufwölbungszone (an der das mesozoische Schichtpaket unter gleichzeitiger Schichtsteilstellung zerriss), die mindestens
bis ins Miozän, wahrscheinlich aber bis ins Pliozän aktiv war.
Abb.2: Profil durch Teutoburger Wald und Wiehengebirge
Abb.2 zeigt, dass die Triasscholle des Teutoburger Waldes entlang der OsningSpalte auf das westlich vorgelagerte Mesozoikum überschoben wurde. Dessen überkippte Schichten kulminieren in der Kreide, die am Westrand des Teutoburger
Waldes die höchsten Erhebungen bildet. Das komplizierte tektonische Schollenmosaik (Überkippungen mit Schichtneigungswinkeln von 25° nach Nordosten, Verquetschungen, Stauchungen, Faltungen und Abscherungen) wird zusätzlich durch Halokinese differenziert und bringt sehr verschiedene Abfolgen der Stufenbildner zustande. Die Hauptkämme werden (von Südwest nach Nordost) durch Cenomankalk (Oberkreide), Osning-Sandstein (Unterkreide) und Muschelkalk gebildet. In der Oberkreide ist auch häufig der Lamarckipläner des Turon Kammbildner (SEMMEL 1994).
Kleineren Richtungsvarianten der Achse entsprechend (WNW-OSO oder W-O) streichen auch die drei Gebirgsketten in verschiedener Richtung. Durch Querbrüche
werden sie nur selten durchbrochen. Untersuchungen im Raum Bad Iburg haben
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 5
ergeben, dass die strukturbedingte Formenvielfalt schon im Tertiär vorhanden war.
Deshalb sind keine Anhaltspunkte für die Konstruktion einer pliozänen Flachlandschaft vorhanden. Die Höhe der Ketten schwankt zwischen 130 m im Nordwesten
und über 400 m im Südosten. In den Mergeln des Cenomans und Turons sowie den
Tonen der Unterkreide zwischen den Rücken des Teutoburger Waldes haben sich
Ausräume entwickelt, die entsprechend der Schichtmächtigkeit entweder schmale,
etwa talgroße Hohlformen oder hundert Meter breite Mulden gebildet haben. Periglazialer Hangschutt und z.T. über 10 m dicke Schuttkörper in den Tiefenzonen belegen
die Hauptentstehungszeit dieser Schichtstufen- bzw. Schichtkammlandschaft. An
Stellen, wo die jüngere quartäre Abtragung noch nicht entwickelt ist (beispielsweise
durch Quellentwicklung), ist die alte tertiäre Landoberfläche im Bereich der KalkMergel-Komplexe in einer Ebenheit erhalten, d.h. die Zahl der Ketten ist von drei auf
zwei reduziert. An anderen Stellen fallen Kämme aus, wenn Deckenschübe – vergleichbar mit alpiner Tektonik – die normale Schichtenfolge gestört hat. (HEMPEL
1983)
Vom äusseren Ring peripherer Reliefräume um die westfälische Bucht – der eigentlich sowohl von mesozoischen Deckgebirgen des Weser- und Lipper- Berglands
(Buntsandstein bis Oberkreide) als auch den Paläozoischen Gesteinen des Grundgebirges im Sauerland gebildet wird – sind in dieser Arbeit nur das Wiehengebirge
mit Dümmer und Dammer Bergen von Interesse, da sie direkt am Mittelgebirgssaum
liegen.
· Wiehengebirge, Dümmer und Dammer Berge: Von Norden betrachtet, erhebt
sich das Wiehengebirge (Abb.1) wie eine Mauer aus dem norddeutschen Tiefland
(siehe auch Abb.2). Es erstreckt sich in einer S-förmig geschwungenen Form nordöstlich von Osnabrück, beginnend in etwa bei Bramsche in Niedersachsen nach
Südosten, hier begrenzt durch das Tal der Weser (Porta Wesfalica). Vom Teutoburger Wald wird es durch ein hügeliges Jura- und Trias-Schichtkammvorland (Ravensberger Hügelland) und des Weserbergland-Ausläufers (Lipper Bergland) getrennt
(siehe Abb.1), die es nur um 10 - 40 m überragt. Es wird aus den Schichten des Jura, teils vom Stufenbildner Wiehengebirgsquarzit (Oxford, unteres Malm), einem
kleinen Subsequenzausraum in Ornatenton (unterstes Oxford) und einer kleinen Stufe in den kalkigen Gigasschichten aufgebaut. Höchster Punkt ist der etwas im Norden vorgelagerte Kalkrieser Berg mit 157 m.
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 6
Die Dammer Berge liegen in Südwest-Niedersachsen nördlich von Osnabrück und
dem Wiehengebirge, von diesem durch den Mittellandkanal und einen von glazifluvialen Sedimenten aus dem Wiehengebirge verschütteten Teil des norddeutschen
Tieflandes getrennt.
2. Die Karstgebiete Südost-Westfalens: Haarstrang, Paderborner
Hochfläche, Eggegebirge (FEIGE 1983) (Abb.3)
Abb.3: Karstgebiete in Südost-Westfalen. Quelle: FEIGE 1983
2.1. Petrographische und tektonische Voraussetzungen für die Verkarstung:
· Der Haarstrang: Geologisch baut sich der Haarstrang aus gebankten Kalken, Mergelkalken, Mergeln und Kalksandsteinen des Cenoman (Oberkreide) auf. Die
Schichten fallen mit etwa 3 Grad nach Norden ein und liegen diskordant über wasserundurchlässigen, gefalteten Schichten des Karbon und Devon. Infolge der unterschiedlichen morphologischen Härten der Schichten haben sich Schichtstufen herausgebildet, deren Stufenflächen sich zur Westfälischen Bucht hin neigen, während
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 7
die Stufenstirnen zum Sauerland hin gerichtet sind. Die Turonstufe bildet die orographische Wasserscheide.
Als Vorfluter der verkarstungsfähigen Gesteine fungieren im Norden der Hellwegquellhorizont im Süden die Möhne. Für Lösungsvorgänge stehen lediglich die im
Haarstrang fallenden Niederschläge zu Verfügung (850 mm/a), da dem Karstgebiet,
anders als bei der Paderborner Hochfläche, keine zusätzlichen Wassermengen aus
höher gelegenen unverkarsteten Gebieten zugeführt werden.
Die Kretazischen Schichtgesteine des Haarstranges weisen unterschiedliche Kalkgehalte auf. In den Schloenbachischichten des Turon, die auf der unteren Haarabdachung anstehen, beträgt der CaCO3-Gehalt ca. 80%, in einzelnen Kalkbänken bis
über 90%. Die Gesteine sind zumeist intensiv zerklüftet. Die Niederschläge folgen
den Klüften und erweitern sie. Tonige Lösungsrückstände hemmen die weitere Verkarstung an manchen Stellen. Auch die intensive Schichtung der Gesteine hemmt
unter Umständen die Verkarstung: Durch Zusammenstürzen der dünnbankigen Straten können sich hier schlecht Tunnel und Röhren ausbilden. Diese entstehen hauptsächlich in mächtigeren Gesteinsbänken.
· Die Paderborner Hochfläche:
Die Paderborner Hochfläche baut sich wie der Haarstrang aus verkarstungsfähigen
Cenoman- und Turonschichten auf.
Abb.4: W-O-Schnitt durch die Paderborner Hochfläche. 1 = Mergel, 2 = Pläner und Kalk, 3 = Sandstein
(Untere Kreide)
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 8
Diese fallen auf der westlichen Paderborner Hochfläche mit einem Winkel von 5
Grad nach Nordwesten, im Vorfeld der nördlichen Egge mit etwa 9 Grad nach Westen ein und ändern also die Streichrichtung und sind steiler gestellt als im Haarstrang. Das unterste Cenoman ist nicht wie im Haarstrang sandig ausgebildet, sondern mergelig. Deshalb ist die Cenomanstufe hier besonders gut entwickelt.
Als Vorfluter fungieren die Hellwegquellen und die tief eingeschnittenen Täler der
Alme und ihrer Nebenbäche.
Auf der Paderborner Hochfläche sind die Voraussetzung für die Verkarstung günstiger als am Haarstrang, da der Kalkgehalt der Oberkreideschichten am Südrand des
Münsterländer Beckens von Westen nach Osten generell zunimmt. Klüftung und
Schichtung unterscheiden sich allerdings nicht wesentlich vom westlichen Nachbargebiet. Allerdings haben die Schichtfugen der Paderborner Hochfläche wegen der
stärkeren Neigung eine größere Bedeutung für die Karstwasserzirkulation. Während
auf dem Haarstrang nachweisbare Verwerfungen gänzlich fehlen, treten sie auf der
Paderborner Hochfläche häufiger auf, wobei nach Süden und Osten die Sprunghöhe
zunimmt. Stellenweise werden oberirdisch die Verwerfungzonen durch Dolinenreihen
nachgezeichnet. Auch fungieren sie als Karstwasser-Leitlinien.
· Das Eggegebirge:
Abb.5: Eggeabfall zum Driburger Talkessel. Quelle: MAASJOST 1973
Der schwach geneigte Westhang besteht aus klüftigen Sandsteinbänken des Neocom und Gault (Abb.3). Am östlichen Steilhang stehen schwach gebogene und gegeneinander verworfene Schichtgesteine der Trias und des Jura und darunter ver-
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 9
karstungsfähige Schichtfalten des Muschelkalk. sie bilden bei Bad Driburg eine den
Sandsteinen östlich vorgelagerte Plattform und tauchen unter dieser zur Paderborner
Hochfläche hinab. Infolge ihrer Querlage zu den vorherrschenden Westwinden ist die
Egge niederschlagsreich (Veldrom 1132 mm), so dass für Verkarstungsprozesse
ungewöhnlich viel Wasser zur Verfügung steht.
Als Vorfluter fungieren Quellhorizonte und Bachläufe am Fuße des östlichen Steilabfalls und im westlichen Eggelängstal am Fuß der Turonstufe.
Im Eggegebirge treten als Karstbildner der stark geklüftete Wellenkalk des unteren,
gipshaltige Horizonte des mittleren und hochprozentige Trochitenkalke des Oberen
Muschelkalk auf. Wellenkalke stehen am Fuß der östlichen Steilstufe über wasserundurchlässigem Röt an (Quellhorizont!) Muschelkalk baut die Plattform Bad Driburg auf und bildet die Basis der Unterkreidesandsteine zwischen der Nebelbergund Rehbergachse westlich Bad Driburg und Neuenheerse. Trochitenkalke treten
nur an wenigen Stellen auf. Verwerfungen und Achsen, die während der saxonischen Gebirgsbildung fungieren als Leitlinien der unterirdischen Wasserzirkulation.
2.2. Karstformenschatz von Haarstrang, Paderborner Hochfläche und Eggegebirge
· Haarstrang: Von der Turonstufe zum Hellweg ziehen die sogenannten Schledden,
Trockentäler. Sie verlaufen nicht direkt in der Abdachungsrichtung NNW, sondern im
spitzen Winkel dazu nach NNE und sind die auffälligste Karsterscheinung des Haarstranges. Sie haben ein unausgeglichenes Gefälle, und ihr Bachbett ist teils in die
Kreideschichten eingesenkt, teils mit Schottern gefüllt. In den Erosionsstrecken lassen sich Klüftung und Schichtung der Gesteine gut beobachten, z.B. im Bachbett der
Pöppelsche bei Eikeloh oder der Osterschledde bei Steinhausen. Wenn der Grundwasserspiegel ansteigt, fungieren die Klüfte als Wasseraustrittstellen, oder umgekehrt bei abnehmender Wasserführung als Schwundstellen. Größere Schwundlöcher, Ponore, fehlen in den Schledden. Dolinen kommen in Form von flachen Wannen oder Trichtern im Haarstranggebiet vor, allerdings nur in geringer Zahl. Die flachen Formen lassen sich als Lösungsdolinen erklären: Unter der humusreichen Bodenschicht werden durch Humussäureeintrag unter Mitwirkung von CO2 die Klüfte
erweitert, der Boden darüber sinkt langsam ein. Aus Erdfällen entwickelten sich häufig Trichterdolinen. Sie entstehen durch den Einsturz von Bodendecken über meist
schachtartigen Hohlformen, die sich an Kluftkreuzen durch Mischungskorrosion bil-
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 10
den (besonders intensive Lösungskraft der Sickerwässer an solchen Stellen). Bei
Westrich auf dem Haarstrang, oberhalb des Möhnsees, bildete sich 1980 nach intensiven Regenfällen in der Feldflur ein Erdfall von 7 m Tiefe und einem Durchmesser von 1,2 m. Erdfälle entwickeln sich häufig zu Trichterdolinen weiter, sofern sie
nicht schnell verstürzen oder künstlich verschüttet werden. Quelltrichter, vermutlich
ebenfalls über Kreuzklüften, treten am Hellweg vereinzelt oder in Gruppen auf, quasi
als Gegenstück zu den Trichterdolinen. Unterhalb des Dauerquellhorizontes liegen
nur temporär wasserführende Quellen, sogenannte Quickspringe. Westlich der Straße von Störmede nach Eringerfeld, ca. 300 m von der B1 entfernt sind solche mit
tonigen Ablagerungen ausgekleideten Quelltrichter zu sehen. Unterhalb der kalkhaltigen Quellen von Eikeloh an der Gieseler oberhalb Westernkotten haben sich Quelltuffe gebildet.
· Paderborner Hochfläche: Dolinen treten hier weit öfter auf als am Haarstrang.
Auch findet man hier viel größere Dolinentrichter von bis zu 25 m Tiefe und Durchmessern von bis zu 40 m. Manchmal haben sie steile, nackte Felswände, wie beispielsweise die Spielmanskuhle bei Grundsteinheim oder die Briechkuhle bei Neuenbeken. Sie dürften durch Einsturz größerer unterirdischer Hohlräume entstanden
sein. Desweiteren treten auf der Paderborner Hochfläche Ponordolinen auf. in denen
zeitweise fließendes Wasser versinkt.
Wie auf dem Haarstrang gibt es auch auf der Paderborner Hochfläche in der Abdachungsrichtung verlaufende schleddenartige Abdachungstäler, deren Ursprungsmulden in den Kreideschichten Liegen, und die in den Sommermonaten regelmäßig kein
Wasser führen. In diesen Tälern finden sich einzelne Ponordolinen, denen nur zeitweilig Wasser zufließt. Beispiele finden sich unter anderem westlich von Haaren.
Neben den schleddenartigen Abdachungstälern gibt es auch Täler, die weder dem
Streichen noch dem heutigen Einfallen der Schichten folgen. Sie stellen Reste eines
alten Talsystems dar, das ursprünglich zur Möhne hin entwässerte. Gerade diese
Talzüge zerschneiden die Paderborner Hochfläche tief und greifen über das Karstgebiet hinaus. Sie haben ihre Quellbereiche in der Egge und im nordöstlichen Sauerland. Die Haupttäler, Almetal und Altenauental, fallen nicht in jedem Jahr völlig trocken, erleiden aber beim Durchzug durch das Karstgebiet Wasserverluste. Aber im
Gegensatz zum Haarstrang verschwindet das Wasser an klar lokalisierten Stellen,
Schwalglöchern, die sich im Bachbett oder an den Uferböschungen befinden. Die
Bauern verstopfen sie immer wieder mit Plastikfolien, Bauschutt usw.. Schwalglöcher
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 11
finden sich an der Altenau, der Sauer, dem Ellerbach, der Beke und der Alme. Ponore sind im Mühlengraben unterhalb der Wewelsburg und an der Alme zu beobachten. Bisweilen bilden sich Schwalglöcher durch schachtartige Einstürze neben dem
Bachbett und unterscheiden sich von Erdfällen nur dadurch, dass sie als Ponore
fungieren. Ponore sind auf der Paderborner Hochfläche jedoch keine bleibende Erscheinung, da sie nicht nur künstlich, sondern auch von den Wasserläufen selbst
wieder verschlossen werden
Desweiteren sind auf der Paderborner Hochfläche Korrosionshöhlen zu finden, die
sich vor allem an Kluftkreuzen bilden. Beispiele sind die Grundsteinheimer Höhle
(220 m), die Hohlsteinhöhle (150 m) bei Kohlstädt oder die Huinschenhöhle bei Neuenbeken.
Neben Dolinen und Ponoren gibt es auf der Paderborner Hochfläche auch Quelltrichter und Quellschwemmkegel. Sie treten recht selten auf und liegen am Hellweg an
der Turon-Coniacgrenze als Barrierequellen oder in tief in die Kreidetafeln eingeschnittenen Tälern. Sie haben zum Teil wie auch am Haarstrang ausgeprägte Trichterform. Im Umfeld der Trichter kommt es häufig zu Ablagerungen von tonigem Substanzen (zum Teil aus Ackerböden ausgeschwemmt und im Karst transportiert), die
sich zu kreisrunden, grasbewachsenen Quellschwemmkegeln aufhäufen können.
Diese können bei weiterer Sedimentation zu regelrechten Quellhügeln auswachsen.
Kalktuffe sind auf der Paderboner Hochfläche im Aftetal und in einigen Nebentälern
der Alme und der Afte zu finden, insbesondere im Aschental, das 1 km südlich von
Weine ins Almetal mündet. Ein Beispiel für Kalktuffe liefert die unter Naturschutz stehende Tuffsteinquelle im Aftetal südlich Büren an der Straße nach Hegensdorf.
(Schichtquelle zwischen undurchlässigen Grauwacken und Tonschiefern des Karbons und verkarstetem Kreide-Deckgebirge). Eine Sonderform der Kalktuffablagerungen ist der Kütfelsen bei Salzkotten. Er ist ein kegelförmiger 4 m hoher Travertinhügel von 50 - 60 m Durchmesser, der sich seit dem Spätglazial bildete. Travertin
vom Kütfelsen wurde für viele Gebäude in Salzkotten, aber auch am Dom zu Paderborn als Baustein verwendet.
· Eggegebirge: Auffälligste Karstformen sind in der Egge Dolinen (Erdfälle). Sie treten fast ausschließlich im Verbreitungsgebiet des Mittleren Muschelkalk und auf einem bis zu 500 m breiten Streifen westlich davon auf. Hier überlagern die Unterkreidesandsteine den Muschelkalk (überdeckter Karst). Ca. 90 Dolinen wurden auf der
Driburger Muschelkalkplatte und weitere 35 Hohlformen im Bereich der Unterkreide-
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 12
sandsteine kartiert. Zweitere liegen teil verstreut, teils als Schwärme, teils in Reihen
angeordnet. Bei sehr dichter Lage verschneiden sich die Hänge der Dolinen, sodass
sich uvala-ähnliche Hohlformen ergeben.
Bei den Dolinen der Egge handelt es sich nach Stille (1904, zitiert bei
FEIGE
1983)
um Sulfatkarst (durch Auslaugung der Gipshorizonte in den Mergeln des Mittleren
Muschelkalk entstanden). Manche der Dolinen sind Nassdolinen, (deren Grund mit
Colluvien ausgekleidet ist, was die Bildung eines kleinen Sees ermöglicht hat; Bsp.:
Hausheide), andere Ponordolinen (in sie fließt ständig oder zeitweilig Oberflächenwasser).
Lediglich zwei kleine Höhlen sind im Muschelkalk der Egge vertreten. Quelltuff findet
sich nur vereinzelt am Ostabfall der Egge.
Zusammenfassend kann festgestellt werden,
· dass sich in allen drei Karstlandschaften Trockentäler finden. Die größten Fließgewässer der Paderborner Hochfläche, deren Quellen sich in der Egge und dem nordöstlichen Sauerland liegen, fallen nur episodisch bei besonders niedrigem Karstwasserspiegel trocken. In ihren mit Alluvionen ausgekleideten Flussbetten bilden sich
Ponore, die wieder verschwinden und an anderer Stelle wieder auftauchen. Die intensive Schwalglochbildung kommt höchstwahrscheinlich durch Prozesse der Mischungskorrosion mithilfe großer Mengen nicht kalkgesättigten, aggressiven Wassers aus nicht verkarsteten Gesteinen zustande.
· Die in den Kreideschichten beginnenden Abdachungstäler der Paderborner Hochfläche und die Schledden des Haarstrangs fallen periodisch trocken. In ihnen finden
sich teils in Alluvionen teils in Festgestein eingeschnittene Täler jeweils ohne Ponore, was wohl auf das Fehlen aggressiver “Fremdwässer” zurückzuführen ist.
· Auch Dolinen finden sich in allen drei Karstgebieten, im Haarstrang jedoch in geringerer Zahl, wahrscheinlich wegen des hohen Anteils an verkarstungshemmenden
Lösungsrückständen der Oberkreideschichten. Deren Kalkgehalt nimmt nach Osten
hin zu, und dieser Umstand in Verbindung mit dem höheren Fremdwasseranteil auf
der Paderborner Hochfläche führt dazu, dass sich dort mehr und größere Dolinen
befinden. Im Grenzbereich Muschelkalk-Neokomsandstein der Egge ist die Dolinendichte besonders hoch. Gipsauslaugen und aggressives Mischwasser sind die Ursache dafür. In der Regel sind die Dolinen trocken, mit Ausnahme einiger Nassdoli-
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 13
nen in der Egge. Ponordolinen treten in allen Karstgebieten bis auf den östlichen
Haarstang auf.
· Höhlen treten von den drei verglichenen Gebieten nur auf der Paderborner Hochfläche auf (abgesehen von zwei natürlichen Hohlräumen mit nur 6 m Ganglänge in
der Egge), und auch hier nur in geringer Anzahl. Grund für das weitgehende Fehlen
von Höhlen ist der geringe Reinheitsgrad und die intensive Klüftung der Oberkreideschichten.
· Kalktuffe sind auf allen drei Gebieten zu finden. Sonderformen sind der Kütfelsen
im Salzkotten und die Quellschwemmkegel im Almetal.
3. Gletscherrückstände und Periglaziale Sedimente am Rand des
Münsterländer Beckens: Hellwegbörden und Senne (SKUPIN/STAUDE
1995)
Dem Haarstrang sind nach Norden als Übergang in das Münsterländer Becken die
Hellwegbörden vorgelagert, die - wie der Großteil der Masse der quartärzeitlichen
Ablagerungen im Münsterländer Becken (Abb.7) - hauptsächlich aus Ablagerungen
der Saale-Kaltzeit bestehen (in der Saaleeiszeit drangen die Emslandgletscher bis
an den Nordrand des Rheinischen Schiefergebirges vor). Diese wurden während der
Weichseleiszeit (im Weichselglazial waren Münsterland und Weserbergland Periglazialgebiete (siehe Abb.6) bei vorherrschend westlichen Winden und unter arktischen
Temperaturen, die nur stellenweise eine geringe Vegetation zuließ, mit Sandlöss
und Löss (ausgeweht aus den Schotterfluren der Flüsse und Moränengebiete) bedeckt (SKUPIN/STAUDE 1995).
Löss liegt auf den Hellwegbörden an der nach Norden abfallenden Abdachung des
Haarstrangs. Sandlöss schließt als schmaler Streifen die Lössbörden nach Norden
ab. (MERTENS 1983)
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Abb.6: Die saalezeitlichen Hauptvorstöße von Inlandeis in das Münsterland. Quelle: GLN 1995
Seite 14
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 15
Abb.7: Quartärzeitliche Ablagerungen im Münsterland. Quelle: verändert nach GLN 1995
Der äussere Rand des jeweiligen Inlandeisvorstoßes (siehe Abb.6) wird im Münsterland und den angrenzenden Mittelgebirgen durch eine Blockpackung oder wallartige
Anreicherung von Findlingen markiert (Abb.8). (SKUPIN/STAUDE 1995)
Dem Teutoburger Wald sind entlang seiner Südwestflanke zwei Teilgebiete vorgelagert: im Norden der Haller Sandhang und im Süden die Senne, die naturräumlich
die „Obere Senne“, die „Untere Senne“ und das sog. „Friedrichsdorfer Drumlinfeld“
umschließt und sich auch am Fuß von Egge und Paderborner Hochfläche erstreckt.
Durch sein unvermitteltes Aufragen im umgebenden flachwelligen Hügelland und
Flachland wirkte der Teutoburger Wald als Barriere für glaziale, fluvioglaziale und
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 16
äolische Prozesse der Reliefgenese. Diese Wirkung hatte er sowohl auf das von
Norden heranrückende Inlandeis (Saalekaltzeit, s.o.) als auch auf (lössbringende)
W/SW-Winde (Weichseleiszeit, s.o.) aus der Emsebene. Im Gebiet der Oberen Senne (N) wurde mehr Löss, in der Unteren Senne mehr Sand und Grundmoräne abgelagert. Am Nordrand des Münsterlandes entstanden unter Eisbedeckung des
Emslandgletschers 1 (in Abb.6 die oberste Darstellung) Drumlins, längliche, schildbuckelartige Erhebungen, die parallel zur Eisbewegungsrichtung angeordnet sind,
wie man am Friedrichsdorfer Drumlinfeld erkennen kann. Vielfach ist aufgrund der
nacheiszeitlichen Verwitterung und Abtragung der glaziale Formenschatz nur noch
reliktartig erhalten (steiniger Geschiebesand, Steinsohlen mit Windkantern, größere
Findlinge wie z.B. „David und Goliath“ aus dem Raum Glandorf. Weitere Auswirkungen des eiszeitlichen Klimas lassen sich in Form von Eiskeilen, Würgeböden und
Fließerden nachweisen. Die Schmelzwässer an der Front der Gletscher hinterließen
große Mengen sandiger Sedimentfracht vor allem im nordöstlichen Münsterland. Vor
allem entlang des Teutoburger Waldes sind sie als Sander (z.B. Senne-Sander am
Abhang von Teutoburger Wald und Eggegebirge) häufig in Dünenform erhalten
geblieben. Mit ihrer lang durchhaltenden Parallelschichtung ähneln diese Schmelzwassersedimente einer Kame-Terrasse, die vermutlich gegen einen Toteisriegel ge-
schütAbb.8: Wallartige Geschiebeanreicherung des ehemaligen Eisrandes am Haarstrang bei Billmerich.
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 17
Quelle: GLN 1995
tet wurde. Ihre Lage auf den Grundmoränenresten der verschiedenen Emslandgletscher zeigt, dass sie beim Eisrückzug entstanden sind. Kieslagen und Kiesnester in
Gebirgsnähe lassen sich als eingelagerte Fließerden deuten (SKUPIN/STAUDE 1995).
Als das Eis noch nicht seine weitesten Vorstöße erreicht hatte, waren die Schmelzwässer der Gletscher dem natürlichen Gefälle folgend ungehindert nach Westen
zum Rhein und Emsland abgeflossen. Später versperrten die Eismassen dem Wasser den Weg. Deshalb stauten sich die Wässer auf und bildeten wassergefüllte Rinnen, Tümpel und größere Eisstauseen, die sich vor der Stirn des Inlandeises bis zum
Hangfuß der Mittelgebirge erstreckten. Typisches Merkmal dieser Millieus sind feinkörnige Beckenablagerungen mit einer zum Teil rhythmischen Wechsellagerung toniger, schluffiger und sandiger Sedimente. Dunklere, feinkörnige Lagen entstanden
in Zeiten geringerer Wassermengen im Winter, hellere, sandige in Zeiten größerer
Wasserführung im Sommer.
3.1. Weitere Glazial- und Periglazialformen: Dammer Berge und Dümmer, Formenbestandteile einer Altmoränenlandschaft (LIEDTKE 1983)
Die Dammer Berge (Abb.9) entstanden allein durch die stauchende Wirkung des von
Norden kommenden Inlandeises. An der Südostwand ist eine Grundmoräne erhalten. Es zeigte sich, dass sich im Moränenmaterial keine nordischen Komponenten
befinden, sondern Wesersande, Granite und Porphyre aus dem Thüringer Wald sowie Bunt- sandsteingerölle und Kieselschiefer. Die Dammer Berge sind desweiteren
ein Beispiel für periglaziär-fluviale Trockentäler mit Zerschneidungs- und Akkumulationsphasen sowie gegenwärtigen bodenerosiven Einschnitten (LIEDTKE 1983). Das
platte Umland wird von ablualen Ablagerungen weithin geprägt.
Der Dümmer See (Abb.9) ist ein flacher, viereckiger See im Diepholzer Huntetal
südöstlich der Dammer Berge. Er entstand nach
LIEDTKE
(1983) vermutlich folgen-
dermaßen: Auf den trocken, sandigen Standorten der Dammer Berge konnte sich im
Spätglazial bei schwindendem Bodenfrost nicht so schnell Vegetation ansiedeln wie
auf den feuchteren, lehmigeren Böden (Löss) des Wiehengebirges. Deshalb war die
Abtragung von Sand möglich. Die Einschüttung in das Diepholzer Huntetal schuf einen Riegel, der den Dümmer entstehen ließ.
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Abb.9: Die Oberflächenformen zwischen Diepholz und Osnabrück. Quelle: LIEDTKE 1983
Seite 18
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 19
4. Das Klima Nordrhein-Westfalens
Nordrhein-Westfalen liegt wie große Teile Europas in den höheren feuchten Mittelbreiten. Das klimatologische Geschehen in diesen Breitenkreisen zwischen subtropisch-randtropischen Hochdruckgürtel und der subpolaren Tiefdruckrinne ist geprägt
von der aussertropischen Westwinddrift sowie dem Gegensatz tropischer Warm- und
polarer Kaltluft. Die durch diese Druck- und Temperaturgegensätze sorgt für einen
hochgradig unbeständigen Witterungsverlauf über das ganze Jahr verteilt, mit häufigen Niederschlägen zu jeder Jahreszeit, kurzfristigen Temperatursprüngen (Kaltlufteinbrüche) und einem Bewölkungsgrad, der die tatsächliche Sonnenscheindauer
unter die Hälfte der tatsächlich möglichen senkt (SCHULTZ 1995).
Die Klimatische Stellung Nordrhein-Westfalens und seiner Teillandschaften verdeutlicht sich am besten in den Niederschlägen. Im Gebirgsbogen sind sie relativ hoch,
mit über 1100 mm am Kamm des Eggegebirges, in Feldrom 1132, in Bad Driburg
1049 mm. Die Verengung der zum atlantischen Westen weit geöffneten Bucht ist die
Ursache für die starken Steigungsregen. Östlich der Egge sinkt der Niederschlag auf
750 mm ab (Luv-Lee-Wirkung). Zum Sauerland hin beträgt der Niederschlag infolge
der Leelage auf dem Gebirgsbogen nur 800 - 900 mm. Die Hellwegbörde ist mit weniger als 700 mm relativ trocken (MAASJOST 1973). Im Winkel Egge - Teutoburger
Wald fällt der höchste Niederschlag im Winter, während die tieferen Gebiete im
Sommer ihr Maximum haben. Der Gebirgsbogen hat deshalb hohe Schneefallraten
zu verzeichnen, die „Teutoegge“ wird in schneereichen Wintern als Skigebiet genutzt. Im Haarstrang und auf der Paderborner Hochfläche wehen häufig harte Winde, die im Winter zu starken Schneeverwehungen führen. Im Bergland erzeugt die
nächtliche Strahlungsabkühlung Kaltluftbewegungen hangabwärts in die Täler und
Mulden, wo sich Kaltluftseen bilden. (MAASJOST 1973)
5. Böden und Nutzung (GLN 1995)
Im Münsterland haben zahlreiche Bodenbildungsfaktoren in unterschiedlicher Kombination und Intensität zu einem großen Formenreichtum der Böden geführt. Die
Vielfalt beruht vor allem auf den unterschiedlichen Ausgangsgesteinen, der Einwir-
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Abb.10: Die Böden des Münsterlandes. Quelle: GLN 1995
Seite 20
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 21
kung von Grundwasser und Staunässe sowie dem Einfluss des Klimas, des Reliefs
und der Tätigkeit des Menschen. Abbildung 10 zeigt vereinfacht Anzahl und Verteilung der Böden im Münsterland zu elf Bodeneinheiten zusammengefasst. Jede Bodeneinheit umfasst Böden vergleichbarer Entwicklung, Bodenart, Bodenartenschichtung und entsprechende Wasserverhältnisse. Hier sollen jedoch nur die wichtigsten
Böden im Randbereich des Münsterländer Beckens genannt werden:
· Rendzinen, Böden auf den Anhöhen der Oberkreide-Kalksteine:
Flach- bis mittelgründige Rohböden aus Carbonatgesteinen. Sie kommen in den exponierten Lagen an den Rändern des Münsterländer Kreide-Beckens vor (Haarstrang, Teutburger Wald, Kuppen und Rücken im zentralen Münsterland). Als Ausgangsteine dienen meist Kalkgesteine. Sie tragen meist nur eine geringmächtige
Bodendecke mit hohem Basengehalt und Calciumcarbonat bis in die Krume. Erosionsanfälligkeit, Dürreempfindlichkeit (Karst!), Hanglage und hoher Steingehalt machen diese Böden für Ackerbau ungeeignet. Nutzung erfolgt nur als Grünland mit
hohem Trockenrasenanteil. Vorwiegend sind die Böden mit Laubwald bedeckt. (GLN
1995)
· Basereiche Braunerden auf mergelig-kalkigen Gesteinen der Oberkreide-Zeit:
Sind vorwiegend auf Verebnungsflächen zu finden, wo die Durchwurzelbarkeit zunimmt. (nördlicher Hangsaumbereich des Haarstrangs, Westrand des Teutoburger
Waldes, etc.) (Abb.). Aus den mergelig-kalkigen Gesteinen der Oberkreide haben
sich die mittel bis tiefgründigen basenreichen Braunerden entwickelt. Sie sind vom
Bodentyp her eng mit den Rendzinen verwandt und durch fließende Übergänge mit
ihnen verbunden. Bodenartlich bestehen sie aus tonigem Lehm mit Kalksteinbröckchen. Oft befinden sich im Oberboden Reste von Lösslehm in Form von kleinen
Schluffanteilen. Die tonreiche Feinsubstanz (abschlämmbare Bestandteile von
(0,002 mm = 35 - 45 %) ist Rückstandston der Kalk- und Kalkmergelsteinverwitterung, die in sehr langen Zeiträumen zu einer Anreicherung kalkfreien Feinbodens
geführt hat. Wahrscheinlich sind an der Zusammensetzung der Böden auch mit bis
zu 70% quartärzeitliche Verwitterungsreste (Terra fusca) beteiligt. Die Ph-Werte liegen stets bei 5,5. Im nördlichen Hangsaumbereich des Haarstrangs und an einigen
anderen Stellen bestehen die Kalksteinstücke aus abgeflachten, kantengerundeten
Schottern (Plänerschotter), die unter anderen Klimaten völlig entkalkt und zu porösen sogenannten Hottensteinen umgewandelt worden sind. (GLN 1995)
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 22
Die Nutzung der Braunerden erfolgt vorzugsweise ackerbaulich mit hauptsächlich
Getreideanbau. Die Schwere ddieser tonreichen Böden wird durch die gute Kalkversorgung und hohe Bioturbation gemildert. So sind beispielsweise die Paderborner
Hochfläche und die Nordabdachung des Haarstrangs waldarme Agrarlandschaften,
in denen der Bodenabtrag weitergeht.. Wenige Flächen sind mit zum Teil sehr alten
Laubmischbeständen bewaldet. (GLN 1995)
· Basenarme Braunerden und Podsole auf sandigen Gesteinen der Unterkreidezeit, auf Kiesen und Sanden der Quartärzeit. Diese Böden entwickelten sich
aus den silicatreichen Gesteinen der Unterkreide. Der Hauptkamm des Teutoburger
Waldes, eine fast geschlossne Kette aus Osning-Sandstein trägt solche verschieden
tiefen basenarmen Braunerden. Im Kuppenbereich sind sie aufgrund der exponierten
Lage nur flach- bis mittelgründig ohne deutliche Differenzierung. Die Böden bestehen zu über 85% aus Sand, nur selten mit tonigen oder schluffigen Bestandteilen.
Fast überall tritt Podsolierung auf, da wegen der hohen Durchlässigkeit Wasser und
Nährstoffe rasch in den tieferen Unterboden abgeführt wird. Basengehalt und Nährstoffspeicherkapazität sind gering, sodass es fast überall zu Podsolierungserscheinungen kommt. Podsole aus Unterkreidesedimenten sind meist sekundäre Podsole, denen ein Brauerdestadium vorausgegangen ist. (GLN 1995). Auch im Bereich der
Dammer Berge dürften solche Böden zu finden sein. (GLN 1995)
Die basenarmen Braunerden und ihre Übergangstypen werden fast ausschließlich
forstlich genutzt. Potentiell natürliche Vegetation auf diesen Böden wäre Hainsimsen-Buchenwald, viele Stellen wurden aber mit Fichtenbeständen aufgeforstet.
Landwirtschaftliche Nutzung ist wegen der geringen Entwicklungstiefe, des hohen
Steinanteils und der vielfach exponierten Lage weitgehend ausgeschlossen. (GLN
1995)
· Parabraunerden auf Löss und Sandlöss mit im Unterboden angereichertem
Ton und Schluff: Vor allem am Südrand des Münsterländer Beckens (Hellwegbörden) wurde in der Weichseleiszeit großflächig Löss angeweht (s.o.). Auf diesen Böden entwickelten sich Parabraunerden mit den typischen Merkmalen der verlagerten
Feinsubstanz (feinsubstanz-verarmter Oberboden, Tonanreicherungshorizont).
Die Löss- Parabraunerden besitzen den für Löss typischen Grobschluffanteil von 55
- 65% mit einem Feinsandanteil von 5 - 10%. Im Oberboden beträgt der Tongehalt
durchschnittlich 10 - 15% und nimmt im Unterboden auf 18 - 25% zu. Der Löss ist bis
in mehr als 2 m Tiefe entkalkt (unverwitterter Löss enthält 10 - 15% Kalk). Der Vorteil
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 23
dieser Böden ist es, dass der Sickerwasserdurchfluss gehemmt ist und eine gute
biologische Aktivität stattfindet. Deshalb zählen sie zu den besten Böden. Am Nordrand des Haarstranges, im Übergang zum Hellweg, führen die Parabraunerden häufig Grundwasser in pflanzenerreichbarer Tiefe. Es handelt sich hierbei um Karstwasser, das im Kammbereich in Kalksteinen versickert und mit dem Schichtfallen nach
Norden abfließt und an der Grenze zum Mergelstein austritt. Infolge dessen haben
sich dort Gley-Parabraunerden entwickelt. (GLN 1995)
6. Vegetation im Bereich von Haarstrang, Egge-Gebirge, Paderborner Hochfläche, Teutoburger Wald und Wiehengebirge (BURRICHTER
1983)
Abb.11: Potentielle natürliche Vegetation in Westfalen. Quelle: BURRICHTER 1983
Der Mensch hat seit dem klima- und zukzessionsbedingten Wandel von der arktischen Tundra zur gemäßigt-nemoralen Waldvegetation das Vegetationsbild ent-
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 24
scheidend verändert. Die natürliche Vegetation des Mittelgebirgssaumes von Nordrhein-Westfalen wären ausgedehnte Buchenwälder und bodensaure Eichenmischwälder (Tab2 und Abb.11). Aus ehemals geschlossenen Laubwaldgesellschaften auf
den Randbereichen des Münsterländer Beckens schuf der Mensch innerhalb von 5
bis 6 Jahrtausenden eine offene, intensiv genutzte Wirtschaftslandschaft (Tab.2 und
Abb.11). Die Waldbestände der randlichen Bergländer der Westfälischen Bucht bestehen heute zu mehr als zwei Dritteln aus standortfremden Fichten- oder Kiefernforsten.
Erst an zweiter Stelle stehen hinter den anthropogenen Einflüssen diejenigen von
Gesteinen und Böden, jedoch sind sie verantwortlich für die naturräumliche Verteilung der Vegetation. Diese ist aufgrund der stark wechselnden Substratfaktoren sehr
abwechslungsreich und kann hier nur vereinfacht wiedergegeben werden.
Die Klimatischen Faktoren spiegeln sich deutlich in der Verteilung der Flora wieder:
Von Nordwesten nach Südosten ist ein Gefälle der atlantischen Arten und gleichzeitig eine Zunahme gemäßigt-kontinentaler Arten zu bemerken.
7. Besiedelung
Eine Grenze zwischen Streubesiedelung und Dorfsiedlung verläuft etwa entlang der
oberen Lippe, überquert den Teutoburger Wald bei Horn und durchzieht das Lipper
Land nördlich der Steinheimer Börde. Unter Streusiedlung sind hier Einzelhöfe der
Kampbauern und Kötter, die Drubbelhöfe am Rande von ehemaligen Langstreifenfluren (Esche) und die Hagenhufendörfer am Delbrücker Rücken zusammengefasst.
In den Streusiedlungsgebieten fand bis auf wenige Ausnahmen keine Wüstung statt.
Für Hellweg, Paderborner Hochfläche, die Wesertalung und das Oberwälder
Land sind Haufendörfer die charakteristische Siedlungsform. Die Dörfer haben sich
meistens aus kleineren Siedlungen entwickelt (MAASJOST 1973). Das Gebiet der Haufendörfer ist gleichzeitig Wüstungsland. 50 bis 70% der Kleinsiedlungen wurden am
Ende des Mittelalters aufgegeben („Kleine Eiszeit“). Kreuze, Kapellen und Kirchenruinen erinnern heute noch an sie. Ihre Bevölkerung wanderte in größere Dörfer und
vor allem Landstädte ab. Im südöstlichen Westfalen sind diese Landstädte besonders zahlreich. Zu zentralen Orten größerer Bedeutung entwickelten sich Paderborn
und die Kreisstädte Büren Warburg, Höxter, Lippstadt sowie die Städte Geseke, Er-
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 25
witte, Bad Lippspringe, Bad Driburg und Steinheim. Für das Dorfgebiet sind weiterhin
zahlreiche Adelssitze und Güter charakteristisch, die zum Teil auf wüst gewordenen
Dorffluren entstanden sind. (MAASJOST 1973)
Paderborner Hochfläche und Haarstrstrang sind aufgrund ihrer Verkarstung Wassermangelgebiete. Lage und Art der Siedlungen spiegeln die Wasserverhälltnisse
wider. Städtische Siedlungen liegen jeweils am Rand der Kalkschichten: Soest, Erwitte, Geseke, Salzkotten und Paderborn liegen im Norden am Hellwegquellhorizint
und Büren, Rüthen und Wünneberg an der Karbon-Kreidegrenze im Süden. Ländliche Siedlungen liegen dagegen auch innerhalb des Kreidekalkgebietes, vor allem an
den heute noch häufig wasserführenden Bächen, und sind deshalb die den Karstgebieten angepasste Siedlungsform. Allerdings konzentriert sich die Besiedelung dort
auf wenige Stellen, wo ständig fließende Quellen austreten oder lokale Mergelvorkommen den Bau von Brunnen ermöglichten. In Zeiten der Dürre, wenn auch die
Quellen trockenfielen, wurde früher mit Hilfe von Ochsenkarren Wasser von weiter
entfernten Tälern herbeigeschafft. trotzdem reichten die lokalen Wasservorkommen
in der Regel aus, solange die Bevölkerungsdichte und der Pro-Kopf-Verbrauch noch
gering waren. Als jedoch steigender Wasserverbrauch und zunehmende Verkarstung immer mehr Wasserklemmen verursachten (ausserdem ließ die Qualität des
Karstwassers zu wünschen übrig), verlegte man die Beschaffung von Wasser auf die
Quellen am Rand der Kreidebasis und das Nordsauerland. (FEIGE 1983)
Im Teutoburger Wald und Ravensberger Hügelland im nordöstlichen Westfalen
bildeten sich im beginnenden 13. Jahrhundert Waldhufendörfer, die eine wesentliche
Rolle beim Aufbau der Ravensbergischen Grafschaft spielten. Sie wurden entweder
am Rand von sogenannten Sieken (feuchte Stellen über unterlagernden Tonen) oder
neben Quellmulden. Zum Teil sind sie heute noch erhalten. Insgesamt lässt sich die
Region der Ravensberger Grafschaft, die die Kreise Bielefeld, Halle, Bünde und
Herford umfasst, als agrarischer Gunstraum bezeichnen. Sie ist ein Kernraum der
Besiedelung mit hoher Bevölkerungsdichte (FUCHS 1983).
Die Senne dagegen lag seit jeher im Randgebiet politischer Herrschaften (Überschneidungsbereich von Ravensberger, Lipper, Paderborner und Rietberger Territorium). Zudem galten die sandigen Böden und die feuchten Niederungen als siedlungsfeindlich. Sandboden und Podsolprofil einerseits, Sümpfe und Moore andererseits sorgten dafür, dass die Senne lange Zeit Durchgangslandschaft mit schwacher
oder fehlender Besiedelung war und nur extensiv agrarwirtschaftlich genutzt wurde
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 26
(Waldweide, verbunden mit Waldzerstörung und Verheidung). Erst in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Senne zum „Ergänzungsraum“ für die Wasserversorgung, die Freizeitansprüche und zur „Reservelandschaft“ für Siedlungsund Verkehrsflächen (Sennestadt). Ausserdem wird sie seit 1891 als Truppenübungplatz genutzt. Ihre Böden werden heute durch Meliorationsmaßnahmen aufgewertet oder aufgeforstet. Sie ist ein Beispiel für fremdbestimmte Einflüsse und Nutzungsansprüche: Eine Mehrzwecklandschaft mit erheblichen Konflikten zwischen
den einzelnen Nutzungsansprüchen. (FUCHS 1983)
7.1. Die Schlacht im Teutoburger Wald (KRÜGER 1999)
Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. siedelten rechts der Weser überall die Germanen,
links der Weser die Kelten. Die Kelten wurden von hier aus später nach Westen verdrängt. Bis zum 9. Jahrhundert n. Chr. waren die Römer bis in das Gebiet der
oberen Weser vorgedrungen, wo zu dieser Zeit die Cherusker von Angrivariern,
Brukterern und Chatten umgeben wohnten. Die Römer hatten über die Stämme militärisch den Sieg errungen, hatten sie befriedet und unter römisches Recht gestellt.
Der nur scheinbar römertreue Häuptling der Cherusker, Arminius, führte die Stämme
im Befreiungskrieg gegen die römischen Feldherren Quintilius Varus und Germanikus an. Wahrscheinlich in der Gegend von Kalkriese, einer unzugänglichen Sumpfund Waldgegend, fand die „Schlacht im Teutoburger Wald“ statt. In den schwer passierbaren Gebirgswäldern des Teutoburger Waldes, die für die Römer ungewohnt,
den „Barbaren“ aber vertraut waren, wurden die römischen Truppen von den Aufständischen überfallen und restlos aufgerieben. In der Grotenburg bei Detmold wurde für Arminius ein Denkmal errichtet.
7.2. Bielefeld, Oberzentrum und Industriestadt des Teutoburger Waldes
(DÜSTERLOH /SCHÜTTLER 1983)
Die Stadt entstand am nördlichen Ausgang des Passes durch das Gebirge. Sie greift
nach Nordosten in das lössbedeckte Ravensberger Hügelland und nach Südosten
in die sandige Senne aus. Der größte Teil der Stadt liegt im Ravensberger Hügelland. Die Industrie von Bielefeld hat sich vom Leinenhandel und Woll- und Leinenverarbeitung zu einer breiten Branchenpalette der Zulieferer-, Ergänzungs- und Folgeindustrie der Textilindustrie entwickelt.
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 27
Mit 312 000 Einwohnern ist Bielefeld die größte Stadt und das Oberzentrum Ostwestfalens. Im Bielefelder Pass, der Senne und Ravensberger Land zwischen der
Bielefelder Altstadt und Bielefeld-Brackwede verbindet, fehlt infolge tektonischer Störungen das widerständigste und härteste Gestein des Teutoburger Waldes, der Osning-Sandstein, der sonst den zentralen Höhenzug bildet. Deshalb konnten sich die
rückschreitende und auch glaziale Erosion tiefer quer durch die Bergrücken hindurcharbeiten und den heute für den Verkehr wichtigsten Pass durch den Teutoburger Wald schaffen. Straßen und Bahnlinien führen von SW und NO in dichten Bündeln in den Pass hinein.
Die Stadt wurde von Graf Hermann dem IV. 1214 an der Stelle einer kleinen bäuerlichen Siedlung nördlich des Passausganges gegründet. Seit dem 17. Jahrhundert
galt Bielefeld wegen seiner Flachsspinnereien und Leinenwebereien als „Leinenstadt“ und zog primär den Handel an sich, während Spinnen und Weben zur Haupterwerbsquelle der umliegenden Gemeinden der Grafschaft Ravensberg und des
Lipper Landes wurden. Im Zeitalter der Industrialisierung folgten neben der industriellen Herstellung und Veredelung des Leinens weitere Industriezweige, die mit der
Textilfabrikation zusammenhingen, Wäscheherstellung und Bekleidungsindustrie
und diesen wiederum
Nähmaschinen-, Fahrrad- und Maschinenbauindustrie. Er-
gänzungsindustrien wie Büromaschinen-, Papier-, Druck- und Werbeartikelindustrie
schlossen sich an. Fast bis zu den Achziger Jahren galt Bielefeld wegen seiner vielseitigen Industriestruktur als besonders krisenfest. Die überproportionalen Arbeitsplatzverluste in der Industrie (wegen zunehmender Finanznot im industriellen Sektor)
wurden durch Zuwachsraten im Dienstleistungssektor in den Siebziger Jahren zunächst ausgeglichen, machten sich aber später durch eine sprunghafte Erhöhung
der Abeitslosenquote bemerkbar. Bielefeld ist aus der Sicht seiner Erwerbsstruktur
ein Mischtyp einer „Industrie-, Handels- und Dienstleistungsstadt“.
8. Fazit
Der Mittelgebirgssaum im Bereich Nordrhein-Westfalens ist ein Gebiet kleinräumiger
Unterschiede sowohl geologisch als auch morphologisch und nutzungstechnisch betrachtet. Im Vergleich zur eigentlichen Münsterländer Bucht (oder auch Westfälische
Tieflandsbucht) hebt er sich sowohl durch größere Mengen an Löss (im Bereich der
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 28
Hellwegbörden) als auch durch das wesentlich abwechslungsreichere Relief seiner
Schichtstufen und -kammlandschaften hervor (v.a. Teutoburger Wald, Ravensberger
Land). Die ebenfalls kleinräumigen nutzungstechnischen Unterschiede werden häufig durch die Geologie beeinflusst (Gegensatz Lössgebiete/Karstgebiete oder Lössgebiete/Sandgebiete). Vor allem in der Geschichte der saale- und weichselzeitlichen
Eisbedeckung bzw. Periglaziallage zeigt sich, wie sich bereits kleine Unterschiede
der Reliefierung oder Ausrichtung auf die Verteilung späterer Gunst- bzw. Ungunstfaktoren und dadurch auch die Besiedelung dieser Gebiete auswirken können.
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 29
Literaturverzeichnis
BURRICHTER, E. (1983): Die Vegetation in Westfalen - eine Übersicht. In: HEINEBERG, H. & MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und angrenzenden
Regionen. Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster 1983, Teile I
und II.- Münster. S. 27-42.
DÜSTERLOH, D. & SCHÜTTLER, A. (1983): Siedlungs- und Wirtschaftsraum Bielefeld. Wachstum der Stadt, Citybildung, Industrialisierung. In: HEINEBERG, H. &
MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und angrenzenden Regionen.
Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster 1983, Teile I und II.- Münster. S. 281-292.
FEIGE, W. (1983): Karstgebiete in Südostwestfalen und ihr Formenschatz. In: HEINEBERG, H. & MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und angrenzenden Regionen. Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster 1983, Teile
I und II.- Münster. S. 25-41.
FEIGE, W. (1983): Haarstrang - Nordsauerland - Paderborner Hochfläche. Karst,
Wasserversorgung, Hochwasserschutz, Steinindustrie. In: HEINEBERG, H. &
MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und angrenzenden Regionen.
Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster 1983, Teile I und II.Münster. S. 235-248.
FUCHS, G. (1983): Ravensberger Land und Senne. Zwei Landschaften am Teutoburger Wald bei Bielefeld - Unterschiede der Raumentwicklung und Raumfunktion.
In: HEINEBERG, H. & MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und
angrenzenden Regionen. Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster
1983, Teile I und II.- Münster. S.295-302.
GLN (=GEOLOGISCHES LANDESAMT NORDRHEIN-WESTFALEN) (Hrsg.) (1995):
Geologie im Münsterland.- Krefeld. 195 S.
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 30
GLÄßER, E., VOSSEN, K., WOITSCHÜTZKE, C.-P. (1987): Nordrhein-Westfalen.Stuttgart. 249 S.
HEINEBERG, H. & MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und angrenzenden Regionen. Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster 1983,
Teile I und II.- Münster.
HEMPEL, L. (1983): Westfalens „Gebirgs-, Berg-, Hügel- und Tiefländer“ - ein geomorphologischer Überblick. In: HEINEBERG, H. & MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und angrenzenden Regionen. Festschrift zum 44. deutschen
Geographentag in Münster 1983, Teile I und II.- Münster. S. 11-24.
KARTE, J. (1983): Westlicher Haarstrang - Niedersauerland - Rothaargebirge. Strukturbedingte Reliefgestaltung und Skulpturformen, Periglaziär, Erzbergbau. In: HEINEBERG, H. & MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und angrenzenden Regionen. Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster 1983, Teile
I und II.- Münster. S. 201-215.
KRÜGER, B. (1999): Die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 unserer Zeitrechnung.- Weissbach. 77 S.
LIEDTKE, H. & MARCINEK, J. (Hrsg.) (1994): Physische Geographie Deutschlands.Gotha. 559 S.
LIEDTKE, H. (1983): Wiehengebirge, Dümmer und Dammer Berge. Formenbestandteile einer Altmoränenlandschaft. In: HEINEBERG, H. & MAYR, A. (Hrsg.) (1983):
Exkursionen in Westfalen und angrenzenden Regionen. Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster 1983, Teile I und II.- Münster. S. 331-337.
MAASJOST, L. (1973): Südöstliches Westfalen.- Berlin · Stuttgart. 173 S.
MERTENS, H. (1983): Über Lösslehm und sogenannte Verwitterungslehme am Hellweg, auf dem Haarstrang und der Paderborner Hochfläche. In: HEINEBERG, H. &
Vom Haarstrang bis zum Dümmer
Seite 31
& MAYR, A. (Hrsg.) (1983): Exkursionen in Westfalen und angrenzenden Regionen.
Festschrift zum 44. deutschen Geographentag in Münster 1983, Teile I und II.- Münster. S. 43-53.
Herunterladen