RETTER AUS TITAN Fünf Zentimeter Durchmesser hat das

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RETTER AUS TITAN
Fünf Zentimeter
Durchmesser hat das
»Kunstherz«, zwei
Zentimeter ist es hoch.
Mit der Pumpe
können schwer Herzkranke jahrelang
überleben, manche
sogar wieder arbeiten
112
MEDIZIN
E I N L E B E N
AUF
P U M P
Daniel Baals’ Herz drohte zu versagen. Ein »Kunstherz«
rettete ihn – wie inzwischen jährlich Hunderte Patienten,
die auf ein Spenderorgan warten. Seither lebt er
mit einer Metallpumpe in der Brust, per Kabel stets an
zwei Akkus angeschlossen
GEO 03 2017
Text: Susanne Paulsen, Fotos: Gordon Welters
113
GROSSES AUFGEBOT IM OP
Routiniert bewältigt das Team aus einem Dutzend Schwestern, Pflegern, Ärzten den zweieinhalbstündigen
Eingriff. Das Herzzentrum Berlin hat weltweit die meisten Kunstherzen eingepflanzt – mehr als 3000
N
NACH HAUSE ZU GEHEN, DAFÜR
ist es jetzt zu spät, oder?“, flüstert Daniel
Baals.
„Ja“, antwortet der Pfleger und stoppt
das Rollbett vor dem OP. „Das ziehen wir
jetzt durch.“
Daniel Baals verstummt. Er hat Angst,
was sonst.
Anfang September 2015: Seit zwei
Tagen weiß der massige 38-Jährige, dass
sein Herz bald aufhören wird zu schlagen.
Ein fremdes Herz, das es ersetzen könnte,
kann er nicht bekommen. Ihm bleibt le diglich, wie die Ärzte hier am Deutschen
Herzzentrum in Berlin sagen, die zweit beste Lösung.
„Wenn Sie Ihren nächsten Geburtstag
erleben wollen“, hatte ihm eine Kardiologin nüchtern und freundlich mitgeteilt,
„dann lassen Sie uns möglichst schnell eine
Pumpe implantieren.“ Auf ihrem Schreibtisch glänzte ein Ansichtsexemplar. „Linksherzunterstützungssystem“, sagte sie. „Left
Ventricular Assist Device, LVAD.“
„El-Wad“ hörte Baals zunächst und
verstand nicht. Er nahm das Gerät in die
Hand, spürte die Kühle des Metalls und
seinen Lebenswillen. Er hatte sich die Hilfe für sein kaputtes Herz groß und weich
vorgestellt, eine gut gefüllte, pulsierende
Plastiktüte.
Diese Pumpe war klein und hart.
114
E
S K L I N G T F U T U R I S T I S C H , was
Chirurgen bei einer LVAD-Implan tation tun: eine künstliche auf die lebendige Pumpe setzen, sodass eine biologischtechnische Einheit entsteht.
Ein Mischorgan.
Doch diese Operation wird, ohne dass
dies in das Bewusstsein der Öffentlichkeit
gedrungen wäre, seit den 1990er Jahren an
großen Herzzentren ausgeführt, etwa in
den USA und in Deutschland. Die Emp fänger – meist männlich und zwischen 50
und 65 Jahre alt – leiden an Herzschwäche
im Endstadium. Leben auf Abruf.
Noch sind die Fallzahlen gering: In
Deutschland setzen Chirurgen jährlich
knapp 1000 solcher im Körper lokalisierten „Herzunterstützungssysteme“ ein.
Patienten wie Mediziner sagen meist:
Kunstherzen.
Die Zahl der Implantationen nimmt
allerdings seit einigen Jahren zu, immer
mehr Kliniken nehmen den Eingriff in
ihr Programm auf, weil sich Operationstechnik und Nachsorge verbessert haben.
Schon denken Ärzte darüber nach, auch
weniger kranke Patienten mit den Pum pen auszustatten. Bald könnte es zu einem
extremen Anstieg der Operationszahlen
kommen – die intime Verschmelzung von
Mensch und Maschine würde alltägliche
Erfahrung in den Kliniken.
An einem grundsätzlichen Problem
wird das nichts ändern: Eine mechanische
Herzunterstützung verbessert die Blutversorgung des Organismus und kann das
Leben verlängern. Doch sie ist und bleibt
ein – wie es in der Fachsprache heißt –
„aggressiver Eingriff“: Sie verändert den
Körper beträchtlich. Sie gelingt nicht immer. Und sie kann früher oder später
schwere Komplikationen nach sich ziehen.
„Wüssten wir nur vorher“, sagt einer
der LVAD-Techniker am Herzzentrum,
„wem wir mit der Implantation einen Ge fallen tun und wem nicht ...“
B
im Operationssaal 3. Auf Brust und Bauch
glänzt orangefarbene Desinfektionslösung.
Zwölf blaugrün gekleidete Schwestern,
Pfleger und Ärzte stehen um ihn herum,
blicken auf Überwachungsmonitore, auf
Skalpelle, Tupfer, Klammern, auf den OPTisch mit dem Patienten.
Sein Gesicht ist entspannt. Der kleine
harte Zug um die Mundwinkel hat sich
gelöst. Er war in den Stunden vor der Operation immer sichtbar, als Baals die Fassung
gewahrt, Witzchen gerissen – und zurück geblickt hatte.
Er lebte mit seiner Freundin und sei nen beiden Kindern zusammen, war Telekommunikationstechniker in Berlin und
AALS SCHLÄFT JETZT,
GEO 03 2017
F EIN STARBEI T AM
OF FENEN HERZEN
Akribisch befestigt
der Chirurg mit
zwölf Fäden einen
Anschlussring auf
der linken Herzwand.
Auf ihn wird die
Pumpe gesteckt, die
schon bereitliegt
115
MIT MACHT MITTEN INS HERZ
Ist alles bereit, bohrt der Chirurg mit dem Stanzmesser ein Loch in den Herzmuskel. Durch die
Öffnung schiebt er das Ansaugrohr der Mini-Pumpe in die linke Herzkammer
froh in seinem Beruf: Netzausbau. Mobil
funkantennen ausrichten, kontrollieren.
2011 machte eine Kette von Herzin
unfähig. Auslöser der Attacken war eine
Herzschwäche; hinter der wiederum steck
te wahrscheinlich eine verschleppte Grip
pe, kombiniert mit einer angeborenen
Stoffwechselstörung. Baals’ starkes Über
gewicht verstärkte den Krankheitsprozess.
Er geriet in einen Teufelskreis: Die
Herzschwäche raubte ihm den Atem, er
schwerte jede Art von Bewegung. Sport,
der dringend nötig gewesen wäre, um ab
zunehmen, war daher nur äußerst einge
schränkt möglich. Baals tröstete sich mit
Schweinegulasch, Rouladen, Sauerbraten.
Sein Herz schwand dahin. Die Wut
über sein Schicksal wuchs und brach sich
Bahn, bis sein vertrautes Leben endgültig
kollabierte: Die Freundin ertrug die Situ
ation nicht länger und verließ ihn mit den
Kindern. Er zog zu seiner Mutter in ihre
Hochhauswohnung in Spandau. Wollte
jemanden um sich haben, der jederzeit den
Notarzt alarmieren könnte, einen Men
schen gegen die Angst.
Evgenij Potapov setzt auf der Linie
oberhalb der rechten Brustwarze zwischen
dritter und vierter Rippe das Elektroskal
pell an. Langsam zieht er es durch Haut,
Muskeln, Fett.
Wenig später riecht es nach verbrann
tem Fleisch. In einem ovalen, zwölf Zen
timeter langen Loch in Baals’ Brustkorb,
offen gehalten von einer metallenen, sche
renartigen Klammer, liegt am oberen Ende
des pumpenden Herzens die Aorta, die
große Körperschlagader.
Der zweite Chirurg, Thomas Kra
batsch, schiebt derweil zwei Drähte von
der linken Leistenbeuge durch die Venen
und die Arterien fast bis zum Herzen –
um darüber im Notfall eine Herz Lungen
Maschine anschließen zu können. Dann
schneidet auch er. Unterhalb der linken
Brustwarze, zwischen Rippe sechs und
sieben, öffnet sich ein weiteres Loch. Dort
fleisch: die Wand der linken Herzkammer.
Nur vier Minuten später stockt die
Bewegung dort. Ein dunkler Alarmton
erfüllt den Saal, schwillt auf und ab. „Der
flimmert“, sagt Krabatsch leise: Baals’ Herz
ist aus dem Takt geraten. Allerhöchste Le
I N C H I R U R G steht nun rechts von
bensgefahr. Eine Rhythmusstörung ist auf
Baals, einer links. Zwei blaue Linien getreten. Über einen Katheter fließen Me
haben sie auf den Brustkorb in ihrer Mitte dikamente in Baals’ Körper. Nach einem
gezeichnet.
Moment bangen Wartens findet das Herz
E
116
wieder seinen Rhythmus. Exitus verhin
dert, Glück gehabt.
Die beiden Chirurgen fahren fort, als
sei nichts geschehen: Potapov näht die
Gefäßprothese, einen kurzen Kunststoff
schlauch, an die Hauptschlagader. Bedäch
tig und unendlich akribisch. Er nimmt sich
über eine Stunde für die 20 Stiche Naht.
Krabatsch befestigt derweil mit zwölf
blauen Fäden einen Anschlussring an der
linken Herzwand, nahe der Herzspitze.
Sitzt ein Faden – sechs bis zehnmal ge
knotet – fest, lässt er ihn, beschwert mit
einer scherenartigen Klemme, aus dem
Brustkorb hängen. Seitlich von Baals’ Kör
per hüpfen die Klemmen im Rhythmus
des Herzschlags auf und ab, ein wilder
kleiner Tanz.
Schließlich sitzt der Ring. Krabatsch
kappt die Fäden, führt vom Herzen aus
ein Kabel durch Brustkorb und Unterleib
durch einen kleinen Schnitt links neben
dem Bauchnabel ins Freie: Baals’ An
schluss an die Batterien, die er künftig
stets mit sich wird tragen müssen.
Nun ist alles bereit fürs Finale.
Potapov hält die Pumpe. Sie ist so
groß wie eine kleine Bonbondose: fünf
Zentimeter im Durchmesser, zwei Zenti
meter hoch. Krabatsch hat ein Stanzmes
ser gefasst. Für einen Moment stehen die
beiden Chirurgen ganz still. Dann stoppt
GEO 03 2017
ANATOMIE EINES MISCHORGANS
Aorta
linke Herzkammer
Gefäßprothese
Pumprichtung
Stromzufuhr
Herzpumpe
Das Kunstherz, im Fachjargon »mechanisches Kreislaufunterstützungssystem«
genannt, saugt das Blut aus der linken Herzkammer und drückt es
über eine Gefäßprothese in die Aorta. Seine Energie bezieht es über ein Kabel,
das aus der Bauchdecke herauskommt
Daniel Baals’ Herz. Diesmal geplant. Medikamente lassen es für kurze Zeit flimmern statt schlagen.
Sofort bohrt Krabatsch sein Messer
in Baals’ linke Herzkammer und sticht den
Anschlussring innen aus. Eine rote Fontä ne steigt auf. Das Blut spritzt auf Messer,
Handschuhe, Kittel, Plastikpantoffeln –
und versiegt wieder: Potapov hat blitzschnell – „wie ein Hütchenspieler“, sagt er
später – den Anschlusszapfen der Pumpe
in den Ring gesteckt.
Das Herz kommt wieder in Gang.
Das LVAD läuft an. 500, 1000, 3000 Umdrehungen zeigt der Monitor. Krabatsch
drückt Pumpe samt Herzspitze ein wenig
nach unten; sie verschwinden unter den
Rippen.
J
die Gelegenheit,
abzunehmen“, sagt Krabatsch, nachdem Baals’ Brustkorb wieder vernäht ist.
Dass der Chirurg noch im Operationssaal
an die überzähligen Pfunde seines Patienten denkt, liegt an dem Szenario, das die
Ärzte am Herzzentrum für Baals’ Zukunft
entworfen haben: ein Plan, wie er sich –
mit Glück – möglichst viel Lebenszeit
verschaffen könnte.
Zunächst muss er die kritischen Wo chen nach der schweren Operation über stehen. Dann wieder mehr Atem und mehr
ETZT HÄTTE ER
GEO 03 2017
Kraft schöpfen. Die neue Vitalität nach
Vorstellung der Ärzte nutzen – und sich
40, 50 Kilo abhungern und abtrainieren.
Nur mit einem Gewicht um die 100
Kilo bestünde für Baals die Möglichkeit,
statt der mechanischen Pumpe ein Spen derherz zu bekommen. Denn der Gewichtsunterschied zwischen Herzspender und
-empfänger darf maximal zehn Prozent
betragen, damit das neue Herz den Körper
ausreichend mit Blut versorgen kann.
Herztransplantierte erwartet – statis tisch gesehen – ein vergleichsweise langes
Leben: Zehn Jahre nach der Transplanta tion sind noch zwischen 40 und 50 Prozent der Empfänger am Leben. Bekommt
ein junger Patient ein passendes und vitales Organ, funktioniert dieses zuweilen
sogar mehr als 25 Jahre.
Bleibt dagegen eine Mini-Pumpe dauerhaft im Körper, statt lediglich die Zeit
bis zu einer Transplantation zu überbrücken, ist die Überlebensspanne wesentlich
knapper bemessen: Es geht um einige Jahre. Der geringere Gewinn an Lebenszeit
liegt allerdings auch daran, dass die meisten dieser Patienten, die keine Aussicht
auf ein Spenderherz haben, bereits recht
alt sind.
Fünf Jahre nach einem „auf Dauer“
angelegten Einbau eines LVAD lebt noch
die Hälfte der Betroffenen. Einige wenige
(WEITER AUF SEITE 121)
Patienten hielten sogar zwölf bis 14 Jahre
durch. Bei ihnen musste allerdings, wie
Experten berichten, die Pumpe ausgewechselt werden.
I
N
DEN
SCHWEREN
WOCHEN
nach der großen Operation horcht Baals
manchmal in sich hinein und erwartet,
Dankbarkeit zu finden. Oder aber Wut,
dass die Ärzte ihm so viel Schmerzen, so
viel Schwäche zumuten. Doch da ist nichts.
Er fühlt sich leer.
Unermüdlich zieht sein LVAD Blut
aus dem Loch, das Krabatsch in seine linke Herzkammer gestanzt hat. Bis zu 3000
Umdrehungen des Rotors in der Pumpe
fördern sechs bis sieben Liter pro Minute
ins Auslassrohr, drücken sie über Potapovs
Gefäßprothese in die Aorta und den Kör per. Gleichmäßig wie Gießwasser aus einem Gartenschlauch strömt das Blut; kein
Puls ist mehr zu spüren.
Mit dem Stethoskop ist in Daniel
Baals’ Brustkorb ein leicht auf- und abschwellendes Wellenrauschen zu hören:
der monotone Pumpen-Blutstrom, zu dem
immer dann eine kleine Menge ExtraBlut hinzukommt, wenn die schwache
linke Herzkammer sich zusammenzieht.
Sie könnte jetzt ganz schlappmachen –
Baals würde weiteratmen, denken, sich bewegen, als wäre nichts geschehen. Immer
117
V O RSO RG E
Wehret den Plaques!
und Kinder alle zwei Jahre untersucht und befragt haben. So konnten
Mediziner die Faktoren identifizieren,
Herzkrankheiten entwickeln sich meist schleichend und
unmerklich. Inzwischen können Ärzte frühzeitig erkennen, wie
es um ein Herz steht. Und sie wissen, wie sich Infarkt und
Schlaganfall am besten vorbeugen lassen
den beim Vorsorgetermin vom Arzt
abgefragt. Selbsttests im Internet,
Text: Susanne Paulsen, Illustrationen: Illuteam43
(www.herzstiftung.de) anbietet,
beruhen auf dem gleichen Prinzip.
die dem Herzen zusetzen. Sie wer-
wie sie etwa die Deutsche Herzstiftung
In die Berechnung fließen ein:
• Alter. Das Herzrisiko steigt mit den
Jahren.
Wie lässt sich das eigene
Herz schützen? Wie vorsorgen,
dass der Körpermotor nicht
ins Stottern gerät?
Eigentlich ist es
Jahren mehr als halbiert. Medizinsta
-
ganz einfach: durch einen gesunden
Lebensstil. Nicht rauchen, Übergewicht
tistiker sind sicher: 50 bis 75 Prozent
des Rückgangs sind auf gesundheits
-
vermeiden, sich regelmäßig bewegen
bewussteres Verhalten zurückzuführen.
und sich ausgewogen ernähren – wer
diesen Empfehlungen folgt, kann sein
Der Rest geht auf das Konto einer
besseren medizinischen Versorgung.
Dass die Strategie im Prinzip funktio
Risiko einer koronaren Herzkrankheit,
Aber wie lässt sich herausfinden,
also von Engstellen oder Verschlüssen
wie es um das eigene Herz aktuell steht?
der Herzarterien, drastisch verringern.
„Wissenschaftliche Studien be-
Bevor sich ein Drücken oder Brennen
im Brustkorb bemerkbar macht.
legen, dass 75 Prozent der Herzinfarkte
• Geschlecht. Frauen erkranken meist
-
erst in höherem Alter; im Durchschnitt
etwa zehn Jahre später als Männer.
niert, zeigt die Zahl der Todesfälle durch
Herzinfarkt. Sie hat sich seit den 1980er
Sterbefälle
durch akuten Herzinfarkt
je 100 000 Einwohner
(altersstandardisiert, in Deutschland)
200
119
Denn wie es dem Herzen wirklich
durch einen falschen Lebensstil oder
durch unzureichende medikamentöse
geht, lässt sich nicht unbedingt spüren.
Grund dafür ist vor allem, dass die
Therapie bedingt sind“, sagt Thomas
weitaus meisten Herzerkrankungen
Voigtländer, Kardiologe am BethanienKrankenhaus in Frankfurt am Main.
unmerklich, über Jahre und Jahrzehnte
hinweg entstehen – aufgrund einer
0
Gefäßverkalkung genannt. Dabei
entwickeln sich „Plaques“ in den
Arterien, verengen sie oder setzen sie
1000
Ernährung.
• Herzerkrankungen bei Eltern und
Geschwistern. Sie können auf Gene
Der „Motor“ verliert seine Pumpkraft.
Der Betroffene kann irgendwann nur
noch mit einer Herzunterstützungs
pumpe oder dank einer Herztransplan
Wie hoch das Risiko ist, einen
Herzinfarkt zu erleiden, lässt sich heute
260
immerhin annähernd genau berechnen.
Ein Kunstherz kann Patienten mit einer
fatalen Herzschwäche das Leben retten – bis
womöglich ein Spenderorgan gefunden ist
2015
hindeuten, die einen Infarkt begünsti
gen – etwa indem sie eine Fettstoff
-
tation überleben.
2010
Bewegungsmangel, allzu fettreiche
-
störungen oder einer schweren
fortschreitenden Herzschwäche führen:
500
118
2015
Rauchen, starkes Übergewicht,
langfristig zu ernsten Herzrhythmus
915
2006
2010
Blutdruck, erhöhter Cholesterin
spiegel, eine Diabeteserkrankung,
Als Folge kann ein Herzinfarkt
555
0
2005
56
• Herzschädliche Faktoren wie erhöhter
sogar zu.
750
250
1998
69
Den Rückgang der tödlichen Herzinfarkte
führen Ärzte zu mehr als 50 Prozent auf
gesundheitsbewussteres Verhalten zurück
Arteriosklerose, umgangssprachlich
Implantierte
Herzpumpen in Deutschland
85
100
Die Grundlage dafür haben große
Beobachtungsstudien geliefert – etwa
die Framingham-Herzstudie, in der
US-amerikanische Wissenschaftler seit
1948 mehr als 15 000 Männer, Frauen
-
-
wechselkrankheit entstehen lassen.
Besonders kritisch: Ein Herzleiden
tritt bei nahen Verwandten im Alter
von unter 60 Jahren auf.
Aus diesen Informationen wird die
Wahrscheinlichkeit bestimmt, binnen
der nächsten zehn Jahre an einem
Herzinfarkt oder einem anderen
Gefäßleiden wie etwa einem Schlag
-
anfall zu sterben.
GEO 03 2017
Die Chance dafür beträgt weniger
leichter verklumpt. Sie wirken auch auf
als ein Prozent, wenn der Test ein
„niedriges Risiko“ anzeigt. Das heißt:
das vegetative Nervensystem, das
Anspannung und Entspannung (und
Weniger als einer von 100 Menschen
damit die Herzfrequenz) regelt.
wird durch eine Herz
Kreislauf Erkran
kung zu Tode kommen. Ein „sehr hohes“
Aber wie lässt sich ermessen, ob
man in gefährlichem Maße „unter Strom“
Risiko überschreitet zehn Prozent.
steht? „Manche Menschen haben ein
Sterbefälle durch Krankheiten
des Kreislaufsystems
je 100 000 Einwohner
(altersstandardisiert, in Deutschland)
700
gutes Gespür für sich selbst“, sagt Chris
toph Herrmann
lichen Risikofaktoren wirkt sich
psychische Belastung auf das
Herz aus. Sie lässt sich schwieriger
loge am Universitätsklinikum Göttingen.
656
600
„Sie versuchen, Stress zu reduzieren,
wenn sie etwa einen verspannten
Nacken haben, schlecht schlafen und
konsum. Deshalb bleibt sie bei Herz
krankheit Risikoberechnungen oft
unberücksichtigt oder fließt eher
512
500
im Alltag merken, dass ihre innere
negative Reaktion häufig stärker ist
als der äußere Anlass.“
pauschal ein („Arbeiten Sie dauernd
439
397
400
Vielen sei jedoch ihr eigener
unter Zeitdruck oder Stress?“).
Studien haben indes ergeben,
dass vor allem Depressionen, übermäßi
ger Stress und das sogenannte Typ
A
Verhalten (konkurrenzbetont, feindselig,
Stresslevel völlig unklar. Ihnen helfen
Psychokardiologen zuweilen mit
Messgeräten auf die Sprünge: Sie hän
gen ihre Patienten zum Beispiel ans
24 Stunden EKG und lassen sie die
reizbar) das Herz angreifen können.
Ereignisse des betreffenden Tages auf
Zum Teil geschieht dies indirekt: Die
schreiben. So zeigt sich, bei welchen
Betroffenen rauchen vermehrt und
bewegen sich selten. Sie ernähren sich
Aktivitäten oder Gefühlen der Puls sich
übermäßig beschleunigt.
300
1998
2005
2010
Die jährliche Zahl der an Herz
Kreislauf
Krankheiten Gestorbenen sinkt. Dennoch sind
diese Leiden Todesursache Nummer eins
rotische Veränderungen vorhanden
bzw. wie weit sie fortgeschritten sind.
frequenz Variabilität (HRV). Sie verrät,
ob das Herz flexibel schlägt. Oder ob
Aber zur Massenprävention eignen
sie sich nicht. Aufgrund der Kosten
es – was ein Indikator für eine stressbe
dingte Überlastung sein kann – gleich
förmig pocht, als sei es eine Maschine.
oder möglicher Strahlenbelastung
Faktoren den Körper direkt. Sie
beeinflussen etwa den Hormonhaushalt,
sodass das Blut „klebriger“ wird und
Der Effekt zeigt sich allerdings nicht
ptome aufweisen. Dabei sind „Kardio
bei jedem.
CTs, also die Computertomografen
speziell für das Herz, in jüngster Zeit
Wissenschaftler haben intensiv
nach weiteren Möglichkeiten
gesucht, das Herzrisiko präziser
als bisher zu beziffern.
Sie haben
deutlich leistungsfähiger geworden“,
die Vorhersagekraft bestimmter Gene
getestet, haben Biomarker im Blut
stellen auch die Gefäßwand dar, in der
sich Plaques bilden.“
(etwa gegen Bluthochdruck) nicht
regelmäßig ein.
Zusätzlich schädigen psychische
Herztransplantationen
in Deutschland
557
562
500
untersucht: vom „C
412
400
300
286
200
100
0
1981
1991
1997
2006
Ärzte transplantieren weniger Herzen: weil
es an Spenderorganen mangelt, aber
auch wegen des Einsatzes von Herzpumpen
GEO 03 2017
2015
reaktiven Protein“
kommen die Verfahren vor allem für
sagt Thomas Voigtländer. „Sie bilden
nicht nur das Gefäßinnere ab wie eine
Herzkatheteruntersuchung, sondern
Inzwischen hat sich gezeigt, dass
CRP (zeigt Entzündungen an) über
die neuen Herz
nung) bis hin zu Homocystein (schädigt
Patienten mit unbestimmten Beschwer
den im Brustbereich helfen können,
CTs besonders bei
die Gefäßinnenwand).
besser als bisher über die Therapie zu
Das Fazit aus Tausenden von
Studien ist bislang allerdings ernüch
entscheiden. Ist es möglich, weitge
hend oder sogar ganz auf Medikamente
ternd: Keiner der neuen Ansätze liefert
zu verzichten? Oder muss intensiv
deutlich bessere Ergebnisse als das
klassische Abfrageverfahren.
therapiert werden, um einem Infarkt
vorzubeugen?
Dazu, den Zustand des Herzens
sichtbar zu machen, bieten sich auch
Verfahren der medizinischen Bildge
Quellen: Statistisches Bundesamt, Eurotransplant, DGTHG
ungesund und nehmen Medikamente
600
2015
„Der beste Weg ist aber“, sagt
Voigtländer, „es gar nicht so weit kom
men zu lassen.“
119
ZU RÜ CK AUS
DER N A R KOSE
Langsam kommt
Daniel Baals
nach der Operation
wieder zu sich.
Derweil pumpt sein
metallenes Herz
mit bis zu 3000
Umdrehungen pro
Minute das Blut
durch den Körper
120
DAS VOR DR INGLICHE ZIEL: PFUNDE VERLIEREN
Fünf Monate nach der Operation beginnt Daniel Baals im Reha-Zentrum zu trainieren. Er weiß: Nur wenn
er drastisch abnimmt, hat er eine Chance, vielleicht doch noch ein Spenderherz zu erhalten
per Bauchkabel ans Stromnetz angeschlossen. Oder mit der schwarzen Tasche verbunden, in der sich die Steuereinheit und
Akkus für die Pumpe befinden. Schwach,
hilfsbedürftig, verwirrt.
Ihm verschwimmen die Tage. Ein Ereignis aus der Zeit direkt nach der Ope ration aber steht ihm überdeutlich im Gedächtnis – Krabatsch an seinem Bett, der
ihn ansieht und sagt: „Es war wirklich
höchste Zeit für Ihr Herz.“ Denkt Baals
an diesen Satz, erscheint ihm der triste
Krankenhausalltag licht.
N
erholt er sich. Er
übt sitzen und aufstehen. Empfindet
er sich nun als Cyborg? Als futuristisches
Mensch-Maschine-Mischwesen? Manche
LVAD-Träger bezeichnen sich so.
Nein, sagt Baals. Für ihn sei die Pumpe schlicht Hilfsmittel, Titan hoffentlich
zuverlässiger als sein Muskelfleisch, er
nach wie vor nur Mensch. Allerdings einer,
dem die Situation zunehmend über den
Kopf wachse.
Die tapfer verdrängten Gefühle des
Schwerkranken, um dessen Leben gekämpft wird – Ausgeliefertsein, Todesangst –, haben sich vor einigen Tagen in
einer Halluzination Bahn gebrochen.
Baals weiß, dass sie ein Trugbild war. Aber
die Erinnerung erscheint unglaublich real.
UR LANGSAM
GEO 03 2017
Man habe ihn gewaltsam aus dem Kran kenbett in den Rumpf eines weißen, schäbigen Schiffs transportiert. Ganz nach
unten. Ihn dort heimlich mit einer dop pelten Medikamentendosis betäubt, ihm
viel Geld gestohlen und vor allem eine
schwarze, private Tasche.
„Sie ist weg“, flüstert er. Er wird lauter,
wirkt verzweifelt und wütend, ein Mensch
am Akku, der noch immer keinen Schritt
ohne Rollator gehen kann. „Wenn ich den
Kutter erwische mit den Leuten, den zer leg ich ...“
Schön wäre es, von wiedergewonnener sprudelnder Lebenskraft zu berichten.
Von der durch das Kunstherz eröffneten
Aussicht auf eine lange, eindeutig frohe
zusätzliche Zeit.
Es gibt solche Fälle. Einzelne in Berlin operierte Pumpenträger sind einen
Drittelmarathon gewalkt, im Tandem Fall schirm gesprungen, in den kambodschanischen Regenwald gereist. Andere fühlen
sich zwei, drei Monate nach der Opera tion
immerhin relativ fit; sie müssen das Krankenhaus nur noch zu den vierteljährlichen
Kontrolluntersuchungen aufsuchen.
Einige, denen es derart gut geht, beginnen wieder zu arbeiten, zumindest halbtags. Dabei wird von bestimmten Berufen
abgeraten, zum Beispiel dem des Erziehers:
Die Kinder könnten versehentlich am le -
benserhaltenden Kabel ziehen. Bürojobs
aber lassen sich auch mit LVAD in der
Brust erledigen.
In seltenen Fällen erholt sich ein
durch die Pumpe entlastetes Organ. Dann
entfernen die Ärzte das LVAD eventuell
nach Monaten oder Jahren; das Herz hält
den Kreislauf dann wieder aus eigener
Kraft aufrecht.
S
O R U N D U M positiv verläuft Baals’
Geschichte jedoch nicht. Zwar spürt
er, dass die Pumpe ihn unterstützt und
stärkt, seine Atemnot etwa hat abgenom men – doch er kämpft mit Komplikationen,
wie viele andere LVAD-Patienten auch.
Im Oktober 2015 steht er eine der gefürchteten Pumpeninfektionen durch: Bakterien steigen entlang des Kabels auf und
besiedeln das Kunstherz. Das Fieber steigt
bedrohlich. Ein „Horror“ für Baals. Er sieht
die Chance schwinden, sich kräftig Pfunde
abzutrainieren, damit auf ein Spenderherz
und ein weit längeres Leben hinzuarbeiten.
Das ist nur schwer zu ertragen. Wie
schwer, gesteht er sich nicht ein. Doch als
die Ärzte seinem 63-jährigen Zimmer nachbarn im Krankenhaus eröffnen, dass
er wegen seines Alters und seines Gesundheitszustandes nicht zur Transplantation
gelistet werden wird – und folglich mit
seinem LVAD leben und sterben muss –,
121
EXISTENZ AM DRAHT
Die Umhängetasche mit dem Steuergerät der Mini-Pumpe und den Akkus ist stets dabei. Seit die Technik
besser geworden ist, erwägen Ärzte, auch weniger kranken Patienten das Kunstherz einzupflanzen
CHOLESTERINSENKER
Wer soll sie schlucken?
Derzeit ist eine hitzige Debatte
über Statine entbrannt, eine Gruppe
von Medikamenten, die den Spiegel
des sogenannten LDL-Cholesterins
im Blut senken und wahrscheinlich
auch entzündungshemmend wirken:
So schützen sie vor Herzinfarkten
und Schlaganfällen.
Seit Jahrzehnten schon argu
mentieren einzelne Mediziner mit
Schlagworten wie „Cholesterin-Lüge“
gegen jede Therapie mit Cholesterin
senkern. Sie verunsichern Betroffene beträchtlich – vertreten jedoch
eine Außenseitermeinung. Nicht
einmal pharmakritische Ärzte teilen
diese radikale Ablehnung.
Der aktuelle Streit dreht sich vielmehr um die Abwägung von Nutzen
und Risiko: Welche Patienten profi
tieren so stark von den Statinen, dass
es sinnvoll erscheint, die Nebenwir
kungen in Kauf zu nehmen?
Immerhin können die Präparate
Muskelschmerzen und Müdigkeit
verursachen. Darüber hinaus auch
Diabetes auslösen. Oder die Muskeln
lebensgefährlich schädigen, falls sie
122
bei sehr starken Schmerzen nicht
abgesetzt werden. Selten verursachen
sie Gehirnblutungen, die Schlaganfälle auslösen . Deren Zahl liegt jedoch
deutlich niedriger als die Zahl der
Schlaganfälle, die Statine verhüten.
Medizinische Fachgesellschaften
in den USA verfolgen einen radikalen
Pro-Statin-Kurs. Sie empfehlen eine
Dauertherapie unter anderem für
jeden über 40-Jährigen, dessen
Zehnjahresrisiko für eine Komplikation
des Herz-Kreislauf-Systems über
Würden die Richtlinien vollständig
umgesetzt, müsste nahezu die Hälfte
der 40- bis 75-jährigen US-Amerikaner
Cholesterinsenker schlucken.
Diese Medikation nach dem
„Gießkannenprinzip“
auch weil die meisten Autoren der
Leitlinien Verbindungen zur Pharma
industrie haben.
Europäische Ärzte verordnen
Cholesterinsenker generell vorsichtiger.
In Deutschland etwa werden Statine
ab einem Zehnjahres-Herzinfarktrisiko
von über 20 Prozent empfohlen.
Doch auch hierzulande wird diskutiert,
ob die Pharmaindustrie – die an vielen
klinischen Studien beteiligt ist – deren
Schutzwirkung allzu positiv dargestellt
und Nebenwirkungen nicht sorgfältig
genug registriert hat. Gut möglich,
dass Mediziner die Medikamente nach
einer Neubewertung noch zurückhal
tender verordnen werden.
Derweil bleibt Betroffenen nur,
was die Leitlinien ohnehin vorsehen:
gemeinsam mit ihrem Arzt eine für sie
passende Entscheidung
zu treffen.
Bei Patienten, die bislang keine
Herz-Kreislauf-Komplikationen erlitten
haben, sollte dabei zunächst geklärt
werden, ob sie sich durch Rauchstopp, Blutdruckkontrolle, Ernährungs
umstellung und Bewegung genügend
schützen können. In ihre Entscheidung
pro oder kontra Cholesterinsenker
darf auch einfließen, ob sie eine jahrelange vorbeugende Tabletteneinnahme
für sich persönlich gutheißen.
Bei Patienten, die bereits einen
Herzinfarkt hatten, sind sich Experten
dagegen einig: Ihnen ist eine StatinTherapie durchweg zu empfehlen.
GEO 03 2017
MOMENTE DES AUFATMENS
In der Reha genießt es Daniel Baals, endlich aus dem Krankenhaus heraus zu sein. Seine Entlassung hatte sich
immer wieder verzögert: Mehrfach musste er eine der gefürchteten Pumpeninfektionen durchstehen
hat er das Gefühl, den Älteren um jeden
Preis verteidigen zu müssen. Er rastet aus.
„Wer sind Sie denn, dass Sie über Leben
und Tod entscheiden?“, schreit er die Mediziner an.
Die verlassen schweigend den Raum;
statt ihrer kommen Psychologen. Irgendwann akzeptiert Baals die angebotenen
Beruhigungstabletten; sprechen will er über
die Angelegenheit nicht. Abends weint der
Zimmernachbar, der psychologische Betreuung ebenfalls abgelehnt hat; Baals
versucht zu trösten.
D
I E M O N A T E V E R G E H E N . Baals
arrangiert sich mit seiner Situation,
spürt ein wenig mehr Lebenskraft. Nur im
Krankenhaus mag er nicht mehr sein.
„Wenn sie mich nicht wenigstens Weihnachten für einen Tag nach Hause lassen“,
sagt er entschlossen im Dezember, „dann
packe ich zwei Akkus und einen Ladestecker ein und türme.“
Er wird beurlaubt, obwohl sein Gesundheitszustand schlecht ist. Darf zum
ersten Mal nach der Operation einige
Stunden im privaten Umfeld verbringen,
erlebt Glanzstunden auf dem Sofa mit
Mutter, Geschwistern, Nichten, Neffen.
Im Februar 2016 – er hat eine weitere
schwere Pumpeninfektion hinter sich –
schafft er es endlich in das Reha-Zentrum
GEO 03 2017
Berlin-Seehof. Dort tritt er das Ergometer,
übt Treppensteigen, lässt sich in gesunder
Ernährung und Kabelhygiene schulen.
Nach drei Wochen zieht er wieder zu seiner Mutter, erleidet weitere drei Wochen
später auf dem Weg zum Supermarkt einen Schlaganfall, stürzt ins Gebüsch, wird
gefunden und behandelt, kommt mit ge ringen Schäden davon.
Schlaganfälle werden oft durch Blutgerinnsel ausgelöst, die zum Gehirn geschwemmt werden und sich dort festsetzen. Am LVAD – wo das Blut über
kantiges Metall strömt – bilden sich solche gefährlichen Gerinnsel besonders
leicht. Ärzte und Techniker arbeiten daran, diese Gefahr durch die Konstruktion
der Pumpen und durch Medikamente
möglichst klein zu halten.
Dennoch kann die absurde Situation
entstehen, dass ein Kunstherz zunächst die
Muskelkraft stärkt, vielleicht sogar einen
angegriffenen Geist aufblühen lässt, da das
Gehirn wieder besser durchblutet wird –
und dann die zurückgewonnenen Fähig keiten durch Schlaganfälle wieder zerstört.
Baals’ Schlaganfall ist glimpflich ver
laufen. Aber jetzt noch die Selbstoptimierung starten? Trainieren und fasten? Auf
eine Herzspende hoffen, bei der geringen
Chance, die so etwas hat, mit Aussicht auf
eine weitere große Operation?
Er hat all das aufgegeben. Traut es
sich einfach nicht zu. „Vorm Sterben habe
ich keine Angst mehr“, sagt er, „nach allem,
was ich durchgemacht habe.“
Wie so manche andere Medizintech nik auch, führt die Herzpumpe die Patien ten auf einen schmalen Grat. Sie gewährt
Lebensmonate, -jahre, zugleich beschwert
sie die gewonnene Zeit, frisst Lebensenergie. Aber für den, der vor der Entscheidung für oder gegen die Operation steht,
bleibt immer die Hoffnung, dass er selbst
zu denen gehört, die von dem kleinen Gerät profitieren.
Im August 2016 feiert Daniel Baals
seinen 39. Geburtstag. „Geschafft“, denkt
er morgens beim Aufwachen. Sein Plan
ist jetzt: einfach leben. Oft mit Groll, sicher. Gegen die Krankheit, die Ärzte, die
Welt.
Manchmal jedoch, minutenweise,
schiebt sich etwas wie Licht zwischen seine dunklen Gedanken: Das sei, sagt er,
wohl schlicht Dankbarkeit – für sein fragiles, gerettetes Dasein.
Die Autorin S U S A N N E P A U L S E N
und der Fotograf
GORDON WELTERS
waren beide schwer beeindruckt von
der ruhigen Routine des Operationsteams,
auch in heiklen Momenten.
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