Die Bau- und Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses im Überblick 1700-1716 Kurfürst Johann Wilhelm II. von der Pfalz, Herzog von Jülich und Berg, lässt durch den italienischen Baumeister Graf Matteo d’Alberti das Neue Schloss zu Bensberg errichten. Vor 1700 Erstes Projekt im Typus einer italienischen Villa wird entworfen. 1700 Als zweites Projekt wird eine dreiflügelige Schlossanlage entwickelt; Matteo d’Alberti verlegt auf Befehl des Kurfürsten Johann Wilhelm II. seinen Wohnsitz nach Köln. 1703-1704 Erdbewegungsarbeiten und die Terrasse werden hergerichtet. 1705 Die Fundamente werden nach dem vierten Projekt verlegt; Herzog von Marlborough besucht die Schlossbaustelle in Bensberg und wird von Johann Wilhelm II. in Zeltbauten empfangen. 1707 Heinrich Charrasky erhält den Auftrag zur Lieferung von Bleifiguren nach Modellen von Gabriel Grupello. 1708 Weitgehende Vollendung des Corps de Logis, da ein Teil der Stuckaturen vor dem Herbst 1708 entstanden sein muss. 1709 Neubau weitgehend fortgeschritten; auf die Ausführung der Giebel und Brüstungen und die Anbringung des bildnerischen Schmucks wird vorläufig verzichtet. 1710 Vollendung des Corps des Logis und der Flügel; in den folgenden Jahren werden die Toranlagen, die Corps de Garde und die Schlosskapelle errichtet und der Innenausbau fortgesetzt. 1713 Zwischen 1713 und 1714 malt der venezianische Barockmaler Giovanni Antonio Pellegrini den Sturz des Phaetons am Gewölbe des nördlichen Stiegenhauses und eine Serie von 14 allegorischen Darstellungen. 1714 Der niederländische Maler Jan Weenix d.J. liefert die letzten Jagdstillleben. 1715 Die Schlosskapelle ist noch ohne Dach. 1716 Einstellung der Bau- und Ausstattungsarbeiten nach dem Tod des Kurfürsten; die Zufahrtsrampe, der Schlossgarten, die Kapelle und die Reuttersäle bleiben unvollendet. 1716-1742 Herzog Karl Philipp, Bruder Johann Wilhelms II., der ein gespanntes Verhältnis zu seinem Bruder hat und mit der kostspieligen Pflege der Künste nicht einverstanden ist, setzt beim Regierungsantritt alle laufenden Kunstunternehmungen aus und macht alle Kunstaufträge rückgängig. Alle am Düsseldorfer Hof beschäftigten Künstler werden entlassen. Der Herzog lässt sich eine neue Residenz in Mannheim bauen und widmet sich dem Wiederaufbau der Pfalz. 1742-1799 Schloss Bensberg wird von der Burggrafen-Familie Moureaux verwaltet. Unter Kurfürst Karl Theodor aus dem Hause Sulzbach werden die notwendigen Unterhaltungsarbeiten vorgenommen. 1774 Johann Wolfgang von Goethe besucht Schloss Bensberg. Vor 1787 Laternen auf den Kupferdächern werden mit Blei verkleidet. 1793-1795 Während des ersten Koalitionskrieges wurde das Schloss von dem Generalfeldzeugmeister Graf Clerfayt als Lazarett der kaiserlich- österreichischen Armee beschlagnahmt und zeitweilig auch als Gefangenenlager genutzt. 1793 Gemälde von Antonio Bellucci, Herman van der Myn, Giovanni Antonio Pellegrini, Anthoni Schoonjans und Jan Weenix d.J. sowie Tapeten und Vorhänge werden abgehangen und verpackt, wertvolles Mobiliar wird in einigen Zimmern zusammengestellt. Die Beletage des Corps des Logis wird zunächst versiegelt, später vermauert und die Kapelle zum Strohmagazin bestimmt. Seit dieser Zeit dient das Schloss als Lazarett und Kaserne. 1795 Ein Teil der verpackten Bilder und Effekten wird in Sicherheit gebracht. Französische Einquartierung unter Brigadegeneral Bastout im Bensberger Schloss. 1796 General Soult bewohnt mit seinem Stab das Schloss. 1802 Wertwolle Gemälde werden nach Düsseldorf und die Wand- bespannungen wieder nach Bensberg gebracht. 1802/03 Wiederherstellung des verfallenen Corps des Logis. 1806 Gemälde werden in die Alte Pinakothek nach München transportiert, wo sie sich bis heute in der Obhut der Bayerischen Staatsgemäldesammlung befinden. Napoleons Schwager, Joachim Murat, wird Großherzog von Berg. 1808-1813 Das Herzogtum Berg kommt unter Napoleons Verwaltung. 1813 Das Schloss dient als französisches Lazarett. 1815 Mit der Proklamation vom 5. April nimmt König Friedrich Wilhelm III. Besitz von den Rheinlanden, die ihm auf dem Wiener Kongress zugesprochenen worden waren. Im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts möchte Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen das Schloss wieder zu einem fürstlichen Wohnsitz machen, doch es bleibt von 1819-1832 preußisches Militärlazarett. 1819-1832 Nachdem das Rheinland preußisch geworden war, nutzen auch die Preußen das Schloss als Militärlazarett. Der preußische Kultusminister plant von 1819-1822 die Errichtung einer Nervenheilanstalt im Schloss. 1824 Auf Antrag des Konservators Mosler werden 30 Gemälde aus Bensberg an die Kunstakademie in Düsseldorf abgegeben. 1834 Das Schloss wird als Königlich Preußische Kadettenanstalt vorgesehen. Bericht des Hauptmanns von Mühlenbach. 1837 Durch Allerhöchste Kabinettsorder wird Bensberg zum zukünftigen Sitz des Kadettenhauses bestimmt. Major Schulz fertigt einen Entwurf sowie einen Kostenvoranschlag für den Umbau des Schlosses zur Kadettenanstalt an, der nach einer Umarbeitung 1838 von König Friedrich Wilhelm IV. genehmigt wird. 1838 Im Sommer beginnt der Umbau unter der Leitung von Major Schulz. Die Distribution wird vollständig verändert; fast alle Stuckdecken werden heruntergeschlagen, die innere Stufe des Ehrenhofes wird überbaut und die Schlosskapelle abgebrochen. Beim Umbau zur Kadettenanstalt werden 1841 rechtwinklig zu den Seitenflügeln am nördlichen Flügel eine Küchenanlage und an den südlichen Flügel ein Wohngebäude mit Dienstwohnungen angebaut. In die Toranlage werden zwei zweigeschossige Torhäuser gebaut. 1839 Der Garnisonsbaudirektor Hauptmann Karl Schnitzler führt die Bauarbeiten fort. 1840 Die Kadettenanstalt wird eingeweiht. Die letzten Reste der Ausstattung, einige Gemälde, die Wandbespannung von zwei Zimmern, eine prachtvolle Scagliola-Tischplatte mit dem Allianzwappen von Johann Wilhelm II. und Anna Maria Louisa sowie Kaminumrahmungen und Kaminplatten werden in die Schlösser Brühl und Stolzenfels überführt. 1841 Die Neubauten werden anstelle der ehemaligen Corps de Garde nach Entwürfen des Majors Schulz fertig gestellt. König Friedrich Wilhelm IV. äußert sich in seiner Allerhöchsten Kabinettsorder missbilligend über die Verlegung der Treppenhäuser, die Zerstörung der Stuckdecken und den Abbruch der Kapelle. 1842 Mitte des Sommers werden die Bauarbeiten abgeschlossen. Ein Fürstenschloss ist in eine Kaserne verwandelt worden. 1843/51 Zunächst wird eine, später eine zweite Baumreihe angepflanzt. 1857 Auf dem Schlosshof wird ein Brunnen angelegt. 1865 Die Feuerwehrspritzen für das Schloss treffen ein. 1880 Der Grundstein für das Kriegerdenkmal wird vor dem Schlosstor gelegt. 1885 Die Bohrarbeiten für einen neuen Brunnen werden ausgeführt; man treibt 1,5 km von der Anstalt entfernt einen senkrechten 19 m tiefen Schacht und 2 m über dem Grund noch einen weiteren 22 m langen Querstollen durch den Kalkfelsen, der mit wasserführenden Schieferschichten abwechselte. Die große anfallende Wassermenge wird mit einer Dampfmaschine zum Schloss hinaufgepumpt. 1886 Die neuzeitlichen sanitären Einrichtungen werden im Schloss installiert. Statt des einfachen Tonnensystems wird ein Zylindersystem mit Wasserspülung, Ventilabsperrung und Einzeltoiletten mit Geruchsverschluss eingeführt. 1889 Der Neubau einer Turnhalle wird für die Kadetten vollendet. Die alte Turnhalle wird in ein Badehaus mit Duschen und Badewannen umgebaut. 1890 Zwei Aufwärterhäuser werden nordöstlich des Schlosses erbaut und das Schloss damit um zwölf Familienwohnungen entlastet. 1891 Ein Waschhaus mit neuester Einrichtung wird gebaut. 1895/96 Unter dem Kommandeur der Kadettenanstalt, Oberstleutnant Schwarz, werden Restaurierungsarbeiten durchgeführt. 1896 Die neueingerichtete Kapelle wird eingeweiht. 1897 Der Dachstuhl des nördlichen Flügels brennt ab. 1900 Der Neubau einer Schwimmhalle wird für die Kadetten fertig gestellt. 1906 Die Gasbeleuchtung wird im Schloss eingeführt. 1907 Kauf eines Grundstücks für eine vorgesehene Kläranlage. 1908 Die Kläranlage wird in Betrieb genommen. 1909 Grundstücke für einen Spiel- und Sportplatz, einen Lazarettneubau und Lehrerwohnungen werden gekauft. 1910 Eine Rollschuhbahn wird auf dem Schlosshof angelegt. 1914-1918 Erster Weltkrieg 1918 Auflösung der Kadettenanstalt im Bensberger Schloss. 1919-1924 Das Schloss dient während der Ruhrbesetzung als Kaserne für Truppen der Entente. 1924-1933 Im Südflügel des Schlosses richtet die Gemeinde das Bürgermeisteramt ein. Das Schloss dient zudem als Unterkunft für obdachlose Bensberger. 1933 Die Dächer müssen erneuert werden. 1934-1937 Das Schloss wird durch die Preußische Staatsbauverwaltung restauriert, wobei die ursprüngliche Mittelfront und der Altbau wiederhergestellt werden. Zugleich finden Umbau- und Ausbaumaßnahmen für die Bedürfnisse einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt statt, die 1935 eröffnet wird. 1941 Der Nordflügel wird durch einen Brand am 2. März zerstört; durch das Feuer wird auch der bedeutendste Rest der wandfesten Ausstattung, das Deckengemälde von Giovanni Antonio Pellegrini, vernichtet. 1943-1944 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald werden beim Wiederaufbau des Nordflügels eingesetzt. 1944 Kurz vor Kriegsende werden staatliche Behörden des Regierungsbezirks Köln in das Schloss verlegt. 1945-1964 Das Schloss dient als Kaserne für alliierte Truppen. 1965-1999 Das Bensberger Schloss wird als belgisches Militärgymnasium (Atheneum) genutzt. 1993-1997 Das Schloss dient Bürgerkriegsflüchtlingen aus Jugoslawien und Asylbewerbern als Notunterkunft. 1996 Das Land Nordrhein-Westfalen verkauft Schloss Bensberg an die Aachener und Münchener Lebensversicherung. 1997-2000 Das völlig marode Schlossgebäude wird durch umfassende Restaurierungsarbeiten in ein Fünf-Sterne Luxushotel umgebaut. 2000 Das Grandhotel Schloss Bensberg wird eröffnet. Was ist Absolutismus? „Absolutismus“ ist kein zeitgenössischer Begriff, sondern ein im 19. Jahrhundert entstandener zentraler Kunstbegriff der Geschichtswissenschaft, der die vorherrschende politische Staatsform in der europäischen Frühen Neuzeit kennzeichnen sollte.1 Der Absolutismus bezeichnet traditionell eine Regierungsform, die auf eine unbeschränkte und ungeteilte Staatsgewalt eines feudalen Herrschers angelegt ist, deren Legitimation auf dem Gottesgnadentum und dem dynastischen Erbrecht beruht und die Sicherheit und Wohlfahrt des Staates und der Untertanen gewährleisten soll. Der Fürst steht als Träger der absoluten Souveränität an der Spitze des Staates und damit auch gleichzeitig über den Gesetzen, an die er nicht gebunden ist. Die Staatsform der absoluten Monarchie setzte sich durch, nachdem die Religionsund Bürgerkriege des 16. Jahrhunderts die staatliche und gesellschaftliche Ordnung in ihren Fundamenten erschüttert hatten. Um einen Ausweg aus dieser Krise zu finden, postulierte die zeitgenössische Staatsphilosophie eine Stärkung und Ausweitung der fürstlichen Macht und Kompetenz. Kurzum: Die Pluralität der politischen Machtbefugnisse sollte durch die Alleinherrschaft des Fürsten ersetzt werden. Die geistigen Grundlagen des Absolutismus legte der französische Philosoph und Staatstheoretiker Jean Bodin (1529-1596). In seinem 1576 erschienenen Werk „Les six livres de la république“ entwickelte er die ersten absolutistischen Regierungselemente, sprach von der „puissance absolue“, der absoluten Macht, und formte den Begriff der „Souveränität“, wonach es innerhalb eines Staates ein eindeutiges und legitimes Gewaltmonopol geben müsse, das, abgesehen von Gott, sich keiner inneren oder äußeren Gewalt unterzuordnen habe und auch nicht den von ihm selbst erlassenen Gesetzen unterliegen dürfe. Von der Notwendigkeit einer absoluten Herrschaft war auch der englische Staatsphilosoph Thomas Hobbes (1588-1679) zutiefst überzeugt, der als einer der bedeutendsten Vertreter des politischen Denkens gilt. Seine 1651 erstmals publizierte staatstheoretische Schrift „Leviathan“ basiert auf einer tiefen Skepsis gegenüber der menschlichen Natur. Hobbes setzt den menschlichen Naturzustand mit Anarchie gleich. In diesem Zustand befinden sich die Menschen in einem gegenseitigen Krieg, „bellum omnium contra omnes“, und es herrscht eine beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes. Die Ursache für das kriegerische Naturell des Menschen sieht Hobbes in der Gleichheit begründet. Danach ist selbst der Schwächste in der Lage, den Stärksten zu töten. Der Mensch ist in Hobbes Philosophie eine 1 Vgl. dazu Ronald G. Asch, „Absolutismus“, in: Helmut Reinalter (Hg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher-Denker-Sachbegriffe, Wien u.a. 2005, S. 15-21. Ebenso Johannes Kunisch, Absolutismus. Europäische Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zur Krise des Ancien Régime, 2., überarbeitete Auflage, Göttingen 1999, S. 21. Bestie, „homo homini lupus est“, der Mensch ist des Menschen Wolf. Diese These führt ihn zu der Annahme, dass sich die Menschen allein durch ihren natürlichen Selbsterhaltungstrieb dem Staat unterwerfen. Hobbes bezeichnet diesen Staat als Leviathan, jenes mythologische Seeungeheuer aus dem Buch Hiob. Sein Staat basiert auf einem Gesellschaftsvertrag, den die Individuen untereinander schließen und der den absoluten Staat in die Realität setzt. In diesem Staat gibt es eine einzige oberste Gewalt, der Souverän, der nicht an den Gesellschaftsvertrag gebunden ist, sondern durch sein Tun und Handeln für Sicherheit und das Gemeinwohl sorgt. Bei der Unterwerfung verzichten die Menschen auf alle Rechte und Freiheiten, die eine Gefahr für den inneren Frieden darstellen und erlauben damit dem Souverän, mit ungeteilter Macht über sie zu herrschen. Die Menschen verpflichten sich zum Gehorsam. Die Macht des Souveräns, so Hobbes, muss absolut und bindend sein. Trotz der Omnipotenz des Souveräns besitzen die Individuen ein Recht auf Widerstand, sofern ihre Sicherheit und das Gemeinwohl durch die oberste Macht im Staat nicht mehr gewährleistet sind. Mit den neuen geistigen Grundlagen und der theoretischen Begründung der absoluten Monarchie erhielt der Staatszweck in der Frühen Neuzeit eine ganz neue Bestimmung: weg von der mittelalterlichen Betrachtungsweise einer göttlichen Weltordnung hin zu einer rationalen Sichtweise, wonach die Menschen aus dem Streben nach Sicherheit und Frieden zu einer staatlichen Vereinigung zusammentreten und sich der absolut gesetzten Staatsgewalt freiwillig unterwerfen. Die historische Bedeutung des Absolutismus besteht darin, dass durch ihn der dualistische Ständestaat im Europa des 15. und 16. Jahrhundert überwunden werden sollte, in dem bereits die monarchische Staatsform existierte, aber durch die Mitwirkung und Kontrolle der privilegierten Stände nicht in ihrer Absolutheit auftreten konnte. Im Laufe der Zeit wurden die Stände jedoch in den Hintergrund gedrängt, und es entfaltete sich im 17. und 18. Jahrhundert das Zeitalter des „hohen Absolutismus“. Als Prototyp einer absolutistischen Fürstenherrschaft in dieser Epoche gilt nach wie vor der französische König Ludwig XIV., der so genannte „Sonnenkönig“. Sein Herrschaftsstil, wie er Politik mit Kunst und höfischem Zeremoniell verband, wurde von vielen europäischen Monarchen bewundert und nachgeahmt.2 Obwohl in der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsschreibung die Bezeichnung „Absolutismus“ zu einem feststehenden Terminus geworden ist und im Allgemeinen die Zeit von 1648 bis 1789, also vom Westfälischen Frieden bis zur Französischen Revolution, als das Zeitalter des Absolutismus kennzeichnet, übt die historische Forschung seit Mitte der 1990er 2 Heinz Duchhardt: Barock und Aufklärung, 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage des Bandes „Das Zeitalter des Absolutismus“, OGG Band 11, München 2007, S. 54. Jahre verstärkt Kritik an diesem Begriff als Epochenbezeichnung. 3 Absolutismus bezieht sich primär auf die herrschaftliche Regierungsform in der Frühen Neuzeit und berücksichtigt und umschreibt damit nicht die ganze Fülle dieser Epoche, die jedoch im besonderen Maße europaweit durch die Musik-, Kunst- und Literaturgeschichte geprägt wurde. Aus diesem Grund plädieren manche Historiker seit einiger Zeit auch für die Epochenbezeichnung „Barock“.4 Zudem hat die neuere Absolutismusforschung herausgearbeitet, dass der Fürstenstaat längst nicht so autoritär und mächtig war, wie es die Darstellungen der älteren Forschung lange Zeit haben glauben lassen und der Begriff „Absolutismus“ auch letztlich intendiert. Zu einem abschließenden Ergebnis ist die historische Forschung bislang nicht gekommen, so dass die Kontroverse über den Terminus „Absolutismus“ als Epochenbezeichnung weiter anhält. 3 Vgl. dazu federführend Heinz Duchhardt: Barock und Aufklärung, 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage des Bandes „Das Zeitalter des Absolutismus“, OGG Band 11, München 2007, S. 169-176. Ebenso Johannes Kunisch, Absolutismus. Europäische Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zur Krise des Ancien Régime, 2., überarbeitete Auflage, Göttingen 1999, S. 179-206. 4 Vgl. Heinz Duchhardt, „Absolutismus – Abschied von einem Epochenbegriff?“ in, HZ 258 (1994), S. 113-122, hier, S. 120. Was ist Barock? Der als historische Epoche, als Begriff sowie als Stil verwendete Terminus „Barock“ entzieht sich bis heute einer allgemeingültigen Definition. Zurückgehend auf das portugiesische Wort „barocco“, bedeutet es eigentlich „unregelmäßige, schiefe Perle“ und stammt aus der Goldschmiedesprache. Im 18. Jahrhundert wurden in Frankreich Kunstformen, die nicht dem klassizistischen Geschmack entsprachen, als „baroque“ charakterisiert, als „absonderlich“ und „schwülstig“. Der Begriff war daher ursprünglich negativ belegt. Im Allgemeinen werden hauptsächlich das 17. und das beginnende 18. Jahrhundert als barocke Epoche klassifiziert. Sie verläuft damit parallel zum historischen Zeitalter des „Absolutismus“. Seinem Ursprung nach bezeichnete der Terminus erst einmal den zeitgenössischen Baustil, der erst nachträglich auf die Musik, Kultur und Literatur erweitert und übertragen wurde. Hauptmerkmale der barocken Baukunst waren schwingende und abwechslungsreiche Formen, Kuppeln, die Akzentuierung der Kraft und Spannung, gebrochene Giebel, üppige Ornamente und prachtvolle Ausgestaltung der Innenräume. Die strenge Ordnung der Renaissance wurde durch den neuen Baustil aufgehoben. Diese Kunstrichtung war geradezu prädestiniert für den Stil der zeitgenössischen Schlossarchitektur, weil sie nach außen repräsentativ wirkte und weil die innere Raumgestaltung durch die Treppenhäuser und Zimmerfluchten die Abwicklung des höfischen Zeremoniells bei Audienzen und Empfängen ermöglichte. Das barocke Schloss zeichnete sich durch seine Größe, die ausladenden Verzierungen, die breiten Treppen, die Raumdominanz sowie durch eindrucksvolle Wand- und Deckenmalerei aus. Als Vorbild des barocken Schlossbaus gilt Versailles, die Residenz des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. Das Ideal eines großen Hofes stellte dagegen der Kaiserhof in Wien dar, wo die traditionelle Hofburg durch das repräsentative Schloss Schönbrunn ergänzt wurde. Das Schloss, eingebettet in eine große Garten- und Parkanlage, war mehr als nur reiner Wohnsitz. Es war der Mittelpunkt der fürstlichen Herrschaft, von wo aus der Regent seine Regierungsgeschäfte tätigte und seine reiche Hofhaltung entfaltete. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte eine rege Bautätigkeit im Deutschen Reich ein, die eine Vielzahl prunkvoller Schlösser, Kirchen und sonstiger Bauten entstehen ließ. Neben der Architektur setzten auch die bildenden Künste bedeutende Akzente. Die Malerei erzeugte durch die neuzeitliche Zentralperspektive die Illusion von Körpern und Gestalten sowie von Landschaften. In erster Linie wurden religiöse und mythologische Motive dargestellt. Die Maler setzten bei ihrer Arbeit auf kontraststarke Farben. Die größten Auftraggeber waren die Fürsten, die die Kunst zur Verherrlichung ihrer Person und Herrschaft in- strumentalisierten. So zählten die Hofmaler zu einer wichtigen Gruppe höfischer Arbeitnehmer, da sie durch Portraitmalerei, Bemalung von Wänden und Decken, Verzierung des dynastischen Stammbaums oder durch Errichtung von Monumenten und Denkmälern ihr Auskommen verdienten. Viele Regierende entwickelten sich zu leidenschaftlichen Kunstsammlern, zu so genannten Mäzenen, die ihre Objekte in eigens dafür angelegten Gemäldegalerien ausstellten. So gehen in Deutschland die größten Gemäldegalerien auf das fürstliche Mäzenatentum in der Frühen Neuzeit zurück. Auch auf die Literatur wurde der kunstgeschichtliche Barock-Begriff übertragen. Die beiden Hauptthemen der deutschen Barockliteratur waren Lebensgier und Todesbangen, also Lebensgefühle aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Die Sprache war oftmals schwülstig und bediente sich reichlich des metaphorischen Stilmittels. Die bürgerliche Literatur bestand zudem aus Possen und Schelmenromanen, während sich die speziell höfische Literatur an heroisch-mythologischen Themen orientierte. Lyrik, Romane und Tragödien dienten in erster Linie der Unterhaltung der höfischen Gesellschaft. Eine weitere Kunst, die von der Gunst des Fürsten lebte, war die Musik, auch Tonkunst genannt. So waren an sämtlichen Höfen „Hofmusiker“ und „Hofkapellen“ engagiert, die zur Unterhaltung und Zerstreuung bei Tisch, Festen und Tanz eine Musik spielten, die über die klassische Kirchenmusik, wie sie im Mittelalter vorherrschend war, hinausging. In Deutschland dominierte die Orgelmusik. Die Tonarten Dur und Moll ermöglichten es auch in der Musik, das zwischen mystischer Religiosität und Lebenslust schaukelnde Lebensgefühl auszudrücken. Insgesamt wurde die Musik leidenschaftlicher und bewegter. Aus Italien kommend, etablierte sich im 17. und 18. Jahrhundert die Form der Oper an den frühneuzeitlichen Höfen. Sie gehörte zu den Höhepunkten des höfischen Lebens, weil sie wie kein anderes musikalisches Genre Hoftheater mit Musik verknüpfte. Großen Anklang fand auch das Ballett, das durch seine choreographische und ästhetische Tanzform auffiel und sich damit von den bisherigen Volks- und Bauerntänzen unterschied. Die Barockepoche war unverkennbar ein höfisch dominiertes Zeitalter. Die Fürsten bedienten sich der Barockkunst, um dadurch ihren Reichtum und ihre Macht zu repräsentieren. Obgleich die Kosten für die vollständige höfische Prachtentfaltung den Staatshaushalt enorm belasteten, waren die Höfe gewissermaßen „Musenhöfe“, die auf vielfältige Art und Weise die europäische Kulturlandschaft nachhaltig prägten. In der Förderung der europäischen Spitzenkunst liegt wohl die eigentliche Leistung der barocken Epoche. Kurfürst Johann Wilhelm II. (1658-1716) Johann Wilhelm II., Pfalzgraf von Neuburg, Herzog von Jülich und Berg sowie Kurfürst von der Pfalz, aus dem Hause der Wittelsbacher stammend, wurde am 19. April 1658 als viertes von insgesamt 17 überlebenden Kindern des pfälzischen Kurfürsten Philipp Wilhelm (16151690) und seiner zweiten Ehefrau, Elisabeth Amalia von Hessen-Darmstadt (1635-1709), in Düsseldorf geboren. Als erstgeborener Sohn war Johann Wilhelm II. gemäß der Erbfolge zum politischen Nachfolger seines strenggläubigen Vaters bestimmt. Die Jesuitenpater nahmen sich der Erziehung des Erbprinzen an, den sie überaus fromm, aber vielseitig erzogen. Neben Mathematik, Religion und Latein, erlangte Johann Wilhelm II. auch spezielle Kenntnisse in den so genannten Kavaliersfächern Architektur, Kriegskunde und neuere Sprachen. Die geistigen Fähigkeiten wurden durch die sportliche Ausbildung im Fechten, Reiten und Schießen ergänzt. Zur fürstlich-höfischen Erziehung gehörte in der Frühen Neuzeit die Kavaliers- und Bildungsreise, die die jungen Herrscher an die ausländischen Höfe, Kulturstätten und Universitäten führte und sie auf ihre zukünftigen Aufgaben umfassend vorbereiten sollte. Mit 16 Jahren wurde Johann Wilhelm II. im Dezember 1674 in Begleitung seines früheren Erziehers, Freiherr Hermann von Wachtendonk, und einem Gefolge, auf eine zweijährige Kavalierstour an die bedeutenden Macht- und Bildungszentren des westlichen Europas entsandt. Die Rundreise war in Bensberg geplant worden, wo auch das höfische Gefolge feierlich vereidigt worden war. In der Gunst der europäischen Machthaber stehend, wurde er auf seiner Reise mit Geschenken und Lobreden überhäuft. So gab der französische König Ludwig XIV. eigens für ihn ein feudales Fest, und in England verlieh König Karl II. ihm die Oxforder Ehrendoktorwürde. Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit bot zum einen, ganz funktional, dem Fürsten und seinem Mitarbeiterstab eine Unterkunft und bildete zugleich das machtpolitische Zentrum des Herrschers, von wo aus er seine Regierungsgeschäfte tätigte. Zum anderen entwickelte sich der Hof auch zu einem Ort der Kunst, der Wissenschaft und der Geselligkeit. Lebensbereiche, die für das höfische Repräsentationsbedürfnis unerlässlich waren. Sowohl der machtpolitische als auch der repräsentative Gedanke wurde im Zeitalter des Absolutismus und des Barock von den Fürsten als probates Mittel genutzt, um im internationalen Konkurrenzkampf der Dynastien bestehen zu können. All das blieb dem jungen Niederrheiner auf seiner Reise nicht verborgen. Insbesondere die Kunst an den Höfen schien ihn nachhaltig zu beeindrucken. Der Grundgedanke der höfischen Kunstförderung, dem Mäzenatentum, lag darin, die eigene Dynastie und den persönlichen Regierungsstil zu verherrlichen und damit die Untertanen von der Größe und der Macht ihres Souveräns zu überzeugen. Im Oktober 1678 heiratete Johann Wilhelm II. die Erzherzogin Maria Anna Josepha aus dem Hause Habsburg (1654-1689), die Stiefschwester des römisch-deutschen Kaisers Leopold I. (1640-1705). Seinem Vater verdankte er diese glanzvolle Verbindung, der bei vielen seiner Kinder dafür sorgte, dass sie in die einflussreichsten Königs- und Fürstenhäuser Europas einheirateten. Aber die Ehe mit der habsburgischen Prinzessin war nur standesgemäß, wenn Johann Wilhelm II. auch ein regierender Fürst war. So wurde er bereits zu Lebzeiten seines Vaters zum Herzog von Jülich und Berg ernannt. Die beiden Herzogtümer waren jedoch alles andere als reich. Die rund 240.000 Untertanen befanden sich in einer fast ausweglosen Situation, als der neue Landesherr sich mit seiner Gemahlin in der Residenzstadt Düsseldorf niederließ und von ihnen zum Regierungsantritt das obligatorische Startkapital forderte. Trotz der prekären wirtschaftlichen Lage in Jülich und Berg war der junge Herzog in der Bevölkerung recht beliebt. Die Zeitgenossen gaben ihm den volkstümlichen Namen „Jan Wellem“, der ihn bis in die Gegenwart populär gemacht hat. Johann Wilhelm II. war ein Exponent seiner Zeit und ein Barockfürst par excellence. Er führte ein aufwändiges und verschwenderisches Leben. Für die Reputation seines Hofes rief er zahlreiche Künstler, Handwerker und Architekten zu sich, die sein Residenzschloss mit prachtvollen Gemälden verschönerten, ein Reiterdenkmal errichteten und für festliche Musikaufführungen eine Oper in Düsseldorf bauten. Zudem erwarb er große Kunstsammlungen, für die er eigens eine Galerie bauen ließ. Die Kunstgegenstände wanderten später in die Alte Pinakothek nach München. Ein Fixpunkt seiner Regierungspolitik war die Religion, aus der er die ausschließliche Legitimation seiner fürstlichen Souveränität ableitete. Der katholische Glaube war in seinen Herrschaftsgebieten Staatsreligion, wofür er sich leidenschaftlich einsetzte. Dem Kaiser sowie dem Deutschen Reich war der patriotisch gesinnte Herzog stets ein treuer Verbündeter. In Jülich und Berg war Johann Wilhelm II. vor allem damit beschäftigt, die ständige Geldnot zu lindern. Die Landstände versuchten zwar, sich jeglichen Zahlungsforderungen ihres Landesherrn zu widersetzen, was sie rechtlich auch hätten tun dürfen, aber meistens beugten sie sich seinen Androhungen. Nach zehnjähriger, kinderloser Ehe verstarb Maria Anna Josepha im April 1689. In Ermangelung eines männlichen Erben wurde in politischen Kreisen aus Gründen der Staatsräson auf eine Neuheirat gedrängt. Erst einmal aber beschritt der niederrheinische Herzog den Weg in die große Politik. Sein Vater hatte 1685, nachdem die pfälzische Kurlinie ausgestorben war, die Kurwürde geerbt. Philipp Wilhelm starb im Jahr 1690, und so trat der junge Her- zog das Erbe an und wurde Kurfürst von der Pfalz. Die Kurpfalz war kein geschlossenes territoriales Herrschaftsgebiet. Die Besitztümer lagen im Rhein-Neckar-Raum, dem heutigen Rheinhessen sowie der heutigen Oberpfalz. Der kurpfälzische Territorialstaat, in dem sich Calvinisten, Lutheraner und Katholiken erbittert über Glaubensfragen stritten, war vorwiegend protestantisch geprägt. Ein schweres Los für den strengkatholischen Kurfürsten. Der protestantische Kurfürst von Brandenburg und spätere König von Preußen, Friedrich III., wurde in dieser Angelegenheit zu einem erbitterten Gegenspieler, da er sich als Fürsprecher aller Protestanten verstand und sich vehement gegen die Unterdrückung seiner Glaubensgenossen und die Bevorzugung der Katholiken in der pfälzischen Region aussprach. Neben der Konfessionskrise löste auch der französische König Ludwig XIV. einen politischen Konflikt in der Pfalz aus. Nachdem Frankreich aus dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) gestärkt hervorgegangen war, versuchte der „Sonnenkönig“ seit seiner Inthronisierung 1661 die Hegemonie Frankreichs immer weiter in Richtung Rhein auszudehnen. Im Namen seiner Schwägerin Elisabeth Charlotte, einer Tochter des früheren pfälzischen Kurfürsten Karl Ludwig, erhob Ludwig XIV. Ansprüche auf die pfälzischen Territorien. Diese Forderung gipfelte in den Jahren 1688-1697 in den so genannten Pfälzischen Erbfolgekrieg, bei dem die Pfalz stark verwüstet wurde. Auch die ferngelegenen Herzogtümer Jülich und Berg blieben vom französischen Expansionskampf nicht verschont. So nötigten die Franzosen die Bewohner zu Geldabgaben, plünderten und brandschatzten ihre Häuser. Durch die finanzielle Unterstützung seines Schwagers, Kaiser Leopold I., konnte Johann Wilhelm II. zur Abwehr der gegnerischen Truppen sein Militär und die Festungen ausbauen. Nach fast zehnjähriger Kriegszeit wurde der Pfälzische Erbfolgekrieg 1697 mit dem Frieden von Rijswijk beigelegt, bei dem der Kurfürst die von Frankreich annektierten pfälzischen Gebiete wiedererlangte. Mit der Fortsetzung der von den Franzosen radikal durchgeführten Rekatholisierung in den pfälzischen Territorialstaaten sorgte Johann Wilhelm II. für heftigen Unmut innerhalb der protestantischen Glaubensgemeinschaft. Im Jahr 1705 wurde der Konfessionskonflikt in der pfälzischen Religionsdeklaration beigelegt, die den Kurfürsten zu einer gemäßigten Religionstoleranz zwang. Im Mai 1691 heiratete Johann Wilhelm II. zum zweiten Mal. Großherzogin Anna Maria Luisa, Tochter des Großherzogs der Toskana, Cosimo III., stammte aus dem Haus der Medici. Sie war eine ebenso gute Partie wie die Prinzessin aus dem Hause Habsburg, denn die Medicis waren eine Familie mit beträchtlichem Reichtum. Anna Maria Luisa zog vom prachtvollen Hof in Florenz, dem Palazzo Pitti, ins vergleichsweise beschauliche und weniger prunkvolle Düsseldorf. Auch wenn die Eheschließungen zwischen den Dynastien in der Regel keine Liebesheiraten waren, sondern in erster Linie der Machterhaltung und dem Prestigegewinn dienten, so waren sich der Kürfürst und die ebenso fromme Großherzogin sehr sympathisch. Zur großen Freude Johann Wilhelms interessierte sich seine Frau ebenfalls leidenschaftlich für Musik, Kunst und die Jagd. Durch ihre Liebe zur Kunst entwickelte sich die Residenzstadt Düsseldorf zu einer bedeutenden Kunst- und Kulturstadt. Regelmäßig nahmen die beiden auch an der herbstlichen Jagdsaison teil. Das in Bensberg stehende mittelalterliche Schloss der Herzöge von Berg diente dem Fürstenpaar und seinem höfischen Gefolge als Unterkunft. Allerdings genügte das alte, bescheidene und unkomfortable Bensberger Schloss nicht mehr den Ansprüchen eines frühneuzeitlichen Herrschers. In keiner Weise konnte das Alte Schloss mit dem am Arno gelegenen Renaissance-Palast konkurrieren, in dem die Kurfürstin aufgewachsen war. Schließlich wurde Ende des 17. Jahrhunderts der italienische Architekt Matteo d’Alberti (1645-1735) mit der Planung eines neuen, repräsentativen Jagdschlosses beauftragt. Nachdem der Pfälzische Erbfolgekrieg beendet worden war, wurde Kurfürst Johann Wilhelm II. zu Beginn des 18. Jahrhunderts in einen neuen militärpolitischen Streit verwickelt, in dem sein einstiges Vorbild und späterer Widersacher, König Ludwig XIV., erneut eine führende Rolle spielte. Der Auslöser war der Tod des letzten spanischen Habsburgers, König Karl II., im Jahr 1700, dessen Thron ohne unmittelbaren Nachfolger vakant blieb. Sowohl Ludwig XIV. als auch Kaiser Leopold I. erhoben infolge verwandtschaftlicher Beziehungen zum verstorbenen König Erbansprüche. Der schon seit langem schwelende habsburgisch-bourbonische Antagonismus fand im Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs (17011714), einem der größten europäischen Konflikte, seinen Höhepunkt. Zur Eindämmung der Übermacht Frankreichs hatte Leopold I. gemeinsam mit Verbündeten die „Haager Allianz“ gebildet, um Frankreich den Krieg zu erklären. Diesem Bündnis trat auch der Kurfürst bei, der später für seine Loyalität und militärische Unterstützung mit den beiden Ämtern des Reichsvikars und des Erztruchsess belohnt wurde. Zudem erhielt er die Kurwürde über die Oberpfalz und die Grafschaft Cham. Damit befand sich Johann Wilhelm II. auf seinem politischen Zenit und konnte als einer der mächtigsten und einflussreichsten Männer in Europa gelten. Er war in Interregna nach dem Tod des Kaisers so lange Reichsvikar, bis ein neuer Kaiser gewählt war und die Nachfolge seines Vorgängers angetreten hatte. So wirkte er 1711 nach dem Tod seines Neffen, Kaiser Joseph I., unmittelbar auf die Reichsgeschäfte ein und bereitete die Kaiserwahl seines zweiten Neffen, Karl VI., vor. Als Erztruchsess war es ihm bei der Krönung des Kaisers erlaubt, den Reichsapfel, eines der Reichsinsignien, voranzutragen. Johann Wilhelm II. nutzte seine politische Stellung, um zwischen den beiden verfeindeten Parteien zu vermitteln und eine Einigung herbeizuführen. Ganz ohne Hintergedanken übte er seine Vermittlerrolle jedoch nicht aus. In Verhandlungen mit französischen Abgesandten zeigte er sich bereit, Teile seiner Besitzungen wieder an Bayern abzutreten, wenn er im Gegenzug mit der Königswürde über die Mittelmeerinseln Sizilien, Sardinien, Mallorca und Menorca belehnt werde. Im Spanischen Erbfolgekrieg wurde das Rheingebiet zur Grenzzone, weil sich die Kurfürsten von Köln und Bayern auf die Seite Frankreichs gestellt hatten. So mussten die niederrheinischen Herzogtümer trotz eines mit Frankreich geschlossenen Kontributionsvertrags Truppendurchzüge, Einquartierungen und Requisitionen zu erdulden. Nach zähen militärischen Auseinandersetzungen und den Bemühungen um ein europäisches Gleichgewicht, einigten sich beide Kriegsparteien schließlich auf einen Sonderfrieden. Mit den Friedensschlüssen von Utrecht 1713 und von Rastatt und Baden 1714 wurde der Spanische Erbfolgekrieg schließlich beigelegt. Die spanische Königswürde ging an den Bourbonen Philipp von Anjou, einem Enkel Ludwig XIV. Im Vertragswerk musste Johann Wilhelm II. allerdings einen unerwarteten und erheblichen Macht- und Prestigeverlust hinnehmen. Die zweite weltliche Kurwürde und die Oberpfalz wanderten wieder nach Bayern zurück, und auch die Königskrone blieb ihm verwehrt. Ein bitteres Ende für den Kurfürsten und seine Politik. Gezeichnet von Schlaganfällen und Lähmungserscheinungen verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Kurfürsten seit dem Jahr 1715 zunehmend. Am 8. Juni 1716 starb Johann Wilhelm II. im Alter von 58 Jahren. Die Fertigstellung seines Jagdschlosses in Bensberg konnte er nicht mehr erleben. Nach der Beisetzung in der Düsseldorfer St. Andreas Kirche kehrte seine Frau nach Florenz zurück. Da auch die zweite Ehe kinderlos geblieben war, übernahm Karl Philipp, der Bruder Johann Wilhelms II., die Herrschaft. Er verlegte seine Residenz von Düsseldorf nach Heidelberg. Damit verblasste der Glanz, den der vorherige Landesvater durch seinen prachtvollen Lebensstil in den Herzogtümern Jülich und Berg hatte versprühen lassen. Der Tod Johann Wilhelms II. besiegelte gerade in den Herzogtümern das Ende einer ganz besonderen fürstlichen Epoche. Johann Wilhelm II. lebte und regierte als Fürst in der letzten Phase des absolutistischen Zeitalters. Die Geschichtsforschung macht deutlich, dass der Barockfürst in der zeitgenössischen Welt durchaus unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt wurde. Ein eher negatives Bild zeichnete er in der Kurpfalz, wo er in erster Linie durch seine stete Abwesenheit von sich Reden machte. In Zeiten des Krieges und der Not residierte der Kurfürst in Düsseldorf und genoss in vollen Zügen das höfische Leben, statt den Untertanen in den schweren Kriegszeiten moralisch zur Seite zu stehen. Ebenso harsche Kritik übten die Pfälzer an der kurfürstlichen Konfessionspolitik. Zwar entsprach seine Frömmigkeit ganz dem Stil der Zeit, aber seine scharfe Rekatholisierungspolitik drängte die Protestanten immer weiter in den Hintergrund und beraubte sie ihrer Rechte. Nichtsdestotrotz setzte sich der Kurfürst für den Wiederaufbau der nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstörten Orte ein, stiftete Geld für das Gemeinwohl, sorgte für die Restaurierung der in Schutt und Asche gelegten Heidelberger Universität und legte den Grundstock für die Universitätsbibliothek. Wesentlich positiver fiel dagegen die zeitgenössische Beurteilung in den niederrheinischen Herzogtümern Jülich und Berg aus. Dort freute sich der kleine, mit einem starken Kinn und einer dicken Unterlippe gewachsene Mann allgemeiner Beliebtheit. In der Geschichtsschreibung werden Johann Wilhelm II. einerseits Charaktereigenschaften wie Selbstüberschätzung, Großmannssucht sowie ein übermäßiger Eigenwille attestiert, aber andererseits wird er auch als gutmütig, fürsorglich, volksnah und unbürokratisch geschildert. Im Umgang mit seinen Ministern und Dienern zeichnete sich der Kurfürst durch Freundlichkeit und Güte aus. Seine Leidenschaft für die Kunst und seine kostspielige Hofhaltung wurden von den niederrheinischen Untertanen toleriert, da viele von ihnen vom aufwendigen Lebensstil profitierten, indem sie eine Anstellung fanden und somit für sich und ihre Familien sorgen konnten. Die Politik des Kurfürsten war im Wesentlichen durch seine dynastischen Verwandtschaftsverhältnisse bestimmt. Ein energischer, konfrontativer und auf absolute Macht gepolter Staatsmann und Politiker, wie sein Antipode Ludwig XIV., war Kurfürst Johann Wilhelm II. nicht. Seine Machtbasis war im Vergleich zu anderen Fürsten in der damaligen Zeit relativ schmal und damit sein Handlungsspielraum sehr begrenzt. „Jan Wellem“ war vielmehr ein Fürst, der lieber den so genannten höfischen „Lustbarkeiten“ nachging. Dazu gehörte die Vorliebe für höfische Feste, große Jagden und die Kunst. Die Förderung der schönen Künste wurde zu einem wahrhaft herrschaftlichen Anliegen. Die Instrumentalisierung der Kunst stillte das ausgeprägte Selbstwertgefühl des Niederrheiners. Durch die zahlreichen Kunst- und Bauwerke erfuhr er bereits bei Lebzeiten Ruhm und Ehre. Für die Nachwelt hat er sich mit seinem großzügigen Mäzenatentum zweifellos ein Denkmal gesetzt. Kurfürst Johann Wilhelm II. zählte sicherlich nicht zu den größten Fürsten der Frühen Neuzeit, dennoch war er ein Exponent seiner Zeit. Matteo Alberti – Oberbaudirektor des Kurfürsten Johann Wilhelm II. Graf Matteo Alberti, Architekt und Erbauer des Neuen Bensberger Schlosses, stammte aus Venedig und gehörte einer der ältesten und vornehmsten Familien Italiens an. Sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt. Schätzungen zufolge wird die Geburt Albertis auf das Jahr 1646 datiert. Über seine frühen Lebensjahre und seine frühe Phase als Architekt lassen sich nur wenige Angaben machen. Durch seine Familie und die damit verbundene Erziehung und gute Schulbildung war ihm eine höhere gesellschaftliche Stellung garantiert. Alberti entschied sich für die militärische Laufbahn, die zur damaligen Zeit auch das Erlernen der Ingenieurwissenschaften beinhaltete und ihn mit den vielfältigen und ungewöhnlichen künstlerischen Formen vertraut machte. Im Alter von 25 Jahren reiste Matteo Alberti nach Frankreich, arbeitete dort als Gehilfe bei Vermessungsarbeiten und beschäftigte sich eingehend mit Architektur, Befestigungskunst und Mathematik. Außerdem pflegte er enge Beziehungen zu französischen Wissenschaftlern und Architekten, die ihm Einblicke in die Entwürfe für das Versailler Schloss gewährten. Nach rund zehnjährigem Aufenthalt in Frankreich reiste Alberti 1682 erst nach England und zwei Jahre später nach Holland. Dort machte er sich mit den jeweiligen Baukünsten vertraut. Im Inselreich beeindruckte ihn vor allem das Schloss Winchester, das sich König Karl II. bauen ließ. In Holland studierte er dagegen den Bau von Deichen, Kanälen und Windmühlen. Im Anschluss an diese Reisen begab sich Alberti in die Obhut des bedeutenden venezianischen Gelehrten Vincenzo Coronelli, der vor allem durch die Herstellung von Globen bekannt geworden war, denn seine Erd- und Himmelskugeln waren die größten, die es damals zu kaufen gab. Als Coronellis Schüler war der junge Venezianer im Vertrieb der Globen tätig und reiste dafür nach Deutschland, Holland und Wien. Während seines einjährigen Aufenthalts in Wien 1693 zeigte sich Kaiser Leopold I. von Albertis Fähigkeiten beeindruckt und betraute ihn mit einem Tiefbauprojekt an der Donau. Gleichzeitig lernte Alberti auch die österreichische Baukunst kennen und schätzen. Nicht ohne nachhaltige Wirkung blieben dabei das Schloss Schönbrunn und sein Architekt, Johann Bernhard Fischer von Erlach. Nachdem Matteo Alberti 1685 vom venezianischen Doge mit dem Grafentitel ausgezeichnet worden war, wurde er im April 1694 auch in den Reichsritter- und Adelsstand erhoben. Wie Alberti genau an den Hof des Kurfürsten Johann Wilhelms II. gelangte, ist auch bis heute nicht endgültig geklärt. Entweder wurde der Kurfürst durch Kaiser Leopold I. auf den Architekten aufmerksam oder durch Albertis Brüder, die zum Teil am kurfürstlichen Hof und zum Teil am kaiserlichen Hof sowie bei den Medicis tätig waren. Damit Alberti zur Ausübung seines Hofamtes berechtigt war, verlieh ihm Johann Wilhelm II. den pfälzischen Grafentitel. In seinem Grafenstandsdiplom vom März 1695 wurde Matteo Alberti in den Rang eines Generalsuperintendenten der Festungen, Gewässer, Wälder, Bauten aller Art und technischen Werke erhoben. Damit war er für das gesamte Bauwesen in der Kurpfalz sowie in den Herzogtümern Berg und Jülich zuständig. In seiner Stellung als Oberbaudirektor war Alberti nur an den Kurfürsten gebunden und nur ihm gegenüber verantwortlich. Das Verhältnis wird in der Geschichtsschreibung, trotz des persönlichen Regiments Johann Wilhelms II., als durchaus positiv bewertet. Der Venezianer besaß das volle Vertrauen des Kurfürsten, so dass Alberti während seiner Jahre am Hof kaum Konkurrenz befürchten musste. Während seiner Tätigkeiten am Hof des Kurfürsten reiste Alberti mehrmals in verschiedene europäische Länder, um sich über die neuesten architektonischen Entwicklungen zu informieren und um den Kontakt zu den Kollegen aus früheren Zeiten zu pflegen. Er begleitete aber auch den Landesherrn auf seinen Reisen. Dazu zählten vor allem die Besuche in die pfälzischen Lande. Kurfürst Johann Wilhelm II. drängte besonders nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg auf einen Wiederaufbau der zerstörten Gebäude und Monumentalbauten in der Kurpfalz. Albertis Mitwirken an den verschiedenen Bauten, die während der Regierungszeit Johann Wilhelms II. errichtet wurden, reichte von der kompletten eigenständigen Planung und persönlichen Aufsicht bis hin zu kleineren Korrekturarbeiten an den Entwürfen seiner Mitarbeiter, ohne die er sein Amt nicht hätte ausüben können. Zu seinen großen Bauprojekten zählten vor allem das Neue Schloss Bensberg, das Opernhaus sowie die Gemäldegalerie in Düsseldorf, der Bau der Kölner Ursulinenkirche, die Errichtung des Schlosses Malberg in der Eifel sowie das nicht verwirklichte Schlossprojekt in Heidelberg. Nach dem Tod seines Bauherrn am 8. Juni 1716 verließ Alberti das Rheinland und kehrte in seine Heimat Venedig zurück. Dort verdiente er sich durch das Schreiben von Baugutachten seinen Unterhalt. Am 23. Dezember 1735 starb Matteo Alberti im Alter von fast neunzig Jahren. Obgleich der venezianische Architekt zu den weniger bekannten Persönlichkeiten in der Architekturgeschichte zählt, setzte er durch seine Monumentalbauten nicht nur neue Maßstäbe, sondern sich selbst auch ein Denkmal in der deutschen Architektur. Planung, Bau und erste Nutzung des Schlosses In den Herbstmonaten Oktober und November weilte Kurfürst Johann Wilhelm II. regelmäßig in Bensberg, um im nahe gelegenen Königsforst der Jagd nachzugehen. Diese exzessiv ausgelebte Leidenschaft teilte er mit der Kurfürstin Anna Maria Luisa. Die Jagd zählte in der Frühen Neuzeit zu den höfischen Lustbarkeiten und Exklusivrechten des Landesherrn. Das mittelalterliche Schloss der Herzöge von Berg diente als Quartier für das Kurfürstenpaar, sein höfisches Gefolge und die mehrköpfige Jagdgesellschaft. Allerdings war das alte Schloss für die kostspieligen Großjagden zu klein geworden und genügte außerdem nicht mehr den Ansprüchen eines frühneuzeitlichen Herrschers. So entwickelte Johann Wilhelm II. Ende des 17. Jahrhunderts die Idee vom Bau eines neuen Jagdschlosses in Bensberg, das nach außen hin seinem Repräsentationsbedürfnis entsprechen und nach innen heimischen Wohnluxus bieten sollte. Als ehrgeiziger und ruhmsüchtiger Kurfürst und Bauherr eiferte Johann Wilhelm II., wie fast alle zeitgenössischen Regenten, dem Vorbild Versailles nach. Das Schloss des Sonnenkönigs Ludwig XIV. hatte sich zum Symbol absoluten Herrschertums entwickelt. Die Kurfürstin bevorzugte dagegen ein Schloss im italienischen Villenstil. Mit diesem Bauprojekt betraute der Fürst den aus Venedig stammenden Architekten, Matteo Alberti, den er 1695 zu seinem „Supremus aedificorum director“, zum so genannten Oberbaudirektor, ernannt hatte. Als Baufläche wurde die etwa 138m breite und 120m tiefe Bergterrasse gewählt. Dadurch wurde einerseits die Nähe zum alten Schloss gewahrt und andererseits bot die Bergterrasse den idealen Standort für ein Prachtschloss, das von diesem Ort aus seine ganze Wirkung bis in die Ferne entfalten konnte. Zudem soll der einzigartige Blick über die hügelige Landschaft bis hin zum Kölner Dom die Kurfürstin an ihre Heimat, die Toskana, erinnert haben. Insgesamt gab es vor und während des Schlossbaus sechs Planungsphasen, in denen Alberti seine Baupläne und Modelle immer wieder veränderte und überarbeitete. Für die Nachwelt müssen viele Entwürfe, Pläne und Akten als verloren gelten. Der endgültige Baubeginn wird auf das Jahr 1705 datiert. Schließlich sah der endgültige Bauplan eine nach Westen hin geöffnete, dreieinhalbgeschossige Dreiflügelanlage mit zwei nach Norden und Süden ausgerichteten und von freistehenden Wachhäusern abgeschlossenen Seitenflügeln vor. In der Mitte befand sich der weiträumige Ehrenhof, der Cour d’honneur. Der Mittelbau, das Corps de logis, des von vorne nach hinten gestaffelten Schlosses bildete den Kern dieser Anlage. Die beiden Seitentrakte des Mittelbaus wurden durch Turmpavillons abgeschlossen. Die beiden vorderen Pavil- lons dienten dabei als Treppenhäuser. Die daran anknüpfenden Seitenflügel waren nur dreigeschossig gebaut und vom Hof aus durch Arkaden zugänglich. Die Arkaden setzten sich zum Hauptgebäude hin als vom Boden gestützte Balkone, so genannte Altane, fort. Ein auf Zwillingssäulen getragener Altan war dem Mittelbau vorgelagert. Auf das Corps de logis wurden ein zeltartiges Kuppeldach und fünf achteckige Türme mit Fenstern, so genannte Laternen, gesetzt, wodurch es sich von den mit Walmdächern bekleideten, restlichen Gebäudeteilen abhob. Auf der Rückseite des Schlosses befand sich in Richtung Osten die Gartenanlage, die dazu dienen sollte, die Schlossarchitektur nach Außen hin zu erweitern. An der südöstlichen Seite des Mittelbaus befand sich die Schlosskapelle, die durch einen Durchgangstrakt mit dem Hauptgebäude verbunden war. Insgesamt standen dem Kurfürsten mit diesem neuen Jagdschloss Räumlichkeiten von rund 18.000m² zur Verfügung. Entgegen den typischen Barockbauten des 18. Jahrhunderts verzichtete das Neue Schloss auf drei, für die zeitgenössische Baukunst wesentliche Merkmale: Es besaß kein Hauptportal, kein großes und ausladendes Treppenhaus und keinen prunkvollen Festsaal in der Mitte des Schlosses. Statt der Repräsentationsräume lagen die Retiraden des Kurfürstenpaares im Zentrum des Gebäudes. Zwischen den Schlafzimmern und den Retiraden lagen die Kabinette, die als Ankleideräume dienten. Im Grundriss und Aufbau wies das Neue Schloss einige Parallelen zum Versailler Schloss auf. Der Architekt Alberti hatte während eines mehrjährigen Aufenthalts in Frankreich die Pläne für das französische Schloss einsehen und studieren können und wandte sein Wissen bei der Planung für das neue Jagdschloss an. So ließ der französische König Ludwig XIV. 1701 sein Schlafzimmer in die Mittelachse seines Schlosses verlegen, das damit das Zentrum seiner Residenz bildete. Das Schlafzimmer des Kurfürsten befand sich im Mittelbau der Schlossanlage und zwar auf der Gartenseite. Über diesem Zimmer, das baulich betrachtet etwas aus der Flucht herausragte, thronte die Hauptlaterne. Das damalig geltende Zeremoniell sah für ein in Mitteleuropa herrschendes Fürstenpaar getrennte Schlafzimmer vor, so dass sich das Schlafgemach der Kurfürstin in ihrem Wohntrakt befand. Die herrschaftlichen Appartements, die jeweils aus einer Vierergruppe mit gleicher Zimmergröße bestanden, waren spiegelbildlich in der Beletage des Corps des logis angelegt und erstreckten sich von den Treppenhäusern in den seitlichen Turmpavillons bis zur Mitte, wo sie durch Kabinette miteinander verbunden waren. Die südliche Seite wurde vom Kurfürsten und die nördliche Seite von der Kurfürstin bewohnt. Auch die Gruppierung der Wohnräume ähnelte der in Versailles, wobei dies keine Eigenart der französischen Residenz war, sondern einer mittelalterlichen Wohntradition folgte. Ursprünglich ging diese Anordnung der Appartements auf die italienische Villenarchitektur zurück. Da der Kur- fürstin diese Wohnart vertraut war, dürfte sie hier vermutlich Einfluss auf die Planung genommen haben. Vom äußeren Erscheinungsbild jedoch stimmte das Neue Schloss nicht mit der Residenz in Versailles überein, sondern Alberti ließ verschiedene europäische Baukünste und -formen einfließen, die er während seiner Studienjahre kennengelernt hatte. So folgten die mit Laternen versehene Kuppelbekrönung des Corps de logis und die seitlichen Turmpavillons dem Vorbild englischer Baukunst. Zudem ließ er sich bei der äußeren Gestaltung vom Bau des österreichischen Schlosses Schönbrunn inspirieren. Die Pläne für die Wiener Residenz Kaiser Leopolds I. stammten aus der Feder des Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach, den Alberti 1693 in Wien kennen und schätzen gelernt hatte. Bereits im Sommer 1700 hatte Johann Wilhelm II. ein Schreiben an den Kölner Rat gesandt, mit der Bitte, seinen Oberbaudirektor in Köln wohnen zu lassen, weil „wir gnädigst resolviret, zu Bensberg einen neuen schloßbau anlegen zu lassen, als haben wir hierunter unserem generalsur-intendaten Graf von Albertis die völlige direction aufgetragen und ihme zu dem ende aufgegeben, damit er sothanem schloßbau um so näher sein und desto bequemlicher abwarten könne, sich indessen in der statt Coellen nider zu lassen.“ Im Jahr 1705 wurde das Fundament für das neue Jagdschloss gelegt. In Bensberg und Umgebung freute sich die Bevölkerung über das große Bauvorhaben ihres Landesherrn, da es einen wirtschaftlichen Aufschwung bedeutete. Handwerker, Maurer, Zimmerleute, Tischler, Dachdecker und Schmiede fanden eine Anstellung und konnten so ihren Unterhalt für sich und ihre Familien sichern. Rund um die Großbaustelle herum siedelten sich im Laufe der Jahre viele Arbeiter mit ihren Frauen und Kindern an. Ein Großteil des Baumaterials stammte aus der Region. Für den Backsteinbau wurde vor allem der hiesige rot und schwarz geäderte Kalkstein verwendet, der in den eigens dafür errichteten Ziegeleien gebrannt wurde. So erinnert beispielsweise noch heute im rund drei Kilometer entfernten Refrath der Name „Steinbreche“ an einen Steinbruch, der damals zur Gewinnung von Kalkstein genutzt wurde. Durch die enorme Nachfrage nach Kalkstein stießen die heimischen Kalkbrennereien auch auf überregionales Interesse. Das benötigte Bauholz stammte vermutlich aus dem benachbarten Königsforst, dem Jagdrevier des Kurfürsten. Für die Unmengen an Wasser, die für den Bau des Schlosses erforderlich waren, wurde von der Moitzfelder Quelle bis zum Neuen Schloss eine Wasserleitung gelegt, die erst im späten 18. Jahrhundert gegen Bezahlung auch für die Bensberger Bevölkerung zugänglich wurde. Das Wasser wurde nicht nur für den Bau verwendet, sondern auch als Trinkwasser genutzt. Angesichts akuter Finanznot und kraft seiner Autorität, erhob Johann Wilhelm II. zur Finanzierung seines Schlosses Steuerabgaben. Davon gönnte er sich unter anderem den Luxus, neben den ansässigen Arbeitern auch zahlreiche internationale und geschätzte Künstler und Handwerker zu beschäftigen, die durch ihre Gemälde und aufwendigen Verzierungen für die Innengestaltung des Schlosses sorgen sollten. 1705 reiste der Engländer John Churchill, Herzog von Marlborough, nach Bensberg. Dort wurde er vom Kurfürsten und seiner Frau in einem glanzvollen Zelt gebührend empfangen, ging mit ihnen zur Jagd und verbrachte anschließend die Nacht im heutigen Restaurant Wermelskirchen.1 Während der Bauzeit wurde die alte Burg weiterhin als Unterkunft in der Jagdsaison genutzt. Von dort aus konnte der Landesherr die Tätigkeiten und Fortschritte am Bau regelmäßig begutachten. Allerdings tat er dies zum letzten Mal im Jahr 1714, da er in der Folgezeit, bedingt durch seine schwere Erkrankung, keine Reisestrapazen mehr auf sich nehmen konnte. Nach seinem Tod im Jahr 1716 wurden die Bauarbeiten mangels finanzieller Ressourcen eingestellt. Teile des Schlossgebäudes und die Kapelle wurden noch rasch mit einem Dach versehen, und die zuvor schon im Schloss untergestellten Bilder für die geplante Gemäldegalerie wurden wieder abtransportiert. Sämtliche Arbeiter und Künstler wurden entlassen und mussten sich eine neue Anstellung suchen. Der Bauleiter des Schlosses, Matteo Alberti, kehrte nach dem Tod seines Bauherrn nach Venedig zurück. Auch die Kurfürstin zog es in ihre toskanische Heimat zurück. Trotz rascher Bauzeit blieb ein unvollendetes barockes Jagdschloss zurück, das künftig weder einen Kurfürsten, noch Jagdgäste und Bedienstete beherbergen sollte. Carl Philipp, Nachfolger und Bruder Johann Wilhelms II., residierte als Kurfürst in Mannheim und ließ das Schloss in Bensberg ungenutzt. So verlor das prachtvolle Jagdschloss für viele Jahre erst einmal an Bedeutung, und auch die Bensberger Bewohner bedauerten den fehlenden höfischen Glanz in ihrem Ort. Für eine jährliche Summe von 1.800 Talern ernannte der neue Kurfürst den Burggrafen Moureaux zum Schlossverwalter. In dieser Funktion war er für die Aufsicht und alle notwendigen Instandhaltungen der Schlossanlage verantwortlich. Der Schlossverwalter, dessen Amt über mehr als 100 Jahre in der Familie der Moureaux weitervererbt wurde, bewohnte den südlichen Seitenflügel. Zuletzt wurde das Schloss bis 1834 von einer Enkelin des ersten Amtsinhabers verwaltet.2 1714 wurde eine rund 25 Mann starke kurpfälzische Invalidenkompanie, der auch bergische Soldaten angehörten, nach Bensberg entsandt, um das Schlossgelände zu bewachen. Das südliche Vorgebäude des Schlosses diente dabei als Unterkunft. Eine Vielzahl der Soldaten fand in Bensberg durch Heirat und Familie eine neue Heimat. Einige der aus der protestantischen Kurpfalz stammenden Soldaten konvertierten zum katholischen Glauben und wurden nach ihrem Tod auf dem katholischen Friedhof in Bensberg beigesetzt. Die protestantischen Soldaten bekamen auf dem Kirchhof der Gladbacher Gnadenkirche ihre Grabstätte. Bis auf die Räumlichkeiten, die vom Schlossverwalter und der Invalidenkompanie bewohnt wurden, stand das Neue Schloss rund 80 Jahre lang leer. Trotz seiner schicksalhaften Bau- und Nutzungsgeschichte bleibt festzuhalten, dass das monumentale Schloss in Bensberg unter den rheinischen Barockbauten einen besonderen Rang einnimmt. So wird es auch gerne als das „rheinische Versailles“ bezeichnet. Als Zeichen für seine architektonische Meisterleistung wurde der Name des venezianischen Baumeisters in eine Steintafel gemeißelt, die sich auf der Ostseite an der Beletage des Schlosses befindet. Das Neue Schloss wurde rasch zu einem Anziehungspunkt für viele Besucher, darunter auch einige prominente Persönlichkeiten. Einer der bekanntesten war der Dichter Johann Wolfgang von Goethe. Auf seiner Rheinreise, die er im Sommer 1774 absolvierte, zog es ihn am 24. Juli auch nach Bensberg, um neben dem Schloss auch die beeindruckende Rheinkulisse zu bewundern. In seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ schrieb Goethe seine Erlebnisse aus den Jahren 1749-1775 nieder, auch die Eindrücke seines BensbergBesuches: „[D]eutlicher ist mir eine Fahrt nach dem Jagdschloß Bensberg, das, auf der rechten Seite des Rheins gelegen, der herrlichsten Aussicht genoß. Was mich daselbst über die Maßen entzückte, waren die Wandverzierungen durch Weenix. Wohlgeordnet lagen alle Tiere, welche die Jagd nur liefern kann, rings umher wie auf dem Sockel einer großen Säulenhalle: über sie hinaus sah man in eine weite Landschaft. Jene entlebten Geschöpfe zu beleben, hatte der außerordentliche Mann sein ganzes Talent erschöpft, und in eine Darstellung des mannigfaltigsten tierischen Überkleides, der Borsten, der Haare, der Federn, des Geweihes, der Klauen, sich der Natur gleich gestellt, in Absicht auf Wirkung sie übertroffen. Hatte man die Kunstwerke im ganzen genugsam bewundert, so ward man genötigt, über die Handgriffe nachzudenken, wodurch solche Bilder so geistreich als mechanisch hervorgebracht werden konnten. Man begriff nicht, wie sie durch Menschenhände entstanden seien und durch was für Instrumente. Der Pinsel war nicht hinreichend; man musste ganz eigene Vorrichtung annehmen, durch welche ein so Mannigfaltiges möglich geworden. Man näherte, man entfernte sich mit gleichem Erstaunen: die Ursache war so bewundernswert als die Wirkung.“ 3 Goethes Begeisterung mündete schließlich in dem Wunsch, dass „neue Lebenselemente von diesem Bauwerk ausgehen mögen“. Vier Jahre später reiste ein Ur-Freund Goethes, der Schriftsteller und Literaturkritiker Johann Heinrich Merck, nach Bensberg, der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach als Kunstführer ins Neue Schloss begleitete. Merck fielen vor allem die ungenauen Zeichnungen und vermischten Farben in Pellegrinis Gemälden negativ auf.4 1871 weilte mit dem damals erst zehnjährigen Ludwig van Beethoven ein weiterer prominenter Gast in Bensberg. Vor der Burggrafenfamilie Moureaux stellte er sein musikalisches Talent unter Beweis.5 Das Bensberger Schloss wurde auch für viele Maler, die sich auf Studienreise befanden, zu einem begehrten Motiv, wie etwa für Casper Wolf. Der aus der Schweiz stammende Maler hielt sich 1781 wegen einer Kur im Rheinland auf und schenkte dem Neuen Schloss gleich auf 17 Skizzen und Aquarellen seine Aufmerksamkeit.6 Im Jahr 1786 reiste auch der Lyriker Friedrich von Matthisson nach Bensberg. In seinen Erinnerungen berichtet er über diese Reise; für die Eindrücke, die er vom Schloss, seiner künstlerischen Gestaltung und der landschaftlichen Umgebung gewann, fand er nur die löblichsten Worte: „Ein sonniger Herbstmorgen lockte mich aus den melancholischen Häusermassen hinaus ins Freie. Ich wählte zum Ziel der Promenade das dem Kurfürsten von der Pfalz gehörige Schloß Bensberg, wo ich, auf einem Marsche von drei Stunden anlangte. Ein wahrer Feenpallast, in einem reinern und gefälligeren Stile erbaut, als wir Deutschen ihn sonst wol von den Italiänern gewohnt sind, und wie hingezaubert auf einem weitherrschenden Berggipfel. Diesen Tempel der Einsamkeit umringen dichte Waldparthien, worüber er aber bis zum Kellergeschoß hinwegragt, und so auf ihren Gipfeln gleichsam zu schweben scheint. Dies bringt in der Entfernung von ungefähr einer Stunde ganz den wunderbaren Effekt jener chinesischen Malereien hervor, wo Häuser, Menschen oder Thiere aus Blumenkelchen und Baumzweigen hervorwachsen. Kein Kunstliebhaber sollte Bensberg vorbeireisen wegen der Gemälde von Bellucci, Pellegrini und Weenix, und kein Naturfreund, wegen dem Belvedere der Kuppel, wo man eine der mannigfaltigsten, blühendsten, angebautesten, städtereichsten und ausgedehnsten Landschaften von Europa überblickt, in deren Mitte der liederwertheste Strom Germaniens, wie ein silberner Erdgürtel, majestätisch hinwallt. Unter den artistischen Gegenständen im Schlosse Bensberg, müssen die Arbeiten des vortrefflichen Jagdmalers Johann Weenix von Amsterdam zuerst genannt werden. Der Künstler-Charakter dieses Meisters lässt sich schwerlich irgendwo würdigen und schärfer bestimmen, als hier, wo man die vorzüglichsten Schöpfungen seines Pinsels beisammen findet. Drei Zimmer des Palastes wurden damit, auf Geheiß des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, welchem Weenix als Hofmaler sein Talent, den größten Theil seines Lebens hindurch, ausschließend widmete, zu Anfang dieses Jahrhunderts, ausgeschmückt. Wahrheit! Wird immer der erste, und Natur! der letzte Ausruf des Beschauers vor diesem Gemälden seyn und bleiben, er möge nun in den größern Jäger, Pferde, Eber, Hirsche, Federwildprett, Hunden und Landschaft, oder in den kleinern Früchte, Blumen und Insekten bewundern.“7 1 Vgl. Horst Breiler, Das Bensberger Schloß im Wandel der Zeiten. Geschichte und Geschichten, Bergisch Gladbach 2000, S. 15. 2 Vgl. Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 105. 3 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit, Teil 3, 14. Buch, hg. von Walter Hettche, Stuttgart 1991, S. 673f. 4 Siehe dazu Johann Heinrich Merck: Eine mahlerische Reise nach Cöln, Bensberg und Düsseldorf!, in: Teutscher Merkur, August 1778, abgedruckt in: Heimat zwischen Sülz und Dhünn 8 (2000), S. 28ff. 5 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 228. 6 Vgl. Hans Leonhard Brenner, Die Bensberg-Ansichten des Schweizer Landschaftsmalers Caspar Wolf aus dem Jahre 1781, in: Heimat zwischen Sülz und Dhünn 3 (1996), S.3ff. 7 Zitiert nach Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 228. Die künstlerische Innenausschmüc kung Die Stuckatur Als der Bauherr Kurfürst Johann Wilhelm II. von der Pfalz 1716 starb und alle Künstler sowie alle Handwerker entlassen wurden, hatten die venezianischen Künstler Sebastiano und Marco Ricci ihre Arbeit in den wichtigsten Teilen des Schlosses weitgehend beendet. Erhalten sind die Stuckarbeiten im ursprünglich offenen Arkadengang des Südflügels, der für Jagdgesellschaften vorgesehen war. Über den sechs Türen sind die Jagdgöttin Diana und Julius Caesar, als absolutistischer Herrscher Vorbild des Bauherrn, sowie Hirsch oder Wildschwein als größte Tiere der höfischen Jagd dargestellt. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss gab es nur im Deckenbereich Stuck. Neben den unterschiedlichsten gegenständlichen oder rein dekorativen Verzierungen gab es für Deckengemälde jeweils einen Stuckrahmen. Da die Wandgemälde keinen Bilderrahmen hatten, bedeckten sie nach Goethe „tapetenartig“ die Wände. Fresken in den ursprünglichen Treppenhäuser Fresken gab es nur in den Kuppeln und an den Wänden der Treppenhäuser sowie an den Unterseiten der Treppen.1 Die fast drei Jahrhunderte hat als einziges Gemälde im Bensberger Schloss der „Sturz der Giganten“ überlebt, das Kuppelfresko im ursprünglichen südlichen Treppenhaus von Domenico Zanetti aus Bologna (1694 bis 1715 Hofmaler in Düsseldorf). Die Giganten hatten auf den höchsten Bergen hohe Mauern errichtet, um die olympischen Götter in den Wolken mit ihren Speeren zu bekämpfen. Zeus zerstörte mit seinen Blitzen die Mauern, und die Giganten stürzten zwischen Felsbrocken in den Tod. Diese allegorische Darstellung verherrlicht Kaiser Leopold als mächtigsten Herrscher der Welt und verspottet seine politischen Gegner, die Türken. Hierzu passen auch die Stuckaturen in den Ecken: unbekleidete, gefesselte Türken vor Denkmälern mit der Kriegsbeute der Sieger. Der Kritiker Johann Heinrich Merck berichtete 1778 bei seinem Besuch in Bensberg noch von einem „Frauenraub“ an einer Wand dieses Treppenhauses, wohl auch von Zanetti. Das Pendant als Kuppelfresko im ehemaligen nördlichen Treppenhaus war der „Sturz des Phaeton“ vom Venezianer Gianantonio Pellegrini (1675 – 1741). Der Sonnengott Apoll gab seinem Sohn Phaeton einen Wunsch frei. Dieser wollte einen Tag den Sonnenwagen fahren. Obwohl Apoll wusste, dass Phaeton nicht die Kraft hatte, die mächtigen Roße auf der Himmelsbahn im Zaum zu halten, musste er sein Wort halten. Phaeton kam mit dem Sonnenwagen aus der Bahn und zu nah an die Erde. Die Berge brannten und die Flüsse trockneten aus. Zeus stürzte mit seinen Blitzen den Phaeton in den Tod. In den Fresken an den Wänden des Treppenhauses und auf den Un- terseiten der Treppen war die Geschichte des Phaeton in zwanzig Bildern ausführlich dargestellt. Auch in dieser Allegorie wurde Kaiser Leopold glorifiziert. Sein Gegner im Westen, der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV., wurde verspottet. Die Stuckaturen in den Ecken des Raums waren Allegorien auf die vier Erdteile. Auf den Mauersimsen unter den Kuppeln waren die Stuckaturen in beiden Treppenhäusern ähnlich: Fliegende Kinder trugen das Wappen der Medici, Wappen mit dem pfälzischen und dem bergischen Löwen sowie das Wappen mit dem Reichsapfel, das der pfälzische Kurfürst Johann Wilhelm ab 1708 wieder zeigen durfte. Durch den Schlossbrand am 2. März 1942 wurde der Nordflügel des Schlosses mit dem Kuppelfresko Pellegrinis zerstört, nachdem die Fresken an den Wänden und unter den Treppen bereits beim Abbruch der alten Treppen 1838 vernichtet worden waren. Wand- und Deckengemälde 85 Ölgemälde2 wurden für Schloss Bensberg und meist im Schloss gemalt, wo sie bis 1792 hingen. Dann wurden sie wegen des Lazaretts im Schloss in den drei östlichsten Räumen jeder Etage gesichert und beim Anmarsch der Franzosen im Bergischen Land versteckt. Der Landesherr wurde 1806 von Napoleons Gnaden König Maximilian I. von Bayern. Dazu musste er auf seine rheinischen Besitzungen verzichten. Er nahm damals die Bilder aus Bensberg mit nach München, wo sie inventarisiert wurden. 1842 wurden etliche auf einer Augsburger Auktion versteigert, weil sie sich auf Grund ihrer Ausmaße oder wegen ihres Erhaltungszustands nicht für das Aushängen in einer Galerie eigneten. Heute befinden sich noch 55 aus Schloss Bensberg stammende Ölgemälde in bayerischem Staatsbesitz, in der Alten Pinakothek und in der Residenz zu München, im Schleißheimer Schloss, in der Residenz und im Martin-von-Wagner-Museum Würzburg, im Verwaltungsgericht Ansbach bzw. im Depot der Alten Pinakothek. Alle Bensberger Wandgemälde waren 3,46m bis 3,53m hoch. Mit Breiten von 32cm bis 5,63m waren sie bis zu 20m² groß. Ein Großteil der Ölgemälde waren allegorische Darstellungen aus dem Leben des Schlossbauherrn und seiner Familie. 22 Wand- und zwei Deckengemälde schuf der Venezianer Gianantonio Pellegrini. Es bestand eine große Rivalität zu seinem Landsmann und Deckenspezialisten Antonio Bellucci (1654 – 1726), der mit seinem Sohn zusammen für Bensberg 26 Deckengemälde, acht Wandgemälde und drei Supraportes schuf. Im kurfürstlichen Schlafzimmer und in den Retiraden des Kurfürsten sowie der Kurfürstin malte Bellucci jeweils fünf Deckengemälde. Um ein großes zentrales Rechteckgemälde gruppierten sich jeweils vier ovale bzw. vierpassförmige kleinere Bilder. Auch der Antwerpener Maler Anton Schoonjans schuf u.a. mit vier Darstellungen aus dem Paris-Zyklus Allegorien, aber auch ein imposantes Reiterporträt des Kurfürsten Johann Wil- helm II. von der Pfalz. Der Amsterdamer Maler Jan Weenix (um 1642-1719) hinterließ in Bensberg seine einzigen drei bekannten Deckengemälde, die seine einzigen allegorischen Darstellungen waren. Die zwölf Bilder mit dem Jagdzyklus von Jan Weenix wurden oft fälschlich als Jagdstillleben geführt. Zwar sieht man auf einer Brüstungsmauer im Vordergrund alle bei der höfischen Jagd erlegten Tiere sowie das bei der Jagd benutzte edle Reitzeug mit den gebräuchlichen Jagdwaffen aufgereiht. Aber neben südländischer Palastarchitektur und antiken Denkmälern ist auch Leben im Bild dargestellt. Im Mittelgrund, wo die verschiedenen Arten der höfischen Jagd dargestellt werden, sieht man Beutetiere, Reitzeug und Waffen in Aktion. Im Vordergrund werden alle bei der Jagd benutzten Hunderassen vorgestellt. Aus den so genannten Stillleben spricht teilweise eine große Dramatik: z.B. wirft ein Hund einen Korb mit lebenden Vögeln um, die davonfliegen. Ein Bursche kommt hinzu, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und brüllt den Hund an. Der Jagdzyklus, das Hauptwerk von Jan Weenix, bildet ein komplettes Jagdmuseum, in dem Jagdarten, Beutetiere, Jagdwerkzeuge und Jagdhunderassen der Zeit um 1700 dokumentiert werden. Statuen Die Statuen, die in den baufälligen Treppenhäusern gestanden haben, wurden beim Abriss 1838 aus dem Fenster geworfen. Überlebensgroße Statuen, die für die nicht ausgeführten Giebeldächer und die Pfeiler der Umfassungsmauern vorgesehen waren, sind wohl nie in Bensberg gewesen. 1 Vgl. Max Morsches, Kaiser, Sonnenkönig und Türken. Die Treppenhäuser von Schloss Bensberg, Bergisch Gladbach 2001. Vgl. Rolf Kultzen/Matthias Reusch, Venezianische Gemälde des 18. Jahrhunderts, München 1991, S. 101 ff. sowie Max Morsches, Gemälde aus Bensberg – heute in Bayern, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 60 (1990), S. 21f.; ders., Die Schoonjans-Bilder aus dem Bensberger Schloss, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 61(1991), S. 46ff.; ders., Die Decke des kurfürstlichen Schlafzimmers in Bensberg, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 63 (1993), S. 138ff.; ders., Die Deckengemälde des Jan Weenix aus Schloss Bensberg, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 64 (1994) S. 96ff. sowie ders., Der Jagdzyklus von Jan Weenix aus dem Bensberger Schloss, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 69 (1999) S. 96ff. 2 Das Militärlazarett (1793 – 1834) Im Jahr 1792 wurde das Herzogtum Berg, regiert vom pfalzbayerischen Kurfürsten Karl Theodor, von der Expansion der französischen Revolutionsbewegung erfasst. Im Frühjahr erklärte Frankreich Österreich den Krieg. Preußen eilte mit einer großen Streitmacht zur Hilfe, da sich Österreich und Preußen im Falle eines französischen Angriffs in einer Defensivallianz zu gegenseitiger Hilfeleistung verpflichtet hatten. Beide glaubten, in einem kurzen Feldzug der Französischen Revolution ein Ende bereiten zu können. Das „neutrale“ bergische Territorium wurde dabei zum Durchmarschgebiet für die Truppen. Aber der österreichischpreußische Vorstoß blieb ohne Erfolg. Stattdessen brachte der Gegenstoß der Revolutionstruppen im Herbst 1792 das gesamte linke Rheinufer in französische Hand. Im Januar 1793 erklärte auch das Reich, das sich mit den anderen europäischen Mächten zu einer antifranzösischen Koalition zusammengeschlossen hatte, Frankreich den Krieg. Es gelang der Koalition schließlich, die französische Armee zurückzudrängen. Auf kaiserlichen Befehl hin wurden österreichische und preußische Soldaten im Neuen Schloss in Bensberg einquartiert, das sich zudem wegen seiner Größe und Lage als Lazarett eignete. Hier sollten kranke und verwundete Soldaten gesund gepflegt und anschließend wieder an die Front geschickt werden. Außer einem Militärlazarett wurde auch eine Feldapotheke im Schloss eingerichtet.1 Im Februar 1793 waren über 1.000 Kranke, Soldaten und Helfer im Bensberger Schloss untergebracht. Wegen der großen Zahl an Kranken und Verletzten wurde das Neue Schloss arg in Mitleidenschaft gezogen. Teile des wertvollen Mobiliars und der Kunstgegenstände waren bereits beizeiten sicherheitshalber beiseite geschafft worden. Das Corps de logis musste schließlich wegen des enormen Ansturms auch als Unterkunft freigegeben werden. Aus Mangel an Brennholz wurden Teile der Wandvertäfelung und des Fußbodens herausgerissen und zu Heizzwecken angezündet. Zahlreiche kleinere Brände innerhalb des Schlosses waren die Folge.2 Ein zusätzliches, großes Problem war der Mangel an sanitären Einrichtungen. Im März 1793 brach im Lazarett eine schwere Typhusepidemie aus, die sich rasch auch auf die umliegenden Bewohner in Bensberg ausbreitete und zahlreiche Opfer forderte. Die über 3.000 Toten wurden im nahe gelegenen Milchborntal in Massengräbern beerdigt, dem späteren „Kaiserlichen Friedhof“. Ein Denkmal erinnert dort seit 1854 an die Verstorbenen.3 Die Bensberger litten unter der Einquartierung der militärischen Truppen, denn die Sol- daten versorgten sich ausschließlich mit Naturalien der zivilen Bevölkerung. Die permanenten Requisitionen und Hilfsdienste machten den Einheimischen schwer zu schaffen. Im September 1795 überschritten französische Revolutionstruppen den Rhein und besetzen innerhalb weniger Tage auch das Herzogtum Berg. Die österreichischen Truppen leisteten dem Vorstoß der Franzosen keinen Widerstand, sondern traten kampflos ihren Rückzug an. Preußen war bereits zuvor durch den mit Frankreich geschlossenen Frieden von Basel im Mai 1795 als Kriegsgegner ausgeschieden. Die Franzosen nahmen sogleich das Neue Schloss in ihren Besitz und errichteten dort ihr Hauptquartier. Zuvor hatte man alle noch im Schloss vorhandenen wertvollen Kunstwerke verpackt und später in die Alte Pinakothek nach München gebracht.4 Für die Bensberger bedeutete die Präsenz französischer Soldaten eine erneute Phase der Einquartierung und Beschlagnahmung von Sachgütern. Der französische Staat war durch die Revolution in seinen Grundmauern schwer erschüttert, so dass die militärische Besetzung vor allem der wirtschaftlichen und finanziellen Ausbeutung der rheinischen Gebiete dienen sollte. Immer wieder kam es im Herzogtum Berg zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen französischen und kaiserlichen Truppen. 1797 wurde mit dem Frieden von Campo Formio dieser Koalitionskrieg beendet. Darin musste das militärisch geschwächte Österreich nicht nur Gebietsabtretungen, sondern auch die Zugehörigkeit des linken Rheinufers zu Frankreich akzeptieren. Dieser Waffenstillstand wurde schließlich durch den Frieden von Lunéville im Februar 1801, der auch für das Reich galt, noch einmal bekräftigt. Frankreich wurde offiziell das gesamte linke Rheinufer von Basel bis zur niederrheinischen Grenze zugesprochen.5 Der Rhein markierte nunmehr die neue französische Grenze. Nach diesem Friedensschluss räumten die Revolutionstruppen die besetzten Gebiete. Für Bensberg endete damit im Mai 1801 die rund sechsjährige französische Besatzungszeit. Der neue und frankophile Kurfürst Maximilian IV. Joseph von Pfalz-Zweibrücken konnte somit wieder uneingeschränkt über sein Herzogtum Berg verfügen, wobei er durch die Annexion des linken Rheinufers sein Herzogtum Jülich verloren hatte. Nachdem Maximilian IV. Joseph 1799 auch die bayerische Kurwürde übertragen worden war, überließ er 1803 das Herzogtum Berg seinem Schwager, Herzog Wilhelm von Bayern, als Apanage. Eigenständige Regierungstätigkeiten waren ihm strengstens untersagt. Das blieb weiterhin das Recht des Kurfürsten. In Frankreich befand sich zu dieser Zeit Napoléon Bonaparte auf dem Höhepunkt seiner Macht. Als einer der erfolgreichsten Generäle seiner Zeit hatte er die Herrschaft an sich gerissen und dehnte diese auf große Teile Kontinentaleuropas aus. So fiel Ende 1805 auch das Herzogtum Berg an ihn. Er legte dieses Territorium mit dem ehemaligen preußischen Herzog- tum Kleve zusammen und formierte daraus einen neuen Staat, das Großherzogtum Berg mit etwa 340.000 Einwohnern. Durch die preußische Kriegsniederlage gegen Frankreich wurden dem Großherzogtum weitere Gebiete einverleibt, so dass um 1808 rund 900.000 Menschen in diesem neuen Staat lebten. Als Herrscher setzte er kurzweilig seinen Schwager, Großherzog Joachim Murat, ein.6 Im Jahr 1808 aber übernahm Napoléon selbst die Regierung des Großherzogtums Berg, um daraus einen napoleonischen „Musterstaat“ zu entwickeln. 7 Dazu zählte vor allem die Abschaffung der Feudalgesellschaft mit ihren streng grundherrlichen Strukturen, an deren Stelle nun eine staatsbürgerliche Gesellschaft treten sollte. Im Mittelpunkt der neuartigen Herrschafts- und Gesellschaftspolitik stand die Modernisierung des Verwaltungs-, Verfassungs- und Rechtssystems. Dabei spielte vor allem die Einführung des französischen Zivilgesetzbuches, auch als Code Napoléon bzw. Code Civil bezeichnet, eine bedeutsame Rolle. Dieses neuzeitliche Gesetzeswerk basierte auf den Grundgedanken der französischen Revolution und garantierte die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die strikte Trennung von Staat und Kirche sowie die Freiheit der Person und des Eigentums. 8 Gegen die Umstrukturierung und Reformierung der gesellschaftspolitischen Verhältnisse regte sich im Großherzogtum Berg kaum Widerstand. Selbst die französische Besatzung wurde von den Zeitgenossen zunehmend weniger als Fremdherrschaft empfunden. Verärgert und zugleich betrübt zeigten sich die Einheimischen allerdings über die Einberufung tausender bergischer Männer und Jungen, die Napoléon zur militärischen Unterstützung seiner Feldzüge forderte. Viele ließen dabei in den Kämpfen gegen Preußen (1806-1807) und Spanien (1808-1814) ihr Leben. Aus Angst vor dem Krieg desertierten viele bergische Rekruten und wurden schließlich wegen Fahnenflucht gesucht. 9 Nicht minder schwer wogen auch die wirtschaftlichen Lasten wie Einquartierungen, Requirierungen von Naturalien, Dienstfuhren sowie die Abgabe von Pferden, die die Zivilbevölkerung in jenen Jahren zu tragen hatte. So manch einer kämpfte dabei um seine Existenz. Die Situation verschärfte sich vor allem während der Vorbereitungen für Napoléons Russlandfeldzug im Sommer 1812. Da der russische Zar Alexander I. sich nicht mehr an der von Napoléon verhängten Kontinentalsperre gegen England beteiligen wollte, plante der französische Kaiser, in Russland einzufallen. Dafür forderte er die Aushebung sämtlicher Truppenkontingente, auch im Bergischen. Doch mangelnder Nachschub, Hunger, Kälte und Krankheiten setzten dem Russlandfeldzug ein jähes Ende. In Bensberg wurden daraufhin sämtliche Maßnahmen getroffen, um das Neue Schloss wieder in ein Militärlazarett zu verwandeln. Die verletzten Soldaten der kaiserlichen „Grande Armée“ wurden mit Fuhrwerken nach Bensberg transportiert. Bis Oktober 1813 war dort eine Vielzahl verwundeter Soldaten untergebracht. Viele Kriegsversehrte starben an Seu- chen und anderen schweren Krankheiten. Ähnlich wie im Epidemiejahr 1793 wurden die toten französischen Soldaten im Milchborntal, nahe des „Österreichischen Friedhofs“, begraben. 1861 wurde im Gedenken an die Toten auf dem „Französischen Friedhof“ ein Kreuz errichtet.10 Auch die Franzosen gingen keineswegs sorgsam mit dem Inventar des Neuen Schlosses um. Nach zeitgenössischem Urteil erinnerte nur „das Bestehen der beyden Haupttreppen, welche in geschmackvollen Umwindungen angelegt und mit meisterhaften Fresco-Gemälden ausgezieret sind“, an den ursprünglichen Schlosscharakter. Die rund 40 Ölgemälde, die die Wirren der französischen Revolution und der napoleonischen Herrschaft unbeschadet überstanden hatten, wurden in den 1820er Jahren in die Akademie nach Düsseldorf gebracht.11 Eigentlich waren sie für die nie fertig gestellte Galerie im nördlichen Vorgebäude des Neuen Schlosses vorgesehen. Im November 1813 ging im Bergischen die französische Herrschaft zu Ende. Nach über zwei Jahrzehnten des Krieges sollte schließlich auf dem Wiener Kongress 1814/15 eine europäische Friedensordnung geschaffen werden. Dabei standen vor allem die Restauration der Staatenwelt und das Gleichgewicht der Mächte im Vordergrund und weniger die Freiheit und die Lebensbedürfnisse der Völker. Das Großherzogtum Berg wurde, wie die übrigen rheinischen Gebiete auch, Preußen zugesprochen. Das Bensberger Schloss war damit in preußischen Staatsbesitz übergegangen und wurde von 1819 bis 1832 wiederholt als Militärlazarett genutzt. Soldaten mit ansteckenden Augenkrankheiten sollten dort medizinisch behandelt werden. Außerdem diente das Erdgeschoss des nördlichen Mittelflügels als Apotheke. Andere Schlossräume wurden sogar als Wohnungen genutzt. 12 1 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 231f. Vgl. Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 107. 3 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 232. 4 Vgl. Jörg Engelbrecht, Französische Umwälzung. Im Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons, 1794/95-1815, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 187214, S. 190. 5 Vgl. Walter Demel, Reich, Reform und sozialer Wandel 1763-1806, [Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 12], 10., völlig neu bearbeitete Auflage, Stuttgat 2005, S. 312 und S. 322f. 6 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 247. 7 Vgl. Elisabeth Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, [Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 12], 4., überarbeitete Auflage, München 2001, S. 82. 8 Vgl. Elisabeth Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, [Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 12], 4., überarbeitete Auflage, München 2001, S. 83f. 9 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 261ff. 10 Vgl, Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 94. 11 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 95. 12 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 95. 2 Die preußische Kadettenanstalt (1838-1918) „Der folgenreichste staatliche Eingriff, den Bensberg im 19. Jahrhundert erlebt hat, war die Umwandlung des neuen Schlosses von einem fürstlichen Jagd- und Landsitz zu einer preußischen Kadettenanstalt“,1 heißt es in einer Bensberger Regionalgeschichte. Dem vorausgegangen waren die Französische Revolution sowie die preußischen Koalitionskriege gegen Frankreich. Die vernichtende Niederlage Preußens gegen die napoleonische Armee bei Jena und Auerstedt im Jahre 18062 nötigte den preußischen Monarchen Friedrich Wilhelm III. (17701840), wenn auch widerstrebend, zu allgemeinen Militärreformen. Das Bürgertum hatte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts als eine neue politische Kraft konstituiert, und durch die 1808 eingeleitete Reformperiode versuchte der preußische Staat, die Kluft zwischen Staat und Volk sowie zwischen Militär und Gesellschaft zu überwinden.3 Neben vielen Innovationen wie der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht plante die eigens für die preußischen Reformmaßnahmen errichtete Militärreorganisationskommission auch die Errichtung neuer Militärausbildungsanstalten, um den Nachwuchs militärpraktisch auszubilden und standesgemäß zu unterrichten. Während bislang die Kirche für die Ausbildung der Kinder zuständig war, sollte ihr Einfluss nun geschmälert und der Verantwortungsbereich des Staates durch die militärischen Bildungsanstalten ausgedehnt werden. Erste so genannte „Ritterakademien“ wurden bereits im 17. Jahrhundert unter Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1620-1688) gegründet. Da der große Kurfürst großen Wert auf die Bildung und Erziehung der Offiziere legte, wurden die jungen Männer in Berlin, Kolberg und Magdeburg rekrutiert und militärisch ausgebildet. 4 Weitere militärische Bildungsanstalten folgten im Laufe der Zeit, da für die Zeitgenossen das Erlernen der „Kriegswissenschaften“ notwendig war, um erfolgreich Krieg führen zu können.5 Im preußischen Staatsgefüge nahm das Kadettenkorps einen hohen Stellenwert ein, was sich vor allem darin widerspiegelte, dass es dem persönlichen Regiment des Monarchen unterstellt war und sich als nationale Elite verstand.6 In diesem Sinne wurde auch die militärische Jugenderziehung zu einem wesentlichen Merkmal und gleichzeitigen Herrschaftsinstrument des preußischen Staates. 1834 reiste der damalige Kriegsminister Karl Ernst Job Wilhelm von Witzleben (17831837) im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. nach Schlesien und in die Rheinprovinz, um dort nach großen und zweckdienlichen Objekten für das Corps des cadets Ausschau zu halten.7 Darunter fiel auch das einstige Jagdschloss in Bensberg. Der Garnisonbaudirektor Hauptmann von Mühlebach fertigte für das Kriegsministerium einen Bericht an, in dem er die nötigsten Umbaumaßnahmen auflistete. Seine Pläne beruhten „im Wesentlichen darauf, die zu großen und zu hohen Räume durch Scheidewände und Zwischendecken in wohnlichere und den Institutszwecken mehr entsprechende Locale umzuwandeln, und das demnächst noch fehlende Raumbedürfnis durch Ausbau der Pavillons (d.h. der verfallenen Corps des gardes), Ausbau und Einrichtung des unfertigen Kapellengemäuers zu einem Betund Speisesaal und durch Neubau noch einige Locale zu gewinnen.“ 8 Hauptmann von Mühlbach, so attestierte ihm 1938 der Regierungsbaumeister Werner Dobisch, fühlte sich „ernsthaft verpflichtet [.], den Bestand des Baudenkmals, soweit es die neue Verwendung irgend gestattete, zu schonen.“9 Unter der Anordnung, die ohnehin schon durch die Lazarettzeit angegriffene Bausubstanz nicht weiter zu gefährden und die prachtvolle Ausgestaltung des Schlosses zu wahren, bestimmte die Kabinettsorder vom 28. Juni 1837 das Bensberger Schloss als zukünftige Kadettenanstalt für die im Rheinland stationierte 4. Armee-Abteilung mit dem VII. und VIII. Armeekorps.10 Mit der Umsetzung und Betreuung der Umbaumaßnahmen wurde der damalige Kölner Ingenieur Major Schulz beauftragt. Dieser fertigte im Herbst 1837 noch einmal einen ganz neuen Entwurf an, der wesentlich radikaler ausfiel als der des Generalbaudirektors von Mühlbach. Schulz plante 1. den Abbruch des öffentlichen Vorbaus sowie der Altane vor den westlichen Giebelfronten der Seitenflügel und die Schließung der Arkaden, 2. die Verbreiterung des Corps des logis auf der westlichen Seite durch die Schließung der Mittelfront, 3. den Umbau der zweiten und dritten Etage in drei Etagen und schließlich 4. die Verlegung der Haupttreppen an das jeweilige Ende des großen Korridors. 11 Wären alle vier Punkte in die Realität umgesetzt worden, so hätte nach Dobisch das „Schloß Bensberg geradezu aufgehört zu existieren.“12 Das Kriegsministerium übte in einem Punkt harsche Kritik, denn der Einzug einer weiteren Etage im Corps de logis hätte „die großartigen Verhältnisse des Palastes [..] in die kleinlichen einer Kaserne herabgedrückt.“13 Am 4. Mai 1838 schließlich genehmigte Friedrich Wilhelm III. das Bauprojekt. Sogleich begann Major Schulz mit den Abrissarbeiten. Ein Zeitgenosse konstatierte in jener Zeit: „Mit dem Frühjahr des Jahres 1838 fingen Hunderte von rüstigen Händen in dem großen Gebäude sich an zu regen und zu hausen, wie der ärgste Feind bis dahin nicht gehaust hatte. Mit vandalischer Lust wurden die seidenen Tapeten, die reichen Stukkaturarbeiten, die kunstvollen Malereien vernichtet, die hohen Balkone an den Flügeln und in der Mitte des Gebäudes von ihren Säulen herabgestürzt, die Decken der hohen Säle eingeschlagen, die marmornen Kamine herausgerissen, um später zerklopft den Wegen als Decke zu dienen, und dem Beschauenden gähnten nur die vier leeren Wände entgegen, in denen, da auch das Dach vielfältig gelitten oder abgerissen war, man bis zum Him- mel hinaufblicken konnte…Schuttmassen erfüllten den weiten Hof.“14 Diese schonungslosen Umbauarbeiten führten schließlich dazu, dass Major Schulz seines Amtes enthoben und durch den Garnisonbaudirektor Hauptmann Schnitzler ersetzt wurde. Die Bausünden seines Vorgängers konnte Hauptmann Schnitzler zwar nicht mehr rückgängig machen, aber er bewirkte eine Abänderung der Schulzschen Pläne. Allen voran setzte er sich vehement gegen die geplante Geschossteilung ein, die eine fatale Fassadenwirkung zur Folge gehabt hätte. Überhaupt kam der neue Baudirektor zu dem Urteil, dass durch die Pläne des Major Schulz „das ohnehin nicht wohl erhaltene Gebäude eine Erschütterung erleiden würde, deren Folgen sich nicht berechnen ließen.“15 Bei den Umbauarbeiten war es vor allem wichtig, für die zahlreichen jungen Kadetten Raum zu schaffen. In diesem Sinne wurden die im Innenhof gelegenen offenen Arkaden geschlossen und später als Gang genutzt. Im Nordflügel des Schlosses wurden durch bauliche Veränderungen ein großer Speisesaal und zahlreiche Wirtschaftsräume gebaut. Des Weiteren entstanden neue Wohnhäuser und ein Lazarett. Die alte Schlosskapelle, die sich an der südöstlichen Seite des Mittelbaus befand, wurde gesprengt und stattdessen wurde für die protestantischen Kadetten im Mittelbau des Schlosses eine neue evangelische Kapelle errichtet. Die beiden seitlichen Treppenhäuser wurden im Zuge der Umbaumaßnahmen abgerissen und verlegt, wobei zahlreiche Fresken, Stuckdekorationen und Skulpturen zerstört wurden. In den beiden Seitenflügeln wurden anschließend Zwischendecken gezogen und zu Geschossräumen umfunktioniert. Werner Dobisch hat in seiner mehr als 70 Jahre alten Darstellung über das Neue Schloss die „preußischen Sünden“ zusammengefasst: „Vom Corps de logis war der stolze mittlere Säulenbalkon verschwunden, zwischen die innere Turmstaffel hatte man den Zwischenbau geklemmt und dadurch den inneren Flankenkuppeln ihre Motivierung genommen. Die stattlichen Altane an den Stirnseiten der Seitenflügel, die so harmonisch zu den Corps des gardes überleiteten, waren in den Schutt gesunken und die Corps des gardes durch die zweigeschossigen Vordergebäude ersetzt, die nun – in der Ansicht von außen her – an den Seitenflügeln zerren und die ehemals etwa quadratische Anlage zu einem gestreckten tiefen Rechteck zu verlängern scheinen. Die Hoffassaden der Seitenflügel, die auf den schattenreichen, luftigen Arkaden schwebten, haben durch den Einbau der Fenster in den Bögen ihren schönsten Reiz verloren. Der große Kapellenbau war ohne jeden Grund beseitigt worden. Als störende Zutaten hatte man den nördlichen und südlichen Anbau an die großzügigen Außenfronten der Seitenflügel geklebt und durch die ärmlichen Torhäuser die breite Auffahrtrampe der Cour d’honneur verengt und so den Blick auf die gesamte Bauanlage von der Eingangsseite her versperrt. – Aber wie sah es erst im Innern aus! Der einst prunkvolle Fürstensitz war in eine armselige Kaserne verwandelt. Raum an Raum, der wenigstens noch seine alten Verhältnisse, geschweige denn etwas von dem Glanz seiner alten Ausstattung behalten hätte, der Nordflügel zum großen zweischiffigen Speisesaal ausgehöhlt, die Rittersäle verbaut. Im Corps de logis waren sämtliche Räume in allen drei Trakten und in jedem Geschoß durch schmale Längsflure zerschnitten, eine schwere Mittelwand von unten bis oben als Tragkonstruktion für die Hauptkuppel eingezogen. In den Flurräumen herrschte nach dem Einbau des mittleren Zwischenbaus völlige Dunkelheit. Die hohen Haupttreppenräume hatte man beseitigt und zu Geschoßräumen umgewandelt und als Ersatz neue Treppenhäuser in die Seitentrakte des Corps de logis eingebaut.“16 Im Zuge der radikalen Umbaumaßnahmen büßte das Bensberger Schloss nicht nur Teile seines barocken Flairs ein, sondern auch einen Großteil seiner kunstvollen Verzierungen und Gegenstände, wie der Militärhistoriker Ernst Zander einst konstatierte: „Rücksichtslos verschwand alle frühere Herrlichkeit: die reichen Stuckaturarbeiten, die kunstvollen Malereien, die hohen Balkone, die kunstvollen Decken mit ihren schönen Figuren und die Marmorkamine, sogar die abseits stehende große, schöne Kapelle, die innen mit Marmor bekleidet und deren Dach mit Blei gedeckt war. Menschenhände vermochten nicht, sie zu zerstören. Pulverkraft musste aushelfen, und – fünf Menschen bezahlten mit ihrem Tode, fast möchte man sagen, den freventlichen Plan.“17 Zwar war das kurfürstliche Schloss auf königlichen Befehl umgebaut worden, aber dennoch sollten der äußere Charakter des Schlosses und die wertvolle Innengestaltung nicht vollkommen verändert werden. Während der Großteil der Umbauarbeiten noch unter Friedrich Wilhelm III. abgeschlossen wurde, missbilligte sein Sohn und Nachfolger, der kunstliebende König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861), 1841 in einer Kabinettsorder das rücksichtslose Verhalten der Militärbaumeister,18 auch wenn sein Kriegsminister Johann Georg Gustav von Rauch (1774-1841) 1840 in seinem Bericht über die Umgestaltung des Schlosses vorwiegend bautechnische und hygienische Beweggründe für den radikalen Umbau anführte.19 „Ohne jedes Verständnis für den geschichtlichen Wert des Bauwerks“ 20 war das Neue Schloss Mitte des 19. Jahrhunderts in eine militärische Erziehungsanstalt verwandelt worden. Mit diesem Zweckbau zeigten sich auch die Bensberger nicht einverstanden. Noch während die Umbauarbeiten im Gange waren, zogen Anfang Oktober 1940 die ersten Kadetten in das Schloss ein. 63 junge Schüler ließen sich zum ersten Mal in Bensberg zu Offizieren ausbilden. Das Eintrittsalter der Kadetten lag zwischen zehn und zwanzig Jahren, und die jungen Nachwuchsoffiziere mussten sich vom ersten Tag an ein reglementiertes und stark hierarchisch strukturiertes Leben in der Kaserne gewöhnen. Sie unterstanden während ihrer Ausbildung Stabsoffizieren und Hauptmännern. Ihre Uniformen bestanden aus roten Westen und Hosen, blau-rotem Kragen, weißen Stiefeln und roter Halsbinde. Dazu trugen sie eine Bajonettflinte und einen Infanteriesäbel.21 Der Lehrplan der Kadettenanstalten entsprach nach der Unterrichtsreform des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. dem eines Realgymnasiums, eine Schulform, die zwischen der Oberrealschule und dem Gymnasium angesiedelt war.22 Die angestellten und fest besoldeten Lehrer sowie die Militärs bewohnten die Dienstwohnungen in der Kaserne. Im Laufe der Zeit wurden die Kadettenanstalten zunehmend zu militärwissenschaftlichen Lehranstalten, so dass nicht nur mehr Tanzen, Fechten und Reiten auf dem Lehrplan standen, sondern auch Fächer wie Lesen, Schreiben, Mathematik, Religion, Geschichte, Geographie und Sprachen.23 Da dem Kadettenkorps nur „tüchtige, gehorsame und der Krone verpflichtete Offiziere“24 angehören sollten, die gleichzeitig auch eine Vorbildfunktion für die Gesellschaft zu erfüllen hatten, wurden von den jungen Offiziersschülern in erster Linie Gehorsam, Disziplin und Manneszucht gefordert. Die jungen Kadetten unterlagen einer strengen, fünfjährigen militärischen Erziehung mit teilweise harten Sanktionen. Während die Kadetten noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts überwiegend adeliger Herkunft waren, hatte das in dieser Zeit aufstrebende Bürgertum seinen gesellschaftlichen Machtanspruch soweit geltend gemacht, dass auch Nichtadelige in die Kadettenanstalten aufgenommen wurden.25 In Bensberg gab es zwei Kompanien. Die erste belegte den Nord- und die zweite den Südflügel des Schlosses. In den ersten beiden Obergeschossen hielten sich die Kadetten tagsüber auf, während das Dachgeschoss große Schlafsäle beherbergte. Weitere Nutzungsräume für die Kadetten, das Personal, aber auch für die Verwaltung befanden sich im Erdgeschoss sowie im Mittelflügel. Mit den Jahren wuchs die Zahl der preußischmilitärisch gesinnten Jungen, die die Bensberger Kadettenanstalt besuchten und sich zu monarchietreuen Offizieren ausbilden ließen. Im Jahr 1854 waren es bereits über 200 Kadetten.26 Gleichzeitig beschäftigte das Kadettenhaus auch immer mehr Personal. Neben Lehrern, Kommandeuren und Kompaniechefs waren auch Militärärzte, Geistliche, Beamte, Arbeiter und Aufseher in der Erziehungsanstalt angestellt.27 Vor allem die Kommandeure und Kompaniechefs beanspruchten für sich und ihre Familien größeren Wohnraum, so dass im Jahr 1851 durch den Kauf von Grundstücksflächen das Schlossareal vergrößert wurde. Darauf entstanden neben Personalwohnungen auch Nutzbauten wie beispielsweise ein Waschhaus. 1889/90 entstanden im Schlosspark noch eine Turn- und Schwimmhalle, damit sich die jungen Kadetten auch sportlich betätigen konnten.28 1844 war ein in der Nähe des Bensberger Schlosses und des Milchbornbaches gelegener Badeteich gekauft worden, der heute noch den Namen „Kadettenweiher“ trägt.29 Aus diesem Weiher wurden gerade in der Winterzeit Eisblöcke her- ausgehauen und in ein neben der Turnhalle ausgehobenes Loch getragen. In diesem „Eiskeller“ wurden die Lebensmittel kühl gelagert.30 So wurde das Bensberger Schloss bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder ausgebaut und durch den Bau eines Abwasserkanals und Wasseranschlusses sowie einer Kläranlage und der Einführung der Elektrizität modernisiert. Über den Umbau des Schlosses in eine Kaserne und der damit einhergehenden Verankerung eines „protestantischen Elements“31 in der mehrheitlich katholisch geprägten Dorfgemeinschaft zeigten sich viele Bensberger enttäuscht. Für die Bevölkerung war in all den Jahren, in denen das Schloss als Ausbildungsstätte für das Offizierskorps diente, der Zutritt zum Schlossgelände nur mit Erlaubnis gestattet. Offiziere und Zivilisten hegten einen mehr oder weniger losen Kontakt, wobei es einigen Familien aus Bensberg oder der näheren Umgebung eine zeitlang durchaus gestattet war, ihre Kinder gegen ein jährliches Schulgeld zum Unterricht in der Kadettenanstalt zu schicken.32 Den ortsansässigen Protestanten war zudem der Besuch der sonntäglichen Messfeier in der neuen Schlosskapelle erlaubt. Beflügelt durch die Märzrevolution 1848 und ihre liberalen Forderungen machte sich auch in Bensberg Unruhe breit. Dabei richtete sich der Protest der Bürger vor allem gegen das königlich preußische Kadettenhaus. Zum Schutz der Kadetten und der Anstalt wurden die Schlossbewohner mit Waffen ausgestattet, und mehrere Militärkommandos bewachten das Schlossareal. Trotz revolutionärer Unruhen verhielten sich die Kadetten loyal und zeigten sich zum Teil mit den Aufständischen solidarisch und trugen wie sie die deutsche Kokarde, eine Anstecknadel als Zeichen der Revolution.33 Als Reaktion auf die Aufstände gegen die Kadettenschule wurde die Anstalt einer neuen, strafferen Leitung unterstellt und die Beziehungen zur zivilen Bürgerschaft auf ein Minimum beschränkt.34 Das fünfzigste Jubiläum des Bensberger Kadettenhauses im Oktober 1890 wurde indes mit militärischen Ehren und Traditionen gefeiert. Neben dem Schloss wurden auch die Häuser und Straßen im Ort festlich geschmückt.35 Der Erste Weltkrieg als „Ur-Katastrophe“36 des 20. Jahrhunderts stellte auch für Bensberg eine einschneidende Zäsur dar. Nach rund vier langen und verlustreichen Kriegsjahren unterzeichnete das Deutsche Reich schließlich am 11. November 1918 den Waffenstillstandsvertrag und erkannte damit nicht nur die militärische Kapitulation und alleinige Kriegsschuld an, sondern verpflichtete sich gleichzeitig auch zu einer Demokratisierung Deutschlands sowie zur Einhaltung und Erfüllung der umfangreichen Waffenstillstandsbestimmungen.37 Dieses Abkommen blieb selbst für Bensberg nicht ohne Folgewirkungen: Laut Waffenstillstandsbestimmungen sollte das Gebiet, in dem die Kadettenanstalt lag, durch alliierte Siegertruppen innerhalb von 30 Tagen militärisch besetzt werden. Zuvor aber musste sämtliches Militär schnellstmöglich ausgesiedelt werden. Noch am selben Tag der Waffenstillstandsunterzeichnung wurde unter Anwesenheit des Arbeiter- und Soldatenrates, der sich auch in Bensberg im Zuge der Novemberrevolution gegründete hatte, die Auflösung des Kadettenhauses bekannt gegeben. Die Offiziere und Kadetten leisteten keinen Widerstand, sondern gaben sich der Anordnung anstandslos hin. Den Kadetten blieb nur wenig Zeit, ihre Sachen zusammenzupacken, denn am Nachmittag sollten alle das Schloss verlassen und in ihre Heimatorte zurückreisen.38 Die Bensberger verfolgten die Auflösung des Kadettenhauses mit einem Gefühl des Wohlgefallens, denn auf eine wirkliche Akzeptanz und Sympathie war die preußische Militärschule bei der Bevölkerung nie gestoßen, zumal sie in all den Jahren auch nie von finanziellem Nutzen für das Dorf gewesen war.39 Nachdem das Militär die Schlossanlage geräumt hatte, ordnete die Gemeinderatssitzung wenige Tage später an, das Schloss erst einmal in die Obhut der Gemeinde zu geben.40 Mit dem Ende des Kaiserreiches war auch nach 78 Jahren das Ende der preußischen Kadettenanstalt in Bensberg gekommen. Über 5.000 Kadetten waren in dieser Zeit im Bensberger Schloss ausgebildet worden, darunter auch prominente Persönlichkeiten wie Reichskanzler Franz von Papen (1879-1969), Generaloberst Hans von Seeckt (1866-1936) oder Reichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehrmacht Werner von Blomberg (1878-1946). 1 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 312. Siehe Elisabeth Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, [Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Band 12], 4., überarbeitete Auflage, München 2001, S. 52. 3 Vgl. dazu Ralf Pröve, Militär, Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 77], München 2006, S. 9f. 4 Vgl. Jürgen-K. Zabel, Das preußische Kadettenkorps. Militärische Jugenderziehung als Herrschaftsmittel im preußischen Militärssystem, Frankfurt am Main 1978, S. 55. 5 Vgl. Horst Erlich, Die Kadettenanstalten. Strukturen und Ausgestaltung militärischer Pädagogik im Kurfürstentum Bayern im späteren 18. Jahrhundert, München 2007, S. 29. 6 Vgl. Jürgen-K. Zabel, Das preußische Kadettenkorps. Militärische Jugenderziehung als Herrschaftsmittel im preußischen Militärssystem, Frankfurt am Main 1978, S. 59. 7 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 96. 8 Zitiert nach Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 110. 9 Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 110. 10 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 313 sowie Hildegard Brog, Wirtschaftsaufschwung unter preußischer Herrschaft. Vom Übergang an Preußen bis zum Eisenbahnanschluss, 1815-1868/70, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 215-257, S. 250. 11 Vgl. Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 111. 12 Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 111. 13 Zitiert nach Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 111. 14 Zitiert nach Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 112. 15 Zitiert nach Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 113. 16 Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 114. 17 Ernst Zander, Köln als befestigte Stadt und militärischer Standort. Bensberg als Standort, Köln 1941, S. 134f. 18 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, S. 316. 19 Vgl. den abgedruckten Bericht: Der Umbau des Bensberger Schlosses zur Kadettenanstalt 1838-40. Aus dem Bericht des preußischen Kriegsministers Johann Geord Gustav von Rauch an König Friedrich Wilhelm IV., in: Heimat zwischen Sülz und Dhünn 10 (2003), S. 14-19. 20 Werner Dobisch, Das Neue Schloss zu Bensberg, Düsseldorf 1938, S. 113. 21 Vgl. Jürgen-K. Zabel, Das preußische Kadettenkorps. Militärische Jugenderziehung als Herrschaftsmittel im preußischen Militärssystem, Frankfurt am Main 1978, S. 60. 22 Vgl. Jürgen-K. Zabel, Das preußische Kadettenkorps. Militärische Jugenderziehung als Herrschaftsmittel im preußischen Militärssystem, Frankfurt am Main 1978, S. 183. 23 Vgl. Jürgen-K. Zabel, Das preußische Kadettenkorps. Militärische Jugenderziehung als Herrschaftsmittel im preußischen Militärssystem, Frankfurt am Main 1978, S. 146. 24 Jürgen-K. Zabel, Das preußische Kadettenkorps. Militärische Jugenderziehung als Herrschaftsmittel im preußischen Militärssystem, Frankfurt am Main 1978, S. 79. 25 Jürgen-K. Zabel, Das preußische Kadettenkorps. Militärische Jugenderziehung als Herrschaftsmittel im preußischen Militärssystem, Frankfurt am Main 1978, S. 85. 26 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 316. Siehe auch Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, S. 98. 27 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 316. 28 Vgl. Marie-Luise Mettlach, Wechselvolle Geschichte von Schloss Bensberg, S. 11. 29 Siehe Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 99. 30 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 100. 31 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 321. 32 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 331f. 33 Vgl. Hildegard Brog, Wirtschaftsaufschwung unter preußischer Herrschaft. Vom Übergang an Preußen bis zum Eisenbahnanschluss, 1815-1868/70, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 215-257, S. 235. 34 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 348. 35 Vgl. Albert Esser, Industriestadt und Ausflugsziel. Vom Eisenbahnanschluss bis zum Ersten Weltkrieg, 1868/70-1914, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 258306, S. 275. 2 36 George F Kennan, Bismarcks europäisches System in der Auflösung. Die französisch-russische Annäherung 1875 bis 1890, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1981, S. 12. 37 Vgl. dazu Der Waffenstillstand 1918-1919, hg. im Auftrag der Deutschen Waffenstillstands-Kommission. Mit Genehmigung des Auswärtigen Amtes, Band 3, Die Deutsche Waffenstillstands-Kommission. Bericht über ihre Tätigkeitvom Abschluss des Waffenstillstandes bis zum Inkrafttreten des Friedens, Berlin 1928. 38 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 392. 39 Vgl. Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-19332, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 321. 40 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1796, S. 392. Das Schloss in der Weimarer Republik (1918-1933) Nachdem das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg verloren hatte und die im Bensberger Schloss beherbergte Kadettenschule geräumt werden musste, „[trat] die Gemeinde in eine kritische Phase, die sie an den Rand einer Katastrophe brachte.“1 Das Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918 hatte faktisch den Ersten Weltkrieg beendet und gleichzeitig das Ende der „Welt von Gestern“ 2 eingeläutet. Die Vertragsbedingungen, die der deutschen Regierung auferlegt worden waren, zeugten von einer bis dahin nie dagewesenen Härte.3 Letztlich sollte der Vertrag das Deutsche Reich an einer Wiederaufnahme der Kriegshandlungen hindern. Artikel V des Waffenstillstandsabkommens bestimmte, „dass die Gebiete auf dem linken Rheinufer durch die örtlichen Behörden unter Aufsicht der Besatzungstruppen der Alliierten und der Vereinigten Staaten zu verwalten seien. Das gleiche Aufsichtsrecht wurde von vornherein auf die Brückenköpfe ausgedehnt.“ 4 Bensberg wurde, wie der gesamte Raum Bergisch Gladbach, dem von englischen Alliierten besetzten Kölner Brückenkopf zugeteilt. Bevor aber das bergische Territorium unter alliierte Besatzungsmacht gestellt werden konnte, setzte im November erst einmal die militärische Demobilisierung der Millionen von deutschen Soldaten ein, die sich nach und nach auf den Weg in ihre Heimat machten. Während das besiegte Deutschland seine Truppen innerhalb kürzester Frist zurückziehen musste, blieben die alliierten Truppen weitgehend noch in Kriegsbereitschaft, um gegebenenfalls den Kampf wieder aufnehmen zu können.5 Die Truppendurchmärsche verliefen in ruhigen und geordneten Bahnen.6 Die Bevölkerung gewährte den Heimkehrenden Übernachtungsmöglichkeiten und versorgte sie mit Lebensmitteln, was sie vielfach an die Grenzen des Möglichen brachte. Doch trotz aller Widrigkeiten und Belastungen bemühte sich die einheimische Bevölkerung, die deutschen Soldaten freundlich und hilfsbereit zu empfangen. Denn in der Mehrzahl waren die Soldaten in einer äußerst desolaten physischen und psychischen Konstitution. Der Erste Weltkrieg war von einer völlig neuartigen Dimension gewesen. Er war der erste, in dem die Mittel der modernen Technik angewandt wurden, der erste, in dem massenhaft Leben vernichtet und zahlreichen Menschen körperliche und seelische Verletzungen zugefügt wurden.7 So wurden die heimkehrenden Soldaten fast überall als erfolgreiche Verteidiger des Vaterlandes gefeiert. Am 11. und 12. Dezember 1918 trafen schließlich englische und neuseeländische Besatzungstruppen in Bensberg und Bergisch Gladbach ein.8 Die meisten alliierten Soldaten ließen sich dabei in der Stadt Bergisch Gladbach nieder und bezogen dort ihre Quartiere. In Bensberg beschlagnahmte eine neuseeländische Besatzungseinheit das fast leerstehende Schloss; im südlichen Anbau war zu diesem Zeitpunkt lediglich die Kommunalpolizei mit einer Dienstwohnung für den Wachmeister eingezogen, 9 und somit wurde die ehemalige Erziehungsstätte der deutschen Armeeführung als Kaserne genutzt. Dieser Vorgang symbolisierte „zweifellos ein besonders eindrückliches Sinnbild der deutschen Kriegsniederlage.“10 Unmittelbar nach Kriegsende beschäftigte die Bensberger jedoch weit weniger das Schloss und seine weitere Nutzung, als vielmehr die Probleme und Sorgen, welche die alliierte Besatzung verursachte. Denn die umfangreichen Reglementierungen und Erlasse, die in der breiten Bevölkerung als „drakonische Befehle“11 empfunden wurden, erschwerten das alltägliche Gemeindeleben ungemein. Viele Bürger sahen sich drastisch in ihren Persönlichkeitsund Eigentumsrechten eingeschränkt. Neben dem Zensurwesen, der straffen Verkehrsregelung, der Festlegung der Ausgangssperre sowie der Verordnung der Grußpflicht bildeten die Requirierung von Gebrauchsgegenständen und Lebensmitteln sowie die Einquartierung der Besatzungssoldaten für die Bewohner eine schwere und teilweise kaum zu bewältigende Last.12 Besonders die höherrangigen Militärs beanspruchten für sich, und teilweise auch für ihre Familien, ganze Privatwohnungen. Die Unteroffiziere und Mannschaften wurden dagegen in Massenquartieren wie dem Bensberger Schloss untergebracht.13 Das Urteil einer zeitgenössischen Studie über die Besatzungszeit im Rheinland, dass „[j]ede Besetzung eines Landes durch fremde Truppen Bedrückungen mit sich [bringt] durch Verletzung des Nationalgefühls, durch Quartierlasten und Requisitionen, durch Ausschreitungen der Soldaten“ 14 spiegelt sicherlich treffend die Atmosphäre jener Zeit wider. So umspannte während der militärischen Besetzung ein dichtes Netz von Verordnungen die Bergische Bevölkerung, in dem sie sich ständig zu verfangen drohte. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Besatzern und Besetzten waren die Ausnahme, so dass im Spiegel der Geschichte jene Besatzungsjahre sowohl in Bensberg als auch in Bergisch Gladbach als gemäßigt und zivilisiert beurteilt wurden.15 Von äußerster politischer Relevanz war der Januar 1919. Im Mittelpunkt standen die ersten demokratischen Wahlen zur ersten Nationalversammlung sowie zu den einzelnen Landesversammlungen. Erstmals in der Geschichte durften auch Frauen zur Wahlurne gehen. Auf Reichsebene erzielte am 19. Januar 1919 bei der Wahl zur deutschen Nationalversammlung die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) mit 37,9 Prozent und 165 Mandaten den höchsten Stimmenanteil. Gemeinsam mit dem bürgerlichen Zentrum, das 19,7 Prozent und damit 91 Mandate erzielte, und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die 18,5 Prozent und 75 Mandate einholte, bildete sie unter dem Namen „Weimarer-Koalition“ die Regie- rung.16 In Bensberg dagegen fiel das Wahlergebnis deutlich anders aus. Hier entfielen über 70 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die katholische Zentrumspartei.17 Einen deutlichen Stimmenzuwachs von rund 206 auf etwa 1228 konnte dabei auch die SPD verzeichnen.18 Im März 1919 wurden die neuseeländischen Truppen von englischen Soldaten abgelöst. Im Friedensvertrag von Versailles vom 28. Juni 1919, der schließlich auch formell den Kriegszustand zwischen dem Deutschen Reich und den Alliierten beendete, wurde gerade das Rheinland als eine Art Faustpfand genutzt, um „die Ausführung des gegenwärtigen Vertrags durch Deutschland sicherzustellen.“19 Im Speziellen war damit die Zahlung der Reparationen gemeint. Das so genannte Rheinlandabkommen, das mit dem Versailler Vertrag verknüpft war, regelte die militärische Besetzung durch England, Frankreich, Amerika und Belgien.20 Da England seine militärische Präsenz am Rhein reduzierte, übernahm Frankreich zunehmend die militärische Okkupation der Gebiete entlang des Rheins. Im Februar 1922 wurden marokkanische Soldaten als Angehörige der französischen Kolonialtruppen nach Bensberg gesandt,21 die allerdings nur rund acht Monate das Schloss bewohnten, da in Bensberg die Besatzungszeit im Oktober 1922 endete22 und damit eine „besonders traurige Zeitspanne“23, wie der damalige Bürgermeister Weber rückblickend urteilte, für Bensberg zu Ende ging. Die Bensberger Bevölkerung nahm die Befreiung von der militärischen Okkupation erleichtert und froh auf. Nach rund vier Jahren stand das Schloss nun wieder leer, und der Gemeinde Bensberg, die seit 1921 ein Vorkaufs- und Vorpachtungsrecht am Schloss besaß, oblag ein Mitspracherecht.24 Zunächst einmal wurde im Südflügel des Schlosses das Rathaus eingerichtet. Darüber hinaus sorgte die Gemeinde auch dafür, dass der Schlosspark nach der Kadettenzeit und militärischen Besetzung wieder von der Bensberger Bevölkerung genutzt werden konnte. 25 Anschließend hielten die politisch Verantwortlichen Ausschau nach einer weiteren zweckmäßigen Nutzung und lösten dabei einen heftigen Konfessionenstreit im Rheinland aus, bei dem die Differenzen zischen Katholizismus und Protestantismus deutlich zu Tage traten. 1922 nahm die Gemeinde Bensberg Verhandlungen mit dem Jesuitenorden auf, mit dem sie zwei Jahre später auch einen Vertrag darüber abschloss, die Schlossräume als eine von Jesuitenpatres geleitete Erziehungsanstalt mit Gymnasium und Internat für Jungen zu nutzen.26 Dieses Vorhaben stieß jedoch sowohl in politischen als auch religiösen Kreisen auf heftige Kritik.27 Neben den Sozialdemokraten und Kommunisten zeigte sich vor allem die liberal-konservativ geprägte Protestantengemeinde, die übergangsweise die Schlosskapelle gemietet hatte,28 über die Kooperation mit den Jesuiten enttäuscht und in ihren Rechten als konfessionelle Minderheit beeinträchtigt. Sie riefen schließlich im Mai 1924 zur Gründung eines so genannten Schlossvereins auf, der schnellen Zuwachs erfuhr und aktiv gegen die geplante Jesuitenschule vorging. Der Bensberger Gemeinderat lehnte den Schlossverein mit der Begründung ab, dass dieser gegen einen rechtmäßigen Ratsbeschluss handele und darüber hinaus die Interessen und Zuständigkeiten des Gemeinderats missachte.29 Auch der Vorschlag seitens der Jesuiten, für die protestantische Gemeinde eine eigene Kapelle zu bauen, vermochte die erhitzten Gemüter nicht zu besänftigen.30 Vielmehr mündeten die Auseinandersetzungen in einem dezidiert regionalen und überregionalen „Pressekrieg“,31 bei dem zum Teil unmissverständliche Aussagen getroffen wurden. So sprachen die Protestanten beispielsweise von einem „Einfallstor der Gegenreformation und des Kulturkampfes überhaupt gegen das protestantische Bergische Land“.32 Die katholische Seite wartete mit entsprechenden Gegenformulierungen auf. Schlussendlich stilisierte sich der Konfessionenstreit am Rhein zu einem wahren Politikum und beschäftigte am Ende kirchliche und politische Dienststellen im Reich.33 Eine einvernehmliche Lösung konnten auch sie nicht herbeiführen, selbst zu dem Zeitpunkt nicht, als der protestantische Flügel eine paritätische Bildungsanstalt vorschlug. 34 Im Herbst 1924 beugten sich die Jesuiten dem Widerstand der Linksradikalen und der liberalen Protestanten und traten vom Vertrag mit der Gemeinde Bensberg zurück. Damit war ein geplantes und gemeinnütziges Nutzungsvorhaben, das gerade in der Nachkriegszeit von „ausschlaggebender Bedeutung für die weitere Entwicklung des Ortes Bensberg“ 35 gewesen wäre, an den offensichtlich unüberwindbaren konfessionellen Gegensätzen, die auch noch für längere Zeit bestehen bleiben sollten,36 gescheitert. Damit war die Schlossfrage nach wie vor ungeklärt, und die Verantwortung für das Schloss lag weiterhin in den Händen der Gemeinde. Die Hoffnung auf eine Gesamtnutzung und damit einhergehende Grundsanierung des maroden Schlossgebäudes war damit erst einmal erloschen. Dennoch wollte die Gemeinde die zahlreichen Schlossräumlichkeiten nicht ungenutzt lassen und richtete 1924 im südlichen Teil des Mittelbaus eine Berufsschule ein; im nördlichen Schlossflügel dienten zwei Begegnungsstätten den katholischen und den protestantischen Jugendlichen als Treffpunkte.37 Zwar war der Vertrag mit den Jesuiten nicht zustande gekommen, aber dennoch rückte das Schloss in den Jahren der Weimarer Republik wieder mehr in den Mittelpunkt des Gemeindelebens. Die Bürger durften wieder das gesamte Schlossgelände betreten. Für zahlreiche bedürftige Familien, die angesichts der wirtschaftlichen Not der Nachkriegsjahre, und ganz besonders während der Weltwirtschaftskrise 1929, am Existenzminimum lebten, wurde das Schloss zum Asyl. Durch eingezogene Zwischenwände wurde Wohnraum für insgesamt 93 Familien geschaffen, die das Schloss in den Jahren 1924 bis 1933 beherbergte.38 Das von den Kadetten zurückgelassene Mobiliar wurde den Familien bereitgestellt; für das Beheizen der Zimmer, die nur mit Petroleumlampen beleuchtet werden konnten, waren sie allerdings selber verantwortlich. Der Mangel an sanitären Einrichtungen hatte schließlich desolate hygienische Zustände zur Folge. Trotz einiger Reparaturen und Ausbesserungsarbeiten, die die Familien in Eigenregie übernahmen, verschlechterte sich der Zustand des Schlosses rapide und „die ganze Ratlosigkeit der letzten Jahre der Weimarer Republik prägte sich in diesen Menschen aus, die in einem Fürstenschloß hausen mussten, durch dessen kahle Räume das Elend schlich.“39 Zwar bemühte sich die Gemeinde weiterhin um eine adäquate Nutzung des Schlosses, aber letztlich wurden sämtliche Ideen und Pläne wieder verworfen. Schließlich wurde das Schloss von mehreren Ämtern und Einrichtungen genutzt. Neben der Gemeindeverwaltung war auch ein Teil der Kreisverwaltung im Südflügel untergebracht, und das neugegründete Heimatmuseum nutzte ebenso von 1928 bis 1932 einen Teil der Räumlichkeiten. Von den Anfängen des Nationalsozialismus war in Bensberg Ende der zwanziger Jahre zunächst kaum etwas spürbar. So formulierte Johann Paul denn auch 1988 in seiner Studie, dass „Ende 1932 kaum etwas für die nahe bevorstehende Übertragung der Macht an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933“40 gesprochen habe. Doch nach der „Machtergreifung“ Hitlers wurde der Gemeinde Bensberg, in deren Verantwortungsbereich das Schloss seit Anfang der zwanziger Jahre lag, im Zuge der staatlichen Neuorganisation ihre Zuständigkeit genommen, und das Schloss fiel in nationalsozialistische Hände. 1 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 396. 2 Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, 31. Auflage, Frankfurt am Main 1999, S. 15. 3 Vgl. Jost Dülffer, Versailles und die Friedensschlüsse des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Gerd Krumeich (Hg.): Versailles 1919. Ziele-Wirkung-Wahrnehmung, Essen 2001, S. 17-34, S. 23. 4 Der Waffenstillstandsvertrag 1918-1919, 3. Band, Die Deutsche Waffenstillstands-Kommission. Bericht über ihre Tätigkeit vom Abschluss des Waffenstillstandes bis zum Inkrafttreten des Friedens, Berlin 1928, S. 86. 5 Vgl. Ernst Willi Hansen: Vom Krieg zum Frieden: Probleme der Umstellung nach dem ersten gesamtgesellschaftlichen Krieg, in: Bernd Wegener: Wie Kriege enden. Wege zum Frieden von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2002, S. 163-185, S. 173. 6 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 396. 7 Vgl. dazu Volker Berghahn, Der Erste Weltkrieg, München 2003, S. 9ff. 8 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 396. 9 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 102. 10 Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 322. 11 Karl Wachendorf: Zehn Jahre Fremdherrschaft am deutschen Rhein. Eine Geschichte der Rheinlandbesetzung von 1918-1928, Berlin 1928, [Rheinische Schicksalsfragen 22/24], S. 22. 12 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 397. 13 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 396. 14 Rheinischer Beobachter (Hg.), Das Bedrückungssystem der Besatzung am Rhein auf Grund authentischen Materials, Potsdam 1924, S. 5. 15 Vgl. dazu Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 327. 16 Vgl. Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 16, 6., überarbeitete und erweiterte Auflage, München 2000 S. 17. 17 Vgl. Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 323. Zum Wahlverhalten in eher ländlichen Regionen vgl. insbesondere Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 1, Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1998, S. 222. Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass das politische Verhalten der ländlichen Bevölkerung im Wesentlichen unstrittig war und in der Regel die Konservativen ihre Vormachtstellung behielten. Intensive Wahlkämpfe zwischen Konservativen und Liberalen waren primär ein städtisches Phänomen. 18 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 392. 19 Art. 428 des Versailler Vertrags. 20 Vgl. Art. 429 des Versailler Vertrags. 21 Vgl. Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 327. 22 Vgl. dazu Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 397 sowie Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 327. 23 Franz Weber, Bergisch Gladbach im Wandel der Zeiten, in: Rheinisch-Bergische Zeitung. Festausgabe zur 75. Jahrfeier der Stadt Bergisch Gladbach 1856-1931, S. 15-25, hier S. 16. 24 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 102. 25 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 102. 26 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 405. 27 Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 339. 28 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 102. 29 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 103. 30 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 405. 31 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 405. Zitiert nach Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 340. 33 Vgl. Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 340. 34 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 405. 35 Zitiert nach Stephen Schröder, Krieg und Krisen. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 1914-1933, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 307-352, S. 340. Ebenso Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 406. 36 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 103. 37 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 103. 38 Vgl. Dieter Wagner, Das Neue Schloss zu Bensberg. Eine Dokumentation des Staatsbauamtes Köln 1986/87, o.O., S. 45. 39 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 402. 40 Johann Paul, Vom Volksrat zum Volkssturm. Bergisch Gladbach und Bensberg 1918-1945, Bergisch Gladbach 1988, S. 40. 32 Die Nationalpolitische Erziehungsanstalt (1935-1944) Mit dem Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) im Jahr 1918 ebnete sich die antirassistische, antikommunistische und antidemokratische Weltanschauung schleichend ihren Weg. Die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Diskontinuitäten der Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise und vor allem der „Schmachfrieden“ von 1918 ermöglichten es dieser Ideologie, in vielen deutschen Städten und Regionen Ende der zwanziger Jahre politisch Fuß zu fassen. Dabei verdankte Hitler seinen Aufstieg und den seiner Partei primär der Wählerschaft von Überzeugten und Opportunisten. Der Nationalsozialismus kam für viele Deutsche einer „politischen Religion“ gleich, der „sie sich bereitwillig und ängstlich in einem, hingaben, gleichsam ‚freudeschlotternd’“.1 In Bensberg blieb das Zentrum (Z) die vorherrschende Partei, aber seit den Reichstagswahlen im September 1930 siedelten sich auch hier langsam die Nationalsozialisten neben den linken Umsturzgruppierungen an. Bereits zwei Jahre später ging die NSDAP mit rund 20 Prozent der Stimmen im Wahlkreis Köln-Aachen als zweitstärkste Partei aus den Reichstagswahlen hervor. Nachdem Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler berufen worden war und damit die nationalsozialistischen Kräfte die Macht in Deutschland übernommen hatten, begann der rasche Prozess der Umstrukturierung und Unterwerfung aller Bereiche von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Grundlage für die „Gleichschaltung“ des politischen Systems bildete das so genannte Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, das der Regierung für vier Jahre erlaubte, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Reichstages und des Reichsrates Gesetze und Verordnungen zu erlassen. Faktisch bedeutete dies jedoch die Aufhebung der Gewaltenteilung sowie die Beseitigung der demokratischen Verfassung von Weimar. Auf scheinbar legale Weise etablierte sich damit die nationalsozialistische Diktatur. 2 Unter Berufung auf das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurde die gesamte Staatsbürokratie politisch „gesäubert“ und zu einem willfährigen Instrument der Nationalsozialisten gemacht.3 Mittels dieses Gesetzes hatten die neuen Machthaber die Oberhand über missliebige Beamte, die, weil man ihnen entweder die nötige Qualifikation oder politische Gesinnung absprach oder weil sie nicht „arischer Abstammung“ waren, jederzeit willkürlich entlassen, beurlauben oder versetzen konnte.4 Auch in Bensberg, wo sich mittlerweile die NSDAP-Ortsgruppe sowie die lokale Führung der Sturmabteilung (SA) im Aufwärterhäuschen des Schlosses niedergelassen hatten, wurde der kommunale Verwaltungsapparat vereinheitlicht. Nonkonforme Beamte und Kom- munalpolitiker wurden durch Parteifunktionäre ersetzt, die nun eine „Verwaltungsführung nach nationalsozialistischer Rechts- und Staatsauffassung“5 sicherstellten. NSDAP und Geheime Staatspolizei überwachten die Bürokratien,6 die im Zuge der „Gleichschaltung“ keine demokratischen Institutionen mehr waren und bis zum Ende des „Dritten Reiches“ lediglich den Einfluss der Partei legitimieren sollten. 7 Der Bürgermeister von Bensberg, Friedrich Zander, konnte sich noch bis Frühjahr 1934 in seinem Amt halten und wurde schließlich durch einen systemtreuen Beamten abgelöst.8 NSDAP und SA fanden schließlich auch in Bensberg einige Anhänger.9 Die „Gleichschaltung“ von Reich und Ländern ließ regionale Eigenarten verschwinden und schuf eine uniforme „Volksgemeinschaft“. „Wenn das Rheinland überhaupt noch etwas zu bieten hatte, das es von anderen deutschen Landschaften unterschied, so waren es die Ergebnisse der Märzwahlen des Jahres 1933 zu Anfang der nationalsozialistischen Diktatur“,10 lautete das Urteil des Regionalhistorikers Wilhelm Janssen. Am 5. März 1933 fanden die letzten noch halbwegs „freien“ Reichstagswahlen statt, bei denen sich bereits deutlich der staatlich gedeckte Terror der Nationalsozialisten gegen alle politischen Gegner richtete. Insbesondere Kommunisten und Sozialisten hatten unter den nationalsozialistischen Repressionen zu leiden.11 In Bensberg entfielen bei dieser Wahl 4.004 Stimmen auf das Zentrum, 1.858 Stimmen auf die NSDAP, 1.004 Stimmen auf die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und 1.093 Stimmen auf die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). 12 Reichsweit erlangte die NSDAP 43,9 Prozent der Stimmen. Gemeinsam mit der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) bildete sie eine Koalitionsregierung. 13 Trotz des mehr oder minder bescheidenen Wahlergebnisses in Bensberg versuchte die lokale NSDAP „im Sog der nationalen 'Aufbruchstimmung' […] vollendete Tatsachen zu schaffen“,14 indem am 9. und 10. März 1933 im Bensberger Bürgermeisteramt und Postamt die Hakenkreuzfahne gehisst wurde. Nichtsdestoweniger sahen sich die Nationalsozialisten einige Tage später auch bei den Kommunalwahlen am 12. März 1933 mit 23,7 Prozent der abgegebenen Stimmen ein weiteres Mal von der Vormachtstellung der Zentrumspartei geschlagen, die mit zwölf Sitzen die Hälfte der Sitze im Rat stellte.15 So versuchte sich der politische Katholizismus in Bensberg nach dem Verbot der KPD und der SPD gegen die nationalsozialistische Politik und Weltanschauung zu behaupten. Die katholische Zentrumspartei wie auch die katholische Kirche waren Hitler und seinem totalitären Herrschaftsanspruch ein Dorn im Auge, da er sie als „Konkurrenten im Kampf um die Herrschaft über die Herzen und Köpfe der Menschen“16 verstand. Im Gegensatz zur evangelischen Kirche war es der katholischen Kirche zu Beginn der 1930er Jahre gelungen, sich vereint gegen den Nationalsozialismus und seine Gleichschaltungspolitik zu positionieren.17 Im Sommer 1933 sah sich schließlich auch das Zentrum gezwungen, sich dem Monopolanspruch der nationalsozialistischen Herrschaft zu unterwerfen, die seit April 1933 vehement den „Einparteistaat“ forciert hatte.18 Das „Ende der Parteien“19 begründete der Historiker Sebastian Haffner einmal so, dass die politischen Gruppierungen ganz einfach „nicht mehr mitspielen wollten, dass sie zufrieden waren, sich sozusagen ins politische Nichts zurückziehen zu dürfen. […] Genau wie die Stimmung des August 1914 war die des Jahres 1933 von großer Bedeutung. Denn dieser Stimmungsumschwung bildete die eigentliche Machtgrundlage für den kommenden Führerstaat. […] Was macht eine Demokratie, wenn eine Mehrheit des Volkes sie nicht mehr will? Damals zogen die meisten demokratischen Politiker den Schluss: Wir danken ab, wir ziehen uns aus dem politischen Leben zurück. Es soll uns nicht mehr geben.“20 Der politische Umsturz jener Jahre manifestierte sich zudem auch an der Nutzungsgeschichte des Bensberger Schlosses. Hitlers autoritäres Führungssystem beinhaltete den Anspruch, das „deutsche Volk im Sinne der nationalsozialistischen ‚Idee’ zu erziehen“ 21 Für die Nationalsozialisten war der „Nationalsozialismus [.] eine Weltanschauung, die einen totalen Anspruch auf Geltung erhebt und nicht Sache zufälliger Meinungsbildung sein will. Das Mittel, diesen Anspruch durchzusetzen, heißt Erziehung. Die deutsche Jugend soll nicht mehr wie im Liberalismus in sogenannter objektiver Weise vor die Auswahl gestellt werden, ob sie materialistisch oder idealistisch, völkisch oder international, religiös oder gottlos aufwachsen will, sondern sie soll bewusst geformt werden nach Grundsätzen, die als richtig anerkannt sind und die sich als richtig erwiesen haben: nach den Grundsätzen der nationalsozialistischen Weltanschauung.“22 So lautete das oberste Ziel nationalsozialistischer Erziehung das „Heranzüchten gesunder Körper“, die zudem auch „Willens- und Entschlusskraft“23 zeigten. Für eine wirksame NS-Erziehung und Schaffung einer nationalsozialistischen Elite entwickelte das „Dritte Reich“ ein spezielles Schulsystem, das den bereits bestehenden Internatsschulen ähneln sollte. Durch die Abwesenheit der Familie und die ganztätige Betreuung und gleichzeitige Überwachung schien der Radius der Einflussnahme relativ groß.24 Zu Hitlers Geburtstag am 20. April 1933 weihte der damalige Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust, in Potsdam, Köslin und Plön die ersten Nationalpolitischen Erziehungsanstalten, kurz „Napola“, ein.25 Für diesen neuen Schultyp hatte man auf die ehemaligen Kadettenanstalten zurückgegriffen und sie entsprechend umgewandelt. Dagegen mussten für die Adolf-Hitler-Schulen (AHS) und die Ordensburgen, die ebenso als NS-Kaderschulen errichtet wurden, eigens Neubauten geschaffen werden.26 Die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten breiteten sich relativ schnell in Deutschland aus, da die preu- ßische Schulverwaltung auf bereits bestehende Gebäude zurückgreifen konnte. Der Blick der Nationalsozialisten schweifte auch über das Rheinland. Das marode, aber dennoch bis zum Ende des Ersten Weltkrieges als Kadettenanstalt genutzte Schloss schien sich durch seine Größe und Lage ideal für eine westdeutsche Napola zu eignen. Der Bensberger Gemeinderat befürwortete im November 1933 diesen Plan mit großer Erleichterung, da sich die Gemeinde nunmehr der Verantwortung für das Schloss entziehen konnte.27 Wenige Monate später wurden unter der Leitung des damaligen Regierungsbaurats Werner Dobisch die aufwendigen Restaurierungs- und Umbauarbeiten aufgenommen. In erster Linie sollten die „Bausünden des Jahres 1840“28 wieder ausgeglichen werden. Zwar konnten die Raumaufteilungen sowie die Treppenhäuser nicht mehr in ihre ursprüngliche Form zurückgesetzt werden, aber neben einer vollständigen Erneuerung des Daches und der fünf Dachkuppeln verschwand vor allem der Zwischenbau im Corps de logis, wodurch wieder eine dreifache Staffelung der Hoffassade entstand. Zudem wurde zwischen den beiden Kuppeltürmen wieder ein Säulenaltan geschaffen. Beim Bau des Altans musste allerdings die aus Kadettenzeiten stammende evangelische Kapelle abgerissen werden. Die Protestanten erhielten dafür im Jahr 1937 am Eingang des Gemeindefriedhofs eine eigene Kirche.29 Im Inneren wurden vor allem die Gemälde und Stuckdekorationen gereinigt und neu bemalt, die durch die ständige Feuchtigkeit schwer angegriffen waren. Der im Nordflügel gelegene ehemalige Speisesaal der Kadetten musste aus statischen Gründen erhalten bleiben und diente somit auch für die Napola-Schüler als Essraum.30 Rund zwei Jahre lang dauerte die „Rettung der Gesamtarchitektur des Schlossgebäudes“.31 Am 20. Juli 1935 weihte Reichserziehungsminister Rust die westdeutsche Nationalpolitische Erziehungsanstalt Bensberg feierlich ein, die sich im Laufe der Jahre zu einer Vorzeigeschule nationalsozialistischer Bildung entwickelte. 1935 zogen schließlich die ersten 130 Schüler, auch Jungmannen genannt, und ihre Lehrer, die nunmehr als Erzieher bezeichnet wurden, in die noch nicht vollständig umgebaute Bensberger Schule ein.32 Sie bewohnten erst einmal den Nordflügel des Schlosses, der mit Klassenräumen, zeitgemäßen Waschanlagen, einem Speiseraum, mit Studien- und Aufenthaltsräumen im ersten Obergeschoss sowie einem gemeinsamen Schlafsaal im zweiten Geschoss ausgestattet war. Die oberen Geschosse des Südflügels waren ebenfalls in dieser Form eingerichtet. Zusätzlich befanden sich im unteren Teil ein großer Aufenthaltsraum und ein Saal.33 Im ersten Stock des Mittelbaus war ein großer Flur mit Blick zum Hof entstanden. Diese Halle diente repräsentativen Zwecken und wurde wegen der Hitler-Büste und der Reichsfahne auch als „Ehrenhalle“ bezeichnet. Dort war zudem auch der Sinnspruch aller Nationalpolitischen Erziehungsanstalten aufgemalt worden: Mehr sein als scheinen, viel leis- ten und wenig hervortreten!34 Das einstige kurfürstliche Schlafzimmer Johann Wilhelms II. war in einen Musiksaal verwandelt worden. Im Mittelbau war ebenso das Konferenzzimmer für die Erzieher wie auch das Arbeitszimmer der Schulleitung untergebracht. Im darüberliegenden Geschoss hatte man einen weiträumigen Lesesaal sowie eine Bibliothek eingerichtet. Im Dachgeschoss waren noch einmal Schlafräume vorhanden. Die Vorgebäude dienten als Werk-, Übungs- und Versuchsräume. Der Keller wurde für die Zentralheizung und Elektroversorgung genutzt.35 Die Turnhalle, die zur Kadettenzeit hinter dem Schlossgebäude errichtet worden war, wurde vergrößert. Zusätzlich entstanden auch kleine Wohnungen für die Erzieher auf der Rückseite des Schlosses.36 Der Innenhof der Schlossanlage diente der Ehrbezeugung. Hier traten montagmorgens die Jungmannen gemeinsam mit ihren Erziehern unter musikalischer Begleitung zur großen Ehrenparade an. Nach einer kurzen Ansprache des Schulleiters wurden die wichtigsten Meldungen verkündet. Mit dem Abmarsch zum Frühstück endete schließlich die Flaggenparade.37 Insgesamt, so lautete das zeitgenössische Urteil, verfehlte das „imposante Schlossgebäude [.] seine Wirkung auf die jungen Schüler nicht.“38 Die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten stellten eine Kombination aus Schule und militärischer Erziehung dar, mit dem politischen Anspruch der „Führerbildung“ für Staat und Partei. Neben der Allgemeinbildung sollten vor allem die Ziele und Werte des Nationalsozialismus vermittelt werden. Als wichtige Aufnahmebedingung galten der Nachweis der arischen Abstammung sowie die Systemtreue des Elternhauses. Die Zulassungen für eine Napola waren sehr begehrt. Der Lehrplan der Zehn- bis Sechzehnjährigen entsprach dem der Realgymnasien. Neben den gängigen Fächern wurde ganz besonders der Sport gefördert. Das Angebot war mit Turnen, Schwimmen, Rudern, Reiten, Schießen, Fechten und Boxen vielfältig. Neben der allgemeinen körperlichen Ertüchtigung spielte vor allem ein Faktor eine ganz wesentliche Rolle: der Gemeinschaftssinn. Dieser wurde parallel zum Unterricht zusätzlich durch Manöver und mehrwöchige Auslandsfahrten und Zeltlager vermittelt. Grundprinzipien nationalsozialistischer Erziehungspolitik waren Bereitschaft zum Kampf, Primat der eigenen Rasse sowie die Bildung einer zuverlässigen und bedingungslosen nationalsozialistischen Elite. Die Schüler sollten lernen, „ihre ganzen Kräfte in den Dienst ihrer deutschen Heimat zu stellen im festen Glauben an das ewige, unsterbliche deutsche Volk, bereit, für dieses Land ihr Letztes hinzugeben.“39 Dafür wurden sie regelmäßig zu Diensten auf dem Land sowie in Fabriken und Bergwerken herangezogen. Die Schulkleidung bestand aus schwarzer Hose, braunem Hemd mit Brusttaschen, einem dreieckigen schwarzen Halstuch mit Lederknoten und einem Ledergürtel mit der Aufschrift „Blut und Ehre“.40 Die Erzieher der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten sollten sich primär durch „Führerpersönlichkeit“ auszeichnen.41 1937 wurde sogar ein eigenes Seminar gegründet, in dem ausgewählte Referendare auf die Tätigkeiten in einer Napola vorbereitet wurden.42 Der Absolutheitsanspruch des Nationalsozialismus wurde gegen Ende des Jahres 1936 immer aggressiver. Das bekam vor allem die katholische Kirche zu spüren. Mit einer „Entkonfessionalisierungskampagne“43 warben die Nationalsozialisten offensiv für den Austritt aus der Kirche. Die Kirche diskutierte über Abwehrmöglichkeiten, konnte aber letztlich nicht verhindern, dass sich reichsweit Katholiken von ihrer Kirche distanzierten. Das Dekanat Bensberg verzeichnete für die Jahre 1936 bis 1939 579 Kirchenaustritte.44 Im März 1942 richtete ein von Schülern ausgelöster Dachstuhlbrand erheblichen Schaden im Schloss an. Dabei fielen vor allem das aufwändig gemalte Deckenbild mit dem „Sturz des Phaetons“ sowie das aus dem Jahr 1803 stammende Schlossmodell aus Holz den Flammen zum Opfer. Die Schäden wurden erst einmal behelfsmäßig repariert, mussten aber auf lange Sicht vollständig ausgebessert werden. Mehr als ein Jahr später wurden Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald nach Bensberg geholt und dort einquartiert, um den defekten Dachstuhl zu erneuern. Mit den Jahren kamen immer mehr Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene nach Bensberg, die entweder in der Küche und der Wäscherei tätig waren oder Pflege- und Ausbesserungsarbeiten übernahmen. Im Milchborntal bauten Häftlinge sogar einen neuen Sportplatz für die Nationalpolitische Erziehungsanstalt.45 Die Bensberger NSEliteschule, in der über 200 Jungmannen lebten, stellte ein Musterbeispiel nationalsozialistischer Erziehung dar und wurde daher auch von zahlreichen NS-Größen besucht. 1944 zählte das „Dritte Reich“ mehr als 30 Nationalpolitische Erziehungsanstalten. 46 Die meisten Jungmannen wählten nach ihrer Schulzeit den Offiziersberuf, für den sie bereits vormilitärisch ausgebildet waren, um später in der Wehrmacht oder der Waffen-SS zu dienen.47 Anfang 1945 vermehrten sich die Anzeichen, dass der Zweite Weltkrieg bald beendet sei. Alliierte Truppen waren bereits seit Herbst 1944, schneller als von den Nationalsozialisten erwartet, auf dem Vormarsch und planten für den Beginn des neuen Jahres den entscheidenden Kampf gegen das NS-Regime. Im Februar und März 1945 setzten die alliierten Luftangriffe ein und zerstörten weite Flächen Deutschlands. Mit den Bombardierungen bereiteten die Alliierten die „Schlacht am Boden“ vor. Amerikanische Truppen erreichten bereits Anfang März das linke Rheinufer und eröffneten am 11. April den Artilleriebeschuss auf Bensberg und das Umland, bei dem über hundert Menschen ihr Leben verloren. Der NSOrtskommandant von Bensberg, der nach der Räumung der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt im November 1944 ins Schloss gezogen war, versuchte mit nur noch einer geringen Anzahl von Soldaten und Volkssturmmännern die Stadt zu verteidigen. Schließlich überzeug- te ihn eine Reihe von Bensberger Frauen, den Ort am 13. April an die Alliierten zu übergeben. Noch am gleichen Tag erklärten amerikanische Panzereinheiten Bensberg für besetzt.48 Am 8. Mai 1945 endete mit dem Waffenstillstand die Diktatur der Nationalsozialisten, wenn auch der Großteil der deutschen Bevölkerung sich nach Meinung Theodor Heuss’ „erlöst und vernichtet in einem“49 fühlte. Das Bensberger Schloss wurde durch seine Nutzung von 1935 bis 1944 durch die „nationalsozialistische Ideologie in einem tieferen Sinne zweckentfremdet“ 50 und symbolisierte damit eine totalitäre Herrschaftsordnung. Die Beurteilung der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten fällt kontrovers aus, da sie zum einen zwar der Heranbildung eines Führernachwuchses dienten, zum anderen jedoch im Vergleich zu den Adolf-Hitler-Schulen und Ordensburgen keine reine Kaderschulen der nationalsozialistischen Partei darstellten, sondern staatliche und internatsähnliche Schulen waren.51 In Bensberg übernahmen nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ die Alliierten die Regie. Nachdem die nationalsozialistische Ortskommandantur aufgelöst worden war, wurde der frühere Zentrumspolitiker Wilhelm Darius zum kommissarischen Bürgermeister ernannt.52 Im Sommer 1945 wurde Bensberg als Teil des nördlichen Rheinlandes der britischen Besatzungshoheit unterstellt. Die Nachkriegszeit sollte für die Zeitgenossen ein erneut schweres Los darstellen, und das Bensberger Schloss sollte ein weiteres Mal an die alliierten Besatzungsmächte abgetreten werden. 1 Zitiert nach Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich [Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Band 17], 6., neubearbeitete Auflage, München 2003, S. 4. 2 Zum Ermächtigungsgesetz vgl. Hans Mommsen, Entstehung und Bedeutung des Ermächtigungsgesetzes vom 23. März 1933 [Gesprächskreis Geschichte, Band 53], Bonn 2003. 3 Vgl. Ulrich von Hehl, Nationalsozialistische Herrschaft [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 39] München 1996, S. 7. 4 Zum Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vgl. Hans Mommsen, Beamtentum im Dritten reich, Stuttgart 1966. 5 Zitiert nach Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 416. 6 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 417. 7 Siehe Joachim Scholtyseck, Unter dem Hakenkreuz. Nationalsozialismus im Raum Bergisch Gladbach, 19331945, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 353-400, S. 354. 8 Vgl. Joachim Scholtyseck, Unter dem Hakenkreuz. Nationalsozialismus im Raum Bergisch Gladbach, 19331945, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 353-400, S. 361ff. 9 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 415. 10 Wilhelm Janssen, Kleine rheinische Geschichte, Düsseldorf 1997, S. 397. 11 Vgl. Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich [Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Band 17], 6., neubearbeitete Auflage, München 2003, S. 2. Zur Geschichte des Nationalsozialismus siehe ebenso ebd.; Ulrich von Hehl, Nationalsozialistische Herrschaft [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 39] München 1996 sowie Michael Burleigh, Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Gesamtdarstellung, Frankfurt am Main 2000. 12 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 412f. 13 Vgl. Ulrich von Hehl, Nationalsozialistische Herrschaft [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 39] München 1996, S. 5. 14 Joachim Scholtyseck, Unter dem Hakenkreuz. Nationalsozialismus im Raum Bergisch Gladbach, 1933-1945, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 353-400, S. 355. 15 Vgl. Joachim Scholtyseck, Unter dem Hakenkreuz. Nationalsozialismus im Raum Bergisch Gladbach, 19331945, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 353-400, S. 356. 16 Michael Burleigh, Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Gesamtdarstellung, Frankfurt am Main 2000, S. 830. 17 Vgl. Ulrich von Hehl, Nationalsozialistische Herrschaft [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 39] München 1996, S. 38. 18 Siehe Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich [Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Band 17], 6., neubearbeitete Auflage, München 2003, S. 14. 19 Erich Matthias/Rudolf Morsey (Hg.), Das Ende der Parteien 1933. Darstellungen und Dokumente, Neudruck, Düsseldorf 1984. 20 Sebastian Haffner, Von Bismarck zu Hitler. Ein Rückblick, München 1987, S. 218f. 21 Harald Scholtz, Die Schule als ein Faktor nationalsozialistischer Machtsicherung, in: Manfred Heinemann (Hg.), Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 1, Kindergarten, Schule, Jugend, Berufserziehung, Stuttgart 1980, S. 31-48, S. 31. 22 Zitiert nach Rolf Eilers, Die nationalsozialistische Schulpolitik. Eine Studie zur Funktion der Erziehung im totalitären Staat, Köln, Opladen 1963, S. 3; Original in Henrich Hansen, Die Presse des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB), Frankfurt am Main 1937, S. 1. 23 Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, 4. Auflage, München 2001, S. 203. 24 Vgl. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, 4. Auflage, München 2001, S. 207. 25 Vgl. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, 4. Auflage, München 2001, S. 208 sowie 597.. 26 Vgl. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, 4. Auflage, München 2001, S. 597. 27 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 104 und Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 418. 28 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 418. 29 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 419. 30 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 105. 31 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 418. 32 Vgl. Herbert Stahl, Nationalpolitische Erziehungsanstalt. Auch das hat das Bensberger Schloss erlebt, in: Heimat zwischen Sülz und Dhünn 6(1999), S. 25-29, S. 26. 33 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 106. 34 Vgl. die autobiographische Publikation von Arne Heinich, Niemand entgeht seiner Zeit. Leben in der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola) Bensberg zu Köln, September 1942 bis April 1945, Norderstedt 2007, S. 40 und S. 70. 35 Vgl. Dieter Wagner, Das Neue Schloss zu Bensberg. Eine Dokumentation des Staatshochbauamtes Köln 1986/86, o.O., S. 48. 36 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 106. 37 Vgl. Arne Heinich, Niemand entgeht seiner Zeit. Leben in der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola) Bensberg zu Köln, September 1942 bis April 1945, Norderstedt 2007, S. 62. 38 Vgl. Arne Heinich, Niemand entgeht seiner Zeit. Leben in der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola) Bensberg zu Köln, September 1942 bis April 1945, Norderstedt 2007, S. 61. 39 Zitiert nach Herbert Stahl, Nationalpolitische Erziehungsanstalt. Auch das hat das Bensberger Schloß erlebt, in: Heimat zwischen Sülz und Dhünn 6 (1999), S. 25-29, hier S. 28f. 40 Vgl. Arne Heinich, Niemand entgeht seiner Zeit. Leben in der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola) Bensberg zu Köln, September 1942 bis April 1945, Norderstedt 2007, S. 56. 41 Vgl. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, 4. Auflage, München 2001, S. 598. 42 Vgl. Rolf Eilers, Die nationalsozialistische Schulpolitik. Eine Studie zur Funktion der Erziehung im totalitären Staat, Köln, Opladen 1963, S. 43. 43 Zitiert nach Ulrich von Hehl, Katholische Kirche und Nationalsozialismus im Erzbistum Köln 193-1945, Mainz 1977, S. 136. 44 Vgl. Verzeichnis der Kirchenaustritte im Erzbistum Köln in Ulrich von Hehl, Katholische Kirche und Nationalsozialismus im Erzbistum Köln 193-1945, Mainz 1977, S. 250. 45 Vgl. Arne Heinich, Niemand entgeht seiner Zeit. Leben in der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola) Bensberg zu Köln, September 1942 bis April 1945, Norderstedt 2007, S. 211f und Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 108. 46 Vgl. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, 4. Auflage, München 2001, S. 208. 47 Vgl. Rolf Eilers, Die nationalsozialistische Schulpolitik. Eine Studie zur Funktion der Erziehung im totalitären Staat, Köln, Opladen 1963, S. 46. 48 Vgl. Joachim Scholtyseck, Unter dem Hakenkreuz. Nationalsozialismus im Raum Bergisch Gladbach, 19331945, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 353-400, S. 394ff.. 49 Theodor Heuss, „Rede vor dem Parlamentarischen Rat“ (8. 5.1949), in: ders., Die großen Reden. Der Staatsmann, Tübingen 1965, S. 72-87, Zitat S. 86. 50 Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1979, S. 419. 51 Vgl. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, 4. Auflage, München 2001, S. 628 sowie Joachim Scholtyseck, Unter dem Hakenkreuz. Nationalsozialismus im Raum Bergisch Gladbach, 1933-1945, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 353-400, S. 375. 52 Vgl. Joachim Scholtyseck, Unter dem Hakenkreuz. Nationalsozialismus im Raum Bergisch Gladbach, 19331945, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 353-400, S. 398. Von der amerikanischen Besetzung bis zur belgischen Garnison (1945-1992) Nach rund zwölf Jahren war das von den Nationalsozialisten propagierte „Tausendjährige Reich“ im Mai 1945 zu Ende gegangen. Das „Gesicht Deutschlands und Europas [hatte es] tief verändert.“ Durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg erlebte „[…] Deutschland seine zweite massive und totale Niederlage im zwanzigsten Jahrhundert“ 1, wie der britische Historiker Michael Burleigh konstatierte. Die Zeitgenossen waren der „Verführung und Gewalt“ des Nationalsozialismus gleichermaßen erlegen. Sie hatten „sich dem Glauben an gewissenlose Bösewichter, die ihnen einen großen Sprung vorwärts in eine glanzvolle Zukunft versprachen – einen schnellen und direkten Weg zur Lösung der Probleme Deutschlands im Besonderen und der Probleme der modernen Gesellschaft im Allgemeinen [verschrieben].“2 Der Nationalsozialismus bot in seinen Anfängen den vom Kaiserreich und der Weimarer Republik enttäuschten Menschen Zuversicht und Perspektiven, in dem er einen allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Aufschwung versprach. Der revolutionäre Gedanke der nationalsozialistischen Bewegung fand in der breiten Masse der deutschen Bevölkerung großen Anklang. Warum der Nationalsozialismus überhaupt eine solche Anziehungskraft entfalten konnte, lag vor allem an „[…] seinem jugendbewegten Habitus, seinem Aktivismus und seinem Gemeinschafts- wie Mobilisierungsangebot, ferner in seinem Versprechen von volksgemeinschaftlicher Gerechtigkeit und Ordnung, das ebenso Abstiegsängste beruhigte, indem es an den Solidarprotektionismus des Kaiserreichs erinnerte.“ 3 Doch die Schattenseiten des Nationalsozialismus wie Überwachung, Terror und Verfolgung kamen schnell zu Tage. Schließlich entwickelte sich das „Dritte Reich nicht zum Retter, sondern zum Folterknecht und Henker Deutschlands und Europas.“4 Angst und Furcht hatten zuletzt vielfach den Lebensalltag bestimmt. Am Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und des Zweiten Weltkrieges lag das Land in Schutt und Asche. Der Grad der Zerstörung war enorm. Die düstere Bilanz dieses „totalen Krieges“ spiegelte sich in den Zahlen wider: Rund 60 Millionen Tote hatte der Zweite Weltkrieg weltweit gefordert; davon mehr als sieben Millionen Deutsche.5 Auch in Bensberg zeigten sich die verheerenden Auswirkungen des Krieges. Über 500 Gefallene, mehr als 100 Zivilopfer und rund 700 Vermisste hatte die Gemeinde zu beklagen. Als Ruhestätte für die Opfer diente wie im Ersten Weltkrieg der Ehrenfriedhof. Im Mai 1951 wurde die Gedenkstätte für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges feierlich eingeweiht. 6 Bis 1947 kehrten die meisten Bensberger, die nach Kriegsende in Kriegsgefangenschaft geraten waren, wieder in ihre Heimat zurück.7 Durch die alliierten Luftangriffe auf Köln seit dem Frühjahr 1942 war die Stadt schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Gut zwei Drittel der Stadt lagen in Trümmern. Ganze Wohnviertel waren bei den Bombardements verwüstet worden. Viele Kölner mussten evakuiert werden. Manche fanden im nahe gelegenen Bensberg eine Notunterkunft. Zwar hatten auch hier die Bomben etliche Wohnungen und Häuser zerstört, aber vieles konnte erst einmal provisorisch wieder errichtet werden. Vielfach wurden auch Baracken gebaut, die als Notunterkünfte dienten. Neben den Evakuierten und Ausgebombten bildeten die Flüchtlinge und Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten eine weitere Schicksalsgruppe, die besonders hart vom Krieg gezeichnet war.8 Sie hatten ihre Heimat fluchtartig verlassen müssen und im Westen Zuflucht gesucht. Auch in Bensberg ließen sich Flüchtlinge und Vertriebene nieder.9 Durch den Zustrom aus dem In- und Ausland erlebte Bensberg einen demographischen Anstieg. Die Zahl der Einwohner wuchs in Bensberg gegen Kriegsende von knapp 16.000 auf rund 20.000 an.10 Dies entsprach der Bevölkerungsentwicklung in ganz Deutschland. Bei der ersten Volkszählung in der Westzone 1946 wurden über 46 Millionen Einwohner gezählt; rund drei Millionen Menschen mehr als zu Kriegsbeginn im Jahr 1939.11 Nach der bedingungslosen militärischen Kapitulation der Wehrmacht am 7./8. Mai 1945 besetzten die Siegermächte Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion auch die letzten Teile des Deutschen Reiches. Ein alliierter Kontrollrat, bestehend aus den Oberkommandierenden der vier Mächte, sollte die oberste Regierungsgewalt über Deutschland ausüben. Dies spiegelte die „vollständige Ohmacht, das Ende einer deutschen staatlichen Existenz“12 wider. Diese Abmachung sollte bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 festes Diktum der Besatzungszeit bleiben.13 Auf der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945, der so genannten Schlusskonferenz des Zweiten Weltkrieges, einigten sich die USA, Großbritannien und die Sowjetunion primär darauf, Deutschland in der zunächst auf unbestimmte Zeit vorgesehenen Besatzungszeit als „wirtschaftliche Einheit“ zu behandeln und „bis auf weiteres“ keine zentrale deutsche Regierung aufzubauen.14 Zu den weiteren Zielen der militärischen Besetzung zählten neben der völligen Abrüstung und Entmilitarisierung und Vernichtung der deutschen Rüstungsindustrie vor allem die Entnazifizierung und die Verurteilung der deutschen Kriegsverbrecher. Darüber hinaus bekundeten sie, dass sie nicht beabsichtigten, „das deutsche Volk zu vernichten oder zu versklaven“, sondern „dem deutschen Volk die Gelegenheit zu geben, sich darauf vorzubereiten, später sein Leben auf demokratischer und friedlicher Grundlage neu aufzubauen.“15 Die Besatzungszonen umfass- ten das Staatsgebiet des Deutschen Reiches in den Grenzen vor 1937, also ohne die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie. Deutschland sollte in vier Besatzungszonen aufgeteilt werden: Britische Truppen besetzten die heutigen Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Zur französischen Zone gehörten Rheinland-Pfalz, das Saarland und Baden. Das Gebiet der amerikanischen Besatzung umfasste Bayern, Hessen, Württemberg sowie Bremen. Der Sowjetunion oblag die Verwaltung der heutigen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Berlin wurde bei der Einteilung der Besatzungszonen zu einem Sonderfall. Die Stadt wurde in vier Besatzungssektoren unterteilt. Nach dem Einmarsch der US-Soldaten im April 1945 blieb Bensberg bis zum Sommer desselben Jahres unter amerikanischer Besatzung. Zu ihren ersten und wichtigsten Handlungen zählte die Entmachtung der lokalen NS-Größen. Angehörige der SA und SS sowie weitere NS-Führungspersönlichkeiten wurden inhaftiert.16 Die Amerikaner quartierten sich zumeist in Privatwohnungen ein. Nach einem zweimonatigen Intermezzo zogen britische Welsh Guards in die Gemeinde, nachdem das nördliche Rheinland im Potsdamer Abkommen unter britisches Besatzungsstatut gestellt worden war. Die britischen Soldaten okkupierten als erstes das Wahrzeichen der Gemeinde, das Schloss.17 Es diente fortan als Kaserne. Was nun folgte, erinnerte in Zügen an die Anfänge der Besatzungszeit nach dem Ersten Weltkrieg. Wohnungen und Häuser wurden für die Offiziere und Mannschaften beschlagnahmt; Mobiliar und Lebensmittel wurden vielfach von den Besatzern requiriert. Zahlreiche Bensberger, Flüchtlinge und Evakuierte wurden ausquartiert und mussten anderswo eine Notunterkunft finden. Mittels Fragebögen verschaffte sich die Besatzung einen Überblick über die Bevölkerung und deren Lebensverhältnisse. Viele Bensberger wurden zu Arbeitsdiensten herangezogen. Wie über zwanzig Jahre zuvor wurde auch jetzt das Alltagsleben der Bensberger Bevölkerung wieder weitestgehend fremd bestimmt. Die meisten kämpften zu Beginn der Nachkriegszeit ums Überleben. Viele benötigten ganz einfach ein Dach über dem Kopf und waren damit beschäftigt, Lebensmittel und Brennholz zu besorgen.18 Wenn auch der Druck der militärischen Okkupation schwer auf den vom Krieg gebeutelten Menschen lastete, so gelang es den Briten doch in relativ kurzer Zeit, eine halbwegs gesicherte Grundversorgung wiederherzustellen.19 Nichtsdestoweniger herrschte durch persönliche Hoffnungslosigkeit, ungewisse Zukunftsaussichten und mentale Verunsicherung ein allgemeines Gefühl der Ohnmacht. Erschwerend hinzu kam das Gefühl, den Siegern ausgeliefert zu sein. Im Vergleich zum Ende des Ersten Weltkrieges jedoch war es die Vielzahl an Flüchtlingen und Evakuierten, der hohe Grad an Zerstörung und die drohenden Demontagen, die dieser Nachkriegszeit eine ganz neue Qualität gaben. Das kommunale Leben Bensbergs wurde bereits unter den Amerikanern wiederbelebt. Sie ernannten den früheren Zentrumspolitiker Wilhelm Darius kurzerhand zum ehrenamtlichen Leiter der Gemeindeverwaltung. 1946 wurde er vom offiziell bestimmten und von der alliierten Militärbehörde genehmigten Bürgermeister Matthias Kiel in seinem Amt abgelöst. Kiel blieb allerdings krankheitsbedingt nur kurze Zeit im Amt. Sein Nachfolger wurde Jean Werheit; er blieb bis 1956 Bürgermeister von Bensberg. Dem Bürgermeister stand ein Gemeinderat beratend zur Seite.20 Am 15. September 1946 fand die erste freie Kommunalwahl statt. Dabei errang die neu gegründete Christlich Demokratische Union (CDU) 22 von 24 Ratssitzen und ging damit als eindeutiger Sieger hervor. 21 Das britische Besatzungsregiment verfolgte aus Kostengründen die Strategie einer stetigen „devolution of powers“, um den Aufbau einer deutschen Selbstverwaltung zu ermöglichen. Die britische Besatzung übernahm dabei mehr beobachtende und beratende Funktion. 22 Überhaupt bemühten sich die Engländer um einen permanenten Dialog mit den Besetzten und die Einbindung der Bevölkerung in Entscheidungsprozesse. Dieser Stil machte vielen Besetzten die „schrittweise, kalkulierbare Überwindung einer Besatzung, die als Versuch dauerhafter Domestizierung Deutschlands begonnen hatte“23 überhaupt möglich. Im Vergleich zu den anderen drei alliierten Besatzungsmächten verfügten die Briten allerdings über den stärksten und intensivsten Kontrollapparat. Doch trotz der schweren Nachkriegszeit konnte Bensberg bereits 1947 einen ersten wichtigen Erfolg verbuchen: Im Zuge des enormen Bevölkerungswachstums wurden dem Ort die Stadtrechte verliehen.24 Für die Zukunft Bensbergs beinhaltete dieses Privileg zugleich ein deutliches Entwicklungspotential. Seit 1946 zogen sich die britischen Besatzungstruppen aus dem Rheinland zurück, nachdem Großbritannien einen Teil seiner Besatzungsgebiete an Belgien abgetreten hatte. Auch Bensberg wurde fortan unter belgische Besatzungsherrschaft gestellt. Anfänglich waren Ausbildungseinheiten im Ort stationiert. Schließlich wurde das Schloss 1949 zum Hauptquartier der 1. Division. Bis zu 600 Soldaten bewohnten durchgehend die alten Räumlichkeiten.25 Durch den Bau neuer Einrichtungen wie Kasinos oder Geschäften schufen sich die Belgier innerhalb des Ortes eine ganz eigene Infrastruktur. Der Zutritt war nur belgischen Besatzern erlaubt und gezahlt wurde ausschließlich mit belgischen Francs. 26 Die Quartierlast entwickelte sich auch unter der neuen Besatzungsmacht zu einem großen Problem. In kürzester Zeit beschlagnahmten die Belgier zahlreiche Häuser und Wohnungen, die die Bewohner innerhalb weniger Tage und Wochen räumen mussten, um Truppen, Angehörige der Militärpolizei und der belgischen Verwaltung unterzubringen.27 Zudem mussten sämtliche Möbel und Einrichtungsgegenstände den Besatzern bereitgestellt werden. Neben den Unterkünften nahmen die Belgier auch die katholische Volksschule an der Schlossstraße in ihren Besitz. Während ein Teil der Schulräume in eine Mannschaftskantine verwandelt wurde, mussten die Schüler in Baracken und im Keller unterrichtet werden. Zum Teil fand der Unterricht auch im Progymnasium statt. Dort wurden schließlich Volksschüler und Gymnasiasten im Schichtwechsel unterrichtet. Schließlich beanspruchte das Militär auch das Waldbad Milchborntal für seine Zwecke.28 In der unmittelbaren Nachkriegszeit herrschte eine akute Wohnungsnot. Schätzungen zu Folge standen den Bewohnern der britischen Zone im Durchschnitt 6,2qm Wohnraum pro Person zur Verfügung. „Nicht in die Steinzeit, aber ins Mittelalter war Deutschland hinsichtlich der Wohnstandards zurückgebombt worden“29, umschrieb der Sozialhistoriker Axel Schildt einmal die damalige Wohnsituation. Das vielfach beengte Zusammenleben führte zu einem Verlust der Privatsphäre, und dies wiederum erhöhte das Konfliktpotential. Der Wiederaufbau von Wohnungen kam nur mühsam in Gang. So stellte das „Erreichen einer halbwegs akzeptablen Wohnsituation für die Familien [.] bei vielen Menschen das Zentrum aller Wünsche […]“30 dar. Erst Anfang der 1950er Jahre entspannte sich die akute Wohnungs- und Einquartierungslage in Deutschland, als der Wohnungsbau zu einem der „wichtigsten sozialund wirtschaftspolitischen Tätigkeitsfeldern des Staates“31 wurde. Auch in und um Bensberg herum entstanden insgesamt über 250 neue Wohneinheiten für die Belgier. Der Stadtteil Frankenforst entwickelte sich dabei zu einer Wohnsiedlung für die Besatzer und ihre Familien. Durch den Wohnungsneubau konnten viele vertriebene Bensberger in ihre alten Häuser und Wohnungen zurückkehren. Anfang der 1950er Jahre schien es zudem erstmals nach Kriegsende möglich, Pläne für eine Neustrukturierung der Stadt zu schmieden. Dabei genossen der Aus- und Neubau der Verkehrswege, der Wohnungsbau, die Schaffung von Industrie und Gewerbe sowie die Errichtung sozialer Einrichtungen höchste Priorität.32 Mit der verbesserten Infrastruktur stieg gleichzeitig auch die Nachfrage nach Wohnraum im Grünen. Bensberg wurde vor allem für viele Kölner zu einer attraktiven Wohngegend.33 Seit 1955 waren die Belgier nach Inkrafttreten des NATO-Truppenstatuts als Stationierungsstreitkräfte der NATO in Deutschland stationiert. Mit den Jahren entwickelte sich zwischen den belgischen Streitkräften und der einheimischen Bevölkerung ein zunehmend freundschaftliches Verhältnis. Diese guten Beziehungen führten 1960 zur Gründung eines Deutsch-Belgischen Komitees, dem der belgische Oberkommandierende und der Bensberger Bürgermeister vorstanden. Dr. Ulrich Müller-Frank war von 1956 bis zur Fusion der Städte Bensberg und Bergisch Gladbach am 31.12.1974 Bensberger Bürgermeister und 1975 kommissarisch der erste Bürgermeister der neuen Städtegemeinschaft. Der belgische König Baudouin ernannte ihn während seines Besuches mit Königin Fabiola im Schloss Bensberg für seine Verdienste um die deutsch-belgische Freundschaft zum „Chevalier de l’Ordre de Leopold II“. Zur Intensivierung des gemeinschaftlichen Lebens und der freundschaftlichen Beziehung wurden regelmäßig sportliche und kulturelle Veranstaltungen organisiert, die zudem meistens im Schloss stattfanden.34 Bis 1965 diente das Bensberger Schloss als militärische Kaserne. Nach und nach wurden allerdings Teile der belgischen Garnison nach Köln und Troisdorf umgesiedelt. Dies bot nunmehr die Möglichkeit, für die Kinder der Militärs eine neue Schule im Schloss zu errichten, in der die Schüler in ihrer Landessprache unterrichtet werden konnten. Bis dahin waren die Schüler in einem Gymnasium im Rösrather Schloss Venauen untergebracht, das jedoch infolge des belgischen Sprachenstreits zweigeteilt werden sollte, in ein wallonisch- und in ein flämischsprachiges Gymnasium.35 Da aber das Rösrather Schlossgebäude über zu wenige Kapazitäten für zwei Schulen verfügte, sollte das flämische Gymnasium nach Bensberg ziehen. Am 16. August 1965 wurde im teilweise renovierten Schloss Bensberg das KöniglichBelgische Athenäum eröffnet, das bis 1966 als reine Internatsschule geführt wurde. 36 Im Wesentlichen waren im Mittelbau die Unterrichts- und Freizeiträume sowie die sanitären Einrichtungen untergebracht. Im Obergeschoss befanden sich die Diensträume der belgischen Armee. Die Internatsschüler bewohnten den südlichen Seitenflügel. Dort befanden sich neben den Schlafräumen und Bädern auch die Studierzimmer. Der nördliche Seitenflügel wurde wie zur preußischen Kadettenzeit als Speisesaal genutzt. Das Erdgeschoss des südlichen Vordergebäudes beherbergte die Krankenstation sowie die Diensträume für das medizinische Personal.37 Nach 1966 durften alle schulpflichtigen belgischen Kinder diese Schule besuchen. Vor allem in den 1970er Jahren wurden mehr als 1.300 Schüler gezählt. Über 150 Lehrer und Erzieher waren an der Schule während der belgischen Besatzungszeit tätig.38 Die KöniglichBelgische Schule entwickelte sich zur größten Bildungseinrichtung Bensbergs. Durch die wachsende Zahl der Schüler musste das Schulgebäude vergrößert werden. Dafür wurden im Schlosspark neue Klassenräume gebaut. 1975 entstand zusätzlich zur alten eine neue Turnhalle.39 Etwa rund eine Million DM zahlte Belgien für die Renovierung und Modernisierung dieser Schule. Die Auflösung der militärischen Besetzung Deutschlands und die Rückführung des Militärs setzte mit der allgemeinen weltpolitischen Entspannung und schrittweisen Beendigung des „Kalten Krieges“ Ende der 1980er Jahre ein. In Bensberg räumten die Belgier ihre Wohnsiedlung im Frankenforst. Der Abzug fiel vielen belgischen Familien nicht leicht, da sie mittlerweile im Bergischen ihre Wurzeln geschlagen hatten. Neben den Wohnungen wurden auch die Geschäfte und Ämter der Belgier geräumt. Das Bundesvermögensamt übernahm schließlich den Verkauf der leer stehenden Immobilien.40 Am deutlichsten aber spiegelte sich das Ende der jahrzehntelangen Besatzung in der Räumung des Schlosses wider. Über vierzig Jahre war das geschichtsträchtige Wahrzeichen der Stadt in fremder Hand gewesen und wieder einmal als militärische Kaserne genutzt worden. Trotz einiger Renovierarbeiten befand sich das Schlossgebäude insgesamt abermals in einem schlechten Zustand. Nach dem Abzug der belgischen Garnison übergab die königlich belgische Baudirektion das Schloss an den Eigentümer, das Land Nordrhein-Westfalen. 1 Michael Burleigh, Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Gesamtdarstellung, Frankfurt am Main 2000, S. 13. Michael Burleigh, Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Gesamtdarstellung, Frankfurt am Main 2000, S. 13. 3 Hans-Ulrich Thamer, Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945, vollständige Taschenbuchausgabe, Berlin 1998, S. 775. 4 Hans-Ulrich Thamer, Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945, vollständige Taschenbuchausgabe, Berlin 1998, S. 771. 5 Vgl. Axel Schildt, Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 80], München 2007, S. 1. 6 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 433. 7 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 433. 8 Vgl. Axel Schildt, Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 80], München 2007, S. 4. 9 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 434. 10 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 402. 11 Vgl. Axel Schildt, Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 80], München 2007, S. 4. 12 Wolfgang Benz, Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik. Stationen einer Staatsgründung 19461949, Frankfurt am Main 1984, S. 25. 13 Vgl. Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland bis 1969, [Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Band 19], 5. durchgesehene Auflage, München 2007, S. 2. 14 Einen guten Überblick die Geschichte und Bedeutung der Potsdamer Konferenz bietet die aktuelle Studie von Wilson D. Miscamble, From Roosevelt to Truman. Potsdam, Hiroshima, and the Cold War, New York 2007. 15 Rolf-Dieter Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, [Gebhardt, Handbuch der Deutschen Geschichte, Band 21], 10., völlig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 2004, S. 383. 16 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 429. 17 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 429. 18 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 429. 19 Vgl. Joachim Scholtyseck, Unter dem Hakenkreuz. Nationalsozialismus im Raum Bergisch Gladbach, 19331945, in. Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 353-400, hier S. 398. 20 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 408. 21 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 408. 22 Vgl. Ulrich Reusch, Der Verwaltungsaufbau der britischen Kontrollbehörden in London und der Militärregierung in der britischen Besatzungszone, in: Britische Besatzung in Deutschland. Aktenerschließung und Forschungsfelder, hg. von Adolf M. Birke und Eva A. Mayring, , London 1992, S. 35-57, hier S. 39. 23 Ulrich Reusch, Der Verwaltungsaufbau der britischen Kontrollbehörden in London und der Militärregierung in der britischen Besatzungszone, in: Britische Besatzung in Deutschland. Aktenerschließung und Forschungsfelder, hg. von Adolf M. Birke und Eva A. Mayring, , London 1992, S. 35-57, hier S. 54. 24 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 408. 25 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 404. 26 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 109. 2 27 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 404. 28 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 405. 29 Axel Schildt, Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 80], München 2007, S. 11. 30 Axel Schildt, Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 80], München 2007, S. 11. 31 Axel Schildt, Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 80], München 2007, S. 15. 32 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 434. 33 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 438. 34 Vgl. Kurt Kluxen, Geschichte von Bensberg, Paderborn 1976, S. 444. 35 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 109. 36 Vgl. Marie-Luise Mettlach, Die wechselvolle Geschichte von Schloss Bensberg. Sprachen aller Welt und eine zauberhafte Aussicht in die Rheinebene, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 72 (2001), S. 6-17, hier S. 12. 37 Vgl. Dieter Wagner, Das Neue Schloss zu Bensberg. Eine Dokumentation des Staatshochbauamtes Köln 1986/86, o.O., S. 50. 38 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 461. 39 Vgl. Dieter Wagner, Das Neue Schloss zu Bensberg. Eine Dokumentation des Staatshochbauamtes Köln 1986/86, o.O., S. 50. 40 Vgl. Gisbert Franken, Wirtschaftswunder und Bauboom. Vom Kriegsende bis zur kommunalen Neuordnung, 1945-1974, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 401-447, hier S. 461. Das Grandhotel (1997-heute) Seit dem Abzug der belgischen Truppen im Jahr 1992 war das Land Nordrhein-Westfalen Eigentümer des Bensberger Schlosses. Symbolisch hatten die Belgier dem damaligen Kölner Regierungspräsidenten Franz-Josef Antwerpes den Schlüssel des kurfürstlichen Schlafgemachs überreicht. Vollständig leer stand das Schloss nach der Räumung des belgischen Militärs jedoch nicht. Im Nordflügel lebten noch rund 300 flämische Gymnasiasten, bis sie 1999 schließlich in den Campus Burkel an der Falltorstraße umzogen.1 Der Südflügel wurde dagegen seit Anfang 1992 ganz anders genutzt. Dieser Teil diente, wie in den Jahren der Weimarer Republik, als Notunterkunft für Obdachlose und Bürgerkriegsflüchtlinge. Im Wesentlichen waren es Flüchtlinge aus der ehemaligen jugoslawischen Republik Bosnien-Herzegowina. Aufgrund der langen und äußerst unterschiedlichen Nutzungsgeschichte befand sich das gesamte Schloss in einem katastrophalen Zustand. Die Lebensbedingungen waren nur schwer zumutbar. Es mangelte vor allem an Wasser und Strom, weil alle Leitungen defekt waren. Aus diesem Grund stellte die Stadt im Innenhof des Schlosses Wasch- und Kochstellen auf, durch die behelfsweise eine Grundversorgung gesichert wurde. Die Instandsetzung der defekten Leitungen, einige grundlegende Ausbesserungsarbeiten sowie der Austausch der kaputten Fenster kostete die Stadt rund 70.000 DM. 2 Eine dauerhafte Instandhaltung des baufälligen Schlossgebäudes hätte die finanziellen Möglichkeiten der Kommune weit überstiegen.3 Auch für das Land Nordrhein-Westfalen, das einen Teil der notwendigsten Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten finanzierte, war das prachtvolle, aber vollkommen marode Schloss zu kostenintensiv. Für eine Grundsanierung des geschichtsträchtigen Schlosses fehlte es schlicht und ergreifend an Geld. Abhilfe hätte nur ein privater Investor leisten können. So bot das Land NRW im Sommer 1994 das Bensberger Schloss zum Verkauf an. Da das Bensberger Schloss eines der größten und schönsten Barockschlösser in Europa ist, sollte dieses Denkmal auch dauerhaft erhalten bleiben. Unter der Auflage des Denkmalschutzes, das Gebäude in seinem Gesamteindruck nicht zu verändern und jedes einzelne Bauwerk sowie die kunstvolle Ausgestaltung des Schlosses zu erhalten, begann die Suche nach einem Käufer und einer neuen Nutzungsidee. Vorgegeben war auch, dass die Grünfläche im östlichen Bereich der Anlage in einen Park verwandelt wird.4 An interessierten Käufern fehlte es von Anfang an nicht, jedoch an einem guten und vor allen Dingen tragfähigen Nutzungskonzept. Zu den Interessenten zählten beispielsweise das Amtsgericht in Bergisch Gladbach und die Kreispolizei, die beide über einen deutlichen Platzman- gel klagten. Interesse meldete auch die Universität zu Köln an, die das Schloss als Kongresszentrum und Gästehaus nutzen wollte.5 Aus Sicht der Stadt waren aber auch andere Nutzungsmöglichkeiten denkbar: Aufgrund seiner Größe hätte es sich auch als Klinik, Hotel oder Seniorenheim geeignet. Ebenso waren auch Wohnungen und Büroräume vorstellbar gewesen. Nicht weniger attraktiv, aber vergleichsweise profitabler war dagegen die Idee, das Schloss in ein Spielcasino umzubauen. Als Ideengeber präsentierte sich auch die Bensberger Bevölkerung, die lebhaft über die zukünftige Nutzung des Schlosses diskutierte. Die Bürger sprachen sich dafür aus, „das Schloss auf Dauer den Bewohnern der Stadt zu sichern“. 6 Ihrer Meinung nach sollten nach etwa drei Jahrhunderten sowohl das Gebäude als auch die wertvollen kunsthistorischen Schätze im Schloss für die Allgemeinheit frei zugänglich sein. Zudem würde sich das Schloss aufgrund seiner Architektur und Geschichte als idealer Ort für kulturelle Veranstaltungen eignen. Um den bürgerschaftlichen Interessen Gewicht und Stimme zu verleihen, gründete sich im Mai 1995 unter dem Vorsitzenden Dr. Ulrich Müller-Frank jun. der „Schloss Bensberg e.V.“7 mit dem Ziel, „das Schloss dauerhaft einer seinem imposanten Äußeren entsprechenden lebendigen Bestimmung zuzuführen“8 und das Neue Schloss „als Wahrzeichen für Stadt und Region“9 zu erhalten. Dafür leistete der „Schloss Bensberg e.V.“ eine enorme Öffentlichkeits- und Pressearbeit, um auf breiter Ebene sowohl allgemeines als auch politisches Interesse und Engagement zu wecken. Er organisierte Führungen durch die barocke Anlage und konnte so die Besucher in die geschichtsträchtige, aber auch marode Welt des Schlosses eintauchen lassen. Der „Schloss Bensberg e.V.“ veranstaltete in der ehemaligen „Säulenhalle“, die nunmehr als Speisesaal des belgischen Internats genutzt wurde, zahlreiche Konzertveranstaltungen, deren Erlöse einer späteren Aufarbeitung der Schlossgeschichte zu Gute kommen sollten. Die Suche nach einem adäquaten Käufer gestaltete sich derweil trotz zahlreicher Nutzungspläne und Kaufangebote mit teilweise exorbitanten Summen schwierig. Einige Konzepte fanden überhaupt keinen Zuspruch und wurden gleich abgelehnt. Auch der „Schloss Bensberg e.V.“ setzte sich intensiv mit den möglichen Nutzungskonzepten auseinander und bündelte seine Ideen und Vorstellungen in einer ersten „Machbarkeitsstudie“ und Kostenschätzung. Diese schloss etliche Nutzungsmöglichkeiten auf Grund der Gegebenheiten aus und listete die möglichen, baulich realisierbaren auf. Die Studie wurde Teil des Verkaufs-Exposes des Regierungspräsidenten und diente der ersten Orientierung möglicher Interessenten. Es wurde aber auch über eine „europäische Lösung“ nachgedacht, und zwar plädierte Georges Vermandel, der als Erzieher an der belgischen Schule gearbeitet hatte und bestens mit der Schlossgeschichte vertraut war, für die Errichtung einer Europaschule. Eine solche Lösung hatte sicherlich gut der „Geschichte des Schlosses mit seinen zahllosen europäischen Verknüpfungen“10 entsprochen. Vermandel hatte seit 1990 im Sinne der „Völkerverständigung“ Interessierte durch das Neue Schloss geführt und dabei schnell sämtliche „Märchenträume“ zerplatzen lassen, denn was die Schlossbesucher zu sehen bekamen, war eine „schmucklose Kaserne, ein Labyrinth eintöniger Flure und trostloser Räume.“ 11 Vermandel leistete durch sein Engagement sicherlich einen wesentlichen Beitrag zum positiven Verhältnis zwischen den Deutschen und den Belgiern. Rund drei Jahre nachdem das Schloss zum Verkauf stand, fand sich schließlich 1997 ein geeigneter Käufer für den gesamten Komplex inklusive Park, und zwar die Aachener und Münchener Lebensversicherung. Der Kaufpreis betrug 13 Millionen D-Mark. Das Konzept der Aachener und Münchener Lebensversicherung sah vor, das Barockschloss in ein modernes und komfortables Hotel- und Tagungszentrum umzugestalten. Der Plan der Aachener und Münchener Lebensversicherung fand auch beim „Schloss Bensberg e.V.“ großen Anklang, zumal so gewährleistet war, später die Reihe kultureller Veranstaltungen im Schloss fortsetzen zu können. Um dieses auch später in einem breiteren Rahmen umzusetzen, fusionierte der „Schloss Bensberg e.V.“ 2003 mit den „ Freunden der städtischen Galerie Villa Zanders e.V.“ zum „Galerie+Schloss e.V.“, dem größten Kulturverein Bergisch Gladbachs. 12 Mit der von allen Seiten begrüßten Entscheidung zu Gunsten der Aachener und Münchener Lebensversicherung begann Ende der neunziger Jahre ein neues Kapitel der Schlossgeschichte. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben, bei dem sich der Investor und ein Gutachtergremium unter der Leitung des Architekten Albert Speer jr. sowie die Stadt Bergisch Gladbach, der „Schloss Bensberg e.V.“ und die Denkmalpflege gemeinsam für die beste städtebauliche Lösung entschieden. Für die Renovierung und den Ausbau des Schlosses erhielten Architekturbüros aus Düsseldorf und Bergisch Gladbach den Zuschlag. Rund zwei Jahre dauerten die umfassende Sanierung des Schlosses und der Umbau in ein 5 Sterne-Luxushotel. Unter strenger Wahrung der denkmalgeschützten Gestaltung und Einrichtung des Schlosses wurde das Gebäude neu hergerichtet. Die alten Fußböden beispielsweise blieben erhalten und befinden sich nun unter den neuen Belägen. An manchen Stellen kann man heute noch die alten Böden erkennen.13 Durch den Abriss einer Trennwand im Erdgeschoss des Corps de logis, die während der preußischen Kadettenzeit gebaut worden war, konnte eine geräumige Hotelhalle entstehen. Der Platz, an dem sich die nationalsozialistische Weihestätte der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt befand, dient heute als Empfangsbereich. Im nördlichen Seitenflügel wurde der ehemalige Speisesaal der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt durch den Abriss der Säulen aus den ehemaligen Haupttreppenhäusern in einen prunkvollen Ballsaal verwandelt. Die Torhäuser aus Kadettenzeiten wurden verglast. Gemälde und Stuck wurden aufwändig restauriert, so dass das gesamte Interieur des Hotels durch Hochwertigkeit und Luxus besticht. Auch im Außenbereich fanden einige Umbauten statt. An der südöstlichen Seite des Mittelbaus, wo einst die 1838 von den Preußen abgerissene Schlosskapelle stand, wurde eine weitläufige Wellness-Anlage errichtet.14 Außerdem wurde die Turnhalle aus preußischer Kadettenzeit in einen Veranstaltungssaal umgebaut. Der barocke Schlossgarten blieb erhalten.15 Die vom „Schloss Bensberg e.V.“ schon frühzeitig konzipierte Tiefgarage nebst Seitenzufahrt wurde unter dem Schlossinnenhof realisiert. Vollkommen unverändert blieben dagegen der Arkadenhof, das ehemalige kurfürstliche Schlafgemach mit den beiden angrenzenden Kabinetten und der Raum im einstigen südlichen Treppenhaus mit dem monumentalen Deckengemälde des italienischen Malers Zanetti. Das einstige Schlafzimmer des Kurfürsten Johann Wilhelms II. dient nunmehr als Kongress- und Tagungsraum und im „Zanetti-Saal“, der einen weitläufigen Blick über Köln bietet, finden seitdem standesamtliche Trauungen und kulturelle Veranstaltungen statt. Nach einer raschen Bauzeit und einer stolzen Bausumme von rund 140 Millionen Mark erstrahlte das altehrwürdige Bensberger Schloss im Sommer 2000 wieder in neuem Glanz. Im August wurde das Grandhotel Schloss Bensberg feierlich eröffnet. Pächter dieses Hotels wurde der Privathotelier und „König der Sterne“ Thomas Althoff. Durch seinen exklusiven Standard zählt das Grandhotel mit seinen 120 Zimmern und Suiten und einem hochdekorierten Gourmetrestaurant zu den „Leading Hotels of the World“, einer weltweiten Allianz von Luxushotels, Resorts und Spas. Ein Jahr nach der Hoteleröffnung entstand auf dem Gelände des Schlossparks eine erstklassige Seniorenresidenz mit einer rückwärtig anschließenden hochwertigen Wohnbebauung. Das hintere Schlossgelände behielt seinen Parkcharakter und verbindet fußläufig wieder die Stadtteile miteinander, die jahrzehntelang voneinander getrennt waren. Erst mit dem Umbau in ein Hotel mit zwei Restaurants wurde das einst von Jan Wellem erbaute Barockschloss für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Schlossanlage, wie sie heute existiert, zeugt von einer rund 300jährigen wechselvollen Bau- und Nutzungsgeschichte und hält somit ein lebendiges Bild der Baukunst und der Vergangenheit fest. 1 Vgl. Gisbert Franken, Eine neue Stadt- oder nur Ortsteile? Bergisch Gladbach seit 1975, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 448-479, S. 461. 2 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 110. 3 Vgl. Gisbert Franken, Eine neue Stadt- oder nur Ortsteile? Bergisch Gladbach seit 1975, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 448-479, S. 462. 4 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 110. 5 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 110. 6 Gisbert Franken, Eine neue Stadt- oder nur Ortsteile? Bergisch Gladbach seit 1975, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 448479, S. 462. 7 Vgl. dazu vor allem Ulrich Müller-Frank, Geschichte des Vereins Schloss Bensberg e.V., in: Heimat zwischen Sülz und Dhünn 13 (2006), Seite 64 ff. 8 Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 111. 9 Horst Breiler, Das Bensberger Schloß im Wandel der Zeiten. Geschichte und Geschichten, Bergisch Gladbach 2000, S. 27. 10 Horst Breiler, Das Bensberger Schloß im Wandel der Zeiten. Geschichte und Geschichten, Bergisch Gladbach 2000, S. 27. 11 Horst Breiler, Das Bensberger Schloß im Wandel der Zeiten. Geschichte und Geschichten, Bergisch Gladbach 2000, S. 6. 12 Vgl. Max Morsches, Nutzungsgeschichte des Neuen Schlosses Bensberg, in: Albert Esser/Wolfgang Vomm (Hg.), Bürgerburg und Musenvilla. Zugänge zu historischen Herrschaftsbauten in Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2006, S. 113. 13 Vgl. Marie-Luise Mettlach, Die wechselvolle Geschichte von Schloss Bensberg. Sprachen aller Welt und eine zauberhafte Aussicht in die Rheinebene, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 72 (2002), S. 6-17, S. 13. 14 Vgl. Marie-Luise Mettlach, Die wechselvolle Geschichte von Schloss Bensberg. Sprachen aller Welt und eine zauberhafte Aussicht in die Rheinebene, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 72 (2002), S. 6-17, S. 13ff. 15 Vgl. Gisbert Franken, Eine neue Stadt- oder nur Ortsteile? Bergisch Gladbach seit 1975, in: Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte, hg. im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach von Albert Esser, Bergisch Gladbach 2006, S. 448-479, S. 462. Schloss Bensberg und die Bensberger Vor dem Schlossbau waren alle Bensberger Selbstversorger. In der Freiheit Bensberg wohnten meist arme Handwerker, die nebenbei ein kleines Feld, eine Obstwiese und einen Gemüsegarten hatten. Wer sich keine Kuh leisten konnte, hatte wenigstens eine Ziege, Gänse und Hühner. In Bensberg gab es weder Krämer, noch Bäcker oder Metzger. Mit dem Schlossbau kamen etwa tausend Arbeiter von auswärts nach Bensberg. Sie besaßen kein Land und konnten sich nicht selbst verpflegen. Wirtschaften entstanden, Händler aus dem ganzen Bergischen Land kamen nach Bensberg, um die Arbeiter mit dem Nötigsten zu versorgen. Viele Arbeiter kamen aus dem im Spanischen Erbfolgekrieg von Franzosen zerstörten und besetzten Gebiet, z. B. aus dem französischen Teil des heutigen Belgiens. Sie ließen sich im Milchborntal nieder, weshalb man dieses bei alten Bensbergern auch heute noch „Frankreich“ oder „Klein-Frankreich“ nennt. Auch andere Ortsteile wie z.B. Heidplätzchen und Schlehecke wurden damals besiedelt. Im Jahrzehnt des Schlossbaus verdoppelte sich die Bevölkerung von Bensberg und blieb dauerhaft auf dem erhöhten Niveau bis zum Aufblühen des Bergbaus Mitte des 19. Jahrhunderts. Fast 300 Jahre lang stand am Schlosstor ein Schild: Schloss Bensberg Betreten verboten! Schloss Bensberg wurde nie zu dem Zweck genutzt, zu dem es gebaut wurde, nicht als Fürstenwohnsitz und nicht als Jagdschloss, sondern nur als Kaserne, Lazarett, Schule oder Obdachlosenasyl. Schon während der Bauarbeiten sorgte eine pfälzische Reiterkompanie von Invaliden dafür, dass Unbefugte nicht auf die Baustelle kamen. Mehrfach gab es uneheliche Kinder mit Vätern aus der Invalidenkompanie. Aber auch Invaliden heirateten mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten oder nach Beendigung ihres Dienstes Bensberger Mädchen und ließen sich in Bensberg nieder. Im 18. Jahrhundert stand der größte Teil des unfertigen Schlosses leer. Es gab nur wenige Besucher, wie z.B. Goethe, die vom Burggraf Moureaux durch das Schloss geführt wurden und darüber berichtet haben. Während der Lazarettbelegung ab 1792 breiteten sich im Schloss Seuchen aus, die über 7000 Soldaten den Tod brachten. Aber auch die umliegenden Häuser wurden von der Seuche erfasst. Die Lazarettbewohner wollten von der umliegenden Bevölkerung auf deren Kosten verpflegt und mit Brennholz versorgt werden. Die armen Bensberger hatten selbst nur das Nötigste und kamen mit der Beschaffung nicht nach, was immer wieder zu Ärger führte. In Sabotage-Akten unterbrachen sie die Trinkwasserversorgung des Schlosses, um das Lazarett aus Bensberg zu vertreiben. Ohne Erfolg! Die Trinkwasserleitung wurde dann bewacht und das Lazarett blieb. Bei den um 1800 im Schloss stationierten französischen Truppen und dem französischen Lazarett 1812/13 gab es ähnliche Probleme. Zum preußischen Lazarett für Augenkranke war der Zutritt auch verboten. Im Kadettenhaus (1840-1918) wurden einige Erzeugnisse von der eigenen Landwirtschaft selbst produziert. Einkäufe tätigte die Anstalt oft im nahen Köln. Für die Bensberger gab es im Schloss kaum etwas zu verdienen. Das Kadettenhaus verhinderte sogar in Bensberg die Ansiedelung von Industrie, die sich vermehrt in Gladbach niederließ. Bensberger Frauen verdienten Geld in der Küche des Schlosses oder als Putzfrau. Obwohl die Kadetten gut von der Außenwelt abgeschottet waren, kam es zu Kontakten mit Bensberger Mädchen. Nach dem Ersten Weltkrieg sorgten fremde Besatzungstruppen dafür, dass keine Einheimischen Zutritt zum Schloss hatten. Offiziere wurden auch auf Privathäuser verteilt, die die Vorbewohner dann räumen mussten. Wenige Jahre zwischen den beiden Weltkriegen durfte die Bevölkerung ins Schloss kommen. Nach Abzug der Besatzung Ende 1922 zog die Gemeindeverwaltung von Bensberg ins Schloss. Auch Teile der Kreisverwaltung und die Berufsschule folgten. Ende der 20er Jahre kamen für einige Jahre bis zu 100 Obdachlosenfamilien ins Schloss. Es folgte der Umbau zur Nationalpolitischen Erziehungsanstalt und der Betrieb der Napola, die als Eliteschule nur zum Tag der offenen Tür Besuch erlaubte. Im Krieg waren Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge im Schloss untergebracht und von der Bensberger Bevölkerung getrennt. Gegen Ende des Krieges zogen sich Gau- und Kreisleitung der NSDAP ins Schloss zurück. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es fremde Besatzung im Schloss und in Privathäusern. Bensbergerinnen konnten z.B. in der Küche oder als Putzfrau hier arbeiten. Aus der belgischen Besatzung wurden in den 1950er Jahren unsere belgischen Freunde von der NATO. 1965 kam eine belgische Internatsschule ins Schloss. Auch in dieser Zeit gab es für Bensberger keinen Zutritt. Ein deutsch-belgisches Komitee unter Leitung des jeweiligen belgischen Generals und des Bensberger Bürgermeisters Dr. Ulrich Müller-Frank bemühte sich, bei Sonderveranstaltungen im Schloss der Bensberger Bevölkerung den kontrollierten Zutritt zu ermöglichen. Hier muss ein belgischer Erzieher besonders hervorgehoben werden, der viel für die internationale Verständigung beigetragen hat. Georges Vermandel, der in seiner Freizeit die Schlossgeschichte aller Zeitspannen erforschte, führte Gruppen oder Einzelpersonen durch das Schloss. Ohne ihn wäre ein Besuch im Schloss nur mit viel Bürokratie möglich gewesen. 1992 war auch das belgische Mädcheninternat in die Falltorstraße umgezogen. Die belgische Schule benutzte im Schlossbereich nur noch die Klassenpavillons im Park und den Speisesaal im Nordflügel. Im Februar 1992 wurde im Südflügel und im südlichen Vorgebäude Asylanten untergebracht, die meist aus dem ehemaligen Jugoslawien stammten. Ein Zaun teilte diagonal den Innenhof des Schlosses in einen belgischen Teil und in einen so genannten deutschen Teil für die Asylanten. In der Folge konnten im Auftrag des „Schloss Bensberg e.V.“ über hundert Mal bis zu 200 Leute durch leere Teile des Schlosses geführt werden. Alte Bensberger hatten Tränen der Freude in den Augen, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben im Bensberger Schloss waren. Zu den Schlossbesuchern zählten auch über 25 Schulklassen. Nach dem Umbau erstrahlt das Schloss als Luxus-Hotel. Das kommt seiner ursprünglich vorgesehenen Bestimmung am nächsten. Jetzt steigen hier auch Fürsten ab, besonders Geldfürsten. Seit 2000 können Besucher durch den Innenhof flanieren und in die Empfangshalle eintreten. Bensberger Bürger können im Schloss übernachten und sich bewirten lassen, wenn sie entsprechend dafür zahlen. Dem Schloss konnte nichts Besseres passieren. Die Aachener-Münchener hat es gut restaurieren lassen, nachdem das Land NRW als Voreigentümer keine Mark mehr in das Gebäude investieren wollte und immer mehr Schäden das Schloss befielen. Dem Schloss ist eine bessere Zeit zu wünschen als in den letzten drei Jahrhunderten. Die Bensberger können jetzt stolz auf ihr Schloss sein.