Ordnung Storchschnabelartige, Geraniales

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Ordnung Storchschnabelartige, Geraniales
Die Ordnung der Geraniales, mitunter auch als Gruinales bezeichnet, bildet eine recht natürliche Pflanzengruppe, für deren Glieder ein engerer phylogenetischer
Zusammenhang unzweifelhaft ist, ungeachtet der neueren Bestrebungen, sie in 2 bis 3 einzelne Ordnungen aufzuteilen, obwohl eine exakte Umgrenzung der Sippen
mitunter auf größere Schwierigkeiten stößt.
Zu den Geraniales gehören sowohl Kräuter als auch
Holzgewächse, die gleichermaßen tropische, subtropische und gemäßigte Gebiete besiedeln. Die fünfzähligen
Blüten sind entweder radiär oder dorsiventral gestaltet
und mit einer doppelten, verschieden ausgebildeten, in
Kelch- und Kronblätter differenzierten Blütenhülle
versehen, die nur in selteneren Fällen reduziert ist. Sie
besitzen ferner in der Regel eine hypogyne, aus 2 bis
5 Fruchtblättern hervorgehende vielgestaltige Frucht.
Familie Limnanthesgewächse, Limnanthaceae
Nicht ganz gesichert ist die Zugehörigkeit der Limnanthaceen oder Limnanthesgewächse zu den Geraniales;
sie werden mitunter auch den Sapindales oder sogar
den Celestrales zugerechnet. Es sind lediglich in Nordamerika verbreitete, kleine einjährige Pflanzen, die nur
aus den beiden Gattungen Limnanthes mit 7 vorwiegend
in Kalifornien verbreiteten.Arten und der im östlichen
Nordamerika anzutreffenden monotypischen Gattung
Floerkea bestehen. Die durch weiße, gelbe oder rote
Blüten ausgezeichneten Arten der Gattung Limnanthes
werden gern als leicht anzuziehende Zierpflanzen,
gelegentlich wegen der etwas fleischigen, fiederig geschlitzten Laubblätter auch als Salatpflanzen kultiviert.
Familie Sauerkleegewächse, Oxalidaceae
Als mit Zwiebeln, Rhizomen oder Knollen ausgestattete
Kräuter, Halbsträucher oder recht selten auch Bäume
besiedeln die 8 Gattungen der Familie mit etwa 950
Arten die Tropen und Subtropen besonders der südlichen Halbkugel und strahlen von da in die südlich und nördlich angrenzenden gemäßigten Klimazonen aus. Die Pflanzen der Familie sind meist durch
gefingerte oder gefiederte Blätter, die oft Reizbewegungen ausführen können, ausgezeichnet und mit Drüsenhaaren oder lysigenen Sekretlücken versehen. Die
fünfzähligen Blüten findet man in der Regel in axillären
Blühende Pflanze von Limnanthes douglasii
13
Ausschnitt aus einer Pflanze von Oxalis rusciformis zur
Blütezeit
zymösen Blütenständen vereinigt, mitunter auch auf
Einzelblüten reduziert. Die Staubblätter stehen zu 10,
meist in 2 Kreisen und sind an der Basis ringförmig
vereinigt; die längeren Staubblätter tragen oft zähnchenartige Anhänge. Der Fruchtknoten ist aus 3 oder
5 Fruchtblättern verwachsen, mit einer kopfigen Narbe
versehen und enthält je Fach 2 bis viele Samenanlagen.
Die Früchte sind meist fachspaltig aufspringende Kapseln, oft mit zusätzlichen Vorrichtungen zum Herausschleudern der Samen; nur selten werden fleischige
Beeren innerhalb der Familie angetroffen.
Die Familienbezeichnung leitet sich von der sehr umfangreichen Gattung Oxalis, dem Sauerklee ab, deren
Arten durch Vorkommen von Oxalsäure ausgezeichnet
sind.
Die heute noch auf der Erde vorhandenen Oxalidaceen
bilden vermutlich einerseits Reste einer in früheren
Erdperioden bedeutend zahlreicher und stärker entwickelten Formengruppe, andererseits aber auch in
jüngerer Zeit differenzierte Sippenkreise. Fossile Fruchtreste konnten allerdings bisher noch nicht mit völliger
Sicherheit dieser Familie zugeordnet werden.
Im gesamten Tropengebiet werden jetzt die beiden Arten
der Gattung Averrhoa als Nutzpflanzen kultiviert, ursprünglich wild wohl in Malesien oder Südamerika
vorkommend. Es sind kleinere, etwa 10 bis 12 m Höhe
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erreichende Bäume mit gefiederten Blättern. Aus den
in zymösen Blütenständen angeordneten Blüten gehen
eiförmige bis länglich gestaltete, fleischige, eßbare
Beeren hervor, wovon auch die Bezeichnung »Gurkenbäume« für diese Gattung abgeleitet wird. Durch vierbis fünfpaarige Fiederblätter und im reifen Zustand
durchscheinend bernsteingelbe, mit scharf fünfkantigen
Längsrippen versehene Früchte zeichnet sich Averrhoa
carambola aus (s. Farbbild 1). Die sehr sauer
schmeckenden, aber aromatischen, enteneigroßen Karambolafrüchte sind ein sehr häufig verwendetes erfrischendes
Genußmittel, sie werden aber vielfach auch mit Zucker
eingekocht und ergeben dann ein Kompott von stachelbeerähnlichem Geschmack. Der Fruchtsaft dient zur
Bereitung durststillender Getränke. Nach neueren Angaben soll auch eine süßschmeckende Karambolafruchtrasse vorkommen.
Die andere Art, Averrhoa bilimbi, weist dagegen Blätter
mit 10 bis 20 Paar Fiedern und eine stumpfkantige
Frucht von geringerem Durchmesser auf, so daß beide
Arten sich schon von weitem unterscheiden lassen. Die
fingerlangen, etwa ähnlich starken Bilimbifrüchte sind
gelblichgrün, gurkenähnlich und ebenfalls recht sauer
im Geschmack. Mit Zucker eingekocht, werden sie vor
allem als Beigabe zu Reis verwendet. Angeblich sollen
hiervon ebenfalls süßfrüchtige Rassen existieren.
Auch bei der Gattung Averrhoa sind Schlafbewegungen
der Fiederblättchen bekannt, die gleichfalls durch
Berührungsreize ausgelöst werden können.
Aus wenig- oder unverzweigten, niedrigen, teilweise
holzigen Pflanzen besteht die pantropisch (mit Ausnahme von Polynesien) verbreitete Gattung Biophytum,
die 50 Arten umfaßt. Die charakteristisch an den Enden
der Triebe rosettig angeordneten Fiederblätter haben
keine Endfieder, da diese zu einer Borste reduziert ist.
Die meist gelben Blüten sind in scheindoldigen oder
kopfigen Blütenständen vereinigt.
In Südasien, Afrika und Madagaskar weit verbreitet,
auch in unseren Gewächshäusern vielfach anzutreffen
ist Biophytum sensitivum, eine nur kleine, bis 10 cm
hohe Pflanze. Sie zeichnet sich vor allem durch stärkere
Reizbewegungen der Fiederblättchen aus, die vorwiegend durch Stoß- und Wundreize ausgelöst werden,
wobei sich die Blättchen nach abwärts senken und
den Reiz von der Ausgangsstelle weiterleiten. Dabei
steht nach den Untersuchungen von Haberlandt die
Reizauslösung in enger Beziehung zu den größeren Borstenhaaren auf der Blattspindel und den Fiederblättchen.
Weitaus die umfangreichste Gattung der Familie ist die
äußerst vielgestaltige Gattung Oxalis, die mit 850 Arten
weite Verbreitung gefunden hat; besonders zahlreich
ist sie in den Anden, in Brasilien und Mexiko sowie in
Südafrika anzutreffen. Sie umfaßt sowohl einjährige als
auch ausdauernde Pflanzen, oft mit knolligen, zwiebelartigen oder ungegliederten Wurzelstöcken oder Halbsträucher, die mit wechselständigen, oft zu einer basalen
oder apikalen Rosette vereinigten, handförmig geteilten oder fiederteiligen Laubblättern versehen sind. Die
Blütenstände bestehen aus 1 bis 20 entweder gelben,
rosa, violetten oder seltener weißen Einzelblüten. Neben
reichlichem Gehalt an Oxalsäure, weswegen die Pflanzen vielerorts als Hausmittel gebraucht werden, sind
Schlafbewegungen innerhalb der Gattung weit verbreitet.
Leitart der Gattung Oxalis ist der Waldsauerklee, auch
als Hasen- oder Kuckucksklee bezeichnet, Oxalis
acetosella, eine in den Laubwäldern Eurasiens und
Nordamerikas häufig anzutreffende mehrjährige Pflanze
mit einem zarten, horizontal wachsenden Wurzelstock
und weißen, schwach geäderten Blütenblättern sowie
dreiteiligen Laubblättern, wodurch sie habituell etwas
an Trifollum erinnert. Die Laubblätter dieser Art dienten früher im Schwarzwald zur Bereitung technischer
Oxalsäure, wobei 1,5 Zentner Blattmasse 500 g Oxalsäure ergaben. Als heraldisches Emblem findet sich die
Pflanze im Wappen Irlands und wird am 17. März,
dem Tag des Schutzpatrons, des Heiligen Patrick, am
Hute getragen. Früher hat man sie dort auch des säuerlichen Geschmackes wegen rein oder in Beigaben als
frischen Salat genossen.
Ursprünglich in Nordindien und Südwestchina beheimatet ist der Hornsauerklee, Oxalis corniculata, der
heute in allen wärmeren Zonen als Unkraut betrachtet
werden kann. Er besiedelt mit seinen schwächlichen,
gelbblühenden Pflanzen auch Kulturland. Als rotblühende Art, zugleich eine Charakterpflanze Chiles, ist
Oxalis rosea erwähnenswert.
Durch einen dicken, fleischigen bis holzigen, oft nur an
der Spitze beblätterten Stamm und xerophytische Anpassungserscheinungen zeichnen sich die in Chile, Peru
und Bolivien beheimateten Arten Oxalis carnosa und
Oxalis paposana aus. Sie finden sich vornehmlich in
Felsspalten der chilenischen Küste. Besonderes Interesse erweckt auch der 1,5 m Höhe erreichende holzige
und verzweigte Strauch der gelbblütigen Oxalis gigantea, den man vornehmlich in der Wüste Atacama antrifft.
Bis zur Höhe von 4 000 m und dadurch an hochalpine
Androsace- oder Saxifraga-Arten erinnernd, steigen die
in den Kordilleren verbreiteten, durch einen fast rasenartigen Wuchs gekennzeichneten Arten Oxalis compacta
und Oxalis incana an. Sie bilden mitunter steinharte
Polster. Als weitere pflanzengeographische Besonderheit ist ferner auf Oxalis magellanica hinzuweisen, deren
Verbreitungsgebiet von Südamerika (Chile) über Südaustralien, Tasmanien und Neuseeland bis in die Antarktis reicht.
Wegen der vierzähligen Laubblattfiedern werden in
unseren Gärtnereien als sogenannter »Glücksklee« die
ursprünglich aus Mexiko stammenden Arten Oxalis
deppei und Oxalis tetraphylla vielerorts kultiviert. Die
Pflanzen von Oxalis deppei erzeugen basal zahlreiche
zwiebelartige Brutsprosse, die früher in Mexiko zusammen mit der rübenförmigen, saftigen Wurzel als Gemüse
verzehrt wurden.
Unter der Bezeichnung »Oca« sind die großen, stärkereichen Knollen der in den Anden von Kolumbien bis
Bolivien und in Chile verbreiteten Oxalis tuberosa in
diesen Höhengebieten noch heute ein wichtiges Nah-
rungsmittel der einheimischen Bevölkerung. Die Pflanze
hat purpurrote Blüten und etwa fußhohe oberirdische
Stengel, die ebenso wie die Rhizomknollen verspeist
werden.
Familie Storchschnabelgewächse, Geraniaceae
Diese eng mit den Oxalidaceen und Tropaeolaceen verwandte Familie ist mit 11 Gattungen und 780 Arten in
den gemäßigten Gebieten aller Erdteile anzutreffen.
Es sind vorwiegend Kräuter oder Halbsträucher — recht
selten sind Bäume darunter — mit spiralig ansitzenden,
gelappten oder geteilten, meist mit Drüsenhaaren besetzten Blattspreiten. Der Blattstielbasis sitzen meist
Nebenblätter an.
Auch hier stehen die fünfzähligen, zwittrigen, meist
regelmäßigen Blüten selten einzeln, sondern sind in der
Regel in zymösen Blütenständen angeordnet. Oft trägt
eines der Kelchblätter eine als Sporn bezeichnete
sackartige Erweiterung. Kapselfrüchte kommen innerhalb der Geraniaceen recht selten vor, dafür treten fünfbis zweilappige Spaltfrüchte auf, die um eine stehenbleibende Mittelsäule herum in einsamige, oft mit einer
Grannenbildung versehene Teilfrüchte zerfallen, deren
hygroskopische Eigenschaften ein Zurückschnellen und
dadurch ein plötzliches Ausschleudern der Samen ermöglichen.
Allein 375 Arten umfaßt die namengebende Gattung
Geranium, auch im Volksmund wegen der einem Storchenschnabel ähnlichen Spaltfrüchte Storchschnabel
benannt, deren Grannen sich beim Austrocknen spiralig
einrollen. Doch sind die Verbreitungsweisen der Samen
bzw. Früchte innerhalb der Gattung recht mannigfaltig, teils mit Samenschleuder-, teils mit Fruchtschleudereinrichtungenversehen. Das Verbreitungsareal
der Gattung gleicht der eines Kosmopoliten, konzentriert sich aber in den Tropen auf die höheren Gebirgslagen, lediglich die Südseeinseln und die höchsten Breiten
sind hiervon ausgenommen. Besonders zahlreich tritt
die Gattung in Ostasien, Nordamerika sowie im subtropischen Südamerika auf, während sie in Australien
und dem Monsungebiet nur relativ artenarm vertreten
ist. Die Blattspreiten sind innerhalb der Gattung durchgehend fingerartig geteilt.
Eine Charakterpflanze der Gebüschformation im gemäßigten Eurasien bildet Geranium robertianum, das
Ruprechtskraut, neben Geraniumpusillum und Geranium
sanguineum. Geranium tuberosum hingegen ist eine
bekannte Steppenpflanze und vorwiegend im östlichen
Mittelmeergebiet anzutreffen.
Gegenüber der Gattung Geranium zeichnet sich die einbis mehrjährige Kräuter umfassende Gattung Erodium,
auch Reiherschnabel genannt, durch sich schraubig einrollende Grannen aus. Das Verbreitungsgebiet umfaßt
ganz Europa bis zu 66° nördl. Breite sowie das südliche
Sibirien bis an die japanische Küste und erstreckt sich
auch auf das mediterrane Asien und Afrika bis nach
Tibet. Von den 60 Arten der Gattung seien hier, um die
Breite des Besiedlungsraumes aufzuzeigen, einige be15
Ausschnitt aus einem Bestand des Waldstorchschnabels. Geranium silvaticum
sonders erwähnt. So ist Erodium cicutarium eine weit
verbreitete, sehr polymorphe eurasische Pflanze, die
heute fast kosmopolitisch verschleppt vorkommt. In
Nord- und Südamerika findet sogar ein Anbau statt,
um als Heu speziell an Schafe verfüttert zu werden.
Ebenfalls weit verschleppt findet sich die aus dem Mittelmeerraum stammende Art Erodium moschatum, der
Moschus-Reiherschnabel, dessen früher häufigerer Anbau stark zurückgegangen ist. Man nutzte die duftenden Blätter sowohl als Gewürz als auch als Heilmittel.
Ausgesprochene Strandpflanzen sind Erodium littoreum
und Erodium maritimum, während Erodium hirtum und
Erodium bryoniaefolium typische Steppen- und Wüstenpflanzen darstellen. Auf Südafrika beschränkt ist das
ziemlich isolierte Verbreitungsgebiet von Erodium
incarnatum.
Dürre sandige Stellen in den Wüsten und Steppen ganz
Afrikas bis nach Indien besiedeln die etwa 30 Arten
der Gattung Monsonia. Die hierzu gehörigen ein- bis
mehrjährigen Kräuter sowie niedrigen Stauden zeichnen sich durch die vermehrte Anzahl von 15 Staubblättern je Blüte aus, die zu je 3 an der Basis ihrer Filamente verwachsen sind.
Ausgesprochen kräftige Büsche bilden als Wüstenpflanzen die 6 Arten der Gattung Sarcocaulon, die ausschließlich in Süd- und Südwestafrika, speziell im Großen Namaland, angetroffen werden. Durch einen knorrigen, etwas fleischigen und wurstartig eingeschnürten,
wasserspeichernden Stamm, der den extrem trockenen
Standorten angepaßt ist, und die nach dem Abfall der
Blattspreiten verbleibenden und verhornenden, sehr
festen, starken Blattstiele sowie durch die kurzlebigen,
16
weißen, gelben oder roten Blüten bieten die Pflanzen
einen unverkennbaren, bizarren Anblick. Auch hier sind
wie bei der Gattung Monsonia 15 Staubblätter je Blüte
nachweisbar, die jedoch kaum verwachsen, sondern
fast völlig frei sind. Unter der Bezeichnung Candle Bush
ist die Art Sarcocaulon burmannii und als Bushman's
Candle (Buschmanns Kerze) Sarcocaulon rigidum bekannt geworden. Bei beiden Arten ist der die Stämme
umhüllende dicke Korkmantel so stark mit Harz und
Wachs getränkt und erfüllt, daß die Pflanzen ohne vorherige Trocknung dem Boden entnommen und wie eine
Kerze angezündet werden können.
Im Gegensatz zu den bisher betrachteten Geraniaceen
mit regelmäßig fünfzähligen Blüten sind diejenigen der
Gattung Pelargonium dorsiventral gebaut und besitzen
einen dem Blütenstiele angewachsenen Sporn. Die
etwa 250 Arten werden vorzugsweise in Südafrika angetroffen, 3 Arten in Australien und Neuseeland sowie
das rosablütige Pelargonium endlicherianum in Anatolien. Es sind ein- bis mehrjährige Kräuter oder Stauden
mit fingerartig oder fiederartig geteilten Blättern und
zumeist in Dolden angeordneten Blüten ohne Honigdrüsen.
Noch im 18. Jahrhundert begann man innerhalb der
Gattung Pelargonium mit einer sehr erfolgreich betriebenen Bastardzüchtung. Von der damaligen Fülle an
Hybriden überdauerten noch heute allgemein beliebte
und bekannte Sorten als Garten-, Beet- und Balkonpflanzen, die im Volksmund irrtümlich öfters als
»Geranien« bezeichnet werden. Führend in dieser
Zuchtrichtung waren anfänglich die Gärtnereien von
Colville in Chelsea (England).
Als eine der ältesten dieser Züchtungs- und Kultursippen dürften die relativ niedrigen, mit hängenden oder
niederliegenden Stengeln und fleischigen glänzenden
Blättern versehenen Hänge- oder Efeu-Pelargonien,
auch als Pelargonium peltatum-Hybriden bezeichnet,
zu betrachten sein. Sie sind aus dem in Südostafrika
heimischen und bis in den Mittelmeerraum vordringenden Pelargonium peltatum hervorgegangen, das bereits
1701 in England im Garten der Herzogin von Beaufort
kultiviert wurde.
Etwa gleichaltrig dürften die Zonalpelargonien, auch
Pelargonium zonale-Hybriden, sein, die durch wiederholte Kreuzungen zwischen Pelargonium zonale sowie
Pelargonium inquinans und deren Hybriden hervorgingen. Sie stellen die gärtnerisch wichtigsten Typen
der Kulturpelargonien dar. Seit 1710 war Pelargonium
zonale ebenfalls bei der Herzogin von Beaufort in Kultur
An dritter Stelle sind die Edelpelargonien oder Englischen Pelargonien anzuführen, die auch unter der Bezeichnung Pelargonium grandiflorum-Hybriden gehandelt werden. Sie gehen auf Kreuzungen zwischen
Pelargonium grandiflorum mit verschiedenen anderen
Arten wie Pelargonium cucullatum, Pelargonium cordatum und Pelargonium angulosum zurück. Von diesen gelangte Pelargonium grandiflorum aus der Sammlung des Grafen Hibbert 1734 nach Kew, während
Pelargonium cucullatum schon 1690, Pelargonium angulosum 1724 und Pelargonium cordatum erst 1774 in
Chelsea nachweisbar waren. Die auffallend großen,
meist mit dunklerfarbigen Flecken versehenen Blüten
zeichnen diese Pelargoniensippe besonders aus.
Zeitlich jüngstes Züchtungsprodukt sind die ZonalePeltatum-Hybriden, die auf die seit 1805 als Pelargonium
pinguifolium bezeichnete Pelargoniensippe zurückgehen,
im Handel aber nicht die Bedeutung der vorgenannten
Züchtungen erlangt haben.
Unter den Wildarten der Gattung Pelargonium sei
speziell noch auf das sukkulente Pelargonium crassicaule
aus Südwestafrika hingewiesen. Dessen kurze, dicke,
verzweigte und holzige Stämme, die nur 10 bis 15 cm
Höhe erreichen, tragen jeweils nur zeitweilig die grauen
Laubblätter, von denen lediglich die mehrere Millimeter großen stachligen Nebenblätter persistieren. Man
trifft die durch weiße Blüten mit Purpurflecken ausgezeichnete Pflanze öfters in Sukkulentensammlungen
an.
Handelswirtschaftlich von einiger Bedeutung ist außer
einigen weiteren Arten das Rosen-Pelargonium, Pelargonium radula, aus Südafrika, das mitunter — so vor
allem in Südeuropa und in Gebirgsgegenden — auch
öfters als Topf- und Zimmerpflanze gezogen wird. Dieser bis etwa 1,5 m hohe Strauch mit weichholzigen Ästen
und handförmig geteilten Blättern besiedelt vornehmlich den Süden und Südwesten der Kapprovinz und ist
durch steife Borstenhaare und zahlreiche kurze Drüsenhaare auf den Blattspreiten gekennzeichnet, denen
ein rosenähnlicher Duft bei Berührung entströmt. Bereits 1774 gelangte die Pflanze nach England.
Wegen dieses rosenartigen Duftes wird ebenso ein
2 Höhere Pflanzen 2
Bastard von Pelargonium radula — vermutlich mit
Pelargonium graveolens — in Nordafrika (Algerien),
Kleinasien, Südfrankreich sowie auf den Inseln Sizilien,
Korsika und Reunion im großen angebaut, um mittels
Wasserdampfdestillation das Echte Geraniumöl, das
auch je nach Herkunft als französisches, afrikanisches,
korsikanisches oder Reunion-Geraniumöl bzw. Rosenöl gehandelt wird, zu gewinnen. Es findet zur Parfümherstellung sowie in der Kosmetik und Seifenfabrikation Verwendung.
Familie Kapuzinerkressengewächse,Tropaeolaceae
Diese Familie besteht lediglich aus 2 Gattungen, die
mit 80 Arten vornehmlich Südamerika besiedeln. Dort
werden sie vom tropischen Regenwald bis in die Trokkengebiete und selbst bis zur Schneegrenze der Anden
angetroffen, und zwar von Südchile ausgehend den
gesamten Subkontinent durchdringend. Nur wenige
Arten greifen auch auf Mittelamerika über.
Es sind durchweg saftige, meist kletternde Kräuter,
die mitunter Knollen ausbilden. Die wechselständigen,
ungeteilten, oft schildförmigen oder gelappten bis
handförmig geteilten Laubblätter sind mit sehr langen
Blattstielen versehen, die oft in die Kletterfunktion einbezogen werden können. Die aus 5 Kelch- und Kronblättern mit Saftmalen und 8 Staubblättern bestehenden dorsiventralen Blüten sind in der Regel langgestielt und mit einem längeren oder kürzeren geraden,
oft auch am Ende etwas gekrümmten Sporn versehen,
der aus der Blütenachse hervorgeht und die charakteristische zipfelförmige Gesamtform der Blüte bedingt.
Als Blütenfarben herrschen gelbe bis rotbraune Farbtöne vor, nur selten werden blaue angetroffen, so bei
Tropaeolum azureum und Tropaeolum violaeflorum.
Die aus 3 Fruchtblättern gebildete, mit einem Griffel und
3 Narbenästen versehene Frucht zerfällt bei der Reife
zumeist in 3 einsamige Schließfrüchte mit schwammiger, oft gerippter oder fleischiger Fruchtwand.
Ein Charakteristikum ist ferner der scharfe, kresseartige Geschmack, der, durch das ätherische Kresseöl
bedingt, allen Pflanzenteilen eigentümlich ist. Durch die
Einwirkung des in besonderen Zellen gespeicherten
Enzyms Myrosin bildet sich aus dem Senfölglukosid
Glucotropaeolin Benzylsenföl, das mit dem in der
Gartenkresse ( Lepidiurn sativum) vorhandenen identisch ist. Darin drückt sich eine nahe verwandtschaftliche Beziehung zu den Cruciferen und Kaperngewächsen aus.
Von den rund 80 Arten der Gattung Tropaeolum oder
Kapuzinerkresse — so benannt nach der durch den
Sporn zipfelartig ausgezogenen Blütenform, die einer
Mönchskapuze ähnelt — weisen die einschließlich ihrer
Hybriden oft als Zierpflanzen angebauten Arten Tropaeolum majus, die Große Kapuzinerkresse, Tropaeolum
minus, die Kleine Kapuzinerkresse, und Tropaeolum
peltophorum weder Knollen noch Rhizome auf. Von
Peru bis Kolumbien werden sie ebenso wie die zur Begrünung von Lauben, Zäunen u. a. oft verwendete Art
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Zweigstück der gelb bis orangerot blühenden Großen Kapuzinerkresse, Tropaeolum majus, einer häufig kultivierten Balkonund Gartenpflanze
Tropaeolum peregrinum wild angetroffen. Alle genannten Arten gehören mit zu den ältesten und am längsten
bekannten unserer Gartenpflanzen.
Beispielsweise wird Tropaeolum minus spätestens seit
1575 in Europa angebaut, damals noch unter der
Bezeichnung Nasturtium indicum. Lobelius bildete die
Pflanze bereits in seinem 1576 erschienenen Kräuterbuche ab, während Dodonaeus 1574 Tropaeolum peregrinum durch einen Holzschnitt bekanntmachte. Die
zuletzt erwähnte Pflanze tauchte jedoch erst um 1790
verbreiteter in europäischen Gärten auf. Die heute hier
vorwiegend kultivierte Große Kapuzinerkresse, Tropaeolum majus, kam dagegen erst um 1685 nach Europa
— zuerst wohl nach Belgien und England — und wurde
erstmalig von P. Hermann beschrieben und abgebildet.
Ihre Blütenknospen sowie jungen Früchte werden in
Salzwasser oder Essig eingelegt, ähnlich wie die Kapern
zum Würzen von Speisen verwendet oder dienen zum
Verfälschen der echten Kapern.
Kaum als Zierpflanzen, dagegen mehr als Nahrungspflanzen verwendet werden die mit Knollen oder
Rhizomen versehenen Tropaeolum-Arten. Neben dem in
Chile und Argentinien beheimateten, mit niederliegenden Stengeln versehenen gelbblühenden Tropaeolum
polyphyllum, das bis 46° südl. Breite vordringt und eine
lange, rübenförmige Wurzel besitzt, und dem von Boli18
vien über Mittelbrasilien, Paraguay und Uruguay bis
Argentinien verbreiteten, scharlachrot blühenden Tropaeolum pentaphyllum sowie dem in Chile kultivierten
Tropaeolum leptophyllum ist an erster Stelle Tropaeolum
tuberosum zu nennen. Während die ersten beiden Arten
nur gelegentlich gesammelt werden, baut man Tropaeolum tuberosum mit größeren, birnförmigen, gelben, rot
marmorierten Ausläuferknollen von Chile bis Kolumbien vor allem in den Bergregionen in größerem Ausmaß an, wo sie unter den Bezeichnungen Maca, Mayua,
Drei der eßbaren Knollen von Tropaeolum tuberosum mit
den ähnlich wie bei manchen Kartoffelsorten von Wülsten
überwölbten »Augen«
Mashua ein wichtiges stärkereiches Nahrungsmittel
der dort lebenden Indianerbevölkerung darstellen. Versuche, die Knollen auch in Europa an Stelle von Kartoffeln einzuführen, scheiterten wiederholt an ihrem
nach unserem Empfinden recht unangenehmen und wie
parfümiert erscheinenden Geschmack.
Um die sehr wäßrigen Rhizomknollen längere Zeit
haltbar zu machen, setzt man sie in ihren Anbaugebieten, nachdem sie gekocht wurden, auf den Hausdächern
den Winterfrösten aus und läßt sie völlig durch- und
ausfrieren, um sie dann in luftdurchlässigen Säckchen
unbeschadet für längere Zeit verwahren zu können.
In gefrorenem Zustand werden sie auch gern von den
Kindern mit Honig oder Rohrzuckersaft übergossen
und ähnlich wie »Speiseeis« verzehrt.
Von der Gattung Tropaeolum unterscheidet sich die
nur aus einer einzigen Art bestehende Gattung Magalana
durch mit 3 breiten Flügeln versehene Früchte. Die
ebenfalls mit Knollen und gelbgrünen Blüten ausgestattete kletternde Art Magalana porifolia ist in Patagonien verbreitet.
Familie Jochblattgewächse, Zygophyllaceae
Zu dieser Familie gehören viele Xerophyten und
Halophyten, die als Charakterpflanzen der Wüsten und
Salzsteppen bekannt geworden sind. Die Familie umfaßt 30 Gattungen mit 250 Arten, die die trockeneren
subtropischen Gebiete beider Erdhälften besiedeln und
bis in die tropischen Zonen vordringen. Es sind Sträucher oder Halbsträucher, seltener trifft man unter ihnen
Bäume oder einjährige Kräuter an. Die meist gegenständigen Blätter sind durch stehenbleibende, oft dornige Nebenblätter ausgezeichnet. Zum Unterschied zur
Familie der Kapuzinerkressengewächse haben sie meist
radiär gebaute zwittrige Blüten mit doppelt so vielen
Staubblättern wie Kronblättern. Der mehrfächerige
Fruchtknoten birgt eine bis viele zentralwinkelständige
Samenanlagen. Die reife Frucht ist eine Kapsel, seltener werden Beeren, Steinfrüchte oder Teilfrüchte vorgefunden. Nähere verwandtschaftliche Beziehungen
bestehen eventuell auch zur Familie der Rautengewächse, von denen sich die Zygophyllaceen vor allem
durch Vorkommen von Nebenblättern und das Fehlen
von Ölbehältern unterscheiden.
Im Mittelmeergebiet bis Ostasien sowie in Mexiko ist
die aus 6 Arten bestehende Gattung Peganum verbreitet. Als wichtigste Art muß Peganum harmala — auch
als Harmelstaude oder syrische Raute bezeichnet erwähnt werden, eine echte Steppenpflanze, die von den
Steppengebieten des Mittelmeerraumes bis in die
Dsungarei und Tibet anzutreffen ist. Man findet sie
auch im Süden Frankreichs eingebürgert. Die 30 bis
40 cm hoch werdende Pflanze mit den relativ großen
Blüten wächst recht gesellig. Aus den Zellen der mittleren Schicht der Samenschale gewinnt man die in ihnen
als Phosphat vorhandenen Alkaloide Harmalin und
Harmin. Das etwas schwächer als Harmalin wirkende
Alkaloid Harmin wird neuerdings als Heilmittel ange2*
Ausschnitt aus einem blühenden Exemplar von Zygophyllum
fabago
wendet. Es ist ein auf das Zentralnervensystem von
Warmblütlern in schwachen Dosen erregend wirkendes
und Halluzinationen hervorrufendes, in größeren Dosen
Krämpfe und Lähmungen auslösendes Gift, das auch
die Speichelsekretion vermehrt. Man vermag durch das
Alkaloid die Folgen der epidemischen Encephalitis zu
beeinflussen. Als schweißtreibendes und berauschend
wirkendes Mittel sowie als Antiwurmmittel finden mancherorts die Samen Verwendung, die in der Türkei auch
als Gewürz benutzt werden.
Nur 2 Arten umfaßt die Gattung Chitonia. Es sind durch
eine dichte graue Behaarung besonders auffällige
Sträucher, die nur in Mexiko vorkommen und sich
durch ihre endständigen, großen violetten Blüten und
die großen, lederartigen Kapseln auszeichnen.
Die Wüsten und Steppen Ägyptens, Vorderasiens,
Transkaspiens, Turkestans sowie der Dsungarei werden
im Frühjahr durch Tetradiclis tenella besiedelt, eine
nur aus dieser einzigen Art bestehenden Pflanzengattung. Diese einjährige, kleine sukkulente krautige
Pflanze ist basal oft quirlig verzweigt und bildet sehr
zahlreich kleine Blüten, deren drei- bis vierzähniger
Kelch persistiert.
Ebenfalls einjährig, krautig mit auffallend keulenförmigen, gegenständigen Blättern an stielrunden Zweigen
sowie eine gute Viehfutterpflanze ist Augea capensis,
19
0.1
,•:13
die einzige Art der monotypischen Gattung Augea. Die
Pflanze kommt in der Karoo-Wüste sowie auf den Salzböden Botswanas (Betschuanaland) und in der Küstenwüste Namib vor.
Die namengebende Gattung Zygophyllum ist mit 90
Arten in den Wüsten und Steppen der Alten Welt mit
Nordafrika und Zentralasien als speziellen Mittelpunc
ten verbreitet. Es sind reich verzweigte, ausgebreitet
oder niederliegend wachsende Büsche oder kleine mehrjährige Sträucher mit fleischigen Zweigen, gegenständigen, wenigpaarig gefiederten Blättern sowie 2 zuweilen
dornig ausgebildeten Nebenblättern und weißlichen
oder gelblichen Blüten. Anstelle von Kapern verwendet
man die Blütenknospen von Zygophyllum fabago als
Gewürz und legt sie entsprechend in Olivenöl oder
Essig- bzw. Salzwasser ein. Als Volksheilmittel wird
das Kraut von Zygophyllum simplex in Arabien gegen
die dort vielfach bei der Bevölkerung anzutreffenden
Hornhautflecke angewendet.
Auf Amerika griffen die 40 Arten der Gattung Fagonia
über. Außer den Steppen und Wüsten des Mittelmeerraumes und Südwestafrikas besiedeln sie auch das
südliche Nordamerika, Mexiko und Chile. Es sind sehr
stark verzweigte, niederliegende oder aufrechte Kräuter
mit holziger Achse, abstehenden Zweigen, meist dreiteiligen Blättern und oft rosafarbigen oder violetten,
langgestielten Blüten. Fagonia cretica wird ausschließlich auf den Kanaren, Kreta sowie Zypern angetroffen.
Durch Bäume oder Sträucher mit recht hartem Holz
ist die Gattung Guajacum ausgezeichnet. Die lederartigen Laubblätter sind in 2 bis 14 Fiederchenpaare
gegliedert, und die endständigen, langgestielten Blüten
haben eine bläuliche oder rötliche Farbe. Von den
6 Arten dieser Gattung sind als Nutzpflanzen besonders
Guajacum officinale und Guajacum sanctum bemerkenswert (s. Farbbild 2). Beide liefern das Guajak- oder
Pockholz, auch als Franzosenholz bezeichnet, das wegen
seiner Schwere, Dauerhaftigkeit und Festigkeit (spez.
Gewicht 1,55) früher besonders geschätzt wurde und
noch heute zu vielerlei technischen Zwecken Verwendung findet. Das offizinelle Guajakharz ist ausschließlich in dem grünlichbraunen, gewürzartig scharf riechenden und bitter schmeckenden Kernholz vorhanden
und fließt bei Verletzung der Pflanze in großer Menge
aus. Die leichte Löslichkeit dieses Harzes in Äther,
Alkohol, Chloroform, Kreosot und Alkalien läßt mannigfache Anwendungsmöglichkeiten zu. Das beste
Guajakholz liefert die Insel St. Domingo, während
Haupthandelsplatz für das weniger harzreiche Holz
von Guajacum sanctum die Bahamainseln bilden.
Guajakholz ist ferner der Hauptbestandteil des sogenannten Holztees, dessen Wirksamkeit auf dem
Guajakharz beruht.
Die 3 Arten der Gattung Porlieria liefern ebenfalls ein
wegen seiner Festigkeit geschätztes Nutzholz. Ihr Verbreitungsgebiet ist auf Mexiko und das andine Südamerika beschränkt. Es sind sparrig verzweigte Sträucher mit kurzen Zweigen, die die Eigentümlichkeit aufweisen, daß die paarig gefiederten Laubblätter auf der
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dem Licht zugewendeten Seite paarweise gen
Außerdem weisen die Pflanzen kleine, dorni
blätter und dreiblütige Trugdöldchen auf.
lorentzii ist Charakterstrauch der Kaktuszoi
vien von Pampagrande bis Cholon. Außer
wird auch die Wurzelrinde besonders von
angustifolia genutzt, die als Waschmittel dien
die Pflanze auch unter dem Namen soap-bus
geworden ist. Die dritte Art der Gattung.
hygrometrica, im andinen Peru und Chile
ist durch nastische Bewegungen der 5 bis 8 F
paare bei feuchter Witterung auffällig.
Die Gattungen Guajacum und Porlieria ke
Blattresten aus dem Tertiär in Südamerika f
gewiesen werden, während Früchte der
Zygophyllum sowie Guajacum aus dem ni(
schen Oligozän bekannt wurden.
Ebenfalls Bäume oder Sträucher bildet di∎
umfassende Gattung Bulnesia, deren Fiedert
unter frühzeitig abfallen, so daß die Sträu
einen besenginsterartigen Eindruck erwe
Pflanzen werden im Buschwald, in den Step
tiniens, in der Atacama-Wüste sowie in Chil
Paraguay angetroffen. Als Lieferant für d
festes, dem Guajakholz in den Eigenschaften
liches Holz kommen vor allem die beiden
nesia arborea und Bulnesia sarmienti in Bet
Holz der erstgenannten Art ist auch unter d
Veraholz oder Maracaibo-Pockholz bekann
besonders in den Mimosensavannen in
und Venezuela geschlagen, während das der
Stelle genannten Art auch als Palo balsamo,
Paraguay Lignum oder Argentinisches P
Handel geführt wird und meist aus dem
von Argentinien stammt. Das tiefbraune
wird vor allem in der Drechslerei geschätz
klein gespaltenen Holz von Bulnesia sarmie
man außerdem ein ätherisches Öl, das in d
industrie Verwendung findet.
Während das Laub der in den Trockenge
amerikas beheimateten 5 Arten der Gatt
vom Vieh gemieden wird, findet es in der V
der Eingeborenen Anwendung, vor allem
in den Südwesten der USA und Mexiko aus
Art Larrea tridendata. Man gebraucht die
Blätter, die in diesem Zustand einen jodarti
haben, zur Heilung von Druckschäden der
und Zugtiere sowie als Heilmittel bei Gicht u
Außerdem dient ein aus den Blättern der
gestellter Saft als Pfeilgift. Die in Essig ei
Blütenknospen werden ebenfalls als Ersatz
verwendet.
Die Gattung Tribulus, auch Bürzeldorn
stachelnuß wegen der häufig stacheligen
nannt, besiedelt als meist einjährige xerop
derliegende Kräuter mit 20 Arten die nord
vorderasiatischen Steppengebiete sowie Sü
Art Tribulus terrestris findet man jetzt in all
Gebiete verschleppt, während Tribulus c
allem an den Küsten des tropischen A
die einzige Art der monotypischen Gattung Augea. Die
Pflanze kommt in der Karoo-Wüste sowie auf den Salzböden Botswanas (Betschuanaland) und in der Küstenwüste Namib vor.
Die namengebende Gattung Zygophyllum ist mit 90
Arten in den Wüsten und Steppen der Alten Welt mit
Nordafrika und Zentralasien als speziellen Mittelpunc
ten verbreitet. Es sind reich verzweigte, ausgebreitet
oder niederliegend wachsende Büsche oder kleine mehrjährige Sträucher mit fleischigen Zweigen, gegenständigen, wenigpaarig gefiederten Blättern sowie 2 zuweilen
dornig ausgebildeten Nebenblättern und weißlichen
oder gelblichen Blüten. Anstelle von Kapern verwendet
man die Blütenknospen von Zygophyllum fabago als
Gewürz und legt sie entsprechend in Olivenöl oder
Essig- bzw. Salzwasser ein. Als Volksheilmittel wird
das Kraut von Zygophyllum simplex in Arabien gegen
die dort vielfach bei der Bevölkerung anzutreffenden
Hornhautflecke angewendet.
Auf Amerika griffen die 40 Arten der Gattung Fagonia
über. Außer den Steppen und Wüsten des Mittelmeerraumes und Südwestafrikas besiedeln sie auch das
südliche Nordamerika, Mexiko und Chile. Es sind sehr
stark verzweigte, niederliegende oder aufrechte Kräuter
mit holziger Achse, abstehenden Zweigen, meist dreiteiligen Blättern und oft rosafarbigen oder violetten,
langgestielten Blüten. Fagonia cretica wird ausschließlich auf den Kanaren, Kreta sowie Zypern angetroffen.
Durch Bäume oder Sträucher mit recht hartem Holz
ist die Gattung Guajacum ausgezeichnet. Die lederartigen Laubblätter sind in 2 bis 14 Fiederchenpaare
gegliedert, und die endständigen, langgestielten Blüten
haben eine bläuliche oder rötliche Farbe. Von den
6 Arten dieser Gattung sind als Nutzpflanzen besonders
Guajacum officinale und Guajacum sanctum bemerkenswert (s. Farbbild 2). Beide liefern das Guajac oder
Pockholz, auch als Franzosenholz bezeichnet, das wegen
seiner Schwere, Dauerhaftigkeit und Festigkeit (spez.
Gewicht 1,55) früher besonders geschätzt wurde und
noch heute zu vielerlei technischen Zwecken Verwendung findet. Das offizinelle Guajakharz ist ausschließlich in dem grünlichbraunen, gewürzartig scharf riechenden und bitter schmeckenden Kernholz vorhanden
und fließt bei Verletzung der Pflanze in großer Menge
aus. Die leichte Löslichkeit dieses Harzes in Äther,
Alkohol, Chloroform, Kreosot und Alkalien läßt mannigfache Anwendungsmöglichkeiten zu. Das beste
Guajakholz liefert die Insel St. Domingo, während
Haupthandelsplatz für das weniger harzreiche Holz
von Guajacum sanctum die Bahamainseln bilden.
Guajakholz ist ferner der Hauptbestandteil des sogenannten Holztees, dessen Wirksamkeit auf dem
Guajakharz beruht.
Die 3 Arten der Gattung Porlieria liefern ebenfalls ein
wegen seiner Festigkeit geschätztes Nutzholz. Ihr Verbreitungsgebiet ist auf Mexiko und das andine Südamerika beschränkt. Es sind sparrig verzweigte Sträucher mit kurzen Zweigen, die die Eigentümlichkeit aufweisen, daß die paarig gefiederten Laubblätter auf der
20
dem Licht zugewendeten Seite paarweise genähert sind.
Außerdem weisen die Pflanzen kleine, dornige Nebenblätter und dreiblütige Trugdöldchen auf. Porlieria
lorentzii ist Charakterstrauch der Kaktuszone in Bolivien von Pampagrande bis Cholon. Außer dem Holz
wird auch die Wurzelrinde besonders von Porlieria
angustifolia genutzt, die als Waschmittel dient, weshalb
die Pflanze auch unter dem Namen soap-bush bekannt
geworden ist. Die dritte Art der Gattung, Porlieria
hygrometrica, im andinen Peru und Chile verbreitet,
ist durch nastische Bewegungen der 5 bis 8 Fiederchenpaare bei feuchter Witterung auffällig.
Die Gattungen Guajacum und Porlieria konnten mit
Blattresten aus dem Tertiär in Südamerika fossil nachgewiesen werden, während Früchte der Gattungen
Zygophyllum sowie Guajacum aus dem niederrheinischen Oligozän bekannt wurden.
Ebenfalls Bäume oder Sträucher bildet die 8 Arten
umfassende Gattung Bulnesia, deren Fiederblätter mitunter frühzeitig abfallen, so daß die Sträucher dann
einen besenginsterartigen Eindruck erwecken. Die
Pflanzen werden im Buschwald, in den Steppen Argentiniens, in der Atacama-Wüste sowie in Chile, Peru und
Paraguay angetroffen. Als Lieferant für dauerhaftes,
festes, dem Guajakholz in den Eigenschaften recht ähnliches Holz kommen vor allem die beiden Arten Bulnesia arborea und Bulnesia sarmienti in Betracht. Das
Holz der erstgenannten Art ist auch unter dem Namen
Veraholz oder Maracaibo-Pockholz bekannt und wird
besonders in den Mimosensavannen in Kolumbien
und Venezuela geschlagen, während das der an zweiter
Stelle genannten Art auch als Palo balsamo, Palo santo,
Paraguay Lignum oder Argentinisches Pockholz im
Handel geführt wird und meist aus dem Gran Chaco
von Argentinien stammt. Das tiefbraune Kernholz
wird vor allem in der Drechslerei geschätzt. Aus dem
klein gespaltenen Holz von Bulnesia sarmienti gewinnt
man außerdem ein ätherisches Öl, das in der Parfümindustrie Verwendung findet.
Während das Laub der in den Trockengebieten Südamerikas beheimateten 5 Arten der Gattung Larrea
vom Vieh gemieden wird, findet es in der Volksmedizin
der Eingeborenen Anwendung, vor allem von der bis
in den Südwesten der USA und Mexiko ausstrahlenden
Art Larrea tridendata. Man gebraucht die mazerierten
Blätter, die in diesem Zustand einen jodartigen Geruch
haben, zur Heilung von Druckschäden der Reit-, Lastund Zugtiere sowie als Heilmittel bei Gicht und Rheuma.
Außerdem dient ein aus den Blättern der Pflanze hergestellter Saft als Pfeilgift. Die in Essig eingemachten
Blütenknospen werden ebenfalls als Ersatz für Kapern
verwendet.
Die Gattung Tribulus, auch Bürzeldom oder Erdstachelnuß wegen der häufig stacheligen Früchte genannt, besiedelt als meist einjährige xerophile, oft niederliegende Kräuter mit 20 Arten die nordafrikanischvorderasiatischen Steppengebiete sowie Südafrika. Die
Art Tribulus terrestris findet man jetzt in alle wärmeren
Gebiete verschleppt, während Tribulus cistoides vor
allem an den Küsten des tropischen Amerika vor-
kommt. Man gebraucht die Wurzeln der zuletzt erwähnten Art als harntreibendes Mittel.
Im Habitus recht ähnlich ist die Gattung Kallstroemia,
deren 20 Arten in den Trockengebieten im Süden der
USA bis nach Argentinien sowie in Nordaustralien anzutreffen sind.
Im Gegensatz zu den vorhererwähnten Gattungen der
Familie, die sämtlich mit Kapseln oder Teilfrüchten
versehen waren, sind die nun folgenden durch Steinfrüchte mit einem harten einsamigen Steinkern ausgezeichnet. So ist die Gattung Nitraria mit 4 Arten in
den Salzwüsten Nordafrikas, der südlichen Sowjetunion,
Asiens sowie in Ost- und Südaustralien vertreten. Es
handelt sich um kleine, oft dornige Sträucher, deren
dicht anliegend behaarte Achsen fleischige Blätter
und gelblichgrüne gestielte Blüten tragen. Am bekanntesten ist Nitraria schoberi, der Salpeterstrauch, dessen
Blätter und junge Zweige zur Herstellung von Soda
dienen, während die salzig-süßlichen, mitunter auch
etwas süß schmeckenden Früchte von Menschen und
Tieren genossen werden. Die Früchte der in den Salzwüsten Palästinas, Arabiens und Nordafrikas anzutreffenden Nitraria retusa sollen auch berauschend wirken und werden deshalb von den Arabern als Rauschmittel gebraucht.
Bereits aus dem Oligozän sind Früchte der Gattung
Balanites bekannt. Als dornige Bäume oder Sträucher
mit einpaarigen, graugrünen, lederartigen Blättern ist
die Gattung mit 20 Arten im tropischen Afrika bis
Indien und Burma verbreitet. Recht polymorph in
seinem Habitus ist Balanites aegyptiaca, der Zuchunbaum, der im gesamten tropischen Afrika, in Vorderund Südasien bis nach Burma vorkommt. Man nutzt
sowohl die Blätter dieser Pflanze zum Würzen von
Soßen als auch die Wurzeln und besonders die Früchte
als Waschmittel. Letztere, als Sklavendattel oder ägyptische Myrobalanen bekannt, haben eine mehrfache
Verwendung. Wegen des bittersüßen Fruchtfleisches
werden sie von den Eingeborenen Afrikas gern verzehrt, und in unreifem Zustand dienen sie wie auch
die Blätter als Antiwurmmittel, während sie vergoren
einen bei den Afrikanern sehr beliebten Likör ergeben.
Die Nutzung der Früchte von Balanites aegyptiaca ist
in Ägypten sehr alt, und die Kultur der Pflanze reicht
dort mehr als 4000 Jahre zurück. Die Steinkerne der
Früchte dienten als Grabbeigaben, wie durch Ausgrabungen belegt werden konnte.
Aus dem Steinkern aller Balanites-Arten gewinnt man
ein bis zu 40% darin enthaltenes, hellgelbes, angenehm
nußartig riechendes Öl, das leichter als Sesam- oder
Mohnöl erstarrt. Man verwendet es im oberen Nilgebiet sowohl als Speiseöl als auch zum Einreiben des
Körpers sowie zu Umschlägen.
Das Holz von Balanites aegyptiaca ist wegen seiner
Härte ein geschätztes Werkholz, das u. a. zur Anfertigung von Mörsern sowie Pflügen dient. Aus der Rinde
junger Bäume gewinnt man eine kräftige, weiße Faser,
während die Rinde von Balanites roxburghii in Vorderindien mitunter zum Betäuben von Fischen gebraucht
wird.
Familie Leingewächse, Linaceae
Die Leingewächse sind eine recht alte, stark aufgesplitterte Familie, die nahe verwandtschaftliche Beziehungen zur Familie der Sauerkleegewächse und den
Erythroxylaceen erkennen läßt. Verschiedene Autoren
vertreten die Ansicht, sie in eine Anzahl kleinerer selbständiger Familien aufzuspalten.
Im ursprünglichen Umfang umfaßt die Familie 25
Gattungen mit etwa 500 Arten, die die tropischen und
gemäßigten Gebiete beider Erdhälften besiedeln. Die
einzelnen hierhergehörigen Gewächse sind habituell
recht vielgestaltig; neben Bäumen, Sträuchern und Halbsträuchern kommen Stauden und einjährige Kräuter
sowie mittels Haken kletternde Sippen vor. Die Leingewächse zeichnen sich fast ausschließlich durch spiralig
angeordnete, meist ungegliederte, häutige bis lederige
Blätter mit Nebenblättern und durch in Wickeln,
Rispen oder Trugdolden angeordnete, radiär gebaute
zwittrige Blüten aus.
Unterfamilie Linoideae
Alle Sippen dieser Unterfamilie zeigen basal verbreiterte Filamente, die zu einem Tubus verwachsen sind,
an dem außen die Nektardrüsen ansitzen. Hierher zu
stellen ist u. a. die Gattung Hugonia, die mit 32 Arten
im tropischen Afrika, auf Madagaskar, Mauritius sowie in Indonesien verbreitet ist. Es sind zumeist Sträucher oder Hakenkletterpflanzen mit wechselständigen,
ovalen bis lanzettlichen, häutigen oder papierartigen
Blättern mit bogig verbundenen oder zum Rande auslaufenden Fiedernerven sowie ganzrandigen oder zerschlitzten, hinfälligen Nebenblättern. Die Gattung ist
dadurch gekennzeichnet, daß basale Verzweigungen
der Blütenstände zu einander gegenüberstehenden widderhornartig eingerollten Klammerhaken umgebildet
sind, während die darüber befindlichen Infloreszenzäste große gelbe Blüten tragen.
Von Hugonia mystax verwendet man in Indien Wurzel
und Rinde in der Volksmedizin als Magen-, Brech- und
Wurmmittel sowie nach Schlangenbissen. Fossile Reste
dieser Pflanzengattung wurden in Kamerun in Basalttuffen geborgen.
Kahle Sträucher oder Hakenkletterer mit wechselständigen dünnen oder lederigen Laubblättern, jedoch kleinen,
gelben Blüten, in Rispen oder Trauben angeordnet,
bilden die Gattung Durandea, deren 15 Arten in den
altweltlichen Tropengebieten verbreitet sind.
Von der auf Indomalesien beschränkten Gattung
Indorouchera, die nur 3 Arten umfaßt, wird besonders
von Indorouchera griffithiana die Rinde als Beimischung
zur Bereitung von Pfeilgiften verwendet; sie enthält
Dextrose, Lupeol und Saponine. Auf das Himalajagebiet bis Mittelchina beschränkt
ist das Verbreitungsgebiet der nur 2 Arten umfassenden
Gattung Anisadenia.
Die Linoideen sind durch 5 Staubblätter ausgezeichnet, deren Staubfäden zu einem Tubus verwachsen
21
1
sind, in dessen Buchten ebensoviele zahnförmige bis
fadenförmige Staminodien stehen. Der Fruchtknoten
ist mit vollständigen oder unvollständigen falschen
Scheidewänden versehen und bildet eine Kapsel. Es
sind vorwiegend Kräuter, Stauden oder Halbsträucher,
selten kleinere Sträucher.
Mit 3 Arten in Indomalesien bis China verbreitet ist
die Halbsträucher oder kleine Sträucher bildende
Gattung Reinwardtia.
Bedeutungsvoller dagegen ist mit etwa 200 Arten die
Gattung Linum, deren Verbreitungsgebiet in den warmen Zonen beider Erdhälften, speziell im Mittelmeerraum sowie im südwestlichen Nordamerika liegt. Als
Stammpflanze des Flachses oder Leins wird Linum
angustifolium betrachtet, eine ausdauernde, zumindest
aber zweijährige Pflanze mit aufspringender Kapsel,
deren Verbreitungsgebiet sich von Westasien und Südeuropa (mit Ausnahme von Rumänien) durch Westfrankreich bis nach England und Irland erstreckt.
Der Flachs oder Lein, Linum usitatissimum, ist als eine
der ältesten Kulturpflanzen der Alten Welt bekannt.
Man trifft die stets einjährige Pflanze nur in Kulturen
an, wobei die Hauptanbaugebiete in Europa, Asien, besonders Indien und Westchina, Nord- und Nordwestafrika, den USA, in Kanada, Südamerika, besonders
in Argentinien und Australien, zu finden sind. Man
kennt Lein sowohl mit aufspringenden Kapseln als
sogenannten Spring- oder Klanglein als auch mit bei
der Reife geschlossen bleibenden Kapseln als sogenannten Schließ- oder Dreschlein, von dem man -zweierlei
Anbausippen antrifft, den einjährigen Sommerlein und
den einjährig überwinternden Winterlein. Wegen der
unausbleiblichen Ernteverluste wird der Springlein
heute kaum noch angebaut, während der Schließlein
sowohl als Faserlein zur Gewinnung der Stengelfasern
oder als Öllein zum Auspressen des Leinsamenöles
oder zu kombinierter Ernte von Faser und Samen angebaut wird. Der ausgesprochene Faserlein ist auf eine
möglichst unverzweigte lange, dabei dünne Faser- und
Stengelqualität hin gezüchtet, während beim Öllein
auf gedrungenere Pflanzen mit möglichst großer Kapsel und zahlreichen größeren Samen Wert gelegt wurde,
wogegen der kombinierte Ölfaserlein eine Mittelstellung
zwischen beiden Typen einnimmt.
Als Entwicklungszentrum der meist kleinsamigen Faserleine wird nach Vavilow Südostasien angenommen,
während die großsamigen Ölleine in Nordafrika bzw.
im Mittelmeerraum entstanden sein sollen. In Pfahlbautenresten der Schweiz ließen sich 3 000 bis 4 000
Jahre alte Leinsamen eines kleinsamigen Wintertyps
neben Fruchtkapselfragmenten und Gespinsten aus
Leinfasern nachweisen, die der jüngeren Steinzeit zuzuordnen sind. Für Mesopotamien und Ägypten kann
man einen Flachsanbau bis ins 4. Jahrtausend vor
unserer Zeitrechnung belegen, und zwar wurde in
Ägypten ein mittelgroßsamiger Sommertyp auf bewässerten Böden kultiviert. Südeuropa ist ein weiteres altes
Flachsanbauzentrum. So ist beispielsweise zur Bronzezeit ein Flachsanbau für die iberische Halbinsel belegbar. Zu Beginn unserer Zeitrechnung stand dieser in
22
2
Querschnitte durch den Leinstengel ( Linum usitatissimum)
in verschiedener Vergrößerung: 1 die Orientierung der
einzelnen Faserbündel in der peripheren Stengelpartie aufzeigend, 2 zwei dieser Faserbündel vergrößert. Sie bestehen
aus einzelnen langgestreckten, zugespitzten, verdickten, jedoch unverholzten und miteinander verklebten Sklerenchymfasern inmitten des Rindengewebes.
Germanien bereits • in hoher Blüte. Schlesien und die
Niederlausitz waren hierin noch im 17. Jahrhundert
führend. Irland, Belgien, Holland und Dänemark, die
baltischen Staaten und weitere Gebiete der UdSSR
erzeugten und verarbeiteten in großem Ausmaß Leinfasern, bis die Einführung der Baumwolle Einschränkungen der Flachserzeugung zur Folge hatte, so daß
jetzt nur noch in Belgien — im Zusammenhang mit der
Erzeugung Brüsseler Spitzen — die Größe des ursprünglichen Anbauraumes erhalten blieb.
Bei der Leinfaser handelt es sich um typische, unverholzte, aus reiner Zellulose bestehende Festigungselemente der Rinde des Leinstengels, die in zerklüfteter
Ringform angelegt sind und die Feinheit und Weichheit der Leinfaser beispielsweise gegenüber den gröberen und härteren Jutefasern bedingen. Nach dem
Raufen der gesamten Leinpflanze unterwirft man sie
einem kürzer oder länger andauernden Röstvorgang,
entweder durch Einwirkung von Bakterien durch die
sogenannten Tauröste oder durch Beigabe entsprechender Chemikalien in dem Röstbottich. Man erreicht
dabei eine Ablösung der Faserbündel vom Grundgewebe sowie ein teilweises Herauslösen der aus Pektinen bestehenden Mittellamellen, so daß bei entsprechender, überwachter Steuerung des Vorganges isolierte
Faserbündel von annähernder Länge des Leinstengels
erhalten werden. Durch Brechen, Schwingen und
Hecheln befreit man die Faserbündel von noch anhaftenden Holzkörperpartikeln und gewinnt nach dem
Kämmen eine spinnbare Faser, die ihrerseits zu Leinengewebe weiter verarbeitet wird.
Hauptanbaugebiete des Ölleines sind neben den LaPlata-Staaten Nordamerika, Indien und die UdSSR.
Das entweder kalt- oder heißgepreßte Leinsamenöl,
auch kurz Leinöl genannt, wird nur in geringem Ausmaß als Speiseöl genutzt, dient aber wegen der leichten
Trockenfähigkeit besonders zur Bereitung von Farben,
Firnissen und Lacken sowie zur Linoleumherstellung
und zur Seifenbereitung. Auch wird es in der Pharmazie
verwendet. Die Leinsamen selbst sind offizinell und werden in Äthiopien noch heute, wie früher allgemeiner
üblich, vermahlen und verbacken. Die Preßrückstände,
der sogenannte Leinkuchen, ergibt ein kräftiges, noch
sehr fettes und eiweißreiches Futtermittel für das Milchvieh. Der Samenschleim, der beim Quellen der Samen
entsteht und deren Öffnen bewirkt, diente früher in der
Textilindustrie als ein besonders mildes Appreturmittel
für dünne Gewebe.
Einige andere Leinarten, wie beispielsweise Linum
grandiflorum aus Algier, Linum flavum aus dem Balkan
und Kaukasusgebiet, Linum orientale aus Kleinasien
sowie Linum perenne und Linum austriacum, findet
man hin und wieder als Zierpflanzen in Gärten oder
auf Friedhöfen in Mitteleuropa angepflanzt sowie daraus verwildert. Das Kraut von Linum catharticum, das
in Nord- und Mitteleuropa häufig angetroffen wird,
wurde in der Volksmedizin als Abführ- und Wurmmittel gebraucht.
Im gemäßigten Eurasien, in den afrikanischen Gebirgen
sowie auf Madeira wird der in diesem Verwandtschaftskreis wohl am stärksten spezialisierte Zwerglein,
Radiola linoides, angetroffen, ein nur 2 bis 10 cm hohes,
einjähriges, kahles Pflänzchen mit mehrfach dichasial
verzweigtem Blütenstand, das besonders feuchte Mooroder Sandböden, Grabenränder und Ufer besiedelt.
Unterfamilie Humirioideae
Die mitunter auch als eigene Familie gewertete Sippe
besteht aus Bäumen oder Sträuchern mit 10 bis 20 bis
vielen Staubblättern, deren Filamente zu einer Röhre
verwachsen sind. Von den hierherzustellenden 8 Gattungen ist vor allem die das tropische Südamerika besiedelnde Gattung Humiria erwähnenswert. Humiria balsamifera, in Guayana heimisch, liefert ein rotes, dem
Elemi recht ähnliches Harz, das den Eingeborenen als
Heilmittel dient. Von Humiria floribunda gewinnt man
in Brasilien außer einem dem Kopaiva ähnlichen Balsam,
der aus verwundeten Stämmen fließt, vor allem ein
sehr hartes Werk- und Bauholz, das im Handel unter
den Bezeichnungen »Bastard bullet wood« und »Umiri«
geführt wird, dessen Splintholz bräunlichweiß ist,
während das Kernholz eine hellrote bis orangerote
Färbung aufweist.
Bereits fossil beschrieben worden ist aus Kolumbien
die im tropischen Südamerika heimische Gattung
Sacoglottis. Ökologisches Interesse bietet von den 8
Arten der Gattung die Art Sacoglottis amazonica insofern, als ihre 4 cm langen und bis 3 cm Durchmesser
erreichenden Steinkerne mit größeren Hohlräumen
versehen sind, die ihnen eine besondere Schwimmfähigkeit verleihen, so daß sie durch den Golfstrom bis nach
den Westindischen Inseln und sogar mitunter bis an die
Küsten von Westeuropa verschleppt vorkommen können.
Familie Kokastrauchgewächse, Erythroxylaceae
Die Familie der Erythroxylaceen steht den Linaceen
nahe sie unterscheidet sich jedoch durch Anhänge an
den Kronblättern sowie den Besitz von Steinfrüchten
Das Verbreitungsgebiet der nur aus 4 Gattungen bestehenden Familie erstreckt sich über die gesamte
Tropenzone. Bevorzugt wird aber das tropische Amerika
besiedelt, dabei nördlich bis Mexiko und Kuba
vordringend. Als 2 größere Entwicklungszentren der
Familie müssen Brasilien und Madagaskar betrachtet
werden.
Es handelt sich um kahle Sträucher oder Bäume mit
spiralig angeordneten Laubblättern. Bei vielen Arten
finden sich als letzte Verzweigungen kurze, oft zurücc
gekrümmte Ästchen, die basal dicht mit dreieckigen,
oft in Grannen auslaufenden Schuppenblättern besetzt
sind, eine höchst charakteristische Erscheinung für diese
Familie.
Die axillär stehenden, meist in Knäueln angeordneten
Blüten sind zwittrig und radiär gebaut. Die Platte der
waagerecht abstehenden Kronblätter ist deutlich vom
Nagel abgesetzt und zeichnet sich durch die Richtung
des Nagels fortsetzende, oft gewundene Anhängsel oder
Schwielen aus, die den von einem winzigen, schuppenförmigen Nektarium abgeschiedenen, frei liegenden
Honigsaft überdecken. Die 10 Staubblätter sind basal
zu einer Röhre verwachsen. Das aus 2 oder 3 Fruchtblättern zusammengesetzte, gefächerte Ovarium entwickelt meist nur ein fertiles Fach mit einer einzigen
Samenanlage, aus der eine Steinfrucht mit fleischiger,
der Verbreitung durch Vögel angepaßter Fruchtwand
hervorgeht. Interessant ist ferner, daß die Griffellänge
in den einzelnen Blüten unterschiedlich ist, eine Erscheinung, die als Heterostylie bezeichnet wird. Damit
im Zusammenhang steht auch eine unterschiedliche
Länge der Staubblätter in den lang- bzw. kurzgriffeligen
Blüten.
Von den etwas mehr als 200 Arten, die zur Familie der
Erythroxylaceen gehören, wird der Hauptanteil, annähernd 200 untereinander schwer unterscheidbare
Arten, von der namengebenden Gattung Erythroxylon
gestellt. Die Gattung ist vor allem im tropischen Amerika
vertreten. Sie weist ein beträchtliches Alter auf. So
sind Blätter von Erythroxylon bereits aus dem Eozän
Argentiniens bekannt geworden.
Durch die Eigenart, eine starke Korkbedeckung an
den knorrigen Zweigen zu entwickeln, ist Erythroxylon
tortuosum aus Südbrasilien ausgezeichnet. Aus der
Rinde dieser Art gewinnt man einen rötlichbraunen
Farbstoff, der gern zum Färben von Baumwollware
verwendet wird. Die wichtigste Art als Handelsobjekt
ist jedoch Erythroxylon coca, die Cocapflanze (s. Farbbild 3/4). Man findet sie vor allem in den feuchtwarmen
Schluchten der subandinen Gebiete Perus und Boliviens
angebaut und daraus z. T. wiederum verwildert. Ein
echtes Wildvorkommen ist z. Z. noch nicht völlig
gesichert. Das Anbaugebiet erstreckt sich von Peru
und Bolivien auf das gesamte tropische Amerika bis
23
d
hin zur javanischen Inselwelt, nach Kamerun und
Ostusambara. Anderen Arten gegenüber unterscheidet
sich Erythroxylon coca durch die breit-elliptischen
oder verkehrteiförmigen 5 bis 10 cm langen und 2 bis
4,5 cm breiten Laubbiätter, die durch Gehalt an mehreren Alkaloiden, unter ihnen vor allem an Kokain,
ausgezeichnet sind. Bereits die alten Peruaner — wie
noch heute viele Teile der südamerikanischen Bevölkerung—verwendeten die an der Sonne getrockneten Cocablätter als narkotisches Anregungs- und Rauschmittel.
Dieses wird täglich vom Morgen bis zum Abend gekaut,
wobei die trockenen Cocablätter entweder mit ungelöschtem Kalk oder mit Pflanzenasche vermischt und
in Kugelform eingenommen werden. Mancherorts
wird auch aus den Blättern ein Tee gebrüht und dessen
Absud getrunken. Das Kokain wirkt auf das Nervensystem erregend; diesem Zustand folgt jedoch nach
einiger Zeit eine Depression. Größere Mengen vermögen bei Gewöhnung die Körperkräfte des Menschen
zu steigern, das Schlafbedürfnis sowie Hunger und
Durst zeitweilig zu unterdrücken, so daß kokakauende
Indianer größere Anstrengungen leichter ertragen. Der
Eigenverbrauch der südamerikanischen Länder an
Cocablättern ist deshalb sehr groß und die Ausfuhr
der Blätter zur Kokaingewinnung entsprechend gering.
Lediglich in Peru wird auch Rohkokain zum Export
hergestellt. Außerhalb der Anbaugebiete verwendet
man Kokain vor allem als Anaesthetikum, um bei
Operationen örtliche Unempfindlichkeit zu erzeugen.
In einem beängstigenden Ausmaß ist aber vor allem
der illegale Handel und Mißbrauch von Kokain als
Rauschmittel angestiegen, wie er vor allem unter süchtigen Jugendlichen kapitalistischer Länder üblich geworden ist.
Neben Erythroxylon coca wird zum gleichen Zwecke
das vor allem in Kolumbien heimische Erythroxylon
novogranatense in größerem Ausmaß auch in Venezuela und Westindien angebaut und genutzt, das unter
der Bezeichnung Truxillo-Coca gehandelt wird.
Eine Anzahl weiterer Erythroxylon-Arten, wie beispielsweise Erythroxylon areolatum auf Jamaika, Erythroxylon australe, Erytroxylon cuneatum, Erythroxylon hypericifolium und Erythroxylon laurifolium besitzen ein Holz
von besonderer Festigkeit, das unter den Bezeichnungen »Eisenholz« oder »Rotholz« gern als Bau- und
Werkholz besonders für Grundbauten genutzt wird.
Aus dem Holz von Erythroxylon monogynum gewinnt
man in Indien eine Art Teer, mit dem man dort Holzboote dichtet und bestreicht. Die gleiche Pflanze soll
auch das aus Indien eingeführte »Bastard-Sandelholz«
liefern.
Familie Wolfsmilchgewächse, Euphorbiaceae
Wer nur die Wolfsmilcharten aus der heimischen
Flora kennt, kann sich kaum eine Vorstellung von der
Vielgestaltigkeit dieser Familie machen, die mit über
8 000 Arten und 300 Gattungen zu den größten Familien der Höheren Pflanzen zählt. Zu ihr gehören sowohl
24
Blüten und einzelblütenähnliche Blütenstände von Wolfsmilchgewächsen: 1 weibliche, 2 männliche Blüten des Bingelkrauts, Mercurialis perennis. 3 Cyathium von Anthostema,
Einzelblüten hier noch mit einem Kelch versehen (deutlich
sichtbar bei der weiblichen Blüte). 4 und 5 (Längsschnitt)
Cyathium der Gattung Wolfsmilch, Euphorbia, aus einer
nackten weiblichen (w) und vielen, nur aus einem Staubblatt
bestehenden männlichen Blüten zusammengesetzt. n = randliche Nektardrüsen
Bäume unterschiedlicher Wuchshöhe und unterschiedlicher Beblätterung (die Blätter sind meist einfach, seltener handförmig oder fiederig-geteilt und besitzen
nicht selten sehr große Spreiten), Sträucher mit erikaartigen oder hartlaubigen Blättern, Rutensträucher,
aber auch verblüffend an Kakteen erinnernde Stammsukkulente ebenso wie Stauden verschiedener Wuchsformen und Einjährige. Die Familie ist größtenteils in
den Tropen und Subtropen vor allem Afrikas, Südamerikas und Südostasiens zu Hause, die ursprünglicheren Vertreter finden sich besonders in den asiatischen Tropen. Charakteristische Eigenschaften von
Gehölzen der Tropen, wie die Erscheinung der Stammblütigkeit (Kauliflorie), der Besitz von Blättern mit
Träufelspitzen u. ä. sind auch bei den tropischen Wolfsmilchgewächsen vielfach anzutreffen. Andererseits haben sich viele Arten an das Leben in heißen Trockengebieten durch die Rückbildung der transpirierenden
Oberfläche (Rutensträucher) oder durch Ausbildung
eines wasserspeichernden Gewebes im Stamm (Sukkulente) angepaßt, so daß Arten dieser Familie nicht nur
zu charakteristischen Vertretern der tropischen Regenwaldvegetation, sondern auch der Vegetation tropischer
Trockengebiete rechnen (besonders in Afrika). Nur
wenige Gattungen meist krautiger Pflanzen, z. B. die
Gattung Wolfsmilch, Euphorbia, sind in den gemäßigten Breiten beheimatet.
Der Umfang und Formenreichtum innerhalb der Familie bringen es mit sich, daß es nur sehr wenige Merkmale gibt, die für alle Arten zutreffen. Dazu gehören
die eingeschlechtigen Blüten (ein- oder zweihäusig verteilt), die bei den ursprünglicheren Vertretern noch
mit Kelch und Krone, bei der Mehrzahl der Arten aber
nur mit einem Kelch ausgestattet oder völlig ohne Blütenhülle sind.
Sehr bezeichnend ist auch der Bau des Fruchtknotens
und der Frucht: Der Fruchtknoten setzt sich — von
wenigen Ausnahmen abgesehen — aus 3 verwachsenen
Fruchtblättern zusammen und ist entsprechend gefächert. In jedem Fach befinden sich ein oder zwei
hängende Samenanlagen. Zur Reife zerfällt die Frucht
in 3 mehr oder weniger kugelige Teilfrüchte (daher
rührt auch der früher für diese Gruppe gebräuchliche
Name Tricoccae), die sich von einer erhaltenbleibenden
zentralen Mittelsäule ablösen und ihrerseits aufspringen.
Der schmale Keimling ist im Samen meist in ein umfangreiches, ölhaltiges Nährgewebe eingebettet In manchen
Fällen ist das Reserveeiweiß der Samen für den Menschen giftig. Stärkespeicherung findet dagegen nur selten in den Samen, mitunter aber in vegetativen Organen der Pflanzen, statt.
Charakteristisch für den Samen der Familie ist ferner
ein polsterförmiges Gebilde, die sogenannte Karunkula. Das ist eine Wucherung des äußeren Integuments
(s. Abb. unten), die von dem sich erst nach der Befruchtung über die Mikropyle hinwegschiebenden Integument etwas auf die Bauchseite des Samens verlagert
wird, wo sie schließlich zwischen Plazenta und Samenstielchen eingeklemmt bleibt Die Karunkula hilft bei
der Trennung des Samens von der Plazenta, mitunter
vielleicht auch bei der Ausschleuderung des Samens.
Sie kann z. B. bei den Wolfsmilcharten ( Euphorbia) als
Längsschnitt eines Fruchtknotenfaches mit einer Samenanlage bei Euphorbia. o = Obturator, c = Anlage der Karunkula, n = Nuzellus, i, und i2 = äußeres und inneres Integument (vgl. Text)
Milchsaftbehälter der Wolfsmilchgewächse: 1 Milchsaftzelle von Euphorbia, 2 freipräpariertes Endstück einer verzweigten Milchsaftzelle dieser Gattung, 3 durch Zellfusion
entstandenes Milchgefäß bei Manihot, 4 Abschnitt eines
derartigen Gefäßes, Reste der aufgelösten Querwände noch
vorhanden
Elaiosom entwickelt sein und mit Hilfe von Ameisen
der Verbreitung dienen, die die Samen wegen dieser
ölreichen Gebilde verschleppen (Myrmekochorie). Viele
tropische Vertreter der Familie zeichnen sich außerdem
durch die fleischige Beschaffenheit der äußeren Schichten der Samenschale aus.
Auch die Befruchtung ist bei den Wolfsmilchgewächsen
ungewöhnlich; der Pollenschlauch dringt nicht unmittelbar durch die Mikropyle in die Samenanlage ein
(Porogamie), sondern sein Weg wird durch einen Obturator, einer von der Plazenta ausgehenden Gewebewucherung, bestimmt. Dieser Gewebekomplex — besonders mächtig bei Euphorbia entwickelt — dient als
Leit- und Nährgewebe für den Pollenschlauch, er tritt
oft in enge Verbindung mit dem sich schlauchartig
verlängernden Nuzellus. Auf diese Weise kommt eine
als Aporogamie bezeichnete Art der Befruchtung zustande.
Für den mit der heimischen Flora Vertrauten ist der
Begriff der Wolfsmilchgewächse verknüpft mit dem
Vorkommen von Milchsaft in den Pflanzen. Dieses
Merkmal ist in der Tat für einen Großteil der Familie
charakteristisch, es gibt aber auch umfangreiche Gattungsgruppen, bei denen diese Eigenschaft fehlt In
anatomischer Hinsicht sind die Behälter des Milchsafts verschiedenartig. Es kann sich um einzelne Milchsaftzellen handeln, die oftmals durch ein ausgeprägtes
Spitzenwachstum und durch Verzweigungen zu Größen
heranwachsen, die für pflanzliche Zellen ungewöhnlich
sind (einige Zentimeter z. B. bei Wolfsmilcharten). Es
können aber auch sogenannte Milchgefäße vorhanden
25
sein (z. B. beim Kautschukbaum, Hevea), die wie die
der Wasserleitung dienenden Gefäße oder Tracheen aus
vollständigen Zellreihen aufgebaut sind, wobei durch
Rückbildung der die Zellen gegeneinander abgrenzenden Querwände mitunter wiederum ungegliederte Milchröhren vorgetäuscht werden. Der Milchsaft ist reich
an Verbindungen des sekundären Pflanzenstoffwechsels
wie Kautschuk und Harzen, aber auch an primären
Stoffgruppen wie Proteinen, Zuckern, Sterinen, Aminosäuren usw. Er stellt keinesfalls, wie früher angenommen, einen »Abfallplatz« des Stoffwechsels dar, sondern ist selbst der Ort lebhafter Stoffwechselvorgänge.
Der Chemismus der Wolfsmilchgewächse ist — wie ihre
morphologische Struktur — außerordentlich vielseitig.
Bezeichnend sind die häufige Synthese und Akkumulation von Polyphenolen, Alkaloiden, ätherischen Ölen
und Diterpen-Harzen. Darüberhinaus tritt eine Vielzahl weiterer Stoffgruppen des sekundären Stoffwechsels, wie Saponine, blausäureabspaltende Glukoside u. a., auf; sogar Senfölglukoside sind — wenn auch
selten — nachgewiesen, die uns sonst von den Kreuzblütlern und Kapuzinerkressen bekannt sind. Die mannigfache Nutzung von Arten dieser Familie, besonders
als Heilpflanzen, wird uns aus dieser großen chemischen
Potenz verständlich. Es sei darauf verwiesen, daß in
der Volksmedizin vieler Länder zahlreiche Wolfsmilchgewächse gegen Krebs, gutartige Geschwülste und
andere Gewebswucherungen, wie Warzen, angewendet werden. Andererseits hat man Verbindungen aus
dieser Familie analysiert, die zur Auslösung von Krebsgeschwülsten beitragen können, worauf später noch
eingegangen wird.
Der Reichtum an fetten Ölen in den Samen hat ebenfalls zur Nutzung von Arten dieser Familie geführt;
wichtige tropische Ölkulturen gehören zu ihr. Diese
Öle sind chemisch sehr unterschiedlich zusammengesetzt, und an ihrem Aufbau sind vielfach seltene Fettsäuren beteiligt.
Die weitere Verbreitung und die große Mannigfaltigkeit in struktureller und funktioneller Hinsicht deuten
darauf hin, daß die Wolfsmilchgewächse zu den älteren
Familien der Höheren Pflanzen zählen, die sicher schon
in der Kreidezeit existierten. Jedoch sind die zu dieser
Familie gerechneten fossilen Blatt- und Fruchtreste
dieser Zeit wegen der Vielgestaltigkeit der Wolfsmilchgewächse oft nicht sicher zu deuten. Einwandfrei bestimmbare Holz-, Blatt-, Blüten- und Samenfunde sind
dagegen aus dem Tertiär (auch im Bernstein der Ostsee)
in den meisten Kontinenten gemacht worden.
In mehreren Gruppen der Familie kann man eine erstaunliche Rückbildungsreihe im Blütenbau beobachten. Im Extremfall führt das dazu, daß die männlichen
Blüten nur aus einem Staubblatt und die weiblichen
nur aus einem nackten Fruchtknoten bestehen. Dieser
Umbildungsprozeß ist mit der Zusammenfassung vieler
derartiger unscheinbarer Einzelblüten zu einem Blütenstand gekoppelt, in dem Drüsenbildungen und Hochblätter in den Dienst der Insektenanlockung gestellt
sind. Schließlich führte die Entwicklung im Verlaufe
der Abstammungsgeschichte zu einem als Pseudan26
thium bezeichneten Gebilde, das in der Funktion einer
einzelnen zwittrigen Blüte entspricht, morphologisch
aber einen kompliziert aufgebauten Blütenstand darstellt Die Cyathien der Wolfsmilcharten sind, wie wir
später noch eingehender schildern werden, derartige
Pseudanthien (s. Abb. S. 24).
Wir können auf Grund dieser Entwicklungsreihen
den einfachen Blütenbau vieler Wolfsmilchgewächse
im Gegensatz zu manchen früheren Meinungen als
Folge von Reduktionsprozessen auffassen; die Familie
wird daher jetzt meist nicht als ein primitiver Verwandtschaftskreis der höheren Pflanzen aufgefaßt, sondern mit
den Ordnungen der Veilchenartigen (insbesondere mit
den in Anatomie und Pollenstruktur übereinstimmenden tropischen Flacourtiaceen) und der Malvenartigen
in verwandtschaftliche Beziehung gebracht.
Durch den Artenreichtum der Familie ergibt es sich,
daß manche ihrer Gattungen in vieler Hinsicht noch
sehr ungenau bekannt sind. Die im folgenden durchgeführte Gliederung der Familie wird daher in Zukunft noch verbessert werden müssen. (Ansätze dazu
sind bereits unter stärkerer Berücksichtigung pollenmorphologischer Merkmale gemacht worden.)
Von der Vielzahl der Gattungen der Wolfsmilchgewächse kann verständlicherweise nur ein Bruchteil
erwähnt werden; dabei werden solche bevorzugt, die
für den Menschen von wirtschaftlicher Bedeutung oder
die aus den verschiedensten Gründen von besonderem
biologischem Interesse sind.
Unterfamilie Phyllanthoideae
Diese Gruppe weicht von dem uns geläufigen Bild der
Wolfsmilchgewächse ab, da sie keinen Milchsaft besitzt In ihren Exkretbehältern werden dagegen vor
allem Gerbstoffe gespeichert Im Gegensatz zu den
übrigen Gattungen der Familie enthält hier jedes
Fruchtknotenfach 2 Samenanlagen. Zu dieser Unterfamilie zählen etwa 70 Gehölzgattungen aller tropischsubtropischen Gebiete, vor allem Süd- und Südostasiens.
Dort sind sie vorwiegend Bestandteile der immergrünen
Regenwaldformationen, und nur auf wenige Gattungen
oder Arten trifft diese geographisch-ökologische Charakteristik nicht zu. So wächst z. B. ein Teil der Arten von
Andrachne an Trockenstandorten des Mittelmeergebietes, Arten von Securinega gehören zur Vegetation der
ostsibirisch-nordmongolischen Steppenzone, und die
sich meist durch kleine, nadelförmige, erikaartige Blätter auszeichnenden Kräuter und Sträucher des Verwandtschaftskreises um Poranthera sind typische Vertreter australischer Trockengebiete.
Die Phyllanthoideen erhalten durch eine Reihe ursprünglicher Gattungen eine besondere Stellung innerhalb der Familie. Bei diesen Vertretern ist die Blütenhülle wenig oder gar nicht vereinfacht, da sie sowohl einen
Kelch wie eine Krone besitzen. Zu diesen Sippen gehören u. a. die genannte Gattung Andrachne sowie
Bridelia. Afrikanische Arten dieser Gattung wie Bridelia
micrantha oder Bridelia ferruginea sind im tropischen
und südlichen Afrika die Futterbäume der mit den
Prozessionsspinnern verwandten Afrikanischen Seidenspinner (Anapha-Arten wie Anapha infracta u. a.).
Ihre von bräunlichen Gespinsten umgebenen Kokons
werden — allerdings in einem wirtschaftlich nicht sehr
bedeutsamen Umfang — zusammen mit Baumwolle versponnen.
Die eingangs geschilderte Tendenz zur Zusammenfassung von unscheinbaren Einzelblüten zu Blütenständen, die in funktioneller Hinsicht aber einzelnen
Blüten entsprechen und die wir vor allem in der folgenden Unterfamilie ausgeprägt finden, ist hier bei der
afrikanischen Gattung Uapaca angedeutet Bei ihr sind
die Blüten in Köpfchen, von Hochblättern umgeben,
angeordnet Arten nasser Standorte, wie Uapaca staudtii,
zeichnen sich durch Stelzwurzelbildungen aus, wie wir
sie bei Mangrovegewächsen noch vielfach kennenlernen
werden. Diese Art liefert ein mahagoniartiges, termitensicheres Holz. Edelhölzer stammen auch von anderen Arten der Unterfamilie: Das beim Schiffbau verwendete Afrikanische Teakholz von Oldfieldia africana,
einem der niächtigsten Bäume des westafrikanischen
Regenwaldes, ist ein Exportartikel afrikanischer Staaten. Die bekannten Wurfhölzer der australischen Ureinwohner, die Bumerangs, werden übrigens ebenfalls
aus einer Phyllanthoidee, nämlich aus Dissiliaria baloghioides, gefertigt.
Wie Sippen der folgenden Unterfamilie enthalten auch
manche Phyllanthoideen besondere chemische Verbindungen, wie senföl- und blausäurehaltige Glukoside
u. ä. Toxisch wirkende Substanzen sind gleichfalls nicht
selten. Berühmt geworden ist der »Giftboom« der Südafrikaner, Toxicodendron globosum, dessen Vorkommen auf ein kleines Gebiet, die Giftberge, im Kapland
beschränkt ist Ein in den Samen und Früchten enthaltenes, Krämpfe auslösendes Gift, das Hyänanchin,
wird in Südafrika zur Herstellung von Giftködern für
Hyänen benutzt!
Wie öfters bei tropischen Verwandtschaftskreisen sind
auch bei den Phyllanthoideen im Gegensatz zu den
in den gemäßigten Breiten lebenden Sippen der Familie die Früchte mit einer fleischigen Fruchtwand ausgestattet. Eine Anzahl von ihnen ist eßbar, und einige
werden vor allem in Süd- und Südostasien als Obstgehölze gezogen. Dort haben die hierhergehörenden
Arten Antidesma bunius, Sauropus androgynus, Baccaurea racemosa, Baccaurea ramiflora und verwandte
Sippen Anteil an der bunten Palette der angebotenen
Obstsorten; ihre meist säuerlichen Früchte werden roh
oder kandiert gegessen oder zu Gelee verarbeitet.
Am bekanntesten aus dieser Gruppe sind wohl der
Stachelbeerbaum, Phyllanthus acidus, und der Amblaoder Mirobalanenbaum, Phyllanthus emblica, beide aus
Süd- und Südostasien stammend und vorzugsweise
in Indien kultiviert. Die pflaumengroßen Mirobalanen
weisen einen besonders hohen Vitamin-C-Gehalt auf,
sie werden gern zu Marmeladen verwendet und sind
getrocknet offizinell.
Die Gattung Phyllanthus — mit etwa 750 Arten die
größte der Unterfamilie — ist nicht nur wegen ihres
Blühende Pflanze von Phyllanthus ihtitans, der einzigen
Schwimmpflanze der Familie, die im Habitus den Schwimmfarnen der Gattung Salvinia außerordentlich ähnlich sieht
Umfangs interessant Einzelne Arten dringen relativ
weit in außertropische Gebiete, bis zum Ussuri-Raum,
Japan und zu den südlichen USA, vor. Außerordentlich verschiedene Wuchsformen sind in dieser Gattung
anzutreffen: Bäume, Sträucher (z. T. mit dornigen
Nebenblättern, wie wir sie noch bei den sukkulenten
Wolfsmilcharten kennenlernen werden), Rutensträucher, Stauden und Einjährige. Eine auffallende Erscheinung ist die südamerikanische Schwimmpflanze
Phyllanthus Altans, die einzige echte Wasserpflanze der
Familie, die — wie die Abbildung zeigt — verblüffend
den Schwimmfarnen der Gattung Salvinia (s. Band
Höhere Pflanzen 1) ähnelt Sie ist ein einprägsames
Beispiel für das Phänomen der Konvergenz, der Herausbildung ähnlicher Pflanzengestalten in nicht miteinander verwandten Pflanzengruppen unter dem Einfluß entsprechender Milieuverhältnisse. An derartigen
Konvergenzen ist die Familie reich, und wir werden
noch einige Male auf sie zu sprechen kommen.
Ein weiteres Beispiel betrifft ebenfalls die Gattung
Phyllanthus, es bezieht sich auf die Art der Beblätterung. So ist in der Gattung der sogenannte Niruri-Typ
(nach dem einjährigen Tropenkosmopoliten Phyllanthus niruri benannt) weit verbreitet; bei ihm wird der
Besitz von Fiederblättern vorgetäuscht, da die Seitensprosse höherer Ordnung ein begrenztes Längenwachstum haben und an ihnen zweizeilig in einer Ebene die
sich nach dem Sproßende zu verkleinernden Blätter
sitzen. Außerordentlich ähnliche fiederblattartige Gebilde treffen wir in einer amerikanischen Gruppe der
Gattung, z. B. bei Phyllanthus speciosus, an. Hier sind
an den Muttersprossen nur hinfällige Schuppenblättchen in zweizeiliger Anordnung entwickelt, in deren
Achseln sogenannte Flachsprosse oder Phyllokladien
stehen, die wegen ihrer flächenhaften Ausdehnung
und der lanzettlich-ovalen Form bei flüchtiger Betrachtung von Blättern nicht zu unterscheiden sind. Die
Sproßnatur ist aber bei genauerer Untersuchung an
den Schuppenblättchen der Phyllokladienkanten und
zur Blütezeit an den in deren Achseln stehenden Blütenständen zu erkennen. Ob diese »Nachahmung« von
Fiederblättern in morphologisch ganz unterschiedlicher
Weise direkt oder indirekt mit irgendwelchen Umweltfaktoren in Zusammenhang steht, wissen wir bisher
nicht.
27
1
Sehr unterschiedlich ist bei den Phyllanthus-Arten die
Feinstruktur der Pollenkörner, und man hat wie in
anderen Pflanzengruppen dieses Merkmal mit Erfolg
zur systematischen Gliederung der Gattung benutzen
können.
Unterfamilie Euphorbioideae (Crotonoideae)
Zu dieser Unterfamilie gehört die Mehrzahl der Arten
der Familie, die im Gegensatz zu den Phyllanthoideen
stets nur eine Samenanlage je Fruchtknotenfach haben
und vielfach Milchsaftbehälter besitzen. Die über 200
Gattungen werden in etwa ein Dutzend verschiedener
Triben unterteilt. Auf die oftmals diffizilen Unterschiede
zwischen ihnen im Blütenbau kann allerdings hier nicht
eingegangen werden.
Zuerst werden solche Verwandtschaftsgruppen besprochen, die keine Pseudanthienbildungen aufweisen
und deren Blüten meist noch mit einem Kelch und
oftmals — zumindest bei den männlichen Blüten — auch
mit einer Blütenkrone ausgestattet sind.
Tribus Crotoneae: Neben wenigen kleinen zählt hierzu
eine der größten Gattungen der Familie, Croton, mit
rund 700, in allen Tropengebieten beheimateten Arten.
Vielfach zeichnen sie sich durch eine dichte Schuppenoder Sternbehaarung aus. Die männlichen Blüten fallen
meist durch die große Zahl ihrer Staubblätter auf, die
oftmals zu 100 und mehr vorhanden sind, auch die
meistens ein- bis mehrfach gabelig verzweigten Griffel
sind in ihrer Form ungewöhnlich.
Tropisch-amerikanische Arten wie Croton draco oder
Croton echinocarpus besitzen ein rot gefärbtes, an der
Luft erhärtendes Harz, das als Drachenblut bezeichnet
wird; ähnliche, als Kino bezeichnete Stoffe hatten wir
bereits bei den Hülsenfrüchtlern (Pterocarpus, s. Band
Höhere Pflanzen 1) kennengelernt Zum Drogenbestand unserer Apotheken gehörten früher auch die
Purgierkörner, die Samen des Tiglibaumes, Croton
tiglium, der aus Süd- und Südostasien stammt, in Indien
kultiviert wird und sich vor dem herbstlichen Laubfall
durch eine auffallend rote Blattverfärbung auszeichnet.
Das aus seinen Samen gewonnene Öl (Crotonöl) ist
das stärkste pflanzliche Abführmittel, das wir kennen ;
die maximale Dosis beträgt einen Tropfen (0,05 g)! Die
harzigen Bestandteile dieses Öls sind sehr stark hautreizend; sie rufen rasch Blasenbildungen hervor. Neuerdings hat man aus dieser Harzfraktion als Kokarzinogene bezeichnete Wirkstoffe isoliert, die die Wirkung
von krebsauslösenden Verbindungen intensivieren können: Geringe Dosen bekannter Karzinogene, die an und
für sich noch nicht zur Ausbildung einer Krebsgeschwulst ausreichen, sind in Verbindung mit den genannten Substanzen des Crotonöls in der Lage, Krebsbildungen zu provozieren. Das macht die Verwendung
der Samen dieses Baumes natürlich sehr problematisch.
Tribus Chrozophoreae. Zu dieser Gruppe von 20 bis 30
Gattungen mit meist nur wenigen Arten gehören neben
tropischen Gehölzen einige in ihren Standortansprüchen stärker abweichende Pflanzen. So zählt hierzu die
Gattung Caperonia (mit 40 Arten die größte Gattung
der Tribus), deren Arten größtenteils in Sümpfen
wachsende Stauden sind. Ihre unteren Sproßabschnitte
werden oft von einem dicken Aerenchymmantel umgeben, dessen lufterfülltes Gewebe der Sauerstoffversorgung der unterirdischen Pflanzenorgane dient Demgegenüber stehen Chrozophora-Arten, die als dicht
behaarte Kräuter in den Wüstengebieten Nordafrikas
bis Nordwestindiens beheimatet sind. Ein im Mittelmeergebiet verbreitetes Unkraut, Chrozophora tinctoria,
galt schon im Altertum als Heilpflanze. Sein Name,
Lackmuskraut oder Färberkroton, weist auf die Verwendung als Farbpflanze hin, weswegen sie früher, ehe
synthetische Farbstoffe hergestellt wurden, in Südfrankreich auch kultiviert wurde. Ein lackmusähnlicher,
blauer und roter Farbstoff, den man zum Färben von
Lebensmitteln und Wein gebrauchte, wurde aus dem
Kraut und den Früchten gewonnen.
Wirtschaftlich wichtiger ist aber die kleine Gattung
Aleurites aus dem tropischen und warm-gemäßigten
Ostasien. Dem hohen Gehalt der Samen an rasch trocknenden Ölen verdanken diese laubwerfenden Bäume
eine bereits Jahrhunderte währende Nutzung in ihrer
Heimat. Die bis zu 2 bis 3 cm langen Samen (wie stets
in dieser Tribus ohne Karunkula) der bis 6 cm breiten,
stark verholzten Kapseln können bis zu 40 bis 60% Öl
enthalten. Der aus Malaysia stammende Kerzennußbaum, Aleurites moluccana, wird heute in vielen tropischen Ländern — allerdings nie in großem Maßstab gepflanzt, sein minderwertiges Samenöl verwendet man
als Brenn- und Schmieröl und zur Kerzen- und Seifenproduktion. Das wertvolle Holz- oder (nach dem chinesischen Namen der Bäume) Tungöl wird von Aleurites
montana und Aleurites fordii geliefert. Die letztere, im
zentralchinesischen Florengebiet beheimatete Art wird
im südlichen China vielfach, oft in Form von einzelnen
Bäumen, kultiviert Das Samenöl verbraucht man
größtenteils im Lande, z. B. bei der Linoleumherstellung,
zur Anfertigung von Ölpapier sowie der traditionellen
chinesischen Regenschirme. Anbauversuche mit dieser
Art sind auch in der Sowjetunion im Gebiet des Kaukasus und in den Südost-Staaten der USA gemacht worden. Die gleichfalls chinesische Aleurites montana wird
außerhalb ihrer Heimat mit Erfolg seit etwa 40 Jahren
in großen Plantagen in Malawi gezogen, und das exportierte Öl findet vielfältige Nutzung in der Lackund Farbenindustrie.
Tribus Joannesieae: Den Namen hat diese kleine Gattungsgruppe, deren Arten sich im Gegensatz zu der
vorangegangenen durch handförmig geteilte Blätter
auszeichnen, von der Gattung Joannesia. Ein Charakterbaum der Küstenstaaten Brasiliens ist Joannesia princeps, der die andauernden Dürreperioden im Nordosten
des Landes mit Hilfe seiner wasserspeichernden, bis
20 cm dicken Wurzelknollen zu überstehen vermag.
Eine andere Gattung dieser Gruppe, Hevea, spielt als
Kautschuklieferant in der Weltwirtschaft die führende
28
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Rolle; sie bildet für manche Staaten einen wesentlichen
Faktor ihrer Volkswirtschaft. Die rund 10 schwer voneinander unterscheidbaren Arten von Hevea (Bäume
und Sträucher) sind typische Elemente des südamerikanischen tropischen immergrünen Regenwaldes, der
sogenannten Hylaea, die sich im wesentlichen im Tiefland des Amazonas und seines Einzugsgebietes erstreckt. Die Arten besitzen in der Rinde durch Zellfusionen entstandene Milchgefäße, deren Querwände
resorbiert sind. Diese Gefäße sind auf dem Stammquerschnitt in konzentrischen Ringen angeordnet; die
Zahl der Gefäßringe in der Rinde und die der Gefäße
pro Ring sind auch innerhalb einer Art sehr unterschiedlich. Im Vergleich zu den meisten anderen milchsaftführenden Arten der Wolfsmilchgewächse ist bei
Hevea ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz an Kautschuk im Milchsaft suspendiert; der Gehalt kann
25 bis 40% erreichen.
Zur wichtigsten Quelle natürlichen Kautschuks überhaupt ist der Parakautschukbaum, Hevea brasiliensis,
geworden; der von ihm stammende Parakautschuk
macht über 90% des auf der Erde gewonnenen Naturkautschuks aus. Der bis 20 m hohe Baum ist vor allem
in den Regenwaldgebieten südlich des Amazonas beheimatet Die dort ansässigen indianischen Stämme
nutzten seinen Kautschuk bereits vor Ankunft der
Europäer. Der Name Hevea wird übrigens von dem
ekuadorianischen Volksnamen gleichfalls kautschukliefernder Castilla-Arten abgeleitet, die aber in einen
ganz anderen Verwandtschaftskreis, nämlich zu den
Maulbeergewächsen, gehören (s. Band Höhere Pflanzen 1). Die anfängliche Unklarheit über die Herkunft
dieses pflanzlichen Rohstoffs geht daraus deutlich hervor.
Hevea-Kautschukproben und von Indianern daraus
verfertigte Gegenstände gelangten schon im 18. Jahrhundert nach Europa. Die Verwertungsmöglichkeit dieses Naturstoffs stieg ab 1840 nach der Erfindung der
Vulkanisation sprunghaft an. Durch dieses Verfahren
blieb im Temperaturbereich zwischen 0 und 100 °C der
Kautschuk formbeständig. Man hat geschätzt, daß bis
zu 50000 verschiedene Produkte, vom Radiergummi
bis zum Isolierkabel, aus Kautschuk produziert werden
können! Deshalb setzte ab Mitte des vorigen Jahrhunderts eine rücksichtslose Ausbeutung der Wildbestände der Art ein, die aber nach 1880 mit der Entwicklung der Automobilindustrie (Reifen!) den Bedarf überhaupt nicht mehr decken konnten.
Durch Kultivieren des Baumes war man deshalb bestrebt, das Rohstoffaufkommen zu erhöhen. Die Initiative dazu ging vom Botanischen Garten Kew bei
London aus, dessen Museen und Sammlungen auch
heute noch ein Zentrum der botanischen Forschung
auf dem Gebiet der Systematik darstellen. Es gelang
schließlich dem in Brasilien lebenden Engländer H. A.
Wicklern auf Anregung des damaligen Direktors von
Kew Gardens, Joseph Hooker, 70000 Samen von Hevea
brasiliensis zu sammeln und 1876 nach Kew zu senden;
eine Tat, für die er später in den Adelsrang erhoben wurde !
Der Transport mußte außerordentlich rasch erfolgen,
da die Samen nur etwa 4 Wochen lebensfähig bleiben.
Trotz guter Organisation des Versandes erwiesen sich
in Kew weniger als 4% der Samen keimfähig. Die
gewonnenen Jungpflanzen wurden dann in botanische
Gärten der britischen Kolonien in Asien versandt.
Die weitere Anzucht und Vermehrung des Materials
fand vor allem auf Ceylon und Singapur statt. Den
Bemühungen des Botanischen Gartens in Singapur sind
die ersten Kulturversuche sowie die Ausbreitung und
ständige Verbesserung der Anpflanzungen zu verdanken.
Vielfach liest man abenteuerliche Darstellungen der
Sammlung und des Abtransportes der Samensendung
durch Wickham. Es entspricht aber keineswegs den
Tatsachen, daß die Samen seinerzeit aus Brasilien herausgeschmuggelt wurden; damals bestanden überhaupt
noch keine Ausfuhrverbote für Hevea-Saatgut, und die
Unternehmung Wickhams erhielt darüberhinaus offizielle Unterstützung durch die Behörden des Landes.
Noch heute ist Malaysia neben Indonesien Hauptproduzent und -exporteur von Naturkautschuk; er macht
in diesen Ländern etwa 50% des Exportvolumens aus.
Das tropische Asien, wo die Hevea-Plantagen meist im
Raum früherer Dipterocarpaceen-Wälder angelegt wurden, erzeugt 92% der Weltproduktion. Auch in einigen
afrikanischen Ländern, vor allem in Nigeria, befinden
sich große Plantagen. Brasilien, die Heimat des Baumes,
das noch um die Jahrhundertwende der einzige Produzent von Parakautschuk war, hat jetzt nur noch mit
einem Prozent Anteil an der Weltproduktion. In dieser
Zeit stieg die Erzeugung um das 40fache, auf etwa 2
Millionen Tonnen pro Jahr. Das wurde nicht nur durch
die Erweiterung der Anbauflächen, sondern auch durch
Verbesserung der Anbaumethoden, rationellere Zapftechnik, die sich dem Lauf der Milchgefäße in der Rinde
anpaßt, und durch eine intensive züchterische Verbesserung erreicht In Malaya besteht in Kuala Lumpur
das große Rubber Research Institute, das derartige
Arbeiten durchführt Heute kann man z. B. in Malaysia
mit einem durchschnittlichen Ertrag von 500 kg Kautschuk pro Hektar und Jahr rechnen (die Bestände werden im 5. bis 7. Jahr zapfreif), es gibt aber bereits
Sorten mit Erträgen von 2 Tonnen pro Hektar. Der
Mißerfolg von Hevea-Pflanzungen in der Heimat des
Baumes beruht auf der verheerenden Wirkung eines
dort heimischen Mehltau-Pilzes (Dothidella ulei), der
die Bestände vernichtet Um einer eventuellen Einschleppung in die übrigen Anbaugebiete zu begegnen,
wird intensiv an der Züchtung resistenter Sorten gearbeitet Dazu werden Einkreuzungen mit widerstandsfähigen Wildarten der Gattungen unternommen.
Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Kautschuks
hat man schon bald eine eingehende chemische Analyse seines Aufbaues und seiner Biosynthese durchgeführt Man weiß jetzt, daß dieser Rohstoff eine Polyisoprenkette darstellt, deren Länge (und damit das
Molekulargewicht) bei den einzelnen Individuen der
Art unterschiedlich sein kann. Die künstliche Synthese
des Kautschuks ist ebenfalls seit Jahrzehnten in technischem Umfang durchführbar, aber erst während des
29
Old
1
1
letzten Jahrzehnts hat die Produktion synthetischen
Kautschuks die des Naturkautschuks erreicht
Tribus Acalypheae: Dieser große Verwandtschaftskreis
zählt etwa 90 Gattungen, deren Arten sich durch das
völlige Fehlen von Kronblättern (in männlichen
und weiblichen Blüten) auszeichnen. Viele Gehölze
der immerfeuchten tropischen Regenwälder gehören
hierher, aber auch Gehölze von Waldformationen, die
in Gebieten mit einer Klimaperiodizität liegen bzw.
über die eigentlichen Grenzen der Tropen hinausreichen. Auch in den kühler-gemäßigten Breiten ist
diese Tribus, und zwar fast ausschließlich durch krautige Pflanzen, vertreten. Große Gattungen mit jeweils
über 100 bis über 200 Arten sind Alchornea, Mallotus
und Macaranga, die alle besonders reich in den Monsunländern Süd- und Südostasiens entwickelt sind, wo
eine beachtliche Zahl dieser Sippen durch sommergrüne
Beblätterung gekennzeichnet ist
Von Mallotus, bei dem wie in verwandten Gattungen
eine Reihe von Arten durch sehr große, 30 bis 40 cm breite,
oft schildförmige Blattspreiten auffällt, sei nur Mallotus
philippinensis erwähnt Ein aus den Drüsen der Früchte
dieser Art gewonnener gelber Farbstoff wurde früher
zum Färben von Seidenstoffen benutzt Diese Art ist
ferner ein Beispiel für die vielen seit alters her als Heilpflanzen verwendeten Sippen dieser Tribus: Blätter und
Früchte sind ein Mittel gegen Schlangenbisse, und
aus den Drüsen bereitete man — vermutlich auf Grund
des Saponin gehaltes —eine Medizin gegen Bandwürmer.
Die Gattung Macaranga ist wegen einiger hierhergehörender Ameisenpflanzen von besonderem biologischem
Interesse. Derartige Myrmekophile sind bereits bei der
Besprechung der Akazien (s. Band Höhere Pflanzen 1)
ausführlich behandelt worden. Charakteristisch sind
für die Ameisen-Macaranga-Arten im Laufe der Entwicklung anschwellende und hohlwerdende Internodien, die den Ameisen als Niststätten dienen. Diese
können aber auch sackartige Hohlräume besiedeln, die
von den zurückgeschlagenen Nebenblättern gebildet
werden. Ölreiche Nahrungskörper, die vermutlich abgewandelten Blattdrüsen entsprechen und die für die
Fütterung der Ameisenlarven abgeweidet werden, befinden sich auf der Unterseite der genannten Nebenblätter oder junger Blattspreiten. Beobachtungen zeigten, daß von Ameisen besetzte Macaranga- Bäume z. B.
weniger von Raupen befallen werden als ameisenfreie
Individuen, so daß ähnlich wie bei den Akazien ein
gegenseitiger Vorteil für die beiden Partner dieser
Lebensgemeinschaft entsteht.
Krautige Pflanzen sind u. a. in der amerikanischen
Gattung Tragia vorherrschend. Hier und bei verwandten
Gattungen treten Brennhaare auf, die wir auch in
anderen Verwandtschaftskreisen der Familie beobachten können. Bei Tragia besitzen sie eine stilettartige
Form; im Zellumen ist ein großer Kalziumoxalatkristall vorhanden, der bis in die Haarspitzen reicht
und bei Berührungen in die Haut eindringen kann.
Über den Chemismus der darauf folgenden Entzündung der Wundstelle ist noch nichts Genaues bekannt.
Rizinus, Ricinus communis. Oben Blütenstand vorwiegend mit männlichen Blüten (ihre Staubblätter sind verzweigt und besitzen viele Staubbeutel), unten junger Fruchtstand; die Pflanze gehört zu einer Sorte mit stachellosen Kapseln.
Rizinussamen, Ricinus communis, in Vorder- und Rückansicht, natürliche Länge etwa 1,7 cm; rechts ist die für die
Familie charakteristische Karunkula, eine schwielenartige
Bildung des Integuments der Samenanlage, zu erkennen.
In der mitteleuropäischen Flora ist die Tribus durch
die Bingeikräuter, Mercurialis, vertreten, von denen
als ein charakteristischer Frühjahrsblüher der Bodenvegetation frischer Laubwälder das Ausdauernde Bingelkraut, Mercurialis perennis, zu erwähnen ist Die
meisten Arten der Gattung sind allerdings im Mittelmeergebiet beheimatet, aus dessen westlichem Teil das
auch als Gartenunkraut verbreitete Schuttbingelkraut,
Mercurialis annua, stammt.
Eine vorwiegend in den Tropen angebaute, aber auch
in unseren Breiten zumindest dem Namen nach bekannte
Pflanze dieser Tribus ist der Rizinus, auch Wunderbaum genannt ( Ricinus communis), die einzige Art dieser Gattung. Diese im zentralen und nordöstlichen
Afrika wild vorkommende, in Ägypten bereits vor
6000 Jahren kultivierte und sehr frühzeitig nach Indien
eingeführte Art ist außerordentlich variabel. In den
Tropen wird sie baumförmig und erreicht bis 10 m
Höhe, während sie in den kühleren Klimazonen — auch
bei uns — im Freiland nur als Einjährige gezogen werden
kann. Rizinusöl ist wohl allen Lesern ein Begriff, es ist
das am weitesten verbreitete Abführmittel und wurde
in Europa bis ins 20. Jahrhundert fast ausschließlich
als solches benutzt Im alten Ägypten war es dagegen
auch ein wichtiges Brennöl. Heute gehört es zu den
wichtigsten technischen Ölen der Erde und hat ein
sehr weites Anwendungsspektrum. Es wird zum Imprägnieren von Leder und Textilien, zur Seifen- und
Farbenherstellung und als Motoren-Schmieröl (auch
für Flugzeugmotoren) verwendet, wird aber auch bei
der Produktion von Plasterzeugnissen und von nylonartigen Kunstfasern in großem Umfang gebraucht.
Das schwer trocknende Öl erhält man aus den Samen
der Pflanze (s. Abbildung), die neben 40 bis 55 % Öl auch
eine giftige Eiweißverbindung, das Toxalbumin Ricin,
enthalten, so daß die Preßrückstände nicht wie bei
anderen Ölfrüchten verfüttert werden können. Die
Samen haben dadurch eine hohe Toxizität, für den Menschen kann bereits der Genuß eines Samens schwere
körperliche Schädigungen hervorrufen. Die steigende
Nachfrage nach Rizinusöl wird vorwiegend von Brasilien und Indien gedeckt, in den USA sind bereits
niedrige, für den Mähdrusch geeignete Sorten gezüchtet
worden, und Formen mit stachellosen, geschlossenbleibenden Kapseln sind schon (im Gegensatz zu den
Primitivformen mit stacheligen, aufspringenden Kapseln) weit verbreitet.
Die Rizinuspflanze ist in blütenbiologischer Hinsicht
interessant, da bei ihr abweichend von den überwiegend
insektenblütigen Vertretern der Familie die Pollenübertragung vorzugsweise durch den Wind geschieht
Diese Tendenz ist auch bei anderen Gattungen dieses
Verwandtschaftskreises ausgeprägt, so z. B. auch bei
den erwähnten Bingelkräutern.
Ähnliches gilt auch für die Gattung Acalypha, eine in
den Tropen mit über 400 Arten verbreitete Gruppe, die
durch die Vielgestaltigkeit der Anordnung und Stellung
der Blütenstände sowie der Geschlechterverteilung in
ihnen auffällt In Anpassung an die Windbestäubung
ist bei einigen Arten die Narbe zu einem bis 2 cm langen
federigen Organ umgebildet. Viele der nesselähnlichen
Acalypha-Stauden mit ihren fuchsschwanzartigen Blütenständen sind typische Pflanzen der Bodenschicht
tropischer Wälder; einige, wie Acalypha hispida mit den
bis zu einem halben Meter langen Blütenständen, stellen
beliebte Zierpflanzen warmer Länder dar. Neuere
Untersuchungen zur Holzanatomie und zum Pollenbau der Gattung haben übrigens eine weitgehende
Übereinstimmung mit der Unterfamilie der Phyllanthoideen ergeben, so daß trotz der anderen Zahl der
Samenanlagen in den Fruchtknotenfächern die Einordnung von Acalypha bei den Euphorbioideen überprüfenswert erscheint.
Tribus Cluytieae: Diese kleine Gruppe ist nach Cluytia
benannt, die vorzugsweise im Kapland vorkommt und
zu der an trockenere Klimate angepaßte Sträucher mit
erikaartiger Beblätterung gehören.
Die Tribus enthält zwar keine Weltwirtschaftspflanzen,
dafür aber eine Reihe von Kultur- und Nutzpflanzen
von lokalerer Bedeutung.
So zählt hierzu z. B. das wegen der bunten Blätter als
Warmhaus- und Topfpflanze gezogene Codiaeum variegatum, das von unseren Gärtnern oft als »Croton«
bezeichnet wird (s. Farbbild 6). In seiner grünblättrigen
Normalform ist es in Südostasien bis zu den pazifischen
Inseln verbreitet, wird aber wegen des gelben, roten
oder panaschierten Laubes seit langem von den Südseebewohnem als Zierpflanze kultiviert Auch die Blattform der Art ist eindrucksvoll, auf ein und derselben
Pflanze werden sehr verschiedene Blattformen entwickelt, oftmals sind die Spreiten in der Mitte eingeschnürt, und ein stielartiger Abschnitt trennt den basalen vom oberen Abschnitt der Blattfläche.
Die über 150 Arten umfassende Gattung Jatropha ist
31
durch eine sehr variable Gestaltung ihrer Nebenblätter
gekennzeichnet: Sie können haarförmig zerschlitzt,
blättchenartig, oft hinfällig oder als Drüsen ausgebildet
sein und sind bei ostafrikanischen und südarabischen
Arten zu einfachen oder verzweigten Dornen umgewandelt Jatropha-Blüten sind für die Wolfsmilchgewächse recht ansehnlich und meist mit Kelch und
Krone ausgestattet. Es gibt krautige Artengruppen der
Gattung, die als Speicherorgane verdickte Rhizome
haben; hierzu rechnet u. a. die in den savannenartigen
Landschaften Brasiliens heimische Jatropha elliptica,
die eine wichtige Heilpflanze dieses Landes darstellt.
Verwandt mit ihr ist die Purgiernuß, Jatropha curcas,
aus dem tropischen Amerika, die heute auch in vielen
anderen Tropenländern eingeschleppt ist oder kultiviert
wird. Das aus den in der Pharmazie als Semen Ricini
majoris bezeichneten Samen gepreßte Öl wird wie
Rizinusöl als Abführmittel, aber auch als Brennöl verwendet
Mit Jatropha weitgehend übereinstimmend ist die amerikanische Gattung Cnidoscolus, deren Arten oftmals
durch ihre stachelig-gezähnten Blätter ein distelartiges
Aussehen haben. Charakteristisch für Cnidoscolus sind
Brennhaare, die in ihrem Bau völlig den früher (s. Band
Höhere Pflanzen 1) geschilderten Haaren der Brennnesseln (Urtica) gleichen und die ebenfalls mit einer
vorgebildeten Abbruchstelle versehen sind. Eine derartige »Abwehreinrichtung« macht diese Arten zur Anlegung lebender Zäune sehr geeignet, Cnidoscolus
aconitifolius wird zu diesem Zweck in Mittelamerika
oft gepflanzt.
Blütenstand von Jatropha macrantha aus Peru. Die lebhaft
gefärbten Blüten dieser Gattung gehören zu den auffallendsten und größten Einzelblüten innerhalb der Familie, Kelch
und Krone sind normal entwickelt.
Der Kuriosität halber soll schließlich noch Ricinodendron heudelotii erwähnt werden, Charakterbäume Westafrikas, die in Kongo-Kinshasa die Straßen als lebende ,
Telegraphenmaste säumen. Einige Meter hohe Stecklinge werden in Pflanzlöcher an den Straßenrändern
gesetzt, und nach der Bewurzelung können dann die
Pflanzung von Maniok, Manihot esculenta, eine der wichtigsten Stärkepflanzen der Erde, deren größte Anbaufläche in Afrika
liegt. Handförmig geteilte Blätter sind für Manihot und manche andere Gattungen der Familie bezeichnend.
32
Drähte in der gewünschten Höhe gezogen werden.
In Westafrika wird dieser Baum auch wegen der ölreichen Samen und wegen des Holzes kultiviert, das
sich durch seine weiche, poröse Struktur zur Anfertigung von Schwimmgürteln, Tropenhelmen u. ä. eignet.
Tribus Manihoteae: Die einzige Gattung dieser Gruppe
ist Manihot, die 100 bis 200, oftmals schwer unterscheidbare strauchförmige, selten baum- oder krautartige
Arten umfaßt Ihre großen Blätter sind im allgemeinen
tief gelappt bis handförmig geteilt, und für die Mehrzahl der Pflanzen ist eine blaue Bereifung typisch. Die
Gattung ist in ihrer Verbreitung auf Amerika beschränkt,
Zentren der Artentwicklung liegen in Mittelamerika
und in Nordostbrasilien, das Areal reicht aber insgesamt von Arizona bis Argentinien.
Ähnlich wie bei Hevea sind auch bei Manihot in den
echten Milchsaftgefäßen die Querwände rückgebildet,
und ein kautschukhaltiger Milchsaft ist vorhanden,
wodurch die Gattung ebenfalls für eine Nutzung als
Kautschukquelle prädestiniert erscheint. Die aus den
Trockengebieten Nordbrasiliens stammende Manihot
glaziovii ist deshalb Ende des vergangenen Jahrhunderts
zu diesem Zweck ausgebeutet worden, und auf die
Initiative des Botanischen Gartens in Kew gingen ähnlich wie bei Hevea Anpflanzungen z. B. in Indien und
Afrika zurück. Aber durch die gegenüber Hevea geringen Erträge und den hohen Harzgehalt des Milchsaftes war diese Art nicht konkurrenzfähig, der von ihr
gewonnene Ceara-Kautschuk spielt daher heute in der
Weltwirtschaft keine Rolle.
Wesentlich bedeutender in wirtschaftlicher Hinsicht ist
die Gattung durch den Maniok, auch Mandioka oder
Kassave genannt. Er ist eine der wichtigsten Stärkepflanzen der Tropen und mit Kartoffel und Süßkartoffel
zugleich die dritte der für den Menschen bedeutendsten stärkeliefernden Knollenpflanzen. Diese Art, Manihot esculenta, ist ein 1 bis 5 m Höhe erreichender Strauch,
dessen Adventivwurzeln sich an der Sproßbasis nach
einer einige Zentimeter langen Stielzone zu zylindrischen bis spindelförmigen, 15 bis 100 cm langen und
3 bis 15 cm dicken Speicherknollen entwickeln, deren
Mark außerordentlich stärkereich ist (bis 35%) und
nur wenig Gefäßbündel und Milchgefäße enthält Eine
Pflanze kann zwischen 5 und 10 dieser Wurzelknollen
tragen, bei denen man in Extremfällen Längen bis zu
5 m gemessen hat!
Man unterscheidet zwischen Süßem und Bitterem
Maniok: Die süßen Formen sind arm an dem Blausäureglukosid Linamarin, das hier nur in der Rindenschicht der Knollen vorhanden ist; nach dem Schälen
sind die Knollen also ohne weiteres genießbar. Bitterer
Maniok (gern in wildreichen Gegenden gepflanzt) hat
einen höheren Blausäuregehalt, und Formen mit 100 mg
Blausäure pro Kilo Frischknollen müssen bereits als
stark giftig angesehen werden. Diese giftige Verbindung ist hier in allen Schichten der Knolle enthalten,
wobei als besonders giftig gelbfleischige Knollen gelten.
Diese bitteren Formen sind erst nach einem durch
Wässern, Rösten und Kochen vorgenommenen Entgiftungsprozeß eßbar. Das nahrhafte Mehl der ManiokKnollen oder die daraus gewonnene Stärke (unter dem
Maniok-Knollen, die sich aus Nebenwurzeln an der Sproßbasis des Maniok-Strauches entwickeln und Längen von 15 bis
100 cm erreichen.
3 Höhere Pflanzen 2
33
Namen Tapioka bekannt) bildet die Nahrungsgrundlage eines Großteils der südamerikanischen Indianerstämme, aber auch der Bevölkerung vieler afrikanischer
Gebiete und der tropischen Tiefländer überhaupt Es
ist das Ausgangsprodukt des Kassave-Bieres und anderer alkoholischer Getränke. Außerhalb der Tropen
wird Tapioka auch zur Puddingpulver-, Konfektherstellung und für technische Zwecke verwendet.
Der Maniok ist nur als Kulturpflanze bekannt und in
erstaunlich vielen Formen und Sorten verbreitet. Seine
Kultur war in Amerika schon lange vor Ankunft der
Europäer verbreitet, sie reicht in Peru bis 4 000 v. u. Z.
und in Mexiko bis 2 000 v. u. Z. zurück. Vielleicht ist
in diesen beiden, den genannten Mannigfaltigkeitszentren der Gattung entsprechenden Gebieten die
Kultur dieser Art unabhängig voneinander entwickelt
worden. Von den portugiesischen Seefahrern wurde die
Art bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
nach Westafrika gebracht, wo ihre Kultur ebenfalls
bedeutende Ausmaße annahm. In den übrigen afrikanischen Ländern hat sie sich erst vom 19. Jahrhundert
ab stärker ausgebreitet
Der weit verbreitete Anbau des Manioks beruht u. a.
auf seiner Anspruchslosigkeit gegenüber den Nährstoffverhältnissen des Bodens, auf der Fähigkeit,
Trockenperioden zu ertragen, auf seiner Resistenz
gegenüber Heuschreckenbefall und auf der einfachen
Anbautechnik. Bei intensiven Kulturmaßnahmen kann
man Hektarerträge von 50 bis 65 Tonnen erhalten.
Über die Hälfte der auf 6 bis 7 Millionen Hektar geschätzten Anbaufläche auf der Erde entfällt auf den
afrikanischen Kontinent. Trotz der über 60 Millionen
Tonnen erreichenden Jahresproduktion an ManiokKnollen hat die Art im Welthandel keine Bedeutung,
der überwiegende Teil wird in den Erzeugerländern verbraucht. In den tropischen Ländern hat sich auch die
moderne Pflanzenzüchtung dieser Kulturpflanze angenommen, wobei ein wichtiges Zuchtziel die Resistenz
gegen Viruskrankheiten ist, was durch Einkreuzung von
anderen Arten der Gattung, u. a. auch der oben erwähnten Manihot glaziovii, erreicht werden soll. Von den
brasilianischen Indianerstämmen werden übrigens als
Stärkepflanzen in lokalem Maßstab auch noch einige
weitere Manihot-Arten gepflanzt.
Tribus Gelonieae: Von dieser kleinen Gattungsgruppe,
die sich in den vegetativen Organen durch die ungelappten Blätter von der vorangegangenen Tribus unterscheidet, sollen nur 2 Vertreter vorgestellt werden. Es
handelt sich einmal um die paläotropische Gattung
Gelonium, von der eine Reihe afrikanischer und indischer Arten wertvolles Bauholz liefern. Einige Sippen,
so z. B. Gelonium bifarium von der Malakkahalbinsel,
enthalten aromatische Harze und wohlriechende Hölzer, die auch in anderen Verwandtschaftskreisen der
Familie festgestellt wurden (u. a. in der folgenden
Tribus Hippomaneae).
Gleichfalls von Interesse ist die kleine, von Südchina
bis zu den Fidschiinseln verbreitete Gattung Endospermum. Das indonesische Endospermum moluccanum
34
ist eine alte Heilpflanze der Malaien. Die Wurzel wird
z. B. zu einem Gegenmittel für Pfeilgifte verarbeitet.
Diese durch ihre großen schildförmigen Blätter auffallende Art ist ebenfalls eine Ameisenpflanze, wie wir
sie schon bei Macaranga kennengelernt hatten. Hier
befinden sich in den hohlen, angeschwollenen Zweigen
des Baumes die Brutkammern der Tiere, zu deren Ernährung Drüsenabscheidungen der Blätter beitragen.
Endospermum moluccanum gehört wohl zu den am
längsten bekannten Beispielen von Myrmekophilie.
Schon im 17. Jahrhundert wurde dieses Phänomen von
dem in holländischen Diensten stehenden deutschen
Kaufmann E. Rumpf beschrieben, dessen großes Tafelwerk über die Pflanzenwelt der damaligen holländischen
Besitzungen in Südostasien (Herbarium Amboinense)
erst nach seinem Tode veröffentlicht wurde.
Tribus Hippomaneae: Die Blüten der hierhergehörenden Arten zeigen vielfach starke Reduktionserscheinungen; es fehlt nicht nur stets die Blütenkrone, auch
der Kelch ist häufig stark rückgebildet Milchsaft ist
hier in einzelnen Milchsaftzellen vorhanden, wie sie
eingangs geschildert wurden, er ist häufig reich an Kautschuk und hautreizenden Harzen. Arten dieser Gruppe
kommen nicht nur in der Tropenzone, sondern in Ostasien und dem atlantischen Nordamerika z. B. auch
in den gemäßigteren Breiten vor, sie haben sich an den
veränderten Klimarhythmus durch sommergrüne Beblätterung und — bei Bewohnern von Trockengebieten durch die Ausbildung xeromorpher Strukturen angepaßt.
Den Namen hat dieser Verwandtschaftskreis von der
kleinen Gättung Hippomane erhalten, die auf den Karibischen Inseln und in der atlantischen Küstenregion
Mittelamerikas zu Hause ist Opernfreunden ist vielleicht
der Manzanillo-Baum aus der Oper »Die Afrikanerin«
von Meyerbeer in Erinnerung, ein Baum (dessen Heimat
in diesem Musikwerk irrtümlich nach Asien verlegt
wird), der außerordentlich giftige Wirkung haben soll,
so daß bereits ein Verweilen in seinem Schatten tödliche Folgen haben kann! Doch diese Vorstellung entspricht keineswegs den Tatsachen. Hippomane mancinella, auf den sich diese Angaben beziehen, hat nur
einen sehr starke Hautentzündungen hervorrufenden
Milchsaft, der beim Verzehr allerdings auch unangenehme innere Verätzungen und Entzündungen verursachen kann. Diese und die anderen Arten der Gattung
haben übrigens große fleischige, steinfruchtartige
Früchte, die von Fledermäusen gefressen und deren Samen von diesen Tieren verbreitet werden. Der Ferntransport der Hippomane-Früchte erfolgt aber meist durch
Meeresströmungen.
Von einem gewissen wirtschaftlichen Interesse ist die
Gattung Sapium, zu der über 100 Arten aller wärmeren
Erdteile gehören und deren Samen schon in tertiären
Braunkohlen nachgewiesen wurden. Eine Reihe amerikanischer Arten hat man als Kautschuklieferanten ausgebeutet, sie spielen aber heute in dieser Hinsicht keine
Rolle mehr. Der Milchsaft anderer Sippen wird zur
Herstellung von Vogel- oder Fliegenleimen, zu Pfeil-
giften, aber auch — besonders in Mittelamerika — als
Fischgift verwendet. Dazu dienen auch die Samen von
Sapium indicum in Südasien. Bekannter ist die Gattung
durch den Chinesischen Talgbaum, Sapium sebiferum,
geworden, der im mittelchinesischen Florengebiet beheimatet ist, in Ostasien und anderen Ländern aber
auch kultiviert wird. Wie bei vielen Arten der Gattung
sind die Außenschichten der Samenschale fleischig entwickelt, sie sind bei Sapium sebiferum weiß, außerordentlich fettreich und von talgartiger Konsistenz.
Dieser Samentalg wird durch überbrühen der Samen
gewonnen, eingeschmolzen und zu Kerzen und Seife
verarbeitet; Prellrückstände enthalten fettes Öl, das
als Brennöl und für manche anderen technischen Zwecke
dient Dieser Pflanzentalg ersetzte früher in China für
die genannten Verwendungen weitgehend tierische
Fette.
Verschiedene Arten der Tribus sind charakteristisch
für die tropische Küstenvegetation. Excoecaria agallocha
z. B. ist ein Bestandteil der asiatischen und pazifischen
Mangroven- und Strandwälder. Sein scharfer Milchsaft fand vielfach Anwendung in der Volksheilkunde, der
Rauch seines brennenden Holzes wurde von den Eingeborenen früher sogar gegen Aussatz benutzt.
Ähnliche Standortansprüche weisen die wenigen Arten
der Gattung Hura auf. Sie gehören zu den Vertretern
der Familie, bei denen die typische Zahl (3) der Fruchtknotenfächer erhöht ist, sie beträgt in diesem Falle
5 bis 20. Der Sandbüchsbaum, Hura crepitans, aus dem
mittleren und südlichen Amerika ist heute in den meisten tropischen Ländern wegen seiner dekorativen,
großen, herzförmigen Blätter eine beliebte Zierpflanze,
die sehr oft auch verwildert und zu den Gehölzen zählt,
die den meisten Tropenreisenden vertraut sind. Der
merkwürdige Name rührt daher, daß man früher die
Frucht des Sandbüchsbaumes, Hura crepitans. Diese Art ist
einer der wenigen Vertreter der Familie, bei denen die Zahl
der Fruchtblätter (üblicherweise 3) stark vermehrt ist, die
Frucht auf dem Bild besitzt 13 Fruchtfächer.
unreifen, bis 8 cm breiten Kapseln, denen die Samen
entfernt und die anschließend mit Sand gefüllt wurden,
als Briefbeschwerer und als Streubüchse zum Trocknen
der Tintenschrift benutzte. Zur Reifezeit springen die
Hura-Kapseln wie die vieler Wolfsmilchgewächse (z. B.
auch wie die unserer heimischen Wolfsmilcharten) explosionsartig auf und schleudern dabei unter einem
hörbaren Knall die Samen heraus. Den Rekord unter
den Wolfsmilchgewächsen hält Hura crepitans, bei der
eine Schleuderweite bis zu 14 m gemessen wurde.
Als Kuriosität sollen abschließend noch die sogenannten »springenden Bohnen« erwähnt werden, die im
vergangenen Jahrhundert als Naturwunder eine gewisse
Berühmtheit erlangten. Es handelte , sich dabei um
Samen mit 2 geraden und einer gewölbten Flanke, die
Bewegungen ausführten. Legte man sie auf die ebene
Seite, so drehten sie sich ruckartig auf die gewölbte,
während in umgekehrter Richtung die Bewegung
längere Zeit beanspruchte. Mitunter wurden einige
Millimeter hohe »Sprünge« oder kleine Vorwärtsbewegungen beobachtet Man fand schließlich, daß diese
Mobilität von den Raupen eines Kleinschmetterlings
verursacht wurde, die sich im Innern dieser Samen entwickelten und sich dort mit einem Gespinst umgaben.
Diese Larven sind außerordentlich langlebig, Samen
zeigten noch nach monatelangem Transport diese Erscheinung. Es dauerte eine geraume Zeit, bis man als
Stammpflanze der »springenden Bohnen« die mexikanische Art Sebastiania palmeri entdeckte; ähnliche Erscheinungen wurden auch bei einigen anderen Arten
dieser Tribus beobachtet (z. B. bei Sapium).
Tribus Dalechampieae: Diese und die folgende Tribus
besitzen die bei den allgemeinen Bemerkungen über
die Familie erwähnten Pseudanthienbildungen, bei
oberflächlicher Betrachtung einer einzelnen Blüte ähnelnde Blütenstände, die aus vielen, gedrängt stehenden
Blüten von einfachem Bau zusammengesetzt sind und
die auf die bestäubenden Insekten auch als Einzelblüte
wirken. Zu den Dalechampieen gehört nur die Gattung
Dalechampia, deren rund 100 Arten mit wenigen in
Afrika oder Indien beheimateten Ausnahmen in ihrer
Verbreitung auf das tropische Amerika, insbesondere
auf Brasilien, beschränkt sind. Es handelt sich oft um
Lianen oder aber um Sträucher und Halbsträucher.
Viele von ihnen werden als Heilpflanzen verwendet, so
auch die weit verbreitete, im gesamten Gattungsareal
vorkommende Dalechampia scandens.
Die köpfchenförmigen, mehr oder weniger ovalen
Blütenstände werden bei Dalechampia von einigen
großen, bunten Hochblättern umgeben, die die Funktion der Blütenkrone übernehmen. Die Blütenstände
selbst sind kompliziert aufgebaut: Im unteren Teil ist
ein Dichasium aus 3 weiblichen Blüten entwickelt, die
wie die männlichen einen mehrblättrigen Kelch, aber
keine Krone besitzen. über diesem weiblichen Abschnitt ist ein Pleiochasium männlicher Blüten mit
3 dreiblütigen und 2 einblütigen Teilblütenständen vorhanden. Der obere Teil des Blütenstandes wird von
einem polsterförmigen und unregelmäßig gelappten
35
rd
Körper aus sterilen Blüten gebildet; zumindest in einigen Arten ist bekannt, daß er als Drüsenorgan funktioniert und harzartige Stoffe abscheidet, die von den
bestäubenden Wildbienen als Nestbaustoffe gesammelt
werden. In den männlichen Blüten sind fast stets über
10 (bis 30, selten 90) Staubblätter entwickelt, deren
Staubfäden zu einer Säule verwachsen sind. Die männlichen und weiblichen Teilblütenstände sind ihrerseits
von kleineren, gefärbten Hochblättern umgeben; insgesamt täuschen so die Dalechampia-Blütenstände die
Existenz einer einzelnen Blüte vor.
Tribus Euphorbieae: Bei diesem letzten Verwandtschaftskreis der Familie ist die Umwandlung von
Blütenständen zu einzelblütenartigen Gebilden extrem
entwickelt Die wirkliche morphologische Natur dieser
hier als Cyathien bezeichneten Pseudanthien ist erst
relativ spät erkannt worden, selbst Linne hielt sie für
Zwitterblüten. Als Beispiel für ein Cyathium sollen uns
die Verhältnisse bei den Wolfsmilcharten (Euphorbia)
dienen (s. Abb. S. 24). Das Cyathium hat eine becherförmige Gestalt und ist im allgemeinen unter einem
Zentimeter breit Die Wand des Bechers wird von 5
grünlichen, oft aber auch gelblich oder rötlich gefärbten Hochblättchen gebildet. Zwischen diesen sitzen
am oberen Rand des Cyathiums Nektardrüsen (oft
gefärbt), an denen die Blüten der Wolfsmilchgewächse
überhaupt sehr reich sind und die bei den EuphorbiaCyathien in außerordentlich verschiedener Form auftreten: Sie können ovale oder elliptische Scheibchen
darstellen, halbmond- bis sichelförmig, zerschlitzt oder
fingerförmig geteilt sein und auch kronblattartige,
meist weiße Anhängsel tragen. Der morphologische
Charakter dieser Drüsen (ob Anhangsgebilde der Hochblätter oder von Sproßnatur) ist noch umstritten. Ihre
Zahl schwankt etwas, 4 sind die Regel.
Die genannten 5 Hochblättchen sind die Tragblätter
von 5 männlichen Teilblütenständen, die von diesen
umschlossen werden und innerhalb des Cyathiums
5 Gruppen männlicher Blüten bilden. Jede dieser Gruppen entspricht vermutlich einem wickelförmigen Teilblütenstand, der aber auf Grund der beengten Raumverhältnisse innerhalb des Cyathiums nicht typisch entwickelt ist Schuppenförmige Gebilde zwischen den
Blüten in den Teilblütenständen dürften auf die Verwachsung und Rückbildung von Tragblättchen der
einzelnen Blüten zurückgehen. Die männlichen Blüten
selbst bestehen nur aus einem von dem kurzen Blütenstiel
abgegliederten Staubblatt! Daß es sich dennoch um eine
Blüte und nicht nur um ein einzelnes männliches Organ
handelt, zeigt uns die verwandte Gattung Anthostema
aus Afrika, wo an der Abgliederungsstelle des Staubblattes noch eine kelchartige Blütenhülle entwickelt ist.
Sehr selten kommen auch bei Wolfsmilcharten Kelchschüppchen am Grunde der Staubblätter vor.
Aus dem Cyathium heraus ragt eine einzelne, endständige
weibliche Blüte, die, von einigen Ausnahmen abgesehen, ebenfalls ohne jegliche Blütenhülle ist und nur
aus dem Fruchtknoten besteht. Ihr Stiel ist meist abwärts gewendet und an der Stelle, wo er aus dem Cyathium
Euphorbia echinus ist eine der vielen sukkulenten Wolfsmilcharten, die in ihren vegetativen Organen auffallend an Kakteen
erinnern, mit denen aber sonst keinerlei nähere verwandtschaftliche Beziehungen bestehen. Die abgebildete Art ist in Südmarokko beheimatet.
heraustritt, fehlt meist ein Nektarium. Die weibliche
Blüte öffnet sich eher, als in den männlichen Blüten
die Pollenentwicklung abgeschlossen ist; die Cyathien
sind also protogyn.
Die Cyathien sind meist zu Blütenständen höherer
Ordnung zusammengefaßt, oft zu doldenähnlichen
Dichasien oder Pleiochasien, deren Bestäubung im
allgemeinen von Insekten, vielfach von Fliegen, vorgenommen wird.
Die bekannteste Gattung dieser Gruppe ist Euphorbia
(Wolfsmilch) selbst, die wie ihre Verwandten mitunter
recht lange Milchzellen besitzt, in deren Milchsaft oftmals charakteristische stäbchen- oder knochenförmige
Stärkekörner schwimmen und in dem hautreizende
Harze häufig sind. Darauf beruht auch die Verwendung
vieler Wolfsmilcharten als Heilpflanzen (z. B. als Mittel
gegen Warzen), deren Nutzung in manchen Ländern
eine jahrhundertelange Tradition hat Die Gattung ist
mit 1 600 bis 2 000 Arten die größte der Familie, einzelne Untergruppen sind auch als selbständige Gattungen abgespalten worden. Da aber eine befriedigende
systematische Gliederung bisher noch aussteht, soll die
Gattung hier im herkömmlichen weiten Sinne behandelt
werden.
Wolfsmilcharten sind bevorzugt in den subtropischen
bis warmgemäßigten Breiten aller Kontinente beheimatet. Innerhalb der Tropen treten sie nur in Afrika stärker hervor, wo sie in vielen Trockengebieten das Bild
der Landschaft prägen. In den kühler-gemäßigten
Breiten ist nur ein kleiner Teil der Euphorbien zu Hause,
immerhin beherbergt die Flora des zentralen Mitteleuropas aber noch fast 20 Arten der Gattung.
Wie aus der Gesamtartenzahl zu ersehen (Euphorbia
gehört zu den umfangreichsten Gattungen der höheren
Pflanzen überhaupt), herrscht in dieser Gattung eine
außerordentliche Mannigfaltigkeit Manche Merkmale,
wie die bereits erwähnten Nektardrüsen der Cyathien,
die Art der Beblätterung, die Beschaffenheit der Kapseln, Form und Oberflächenstruktur der Samen usw.,
sind in sehr verschiedener Weise ausgeprägt
Ein verblüffender Formenreichtum ist auch in der
Wuchsform und der Ausbildung der vegetativen Organe
zu beobachten, so daß viele gegensätzliche und oftmals
merkwürdige Pflanzengestalten in der Gattung angetroffen werden können. Einige von ihnen sollen abschließend vorgestellt werden, ohne daß dabei die verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb von Euphorbia
näher berücksichtigt werden können.
Unter den einjährigen Wolfsmilcharten gibt es eine
Reihe verbreiteter Unkraut- und Ruderalpflanzen; als
Tropenkosmopolit kann z. B. die Behaarte Wolfsmilch,
Euphorbia hirta, angesehen werden, während in den
kälteren Zonen u. a. die Sonnenwendwolfsmilch,
Euphorbia helioscopia, und die Gartenwolfsmilch, Euphorbia peplus, weit verbreitet und uns auch aus der
heimischen Flora als Garten- und Hackfruchtunkräuter
bekannt sind. Einjährig ist auch das »Amerikanische
Edelweiß«, Euphorbia marginata, das wegen seiner weiß
berandeten Hochblätter gelegentlich in Gärten gezogen
wird.
Stauden gehören gleichfalls der mitteleuropäischen
Flora an, es sei nur an die Sumpfwolfsmilch, Euphorbia
palustris, eine typische Stromtalpflanze Europas, oder
an die Zypressenwolfsmilch, Euphorbia cyparissias,
erinnert, die sich durch Wurzelsprosse oft außerordentlich stark vegetativ vermehrt. Als Zwischenwirt des
Erbsenrostes, Uromyces pisi, kann sie empfindlich zur
Ausbreitung dieser Pilzkrankheit bei den Erbsen beitragen.
Eine hohe, am Grunde oft etwas verholzte Staude
stellt auch der bekannte Weihnachts- oder Adventsstern, Euphorbia pulcherrima, aus Mexiko dar. Seine
großen roten Hochblätter, die die an der Spitze
der Äste zusammengedrängten Cyathien umgeben,
und die Blütezeit zum Jahresende machen ihn zu
einem beliebten weihnachtlichen Schmuck, er wird
als Schnitt- oder Topfpflanze angeboten (s. Farbbild 7). In den Tropen zieht man ihn im Freiland,
während in unseren Breiten eine Gewächshauskultur
notwendig ist. Diese Art gehört zu den wenigen Pflanzen der Familie, deren Blüten durch Vögel bestäubt
werden. Die großen, trichterförmigen Nektarien (an den
Cyathien ist jeweils nur eines vorhanden) sondern reichlich Saft ab, der eine für .Nektar ungewöhnlich hohe
Zuckerkonzentration (60%) aufweist, wodurch den
Vögeln eine energiereiche Nahrungsquelle geboten wird.
An den Drüsen des Weihnachtssterns hat man auch
den Nachweis erbringen können, daß die Nektarien
nicht nur ein Speicher- und Exkretionsorgan für Nektar
darstellen, sondern daß sie ein Ort lebhafter Stoffwechselvorgänge und des Umbaus der Kohlenhydratverbindungen sind und in ihnen der Aufbau der endgültigen Zusammensetzung der Nektar-Zucker erfolgt Glukose und Fruktose sind hier wie bei Euphorbia
überhaupt die wichtigsten Zucker des Cyathiennektars.
Reich vertreten sind in der Gattung auch Gehölzarten: Niedrige Dornpolster bildet z. B. die für die
Garigue-Vegetation des Mittelmeergebiets charakteristische Dornige Wolfsmilch, Euphorbia spinosa. Dornige
Sträucher sind auch unter den afrikanischen Euphorbien
vorhanden. Als Halbsträucher könnte man die kandelaberartig verzweigten Arten, wie Euphorbia regisjubae, der Kanarischen Inseln, Madeiras, der Azoren
und weiterer Inselfloren bezeichnen. Mit ihren dicken,
lange Zeit grünbleibenden Stämmchen und den zu
einem Schopf an den Zweigenden zusammengedrängten
Blättern (daher auch die Bezeichnung Federbuschgewächse) sind sie eine charakteristische Erscheinung.
Baumförmige Arten, allerdings meist mit einer geringen Wuchshöhe, sind in Mittel- und Südamerika zu
Hause, z. B. Euphorbia punicea auf den Antillen; auch
Euphorbia tessmannii aus Peru zählt hierzu, die in
blütenmorphologischer Hinsicht deshalb interessant ist,
da bei ihr die männlichen Teilblütenstände in den
Cyathien nur aus je 2 Blüten bestehen, deren Trag- und
Vorblätter noch deutlich entwickelt sind.
Die auffallendsten Pflanzen unter den Wolfsmilcharten
stellen aber wohl die sukkulenten Vertreter dar, die
wegen ihrer oftmals verblüffenden Übereinstimmung
37
in den vegetativen Organen und dem Habitus mit
Kakteen geradezu als ein klassisches Beispiel einer
konvergenten stammesgeschichtlichen Entwicklung bei
gleichwirkenden Milieuverhältnissen angesehen werden
und dementsprechend Eingang in die Lehrbücher gefunden haben. Während die Kakteen ihre Entfaltung in
den amerikanischen Trockengebieten vollzogen, sind
mit wenigen Ausnahmen die stammsukkulenten Euphorbien auf tropische Trocken gebiete des afrikanischen
Kontinents beschränkt, wo sie in Wüsten wie der Namib,
der Karroo und den Pflanzenformationen arider
Regionen Ostafrikas bis Äthiopiens vielfach für das
Landschaftsbild ausschlaggebend sind. Die Übereinstimmung der sukkulenten Euphorbien und Kakteen
betrifft nicht nur die Ausbildung von Wasserspeichergewebe in den fleischigen, grünen Stämmen, sondern
auch solche Einzelheiten des Sproßbaues wie Kantenund Rippenbildungen, Entwicklung von Podarien
(polsterartigen Achsenwucherungen), die Kurzlebigkeit
und Reduktion der Blätter und Ausbildung von Dornen
(die bei den Euphorbien umgewandelten Kurzsprossen,
Nebenblättern oder Blütenstandsästen entsprechen
können). Auch die äußere Form der sukkulenten
Euphorbien erinnert vielfach an entsprechende Kakteenarten. Sukkulente Kandelaber-Euphorbien, wie die in
Ostafrika bestandsbildende Euphorbia abyssinica (s.
Farbbild 8), gleichen habituell Cereus-Arten, während
kugelförmige Kakteen äußerlich Arten wie Euphorbia
obesa täuschend ähnlich sind. Überhaupt gibt es unter
den sukkulenten Wolfsmilcharten die verschiedensten
Pflanzentypen. Im Kapland treten niedrige Arten mit
vielen gegliederten Sprossen und spiralig angeordneten
Podarien (z. B. Euphorbia globosa) oder aber auch die
»Medusenhäupter« ( Euphorbiacaput-medusaeu. a.) auf,
deren kurzer, dicker Stamm an der Spitze viele schlangenförmige, dünnere, herabhängende Seitenäste trägt.
Manche Arten erfreuen sich bei den Sukkulentenzüchtern großer Beliebtheit. Eine weite Verbreitung in der
Kultur hat z. B. der sogenannte Christusdorn, Euphorbia
milii, aus Madagaskar, ein Dornstrauch mit nur gering
entwickeltem Wasserspeichergewebe in den schlanken
Stämmchen, der in Europa wegen seiner prächtig rot
Das Medusenhaupt, Euphorbia caput-medusae, aus dem Kapland, eine weitere sukkulente Wolfsmilch mit einer charakteristischen Wuchsform. Die kleinen Blättchen sind nur an den jüngsten Sproßteilen vorhanden, sie haben eine kurze
Lebensdauer.
Cyathium von Pedilanthus, das durch ein spornartiges Anhängsel (Nektarium!) und zweiseitige Symmetrie auffällt
und von Vögeln bestäubt wird
gefärbten Hochblätter eine beliebte und gern gekaufte
Topfpflanze ist.
Von den übrigen Gattungen der Tribus Euphorbieae
sei auf das vorwiegend in Ostafrika beheimatete
Synadenium hingewiesen, bei dem sämtliche Drüsen
der Cyathien zu einem Ring oder einem Becher verwachsen sind. Schließlich soll noch die blütenmorphologisch und -ökologisch interessante Gattung Pedilanthus erwähnt werden. Ihre Cyathien sind zweiseitigsymmetrisch sowie vielfach gefärbt und tragen oft
ein spomartiges Anhängsel auf dem Rücken, in dem
sich die Nektardrüsen befinden. Diese Arten sind ebenfalls an die Bestäubung durch Vögel (Kolibris) angepaßt Von manchen der vor allem in Mexiko vorkommenden Arten wird wie von mexikanischen EuphorbiaArten aus den wachsüberzogenen Sprossen das Candelilla-Wachs gewonnen.
Familie Daphniphyllaceae
Die einzige, etwa 30 Arten umfassende Gattung
Daphniphyllum dieser kleinen Familie wurde früher oft
in die Wolfsmilchgewächse einbezogen. Andere Botani-
ker haben diese Familie aber auch mit den Zaubernußgewächsen (Hamamelidaceae, s. Band Höhere Pflanzen 1) in Beziehung gebracht oder als selbständige
Ordnung abgetrennt Die Ursachen für diese unterschiedlichen Auffassungen liegen vermutlich in der sehr
ungenügenden Kenntnis des Formenreichtums der
Wolfsmilchgewächse, so daß ein Anschluß von Daphniphyllum an bestimmte Gruppen dieser Familie bisher
noch nicht möglich ist.
Zu Daphniphyllum gehören lorbeerblättrige Bäume und
Sträucher, deren immergrüne Blätter scheinwirtelig
gedrängt stehen. Wichtige Unterscheidungsmerkmale
gegenüber den Wolfsmilchgewächsen sind das Fehlen
von Nebenblättern, das Auftreten eines kleinen spitzenständigen Embryos und reichlichen Nährgewebes in
den Samen, der meist nur aus 2 Fruchtblättern verwachsene Fruchtknoten, aus dem sich eine einsamige,
blaue, kirschgroße Steinfrucht entwickelt (s. Farbbild 9) usw. Die Blüten sind kronenlos, mitunter fehlt
auch der Kelch, und die eingeschlechtigen Blüten sind
zweihäusig verteilt
Die Mehrzahl der Arten ist in Südostasien beheimatet,
sie kommen aber vom Himalaja und von Südindien
bis nach Japan vor, wo sie Bestandteile von Lorbeerwald-Formationen sind. Wegen des Gehaltes an herzlähmenden Alkaloiden sind sie vielfach stark giftig und
zählen deshalb auch zu den Heilpflanzen der fernöstlichen Volksmedizin. Die Blätter von Daphniphyllum
humile, einem japanischen Strauch, werden von den
Ainus in Nordjapan an Stelle von Tabak geraucht. In
biochemischer Hinsicht ist ein Teil der Arten durch
die Akkumulation von Aluminiumverbindungen auffallend, die allerdings auch von manchen Wolfsmilchgewächsen bekannt ist.
Ordnung Rautenartige, Rutales
Unter dieser Ordnung werden Familien mit Bäumen
und Sträuchern, deren Hauptverbreitung in den Tropen
und Subtropen liegt, vereinigt Einige staudige Gattungen müssen als abgeleitet angesehen werden. In fast
allen Gruppen finden sich Exkretbehälter mit ätherischen Ölen oder Bitterstoffen als Stoffwechselendprodukte. Für die Blüten ist die Ausbildung eines ringwallartigen Diskus zwischen Staub- und Fruchtblättern
charakteristisch, strahlig-symmetrische Blüten mit fünfzähligen Blattkreisen herrschen vor. Während der Kelch
im allgemeinen verwachsenblättrig ist, entfalten sich
die Blütenblätter in allen Familien frei. Für einige
besonders spezialisierte Verwandtschaftskreise sind
asymmetrische Blüten (Malpighiaceen, Vochysiaceen)
und zweiseitig-symmetrische Blüten (Polygalaceen)
kennzeichnend. Zwei Staubblattkreise können als Ursprungsform in dieser Verwandtschaftsgruppe angesehen werden, wobei sehr häufig der äußere unmittelbar
vor den Kronblättern steht. In einigen Familien verwachsen die Fruchtblätter des stets oberständigen
Fruchtknotens nur am Grunde, in anderen bilden sie
dagegen einen gemeinsamen mehrfächerigen Fruchtknoten. Die Rutales gehen wahrscheinlich zusammen
mit den Sapindales und den Geraniales auf gemeinsame
Vorfahren zurück.
Familie Rautengewächse, Rutaceae
Bei allen Sippen dieses großen Verwandtschaftskreises,
der mit etwa 150 Gattungen und über 1 600 Arten in
den Tropen, Subtropen und den wärmeren gemäßigten
Breiten aller Erdteile anzutreffen ist, kommen ätherische Öle vor. Schon habituell zeichnet sich eine große
Formenfülle ab, die als Ausdruck sehr unterschiedlicher
ökologischer Ansprüche zu werten ist Neben ansehnlichen Bäumen in tropischen Regenwäldern und kräftigen, staudigen Pflanzenarten enthält diese Familie
besonders viele strauchige Sippen und gedrungene
Bäume, die in periodisch trockenen Gebieten verbreitet sind. Die Laubblätter, die in einigen Verwandtschaftskreisen kreuzgegenständig, in anderen aber spi39
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