tut etwas, dass wir uns wie menschen vorkommen! ghetto von joshua sobol in einer inszenierung des großen ensembles des cvd 13/15/16/17 märz 2012 19 uhr forum des schulzentrums goldene aue ghetto erzählt die geschichte des theaters im jüdischen ghetto von wilna. weder das ghetto noch das theater noch seine geschichte sind erdacht. die menschen, die auf unserer bühne auferstehen, hat es wirklich gegeben. sie sind wirklich wie vieh zusammengetrieben worden, sie haben wirklich gehungert, sie haben wirklich in jedem moment ihres lebens um ihr leben fürchten müssen, sie haben wirklich gelitten. und sie haben wirklich theater gespielt, lieder gesungen, bissige satiren aufgeführt, sich witze erzählt. sie haben gelacht, geliebt, geweint. und sie sind alle getötet worden. der berühmten schauspielertruppe des ghettotheaters widmen wir unser stück. das stück die litauische hauptstadt wilna (vilnius), die einst „jerusalem des ostens“ genannt wurde, galt bis zur zerstörung im zweiten weltkrieg als religiöses und literarisches zentrum der jüdischen kultur. im juni 1941 marschierte die deutsche wehrmacht in wilna ein, schon im juli begann die organisierte vernichtung der litauischen juden. im september 1941 wurde die jüdische bevölkerung wilnas in das ghetto der stadt getrieben, das 1943 liquidiert wurde. dort spielt joshua sobols weltberühmtes stück: um die moral und den lebenswillen der juden zu stärken, will jakob gens, der chef der jüdischen polizei, ein theater im ghetto gründen und stößt damit einerseits auf proteste unter den ghettobewohnern („auf dem friedhof spielt man kein theater!“), andererseits entwickelt sich rasch ein vielseitiges kulturelles treiben, das sowohl für die schauspieler und musiker als auch für das publikum eine möglichkeit darstellt, die schrecken des daseins künstlerisch zu verarbeiten. in einem alten theater, in dem die kleider von getöteten juden sortiert werden, entdeckt kittel, der deutsche kommandant des ghettos, in einer gruppe von arbeitern die sängerin chaja und dass sie ein kilo bohnen gestohlen hat, was normalerweise mit sofortiger erschießung geahndet wird. da sich der launenhafte, nach persönlichem belieben und dem lustprinzip agierende musikliebhaber kittel aber von chaja angezogen fühlt, arrangiert er eine situation, die dazu führt, dass chaja ihm ihre „schuld“ mit liedern „bezahlen“ muss – immer in der angst, der willkür kittels und seiner unberechenbaren brutalität doch noch zum opfer zu fallen. gens sieht seine aufgabe darin, möglichst viele ghetto-bewohner zu retten. auch deswegen treibt er den spielplan des theaters voran und gründet mit dem schneider weiskopf ein bald florierendes unternehmen zur reparatur von uniformen: auf diese weise erhalten viele ghetto-bewohner eine arbeitsbescheinigung, die sie zunächst vor der hinrichtung bewahrt. zur durchsetzung seines ziels, möglichst viele zu retten, muss er sich allerdings auf verhandlungen und handel mit den nationalsozialisten einlassen – und sich fragen lassen, ob er sich durch seine kollaboration nicht mit ihnen gemein und (ebenso) schuldig macht. kopf der oppositionellen ist die dritte historische figur des stücks: der bibliothekar herman kruk, ein intellektueller und widerstandskämpfer, der die geschehnisse dokumentiert und hellsichtig kommentiert. die erzählte geschichte basiert in weiten teilen auf seinen tagebuchaufzeichnungen und anderem historisch-authentischem material. ghetto gilt als einer der interessantesten und wichtigsten versuche der israelischen literatur im allgemeinen und des dramas im besonderen, sich mit der shoah auseinanderzusetzen und ein differenziertes bild jüdischer verhaltensweisen in der existenziellen bedrohungssituation zu zeichnen. aber auch über die konkrete historische situation hinaus wirft das stück die fragen nach den möglichkeiten würdevollen lebens angesichts permanenter erniedrigung und todesnähe, nach den möglichkeiten moralischen handelns in der extremsituation und der bewältigung von ohnmacht und schuld auf und fordert damit zur reflexion sowohl der eigenen person als auch sozialer mechanismen heraus. peter zadeks berühmte inszenierung des 1984 in israel uraufgeführten stücks – zunächst auf der freien volksbühne in berlin (1984) und später am deutschen schauspielhaus in hamburg (1987) – verhalf der sängerin esther ofraim zu einem comeback und machte den schauspieler ulrich tukur (als ss-offizier kittel) zum star. auch der israelische klarinettist giora feidman wurde zuerst durch seine mitwirkung in der zadek-produktion einem größeren publikum in deutschland bekannt. ghetto wurde in mehr als 20 sprachen übersetzt, in über 25 ländern aufgeführt und vielfach ausgezeichnet. mit den stücken „adam“ (1989) und „underground“ (1991) bildet es die ghetto-trilogie. aus dem tagebuch von herman kruk sonnabend, 6. september 1941 – einzug im ghetto […] den leuten vom boskai-platz ließ man fünf minuten zum abmarsch. sie schleppen ihre habseligkeiten in bündeln aus leinentüchern über die pflastersteine. soldaten treiben sie an wie vieh. Die leute berichten: am eingang zum ghetto herrsche schrecken und hoffnungslosigkeit. tausende stehen in langen reihen. menschen werden wie die tiere in den käfig getrieben. erschöpft brechen sie unter ihren lasten zusammen. ihr schreien erhebt sich zum himmel. der leidvolle zug zum ghetto dauert stunden. […] 27. april 1942 – eröffnung des ghetto-theaters im saal der ehemaligen kleinen stadthalle fand gestern abend die erste vorstellung des ghetto-theaters statt. der saal ist renoviert und macht einen guten eindruck. die ausrüstungsgegenstände sind in form und art unterschiedlich. ingenieur guchmann, der direktor, hielt die eröffnungsansprache. dann folgten ein konzert des sinfonie-orchesters unter der leitung von durmaschkin, ein klaviervortrag und verschiedene solo-auftritte. die aufführung klappte reibungslos, die programmauswahl war chaotisch, zeigte bestenfalls die mangelnde planung. die sitzordnung im saal ist so arrangiert, dass in den vorderen reihen die elite platz nimmt: der judenrat, die polizeibeauftragten […] chronik des ghettos von wilna 22. juni 1941 die deutsche wehrmacht überfällt die sowjetunion. nach luftangriffen auf wilna versuchen tausende von juden die stadt zu verlassen. 24. juni 1941 deutsche truppen besetzen wilna. die mehrheit der fliehenden juden wird getötet, viele werden zur rückkehr in die stadt gezwungen, weniger als 3000 gelingt die flucht. 4. juli 1941 der erste judenrat wird gegründet. 2. september 1941 zur vergeltung eines angeblichen attentats erschießen die deutschen besatzer 3700 juden, darunter den gesamten judenrat. 6. september 1941 die jüdische bevölkerung wird aus dem gesamten stadtgebiet in zwei ghettos getrieben. 7. september 1941 für das ghetto wird ein fünfköpfiger judenrat eingerichtet. jakob gens wird chef der ghetto-polizei. 8. september 1941 die ghetto-bibliothek wird eröffnet. oktober 1941 in drei „aktionen“ werden insgesamt 6496 juden ermordet. das ghetto-arbeitsamt gibt 3000 arbeitsscheine aus, davon 400 für den judenrat. 24. oktober 1941 ghetto 2 wird aufgelöst. 2000-3000 juden werden nach ghetto 1 überführt. 24. oktober-22. dezember 1941 insgesamt werden 7110 juden ohne arbeitsschein erschossen. 31. dezember 1941 auf der bisher größten versammlung der widerstandsbewegung in wilna wird festgestellt: „von 80.000 juden im ‚jerusalem litauens’ sind nur 20.000 übrig geblieben. […] greift zu den waffen!“ 18. januar 1942 im ghetto wird eine künstlervereinigung gegründet. 21. januar 1942 mit 150 aktivisten wird die vereinigte partisanenorganisation f.p.o. im wilnaer ghetto gegründet, um den bewaffneten widerstand im fall einer liquidierung des ghettos vorzubereiten. 5. februar 1942 für das ghetto wird ein geburtenverbot erlassen. 26. april 1942 die erste premiere im ghetto-theater findet statt. 3./4. juni 1942 der schwarzmarkthändler joseph gerstein wird im ghetto von jugendlichen ermordet. am tag darauf werden die täter verurteilt und hingerichtet. 11. juli 1942 gens wird zum alleinigen leiter des ghettos ernannt. sein stellvertreter bei der polizei wird salek dessler. 23. oktober 1942 406 alte und kranke menschen aus dem ghetto oschmany werden ermordet. januar 1943 die sängerin lyuba levicka wird hingerichtet, nachdem sie beim schmuggeln von zwei pfund hafer und ein wenig butter erwischt wurde. 15. januar 1943 feier zum ersten jahrestag des ghetto-theaters. april 1943 mehr als 4.000 juden aus den kleinen ghettos außerhalb von wilna werden in ponar erschossen. es kommt zu spontanen angriffen auf die deutschen besatzer und zu massenfluchtversuchen. 14. mai 1943 die tore des ghettos werden zugemauert. 26. juni 1943 aufstand der ghetto-bewohner/innen gegen die ghetto-polizei. august 1943 die transporte von juden in die konzentrationslager in estland beginnen. 1. september 1943 die ss umstellt das ghetto. die deutschen besatzer fordern 5.000 juden zum transport nach estland. infolge eines bewaffneten kampfes im ghetto werden viele mitglieder der f.p.o. festgenommen. 2. september 1943 die ss zieht sich zurück. gens selektiert 5.000 menschen und liefert sie aus. 14. september 1943 gens wird von einem deutschen obersturmführer erschossen. 23. september 1943 das ghetto wilna wird liquidiert. am vorabend befinden sich noch rund 10.000 menschen im ghetto. etwa 2.000 gelingt es, sich zu verstecken, rund 8.000 menschen werden in die rossa-straße gebracht. von dort werden diese später in die konzentrationslager von estland und lettland deportiert oder finden den tod in den gaskammern von majdanek. hunderte von alten und kranken menschen werden in ponar erschossen. das ghetto wird vollständig zerstört. der autor „es ist nicht schwierig, sich in israel feinde zu machen“, sagt der israelische dramatiker und regisseur joshua sobol. 1988 hatte ihm eine abgeordnete nach der aufführung des theaterstücks „das jerusalem syndrom“ nahe gelegt, „zum nutzen aller selbstmord zu begehen“. angesichts der anfeindungen siedelte sobol damals zwar für vier jahre nach london über, aber den mund ließ er sich nicht verbieten. der bekennende „atheistische jude“ und „linke mit eigener Meinung“ eckt mit seinem „theater der provokation“ immer wieder an. sobol hält der gesellschaft den spiegel vor und provoziert die auseinandersetzung mit tabu-themen. für das publikum in deutschland, österreich und der schweiz ist sobol der wohl bedeutendste israelische bühnenautor. als sohn osteuropäischer, zionistischer einwanderer 1939 in der nähe von tel aviv geboren, war er zunächst in der israelischen sozialistischen jugendbewegung ha schomer ha tzair tätig und lebte viele jahre in kibbuzim. er studierte literatur und geschichte in israel, später philosophie an der sorbonne in paris. als dramatiker trat sobol erstmals 1971 mit „the days to come“ am theater in haifa in erscheinung, einem stück, das das alter thematisiert. Als es 1988 nach der uraufführung seines stückes „das jerusalem syndrom“ zu heftigen auseinandersetzungen und protesten in ganz israel kam, trat er als künstlerischer leiter des theaters zurück und widmete sich fortan ausschließlich dem schreiben. ghetto ist sein berühmtestes stück. nicht nur seiner inhaltlichen perspektivierung der themen wegen, sondern auch wegen seines einsatzes zunehmend experimentellerer inszenierungsformen ist sobol einer der bedeutendsten zeitgenössischen dramatiker und dramaturgen. 1996 kreierte er das so genannte polydrama „alma – a show biz ans ende“, eine interaktive theatralische reise durch das leben der künstlerin und künstlermuse alma mahler-werfel, in der die zuschauer hautnah durch szenen ihres lebens wandern. die aufführung wurde zum kultstück, bereiste wien, venedig, lissabon, los angeles und berlin und wurde 1998 verfilmt. seit 2001 tritt sobol auch als autor von romanen in erscheinung. das ensemble jakob gens salek dessler ein ghettopolizist weiskopf, unternehmer herman kruk, bibliothekar niklas richter moritz bastam urs liebau julian schöpe marek kalinowski bruno kittel thiemann (ss) arntgen (ss) andré pfeiler konstantin heine julius kesten die theatertruppe srulik lina, die puppe chaja, die sängerin lea umah (dr. weiner/dr. paul) sara (dr. gottlieb) rebekka (richter) itzig (rabbi) janka ela helena johanna josefa gerstein jörn fischer gesa ordon maxine drexler/nora schönborn louisa mathias süheda tokcan michelle horn lisbeth kaufholz iven fenker sophie götze klara blomer bella haacke clara deubener de moraes maxine drexler/nora schönborn die musiker die heutigen/das publikum bela, pianistin luba, geigerin chaikin, klarinettist emma noll sophie martin timo esche malte knocke johannes klatte holger fenker und viele kolleginnen und kollegen die kinder produktion anna melina bengsch julia dietrich nastassia fisenko leah haller annaluisa kambas anna schiekirka lina freya von studzinski nina marie wigger johanna busse alina marie duwe finn ole thor habig niclas jury arik korsch greta schnabel celina siewert dennis schrimer regie musikalische leitung chorleitung kostüm bühne axel dücker tanja woitinas emma noll julia kruska kornelia drexler carola schönborn axel dücker tanja woitinas und teile des ensembles wir danken der technik-ag für die kompetente unterstützung, dem ratsgymnasium, dem odeon-theater und dem verein bühnenreif goslar e.v. für jeweils ungefähr ein viertel unserer ausstattung in den kategorien bühne, technik, requisite jürgen potratzki und dem staatstheater hannover sowie dem förderverein historischer zivil- und bevölkerungsschutz e.v. in hamburg für die uniformen, der tanzwerkstatt benita rohr für weitere kostüme, der schulgemeinde, die 50 ermäßigte karten aufgekauft hat, die wir als v.i.p.-karten schülerinnen und schülern schenken konnten, die sich besonders für unsere schulgemeinschaft einsetzen, unseren lehrerinnen und lehrern, in deren unterricht wir in den letzten wochen ständig fehlen durften, frau reichert dafür, dass sie das pauschal erlaubt hat, und frau eckhof für die schöne idee, für die elfer des ensembles eine verlängerung für die abgabe der facharbeiten zu erwirken, frau reichert sowieso und insgesamt für ihren unermüdlichen engagierten einsatz und ihre starke identifikation mit unserem projekt wir empfehlen die beiden nächsten ereignisse des jungen theaters in goslar: im mai spielt die theaterwerkstatt des ratsgymnasiums „romulus, der große“ von friedrich dürrenmatt, und im juli gibt es im odeon-theater das musical „atlantis“ des vereins bühnenreif goslar e.v.