KNOW!S 01-2016 Schutzgebühr 2,10 € Innovation.Strategie.Produktion. Pflicht, die www.dul-print.de Gute Kooperation. Mehrwert Für Kunden. www.smart2publish.de Innovation Pflicht, die notwendig Kür, die überflüssig? Da fehlt das Grau. Was ist 2016 Pflicht und was Kür für Medienmacher? Wer Pflicht + Kür kennt, schafft kreative Freiräume: Für Medien und Content Marketing. Diese KNOW!S bietet eine Übersicht über wichtige Pflicht- und Kür-Themen. Picken Sie sich die Rosinen heraus, die für Ihr Medium wichtig sind. Know!s // 3 01 Pflicht erfüllen – Kür inszenieren: Bleiben Sie inspiriert. Szene Staub aufwirbeln Wissen CC Dada 100 Content Marketing Distribution Seite 22 Seite 8 Wachsam sein! Seite 10 02 IMPRESSUM Herausgeber: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42-50, D-47608 Geldern, www.schaffrath.de Konzeption: schaffrath concept GmbH, Hildebrandtstraße 24D, 40215 Düsseldorf www.schaffrath-concept.de 4 // Know!s Schriften erkennen Kundenerlebnis ach wie gut, dass niemand weiß... Was Rumpelstilzchen mit Content Marketing zu tun hat Seite 12 Objektleitung: Marion Pape, [email protected] Gedruckt auf PROFIbulk 1.1, naturmatt gestrichen holzfrei Bilderdruck mit 1,1-fachem Volumen. Redaktion und Design: Atelier Goral GmbH, Köln, [email protected] Alle in dieser Ausgabe genannten Handelsnamen, Warenbezeichnungen, etc. können auch ohne besondere Kennzeichnung Marken sein und den entsprechenden gesetzlichen Editorial.Content. Liebe Leserinnen und Leser, wir wollen nicht über den dreifachen Rittberger und die B-Note reden, wenn wir diese KNOW!S mit „Pflicht, die“ und „Kür, die“ überschrieben haben. Auch nicht über Pflichtkommunikation von Aktiengesellschaften. Pflicht und Kür in der Medienwelt und im Content Marketing des Jahres 2016, das war der Ausgangspunkt der Recherchen. Sehr schnell kamen wir zu einer Feststellung: Nicht nur die Medien und Kanäle haben sich verändert, sondern das gesamte Koordinatensystem. Mit ihren Social Media Kanälen publizieren heute nicht nur Digital Natives schneller als etablierte Verlagshäuser oder Unternehmen, sondern die gesamte Gesellschaft, vom Podcast der Bundeskanzlerin bis zum Tatort-Kommentierer auf Twitter, ist involviert. Was bedeutet dies für die Kommunikation? Eines wur- de sehr schnell klar, die Sicht auf den Medienwandel ist nicht mehr so schwarz-weiß auf die Frage „Print oder Online“ fokussiert. Ganz im Gegenteil, beides hat seinen Platz gefunden und wird wertgeschätzt. Der Kulturwandel im Medienbereich ist auf einer ganz anderen Bühne in vollem Gange: In der Effizienz und Exzellenz, mit der Medienhäuser und Unternehmen auf allen Kanälen brillieren müssen, wenn sie die Informationshoheit und den Wert ihrer Marken erhalten und steigern wollen. Dazu gehört auch die Diskussion über neue Netzwerke, Distributions- und Promotionwege. Diese KNOW!S setzt Schlaglichter auf aktuelle Fragestellungen, will Wissen vermitteln und zur Diskussion anregen und vernetzen. Viel Spaß beim Lesen wünscht Dirk Alten | Geschäftsführer | schaffrath medien KnowHow Digitalisierung Bildrechte 10 Plagiate 10 Heftarchitektur 15 Web, Mobile 17 E-Paper 17 nicht in der Bewahrer-Organisation Seite 24 Content = Journalismus Wer Pflicht + Kür Kennt = Freiraum Im Gespräch der DJV-Vorsitzende Dr. Frank Überall Seite 30 Lasten-, Pflichtenheft und agiles Arbeiten Seite 18 Extra Heft für Ihre Ideen KNOW!S 01-2016 Schutzgebühr2,10€ InnovatIon.StrategIe.ProduktIon. Keine Hexerei Seite 28 www.schaffrath.de Bestimmungen unterliegen. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Bildnachweise: Brian A Jackson (34), 360b (6), Kiselev Andrey Valerevich (28), Drop of Light (8), Kunal Mehta (8), Karashaev (20), Gajus (2), Freiraum, Der Rawpixel.com (24), Vitezslav Halamka (15), MaKars (11), Dooder (36), Doppelganger4 (1), aurielaki (17) alle shutterstock; Rainer Holz (30,31); Larog (9, 12); Privat (23); Privat (26); Privat (29) Know!s // 5 Mensch Medium „Jeder Mensch ein Künstler“ sagt Joseph Beuys und thematisiert dies ausführlich in seiner berühmten Rede am 20. November 1985 in den Münchner Kammerspielen. 24 Jahre Innovation „Jeder Mensch mit einem Computer kann heute sein eigener Verleger, Chefredakteur, Produzent sein.“ schrieb Douglas Coupland im „SZ Magazin“ Heft 53/2009 und weiter: „Er kann eine Revolution starten oder einen Bestseller veröffentlichen, ohne vom Schreibtisch aufzustehen – der Revolutionär muss sich nur mit den richtigen Leuten vernetzen. Die Internetkampagne zu den Protesten im Iran zum Beispiel wurde aus New York gesteuert.“ Der kanadische Autor Douglas Coupland schrieb in den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts den Roman „Generation X“. Know!s // 7 SzeneWissen „CC“ Was bedeutet eigentlich „CC“? Eine tolle Frage für den Flurfunk oder den Bürotourismus. Wenn die beiden Buchstaben Schwarz auf ovalem Weiß stehen und dieses Oval auf Autolack geklebt ist, handelt es sich um einen Vertreter des konsularischen Korps, der vor Ihnen die Straße bevölkert. Wenn die Buchstabenkombination allerdings im elektronischen Postverkehr vorkommt, oder sogar einen weiteren Buchstaben anbietet, wie „BCC“, dann handelt es sich um die „carbon copy“ oder die „blind carbon copy“. Da hat sich doch die gute alte analoge Zeit ins digitale Zeitalter gerettet. Die „Carbon Copy“ meint das Kohlepapier, das man zwischen zwei Papiere legte, wenn man eine Kopie auf der Schreibmaschine anfertigen wollte. Heute legen wir kein Kohlepapier mehr ein, sondern trennen mehrere Empfänger-E-Mail-Adressen mit einem Komma. Die Blindkopie „BCC“ bedeutet, die dort angegebenen Empfänger sehen die E-Mail-Adressen weiterer Empfänger nicht. Sehr zu empfehlen bei Rundmails, etwa dem Verschicken von Pressemitteilungen oder Einladungen. „Manchmal geht es eben nicht darum, das nächste neue Ding zu finden, sondern darum, wie man es am besten einsetzt.“ US-PRäsident Barack Obama auf deM „South by Southwest Festival“ (SXSW) in Austin Klassiker Schriften erkennen Wer schon immer einmal wissen wollte, welche Marke oder Magazin welche Schrift einsetzt, für den gibt es einen Klassiker in Buchform. Und das seit 30 Jahren. Das Buch trägt den nüchternen Namen „Schriften erkennen“ und wird von seinen Autoren Daniel Sauthoff, Gilmar Wendt und Hans Peter Willberg immer wieder überarbeitet. Zuletzt machte sich Daniel Sauthoff ans neue Cover. Der Verlag Hermann Schmidt Mainz spricht von einem zuverlässigen Navigationssystem im Schriftendschungel. Schriften erkennen | Eine Typologie der Satzschriften | 14. Auflage | 72 Seiten mit zahlreichen Beispielen und Abbildungen | Format 21 x 29,7 cm | Fadengeheftete Broschur | 978-3-87439-373-7 | 12,80 € 8 // Know!s Aktuelles: knows-magazin.de 100 Jahre DADA. Das war am 5. Februar, dem Gründungstag im Jahr 1916 der AntiKunst-Bewegung, die mit der Eröffnung des Cabaret Voltaire begann und die es als künstlerische Geisteshaltung geschafft hat, bis heute am Leben zu bleiben, denken wir an Helge Schneider oder die Punk-Gebete von Pussy Riot. Dada ist das erste „Ready Made“ - also das Kunstwerk, das der Künstler nicht mehr selbst schafft, sondern nur noch präsentiert, das Urinal von Marcel Duchamp. Hugo Ball, Emmy Hennings und Tristan Tzara zelebrierten im Cabaret Voltaire den unverständlichen Text und pflegten atonale Dissonanzen, und in Berlin schrieben im Club Dada Richard Huelsenbeck, George Grosz, Hannah Höch und Johannes Baader: „Dada ist das Chaos, aus dem sich tausend Ordnungen erheben, die sich wieder zum Chaos Dada verschlingen“. Die kanadische Agentur Akufen aus Montreal hat anlässlich des Jubiläums die Website „Dada Data“ gelauncht: dada-data.net/de/hub Personalisierte und relevante Erlebnisse spielen bei der Verbesserung des Kundenerlebnissen den größten Wert Unternehmen Agenturen 25% 27% Schlaglicht Kundenerlebnis mit Nutzen Vierteljährlich geben Econsultancy und Adobe ihr Digital Intelligence Briefing heraus. Es dürfte unbestritten sein, dass der Kunde mehr denn je in den Fokus rückt. So heißt es im Briefing: „Durch die Schnelligkeit und Unmittelbarkeit des Internets ist die Benutzerfreundlichkeit zu einem wichtigen Aspekt bei der Verbesserung des Kundenerlebnisses geworden“. Kunden wandern ab, wenn das Angebot nicht benutzerfreundlich ist. Apple, schlussfolgert das Briefing, habe deshalb so loyale Kunden, weil die iOS-Plattform so bedingungslos auf Benutzerfreundlichkeit ausgerichtet sei und es eben nicht entscheidend sei, wie viele Funktionen angeboten werden. Jede Interaktion zwischen dem Kunden und der Marke müsse als Kundenerlebnis verstanden werden. Event Tweets European Newspaper Congress 2016 1.-3.5.2016 | Wien enc.newsroom.de/ re:publica Konferenz zu den Themen Internet und Gesellschaft 2.-4.5.2016 | Berlin re-publica.de/ Kongress der deutschen Fachpresse 10.-11.5.2016 | Berlin deutsche-fachpresse.de drupa 2016 schaffrath medien produziert in Kooperation mit fds und dem Oberauer Verlag drupa daily. Besuchen Sie uns in Halle 7. 31.5.-10.6.2016 | Düsseldorf drupa.de Staub aufgewirbelt Wolfgang Stöcker ist Künstler. Wolfgang Stöcker sammelt Staub, betreibt das Deutsche Staubarchiv in Köln und klassifiziert Stäube in Kultur-Stäube oder Politik-Stäube. Eine kleine Auswahl seiner Stäube zeigt das Kölnische Stadtmuseum in seinem Goldenen Kubus vom 11. März bis zum 5. Juni. Dr. Michael Euler-Schmidt, stellvertretender Direktor des Kölnischen Stadtmuseum, erläutert, dass es organische und anorganische Stäube gebe. Zu letzterem ist der gemeine Hausstaub zu rechnen, der auch die Wollmäuse zum Leben erweckt. Dies, so assistiert Stöcker, funktioniere aber nur in geschlossenen Räumen. Outdoor gebe es keine Wollmäuse, die würden sofort verweht. Wie der Staub aus der Sahara, den Stöcker nach einer Untersuchung durch die Universität zu Köln schon in Kölns Kathedrale nachweisen konnte. Stöcker sammelt aber nicht nur Stäube aus der gesamten Republik, sondern dokumentiert fotografisch auch die Fundorte, nebst Putzpersonal oder die Korrespondenz, die er mit den Staubeinsendern führt. deutsches-staubarchiv.de Know!s // 9 Das Recht am eigenen Bild – auch Zeichnungen betroffen Fangen wir mal nicht mit der Fotografie an. Auch Zeichnungen und Grafiken einer Person, die veröffentlicht werden, können, sobald der Mensch damit identifiziert werden kann, unter das Recht am eigenen Bild fallen. Dieses Recht leitet sich direkt aus dem Grundgesetz und dort aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab. Den Schutzbereich definiert allerdings §22 des Kunst-Urhebergesetzes und der ist eindeutig: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“ Wer dagegen verstößt, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden. Allerdings wird dieser Tatbestand nur auf Antrag verfolgt. Es gibt Ausnahmen, wenn es sich um Bereiche der Zeitgeschichte handelt, Personen nur Beiwerk sind, Bilder von Versammlungen und Aufzügen oder die Verbreitung und Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Bildrechte prüfen Wer Urheberrechtsverletzungen bei Bildern für ein Kavaliersdelikt hält, dem sei empfohlen, die Begriffe in eine Suchmaschine einzugeben. Die ersten Ergebnisse die auftauchen, sind die Marketingangebote von Rechtsanwälten, die unmissverständlich klar machen, dass jedes Foto dem Urheberrecht unterliegt. Eine Gestaltungshöhe, wie etwa bei anderen Werken der angewandten Kunst, sieht das Gesetz nicht vor. Im Klartext: Die Abmahnhaie liegen auf der Lauer. Denn es gilt auch, dass der Fotograf oder Zeichner selbst bestimmen darf, wo seine Arbeiten veröffentlicht werden. Zwar kann man Verträge mit Fotografen auch mündlich schließen, dennoch empfiehlt es sich, diese schriftlich zu fixieren. Pflicht ist dabei die Nutzung festzuhalten, also etwa in welchen On- oder Offline-Medien, und wo die Bilder räumlich verwendet werden sollen. In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig über soziale Medien zu sprechen. Oft fordern die Anbieter dieser Plattformen die Übertragung aller Nutzungsrechte an sie selbst. Dies bedeutet, nutze ich etwa in meinem Facebook-Kanal ein Foto, dann muss ich auch das Recht haben, bei diesem Foto die Nutzungsrechte an Facebook weiter zu lizensieren. Abmahnungen und hohe Kosten können auch den erwarten, der den Bildurheber entweder gar nicht, unvollständig oder an der falschen Stelle angibt. Im Zweifel gilt: Sprechen Sie im Vorfeld mit dem Fotografen. Wachsam sein! Wer kommuniziert muss einige Regeln einhalten. Dies gilt für Sprache, genauso wie für Fotos und Illustration oder Markenrechte. Darum: Vor Veröffentlichung gilt, die Pflicht zur Prüfung. Kommentare – Wer haftet Wer einen Blog, Zeitung oder Magazin betreibt, wusste es schon immer – im Zweifel ist es besser, Kommentare mit rechtswidrigem Inhalt schnellstens zu löschen. Auch vor der aktuellen Debatte um Hasskommentare im Netz. Dies gilt auch für Profile in sozialen Netzwerken, ganz gleich ob bei Facebook, Google+ oder Instagram. Es gibt die so genannte Forenhaftung. Rechtsanwalt Solmecke von Wilde, Beuger und Solmecke schreibt: „[...]Verantwortlich sind im Übrigen auch die Betreiber von Facebook-Fanpages, sofern dort volksverhetzende Kommentare gepostet werden. Genau wie Facebook selbst müssen auch die Seitenbetreiber handeln, wenn sie Kenntnis von rechtsverletzenden Inhalten haben. Andernfalls kommen sie selbst in die Haftung. Eine Pflicht, sämtliche Kommentare eigeninitiativ auf Rechtswidrigkeit zu prüfen, gibt es jedoch nicht. Plagiate finden Erinnern sie sich noch an den „GuttenPlag“ - die Plagiatsaffäre von Karl-Theodor zu Guttenberg? Plagiate betreffen aber nicht nur wissenschaftliche Arbeiten, sondern eine Prüfung auf Plagiate ist auch für die journalistische Arbeit und eine Redaktion wichtig. Im Netz gibt es mittlerweile einige gut funktionierende Plattformen, wie www. plagscan.com oder www.plagiatefinder.de, die einer Redaktion helfen, schnell herauszufinden, ob Texte Stellen von anderen Seiten im Internet beinhalten. Damit lassen sich Texte von Autoren schnell prüfen. Diese Tools kann man auch dazu nutzen, um zu klären, ob die eigenen Texte von Dritten kopiert werden. 10 // Know!s J B f Produktion Richtig zitieren aus Print und Internet Die wichtigste Pflicht beim Zitieren ist das wörtliche Zitat als solches erkennbar zu machen und in Anführungszeichen zu setzen. Zudem muss das Zitat komplett seinem Original entsprechen. Nun gelten für die journalistische Arbeit nicht ganz so strenge Regeln, wie für das wissenschaftliche Zitieren. Immerhin dürfen Rechtschreib- und Grammatikfehler ausgeglichen werden. Auch wer indirekt zitiert, darf nicht den Sinn der Grundaussage verändern. Bei Unternehmensmagazinen empfiehlt es sich, wortwörtliche Zitate dem Interviewpartner vor Veröffentlichung zur Abstimmung zuzuleiten, um hinterher Ärger zu vermeiden. Eklatant wichtig für den, der im eigenen Kundenmagazin über Erfolge mit Kunden berichtet. Denn gibt es hier Probleme mit Zitaten, hat man nicht nur publizistisch Ärger, sondern ist womöglich auch noch den Kunden los. Pflicht ist ebenfalls, den Zitatgeber richtig zu benennen, mit seinem vollen Namen und seiner Funktion. Zitiert man aus gedruckten Quellen, so ist das Zitat zeitlich und inhaltlich unveränderlich dokumentiert. Wie verhält es sich mit Quellen aus dem Internet, die sich jederzeit verändern können? Auch wenn man die URL angibt, kann man sich nicht sicher sein, dass sich die Inhalte dort nicht ändern. In diesem Fall sollte also immer angegeben werden, wann das Zitat von der entsprechenden URL entnommen wurde, am besten mit einer deutlichen Zeitangabe. Wer ein Literaturverzeichnis angibt, der sollte sich zuvor über die DIN 1505 informieren, denn dort steht, wie dies richtig strukturiert wird. Launch und Relaunch – Marken prüfen und sichern Bevor eine neue Publikation, ob für das Mobiltelefon, Print oder das stationäre Web aufgelegt wird, insbesondere bei der Kreation eines neuen Namens, gehören zur Pflichtprüfung: die Anfrage nach freien Domains bei der Denic, die markenrechtliche Prüfung beim Patentamt in der entsprechenden Klasse, eine Prüfung beim Titelschutzanzeiger und die Anmeldung von Geschmacksmuster-Rechten. Diese Pflichtprüfungen sollte man sich selbst auferlegen, denn stellen Sie sich einmal den schlimmsten Fall vor: Die Logos entwickelt, die Markenkampagne ausgeliefert, Interviews mit den Fachmagazinen geführt und das neue Magazin liegt beim Kunden oder im Kiosk und ihr Wettbewerber erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen die weitere Auslieferung. Und sie müssen ihr schönes und neues Werk wieder einsammeln. Das macht keinen Spaß und kann sehr teuer werden. KNOW!s How … ach, wie gut, dass niemand weiß... B eginnen wir mit der unmöglichen Aufgabe für die schöne Müllerstochter. „Es war einmal ein Müller, der war sehr arm. Er hatte aber eine sehr schöne Tochter. Und so kam es, dass er eines Tages vor den König trat und ihm sagte: „Werter König, ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen!“ Klassische Werbung würde man sagen. Ich gebe ein Versprechen ab, ohne den Beweis direkt mitzuliefern und eine Story die ungewöhnlich klingt. Aber, was würde ein moderner König heute tun? Er würde bingen oder googlen. Und sofort steht dort das Wort „Märchen“. Weitere Suchergebnisse liefert der Onlinehändler „Amazon“ oder die linksalternative Zeitung „taz“, die sich der Zeile „Aus Stroh Gold spinnen“ für eine Überschrift bediente. Und jede Menge Illustrationen in der Bildersuche. Könnte der Müller also dem König diese freche Lügengeschichte heute noch so auftischen? Nein. Er müsste viel subtiler vorgehen, um glaubwürdig zu sein. Denn wir haben gerade ja nur die erste moderne Informationsebene eingeblendet, die der Suchmaschinen. Es gibt noch weitere. Der König könnte sein persönliches Social Media Netzwerk, ob Facebook, Snapchat, Instagram, YouTube oder What´s App, befragen. Dort wären wahrscheinlich die gekrönten Häupter der gesamten Welt versammelt. Der König könnte die Frage also in Windeseile an seine Freunde, ob sie es für möglich halten, dass Müllerstöchter Stroh zu Gold spinnen können, weiterleiten. Die Häme dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Um es auf den Punkt zu bringen: In unseren Tagen würde der Müller mit seiner einfachen Werbebotschaft sicher im ersten Schritt nicht punkten. Analysieren wir einmal nüchtern, was sich in unserem Kommunikationsverhalten verändert hat. Der Müller hat eine phantastische Story aufgetischt, die erst einmal für Aufmerksamkeit sorgt und ist damit bis zum König durchgedrungen. Das ist zunächst ein großer Erfolg seiner Kommunikation, denn er hat, ohne zuvor mit seiner Werbung am Hof zu scheitern, gleich den obersten Entscheider erreicht. Wir halten fest: Mit ungewöhnlichen Aussagen, sorge ich für Aufmerksamkeit. Der König in der Originalstory muss die Story des Müllers physisch überprüfen lassen, denn so geht das Märchen der Grimms weiter: Strategie Was könnte die Geschichte vom Rumpelstilzchen mit Marketing, Reklame oder Content Marketing zu tun haben? Auch wenn man glauben könnte, diese Kombination sei an den Haaren von Rapunzel herbeigezogen, ist dies dennoch keine Märchenstunde. Aber, wie müssten oder würden der Müller und die Gebrüder Grimm die Story vom Stroh, das zu Gold gesponnen wurde, heute wohl erzählen? Know!s // 13 Themen anders setzen, Social Media nutzen Er würde also das Thema anders setzen und er müsste es breiter streuen. Es würde nicht mehr ausreichen, nur den Entscheider zu überzeugen. Er muss bei Interessensgruppen, persönlichen Gruppen und vielen unterschiedlichen Individuen seine Geschichte platzieren und seine Geschichte zum Thema machen. Also die ganze Klaviatur vom Print-Titel, Blog, Social Media und so weiter spielen, um eine möglichst breite Zahl der Mitentscheider zu überzeugen, dass sie seine Story weiter verbreiten und ihr Glauben schenken. Natürlich muss er auch technische Vorkehrungen treffen, etwa SEO – also Suchmaschinenoptimierung – betreiben, um seine Geschichte wenigstens auf die erste Seite der Suchmaschinen zu bringen. Er könnte auch den ersten Platz kaufen, aber wir wissen ja, der Müller ist arm und würde sein Investment wahrscheinlich stärker auf freie Social Media Kanäle, wie einen You Tube Channel, Facebook, What´s App und einen einfachen WordPress-Blog legen. Für den König gebe es dann eine Landing Page, mit Bestellformular für die schöne Müllerstochter, die Stroh zu Gold spinnen kann. Gehen wir einen Schritt weiter und davon aus, dass der König den Bestellvorgang auslöst. Das Original der Gebrüder Grimm bietet der armen Müllerstochter unerwartete Hilfe an: „Das kleine Männlein“. Wir erinnern uns, das kleine 14 // Know!s Männlein spinnt drei Mal das Stroh des gierigen Königs zu Gold, aber es verlangt immer einen Faustpfand. Da ging auf einmal die Türe auf und ein kleines Männlein trat herein. Es blickte die Müllerstochter an und sprach: „Guten Abend, werte Müllerin. Warum weint Ihr so sehr?“ „Ach“, antwortete das Mädchen, „ich soll das ganze Stroh bis morgen zu Gold spinnen, aber ich weiß nicht wie.“ Da sprach das Männlein: „Was gibst du mir, wenn ich dirs spinne?“ „Mein Halsband“ sagte das Mädchen. Das Männlein willigte ein und nahm das Halsband. Es setzte sich vor das Rädchen und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, da war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, da war auch die zweite Spule voll. So ging es bis zum Morgen, bis alles Stroh gesponnen und alle Spulen voller Gold waren. Der König war erfreut und hätte diesen Erfolg sicher nicht kommuniziert. Nein, er ließ die arme Müllerstochter weiterspinnen im stillen Kämmerlein, bis er ihr beim dritten Mal das Heiratsversprechen machte. Aber die Müllerstochter musste auch dem Männlein jedes Mal ein Versprechen geben, zuletzt, dass sie ihm ihr erstes Kind geben werde, wenn sie Königin sei. Wir alle wissen, sie wurde Königin, gebar ein Kind und das Männlein forderte seinen Tribut. Allerdings gab das Männlein der Königin noch eine Chance. Sie konnte ihr Kind behalten, wenn sie seinen Namen herausfand. Heute würde das Männlein der Königin sicher eine andere Aufgabe stellen. Aber bleiben wir zunächst beim Original: „Drei Tage sollst du haben. Wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten“. Nun sann die Königin die ganze Nacht über und dachte an alle Namen, die sie jemals gehört hatte. Auch schickte sie einen Boten über das Land. Der sollte sich weit und breit nach neuen Namen erkundigen. Als am andern Tag das Männlein kam, fing sie an mit Caspar, Melchor, Balzer. Sie sagte alle Namen, die sie wusste. Aber bei jedem sprach das Männlein: „Nein, so heiße ich nicht!“ Den zweiten Tag ließ sie bei allen Leuten herumfragen und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten Namen vor: Rippenbiest, Hammelswade oder Schnürbein. Aber es blieb dabei: „Nein, so heiß ich nicht!“ PRINT „Dem König, der das Gold liebte, gefiel die Kunst gar wohl und er befahl, dass die Müllerstochter zu ihm gebracht werden sollte. Als sie vor ihm stand, führte er sie in eine Kammer, die bis unter die Decke voll war mit Stroh. Er gab ihr Rad und Haspel, „Spinne dieses Stroh bis morgen früh zu Gold. Schaffst du es nicht, sollst du sterben!“ Darauf wurde die Kammer verschlossen und sie war allein.“ Das hat sich verändert: Heute steht allen das Wissen der Welt in wenigen Sekunden zur Verfügung. Ob mobil oder stationär spielt keine Rolle mehr. Der König – wahrscheinlich schon der Hofstaat oder des Königs Sekretär – hätte den Müller und seine Story zuvor entlarvt, und damit hätte die schöne Müllerstochter wahrscheinlich gar nicht einmal das Stroh gesehen. Das ist nichts Neues, hat aber eine große Auswirkung auf unsere Kommunikation. Heute in Zeiten von „bento“ und „Huffington Post“ würde der Müller schreiben: „Diese Müllerstochter macht dich reicher“. Die Geschichte vom Rumpelstilzchen, mag sie dem ein oder anderen auch ein wenig an den Haaren herbeigezogen gewirkt haben, lehrt vor allem eines, der Umgang mit Medien und Wissen hat sich für Menschen grundlegend verändert. Wer also über einen Relaunch einer Zeitschrift oder Zeitung nachdenkt, der muss dies berücksichtigen. Er muss nicht gleich Print als solches in Frage stellen, sondern sich mehr um die Frage kümmern, welche Inhalte biete ich wie und wo an. Hier einige Basisfragen und Antworten. KNOW!s How Innovation Aus einem Guss langweiligabwechslungsreich Klassisches Verlautbarungsorgan Diese Form findet man vor allem bei Pflichtpublikationen im Verbandsbereich noch häufig. Die Mitglieder dürfen schreiben, manchmal auch die Pressesprecher, und die Heftstruktur wird nach dem Prinzip, brauchst Du eine oder zwei Seiten, festgelegt. Und so kommt es auch beim Leser an, wie das monotone Orgeln des Leierkastenmannes. Ein gutes Magazin wirkt kompakt und ist aus einem Guss gestaltet. Aber übertreiben Sie es nicht, denn schon die Dakota-Indianer sagten: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!“ und das gilt auch für Design und Redaktion. Schaffen Sie Abwechslung, denn Einheitlichkeit und Vielfalt sind nicht nur Antipoden. Dies gilt umso mehr für die Bild- und Textmischung. Gerade Magazine mit monothematischen Inhalten können schnell öde und langweilig wirken. Dann wechselt man zwischen Fotografie, Illustration oder Grafik und schon wirken die Geschichten abwechslungsreich und spannend. Allerdings ist darauf zu achten, dass es eine Passung zwischen textlichen Inhalten und Illustration gibt, also der Wechsel nicht nur aus ästhetischen Gründen stattfindet. Denken Sie immer an das Leser- oder Kundenerlebnis und die Benutzerfreundlichkeit. Ergibt sich eine spannende Wechselwirkung, die der Leser schnell erfassen kann und ihm einen Erkenntnisgewinn bringt, ist die Story perfekt eingestielt. Dabei müssen Inhalte weder platt geschrieben, noch platt inszeniert sein. 0 Langeweile vorprogrammiert: Ein Heft ohne Struktur Das Magazin mit Spannungsbogen Rhythmus für den Leser: Eine wohlüberlegte Heftstruktur Die Inhalte und Heftarchitektur Wer bislang Artikel an Artikel reihte, weil der Print-Titel die maßgebliche Kommunikationsplattform des Unternehmens, Verbandes oder Vereins war, der gießt alten Wein in alte Schläuche, vor allem dann, wenn seine Inhalte schon bekannt sind. Nehmen wir das Beispiel Sport. Der Spielbericht ist schon an dem Tag, an dem er geschrieben wurde, kalter Kaffee. Das analysierende Interview mit dem Trainer im Monatsmagazin nicht. Dies braucht aber eine andere Vorbereitung und im Heft Raum. Redaktion und Art Direktion müssen sich also mehr Gedanken machen über den Aufbau ihres Magazins, sie müssen Themen setzen und diese geschickt so setzen, dass der Leser, der, wie bekannt ist, zunächst einmal blättert, durch die Architektur des Heftes geschickt gelenkt wird, damit sein Blick sich an einer Geschichte verhakt. Dazu muss inhaltlich, aber auch optisch ein Spannungsbogen geschaffen werden. Beglücken Sie Ihre Leser von visueller Opulenz bis smarten Lesehappen. Dabei gilt es einige wenige Regeln zu beachten. Wenn Sie einer Story die Titelseite widmen, dann muss dies auch erkennbar die Titelgeschichte im Heft sein und dies durch ihren Umfang dokumentieren. Da reicht es nicht, nur eine Doppelseite zu füllen. Alles was auf dem Titel angerissen wird, muss mit entsprechendem Inhalt abgebildet werden und kann nicht nur eine Randnotiz sein. Bauen Sie in der Heftarchitektur den Spannungsbogen so, dass sich der Leser angesprochen fühlt, das gesamte Heft zumindest blätternd erforschen zu wollen. Marion Pape 0211.8303-201 [email protected] Wissen vermitteln nach dem Eisberg-Prinzip Das dosierte Diskrepanzerlebnis Was lässt uns Menschen Wohlbefinden erleben? Wenn wir auf der einen Seite Nähe und Vertrautheit spüren, aber auf der anderen Seite Bewegung, Neugier und Dynamik fühlen. Für Redaktion und Design heißt dies, dass die visuelle und inhaltliche Botschaft auf der einen Seite auf bereits bestehendem Wissen aufbaut und auf der anderen Seite so wohldosiert Neues präsentiert, dass der Leser nicht überfordert ist. Aber es darf auch nicht zu wenig Neues sein, denn dann ist es Schnee von gestern. Im Online-Blog knows-magazin.de finden Sie eine ausführliche Serie zu Architektur, Weißraum und Design von Magazinen. Know!s // 15 LTE im Märchenwald Drei Tage lang hätte die Königin im Jahr 2016 nicht warten müssen. Der Bote hätte ihr live mit Periscope, vorausgesetzt der Wald hätte eine vernünftige LTE-Anbindung gehabt, den Tanz des Männchens sogar per Livestream senden können. Ja, Facebook Videoposts, Snapchat oder You Tube wäre möglich gewesen. Unter dem Hashtag #Rumpelstilzchen hätte der Bote auch twittern können. Vielleicht hätte die Königin gar keinen Boten mehr aussenden müssen, wenn das kleine Männlein nur ein wenig eitel ist und sich selbst beim Tanz mit seinem Selfiestick gefilmt und diesen Film gepostet hätte. Aber hören wir erst einmal wie das Märchen ausging: Da war die Königin überglücklich, da sie den Namen wusste. Als bald darauf das Männlein kam und sprach: „Nun, Frau Königin, wie heiße ich?“ fragte sie zuerst: „Heißest du Kunz?“ „Nein.“ „Heißest du Heinz?“ „Nein.“ „Heißt du etwa Rumpelstilzchen?“ „Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt“, schrie das Rumpelstilzchen, und stieß vor Zorn mit dem rechten Fuß so tief in die Erde, dass es bis an den Leib hineinfuhr. Dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riss sich selbst mitten durch. Und damit ist das Märchen aus. 16 // Know!s Die gute Story ist entscheidend Betrachtet man das Märchen „Rumpelstilzchen“ vor dem medialen Background der Jetztzeit gibt es Dinge die bleiben gleich: Es braucht eine gute Story, die zündet. Aber es reicht nicht mehr aus, diese One to One zu erzählen, sondern ich muss daraus eine Story machen, die breit rezipiert wird und dazu die Geschichte über viele Kanäle distribuieren. Und dennoch brauche ich ein Ziel: Am Ende muss ich den König überzeugen. Und der ist ja, wie der deutsche Sprachgebrauch es formuliert der Kunde. Den Spruch „Der Kunde ist König“ formuliert der Angelsachse übrigens so: „The customer ist always right“. Heute sammelt keiner mehr mündlich überlieferte Märchen, wie die Brüder Grimm, überarbeitet sie und veröffentlicht diese in Büchern. Dabei liest sich auch die Geschichte der Gebrüder Grimm selbst, die sich ja nicht nur auf die Veröffentlichung von Märchen spezialisiert hatten, sondern noch heute als Mitgründer der deutschen Germanistik gelten, wie die moderner Startup Kultur. Denn auch die Brüder scheiterten am Anfang und mussten etwa die Zeitschrift „Altdeutsche Wälder“ nach nur drei Ausgaben wieder einstellen. Schon die Gebrüder Grimm nutzten unterschiedliche Distributionskanäle Den Erfolg ihrer Märchen erlebten sie noch selbst. Aber auch schon die Brüder Grimm diversifizierten ihre Inhalte – heute würde man sagen Content-Angebot – denn neben der großen Ausgabe der Märchen, die sieben Mal aufgelegt wurde, war es die „Kleine Ausgabe“ der Kinder- und Hausmärchen in einem Band, mit Illustrationen von Ludwig Emil, die den Stoff populär machte. Diese Ausgabe wurde zu Lebzeiten der Brüder zehn Mal neu aufgelegt. Inhalte mehrfach und in unterschiedlichsten Formen, passgenau auf die Zielgruppe zuzuschneiden und zu publizieren, ist also keine Erfindung der Neuzeit. Heute, nachdem die Märchensammlung gemeinfrei ist, ist das Märchen Rumpelstilzchen nicht nur zu lesen, sondern natürlich gibt es auch Computerspiele im Netz. Wo man die findet, können Sie unter www.dazumehr.de/ rumpelstilzchen erfahren. dIGITAL Natürlich hätte die Königin 2016 die Hof-IT auf die Namenssuche vom öffentlichen Netz bis ins Darknet geschickt und womöglich sogar Trojaner aussenden lassen. Aber so weit war man ja damals noch nicht. Und daher meldete der Bote am dritten Tag nach seiner Ankunft: „Neue Namen habe ich nicht finden können meine Königin. Aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, dort, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, da sah ich ein kleines Häuschen. Vor dem Häuschen brannte ein Feuer und um das Feuer sprang ein kleines Männlein. Es hüpfte immerfort auf einem Bein und schrie: heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich mir das Kind der Königin ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“ Unstrittig dürfte sein, dass zu jeder Content Marketing Strategie heute eine stringente Durchlässigkeit zwischen analogen und digitalen Angeboten gegeben sein muss. Ein Printwerk ohne Spiegel im Digitalen ist nicht mehr vorstellbar. 0 Alexander Hornen 02831.925-534 [email protected] Flashen Sie noch oder blättern Sie schon in HTML 5 Ist eine responsive Website heute Pflicht oder Kür? Sagen wir mal so: Im Juli gab es in Deutschland 46 Millionen Smartphone-Nutzer, laut Statista. Die drei wichtigsten Betriebssysteme waren Android mit 74,2, iOS mit 19,3 und Windows mit 5,9 Prozent. Über 34 Millionen surfen damit mobil im Internet. So dürfte diese Frage schnell zu beantworten sein. Bedenkt man, dass in Deutschland rund 80 Millionen Menschen leben. Betrachten wir das digitale Pflichtprogramm für Content Marketing. Welcher Browsertyp sind Sie? Eine Pflichtaufgabe ist es herauszufinden, welche Browser meine Nutzer schätzen. Sollte dies noch der Internet Explorer 8 sein, sollten sie den Lesern mitteilen, dass der Support von Microsoft am 12. Januar ausgelaufen ist. Und da nutzten immerhin noch fast neun Prozent der User des Internetexplorers diese veraltete Version. In Deutschland hat der Internet Explorer, alle Versionen, nach netmarketshare.com im Februar einen Marktanteil von rund 44,8, gefolgt von Chrome mit 36,6, dem Firefox von Mozilla mit 11,7 und Apples Safari von 4,9 Prozent. Fokus mobile oder stationäre Website Wer heute ein Redesign oder einen Relaunch seiner digitalen Angebote plant, der sollte erst einmal die Trackingdaten – ob Google Analytics, etracker, Piwik oder ein anderes Tool – auswerten. Vor allem das Surfverhalten seiner Nutzer studieren, ob die meisten Zugriffe noch über das stationäre Web oder über mobile Endgeräte erfolgen. Blickt man auf die DeutschlandZahlen, so dürften sich diese bei vielen Inhalteanbietern, wie Verlagen, widerspiegeln: 54 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren surfen mobil und unter den Internetnutzern sind es sogar 69 Prozent. Bei solchen Zahlen steht die Frage nach responsivem Webdesign nicht mehr im Raum, sondern es drängt sich stärker ein Nachdenken darüber auf, wo der Fokus meines zukünftigen digitalen Angebotes liegen soll: Mobil oder stationär. Eines muss allerdings ganz deutlich gesagt werden: Ohne Mobile wird es nicht mehr funktionieren und Mobile gehört in jede Strategie eines neuen Online-Magazins. Dabei ist von Fall zu Fall zu entscheiden, wie die beste Lösung aussieht. Also ob eine responsive Lösung besser geeignet ist als eine App oder umgekehrt. Und auch Apps bieten heute alle Möglichkeiten permanent zu publizieren. Basisvariante E-Paper Wer ein Printmagazin auflegt, der sollte dies auch digital zur Verfügung stellen. Dies ist heutzutage eigentlich keine Frage mehr. Allerdings gilt es bei der Auswahl eines Anbieters bzw. Software einiges zu beachten. Ältere Versionen wurden häufig mit Flash programmiert. Damit sind sie nicht unter iOS abrufbar und Flash wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Es gibt Menschen, die freuen sich darüber, denn sie glauben, dass nun Schluss sei mit nervigen Bannerwerbungen, die blinken. Der Todesstoß für Flash, das auch gerne von Schadsoftwareprogrammierern genutzt wurde, dürfte die Entscheidung von Google sein, ab Juni diesen Jahres keine Werbebanner mit Flash mehr anzunehmen und ab Januar 2017 auch nicht mehr auszuliefern. Daher sollte man auf HTML 5 setzen, wie dies auch Google und YouTube tun. Es geht allerdings mit einem echten E-Paper, das auf Basis eines PDF´s erzeugt wird, noch eine Stufe weiter, denn dort können multimediale Zusatzinhalte, wie Video und Audiodateien oder Bildergalerien ergänzt werden. KNOW!s How Das Magazin – Eigener oder Integration in bestehenden Web-Auftritt Ihr Unternehmen hat einen respektablen Webauftritt. Jetzt steht der Relaunch eines Kundenmagazins an und natürlich soll dies auch in der digitalen Wertschöpfungskette angeboten werden. Oft wurden in der Vergangenheit für diese Inhalte eigene Webauftritte konzipiert und gingen ans Netz. Zwei getrennte Seiten, plus Social Media Kanäle, bedeutet allerdings auch, die ständige Bereitschaft die Inhalte untereinander zu vernetzen. Dabei gilt auch hier, es gibt keine pauschale Antwort. Generell spricht nichts gegen ein eigenes Online-Magazin. Schaffrath DigitalMedien hat dies etwa bei GS 1 realisiert oder auch die KNOW!S hat einen eigenen Auftritt. Die Links finden Sie hier: Dazumehr.de/digitalePflicht. Wichtig ist dabei, dass die Themen sinnvoll mit den Services der Corporate Website und den eigenen Kanälen in den sozialen Netzen begleitet werden. Kommt die neue Print-Ausgabe heraus, dann müssen auch die digitalen Kanäle und zwar alle des Unternehmens oder Verlages mit bespielt werden. Ist die Corporate Website schon sehr inhaltslastig und gerade frisch renoviert worden und bietet ein modernes Design mit großen Visualisierungen, dann spricht nichts dagegen, hier die Inhalte des Magazins zu integrieren. Vorteil ist, dass Leser und Kunden beide Welten auf einen Blick erhalten. Know!s // 17 Das gehört ins Lastenheft • Ausgangssituation •Ziel • Verantwortlicher s •Einsatz des Produkte ures •Übersicht über Feat • Funktionale Anforderungen •Nicht funktionale Anforderungen • Lieferumfang • Abnahmekriterien Prinzip Hochkomplexe Prozesse Einfache Prozesse Agile Prozesse Halten Sie im Vertrag fest, dass das Lasten- und Pflichtenheft Bestandteile des Vertrages werden •Lasten- und Pflichtenheft •Dokumentation wichtig •Halten auch einer behördlichen Prüfung stand •Kleine Teams – direkte Kommunikation •Einfache Prozesse •Weniger Wert auf Dokumentation •Lasten- und Pflichtenheft muss auf agilen Prozess angepaßt werden •Unflexibel •Anforderungen an das Produkt nur unvollständig und schemenhaft bekannt •Das funktionierende Projekt steht im Vordergrund und nicht die Dokumentation Leitplanken statt Daumenschrauben 18 // Know!s Produktion Das gehört ins Pflichtenheft •Ziel • Verantwortlicher •Einsatzmöglichkeiten • Konfiguration • Produkt-Funktionen t • Das kann das Produk t nicht • Das kann das Produk AGIL •Zugriffsrechte ormen • Qualitätsziele, Ziele, N Test • Implementierung • Abnahmekriterien •Wartung Pflichten- und Lastenheft Nennen wir es Nachfrage Lastenheft, Pflichtenheft und Angebot oder Briefing oder agiles Arbeiten kennt Alles beginnt mit dem Lastenheft, münman eigentlich eher aus den det im Pflichtenheft und am Ende einer und Re-Briefing Projektarbeit am Besten mit der Kür – die Aber, was gilt es zu tun, dass man sich bei Softwareschmieden. Aber Sektkorken knallen zu lassen. KNOW!S geht der Entschuldigung gar nicht erst in schnörauch wer Content Marketing auch der Frage nach, ob der Prozess zum keligen Formulierungen winden muss? agilen Arbeiten passt. Verstehen wir zunächst: ein Lastenheft ist betreibt oder Publikumstitel Die Welt der Beispiele mit Missver- nicht das gleiche wie das Pflichtenheft. Das vertreibt, dem schadet Pro- ständnissen zwischen Auftraggeber und Lastenheft formuliert der Auftraggeber. Das Auftragnehmer sind groß und die Liste lang hat den Vorteil, dass sich auch der Auftragzessmanagement nicht. Vor und es gibt das schöne Wort Lieferpan- geber noch einmal intensiv mit der Aufgane. Und wer jetzt glaubt, dies betrifft nur benstellung befasst. allem hilft es, Kosten, AnforEnthalten sollte dieses auf jeden Fall die Hersteller hochkomplexer Systeme wie derungen und Projektziele zu Flugzeuge oder Hochgeschwindigkeitszüge, eine kurze Beschreibung der Ist-Situation definieren, und später bei der der irrt. Da kann auch mal ein Container im Unternehmen und was durch das Profalsch genähter Badeanzüge mit dabei sein. jekt erreicht werden soll. Dazu die AnEvaluation. Eigentlich Pflicht Es gibt sogar Textbausteine für die sprechpartner, aber auch die Dinge zu forEntschuldigung in der Business-Kommu- mulieren, wie es nach dem Launch des und Kür in einem. nikation. Und jeder Trainer lehrt: Eine Entschuldigung kann auch eine Chance sein. Eine Kostprobe von Empfehlungen für den, der sich entschuldigen muss: Sprechen Sie nie von „falsch“, sondern von „nicht korrekt , oder statt „zu spät“ formulieren Sie besser „nicht rechtzeitig“. Auch Zeitangaben mit dem Wort „maximal“ zu versehen, sollte vermieden und lieber „bis zu“ verwendet werden. Projektes weitergehen soll. Ob etwa Software-Updates nach dem Start vom Dienstleister weiter betreut werden sollen oder ein Magazin überarbeitet wird und wie die Produktion mit eingebunden wird. Ob es ein Designmanual geben soll, oder das Redaktionsund Designteam geschult werden sollen, aber auch, ob der Relaunch noch einmal evaluiert wird. Know!s // 19 Produktion Im Pflichtenheft beschreibt der Auftragnehmer wie er die Vorgaben des Lastenheftes umsetzen will. Das Pflichtenheft kann auch als Teil des Angebotes verstanden werden. Hier sollten Ziele klar benannt werden, aber auch das, was nicht Bestandteil des Auftrages ist. Für den Auftragnehmer ist es sinnvoll klar darzulegen, was später mit der spezifischen Anforderung nicht erreicht werden kann. Dies hilft beiden Vertragspartner genau zu verstehen, was der eine will und der andere leisten wird. Dies muss nun nicht bedeuten, dass beide ihre Hefte im stillen Kämmerlein in tagelanger mühevoll bürokratischer Arbeit erarbeiten, sondern kann Bestandteil eines gemeinsamen Workshops oder schon Beratungsleistung sein. Das Pflichtenheft hilft das Projekt zu strukturieren. Im Pflichtenheft können Zeitplanung und, denkt man an agile Prozesse oder Design-Thinking, auch Zwischenschritte definiert werden. Dies hilft bei der Bewertung der einzelnen Schritte und des Erreichten. Vor allem erleichtert es die Endabnahme zwischen den beiden Partnern und kann Basis für Weiterentwicklungen sein. Aber passen Lasten- und Pflichtenheft zu agilem Arbeiten und Design- Thinking? Kritiker sagen oft nein, denn es schränke die Freiheit des Denkens und der Kreativität ein. Befürworter von Verträgen sagen ja, denn es muss Leitplanken auch für agile Projekte geben, sollen diese nicht in Streit und im schlechtesten aller Fälle vor Gericht landen. Warum ein Vertrag und ein Lastenund Pflichtenheft auch bei agilem Arbeiten sinnvoll sind, wird sofort klar, wenn man das Projekt nicht von seinem kreativen und hoffentlich energiegeladenen Beginn aus betrachtet, sondern einen Blick auf einige beispielhafte Punkte nach der Phase der Realisierung wirft. Welche Rechte hat der Auftragnehmer nach dem erfolgreichen agilen Projekt dem Auftraggeber eingeräumt? Ein wichtiger Bestandteil eines Vertrages, etwa bei kreativen Projekten, bei denen auch urheberrechtliche Fragen berührt sind, für den, 20 // Know!s der das agile Projekt beauftragt hat. Umgekehrt ist es für den, der das Projekt aufgesetzt hat, wichtig zu klären, wer im LiveBetrieb die Haftung und Gewährleistung übernimmt, gerade auch gegenüber Dritten. Daher benötigen auch agile Prozesse Lasten-, Pflichtenheft und einen Vertrag, aber mit einem großen Unterschied: Sie müssen die agile Projektstruktur abbilden und klar darlegen, dass es während der Projektlaufzeit zu Änderungen und Abweichungen im Pflichtenheft kommen kann. Wie wird der Auftraggeber eingebunden und seine Zustimmung eingeholt? Benötigt der Auftraggeber einen ergänzenden Kostenvoranschlag, wie schnell muss dieser bestätigt werden, um die agilen Prozesse nicht zu stark zu unterbrechen und vor allem, wie tauschen sich die Parteien darüber aus? Soll dies per E-Mail geschehen, sollte dies zuvor im Vertrag so geregelt werden und diese E-Mails Bestandteile des Vertrages werden? Es ist, hat man einmal die Leitplanken klar definiert, also nicht so, dass jedes Mal ein persönliches Treffen mit Brief und Siegel erfolgen muss, sofern dies vorher geklärt wurde. Und so schafft ein Vertrag einen Rahmen, in dem das Projekt schnell und effizient, ob agil oder nicht, für beide Seiten zum Erfolg werden kann. Wir lernen also, dass bei agilen Prozessen das Pflichtenheft auch agil gestaltet werden sollte. Und es kann im agilen Prozess zu dem Punkt kommen, dass sich das Projekt so konkretisiert hat, dass die Ziele im klassischen Pflichtenheft festgehalten und ein Festpreis festgesetzt werden kann. Darf das Pflichtenheft schon etwas kosten? Agenturen sind häufig der Auffassung: ja. Denn schon die Erstellung des Pflichtenheftes ist mit Aufwand verbunden. Und Agenturen haben damit schon schlechte Erfahrungen gemacht: Auftraggeber, die mit dem Pflichtenheft zur Konkurrenz gegangen sind und sich dort ein weiteres Angebot eingeholt haben. Schließlich ist das Pflichtenheft die erste Stufe der Konzeption und sollte daher auch vergütet werden. Den Auftraggeber verpflichtet dies, das Pflichtenheft und das damit einhergehende Angebot zu prüfen und dieses anzunehmen oder abzulehnen. 0 Marion Pape 0211.8303-201 [email protected] Darum kann agil arbeiten ein Vorteil sein Bei klassischen Projektsteuerungen kann es immer wieder zu Problemen in der Verständlichkeit zwischen Lasten- und Pflichtenheft kommen. So argumentiert die Fachabteilung, oft gerade digitale Abteilungen, zu fachlich in der Sprache und daraus resultieren nicht selten Kommunikationsprobleme. Lasten- und Pflichtenheft müssen während der Arbeit angepasst werden Wer agil arbeitet, reduziert die Vorlaufphase für Lasten- und Pflichtenheft, wenn er nur die Leitplanken festlegt. Die Produktverantwortlichen auf beiden Seiten spielen eine wichtige Rolle. Entscheidungen müssen schnell getroffen werden, sonst droht bei agilem Arbeiten sehr schnell Leerlauf im Team, oder das Team erarbeitet Lösungen auf Halde. Bei Projekten mit externen Kunden, ist es für den Projektverantwortlichen auf Kundenseite wichtig, wie viele Mitentscheider er einbindet: je mehr es sind, desto langsamer der Projektfortschritt. Dies spricht aber im agilen Prozess für eine Zielvereinbarung und Leitplanken, die im Prozess noch angepasst werden können. www.dazumehr.de/agil Know!s // 21 Pusteblume als Das Content Marketing Forum hat ein Whitepaper mit interessanten Erkenntnissen zur Content Distribution aufgelegt. Auszüge und ein Gespräch mit Dr. Christian Fill, einem der Autoren, lesen Sie hier in KNOW!S. D ie Pusteblume hinterlässt bei uns Menschen ambivalente Gefühle. Zum einen denken wir an unsere Kindheit zurück, an das Glück, wenn wir die kleinen Fallschirme mit den Samenkörnern auf die Reise schicken. Da wussten wir noch nicht, dass wir später mit dünnen Stecheisen in unserem Garten dem Auslöser der Pusteblume, dem gewöhnlichen Löwenzahn hinterherhecheln werden. Und auf keinen Fall eines wollen: Eine Ausbreitung. Aber wie heißt es so schön in der Beschreibung des Grüns mit der gelben Blüte und langen Wurzel: Der Löwenzahn ist eine ausdauernde krautige Pflanze. Ausdauer braucht auch der, der Content Marketing betreibt. Denn schließlich handelt es sich bei Inhalten nicht um Schweinebauch-Abverkaufswerbung. Eine weite Verteilung seiner Inhalte ist dem werbenden Ansatz des Marketings dienlich. Wenn dann die vielen kleinen Samenkörnerfallschirme sich weit verbreitet und dauerhaft verhaftet haben, dann ist das Paradies für Content Marketing fast erreicht. Das „content marketing forum“ (cmf) hat ein interessantes Whitepaper aufgelegt mit dem Titel „Content Distribution“. Das Papier liefert auch eine gute Erklärung, was man unter Content Marketing versteht: „Relevante redaktionelle Inhalte entfalten auf allen verwendeten Kanälen eine messbare Wirkung“. Einer der Mitverfasser, Dr. Christian Fill, Geschäftsführer der Profilwerkstatt, gibt in einer kleinen Frage-Antwort-Runde spannende Einblicke in aktuelle Themen und Trends: Im aktuellen Whitepaper sprechen Sie davon, dass Inhalte im strategischen Marketing so eingesetzt werden müssen, dass sie messbar zu den Unternehmenszielen beitragen. Wie stelle ich mir das vor? Das ist die Aufgabe von Content Marketing, mit redaktionellen Inhalten Unternehmensziele voranzutreiben. Sonst wäre es nur l´art pour l´art. Nehmen Sie den Versandhandel. Sowohl in den digitalen Kanälen wie in gedruckten Medien lösen gute Inhalte Kaufimpulse aus. Ich habe das selbst erlebt – eine Jeans, die regelrecht inszeniert und zu Testzwecken nur über einen Kanal zu bestellen war, war innerhalb von fünf Tagen ausverkauft. Aber welche Instrumente schlagen Sie generell vor? Niemand kann da eine allgemeingültige Antwort geben – denn dies ist eine technische Frage. Neben den analytischen Fähigkeiten von Google gibt es eine Reihe von Sekundäranbietern und Technologiespezialisten. Wichtig ist, dass die Content Marketing Strategie festlegt, welche Kenngrößen gemessen werden sollen. Darauf muss die Technik aufsetzen. Sie unterscheiden zwischen Content Distribution und Promotion. Worin liegt der Unterschied? Die direkte Kommunikation mit bereits bekannten Stakeholdern, etwa Kunden oder Interessenten über Owned Media nennen wir Content Distribution. Content Promotion dagegen spricht eine breite, meist mit spezifischem Targeting definierte Zielgruppe über Paid Media, etwa Native Advertising, oder Earned Media, z.B. PR oder Influencer Marketing, an. Warum ist der Unterschied so wichtig? Ist das nicht etwas akademisch? Ganz und gar nicht. Bei Content Distribution ist die Ansprache qualifiziert, etwa über Informationen aus einem CRM-System, hat eine geringere Reichweite als die Promotion, dafür aber kaum Streuverluste. Für gezielte Promotion steht meist ein entsprechendes MediaBudget zur Verfügung. Ziel der Content Promotion ist eine höhere Aufmerksamkeit für die eigenen Inhalte für ein bestimmtes Thema. Es reicht also nicht mehr einfach nur ein Kundenmagazin zu erstellen und an bekannte Kunden zu verschicken? Vielleicht hat es noch nie gereicht. Ein Kundenmagazin ist ein wesentliches Element zur Kundenbindung. Wenn in der Strategie der Schwerpunkt auf die Kundenbindung gelegt werden soll, kommt niemand um gedruckte Medien herum. Aber allein ein Magazin? Seit dem Jahrtausendwechsel arbeiten Unternehmen crossmedial – Print wird spätestens seit damals digital flankiert. Ich muss also als Unternehmen heute vielfältig aktiv werden, um schon meinen Content über mein Produkt oder Dienstleistung zu verbreiten? Korrekt, und das liegt nicht daran, dass die Werbetreibenden Inhalte als lukratives Geschäftsfeld entdeckt haben. Sondern daran, Innovation Vorbild www.dazumehr.de/cmfwhitepaper Christian Fill, 47, ist Vizevorstand im Content Marketing Forum und dort unter anderem zuständig für Digital Medien und Crossmedia. Der promovierte Ingenieur ist Geschäftsführer der Profilwerkstatt und war zuvor Geschäftsführer bei C3 creative code and content. dass in westlichen Gesellschaften Menschen bis zu 13.000 Werbebotschaften pro Tag erhalten. Ein Unternehmen, das sich distanzieren will, setzt Inhalte entlang der Customer Journey ein. Content im Funnel, das bedeutet auch, dass im Content Marketing der Kaufprozess stärker mitgedacht werden muss. Es reicht also nicht nur die einfach schön erzählte Geschichte, sondern es müssen auch kaufrelevante Informationen mitgesandt werden? Das stimmt nur zum Teil. Content Marketing ist eine strategische Disziplin, und Ziel jeder Unternehmensstrategie ist das betriebswirtschaftliche Wachstum. Insofern müssen Unternehmen gezielt Informationen für unterschiedliche Kanäle aufbereiten – Facebook erfordert anderes Auftreten als ein Webmagazin, allein schon, weil das Nutzungsverhalten und die Informationserwartung der User eine andere ist. Das heißt aber gerade nicht, dass jeder Satz schreit: „Kauf mich!“. Reicht Content Marketing nicht auch schon in den Bereich der PR hinein? Umgekehrt. Die PR ist im Zugzwang. Die Kollegen aus den PR-Abteilungen sehen die Kraft der Inhalte und die Kraft der Kanäle – und was es bedeutet, nicht anlass- sondern themenbezogen an die Öffentlichkeit zu gehen. Gutes Content Marketing und gute PR gehen Hand in Hand. Wenn wir über Native Advertising sprechen, was halten Sie von der Kennzeichnung von Inhaltsbotschaften als Anzeige, wie es das Wettbewerbsrecht und der Pressekodex bei „Earned Media“ vorsieht? Das ist zwingend erforderlich. Guter Journalismus lebt davon, dass mit offenem Visier ge- kämpft wird. Das gilt am Kiosk genauso wie für jene Journalisten, die im Content Marketing an der Schnittstelle zum Marketing arbeiten. Welche Skills brauchen Content Anbieter heute und sollten sie diese eher intern aufbauen oder extern einkaufen? Schreibe und Gestaltung, Technik und Analytik – das sind die vier Grundsäulen, auf denen Content-Anbieter ihre Teams aufbauen müssen. Wähle zwei von vier, kaufe die anderen zu. Oder kooperiere. Ab einer gewissen Größe entfremden sich Agenturen von ihren Kunden und den Aufträgen. Da sind Netzwerke, bestehend aus kleineren Agenturen, agiler und oftmals günstiger. Wenn man das Whitepaper und die Ausführungen von Dr. Christian Fill zusammenführt, wird sehr schnell klar, dass es immer wichtiger wird, sich intensiv mit dem Verlangen und den Bedürfnissen der Kunden auseinanderzusetzen. Also um eine konsequent strategische Positionierung als Content Anbieter gegenüber Kunden. Dies müssen aber nicht nur die eigenen schon bekannten Kundengruppen sein. Das Whitepaper bezieht den Ansatz von Kotouc und Kranz aus dem Jahr 2008 des „Harvard Business Manager“ (Ausgabe 12/2008) ein und das dort vorgestellte Premiumradar für Markenmanagement. Dies wurde abgewandelt und auf die Bedürfnisse des Content Marketing angepaßt und kann bei der Positionierung helfen. So liegen sich auf der X-Achse die Felder „schnell informieren“ oder „Wissen vertiefen“ gegenüber und auf der YAchse ob die „Ansprache emotional“ oder „sachlich“ ausfallen soll. Nun würde niemand auf die Idee kommen ein Buch aufzulegen, wenn er schnell informieren will. Aber welche Erzählform, Meldung, Nachricht, Reportage, ist die richtige, in welchem Medium und für welche Kunden oder Rezipientengruppe? Dies kann ich mit dem Radar eingrenzen und plausibel machen. Die Autoren des Whitepapers beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Marketing für Inhalte. Also, dass der Content wahrgenommen wird. Die Unterscheidung zwischen Content Distribution und Promotion erscheint sehr wichtig, auch im Hinblick auf die Kontrollmöglichkeiten über meine Inhalte, wie Dr. Fill erläuterte. Klar wird, eindimensional darf Content Marketing nicht gedacht werden. Es bietet vielmehr durch die Option des Dialoges über Themen vielfältige Ansätze der Vernetzung. Hier unterscheidet das Whitepaper zwischen passiver Distribution, also den Wegen, die ich selbst als Unternehmen einschlage, damit über meine Inhalte kommuniziert wird. Und aktiver Distribution, die mit passiver Distribution beginnt. Über Sharing Funktionen kommt der Content ins „Fließen“, wird von anderen aufgegriffen und somit zu Nutzergruppen weiter transportiert, die ich nur alleine mit Owned Media nicht erreiche. Darüber darf der eigentliche Zweck, das Verkaufen des eigenen Produktes oder der Dienstleistung, nicht vergessen werden. Also die zielgerichtete Ausrichtung des Content Marketings auf den Verkauf von Produkten und Leistungen durch Imageförderung und Wissensvermittlung. Dazu dient, wie Dr. Fill ausführt, die Betrachtung des Content im Funnel. Das Whitepaper des cmf erläutert zudem anschaulich, welche Skills für gutes Content Marketing und dessen Distribution benötigt werden. Denken wir noch einmal kurz an die Pusteblume zurück. Was nützt es, wenn sie noch so schön aussieht, aber keiner kommt und sie herausreißt? Nur, wenn die kleinen Fallschirme weit verteilt sind, werden wieder Pusteblumen daraus, und so verteilen sich die Samenkörner immer weiter und ziehen größere Kreise. Also, ohne Distribution ist alles Nichts. Das Schöne an Content Marketing ist, das Verbreitete hat Inhalt und erzählt selbst an den entlegensten Orten – die mein Samenkorn erreicht – die Ursprungsthemen weiter, von seinem Urheber und Angebot. 0 Marion Pape 0211.8303-201 [email protected] Know!s // 23 Digitalisierung außerhalb der Bewahrer-Organisation etventure hat gemeinsam mit der GfK Nürnberg eine Deutschland-Studie zum Thema digitale Transformation aufgelegt. KNOW!S sprach mit Philipp Depiereux über die Art und Weise wie sich Unternehmen, aber auch Verlage dem Thema Digitalisierung richtig nähern können. 24 // Know!s KNOW!S: Herr Depiereux, wie kamen Sie dazu etventure - mit dem Anspruch „Wir gestalten den digitalen Wandel von Gesellschaft und Industrie“ zu gründen und welchen Background haben Sie? Philipp Depiereux: Gemeinsam mit meinen Partnern Philipp Herrmann und Christian Lüdtke, habe ich etventure mit der Vision gegründet, die Erfahrungen als Unternehmer und Innovationstreiber im Mittelstand, in der Konzernwelt, in Startups sowie in Digitalprojekten im Silicon Valley in einem Unternehmen zu bündeln. Ich selbst komme, zunächst als klassischer Berater, später als CEO eines mittelständischen Unternehmens, eher aus der „alten Welt“. Sechs Jahre habe ich einen großen Kunststofffolien-Hersteller geleitet. In dieser Industrie dreht sich alles um den Preis; 0,0 um Innovation, 30.000 Wettbewerber weltweit. Wir waren aber trotzdem unterm Strich weltweit der Erste, der ökologisch nachhaltige und kompostierbare Folie entwickelt hat und haben damit den Markt disruptiv gerockt. Aus heutiger Sicht sage ich aber auch selbstkritisch, dass wir bei diesen Innovati- onsprozessen jeden erdenklichen Fehler gemacht haben, sprich etwa die Widerstände der Mitarbeiter schlecht gemanagt und ein viel zu komplexes Produkt entwickelt. Daher haben wir unsere Ziele damals weder hinsichtlich Entwicklungszeit, noch aus BudgetSicht einhalten können. Fehler, die Unternehmen auch heute noch machen, da sie typisch für die traditionelle Unternehmenskultur sind. Dennoch ist es damals gelungen, die Folien-Entwicklung schlussendlich zum Erfolg zu führen und 2010 habe ich das Unternehmen dann im Ganzen erfolgreich verkauft. Im selben Jahr habe ich Philipp Hermann kennengelernt, der aus der Silicon ValleyCommunity kommt und bei Bertelsmann sehr erfolgreich ein Start-up in Kooperation mit Disney im Digitalbereich hochgezogen hat. Der Dritte im Bund, Christian Lüdtke, verantwortete damals einen 100 Millionen Dollar Innovations-Fonds des weltweit größten Schulbuch-Verlags, Houghton Mifflin Harcourt. Schon damals haben wir die Digitalisierung als den nächsten wirklichen Megatrend erkannt. Philipp Hermann brachte die Methodiken aus dem Silicon Valley mit, wie Design Thinking, Prototyping und den Lean Strategie stellen und kaufen. Sie wurde irgendwo drei Monate produziert, sechs Monate aufgebaut, dann wurden die Rohstoffe dafür bestellt, die Maschine wurde eingefahren, der Vertrieb wurde geschult, die Marketing-Unterlagen erstellt und nach 18-24 Monaten kam das eigentliche Produkt raus und man hat gebetet, hoffentlich nimmt der Markt es an. Mit einem erheblichen Marketingbudget hat man dann unter Umständen versucht, bei der Zielgruppe nachzuhelfen. Ganz nebenbei, auch das, noch immer ein ganz klassischer Weg in der Unternehmerwelt. Reicht die Idee denn alleine? Digitale Vernachlässigung Welche Rolle spielt die digitale Transformation in deutschen Großunternehmen? Top 1 Thema 6% 35% unter Top 3 Themen 43% unter Top 10 Themen Keine/geringe Rolle 16% Die Studie Die Deutschlandstudie zur Digitalen Transformation wurde von der GfK Nürnberg und etventure aufgelegt. Befragt wurden Vorstände und Führungskräfte unter 2.000 Großunternehmen ab 250 Millionen Euro Jahresumsatz. www.dazumehr.de/etventure Startup-Ansatz, Christian Lüdtke und ich das Verständnis für Unternehmen, deren Anforderungen und die internen Abläufe. Darauf basierend ist etventure als die heute bekannte Startup-Schmiede und Digitalberatung entstanden. Geben Sie uns doch bitte ein Beispiel für modernes Design Thinking? Sie haben um 10.47 Uhr (beim Interview war es genau diese Zeit) eine Idee für ein digita- les Geschäftsmodell und Sie können diese bereits in den nächsten zwei Stunden direkt am Markt testen. Dafür führen Sie erste Interviews mit einer kleinen Zielgruppe, aus denen ersichtlich wird, ob der Bedarf für Ihre Geschäftsidee überhaupt vorhanden ist. Im zweiten Schritt wird der erste „Prototyp“, etwa für eine App oder eine Website auf ein Stück Papier gezeichnet, und auch damit können Sie direkt rausgehen. Nach diesem Vorgehen wissen Sie im Prinzip direkt, ist das ein Produkt, welches die Probleme am Markt löst, wie sehen es die Menschen, die es nutzen sollen und wie kann daraus das Geschäftsmodell entwickelt werden und funktionieren. Auf der anderen Seite, löst eine Idee kein essentielles Kundenbedürfnis, kann diese genauso schnell und ohne hohe Investitionskosten verworfen werden und neue Ideen fokussiert werden. Bei der Digitalisierung sollten Produkte ja in erster Linie auf Basis von Kundeninformationen und -wünschen entwickelt werden. Der Design Thinking-Prozess hilft, die Zielgruppe zu verstehen und im Resultat entstehen Produktinnovationen und Geschäftsmodelle, die wirklich ein essentielles Kundenproblem lösen und deshalb erfolgreich sind. Ein Gegensatz zu Folien? Das war in meiner früheren Welt ja anders. Wenn ich innovieren wollte, musste ich erst einmal eruieren, welches Produkt und welche Maschine benötige ich dafür. Dann musste ich - vereinfacht gesagt - die Maschine be- Nein, wir wollen Unternehmen bauen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Ich gehe auch so weit zu sagen, die Idee ist nichts wert. Nehmen wir ebay: Vor ebay gab es wahrscheinlich 250 Plattformen für Auktionen und wahrscheinlich 5.000 Ideen für Auktionen. Es hat sich aber nur einer durchgesetzt. Es geht also nur um unternehmerische Exzellenz und um das Thema ‚execution’, also die perfekte Umsetzung, die ein zentrales Problem des Kunden löst. Deshalb ist der Design Thinkingund Lean-Startup-Ansatz so wichtig bei der Entwicklung. Bei den Startups, die wir nach ähnlichen Prinzipien aufbauen, setzen wir dann den passenden Entrepreneur als CEO ein, bauen mit ihm das Team auf, machen Design, Marketing und ganz wichtig: Vertrieb, Vertrieb, Vertrieb. Jetzt haben Sie ja gemeinsam mit der GfK die Deutschland-Studie aufgelegt, die zeigt, wie schwierig sich Unternehmen mit der Digitalisierung tun? Die Digitalisierung beschäftigt mittlerweile jede Branche und - das verdeutlicht auch noch einmal unsere Studie - alle eint ein ähnliches Problem: Digitalisierungsvorhaben kommen nicht voran und scheitern an Management- und Umsetzungsfehlern. Die Untersuchung hat beispielsweise erstmals dezidiert gezeigt, was die größten Hemmnisse in den Unternehmen bei der Digitalen Transformation sind. Mit deutlichem Abstand steht an erster Stelle „die Verteidigung bestehender Strukturen“. Wir erleben tatsächlich ebenfalls häufig, dass spannende Innovationsvorhaben an internen Widerständen scheitern. Nächster Punkt: In fast drei Viertel der Unternehmen Know!s // 25 ist die IT-Abteilung mit der Digitalisierung beauftragt. Die Kernaufgabe des IT-Leiters ist es aber, die IT-Infrastruktur fehlerfrei am Laufen zu halten und ständig weiter zu entwickeln. Für die Digitalisierung ist jedoch vor allem eine schnelle Produktentwicklung, radikale Nutzerzentrierung und Datenfokussierung wichtig. Dies ist weitestgehend konträr zur eigentlichen DNA einer IT-Abteilung. Und letzter wichtiger Punkt: Ist der Vorstand nicht Treiber des Digitalprozesses, wird die digitale Transformation nicht gelingen. Können Sie uns einmal praktisch erläutern, wie Sie vorgehen und wo Sie Geschäftsführer und Vorstände abholen? Die Ausgangssituation ist die: Wenn ich an unsere Kunden denke, an die CEOs, die haben das Thema Digitalisierung verstanden und wollen schnell einen Digitalkanal zum Kunden aufbauen und Neugeschäft entwickeln. Aber im Zuge der Digitalisierung sind andere Methoden und ein anderes Mindset nötig, als dies in den Unternehmen im Ingenieursland Deutschland – und natürlich auch anderswo – jahrzehntelang gelebt wurde. Bislang wollten Unternehmen nämlich möglichst das perfekte Produkt bauen, mit möglichst vielen Funktionen, ganz egal ob dies der Kunde so braucht. Bei der Digitalisierung geht es aber um Schnelligkeit. Es geht im ersten Moment Bei weniger als 50% steuern die Vorstände oder Geschäftsführer selbst digitale Veränderungsprozesse. nicht darum, das beste Produkt herzustellen, sondern darum, mit hoher Geschwindigkeit Produktinnovationen zu entwickeln, die ein zentrales Kundenproblem lösen. Auf dem Weg dahin gehen Sie mit Prototypen zum Kunden, die eben noch nicht ausgereift sind, die nur die wesentlichsten Funktionen haben und auch noch alles andere als perfekt aussehen, um diese schnell am Markt testen zu können. Viele Ideen werden auch nicht funktionieren, diese müssen verworfen werden. Eine Vorgehensweise und Philosophie, die konträr zur Unternehmenskultur in der, ich sage immer „Bewahrerorganisation“, ist. Um dies nachhaltig umzusetzen, setzen wir auf den „geschützten Raum“, eine Einheit die losgelöst von der etablierten Konzernstruktur, der internen Kultur oder gewachsenen Hierarchien arbeiten kann. Mit diesem Vorgehen lassen wir die Organisation in der 26 // Know!s Startphase in Ruhe. Am offenen Herzen zu operieren ist immer riskanter und sollte bei der Digitalisierung immer vermieden werden. In der Digitaleinheit können neue Geschäftsideen entwickelt und zunächst mit einer kleinen Zahl von Kunden schnell getestet werden. Mit auf diese Weise erfolgreich validierten Modellen überwinden sie die unternehmensinternen Widerstände und können das digitale Produkt zurück ins Unternehmen bringen. Aber nicht zwangsläufig? Nein, es gibt Kunden, die entscheiden sich bewusst dafür, das Geschäftsmodell als eigenständiges Unternehmen, als Startup aufzubauen. Gemeinsam mit Ullstein Buchverlage und der Bonnier Mediengruppe haben wir beispielsweise MyBook.de gegründet. MyBook ist eine Plattform für persönliche Buchempfehlungen von Experten mit angebundenem Online-Buchshop, ich sage gerne, die sympathische Amazon-Konkurrenz. Dieses Geschäftsmodell wurde im geschützten Raum prototypisch getestet und erfolgreich validiert. Daraufhin wurde eine Gesellschaft gegründet, an der wir auch noch beteiligt sind, ein CEO rekrutiert und heute arbeiten bei MyBook mehr als 20 Mitarbeiter. Ein alter Ansatz, etwa von vielen Kammern oder Städten und Kommunen ist, man müsse nur den Geldadel der Old Economy mit den Startups zusammenbringen und die Bäume wachsen in den Himmel. Stimmt das so? Die Frage ist, was ist das Ziel des Unternehmers. Wenn es darum geht, mal zu schauen, was da draußen am Markt eigentlich passiert, wie so ein Gründer denkt, wie nach Startupoder Design-Thinking-Methodiken gearbeitet wird – dann sind solche Gespräche gar nicht schlecht. Nur, es wird Ihnen als Unternehmer, wenn Sie über ihre internen Prozesse der Digitalisierung nachdenken oder Neugeschäft in ihrer Branche machen wollen, relativ wenig bringen. Vielversprechender ist es, ganz konkret mit Startups zu kooperieren, die einen konkreten Bezug zur Branche oder zum eigenen Geschäftsmodell haben. Das ist eine Art Recruiting-Prozess, von dem ich viel halte. Dazu bedarf es aber auch bereits eines gewissen Mindsets auf Unternehmensseite, denn dort prallen Kulturwelten aufeinander. Auch die Studie zeigt, als die größten Schwierigkeiten in einer Kooperation werden in den Unternehmen vor allem mangelndes Verständnis für Abläufe in Großunternehmen (74 Prozent) genannt, zu unterschiedliche Sicherheitsanforderungen (72 Prozent) und zu unterschiedliche Unternehmenskulturen (66 Prozent). Daher ist es ganz wichtig, dass die komplett unterschiedlichen Interessenslagen zwischen Startups und Unternehmen von Anfang an moderiert werden. Auf diese Art und Weise kann es gelingen, dass beide Seiten profitieren und dies auch dazu beitragen, Innovationsprozesse und einen Kulturwandel im Unternehmen anzustoßen. Wie schätzen Sie die Startup-Kultur der Bundesrepublik im Moment ein? Ein Klima für Gründung gibt es ohne Zweifel. Der Wunsch, eigene Ideen zu gestalten, ist bei vielen Menschen stark vorhanden und die Digitalisierung macht es heute erheblich einfacher ein Geschäftsmodell umzusetzen. Die erfolgreichen Gründer sind dabei alles Leute, die die beschriebenen Innovationsmethoden radikal umsetzen und so die Schnittstelle zwischen Unternehmen und deren Kunden besetzen. In allen Industriezweigen greifen diese neuen Wettbewerber mit innovativen, digitalen Lösungen traditionelle Unternehmen an. Was bedeutet das für das Unternehmen? Strategie Philipp Depiereux ist überzeugt, die Digitalisierung erfasst alle Branchen, höchstens die Pommesbude bleibt noch offline. Zunächst als Berater, dann als CEO eines mittelständischen Unternehmens und heute als Gründer und Geschäftsführer der Startup-Schmiede und Digitalberatung etventure, beschäftigt sich Philipp Depiereux mit Innovationsprojekten. Der Wettbewerb kommt eben nicht mehr aus dem eigenen Branchenumfeld. Unternehmen, die diese Entwicklung nicht erkennen, laufen Gefahr, dass agile Startups substanziell Geschäftsvolumen übernehmen. Das Thema Digitalisierung muss daher auf die Topagenda der Geschäftsleitung: Ein bisschen Digitalisierung zu machen, am schlimmsten noch die IT damit zu beauftragen, funktioniert nicht. Bei einem solchen Vorgehen prophezeie ich, dass sämtliche Digitalisierungs-Vorhaben im Unternehmen scheitern werden. Ihre Studie zeigt aber, dass viele Vorstände noch nicht so weit sind... Das stimmt, laut unserer Studie sind es gerade sechs Prozent, die Digitalisierung als wichtigstes Thema in ihrem Unternehmen eingestuft haben. Jetzt kommt aber mein „aber“: Für den Unternehmenslenker müssen noch ganz andere Dinge ganz oben stehen, beispielsweise die Kosten-Thematik, verschiedene Absatzmärkte weltweit, Effizienz, Rohstoffe, Umwelt oder Krisen. Nur weitere 35 Prozent haben das Thema aber auf der Top-3-Agenda, das ist zu wenig. Wenn komplette Geschäftsmodelle und -abläufe eines Unternehmens digitalisiert und in Frage gestellt werden müssen, greift das tief in sämtliche Prozesse sowie in die Kultur des Unternehmens ein. Daher kann nur der CEO Treiber für das Digital-Thema sein, damit die Organisation nachhaltig transformiert werden kann und die Mitarbeiter sehen, es wird vom Vorstand und Geschäftsführer vorgelebt. In der Studie haben Sie herausgefunden, dass viele Führungskräfte radikale Entscheidungen scheuen. Dann wäre ihr Modell eine Art Add on, dass man nicht das eigene Geschäft zugleich komplett auf den Prüfstand stellt? Ich glaube ja, dass wir die Führungskräfte jetzt nicht dazu kriegen, radikalere Entscheidungen zu treffen. Deswegen sagen wir auch, wir müssen die Digitalisierung aus dem Unternehmen herauslösen und in den geschützten Raum übertragen. Die Führungskräfte sind ja in den jeweiligen Positionen der Unternehmen, weil sie in ihrem Leben dort keine substanziellen Fehler gemacht haben. Deswegen glaube ich, zurück zur Radikalität, wenn radikale Entscheidungen getroffen werden, geht damit auch immer ein hohes Risiko zu scheitern einher. Auch wir scheitern ständig in den Projekten. Wir testen beispielsweise zehn Ideen, von denen dann acht bis neun nicht funktionieren. Aber, und das ist das Wichtige dabei, wir scheitern mit unseren Methodiken zu einem frühen Zeitpunkt, nach dem Motto ‚fail fast, fail cheap’ - und ein bis zwei Ideen kommen dann auch durch den Testprozess durch und können erfolgreich aufgebaut werden. Vor ein paar Jahren gab es in den Großunternehmen Ansätze, dass man selbst innovativ ist und die innovativsten Ideen aus der eigenen Mitarbeiterschaft kommen. Funktioniert das? Ideen sind keine Kunst. Machen Sie einen Ideen-Workshop mit zehn Mitarbeitern. Ich verspreche Ihnen, da werden am Ende 50 Digital-Ideen als Ergebnis an der Wand stehen. Das Schwierige ist, eine Idee danach wirklich umzusetzen, das zu testen. Das gelingt intern so gut wie nie, weil Unternehmen in ihren Richtlinien, Prozessen und im Tagesgeschäft gefangen sind. Ist Ihr Modell auch etwas für Verlage? Ja, klar. Grundsätzlich muss man vorweg sagen, die Branche steht unter einem extrem hohen Digitalisierungsdruck. Hier wurden in der Vergangenheit viele Entwicklungen verpasst beziehungsweise auch falsche Entscheidungen getroffen. Ich bin aber überzeugt, dass man auch hier mit den Themen „geschützter Raum“, der Loslösung von bestehenden Prozessen und radikaler Nutzerzentrierung erfolgreich Entwicklungen anstoßen kann. Auch in der Verlagsbranche können sie Ideen testen, mit Prototypen arbeiten und Minimalprodukte entwickeln. Die Ausgangslage ist aber zugegebenermaßen deutlich schwieriger. Andere Branchen, wie beispielsweise der produzierende Mittelstand, hat jetzt noch die Zeit, die richtigen Weichen Richtung Digitalisierung zu stellen. Ist Digitalisierung Pflicht oder Kür in 2016? Kann ich noch abwarten? Ich nenne mal: Taxi-Zentralen, Musik-Industrie, Hotellerie und auf der anderen Seite Uber, Spotify und Airbnb. Wenn man sich das vor Augen führt, wird klar, bei dem The- Bei 65% der Unternehmen verhindern veraltete Strukturen die Digitalisierung ma sollte man niemals warten, sondern sofort starten – das gilt für B2C- genauso wie für B2B-Anbieter! Starten heißt dann aber nicht, erstmal eine Strategie entwickeln und sich überlegen, was macht der Markt und das Wettbewerbs-Umfeld, denn es wird ständig rasante Veränderungen geben. Der Start in die Digitalisierung muss auch nicht immer eine sofortige und komplette Veränderung des bestehenden Geschäftsmodells bedeuten - der Start mit kundenzentrierten Lösungen, die sofort Wert stiften, ist entscheidend. Erste „digitale Leuchtturmprojekte“ im Markt erfolgreich auszurollen, ist der wichtigste Einstieg. Ein Beispiel: Hat ein B2B-Unternehmen noch keinen digitalen Kanal zum Kunden, der von diesem auch aktiv und kontinuierlich genutzt wird, gehört es im Jahr 2016 zur Pflicht, diesen zu finden und aufzubauen. Meistens ist dieser Kanal im ersten Schritt übrigens kein Webshop. Auf diese Weise, kombiniert mit dem Aufbau von eigenem Digital-Know-how in einer Digitaleinheit, wird ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil generiert. Ist die Republik von der politischen und von der infrastrukturellen Seite her auf die Digitalisierung schon genügend vorbereitet? Müsste Herr Dobrindt noch mehr in den Ausbau der Infrastruktur stecken? Die Politik muss die Rahmenbedingungen mit den großen Netzbetreibern schaffen. Es ist natürlich ein Desaster, wenn ich zu einem Kunden ins Allgäu fahre und ich habe zwei Kilometer um den Standort mit 3.000 Mitarbeitern nur ein Edge-Signal auf meinem Smartphone – und dann gar keinen Empfang in der Firmenzentrale selbst. Dennoch, ganz wichtig: Ich muss trotzdem als Unternehmer anfangen. Ich muss mir trotzdem überlegen, wie schaffe ich es, mein Unternehmen, meine Kanäle zu den Kunden, Schritt für Schritt zu digitalisieren. Herr Depiereux, wir danken für das Gespräch. Know!s // 27 Keine Hexerei Produktion Die Softwareschmiede „WoodWing“ Es gibt neue Werkzeuge, mit hat jetzt mit „Inception“ ein neues Storyteldenen Inhalte noch schneller ling-Tool out of the Box für Medienprojekte und flexibler erzeugt und mit dem Ansatz „Online-First“ als cloudbasiertes HTML-Autorenwerkzeug auf den in alle Kanäle ausgespielt Markt gebracht. werden können. Urs Felber, Artikelorientierter Ansatz Geschäftsführer der A&F Mit „Inception“ sei es möglich, etwa über Computersysteme AG in der die Adobe Publishing Solution, Apple News, Facebook Instant Articles oder ein Web Schweiz, erklärt in KNOW!S Content Management System (CMS) Inhaldie neuen Möglichkeiten. te auf unterschiedliche Medienarten, Pa- M an kann Redakteure oder Autoren in Tippakademien zum ZehnFinger-Schreibtrainer schicken, Selbstlernvideos ansehen lassen, ihnen die schnellsten Rechner und Werkzeuge zur Verfügung stellen, die es auf dem Markt gibt oder von Zaubertrank träumen. Nur: „Der Redakteur schreibt nicht schneller“, bringt Urs Felber die tägliche Arbeit in den Redaktionsstuben, den Marketing Abteilungen oder Agenturen, die heute Magazine, Blogs oder Social Media Kanäle füllen, auf den Punkt. Wie kann man heute die Autoren besser unterstützen, in einer Zeit, in der ein Autor eben nicht nur für einen Titel schreibt, sondern häufig mehrere Kanäle mit unterschiedlichsten Anforderungen füllen muss? Felber hat darauf eine eindeutige Antwort: Verlag, Zeitung oder Magazin brauchen ein effektives Redaktionssystem und Inhalte, die möglichst medienneutral zur Verfügung stehen. Dies fange schon beim Sammeln der Inhalte an. Es sei die Frage, ob heute mehrere Redakteure oder Fotografen auf einen Event geschickt werden oder nur einer, der dann für alle Medien und Kanäle möglichst neutral die Inhalte sammele und in ein Digital Asset Management einspiele. Inhalte also zunächst in einer Art Dossier aus Bild, Text, Audio, Video und Grafik an einer Stelle gesammelt werden und dann der Redaktion oder den Autoren zur Verfügung stehen. In der klassischen Print-Produktion kennt man seit langem Planungstools und ein effektives Redaktionssystem, in dem die Seiten und die Anzeigen geplant werden und Vorlagen mit fertigen Seitenzahlen und Seitenköpfen zur Verfügung stehen. Dazu kommen Werkzeuge, mit denen etwa die Chefredaktion Ressourcen und die mittel- und langfristige Themenplanung steuern kann, und die sich dann in die kurzfristigen Workflows einbetten lassen. pier, und mobile Endgeräte zu publizieren. „Inception“ verfolge den artikelbasierten Ansatz. Der Autor benötige keine HTMLKenntnisse und kann dennoch responsive und interaktive HTML-5 Seiten erstellen. Dies geschehe durch benutzerfreundliche Werkzeuge und anpassbare Vorlagen. Will der Verlag oder das Unternehmen Vorlagen im eigenen Design oder seinem individuellen Web-CMS, wie Typo 3, erstellen, nutzt er Systemintegratoren, wie Schaffrath DigitalMedien. Denn „Inception“ basiert auf Templates, die individuell anpassbar seien. Der Autor gewinne damit Zeit, sich um seine Texte, Titel, Vorspänne, Zitate, responsiven Bilder, Slideshows oder Videos zu kümmern. Diese werden mit „Inception“ editiert und ausgegeben. Auch Features, wie das Beschneiden von Bildern, seien integriert. Die Inhalte, die mit „Inception“ publiziert werden, halten sich an die Richtlinien des „mobil-freundlichen Google Algorithmus“. Felber beschreibt einen weiteren Vorteil von „Inception“: Die Artikel können ständig aktualisiert werden, auch Liveticker oder Live-Berichte, wie man sie von großen Sportereignissen kennt, seien kein Problem mehr. „Inception“ ist Teil der „WoodWing Content Cloud“ und dort werden die Daten verwaltet. Felber ist sich zudem sicher, dass die Konvergenz der Aufgaben für die Mitarbeiter, die bisher in unterschiedlichen Kanälen unterwegs waren, in den Medien- „Der Kulturwandel in der Kommunikation und den Medien ist nicht aufzuhalten. Aber er ist eben auch kein Hexenwerk.“ Urs Felber, A&F Computersysteme AG, berät seit über 30 Jahren unter anderem zum Thema Redaktionssysteme. häusern und Marketingabteilungen der Unternehmen weiter zunehmen werde. Dabei sei es wichtig, gerade für Häuser, die noch viele altgediente Printredakteure an Bord haben, diesen Lösungen zur Verfügung zu stellen, die möglichst einfach zu bedienen seien. So werde die Hürde für Mitarbeiter niedrig gelegt, sich dem Kulturwandel in der Kommunikation und den Medien zu öffnen. Der, da ist sich Felber ganz sicher, nicht mehr aufzuhalten sein werde, aber eben auch kein Hexenwerk sei. Nicht nur Digital Natives nutzten „Inception“ intuitiv, erklärt Felber. Einfaches Publizieren Der Markt werde in den kommenden Jahren weitere Lösungen wie „Inception“ bieten, die ein einfaches Publizieren über alle Kanäle ermöglichen. Dabei sei es wichtig zu erkennen, welche Rollen etwa Systemintegratoren haben, die helfen, die richtigen Asset Management Systeme zu finden, diese mit den Storytelling-Tools verbinden und den Contentproduzenten die richtigen Templates und Ausspielkanäle zur Verfügung stellen. Den meisten Erfolg haben bislang die Häuser erzielt, so Felber, die sich konsequent und beherzt der Moderne geöffnet haben. Neben der technischen Integration, müssten aber auch die Mitarbeiter mitgenommen werden. Die besten Erfahrungen habe man bislang damit gemacht, wenn es ein Nukleus-Team im Verlag, Unternehmen oder Agentur gebe, das bei der Implementierung neuer Werkzeuge deren Akzeptanz entscheidend mit förderte. Der ganz harte Cut, also die Umstellung von einem auf den anderen Tag, habe zu erheblich stärkeren Verwerfungen und längeren Phasen der Akzeptanz geführt. Felber: „Es ist besser den Kulturwandel Schritt für Schritt zu vollziehen“. Bezieht man jetzt noch auf der Verlagsseite neue Vermarktungsmodelle wie „Blendle“ mit ein – also noch mehr Kanäle – die bedient werden wollen, so wird deutlich, dass hier Handlungsbedarf in der nahen Zukunft besteht. 0 Alexander Hornen 02831.925-534 [email protected] Know!s // 29 Content ist nicht immer gleich Journalismus KNOW!S: Content Marketing ist in aller Munde, und immer mehr Unternehmen springen auf den Zug auf. Eigentlich müssten dies rosige Zeiten für den Journalismus und Journalisten sein? Frank Überall: Ich glaube, dem liegt ein großes Missverständnis zugrunde, denn Content ist nicht immer gleich Journalismus. Man muss da sehr differenzieren. Content kann eben auch extrem interessengeleitet sein. Content kann rein unterhaltend sein und mit Journalismus gar nichts zu tun haben. Die Grenzen drohen für den Konsumenten an der ein oder anderen Stelle zu verwischen – bis hin zu der Frage, wie Journalisten eigentlich noch bezahlt werden sollen, denn diejenigen, die ihr solides Handwerk seriös ausüben, sind halt nicht zum Nulltarif zu haben. Früher starteten Karrieren in der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen oft in Redaktionsstuben von Verlagen oder Sendern. Kann man einen Trend ausmachen, dass dies heute nicht mehr so ist, also der Sprung direkt von der Hochschule ins Content Marketing eines Unternehmens gelingt? 30 // Know!s KNOW!S sprach mit dem Journalisten, DJVVorsitzenden und Professor für Journalismus, Frank Überall über Content Marketing, Journalismus in Zeiten der Digitalisierung und Chancen für Verlage durch neue Erlösmodelle wie Blendle. Aber auch über den Begriff „Lügenpresse“. Überall sagt: „Die Zeit, wo wir als Prophet auf den Berg gestiegen sind und relativ ungestört unsere Wahrheiten verkündet haben, die ist vorbei.“ Ich stelle in der Tat fest, dass an den Hochschulen immer mehr Absolventen auch ganz bewusst sagen: Ich verdiene mehr in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ich möchte gezielt in diesen Bereich. Oder eben besondere Vorlieben haben und sagen: Ich interessiere mich extrem für Sport und möchte eher in die publizistische Sportvermarktung. Wichtig ist, dass es eine journalistische Grundausbildung für alle gibt, also Journalisten, die mit Nachrichten etwas anfangen können, aber auch in der Praxis gelernt haben, wirklich solide zu recherchieren. Als Journalist bin ich froh, wenn ich Profis als Gegenüber habe, die eben dieses Handwerk beherrschen. Bei meinen ersten Absolventen, die ich jetzt betreut habe, stelle ich fest, dass direkte Einstiege tatsächlich möglich sind und funktionieren. Das, was bisher in langjähriger Erfahrung am Journalisten-Schreibtisch gesammelt wurde, wird zum Teil ersetzt durch eine breiter angelegte Ausbildung, wo man sich eben auch auf PR spezialisieren kann. Was bedeutet das für den, der Medien konsumiert, kann der noch unterscheiden Innovation zwischen journalistischem Medium und Unternehmensverlautbarung? Ich habe gar nicht so ein Problem mit Corporate Publishing, wenn der Absender der Information eindeutig benannt ist. Wenn ich die „ADAC-Motorwelt“ aufschlage oder eine andere Publikation, weiß ich doch, was mich erwartet. Auch da wird zum Teil guter Journalismus gemacht, aber es ist ja auch klar, dass das VW-Magazin nicht ausführlich darüber berichtet, was sie dort mit ihren Abgaswerten konkret getan haben. Ich glaube, so viel Medienkompetenz können wir den Menschen schon noch zumuten. Viel schwieriger ist das, was im Internet und unter dem Stichwort „Native Advertising“ passiert. Im Internet kann ich den Absender einer Nachricht zum Teil gar nicht mehr klar unterscheiden. Und da müssen wir über Konzepte nachdenken, wie das geht. Im Netz kursieren eben viele zum Teil dubiose Quellen. Und wenn mir zum Teil sogar Politiker sagen, wenn sie Argumente vorbringen „Ja, das stand doch im Internet“, dann ist das sehr unspezifisch. Durch die Aufbereitung im Internet kann man sehr schnell etwa einen Blog entwerfen, der sehr schnell sehr professionell daherkommt. Da, wo bisher immer dieser Rattenschwanz dran hing: Ich brauche dafür Profis und ich muss dafür Geld in die Hand nehmen, um eine Publikation so aufzubereiten, dass sie ernst genommen wird. Das gilt für Journalismus und für Corporate Publishing. Das wird jetzt relativiert. Da gibt es nicht nur juristische, sondern auch publizistische Bedenken. Dort wo ich nicht mehr unter einer klaren Marke segele, mache ich nicht mehr transparent, wer denn eigentlich der Absender der Information ist. Wenn der Rezipient dort gefilterte Informationen bekommt, die er nicht mehr klar einordnen kann, dann wird es schwierig. die Unterscheidbarkeit dann eben schwierig macht. Damit tun sich die Unternehmen letzten Endes keinen Gefallen. Also ein Plädoyer für klares Branding? Die Verantwortung liegt hier bei den Journalisten. Man kann auf solches Material natürlich zurückgreifen, muss aber das immer transparent machen und wie es der Pressekodex vorsieht, kennzeichnen. Die „Tagesschau“ hat eine eigene Abteilung, die unter anderem prüft, was aus sozialen Netzwerken oder dem Ausland an Videos kommt und die Quelle angibt. Das Gleiche gilt auch für Footage-Material. Also einen Beitrag eins zu eins zu senden, der jetzt im Videobereich aus einem Unternehmen kommt, das kann man nicht wirklich wollen. Denn wenn das auffällt, wird das sehr schnell eine BranchenDiskussion entfachen. Natürlich. Eigentlich müsste dem Unternehmen ja damit gedient sein in dem Moment, wo es auf seine eigene Reputation einzahlen will. Wenn sie letztendlich mit Content Marketing nur Werbung machen wollen, dann müsste es konsequent entsprechend als Werbemagazin gekennzeichnet sein. Ich plädiere ohnehin dafür – das ist ja eine Diskussion, die in der Medien-Öffentlichkeit mal mehr, mal weniger intensiv geführt wird – dass man abseits vom Pressekodex alleine, der ja mittlerweile auch im Internet zumindest für die Pressemarken gilt, beispielsweise im Sinne einer Selbstverpflichtung, ein Siegel verteilen kann – ähnlich wie Stiftung Warentest. Ein Siegel mit der Aussage: Hier steckt Journalismus drin. Und ja, Corporate Publishing hat heute aus meiner Sicht eine hohe Relevanz. Aber es muss ganz klar mit offenem Visier stattfinden. Es darf nicht als pseudo-journalistische Publikation verbrämt werden, was Ein weiterer Trend ist, dass Unternehmen Journalisten komplette Stories, direkt fertig zur Veröffentlichung, anbieten. Wie ist das zu werten? Nun ist ja nicht gleich jeder Verlag die „Tagesschau“. Sie würden auch kleinere Verlage hier in die Pflicht nehmen? Ich habe ja ein gewisses Verständnis dafür, dass es Verlagen zum Teil nicht so gut geht. Aber man darf nicht vergessen, dass Journalismus Geld kostet. Wenn ich keinen Jour- Darf ich da mal kurz einhaken. Es gibt aber auch im Corporate Publishing den Trend, Blogs oder auch Print-Titel nicht mehr zu branden, sondern nur noch im Impressum den Absender kenntlich zu machen... Prof. Dr. Frank Überall ist seit 2015 Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). Zudem lehrt er an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln. Überall arbeitet für den WDR, die ARD und schreibt außerdem bundesweit für Zeitungen und Onlinemedien. Know!s // 31 nalismus betreiben kann, funktioniert das Geschäftsmodell nicht. Ich kann nicht nur Verlagsmanager hoch bezahlen, sondern Journalisten sind in der Regel Höchstqualifizierte, die studiert, sehr häufig ein Volontariat, die Weiterbildungen gemacht haben, und die in ihrem Themengebiet wirklich fit sind. Solche Leute kosten Geld. Und das ist etwas, was vielen in der digitalen Welt nicht bewusst ist. Es gibt Trends, dass man Journalisten weniger vertraut, wir kennen ihn alle den Begriff „Lügenpresse“. Wen sehen Sie in der Pflicht, wieder für mehr Vertrauen zu sorgen, alle Verlage oder nur die „Big Player“? Wir müssen alle jeden Tag daran arbeiten, für Transparenz zu sorgen und unseren Ruf zu retten. Dazu gehört beispielsweise auch eine anständige Fehlerkultur. Es galt ja fast als anrüchig, im eigenen Medium einen Fehler einzuräumen. Das wurde allenfalls über Gegendarstellungen angesetzt. Da stelle ich insgesamt einen Trend fest zu korrigieren – sei es bei „Spiegel Online“, sei es bei „ARD“ oder „ZDF“, sei es bei den Tageszeitungen. Die Sehnsucht und auch das Vertrauen in Sachen Einordnung ist beim Publikum ja da. Wenn man sich anguckt, dass die Wochenzeitung „Die Zeit“ Rekordauflagen hat, dass die Blätter für deutsche und internationale Politik zum Beispiel enorme Abo-Steigerungen im Moment haben. Da sieht man, dass es diese Sehnsucht nach qualifizierter Einordnung, die auf Fakten beruht, tatsächlich gibt. Ich sehe unsere Aufgabe als Gewerkschaft darin, auch in meiner Funktion als Hochschullehrer, insgesamt diesen Diskurs zu beflügeln und immer wieder bewusst zu machen: Die Zeit, wo wir als Prophet auf den Berg gestiegen sind und relativ ungestört unsere Wahrheiten verkündet haben, ist vorbei. Wir müssen viel mehr als bisher unseren Beruf erklären, und dazu gehört eben auch – da kommt der Gewerkschafter in mir sehr deutlich raus – dass das nicht zum Nulltarif zu haben ist. Verlage müssen in den Journalismus auch wieder investieren? Natürlich. Das tun sie ja in weiten Teilen auch. Aber da, wo wir eben nur noch als „Content-Schubser“ gesehen werden, unter 32 // Know!s Ich bin fest davon überzeugt, dass es Print dauerhaft geben wird. Aber Print wird nicht das aktuelle Nachrichtenmedium alleine sein, sondern es ist eben gerade diese Einordnung, der Blick hinter die Kulissen, die Erklärung, die dort nach einer ordentlichen Recherche geleistet wird. dem Motto „die Zeitung schreibt sich schon von alleine voll“, das kommt beim Publikum nicht an. Ich habe letztens eine Tageszeitung in die Hand bekommen, da bestand die gesamte Titelseite nur aus Agenturmeldungen. Das ist etwas, was viele Menschen heute schon am Tag zuvor im Internet gelesen haben. Das ist ein Geschäftskonzept, das in den nächsten Jahren tendenziell eher zur Pleite als zum Erfolg eines Verlags führen wird. Blicken wir auf die digitale Entwicklung in den Verlagen, wie können diese hier bestehen? Es kann nur eine Verschränkung der verschiedenen Angebote geben. Ich bin fest davon überzeugt, dass es Print dauerhaft geben wird. Aber Print wird nicht das aktuelle Nachrichtenmedium alleine sein, sondern es ist eben gerade diese Einordnung, der Blick hinter die Kulissen, die Erklärung, die dort nach einer ordentlichen Recherche geleistet wird. Das wird Print in Zukunft leisten. Die anderen Kanäle kann man nicht komplett ausblenden. Und wir sehen ja in der digitalen Welt, dass, abgesehen von dem reinen Printerzeugnis, solche Dinge zunehmend funktionieren. Wenn man sich ein Projekt wie „Blendle“ anschaut: Da werden Artikel tatsächlich gekauft. Und das funktioniert. Und ich bin fest davon überzeugt, für gute journalistische Inhalte sind die Leute bereit zu zahlen. Da können die Verlage mit ihren geschaffenen Medienmarken sehr viel bewegen. Gleichzeitig aber auch die Warnung: Wenn die schweren Tanker sich nicht bewegen, darf man nicht vergessen, dass die Journalisten es sind, die das Handwerk beherrschen und damit auch die schnelleren Beiboote auf den See setzen können. Wenn Verlage meinen, sie könnten mit billigem Content ihre Publikationen füllen, dann werden sie nicht zuletzt daran scheitern, dass Journalisten ihre Geschichten nicht mehr den etablierten Medienunternehmen anbieten, sondern über „instant articles“, „Blendle“, „You Tube“, Podcast- oder andere Kanäle veröffentlichen. Dort können Journalisten Geld verdienen. Verlage müssen aufpassen, dass sie diesen Zug der Zeit nicht verpassen. Kann sich Paid Content durchsetzen? Wir alle müssen uns bewusst machen, welchen Wert Journalismus hat. Projekte wie „Blendle“ beweisen, dass es eine Zahlungsbereitschaft gibt. Es muss nur einfach für den Kunden sein. Ich kaufe keinen Artikel, wenn ich erst stundenlang Formulare aus- Innovation füllen und bestätigen muss, dass man mir regelmäßig kostenlos Werbung zuschickt. Der Journalist von heute ist Podcaster, Blogger, Schreiber und Fotograf in einem. Das Berufsbild ändert sich: Positiv oder Negativ? Die Konvergenz des Journalismus lässt sich nicht mehr leugnen. Ich kenne selbst noch die Zeiten, wo man als Tageszeitungs-Redakteur morgens ins Büro gegangen ist, den ganzen Tag an einer Geschichte recherchiert hat und am Ende des Tages 100 Zeilen geschrieben hat - mehr nicht. Vielleicht ist man noch auf eine Pressekonferenz zum gleichen Thema gegangen, aber ansonsten konnte man sich komplett auf ein Thema und eine Ausspielform konzentrieren. Das ist heute längst nicht mehr so. Journalistische Ausbildung muss genau da ansetzen. Insofern setzen wir – ich bin ja an einer privaten Medienhochschule in Köln und Berlin tätig – genau schon im Bachelor-Studium auf diese Konvergenz und haben einen Masterstudiengang, der sich ganz bewusst konvergenter Journalismus nennt, aufgesetzt. Ich persönlich sehe es als riesengroße Chance. Ich habe mein Leben lang in verschiedenen Mediengattungen gearbeitet: Radio, Fernsehen – auch da wieder die verschiedenen Darstellungsformen von der Kurznachricht bis zum Feature, von „Lokal- zeit“ bis „Monitor“. Das sind ja jeweils ganz andere Herangehensweisen. Manchmal gibt es Stories, wenn ich zum Beispiel in einem sozialen Brennpunkt recherchiere, da möchte ich nicht mit Mikrofon und Kamera durch die Gegend laufen. Da habe ich dann vielmehr Lust, einfach nur einen Zeitungsartikel oder etwas für Online zu produzieren. Man kann sich journalistisch heute mehr ausleben, wenn man die entsprechende Grundausbildung hat und erkennt, was für die Geschichte der richtige Erzählstrang, das richtige Medium ist. Diese KNOW!S ist mit Pflicht und Kür überschrieben. Was sind denn heute für den Journalisten selbst Pflichtprogramm und was ist die Kür? Die Pflicht ist auf jeden Fall, sich im Markt weiter umzuschauen und eben auch über Aus- oder Weiterbildung dran zu bleiben. Wenn wir uns anschauen, wie Journalismus funktioniert, hat das nur noch bedingt etwas damit zu tun, wie Journalismus vor 20 Jahren gearbeitet hat. Die persönliche Kür ist weiter über den Tellerrand hinaus zu blicken und darüber nachzudenken, was gibt es vielleicht noch für neue Erzählformate, was kann ich mir selbst noch einfallen lassen. Aber auch Themen wie „instant articles“ oder „Blend- „Blendle“ kann eine unglaubliche Chance für Fachverlage sein. le“. Als Gewerkschaft wollen wir erreichen, dass bei „Blendle“ nicht nur Verlage Artikel anbieten können, sondern auch professionelle freie Journalisten. Ist „Blendle“ auch etwas für Fachverlage? Selbstverständlich. Ich sehe hier eine unglaubliche Chance. Wir stellen zum Beispiel mit dem Medienmagazin „Journalist“, das vom Deutschen Journalisten-Verband herausgegeben wird fest, dass wir zum Teil wirklich in die Top 10 der „Blendle“-Charts neben „FAZ“, „Cicero“ oder „Süddeutsche“ kommen, wenn wir die richtigen Themen haben. Und das Spannende ist ja, dass zum Teil ältere Artikel plötzlich wieder abgerufen und bezahlt werden, weil sie eine spannende Einordnung anbieten. Etwa wenn das Thema in sozialen Netzwerken hochkocht. Da gibt es ja nicht nur Wut- und Hass-Kommentare und Katzenbilder, sondern zum Teil auch wirklich valide, spannende und intellektuelle Kommunikation. Und dort wird zunehmend auf die Veröffentlichungen hingewiesen, denen man vertraut. Also gerade für Fachverlage mit ihren hochwertigen Artikeln wäre es eine gute Möglichkeit ihr digitales Portfolio zu erweitern und Geld zu verdienen? Genau. Vor allem wenn ich das Thema aus der Konsumentenhaltung denke. Jemand will sich etwas Neues, etwa komplexe Technik anschaffen und im Vorfeld informieren. Es ist nicht so einfach, sich im Internet unabhängig zu informieren. Und da bin ich froh, wenn zum Beispiel ein Fachverlag, der auf so etwas spezialisiert ist, sich genau damit beschäftigt hat und mir die Information bei „Blendle“ zur Verfügung stellt. Dies kann auch aus dem Corporate Publishing heraus erfolgen. Dafür bin ich bereit, ein bis drei Euro auszugeben. Sie sind ja Gewerkschafter. Muss der Verlag dann seine Journalisten an neuen Erlösmodellen wie „Blendle“ beteiligen? Ganz klar die Formel: Was auch immer an Zusatzprodukten generiert wird, daran müssen die Autorinnen und Autoren adäquat beteiligt werden. Herr Überall, wir danken Ihnen für das Gespräch Know!s // 33 Innovation Publizieren ohne Pause Gedruckt, per App oder im Web. Digital Publishing in einer neuen Form, KNOW!S gibt Einblicke. Und die drupa 2016 steht vor der Tür: schaffrath medien zeigt in der nächsten Ausgabe der KNOW!S wie drupa daily produziert wird. Sie wollen keine Ausgabe der KNOW!S mehr versäumen oder das Medienwissensmagazin weiterempfehlen? Dann bestellen Sie die KNOW!S unter knows-magazin.de Dort lesen Sie jede Woche ein aktuelles Medienthema. 34 // Know!s KNOW!S 01-2016 Schutzgebühr 2,10 € Innovation.Strategie.Produktion. kÜR, die