2017 Neuinszenierung SEMELE Drama in drei Akten von Georg Friedrich Händel Floris Visser Regie Christopher Moulds Dirigent Gary McCann Bühne & Kostüme Mit Anna Devin, Ed Lyon, Terry Wey, Dilara Baștar, Katharine Tier u. a. Premiere 17.2.17 Weitere Vorstellungen 19., 23., 25. & 28.2.17 GROSSES HAUS Wiederaufnahme ARMINIO Oper in fünf Akten von Georg Friedrich Händel Max Emanuel Cencic Regie & Titelrolle Helmut Stürmer Bühne & Kostüme George Petrou Dirigent Mit Gaia Petrone, Vince Yi, Juan Sancho u. a. WA-Premiere 24.2.17 Weitere Vorstellungen 26.2. & 1.3.17 GROSSES HAUS Konzerte mit Sandrine Piau, Vivica Genaux, Sine Bundgaard, David Hansen & vieles mehr! Der Vorverkauf läuft ab dem 12.2.16 für ABONNENTEN, Mitglieder der HÄNDELGESELLSCHAFT KARLSRUHE und Mitglieder der GESELLSCHAFT DER FREUNDE. Am 22.2.16 startet der Vorverkauf für alle Besucher. WWW.STAATSTHEATER.KARLSRUHE.DE INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 2016 17.2. – 2.3. FESTSPIELKALENDER SO 7.2. MITGLIEDERVERSAMMLUNG DER HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. 10.00 KLEINES HAUS SONNTAG VOR DER PREMIERE: ARMINIO Dramma per musica in drei Akten von Georg Friedrich Händel Erhalten Sie Einblick in die Arbeit des Regieteams und der Darsteller. 11.00 KLEINES HAUS FR 12.2. ERÖFFNUNG DER 39. INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE 18.00 MITTLERES FOYER SA 13.2. DONNA LEON IM GESPRÄCH 16.00 KLEINES HAUS S. 22 ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS PREMIERE S. 24 SO 14.2. ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST 10.30 EV. STADTKIRCHE am Marktplatz S. 50 6+ 2. KINDERKONZERT – PROFESSOR FLORESTAN UND MAESTRO EUSEBIUS PACKEN AUS: GEORG PHILIPP TELEMANN 11.00 GROSSES HAUS S. 52 6+ 2. KINDERKONZERT – PROFESSOR FLORESTAN UND MAESTRO EUSEBIUS PACKEN AUS: GEORG PHILIPP TELEMANN 15.00 GROSSES HAUS S. 52 MO 15.2. ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS S. 24 DI 16.2. S. 56 KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 20.00 KLEINES HAUS MI 17.2. ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS S. 24 FR 19.2. S. 24 ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS SA 20.2. TESEO 15.00 GROSSES HAUS WIEDERAUFNAHME Voraussetzung: Gehalts-/Bezügekonto; Genossenschaftsanteil von 15,– Euro/Mitglied ERÖFFNUNGSKONZERT FRANCO FAGIOLI – JULIA LEZHNEVA – S. 12 KARINA GAUVIN – DONNA LEON – STEFANO MONTANARI & IL POMO D’ORO 19.00 GROSSES HAUS 1) 0 800/40 60 40 124 www.bbbank.de 0, Euro 1) Girokonto und Depot Die BBBank überzeugt immer mehr Kunden mit ihren Leistungen. Führen Sie Ihr Bankdepot und Ihr Gehalts-/Bezügekonto kostenfrei1) – ohne monatlichen Mindesteingang auf Ihrem Girokonto. Und genießen Sie den Service einer kompetenten Beraterbank. Gerne überzeugen wir auch Sie von unseren Vorteilen. Informieren Sie sich! S. 62 Ohne_Adresse_A6_quer_4c_Girokonto_und_Depot.indd 1 18.12.15 11:28 SO 21.2. PREISTRÄGERKONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES DER HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. 11.00 KLEINES HAUS S. 88 ARMINIO 15.00 GROSSES HAUS VORLETZTE VORSTELLUNG S. 24 MO 22.2. GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI 20.00 GROSSES HAUS S. 90 DI 23.2. S. 24 ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS LETZTE VORSTELLUNG MI 24.2. TESEO 19.00 GROSSES HAUS VORLETZTE VORSTELLUNG S. 62 DO 25.2. DAS ALTE IM NEUEN. GESCHICHTE UND GEGENWART S. 104 IN DER HISTORISCHEN AUFFÜHRUNGSPRAXIS Symposium der 31. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE 15.00 SCHLOSS GOTTESAUE Hörsaal Eintritt frei 3. SONDERKONZERT – FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN S. 106 mit Moderation und anschließendem Künstlertreff im MITTLEREN FOYER 19.00 GROSSES HAUS FR 26.2. DAS ALTE IM NEUEN. GESCHICHTE UND GEGENWART S. 104 IN DER HISTORISCHEN AUFFÜHRUNGSPRAXIS. Symposium der 31. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE 15.00 SCHLOSS GOTTESAUE Hörsaal Eintritt frei KONZERT VALER SABADUS 20.00 CHRISTUSKIRCHE am Mühlburger Tor SA 27.2. TESEO 19.00 GROSSES HAUS LETZTE VORSTELLUNG S. 114 S. 62 SO 28.2. 5. SINFONIEKONZERT 11.00 GROSSES HAUS S. 122 S. 102 ABSCHLUSSKONZERT DER 31. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE 17.00 SCHLOSS GOTTESAUE Velte-Saal MO 29.2. 5. SINFONIEKONZERT 20.00 GROSSES HAUS S. 122 GRUSSWORTE Liebe Besucherinnen und Besucher der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE, rund um den Geburtstag Händels am 23. Februar wird Karlsruhe jedes Jahr zu einem Magneten für Barockmusik-Begeisterte aus aller Welt. Baden-Württemberg beherbergt in Karlsruhe das wichtigste Barockmusikfestival Süddeutschlands, das uns die ungebrochene Modernität Händels und seiner Musiksprache eindrucksvoll vor Augen führt. Höhepunkt der Festspiele sind die Opernaufführungen. Ich freue mich sehr über die Wiederaufnahme von Teseo, nachdem ich im vergangenen Jahr die umjubelte Premiere miterleben konnte. Und wir dürfen gespannt sein auf Arminio, eine Opera seria, in der Händel die Ereignisse um die Hermannschlacht aufgreift. Nicht nur das Publikum der Festspiele ist international. Auch die Stars kommen aus allen Herren Länder, und sie gehören verschiedenen Generationen und Interpretationsschulen an. Alle gemeinsam genießen sie die sprichwörtliche badische Gastfreundschaft. Das Besondere in diesem Jahr ist, dass gleich vier Ensembles – Il pomo d’oro, die DEUTSCHEN HÄNDELSOLISTEN, Armonia Atenea und die BADISCHE STAATSKAPELLE – die Musik Händels zum Klingen bringen. Das gibt uns einen hervorragenden Eindruck von den unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten barocker Musik. Ich danke allen Mitwirkenden der diesjährigen Veranstaltungen, und ich bin sicher, dass wir uns im kommenden Jahr wieder sehen – denn dann feiern wir das 40-jährige Jubiläum der Festspiele! 2 Theresia Bauer MdL Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg Liebe Barockfreunde, Karlsruhe ist ohne Zweifel eine barocke Stadt. Dabei sind das markgräfliche Schloss und der einzigartige Grundriss nur die offensichtlichsten Zeugen. Bei den überregional beachteten Feierlichkeiten, Veranstaltungen und Ausstellungen zum 300-jährigen Stadtgeburtstag hat Karlsruhe sich nicht nur neu erfunden, sondern uns und unseren Gästen wurden auch die weitverzweigten barocken Wurzeln und die besondere Geschichte der Menschen, die sie geprägt haben, vergegenwärtigt. Ein nicht wegzudenkender Bestandteil der besonderen Identität Karlsruhes sind die INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE – ein Highlight des städtischen Kulturlebens, bei dem die größten Stars der Barockmusik und die besten HändelInterpretinnen und -Interpreten zu uns kommen und mit ihrer Kunst unter den Augen einer internationalen Öffentlichkeit das besondere Flair des 18. Jahrhunderts heraufbeschwören. Ich freue mich in diesem Zusammenhang sehr, dass die FESTSPIELE 2016 erstmals parallel zur Art Karlsruhe stattfinden und sich in unserer Stadt barocke Tonkunst und zeitgenössische Kunst begegnen. Die Karlsruher HÄNDEL-FESTSPIELE mögen nach denen in Göttingen und Halle vielleicht die jüngsten Festspiele in Deutschland sein, die sich dem barocken Meister widmen. Doch sie sind die einzigen, bei denen Händels Opern und Instrumentalwerke auf der großen Bühne eines Staatstheaters mit entsprechendem Aufwand und Anspruch präsentiert werden. Das umfang- und abwechslungsreiche Programm hält an allen Festivaltagen Veranstaltungen auf höchstem künstlerischem Niveau, zu einem geringen Preis und für jeden Geschmack bereit. Besonders beispielhaft ist die Verknüpfung von Festspielen und HÄNDEL-AKADEMIE. In Karlsruhe wird das barocke Erbe nicht nur durch Aufführungen gepflegt und in unsere Gegenwart geholt, sondern darüber hinaus auch an den künstlerischen Nachwuchs weitergegeben. Sie, verehrtes Publikum, haben die einzigartige Gelegenheit, die jungen und vielversprechenden Künstler, die von namhaften Dozenten in historischer Aufführungspraxis unterrichtet wurden, beim Preisträgerkonzert der HÄNDELGESELLSCHAFT und beim Abschlusskonzert der HÄNDEL-AKADEMIE kennenzulernen. Und vielleicht entdecken wir dabei den einen oder anderen Star von morgen! Dr. Frank Mentrup Oberbürgermeister 3 Liebe Händel-Freunde, das Werk von Georg Friedrich Händel ist mit über 600 Kompositionen so umfangreich, dass auch nach fast vier Jahrzehnten intensiver Händel-Pflege mit Arminio eine weitere Oper ihre Karlsruher Premiere feiern kann. Der in Karlsruhes Partnerstadt Halle a. d. Saale geborene Barockkomponist hat dabei einen Stoff der deutschen Geschichte vertont. Reizvoll ist die Gegenüberstellung dieser Oper zum 24 Jahre zuvor entstandenen Teseo. Bei 27 Veranstaltungen der nunmehr 39. INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE ist für jeden etwas dabei: neun Opernaufführungen, Instrumentalmusik, zwei Begegnungen mit der Krimiautorin Donna Leon – ein bekennender HändelFan – sowie vieles mehr. Bei den Sängern gibt es vertraute aber auch neue Namen zu erleben und wieder sind die Festspiele ein „Fest der Countertenöre“. Das Originalklang-Ensemble der DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN und die Kurse der INTERNATIONALEN HÄNDELAKADEMIE sind seit über drei Jahrzehnten feste Elemente und prägen zusammen mit Gästen das besondere Festival, das im Jahre 1978 durch den damaligen Generalintendanten Günter Könemann begründet wurde. 4 Die HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. unterstützt diese vielfältigen Aktivitäten sehr gerne. Satzungsgemäß liegt ihr der musikalische Nachwuchs besonders am Herzen. So freut es mich, dass junge Besucher beim Kinderkonzert „Barockluft“ schnuppern können, dass sich die Preisträger des Händel-Jugendwettbewerbs ebenso wieder im Rahmen der Festspiele präsentieren können wie auch die Teilnehmer der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE. Gerne weise ich auf den vierten Ökumenische Festgottesdienst hin – eine Initiative der HÄNDEL-GESELLSCHAFT. Ich wünsche den Besuchern aus dem Inund Ausland unvergessliche Festspielerlebnisse und den Mitwirkenden auf und hinter den Bühnen viel Glück und Erfolg. Ihr Prof. Dr. Peter Overbeck Vorsitzender der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. Liebe Händel-Begeisterte, sehr verehrte Freunde der HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE, die 1985 gegründeten INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE sind fester Bestandteil des internationalen Festival-Kalenders. Das beweisen uns Kartenanfragen aus dem In- und Ausland, die uns schon ein Jahr im Voraus erreichen, sowie das überwältigende Interesse der Karlsruher, der Region und ganz Baden-Württembergs. Gegenüber den älteren Schwestern in Göttingen und Halle profitieren sie von der Nähe zu Frankreich mit seiner bunten Szene barocker Aufführungspraxis in Musik und Spiel sowie von den hier ansässigen wissenschaftlichen Institutionen. 1986 rief das Theater gemeinsam mit der Hochschule für Musik Karlsruhe die HÄNDEL-AKADEMIE ins Leben, um junge Begabungen mit den tonangebenden Künstlern der internationalen Szene zusammenzubringen und selbst von dem Enthusiasmus und der Kreativität der Jugendlichen zu profitieren. So wurde Karlsruhe zum Sprungbrett großer Karrieren. Die Symposien bringen die führenden Händel-Forscher zu uns. Von hier aus strahlen Impulse in alle Welt. Unser Kerngeschäft aber sind die szenischen Aufführungen, die sich auch den mehr oder weniger verschollenen Werken Händels widmen, sowie die hochkarätigen Konzerte, die auch sein musikalisches Umfeld beleuchten. Im Mittelpunkt der Festspiele 2016 stehen drei Countertenöre. Der Weltstar Franco Fagioli hat hier 2008, zu Beginn seiner Karriere, als Giulio Cesare debütiert und ist seither ständiger Gast und Publikumsliebling. Valer BarnaSabadus tat in Partenope 2011 bei uns einen seiner ersten Schritte auf die Bühne. Max Emanuel Cencic begeisterte hier schon in Galakonzerten. Wir sind stolz, ihn jetzt in der Doppelrolle als Regisseur und Titelheld des selten gespielten Arminio zu begrüßen. Begleitet wird die Neuinszenierung von der Wiederaufnahme der vorjährigen Produktion, die es diesmal ermöglicht, den jungen Händel mit dem alten zu vergleichen, sowie von einem Reigen glanzvoller Konzerte. Auch die BADISCHE STAATSKAPELLE reiht sich mit ihrem 5. Sinfoniekonzert in diesen Reigen ein. Ein ambitioniertes Festival wie dieses wäre nicht möglich ohne Unterstützer. Der Stadt Karlsruhe, dem Land Baden-Württemberg, der Hochschule für Musik Karlsruhe, der BBBank und dem Händel-Kuratorium sowie unseren treuen Freunden von der HÄNDELGESELLSCHAFT gilt darum an dieser Stelle mein herzlichster Dank. Willkommen im STAATSTHEATER! Ihr Peter Spuhler Generalintendant 5 EINFÜHRUNG IRREALITÄT MICHAEL FICHTENHOLZ ÜBER DAS PROGRAMM DER INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE 2016 Es ist noch nicht lange her, dass wir die ersten Händel-Opernaufnahmen auf großen Schallplatten kauften und man die Barockoper allgemein für eine der erhabensten, aber auch künstlichsten und idealisiertesten Gattungen der Theatergeschichte hielt. Tatsächlich kann man fragen, was unsere Realität mit diesen schönen, aber von unserem Alltag scheinbar so weit entfernten Opern zu tun hat, warum sie uns heutzutage so stark berühren und den ein oder anderen sogar zu einem Händel-Süchtigen machen. Was bedeuten uns heute diese märchenund sagenhaften Stoffe von Königen und Königinnen, die schon seit Ewigkeiten nicht mehr existieren, von Staaten und Königreichen, Fürsten, Helden, Prinzessinnen und Zauberinnen? Wir glauben, seit wir erwachsen sind, ja auch nicht mehr an den Weihnachtsmann, Feen und Zwerge – warum glauben wir also an diese süßen Barockmärchen? 6 Um die richtige Antwort zu finden, müssen wir vielleicht alles, was wir über den Komponisten und seine Zeit wissen, einmal vergessen. Die ganze historische Verpackung mit schönem Kerzenlicht, von Hand bemalten Bühnenbildern und extravaganten Kostümen sowie fliegenden Drachen und auf Wolken erbauten Schlössern lassen wir einmal in der Vergangenheit. Schauen wir aus unserer Gegenwart in Händels Theaterwerke und dringen zu ihrem eigentlichen Kern vor. Sie sprechen auch nach Jahrhunderten und sogar ohne ihren historischen Rahmen zu uns – aber nicht von großen Taten und märchenhaften Abenteuern – sondern Sie sprechen vom allgemein Menschlichen und damit unmittelbar und direkt von uns. Soviel wir auch über Händel wissen, er scheint noch viel mehr über uns zu wissen – von unseren Gefühlen und Ängsten, von unseren Freuden und Nöten, von der ganzen Spanne der menschlichen Emotionen, die uns Göttergeschöpfen gegeben wurde. Er kennt auch die Wechselhaftigkeit und Unberechenbarkeit der menschlichen Natur in allen denkbaren Lebensumständen, die uns ereilen können. Die Inszenierung von Max Emanuel Cencic versetzt die Handlung in die für uns besser verständliche Realität der Napoleonischen Kriege und bringt uns so die allgemein menschlichen Aussagen Händels näher. Die Realität kann sich in einem einzigen Augenblick vollständig ändern und was eben noch wahr und verlässlich war, ist im nächsten Moment ungewiss. Arminio und Tusnelda, einst die mächtigsten Menschen im germanischen Reich, werden plötzlich zu Flüchtlingen und müssen um ihr Leben fürchten. Die Realität ändert sich für Arminio mit bedrohlicher und erschreckender Geschwindigkeit – Flucht aus dem Schloss, Gefangenschaft, Verhör, Verhöhnung seines Schwiegervaters, lange ermüdende Stunden im Kerker in Erwartung seines Schicksals. Noch schlimmer ist die Situation für Tusnelda, deren größter Feind ihr eigener Vater ist, der sie als strategisches Instrument im politischen Ränkespiel missbraucht. Wie geht man mit solchen Herausforderungen im Leben um? Händel zeigt uns in Arminio, wie unterschiedlich die Menschen in vergleichbaren Notsituationen reagieren, wie unsere Instinkte bewusst oder unbewusst den einen zum Helden und den anderen zum Verräter machen. Einige beugen sich den neuen Realitäten, wie der immer zögernde Prinz Sigismondo, andere kämpfen gegen sie an, auch wenn das bedeutet, dass sie ihr eigenes Leben opfern müssen. Ob unsere Wünsche und Träume irreal bleiben oder eventuell doch Realität werden können, hängt nicht nur von den äußeren Lebensumständen ab, sondern auch von uns selbst. Edle Liebe, die nicht erwidert wird und unerfüllt bleibt, kann in Gewalt und Grausamkeit umschlagen – so wie bei Medea in Händels frühem Meisterwerk Teseo. Im 3. Akt der Oper ist plötzlich alles anders, und Medeas Zauberkräfte und ihr obsessives Begehren nach dem jungen Helden machen aus einem romantischen Liebesspiel einen Thriller, in dem es für Agilea und Teseo um Leben und Tod geht. Jede Magie aber ist hilflos, wenn Liebe ins Spiel kommt. Sie kann nicht erzwungen werden, und die tragische Machtlosigkeit ihrer unerfüllten Liebe weiht Medea ihrem Untergang. In Händels-Opern wird die Harmonie der Liebenden immer wieder von Außenseitern gestört, die nicht in den Kreis der Liebenden passen – öfter noch von Außenseiterinnen. Armida, vergeblich in Rinaldo verliebt, nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, um den Helden zu locken, sie nimmt sogar die Gestalt seiner Geliebten, der zärtlichen Almirena, an. Trotzdem 7 erfährt sie die schmerzhafte Qual der Ablehnung. Bei den Helden Ariodante und Dejanira konfrontiert uns Händel mit einem Thema, das wir eher mit dem Spätromantik und nicht mit dem Barock verbinden, dem Thema der Selbstzerstörung, in die sie durch nicht realisierbare Liebe getrieben werden. Getäuscht von seinem Neider, zieht Ariodante falsche Schlüsse und beklagt die Untreue seiner Verlobten. Diese Klage – „Scherza infida“ – wird zu einer der schönsten Arien in der Musikgeschichte. Umso fulminanter wirkt danach „Dopo notte“, eine Hymne an die Sonne, die nach der finsteren Nacht besonders hell strahlt. Nicht so bei Dejanira. Es wird für sie keine Sonne scheinen, ein fataler Irrtum entreißt sie der Realität und lässt sie wahnsinnig werden: Sie wähnt sich von Höllenfurien verfolgt, die sie für ihre Eifersucht bestrafen. Es wird hörbar, wie für diese liebende und demütige Frau zerstörerische Eifersucht und Wut zu neuen Gefühlen werden. Um in die Tiefen der Musik Händels vorzudringen, um die allgemein menschlichen Motive und Themen, die diese Musik durch viele Jahrzehnte und Jahrhunderte transportiert hat, zu verstehen, braucht man nicht unbedingt die historische Entourage, die diese Musik zwar schön verpackt, aber letztlich nur Beiwerk ist. Was uns diese Musik ganz nahe bringt, sie aktuell und lebendig macht, sind die Künstler, durch die Händel zu uns spricht. Hier müssen wir 8 den Vergleich mit der Vergangenheit nicht scheuen, denn anstelle von Annibali, Gizziello, Strada, Nicolini, Pilotti-Schiavonetti und anderen legendären Künstlerpersönlichkeiten des 18. Jahrhunderts treten in Karlsruhe die bedeutendsten Künstler unserer Zeit auf und künden vom neuen goldenen Zeitalter für Händels Musik. Deren Namen finden Sie im vorliegenden Programmbuch. Kommen Sie mit uns auf die Reise durch Händels Theaterwelten und entdecken sie die unsterbliche Schönheit seiner Musik. Ihr Michael Fichtenholz Künstlerischer Leiter WIR DANKEN den Kuratoriumsmitgliedern der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. für ihre großzügigen Spenden Dr. Bernhard Schareck Vorsitzender Dr. Melitta Büchner-Schöpf Dr. Friedrich Georg Hoepfner RA Arndt Brillinger Michael Huber Sparkasse Karlsruhe-Ettlingen Michael Lang Autohaus Lang Prof. Dr. Jürgen Morlok Prof. Dr. Wolfgang Müller BBBank Heinz Ohnmacht BGV Badische Versicherungen Joachim Peters Dr. med. Sabine Raulin Dipl.-Ing. Herman Rotermund der BBBank für ihre Sonderspende der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. für vielfältige Unterstützung der Privatbrauerei Hoepfner und der L-Bank für die Unterstützung der Premierenfeier 9 10 xx (xx) SCHLOSS RASTATT, EHRENHOF xx (xx) 11 ERÖFFNUNGSKONZERT FRANCO FAGIOLI Countertenor (Rinaldo) JULIA LEZHNEVA Sopran (Almirena) KARINA GAUVIN Sopran (Armida) DONNA LEON Moderation Die INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE widmen das Konzert dem bedeutenden amerikanischen Dirigent Alan Curtis (1934–2015), einem der größten Förderer der Händel-Renaissance im 20. Jahrhundert. STEFANO MONTANARI Dirigent IL POMO D’ORO 1. Violine Zefira Valova (Konzertmeisterin), Jonas Zschenderlein, Fani Vovoni, Paolo Cantamessa 2. Violine Gianpiero Zanocco, Esther Crazzolara, Anna Fusek, Laura Corolla Viola Giulio d’Alessio, Yoko Tanaka Violoncello Federico Toffano, Lodovico Minasi Violone Riccardo Coelati Cembalo Davide Pozzi Flöte Anna Fusek, Magdalena Karolak, Anna Flumiani Oboe Magdalena Karolak, Thomas Meraner Fagott Anna Flumiani Trompete Jean Francois Madeuf, Gilles Rapin, Jean Charles Denis, Graham Nicholson Pauken Koen Plaetinck FR 12.2. 19.00 GROSSES HAUS 2 Stunden 30 Minuten, eine Pause 12 ERÖFFNUNGSKONZERT PROGRAMM G. F. Händel Auszüge aus der Oper „Rinaldo“ HWV7 (1710) Sinfonia „Combatti da forte“ – Aria (Almirena) „Ogn’indugio” – Aria (Rinaldo) „Furie terribili” – Aria (Armida) „Molto voglio, molto spero” – Aria (Armida) „Augeletti, che cantate” – Aria (Almirena) „Adorato mio sposo” – Recitativo (Almirena, Rinaldo) „Scherzano sul tuo volto“ – Duetto (Rinaldo, Almirena) Prelude „Cara sposa“ – Aria (Rinaldo) „Di speranza un bel raggio“ – Recitativo (Rinaldo) „Venti turbini“ – Aria (Rinaldo) – Pause – „Lascia ch‘io pianga“ – Aria (Almirena) „Fermati! No, crudel“ – Duetto (Armida, Rinaldo) „Perfida, un cor illustre…” – Recitativo (Rinaldo, Armida) „Abruccio, avvampo e fremo“ – Aria (Rinaldo) „Dunque i lacci d’un volto... Ah! crudel, Il pianto mio“ – Recitativo accompagnato e Aria (Armida) „Vo’ far guerra, e vincer voglio“ – Aria (Armida) Marcia „Bel piacere“ – Aria (Almirena) Battaglia „Or la tromba“ – Aria (Rinaldo) ERÖFFNUNGSKONZERT 13 ZUM STÜCK KUNSTWERK ODER MACHWERK? Rinaldo ist nicht nur Händels erste Londoner Oper, sondern die erste speziell für London komponierte italienische Oper überhaupt. Der Plan des damaligen Operndirektors Aaron Hill, die italienische „opera seria“ im Londoner Kunstleben zu etablieren, ging vollends auf. Rinaldo war eine Sensation und erlebte ab der Premiere am 24. Februar 1711 mehr Vorstellungen als jede andere Oper Händels zu seinen Lebzeiten. Da Händel mit seinem Erstlingswerk beim Londoner Publikum sicher einen guten Eindruck hinterlassen wollte, sollte man annehmen, dass er bei der Konzeption und Komposition des Rinaldo mit besonderer Sorgfalt vorgegangen ist. Im Rinaldo gehen etwa zwei Drittel der musikalischen Nummern auf frühere Werke zurück, er ist also sozusagen ein „Best of“ aus Händels italienischem Vokalschaffen. Jedoch ist es Händel meisterhaft gelungen, die einzelnen Stücke so in den Gesamtkomplex der Oper einzubinden, dass sich alles zu einem homogenen Ganzen zusammenfügt. So sind beispielsweise sowohl das Liebesduett von Rinaldo und Almirena (im 1. Akt) als auch die Streitszene zwischen Rinaldo und Armida (im 2. Akt) fast wortwörtliche Übernahmen aus anderen Werken. 14 ERÖFFNUNGSKONZERT Und selbst die berühmteste Arie aus dem Rinaldo, der herzzerreißende Bittgesang Almirenas Lascia ch‘io pianga, ist in ihrer ursprünglichen Form mit einem anderen Text das kontemplativ-besinnliche Besingen einer Rose. Diese Entlehnungspraxis, wie sie bei Händel zu finden ist, war im 18. Jahrhundert ein gängiges Kompositionsmittel. Einen Werkbegriff, wie wir ihn heute kennen, mit einer unveränderlichen und quasi für die Ewigkeit bestimmten Werkgestalt, war den Komponisten der Barockzeit fremd. Schon eine Spielzeit später konnte das Werk beinahe beliebigen, meist pragmatisch bedingten Änderungen unterworfen werden. Händel selbst etwa bearbeitete Rinaldo für eine Wiederaufführung 1731 in einem Maße, dass das Werk teilweise nicht mehr wiederzuerkennen war. Doch auch wenn das Wissen über die Vorgehensweise Händels unserem heutigen Empfinden nicht unbedingt behagen mag, letztendlich zeigt er sich doch als genialer, nach ästhetischen Gesichtspunkten handelnder Neuschöpfer, dessen einfallsreiches Ergebnis wir heute immer noch als vollwertiges Kunstwerk genießen können. Artie Heinrich ZUM INHALT RINALDO Die Geschichte spielt vor beinahe 1000 Jahren zur Zeit des Ersten Kreuzzugs. Mit seinen Mannen belagert der christliche Heerführer Goffredo die Stadt Jerusalem. Der junge Ritter Rinaldo liebt Goffredos Tochter Almirena. Goffredo verspricht sie ihm zur Frau. Argante, der Herrscher der belagerten Stadt, erbittet eine kurze Waffenruhe. In seiner Not sucht er Rat bei seiner Verbündeten und Geliebten, der Zauberin Armida. Von ihr erfährt er: Nur dann können die Kreuzritter besiegt werden, wenn es gelingt, ihren besten Mann außer Gefecht zu setzen – Rinaldo. Als Rinaldo sich mit seiner Liebsten trifft, gebraucht Armida ihre Zauberkraft, um Almirena zu entführen. Rinaldo ist verzweifelt, Kriegsruhm und Ehre kümmern ihn nicht mehr. Nur eines will er: seine Almirena wiederfinden und befreien! Die todtraurige Almirena ist in Armidas Zauberschloss gefangen. Von ihr bezaubert und gerührt, gesteht Argante ihr seine Liebe und ringt mit sich: Soll er Armida verraten und Almirena befreien? Armida lässt indessen den verschleppten Rinaldo vorführen – und verliebt sich auf den ersten Blick in den schönen jungen Ritter. Rinaldo fordert wutentbrannt seine Braut zurück und will von Armidas Liebe nichts wissen. Da greift Armida wieder zur Magie und verwandelt sich – in Almirena! Aber Rinaldo traut dem faulen Zauber nicht. Armida ist ganz von Sinnen vor Liebe und Zorn. Noch einmal versucht sie den Verwandlungstrick: Doch statt Rinaldo läuft der verliebte Argante der falschen Almirena in die Arme. Armida tobt über seinen Verrat und schwört Rache. – Pause – Am Fuße des Berges, wo sich Armidas Schloss erhebt, haben Goffredo und Eustazio inzwischen den Magier gefunden und erfahren, dass Rinaldo und Almirena dort oben gefangen gehalten werden. Erst mit den Zauberruten, die ihnen der Magier gibt, gelingt es ihnen, den höllischen Zauberbann zu brechen und die beiden zu befreien. Armida selbst entkommt. Sie und Argante müssen sich versöhnen, denn nun steht die alles entscheidende Schlacht bevor. Schon marschieren die Heere auf mit Pauken und Trompeten. General Goffredo führt den Angriff gegen Jerusalem und Rinaldo erstürmt die Stadt. Armida und Argante werden gefangen genommen, aber verschont, als sie zum Christentum übertreten. Zum Lohn für seinen Heldenmut darf Rinaldo seine Almirena endlich als Braut in die Arme schließen. ERÖFFNUNGSKONZERT 15 FRANCO FAGIOLI Countertenor Franco Fagioli ist der virtuoseste Countertenor der heutigen Zeit. Die Schönheit seiner Stimme, die drei Oktaven umfasst, wird genauso wertgeschätzt wie seine meisterhafte Technik, mit der er neue Bühnenstandards setzt. Als erster Countertenor unterzeichnete er im vergangenen Jahr einen Exklusiv-Vertrag beim Label Deutsche Grammophon. Der Startschuss seiner internationalen Karriere fiel 2003, als er den Bertelsmann-Gesangswettbewerb „Neue Stimmen“ gewann. Bereits zwei Jahre später debütierte er als Giulio Cesare am Opernhaus Zürich an der Seite von Cecilia Bartoli. Seit 2006 ist er einer der Stars der HÄNDEL-FESTSPIELE Karlsruhe, wo er in Partien wie Giulio Cesare, Ariodante und Riccardo Primo glänzte. Zu weiteren wichtigen Opernhäusern, an denen er in den vergangenen Jahren Erfolge feierte, gehört das Royal Opera House Covent Garden in London, das Théâtre des Champs Elysées, die Opera Royal de 16 ERÖFFNUNGSKONZERT Versailles sowie die Opernhäuser in Köln, Helsinki und Dresden. Sein Arbace in Vincis Artaserse (2012) und das Soloalbum Caffarelli (2013) zeugen auch auf CD von Franco Fagiolis fantastischem Niveau. Zu seinen jüngsten Aufnahmen, auf denen er hochvirtuose Partien übernahm, zählen Hasse Siroe, Vincis Catone in Utica und Pergolis Adriano in Siroe (Decca) sowie Glucks Orfeo (Archiv). Seine erste Solo-CD bei der Deutschen Grammophon ist für Herbst 2016 geplant, nach deren Veröffentlichung eine Europatournee folgt. In den kommenden Monaten verkörpert er u. a. Cecilio in Mozarts Lucio Silla, mit der er auf Europatournee geht, Piacere in Händels Il trionfo del Tempo e del Disinganno als Debüt beim Festival in Aix-en-Provence sowie die Titelpartie in Cavallis Oper Eliogabalo, die seinen Einstand an der Opéra National de Paris sein wird. In Zingarellis Giulietta e Romeo ist er 2016 wieder bei den Pfingstfestspielen Salzburg in der Partie des Romeo zu erleben. JULIA LEZHNEVA Sopran Die Sopranistin zählt zu den international gefragten Opern- und Konzertsängerinnen und erhielt als beste Nachwuchskünstlerin (Gesang) 2013 den angesehenen Echo Klassik. Seitdem gastiert die junge Russin in allen renommierten Konzerthäusern und Theatern und begeistert das Publikum genauso wie die Presse. 2008 erhielt sie vom Akademischen Musikkollegium des Staatlichen Moskauer Konservatoriums ein Diplom mit Auszeichnung. Anschließend besuchte sie die International Academy of Voice in Cardiff, wo sie dank der großzügigen Unterstützung der Kempinski-Stiftung beim großen Waliser Tenor Dennis O’Neill studierte. Die junge Künstlerin ist bereits mit einigen der führenden Experten der klassischen und barocken Musik aufgetreten. In Vivaldis L’Oracolo hat sie mit Fabio Biondis Europa Galante zusammengearbeitet; mit Philippe Jaroussky sang sie unter Diego Fasolis zur Begleitung der Barochisti; sie gab Liederabende mit J. C. Spinosi und seinem Ensemble Matheus. Ein großer Erfolg waren die Tournee und die Aufnahme des Ottone in Villa von Vivaldi mit Il Giardino Armonico. Schon als 18-Jährige wirkte sie in Bachs h-moll-Messe mit, und zwei Jahre später machte sie ihr erstes Soloalbum mit Rossini-Arien. Danach lud Minkowski die Künstlerin zur Salzburger Mozartwoche und den Salzburger Festspielen ein. Er bot ihr die Fiordiligi in Così fan tutte und andere Hauptrollen an, von denen vielleicht besonders der Urbain in Meyerbeers Hugenotten zu nennen ist, die Olivier Py am Brüsseler Théâtre La Monnaie inszenierte. Aufgrund dieser Leistung erhielt Julia Lezhneva einen der renommiertesten Preise der Opernszene – die Auszeichnung der Opernwelt als „Nachwuchssängerin des Jahres 2011“. ERÖFFNUNGSKONZERT 17 KARINA GAUVIN Sopran Die kanadische Sopranistin wurde als Interpretin von Barockmusik bekannt, ihr Repertoire umfasst aber ebenso Mahler, Britten und Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie trat mit herausragenden Orchestern auf, darunter das Orchestre symphonique de Montréal, die San Francisco Symphony, die Chicago Symphony und das New York Philharmonic. Ebenso arbeitete sie mit Barockensembles wie der Akademie für Alte Musik Berlin, Les Talens Lyriques, Les Violons du Roy, dem Venice Baroque Orchestra, der Accademia Bizantina and Il Complesso Barocco. Sie sang unter Leitung von Michael Tilson Thomas, Charles Dutoit, Kent Nagano, Semyon Bychkov, Roger Norrington, Alan Curtis, Bernard Labadie, Christophe Rousset and Yannick Nézet-Séguin. Für Liederabende arbeitete sie mit den Pianisten Marc-André Hamelin, Angel Hewitt, 18 ERÖFFNUNGSKONZERT Michael McMahon and Roger Vignoles. Von Händels Tolomeo, Alcina und Ezio sind Aufnahmen mit Alan Curtis für die Deutsche Grammophon entstanden. 2009 erhielt sie zum zweiten Mail eine Grammy-AwardNominierung für ihre Aufnahme Psyche von Jean-Baptiste Lully. Ihre zuletzt erschienene CD, Brittens Les Illuminations, nahm sie mit den Les Violons du Roy und Jean-Marie Zeitouni auf. Kürzlich beendete sie die Aufnahme zu Ehren von Anna Maria Strada del Po mit dem Arion Orchestre Baroque. Die wichtigsten Auftritte der Gegenwart und in der näheren Zukunft sind Armida in Händels Rinaldo beim Glyndenbourne Festival, Giunone in Cavallis Calisto an der Bayerischen Staatsoper, Vitellia in Mozarts La Clemenza di Tito am Théâtre des Champs-Elysées in Paris und Armide in Glucks Armide an der Netherlands Opera. DONNA LEON Moderation Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, verließ als Studentin die USA, um in Perugia und Siena weiterzustudieren. Sie blieb im Ausland, arbeitete als Reiseleiterin in Rom, als Werbetexterin in London und als Lehrerin an amerikanischen Schulen in Europa und Asien. Sie lehrte englische und amerikanische Literatur an einer Universität in der Nähe von Venedig, wo sie sich 1981 niederließ. Zu ihrem Erstling kam Donna Leon über ihre Leidenschaft für die Oper. Während des Besuchs im venezianischen Opernhaus La Fenice ereiferte sich ihr Begleiter: „Ich könnte den Dirigenten umbringen!“ – „Ich mach’s für dich, aber in einem Roman“, beruhigte sie ihn. Das Resultat war Venezianisches Finale, der erste von bis heute vierundzwanzig Fällen für den inzwischen legendären Commissario. Die Brunetti-Romane machten sie weltberühmt, doch die Barockmusik ist ihr nicht weniger wichtig. Sie förderte zahlreiche Barockeinspielungen, neu das Orchester Il Pomo d’Oro. Es sind von ihr zwei kleine Bücher mit CD erschienen: Tiere und Töne mit Händel-Arien und Kurioses aus Venedig mit Vivaldi-Musik. Die Zusammenarbeit mit ihrer Freundin Cecilia Bartoli hat sie 2012 dazu veranlasst, einen Roman ohne ihre Hauptfigur Commissario Brunetti zu schreiben – jedoch ebenso spannend und voll kriminalistischer Finessen. Donna Leon lebt in Venedig und in der Schweiz. Donna Leons Bücher erscheinen in 34 Sprachen. ERÖFFNUNGSKONZERT 19 STEFANO MONTANARI Dirigent Stefano Montanari konzentrierte sich nach dem Abschluss seines Violin- und Klavierstudiums auf die historisch informierte Aufführungspraxis. Seit 1995 spielt er die erste Violine an der Accademia Bizantina in Ravenna, ein auf das 18. bis 19. Jahrhundert spezialisiertes Quartett, das auf authentischen Instrumenten spielt. Er arbeitet mit führenden Experten im Bereich der Alten Musik, vor allem mit Christophe Rousset und seinem Ensemble Les Talens Lyriques. Er unterrichtet Barockvioline an der Internationalen Musikakademie in Mailand und am Dall´Abaco-Konservatorium in Verona. Er dirigierte Vivaldis Vier Jahreszeiten mit dem Barockorchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom für ein Weihnachtskonzert im Jahr 2007 und für eine Gala zu Ehren des 150. Jahrestages der Vereinigung Italiens. Beide Konzerte wurden live im nationalen Fernsehen übertragen. Als Dirigent ist er 20 ERÖFFNUNGSKONZERT regelmäßiger Gast an Häusern wie dem Teatro Coccia in Novara, Teatro del Giglio in Lucca, Teatro Donizetti in Bergamo, Teatro La Fenice in Venedig, der Opéra de Lyon oder dem Opera Atelier in Toronto. Er ist außerdem Musikdirektor des europäischen Projekts „Junges Musikpodium Dresden-Venedig“. Seine Aufnahme von Corellis Violinsonaten op. 5 erhielt breite Anerkennung und zahlreiche internationale Preise, darunter den Diapason d´Or und Midem als beste barocke Musik-CD des Jahres (2007/2010). Seine Aufnahme von Purcells O solitude mit Andreas Scholl wurde für einen Grammy Award (beste Classical Vocal Solo) nominiert. Stefano Montanari gibt im 5. Sinfoniekonzert im Rahmen der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE 2016 sein Debüt mit der BADISCHEN STAATSKAPELLE. IL POMO D’ORO Orchester Il pomo d’oro ist ein 2012 gegründetes italienisches Barockensemble, spezialisiert auf historische Aufführungspraxis. Gründer sind Gesine Lübben und Giulio d‘Alessio. Das Orchester legt seinen Schwerpunkt auf die Barockoper, gleichzeitig führt das Ensemble auch Instrumentalmusik in verschiedenen Formationen auf. Zurzeit gibt es zwei Chefdirigenten. Es ist regelmäßig an bedeutenden Konzerthäusern und Theatern zu Gast, u. a. am Théâtre Royal in Versailles, an der Wigmore Hall, am Theater an der Wien und am Théâtre des Champs Elysées. Der Name des Ensembles bezieht sich auf den Titel der Oper Il pomo d’oro von Antonio Cesti, die er 1666 anlässlich der Hochzeit von Kaiser Leopold I. und Margarita Teresa von Spanien in Wien komponierte. Diese Oper war krönender Abschluss der pompösen Feierlichkeiten. Die Produktion war mit zahlreichen Spezialeffekten auf 24 verschiedenen Bühnen, mit 50 unterschiedlichen Rollen und zehn Stunden Aufführungsdauer das wohl exzessivste und teuerste Werk des damals noch jungen Genres. Il pomo d’oro hat bisher drei Opern unter der musikalischen Leitung von Riccardo Minasi aufgenommen: Händels Tamerlano, Catone in Utica von Leonardo Vinci sowie Händels Partenope. Weitere Aufnahmen umfassen Haydns Konzerte für Cembalo und Geige, co-dirigiert von Maxim Emelyanychev als Cembalo-Solist und Riccardo Minasi als Geigen-Solist sowie ein Violoncello-Rezital mit Edgar Moreau mit Werken von Haydn, Boccherini und Vivaldi. 2016 geplant sind Neueinspielungen von Händels Ottone und ein neues Rezital mit Ann Hallenberg. Am 1. Januar 2016 wird Maxim Emelyanychev Musikalischer Leiter von Il pomo d’oro. Zukünftig ist die Zusammenarbeit mit den Dirigenten Stefano Montanari und George Petrou geplant. ERÖFFNUNGSKONZERT 21 DONNA LEON IM GESPRÄCH „Händels Musik hebt meine Stimmung, wie es keine andere Musik vermag.“ Die weltberühmte Krimiautorin Donna Leon ist nicht nur die Erfinderin von Commissario Brunetti, der seit vielen Jahren in Venedig Mordfälle löst, sondern auch bekennender Händel-Fan. Ihre Begeisterung hat die in der Lagunenstadt lebende US-Schriftstellerin in einem HändelBuch und in zahlreichen Opernaufnahmen mit eigenen und selbst eingesprochenen Texten festgehalten. Nun kommt Donna Leon nach Karlsruhe ans STAATSTHEATER und unterhält sich mit dem Künstlerischen Leiter der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE Michael Fichtenholz über ihren Lieblingskomponisten Händel, ihre Leidenschaft für die Barockoper, ihre Bücher und das wunderschöne Venedig. SA 13.2. 16.00 KLEINES HAUS In englischer Sprache mit deutscher Übersetzung Im Anschluss findet eine Autogrammstunde statt. 22 DONNA LEON IM GESPRÄCH JUPITER AUF DEM DACH xxx 23 ARMINIO Oper von Georg Friedrich Händel HWV36 Libretto nach Antonio Salvi basierend auf der Tragödie Arminius von Jean Galbert de Campistron Uraufführung am 12. Januar 1737 am Covent Garden Theatre in London In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln Aufführungsrechte Hallische Händel-Ausgabe Bärenreiter Arminio, Fürst der Chauken und Cherusker Tusnelda, Ehefrau Arminios, Tochter Segestes Segeste, Fürst der Chatten, Verbündeter Varos Varo, Oberbefehlshaber der römischen Armee am Rhein Sigismondo, Sohn Segestes, Liebhaber der Ramise Ramise, Schwester Arminios Tullio, Hauptmann Varos MAX EMANUEL CENCIC LAYLA CLAIRE PAVEL KUDINOV JUAN SANCHO VINCE YI RUXANDRA DONOSE OWEN WILLETTS ARMONIA ATENEA 1. Violine Sergiu Nastasa (Konzertmeister), Epameinontas Filippas, Georgios Panagiotopoulos, Angie Kasdas, Sofia Liu, Ilias Livieratos 2. Violine Carmen Otilia Alitei, Athanasios Martzoukos, Angeliki Fanarioti, Luise Ramos-Stahl Viola Laurentiu Octavian Matasaru, Elisabeth Barbara Schaefer Violoncello Iason Ioannou, Christopher Humphreys, Ilias Sakalak Violone Dimitris Tigkas Cembalo Markelos Chryssikopoulos Theorbo Theodoros Kitsos Oboe Dimitris Vamvas, Stella Nikolaides Fagott Alexandros Economou Horn Peter Bühl*, Tristan Hertweg* *Gäste der Armonia Atenea In Kooperation mit Parnassus Arts Productions PREMIERE SA 13.2. GROSSES HAUS Weitere Vorstellungen am 15.2. 19.00, 17.2. 19.00, 19.2. 19.00, 21.2. 15.00, 23.2. 19.00 3 Stunden 30 Minuten, Pausen nach dem 1. & 2. Akt 24 OPER ARMINIO Kinder Arminios und Tusneldas Diener, Soldaten KYLE LIPPOTH / JONAS ROTHENBACHER SINAH EICHE / PHILINE SCHÜTTLE ALAIN CERNY, FREDERIC DESCHARMES, CEDRIC DUJARDIN, GABRIEL GLAS, ALESSANDRO GOCHT, ANDREJ HADAS, MARLO HOSCH, ALEXANDER KOLARCYK, CORNELIUS MARTJAN, MARKUS SCHMIDT, SAMUEL SEIDEL, ROBERT SLOMIAN, ALEXANDER SPRICK, ANDREAS STEFFEN, GASTON WEBER Musikalische Leitung Regie Bühne Kostüme Video Licht Cembalo & Leitung der Rezitative Dramaturgie GEORGE PETROU MAX EMANUEL CENCIC HELMUT STÜRMER HELMUT STÜRMER, CORINE GRAMOSTEANU ETIENNE GUIOL, ARNAUD POTTIER HELMUT STÜRMER, CHRISTOPH HECKER MARKELOS CHRYSSIKOS, GEORGE PETROU MICHAEL FICHTENHOLZ Musikalische Assistenz PANOS ILIOPOULOS, OLGA ZHELTIKOVA Regieassistenz und Abendspielleitung ANGELA KLEOPATRA SAROGLOU Hospitanz AMNA SCHADDAD BühnenbildAssistenz MEGAN ROLLER Kostümassistenz STEFANIE GAISSERT Übertitel ACHIM SIEBEN Inspizienz UTE WINKLER Leitung der Statisterie OLIVER REICHENBACHER Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühne RUDOLF BILFINGER, EKHARD SCHEU Leiter der Beleuchtung STEFAN WOINKE Licht CHRISTOPH HÄCKER Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton GUNTER ESSIG, JAN PALLMER Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Malersaal GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG, BERNHARD BUSSE Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS MAHLER, NICOLE EYSSELE, VALENTIN KAUFMANN Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Kostümbearbeitung ANDREA MEINKÖHN Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske SABINE BOTT, MARION KLEINBUB, PETRA MÜLLER, SOTIRIOS NOUTSOS, KARIN GRÜN, INKEN NAGEL, ANDREA WEYH, SANDRA OESTERLE, MIRIAM HAUSER ARMINIO OPER 25 ZUM INHALT 1. AKT Nachdem Arminio sieglos aus einem Kampf mit römischen Legionen zurückkehrt, drängt ihn seine Gattin Tusnelda zur Flucht. Arminio weigert sich, da er kein Verräter sein will. Als Tusnelda ihn aber daran erinnert, dass sie, wenn er falle, den Römern zur Beute werde, fliehen sie gemeinsam. Der Hauptmann Tullio überbringt Varo, dem römischen Feldherrn die Nachricht von Arminios Flucht. Varo ist verstimmt, weil dadurch der Glanz des Sieges gemindert wird; außerdem gesteht er seine Liebe zu Tusnelda. Tullio rät ihm, Amor zu bezwingen. Doch Varo beteuert, dass er für Ruhm und Liebe noch besser kämpfen werde. Segeste, Fürst der Chatten und Vater Tusneldas, verrät Arminio und übergibt Varo den Gefangenen und das unterworfene Reich der Germanen. Arminio verurteilt Segeste wegen seines Verrats an Vaterland, Tochter und Schwiegersohn. Tusnelda ist erschüttert von der Feindseligkeit zwischen ihrem Vater und ihrem Gatten. Segeste und Varo versuchen, Arminio umzustimmen: Er soll Frieden von Rom erbitten. Dieser will aber eher sterben, als dem Vaterland abzuschwören und so zum Verräter zu werden. Segeste ist über den Stolz seines Schwiegersohns entrüstet und will diesen lieber opfern, als den Frieden zu gefährden. Sigismondo, Segestes Sohn, deutet grauenhafte Träume als Voraussage unheilvollen Schicksals. Tusnelda überbringt ihrem Bruder Sigismondo und dessen Geliebter Ramise die Schreckensbotschaft von Arminios Gefangennahme. Ramise, Arminios Schwester, ist im Begriff, sich 26 OPER ARMINIO Rom und Varo zum Opfer zu bringen, um das Schicksal ihres Bruders zu erleichtern. Als sie von Segestes Verrat erfährt, fragt sie Sigismondo, wie er jetzt noch Arminios Schwester lieben könne. Jener beteuert dagegen seine Unschuld an den Verbrechen des Vaters. Ramise will gehen, Sigismondo und Tusnelda halten sie jedoch zurück. Ramise empfindet Grauen und erklärt, in ihrer Brust sei kein Platz mehr für die Liebe. Sigismondo ist verzweifelt und fleht seine Schwester um Hilfe an. Sie hat Mitleid mit ihm, bittet ihn aber, auch an ihr Herz zu denken. Ein Schmerz, der mit dem Weinen vergehe, sei ein schwaches Zeichen der Liebe, meint Tusnelda und erklärt, dass das Feuer einer starken Liebe nicht einmal der Tod löschen könne. Segeste tritt auf und fordert Sigismondo auf, seine Absichten zu ändern und nicht mehr an Ramise zu denken: Das Schicksal habe sich gewandelt, da Augustus Segestes Treue belohnen wird. Sigismondo will zwar gehorchen, kann es aber nicht; er wirft dem Vater sein Schwert vor die Füße, damit dieser ihn töte. Segeste bezeichnet seinen Sohn als Verräter und verlässt ihn zornig. Sigismondo bekennt, dass er sterben könne, aber nicht leben ohne zu lieben. 2. AKT Segeste offenbart Tullio, dass Recht Vernunft und die Tränen seiner Tochter der Tötung Arminios entgegen stünden. Wenn Tusnelda Varo heirate, werde sie ihre Tränen trocknen, meint Tullio. Segeste ist erfreut und verkündet, dass Arminio heute sein Schicksal erfahre: Unterwerfung unter Augustus oder Tod. Varo gibt Segeste einen Brief von Augustus, in dem dieser Varo für die Unterwerfung Germaniens dankt und verlangt, Arminio zu töten. Segeste will den Befehl des Kaisers ausführen. Er und Varo fragen sich jedoch, ob sie das Herz haben werden, Tusnelda zu quälen. Dem Vaterland und der Freiheit zuliebe erträgt der gefesselte Arminio den Druck der Ketten gern. Segeste kommt hinzu und rät ihm, sich dem Herrscher Roms zu beugen. Arminio nennt Segeste einen Verräter und bekundet, dass er zwar für die Freiheit sterben, Segestes Herz jedoch durch die nie nachlassende Reue gequält werde. Segeste rät seiner Tochter, ihren Gatten zu retten, indem sie ihn davon überzeugt, vor dem Kaiser das stolze Haupt zu senken. Eine große Seele ziehe einem sklavischen Leben einen glorreichen Tod vor, entgegnet Tusnelda. So werde er sterben, verkündet Segeste. Dann solle er auch sie töten, verlangt Tusnelda, denn sie könne von ihm nur ihren Tod oder Arminios Freiheit erbitten. Ramise bezeichnet Segeste als treulosen Fürsten und unmenschlichen Vater und versucht, ihn mit einem Dolch zu töten, was Sigismondo verhindert. Mit Arminios Tod werde Ramises Hochmut noch heute enden, meint Segeste und geht wütend ab. Um ihrer Liebe willen verlangt Ramise von Sigismondo, sich nicht ihrem Zorn in den Weg zu stellen. Da er seinen Vater nicht töten könne, fordert Sigismondo Ramise auf, ihn mit seinem Schwert zu töten. Sie wirft es auf die Erde, und Sigismondo nimmt es, um sich selbst zu durchbohren. Ramise gebietet Einhalt, nennt ihn einen getreuen Sohn eines Verräters und bleibt verwirrt zurück. Sigismondo fühlt sich zwischen seiner Liebe zur Schwester Arminios und zum Vater hin- und hergerissen und will keine Schuld auf sich laden. Arminio fordert von einem Wächter, Varo zu rufen. Die verzweifelte Tusnelda bittet ihren Gatten, sich Augustus zu unterwerfen. Als er dieses Ansinnen von sich weist, will auch sie seinem Beispiel folgen. Arminio will Varo zum Erben seines einzigen Schatzes – Tusnelda – machen, denn er weiß um Varos Begehren und findet beide einander würdig. Tusnelda vernimmt dies unter Seelenqualen. Arminio schickt sich in den Tod und wünscht den beiden seinen inneren Frieden. Varo ist verwirrt, er erwägt, Arminios Wunsch anzunehmen. Tusnelda weist jeden Gedanken daran zurück: Liebe und Treue verböten ihr, die Seine zu werden. Varo müsse, wenn er ihre Achtung erlangen wolle, zum Helfer seines Rivalen werden. Doch der Feldherr will Tusnelda an Tugend nicht nachstehen und fordert von sich selbst, Cupido zu trotzen. Wenn er ihr den Gatten zurückgebe, werde sie ihm ihrer beider Leben zu danken haben, versichert Tusnelda Varo. 3. AKT Auf dem Hof ist ein schwarz ausstaffiertes Blutgerüst aufgebaut, um das römische Soldaten mit ihren Standarten stehen. Der gefesselte Arminio erblickt die grausige Bühne, verachtet aber weiterhin den römischen Hochmut. Er sieht seine Hinrichtung ARMINIO OPER 27 Tusnelda steht vor einem Tisch, auf dem Arminios Schwert liegt und ein Becher mit Gift steht, den sie – in der Annahme Arminio sei tot – trinken will. Ramise hindert sie jedoch daran und teilt ihr mit, dass Arminio lebe, aber in Gefahr sei. Sie müssten ihn von den Fesseln befreien oder ihn rächen, wenn er doch tot sei, und dann selber sterben. Tusnelda ist einverstanden; sie nimmt den Becher an sich, Ramise Arminios Schwert, und beide machen sich gegenseitig Mut und hoffen auf ein günstigeres Schicksal. Frauen Gift und Schwert weg. Hin- und hergerissen zwischen seinem Hang zur Gerechtigkeit, seiner Liebe zu Ramise und seiner Treue zum Vater geht er, unschlüssig, was er tun soll. Zu den weinenden Frauen tritt der von Sigismondo befreite Arminio. Sigismondo bringt Arminio sein Schwert und drängt zum baldigen Aufbruch, damit er für die Freiheit Germaniens kämpfen könne. Arminio dankt und verabschiedet sich von der Schwester und Tusnelda, die ihm ein beständiges Herz voller Liebe verheißt, wenn er im Triumph zurückkehren wird. Ramise fragt Sigismondo, ob er hierbleiben wolle, um Segestes Zorn zum Opfer zu fallen. Wer schuldig sei, mag fliehen, antwortet Sigismondo, für seine etwaigen Fehler werde er selbst einstehen. Segeste kommt mit Wachen hinzu und wirft Sigismondo vor, dass er sich, statt seine Befehle auszuführen, von Ramise betören lasse. Sigismondo gesteht dem Vater die Befreiung Arminios, doch auch Ramise nimmt die Schuld auf sich, worauf Segeste beide fesseln lässt, ihnen den Tod verspricht und zornerfüllt geht. Sigismondo rät Ramise, beständig zu sein, um die Grausamkeit des Schicksals zu besiegen; er wird abgeführt. Ramise begehrt gegen die Trennung von ihrem Geliebten auf und vertraut auf den Beistand der Sterne. Sigismondo beklagt Arminios Geschick, als seine Schwester und seine Geliebte eintreffen und von ihm verlangen, Arminio zu befreien – anderenfalls würden sie sich umbringen. Sigismondo bittet sie einzuhalten, und verteidigt den Vater, weil dieser Augustus gehorchen müsse. Als daraufhin Tusnelda sich vergiften und Ramise sich erstechen will, nimmt Sigismondo den Tullio beschwört Segeste zu fliehen, denn Varo sei umgekommen, das Kastell erobert worden, und der hochmütige Arminio habe gesiegt. Segeste weigert sich, und Sigismondo will den Vater verteidigen. Dieser aber zeiht ihn des Verrats und schickt ihn fort. Arminio kommt mit Tusnelda und Ramise und nimmt Segeste das Schwert weg. Er beschwört ihn, seinen Hass als Triumph an und verlangt, zum Tode geführt zu werden. Varo befiehlt jedoch, dem Gefangenen die Fesseln abzunehmen. Segeste protestiert und verlangt Arminios Hinrichtung, die Varo zwar bestätigt, doch soll Arminio wie ein Krieger und nicht wie ein Verbrecher sterben dürfen. Plötzlich erscheint Tullio und ruft Varo und Segeste zu den Waffen, da Segismero, ein Führer der Cherusker, römische Truppen vernichtet habe. Arminio muss in den Kerker zurückkehren, ist sich aber sicher, dass im Gefängnis und in der Nähe des Todes seine Treue noch fester werde. Varo fordert von Segeste und seinen Leuten die Verteidigung der Burg, Tullio dagegen soll ihm folgen. 28 OPER ARMINIO fahren zu lassen – er habe das erfahrene Leid bereits vergessen. Segeste ist von so viel Großmut und Tugend überwältigt; er schwört Arminio Treue, beide umarmen sich. Arminio verkündet, dass seine Schwester mit Segestes Sohn vereint sein soll, dem er Freiheit und Leben verdanke. Tusnelda und ihr Mann bekennen einander ihre Liebe und Treue. Arminio fordert alle auf, sich nun der Freude zu überlassen. Alle bekennen, unfähig zu sein, eine solche Milde zu erfassen, und erklären, dass großer Mut Leid in Freude verwandle. Stephan Blaut © Bärenreiter Verlag, 2013 BESETZUNG DER URAUFFÜHRUNG Arminio Tusnelda Segeste Varo Sigismondo Ramise Tullio DOMENICO ANNIBALI Altkastrat ANNA STRADA DEL PÒ Sopran HENRY THEODORE REINHOLD Bass JOHN BEARD Tenor GIOACCHINO CONTI Soprankastrat FRANCESCA BERTOLLI Alt MARIA CATERINA NEGRI Alt ARMINIO OPER 29 ZUM STÜCK ZWISCHEN VERZWEIFLUNG UND HOFFNUNG: HÄNDELS ARMINIO Die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte von Arminio ist geprägt von einer Reihe misslicher Umstände, die von der Uraufführung bis ins 21. Jahrhundert reicht. Die Premiere am 12. Januar 1737 am Royal Opera House in Covent Garden wurde vom Londoner Publikum mit Desinteresse aufgenommen. Ein Grund war, dass es zu dieser Zeit in London ein Überangebot an Opernaufführungen und singenden Stars gab. Neben den von Händel veranstalteten und von König Georg II. unterstützten Opernaufführungen im „Königlichen“ Covent Garden gab es mit der so genannten Opera of the Nobility in London eine zweite Kompanie. Beide Opernunternehmen engagierten hochkarätige Gesangsstars, die sie – gemessen an den Gagen, die auf dem Kontinent gezahlt wurden – ausgesprochen großzügig entlohnten, was sie in den letztlich unvermeidlichen Ruin führte. Die britische Aristokratie war also „operngesättigt“, was sich an den Zuschauerzahlen zeigte. Beide Kompanien hatten gravierende Auslastungsprobleme. In den adeligen Opernkreisen amüsierte man sich bisweilen darüber, dass sogar der legendäre Kastrat Farinelli, der wohl berühmteste Opernsänger des 18. Jahrhunderts, der von der Opera of the Nobility engagiert wurde, mehr als einmal vor halbleerem Haus auftrat. Doch auch Händels Unternehmung steckte 1737 in der Krise: Kam Alcina in der Spielzeit 1735/36 noch auf 18 30 OPER ARMINIO Vorstellungen, folgten der Uraufführung von Arminio 1737 nur fünf weitere Vorstellungen, die – so berichtet Opernliebhaber Edward Holdsworth – schlecht besucht waren. So scheint es nur folgerichtig, dass Arminio nach der sechsten und letzten Vorstellung 198 (!) Jahre im Archiv verstaubte. Die Spielzeit 1736/37 bereitete dem Komponisten einige bittere Momente. Händel veröffentlichte mit Arminio, Giustino und Berenice in kurzen Abständen drei neu komponierte Opernwerke, die von den Wiederaufnahmen von Poro, Alcina, Partenope, Atalanta, Alexander’s Feast, Esther sowie einer neuen Fassung des Oratoriums Il trionfo del Tempo e della Verità ergänzt wurden. Trotz dieser engagierten Versuche gelang es ihm nicht, das Publikum zurückzugewinnen. Schlimmer noch: Aufgrund der drohenden Insolvenz sah er sich gezwungen, sein Sängerensemble aufzulösen. Die Tatsache, dass die Tage der konkurrierenden Adelsoper ebenfalls gezählt waren, spendete dem Komponisten, dessen schlechter Gesundheitszustand seinen Freunden Sorge bereitete, nur wenig Trost. Die großen Anstrengungen und Rivalitäten der letzten Jahre resultierten in einem Nervenzusammenbruch und in Teillähmungen seines rechten Arms, worüber auch die Londoner Presse im Mai 1737 berichtete. Der Sänger Domenico Annibali Anton Raphael Mengs Doch die ungünstigen Umstände der Entstehung und Uraufführung sind nicht die einzigen Gründe für das weitere Schicksal dieser Oper. Fast alle Händel-Forscher, angefangen mit Charles Burney, dem Zeitgenossen Händels und Autor der General History of Music, bis zu Winton Dean, dessen umfangreiches zweibändiges Werk Handel’s Operas aus dem Jahr 1987 die aktuelle Händel-Rezeption grundlegend geprägt hat, haben Arminio als unbedeutend eingeschätzt. Stellvertretend für ähnliche Einschätzungen sei an dieser Stelle Deans Urteil zitiert: „Vieles in der Partitur erinnert an Sachen, die Händel zuvor besser gesagt hat.“ Als Grund für die vermeintlich schlechte Qualität der Arminio-Komposition werden wiederholt die unglücklichen Lebensumstände Händels genannt, beispielsweise die große Eile, in der die Oper in dem kurzen Zeitraum zwischen dem 15. September und dem 14. Oktober 1736 entstand, oder auch die Tatsache, dass Arminio nach den großen Erfolgen von Ariodante und Alcina ein schwieriges Erbe antrat. Aber wie der Händel-Dirigent Alan Curtis im Booklet der ersten, von ihm geleiteten Arminio-Aufnahme schreibt, haben „viele Musikforscher und andere Kommentatoren […] die Oper als uninteressant und unwichtig abgetan, in vielen Fällen ohne sie gehört oder sich die Musik genau angesehen zu haben“. Kann es sein, dass sich bei einem erneuten genauen Studium der Partitur und beim erneuten Hören herausstellt, dass es ARMINIO OPER 31 sich bei alldem um ein Fehlurteil handelt und Arminio zu Unrecht vernachlässigt wurde? Händels Arminio-Text geht ursprünglich auf ein Libretto von Antonio Salvi zurück, das erstmals 1703 von Alessandro Scarlatti vertont worden war. Der deutschstämmige Händel fühlte sich von dem Sujet – mit dem spätantiken Konflikt zwischen Germanen und Römern im Mittelpunkt und der berühmten Varusschlacht als einem der Höhepunkte – angesprochen. Außerdem lag ihm – wie die Vorgängerwerke Rodelinda und Radamisto belegen – die Vertonung eines Familiendramas vor dem Hintergrund eines Krieges. Lange Rezitativpassagen waren beim Londoner Publikum eher unbeliebt und so konstruierte Händel in seinem Arminio mit kurzen Rezitativen zwischen den Arien einen Spannungsbogen, der sich von der ersten bis zur letzten Szene steigert. Er und sein unbekannter Bearbeiter kürzten Salvis Text für ihre Fassung radikal und strichen von den insgesamt 1323 Rezitativ-Zeilen mehr als tausend heraus! Zwar resultierten daraus auch dramaturgische Schwächen, von der die hohe musikalische Qualität und Intensität des Werks jedoch unberührt bleibt. Und wie wir aus der Operngeschichte mit Verdis Trovatore, Webers Freischütz oder Tschaikowskys Pique Dame wissen, steht eine schwache Vorlage einem großen Meisterwerk nicht im Weg. Musikalisch ist Arminio ein weiterer Beleg für Händels außergewöhnliche Erfindungsgabe und bietet den Interpreten weitreichend Gelegenheit, ihre vokale Kunstfertigkeit und Virtuosität zu präsentieren. Händels Sängerensemble von 1736/37 bestand aus bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit. Die Titelpartie war die erste von drei Partien, 32 OPER ARMINIO die Händel für den bedeutenden Alt-Kastraten Domenico Annibali kreierte. Die große Händel-Verehrerin Mary Pendarves, die die Londoner Opernkarriere des Komponisten treu verfolgte und kaum eine seiner Premieren verpasste, beschreibt den Sänger folgendermaßen: „Er verfügt über die besten Eigenschaften seiner Vorgänger Senesino und Carestini, mit ausgesprochen feinem Geschmack und gutem Schauspiel.“ In den ersten Szenen wird Arminio als Protagonist etabliert, der mit seiner Ergebenheit dem Vaterland und der Familie gegenüber sogar seine Gegner beeindruckt. Den heroischen Pathos dieser Figur gestaltet Händel in „Al par della mia sorte“ im 1. Akt mit großen Bögen und langen Phrasen. Mit dieser großen Arie beginnt die Reise des Titelhelden, die über die tragischen Reflexionen in „Duri lacci“, einer Gefängnisarie in dunklem f-Moll, und den großen emotionalen Ausbrüchen in „Si, cadro“, in der Arminio seinen Zorn in furiose Koloraturen fließen lässt, im 3. Akt im einzigen Recitativo accompagnato mündet, das als Trauermarsch komponiert ist. Die Partie gipfelt im gleichen Akt schließlich in der fulminanten Paradearie „Fatto scorta“, die Händel für Annibalis Wunderstimme schrieb. Neben „All’orror della procelle“ aus Riccardo Primo, komponiert für Senesino, und „Salda quercia“ aus Arianna in Creta, komponiert für Carestini, gilt diese Arie mit temperamentvollen Koloraturpassagen und riesigen Sprüngen vom Kopf- ins Brustregister zu den schwierigsten Arien Händels. Anna Strada del Pò, die Lieblingsprimadonna des Komponisten, gestaltete mit der Rolle von Arminios Gattin Tusnelda, gleichzeitig die Tochter von Segeste, eine ihrer dramatischsten Frauenportraits, die deutlich auf die anderen tragischen Heroinen Händels, wie Alcina und Ginevra in Ariodante, verweist. Tusneldas Arien sind im 1. Akt Ausdruck ihrer Angst vor dem tyrannischen Vater und die Sorge um den geliebten Mann, dessen Leben ständig bedroht ist. Ihre größte Momente hat sie aber im 2. Akt: „Al furor del mio consiglio“ ist ein Höhepunkt der Oper und zeigt Tusnelda, wie sie in einem Konflikt mit ihrem Vater ihrem Ehegatten die Treue hält. Die Schlussarie des 2. Aktes, die wie immer bei Händel ein besonderer Moment ist, steht dazu in starkem Kontrast: Mit einer zarten und doch ausdruckstarken Siziliana bittet Tusnelda Varo unter Tränen, ihr ihren Mann zurückzugeben. Die dunklen Seiten der Figur werden in der Musik des 3. Aktes zunächst vertieft, bevor sie wieder zu neuem Leben erwacht und ihren Gatten, der in den Kampf mit den Römern aufbricht, mit einem mitreißenden „Va, combatti“ verabschiedet. Die besondere Beziehung bzw. Liebe zwischen Arminio und Tusnelda scheint Händel ein wichtiges Anliegen gewesen zu sein, die der Oper mit einem Duett der Ehegatten zu Beginn – nicht nur für Händel ungewöhnlich – und eines vor dem Schlusschor einen besonderen Rahmen gibt. Eine Rivalität, oder besser gesagt ein starker Kontrast zwischen zwei Sängerpersönlichkeiten faszinierte Händel und sein Publikum. Die Partie des Sigismondo ist die höchste, die Händel für einen Kastraten komponiert hat. Er schrieb sie für Gioacchino Conti, genannt Gizziello, und stellt damit den zweiten Starkastrat in ein besonderes Licht. Während Domenico Annibali den Titelhelden Arminio mit einem dunklen Alt verkörperte, war sein Kollege Conti, der bei der Premiere gerade einmal 22 Jahre alt war, und dessen Sigismon- do von ganz anderer Natur: ein schüchterner, zerbrechlicher Junge mit schlanker, kristallklarer Stimme. Die Figur wäre für die Studien moderner Psychoanalytiker nicht uninteressant: ein von Vater Segeste dominierter und als „effeminato“, als weibisch bezeichneter Sohn, der die ganze Oper vor einem unlösbaren Dilemma steht, der vom zentralen Konflikt zwischen Liebe und Pflicht am stärksten betroffen ist und der vergeblich versucht, seiner Verlobten sowie dem despotischen Vater treu zu sein. Wir lernen ihn mit einer meditativen Auftrittsarie „Non son sempre vaghe larve“ kennen. Händel lotet den schwärmerischen und unentschlossenen Charakter in „Posso morir“, der Schlussarie des 1. Aktes mit starken Tempo- und Dynamikkontrasten und im 3. Akt in „Il sangue al core favella“ weiter aus, wo Händel, um die Verwirrung und Angst Sigismondos musikalisch abzubilden, von der traditionellen Da-capo-Form abweicht. Nur einmal – in der großen Arie im 2. Akt „Quella fiamma“ – wirkt er entschlossen: Sein Gesang strebt bis zum funkelnd hohen C und erscheint – mit der Oboe als virtuosem Dialogpartner – als Abbild seiner flammenden Liebe. Das prächtige Solo hat Händel dem bedeutenden italienischen Oboisten und Komponisten Giuseppe Sammartini anvertraut. Die zweite Heldin der Oper ist Arminios Schwester Ramise, die bei der Premiere von der schönen italienischen Altistin Francesca Bertolli verkörpert wurde. Sie wirkt – wie ihr Geliebter Sigismondo – unreif und kindisch. Neben Arminio und ihrem Vater Segeste und deren politischen und persönlichen Ambitionen ist sie verloren – davon zeugt die fast komisch wirkende Hysterie ihrer ersten und letzten Arie, in denen die fieberhafte und aufgeregte Gesangslinie kaum zur Ruhe kommt. ARMINIO OPER 33 Auch wenn Händel für den Bassist Henry Theodore Reinhold, den Sänger des Segeste, nur eine einzige Arie komponiert hat, ist der Tyrann in vielen Rezitativen präsent. Wie ein schwarzer, bedrohlicher Schatten liegt der treulose und schlaue Politiker, der seine eigenen Kinder wie Schachfiguren in einem komplizierten politischen Spiel einsetzt, über vielen Szenen der Oper. Auch den beiden Römern Varo und Tullio verleiht Händel ein starkes Profil. Tullio, der Volkstribun, wurde 1737 von der für Hosenrollen bekannten Altistin Maria Caterina Negri gesungen. Aus ihren beiden Arien, die Händel mit langen tollkühnen und fast operettenhaften Koloraturpassagen ausstattet, spricht die Ironie des Komponisten, der hier einen starken Kontrast zwischen Tullios Musik und den hehren im Text proklamierten Ideen über Liebe und die Würde eines Römers erzeugt. Varo, der römische General, der sich in die Frau seines größten Feindes verliebt, ist einer der interessantesten Charaktere der Oper. Händel besetzte die Partie mit John Beard, für den er in den 1740er Jahre die großen Tenorpartien seiner Oratorien komponierte. Die Partie ist quantitativ mit nur zwei Arien, mit denen Händel unterschiedliche Facetten der Figur umreißt, von eher kleinem Umfang: „Al lumi i due rai“ im 1. Akt ist durchzogen von der Liebe, die die Angst in Varos Herz verdrängt und ihn zu neuen Heldentaten hinreißt, und im 3. Akt erweist er sich mit einem kämpferischen „Mira il ciel“ als neuer Herakles. In dieser prächtigen Aria guerriera (Kriegsarie) setzt Händel zum ersten und einzigen Mal Hörner ein und wertet dadurch die Partie bedeutend auf. Kurz nach der Arie vermeldet Tullio Varos Tod. Nach dem Tod dieses edelmütigen rö34 OPER ARMINIO mischen Generals erklingen im Schlusschor bezeichnenderweise keine Fanfaren und Händel lässt die Oper so, wie sie begonnen hat, im melancholischen Moll enden. Doch nicht nur das ansonsten konventionelle Lieto fine ist von einer verhangenen Stimmung geprägt. Von 33 Musiknummern steht in Arminio fast die Hälfte in Moll. Die Oper ist von der hochdramatischen Ouvertüre in h-Moll und dem melancholischen Schlusschor eingefasst – die Ouvertüre und das anschließende Menuett, das zu den populärsten Nummern der Oper in London wurde, künden die dramatischen Wechsel des 1. Aktes an, im Schlusschor haben wir bitteren Nachgeschmack der blutigen Geschichte. Können wir tatsächlich an ein Happy End für eine Familie glauben, in der der Vater mehrmals seine Tochter und seinen Sohn verraten hat und sein Bestes getan hat, seinen König und Schwiegersohn ermorden zu lassen? Dieser ungewöhnliche und seltsame Charakter von Arminio wurde schon von den Zeitgenossen Händels wenige Tagen nach der Premiere bemerkt: der 4. Earl von Shaftesbury schrieb an seinen Freund James Harris: „Die Oper ist recht ernst, aber sehr präzise und in hohem Maße durchdacht; sie ist eine von Händels Lieblingen.“ Er schreibt weiter: „Ich befürchte aber, dass sie nicht sehr lange gespielt werden wird. Die Stadt mag sie nicht. Aber wie mein Vater sagt, ‚Harmonie ist Harmonie, auch wenn die ganze Welt barbarisch wird.‘“ Vielleicht ist es heute an der Zeit, die erwähnte Harmonie von Arminio neu zu entdecken, auch wenn die Welt fast drei Jahrhunderte nach der Uraufführung nicht weniger barbarisch geworden ist ... Michael Fichtenholz APPARTEMENT DES MARKGRAFEN, PORZELLANKABINETT xxx 35 MAX EMANUEL CENCIC & MICHAEL FICHTENHOLZ ÜBER ARMINIO GEGEN MODE, GEGEN ZEIT, GEGEN KONVENTIONEN Michael Fichtenholz: „Arminio“ gehört weder zu den bekanntesten noch zu den zweitbekanntesten Opern Händels. Normalerweise nimmt man solche vergessenen Werke in den Spielplan, weil alle anderen schon gemacht wurden. Wie war Ihr Weg zu „Arminio“? Was fasziniert Sie an dieser Oper? Max Emanuel Cencic: Ich finde die Qualität der Arien, die Qualität der Musik ausgesprochen gut. Das macht das Werk außergewöhnlich. Für mich ist es eine der besten Opern, die Händel je geschrieben hat. Dieser Meinung waren seine Bewunderer und sogar seine Kritiker schon bei der Uraufführung. Die Oper ist nicht durchgefallen, aber die Opernsituation war damals in London sehr angespannt. Arminio hatte das Pech, dass die Musik damals ins Hintertreffen geriet und das Publikum Sensationen sehen wollte. Das spiegelt sich auch in unserer Oper. Im Kern ist sie ein Konversationsstück. Die Varusschlacht ist bloß historische Kulisse. Je länger ich mich mit dem Stück beschäftige, desto deutlicher wird mir sein intimer Kern. Das „Konversationsstück“ war ein spezifisches Genre der französischen und englischen Malerei jener Zeit. Es zeigt Personen im Gespräch und hat gerne einen moralisierenden oder satirischen Unterton. Am bekanntesten sind heute William 36 OPER ARMINIO Hogarths Kupferstichzyklen The Rake’s Progress und The Harlot’s Progress. Händel wollte mit Arminio offenbar eine Oper à la Hogarth schaffen, um den Geschmack der Zeit zu treffen. Das scheint ihm mit der Gattung der italienischen Oper nicht mehr gelungen zu sein, wohl aber mit der des englischen Oratoriums. Als er sich dieser Gattung zuwandte, traf er den englischen Geschmack wieder und wurde vergöttert. Puritanismus und Nationalismus wurden damals in England sehr stark. Das ist auch der Grund, warum die italienische Oper dort niederging. Die beiden wichtigsten Argumente in der Polemik gegen Musiktheater lauteten 1. Oper ist Sünde und 2. Oper ist Ausländerkunst ... … die noch dazu aus einem katholischen Land kam. Genau. Sie verschafft Ausländern vom Kontinent Einfluss im Vereinigten Königreich. Und zweitens widerspricht sie der Ästhetik des Puritanismus. Puritaner bevorzugen Kirchenmusik. Unterhaltungsmusik ist in ihren Augen Sünde. Theater und besonders Opernhäuser wurden als Sündenpfuhl angesehen, wo die Leute hingingen, um sich zu vergnügen, zu essen und zu trinken, Liebschaften anzubandeln und sogar Sex zu haben – und eine Kunstform zu begehren, die katholisch war und mit dem Englischen nichts zu tun hatte. Also pure Sünde. Händel musste mehr gegen solche Vorurteile kämpfen als mit künstlerischen Fragen. Die Gesellschaft veränderte sich und er hat verzweifelt versucht, sich anzupassen. Mit dem Wechsel zum Oratorium ist ihm das gelungen. Nichtdestotrotz ist Arminio ein Meisterwerk mit einer Handlung, die sowohl tragisch als auch komisch ist. In dieser bizarren Mischung liegt der Bezug zur Bild-Gattung „Konversationsstück“. Sie stellte die Sitten der Zeit plakativ aus, sodass man sich fragt: Ist die Welt schon völlig psychopathisch, völlig gefühllos geworden? Was ist da los? Ein Beispiel: Damals gingen die Leute zum Vergnügen ins Londoner Irrenhaus Bedlam, um die armen Insassen zu begaffen. Und zwar mit Frauen, Kindern, der ganzen Familie. Man muss sich das einmal vorstellen … Solche Auswüchse spießte Hogarths The Rake’s ARMINIO OPER 37 Progress moralisierend auf. Arminio nimmt diesen puritanischen Standpunkt nicht ein. Aber die Grausamkeit und der Zynismus des Konversationsstücks sind deutlich in ihm zu spüren. Wie setzt Händel diese Ästhetik um? Es gibt zwei Paare. Arminio und Tusnelda sind das ideale Paar und Sigismondo und Ramise sind unkonventionell, um nicht zu sagen einfach lächerlich … … also eine Parodie auf das ideale Paar? Ja, genau, eine absolute Parodie. Sie verstoßen dauernd gegen die Normen und Konventionen. Dieses zweite Paar wird aber auf händelsche Art so dargestellt, dass es am Schluss doch zum Heldenpaar wird. Ramise bewahrt Tusnelda vor dem Selbstmord, Sigismondo verhilft Arminio zur Flucht. Das ist ein typisch händelsches Plädoyer für Toleranz. So etwas finden wir in vielen seiner Werke versteckt. Damit widerspricht er puritanischem Zeitgeist. Worin liegt Ihrer Meinung nach der tiefere Gehalt der Oper? Es ist für mich ein Familiendrama, in dem die Beständigkeit der Beteiligten auf den Prüfstand gestellt wird – und siegt. Da steckt nicht viel Philosophie dahinter. Aber der Rahmen und die Details sind sehr interessant. Wenn man genauer hinsieht, handelt es sich um einen System- und Politikwechsel. Wie gehen Leute in einer Umbruchszeit miteinander um? Wer schlägt sich auf welche Seite? Wer nutzt die Gelegenheit, um aufzusteigen, an die Macht zu kommen, 38 OPER ARMINIO die Macht zu missbrauchen? Bei Varus ist der Fall klar. Er benutzt seine Macht, um sich Tusnelda gefügig zu machen. Das ist pure Obsession. Er liebt sie nicht, sondern will mit ihr schlafen. Von dieser fixen Idee ist er so besessen, dass er sogar ihren Mann Arminio rettet, um seine Frau weiter erpressen zu können. Solange Arminio lebt, kann Varus Tusnelda haben. Wenn er stirbt, verweigert sie sich ihm. Das ist die sadistische Seite dieser Geschichte. Sie verlegen die Handlung aus dem Jahre 9 n. Chr. in die Zeit der Napoleonischen Kriege. Warum? Natürlich kann man die Geschichte in der Römerzeit spielen lassen, aber diese Ästhetik ist heute durch die Sandalenfilme der 50er und 60er Jahre wie Ben Hur und Cleopatra verbraucht und wirkt kitschig. Außerdem glaube ich nicht, dass es das war, was Händel an dem Stoff interessierte. Bei ihm wurde auch nicht in Römerkostümen gespielt, sondern mit Perücken und Krinolinen der Mode seiner Zeit. Das Publikum kannte sich damals zwar gut in der Antike aus, aber im modernen Kostüm und Bühnenbild konnte Händel die Geschichte den Zuschauern näher bringen. Er wollte, dass sie sich mit den Protagonisten identifizieren. Als Regisseur muss ich heute dasselbe tun und etwas finden, womit sich das Publikum identifizieren kann. Das ist für mich die Situation, in der sich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation Anfang des 19. Jahrhunderts befand. Deutschland war damals in lauter kleine Fürstentümer zersplittert. Napoleon besetzte mit seinen Armeen das Rheinland, setzte die Fürsten ab und installierte neue Systeme. Er führte sogar ein neues Gesetzbuch ein, den Code Napoléon, dessen fortschrittliche Rechtsgrundsätze in unsere Rechtsprechung eingegangen sind. Das sind die deutlichen geschichtlichen Parallelen, die diese Zeit im süddeutschen Raum mit der Handlung des Arminio aufweist. Baden und Karlsruhe waren unmittelbar von diesen Vorgängen betroffen. Über Lieselotte von der Pfalz, die Schwägerin Ludwigs XIV., tangierte die Französische Revolution die Gegend sogar familiär. Darum dachte ich mir, dieser Systemwechsel hat mit der Karlsruher Lokalgeschichte zu tun, damit kann sich das hiesige Publikum identifizieren. Und er weist deutliche Parallelen zu dem Systemwechsel – Entmachtung der Kleinfürsten, Aufstieg des Imperiums – auf, der sich im Germanien Hermanns, des Cheruskers vollzog. Ich denke vor allem an die gescheiterte Flucht Arminios und Tusneldas zu Beginn der Oper. Das erinnert mich an die Flucht Marie-Antoinettes und Ludwigs XVI. 1791 aus Paris. Segeste erinnert an Philippe Égalité, einen Verwandten des Königs und Enkel Johannas von Baden-Baden, der schon zu Zeiten Ludwigs XV. in ständiger Opposition zu den Bourbonen stand. Eine weitere historische Parallele. Er wurde zum Kollaborateur der Revolution und verlor am Ende doch seinen Kopf. Ich war selbst erstaunt, wie perfekt diese Situation das Stück spiegelt. Wer in dieser Zeit nicht mit der Zeit ging, wurde umgebracht. Auf einen Zack! Und zwar auf der Guillotine. Ich habe mich da von Milo Formans Film Goyas Geister inspirieren lassen. Da geht es auch um diese große Zeitenwende. Der Film macht den Zeitgeist bis in kleinste Details nacherlebbar. Wer sich der neuen Epoche entgegenstellte, kam aufs Schafott. Andere, wie Pater Lorenzo Casamares, gespielt von Javier Bardem, Vorbild des Varus in meiner Inszenierung, wandeln sich total, vollziehen aber dann den Schritt zur nächsten Epoche nicht mit und scheitern später. Kann es da überhaupt ein Happy End geben? Es gibt keines. Varus stirbt, die Römer werden geschlagen, die Germanen siegen. Das ist eine Entweder-oder-Situation. Einer triumphiert, der andere unterliegt. Aber er stirbt nicht allein, sondern seine gesamte Armee geht mit ihm unter, was nicht auf der Bühne gezeigt wird. Arminio ist also keine Opera seria, wo am Ende alle einen fröhlichen Schlusschor singen. Darum stand für mich fest, dass Segeste geköpft wird und keine Gnade erhält. Was Arminio und Tusnelda widerfahren ist, ist unverzeihlich. Das gilt für alle Zeiten und Kriege. Heute bist du Gewinner, morgen gehst du aufs Schafott. Und so ist es auch in den „Konversationsstücken“. Dort gibt es immer Gewinner, Verlierer und ein zynisches Ende. Händel hat, glaube ich, versucht, in diese Richtung zu gehen, um an den Geschmack des Publikums heranzukommen. Es ist sicher kein Zufall, dass der Schlusschor in Moll steht. ARMINIO OPER 39 HELMUT STÜRMER SPRICHT MIT MICHAEL FICHTENHOLZ ÜBER „ARMINIO“ UNERWARTETE FREIHEIT Sie haben Bühnenbilder für Opern aus den unterschiedlichsten Epochen entworfen, von den Anfängen über die großen romantischen Stücke und die klassischen Meisterwerke bis hin zu Uraufführungen wie jüngst Anton Lubtchenkos „Doktor Schiwago“ in Regensburg. Worin besteht die besondere Herausforderung, eine barocke Oper auszustatten? Paradoxer- und unerwarteterweise lässt die Barockoper dem Bühnenbildner viel mehr Freiheit als andere Werke. Ihre Libretti sind nicht gerade das Gelbe vom Ei. Die Geschichten können mehr oder weniger frei interpretiert werden. Ihr Sinn ergibt sich erst im Zusammenwirken mit Bühnenbild und Musik. Die größte Gefahr barocker Opern liegt in der Versuchung, sie allzu realistisch anzugehen. Auch das andere Extrem, ein solches Werk vollkommen abstrakt zu inszenieren, widerspricht der Musik. Ihre spezifische Herausforderung liegt darin, einen passenden Rahmen für diese besondere Musiksprache zu finden. Dieser Rahmen aber ist relativ frei. Er darf die Musik weder illustrieren noch verschleiern. Die Geschichte muss verständlich und nachvollziehbar sein. Welches der richtige Schlüssel ist, hängt von jedem einzelnen Werk selbst ab. Beim Arminio liegt er für mich in der traumartig schwebenden Bühnenbewegung. Unser Bühnenbild ist durch die technischen Möglichkeiten der Karlsruher Bühne inspiriert, die wir ausschöpfen. Sie verfügt über drei individuell steuerbare 40 OPER ARMINIO Drehringe, denen wir im Zentrum noch eine vierte Drehbühne hinzugefügt haben. Es geht um die Magie der Bewegung. Außerdem fordert uns die Barockoper auf, ästhetisch aus dem Vollen zu schöpfen. Sie übertreibt, darf aber nie in die Karikatur kippen. Sie haben bereits bei Leonardo Vincis „Artaserse“ mit Max Emanuel Cencic als Titelheld zusammengearbeitet. Die Inszenierung ist faszinierend, weil ihre Buntheit, Opulenz und Extravaganz in Kostüm und Bühnenbild alle Grenzen sprengte. Bei „Arminio“ halten sie sich in dieser Beziehung etwas zurück. Liegt das an der Musik? Absolut. Bei Arminio gibt es keine Bravourarien à la Artaserse, in denen die Koloraturen wie Wasserfälle über das Publikum niederprasseln. Vincis Stil verlangt äußerste Opulenz. In Arminio ist die Musiksprache zurückhaltender. Das muss sich auch im Bühnenbild wiederspiegeln. Ich hoffe, dass die relative Schlichtheit der Bühne die besondere Atmosphäre dieser Oper überzeugend vermittelt. Dazu dienen auch unsere diskreten Videobeiträge. Sie spielen keine illustrative Rolle, ersetzen auch nicht die Geschichte, sondern schaffen eine besondere Atmosphäre. Warum haben sie die Handlung in die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert verlegt? Ging es ihnen um die Brutalität und den Zynismus dieser Epoche oder um das Zeitalter der Empfindsamkeit und Frühromantik? Wir haben uns von Goya inspirieren lassen. Wenn man sich seine Bilder an- schaut, erkennt man deutlich die Grausamkeit jener Zeit, aber es ist eine Grausamkeit, die paradoxerweise gelegentlich auch feinfühlig sein kann und sogar eine gewisse Poesie entwickelt. Da ist eine neue Ästhetik entstanden, die mich sehr fasziniert. Es ist eine Kunst in Zeiten des Krieges und in einer solchen spielt auch Arminio. Die Figuren in diesem Werk sind zynisch, brutal, zugleich aber auch unglaublich sentimental. Vielleicht bringt der Überlebenswille in solchen Extremsituationen solche Paradoxien hervor. Ich kann mir nichts Romantischeres vorstellen, als die berühmten Weihnachtsfeiern in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs, von denen mir einmal erzählt wurde. Da haben deutsche und russische Soldaten an der Front zusammen gesessen und gefeiert und gemeinsam Weihnachtslieder gesungen. Und am nächsten Morgen sind sie wieder in ihre Unterstände gekrochen und haben sich gegenseitig totgeschossen. ARMINIO OPER 41 MAX EMANUEL CENCIC Arminio & Regie Max Emanuel Cencic ist einer der weltweit faszinierendsten und vielfältigsten Künstler, der sich für die Wiederentdeckung und Aufführung der Musik des 18. Jahrhunderts einsetzt. Als Countertenor und künstlerischer Leiter seiner Firma Parnassus Arts Productions ist er die treibende Kraft hinter Wiederentdeckungen und Produktionen wie Vincis Artaserse (2012) und Catone in Utica (2015) sowie Siroe von Hasse (2014). Von Händel hat er bisher Alessandro, Tamerlano und Faramondo produziert, im Februar folgt zu den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN KARLSRUHE die Gesamtaufnahme des Arminio. Darüber hinaus produziert er seine eigenen Solo-CDs: Nach Rokoko wurde im Herbst 2015 mit großem Erfolg Arie Napoletane auf Decca veröffentlicht. Viele seiner CDs erhielten nationale und internationale Auszeichnungen, darunter der Preis der Deutschen Schallplattenkritik, der Echo Klassik in verschiedenen Sparten, zwei Grammy Nominierungen und der Diapason d’Or. Mit Siroe 42 OPER ARMINIO gab Max Emanuel Cencic außerdem sein Debüt als Opernregisseur. Die Produktion hatte ihre Premiere in Athen und war u. a. bisher an der Opera Royal de Versailles und beim Budapester Frühlingsfestival 2015 zu sehen. Mit Arminio bei den HÄNDEL-FESTSPIELEN debütiert der facettenreiche Künstler erstmals in der Doppelfunktion als Sänger der Hauptrolle, als Co-Produzent und Regisseur an einem deutschen Staatstheater. Max Emanuel Cencic war Mitglied und Solist der Wiener Sängerknaben, bevor er 1992 seine Solokarriere als Sopranist begann und von 2001 an als Countertenor auftrat. Er gastiert an bedeutenden Opernhäusern und bei Festivals auf der ganzen Welt, wie etwa an der Wiener Staatsoper, der Bayerischen Staatsoper München, dem Théâtre des Champs Elysées, der Wigmore und Barbican Hall in London, der New Yorker Carnegie Hall, dem Wiener Musikverein und dem Amsterdamer Concertgebouw. GEORGE PETROU Musikalische Leitung Der in Griechenland geborene George Petrou machte nach seinem Musikstudium am Konservatorium Athen, am Royal College und an der Royal Academy of Music in London und vor seiner internationalen Dirigentenlaufbahn bereits als Konzertpianist Karriere. Seit 2012 ist er Künstlerischer Leiter des renommierten Orchesters Armonia Atenea (vormals Camerata Athen). Gemeinsam gehen sie regelmäßig auf Europatournee und gastieren u. a. bei den Händelfestspielen Halle, der Opera Royal Versailles und in der Wigmore Hall London. 2014 debütierte Armonia Atenea als erstes griechisches Orchester bei den Proms der BBC und erhielten begeisterte Besprechungen. Zu den nächsten Höhepunkten gehört das Debüt bei den Salzburger Pfingstfestspielen im Mai 2016. Es sind in den letzten Jahren verschiedene viel umjubelte CDs auf Decca veröffentlicht worden: Dazu zählen die Gesamt- aufnahmen von Händels Alessandro und Hasses Siroe, Glucks Tenorarien mit Daniel Behle und Rokoko, ein Arienalbum von Max Emanuel Cencic mit Werken von Hasse. Internationales Aufsehen und euphorische Besprechungen erzielte außerdem Beethovens Prometheus. Parallel zur Karlsruher Opernproduktion erscheint im Februar 2016 Händels Arminio. Mit einem Arienalbum für Franco Fagioli geben Dirigent und Orchester im Herbst 2016 ihren Einstand beim Label Deutsche Grammophon. Für weitere Aufnahmen erhielt George Petrou Auszeichnungen wie den Gramophone-Editor’s Choice, Diapason d’Or und den Echo Klassik 2008. Der Künstler wird regelmäßig von großen europäischen Orchestern und Opernhäusern wie dem Nationaltheater Mannheim, der Oper Nizza, dem Staatstheater Darmstadt, dem Münchner Rundfunkorchester und dem belgischen B’Rock eingeladen. ARMINIO OPER 43 HELMUT STÜRMER Bühne & Kostüme Geboren in Temeswar, studierte er an der Nicolae-Grigorescu-Academy of the Arts in Bukarest bei Professor Paul Bortnovski. Dort wirkte er am Teatrul Bulandra von 1968 bis 1977 als Bühnenbildner. Weitere Stationen in Stuttgart, Frankfurt, Hamburg und Leipzig folgten, ebenso bei den Wiener Festwochen, am Wiener Burgtheater und an den Opernhäuern in Basel, Karlsruhe und Nürnberg. Helmut Stürmer gewann den Preis für das Beste Bühnenbild beim Ungarischen Theater Festival Pécs für Shakespeares Troilus und Cressida in der Regie von Silviu Purcarete und den Preis der Rumänischen Theatergewerkschaft für das beste Bühnenbild 2007/08 für Goethes Faust. Seit 1997 hat Stürmer Produktionen gemeinsam mit Silviu Purcarete verwirklicht. Darunter waren Tchechovs Drei Schwestern am Théâtre de l’Union, Limoges, Euripides‘ Die Bakchen am Wiener Burgtheater, 44 OPER ARMINIO Aeschylus’ Oresteia am Norske Teatret Oslo und mehrere Werke für die Oper Bonn. In der Spielzeit 2012/13 entwarf Helmut Stürmer Bühne und Kostüme für drei neue Stücke Purcaretes: Rachmaninoffs Opern Francesca da Rimini und Aleko am Teatro Colòn Buenos Aires und L’Artaserse von Leonardo Vinci an der Opéra National de Lorraine und an der Opéra Royal de Versailles. Zu seinen jüngsten Werken zählen die Kostüm- und Bühnendesigns für Ionescus Macbeth der Royal Shakespeare Company und Eötvös‘ Love and other Demons beim Glyndebourne Opera Festival, das auch in Vilnius, Köln und Straßburg gezeigt wurde. Weiter aktuelle Arbeiten sind Lubchhenkos Dr. Zhivago in Regensburg und Francesca da Rimini in Nancy. Am STAATSTHEATER hat er bereits u. a. das Bühnenbild zu Der fliegende Holländer in der Regie Achim Thorwalds entworfen. CORINA GRĂMOŞTEANU Kostüme ANGELA SAROGLOU Regieassistenz Die rumänische Bühnen- und Kostümbildnerin wurde 1983 in Constanța geboren. Ihre künstlerische Ausbildung an der Bukarester Nationaluniversität der Theater- und Filmkunst „Ion Luca Caragiale“ schloss sie 2006 ab. Neben Mitwirkungen an Kurzfilm- und anderen Projekten entwarf sie Bühnen- und Kostümbilder für Schauspielproduktionen an verschiedenen Theatern in Bukarest, darunter das Nationaltheater Bukarest, das Teatrelli Theater, das Metropolis oder das Odeon Theater. Es folgte eine Arbeit am Deutschen Staatstheater Temeswar, bevor sie 2015 am Theater Regensburg für Anton Lubtschenkos Oper Doktor Schiwago, inszeniert von Silviu Purcărete, die Kostüme kreierte. Angela Kleopatra Saroglou wurde in Thessaloniki geboren und studierte dort an der Hochschule der Künste bis 2003 Gesang. Als Sängerin stand sie in mehreren Produktionen der Kammeroper Thessaloniki auf der Bühne und war von 1993 bis 2008 Mitglied des von Antonis Kontogeorgiou geleiteten Macedonia-Chors. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE stellt sie sich in der Spielzeit 2015/16 an der Seite von Helmut Stürmer mit dem Kostümbild zu Händels Arminio vor. Von 2001 bis 2006 war sie als Regieassistentin am Megaron Thessaloniki und von 2007 bis 2012 an der Griechischen Nationaloper engagiert und arbeitete u. a. mit Giancarlo del Monaco und Graham Vick. 2003 assistierte sie Gian Carlo Menotti beim Festival dei due Mondi in Spoleto. 2012 wirkte sie bei Katars erste Opernproduktion mit. An der Griechischen Nationaloper inszenierte sie La Voyante von Henri Sauguet, L‘amante di tutte von Baldassare Galuppi und Bizets Carmen. ARMINIO OPER 45 LAYLA CLAIRE Tusnelda VINCE YI Sigismondo Layla Claire stammt aus Penticton, Kanada. Die Sopranistin studierte Gesang in Montréal sowie am Curtis Institute of Music. Zu ihrem Kernrepertoire zählen die großen Sopranpartien Mozarts, darunter Donna Anna – eine Partie, die sie in Glyndebourne und unter James Levine beim Tanglewood Festival sang –, Pamina, Susanna und Fiordiligi. Sie sang Konzerte u. a. unter Michael Tilson Thomas, Bernard Haitink, Yannick Nézet-Séguin und Louis Langrée. Vince Yi wurde in Südkorea geboren und wuchs in Kalifornien auf. Er studierte an der Boston University und an der University of Michigan. Sein Debut feierte Yi 2009 an der Carnegie Hall im Rahmen der The Song Continues-Serie der Marilyn Horne Foundation. Er erschien auf Europas Bühnen in der männlichen Hauptrolle in Johann Adolf Hasses Piramo e Tisbe. In der Spielzeit 2014/15 interpretierte sie die Gouvernante in The Turn Of The Screw an der Oper Zürich, Blanche in Poulencs Les Dialogues des Carmélites in Washington, Anne Trulove in The Rake’s Progress an der Met. 2015/16 kehrt sie an die Opernhäuser von Zürich und Pittsburgh zurück und wird bei den Salzburger Festspielen als Donna Elvira in Don Giovanni debütieren. 46 OPER ARMINIO 2013 trat er an der Oper Perm und im Teatro Real Madrid mit Peter Sellars Neuproduktion von Purcells The Indian Queen auf. In Leonardo Vincis Artaserse sang er 2014 die Titelrolle an der Opéra Royal de Versailles, der Oper Köln und im Amsterdamer Concertgebouw. Yi wirkte bei der szenischen Aufführung von Leonardo Vincis lange vergessener Oper Catone in Utica mit. In der Spielzeit 2015/16 verkörpert er an der Oper Frankfurt Fraarte in einer Neuproduktion von Händels Radamisto. RUXANDRA DONOSE Ramise JUAN SANCHO Varo Die aus Rumänien stammende Sängerin ist eine der gefragtesten Mezzosopranistinnen ihrer Generation. Ab 1992 war sie Mitglied der Wiener Staatsoper. Noch während ihres Engagements begann für sie eine internationale Karriere, die sie an die größten Opernhäuser führte, von der San Francisco Opera bis zur Metropolitan Opera, vom Royal Opera House Covent Garden London bis zur Pariser Opéra Bastille, vom Glyndebourne Festival bis zu den Salzburger Festspielen. Juan Sancho wurde 1982 in Sevilla geboren. Nach seinem Abschluss im Fach Klavier setzte er seine Studien an der Musikhochschule von Katalonien fort. Er arbeitete mit einigen bedeutenden Künstlern wie z. B. William Christie, Fabio Biondi, Alan Curtis und Diego Fasolis zusammen. Er debütierte an international renommierten Konzert- und Opernhäusern wie dem Teatro alla Scala Mailand, dem Barbican Center, Lincoln Center New York, Palais de Beaux Arts Brüssel und der Opéra National du Rhin. Weitere Engagements führten ihn an die Opéra national de Lorraine, Opéra de Versailles, das Festival in Aix-en-Provence und an die Oper Köln. Sie verkörperte alle wichtigen Partien ihres Faches, wie die Charlotte in Werther, Carmen, Octavian in Der Rosenkavalier, Sesto in La clemenza di Tito oder Rosina in Der Barbier von Sevilla. In der Spielzeit 2015/16 folgen Auftritte am Royal Opera House Covent Garden London als Komponist in Ariadne auf Naxos und als Eduige in Händels Rodelinda am Bolshoi-Theater Moskau. Als Interpret für Alte Musik wirkte er bei den vielfach ausgezeichneten Produktionen von Vivaldis Farnace, Händels Alessandro und Hasses Siroe mit. ARMINIO OPER 47 OWEN WILLETTS Tullio PAVEL KUDINOV Segeste Erste Erfahrungen als Sänger sammelte Owen Willetts in der Chorschule der Lichfield Cathedral und studierte anschließend an der Royal Academy of Music. Gegenwärtige und zukünftige Engagements umfassen u. a. den Narciso in Agrippina bei den HÄNDEL-FESTSPIELEN Göttingen, eine Tournee mit Les Musiciens du Louvre, den Eustazio in Rinaldo mit der Lautten Compagney Berlin, Händels Il trionfo am Opernhaus Halle und Pergolesis Stabat Mater mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment. Er sang auch an der Opera North, Nederlandse Reisopera und an der Finnischen Nationaloper. Der aus Russland stammende Bass schloss seine musikalische Ausbildung am Sobinov Konservatorium in Saratov ab. Sein Europadebüt gab der Bass als Ruslan in Glinkas Ruslan und Ljudmila am STAATSTHEATER KARLSRUHE. Darauf folgten Engagements als Sarastro, Selim in Il turco in Italia, Colline in La Bohème an der Wiener Volksoper, König Heinrich in Lohengrin beim Festival dei Due Mondi in Spoleto. Des Weiteren war er u. a. als Alidoro in La Cenerentola, Escamillo in Carmen an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf, als Ibn Khakia in Iolanta am Teatro Nacional de São Carlos in Lissabon zu erleben. Sein Amerika-Debüt gab er als Arsace in Händels Partenope mit dem Boston Baroque Orchester. Er arbeitet gemeinsam mit den wichtigsten Künstlern für historische Aufführungspraxis wie u. a. Laurence Cummings, Christian Curnyn, Emmanuelle Haim, Marc Minkowski und Raphael Pichon. 48 OPER ARMINIO Pavel Kudinov gastierte u. a. am Theater an der Wien, am Teatro Real in Madrid, am Theater Basel und an der Oper Leipzig. Eine intensive Zusammenarbeit verbindet ihn mit Dirigenten wie Christophe Rousset, Christopher Moulds und Marc Minkowski. ARMONIA ATENEA Orchester Armonia Atenea ist der neue internationale Name für die Camerata Athen. 1991 wurde das Orchester von der „Gesellschaft der Freunde der Musik“ in Verbindung mit der Eröffnung der Athener Konzerthalle Megaron gegründet. Seitdem fungiert die Armonia Atenea als deren Hausorchester. Seit 2011 tritt das Orchester wechselweise im Megaron und im neuerbauten Onassis-Kulturzentrum in Athen auf. Die Armonia Atenea ist sowohl mit der historischen als auch mit der modernen Aufführungspraxis bestens vertraut. Das Orchester setzt sich mit einem weitgefächerten Konzertrepertoire von der Barockmusik bis hin zur zeitgenössischen Musik des 21. Jahrhunderts ernsthaft und erfolgreich auseinander. Der Dirigent und Echo-Klassik-Preisträger George Petrou ist derzeit der Künstlerische Leiter des Orchesters. Das Orchester ist auf den berühmtesten Bühnen der Welt ein willkommener Gast, wie beispielsweise beim Musikverein Wien, dem Théâtre des Champs Élysées in Paris; den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik; sowie auch im Palais de Bozar in Brüssel; Arsenal von Metz, an der Opera von Monte Carlo und dem Grand Theatre von Aix-en-Provence. Das Orchester hat eine reichhaltige Diskografie. Zu den letzten Veröffentlichungen gehören die Weltpremiere-Aufnahmen von Händels Alessandro Severo und Glucks Il Trionfo di Clelia. Die Einspielung von Händels Oper Alessandro mit einer Starbesetzung ist bei Decca erschienen und hat von der internationalen Presse höchstes Lob geerntet. In der Saison 2013/14 wurden fünf neue Aufzeichnungen veröffentlicht, darunter Rokoko, das Soloalbum des Countertenors Max Emanuel Cencic. Dieses Programm wurde 2014 als Vorkonzert zu den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN in Karlsruhe präsentiert. ARMINIO OPER 49 ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST Kooperation mit der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) Gloria in excelsis Deo HWV deest Für Sopran, Streicher und Basso continuo (wiederentdeckt im Jahre 2001, vermutlich entstanden in Italien) 1. Gloria in excelsis Deo 2.Et in terra pax 3.Laudamus te 4.Domine Deus, Rex coelestis 5.Qui tollis peccata mundi 6.Quoniam tu solus sanctus ULIANA ALEXYUK Sopran BADISCHE STAATSKAPELLE KM. STEPHAN SKIBA Leitung CHRISTIAN-MARKUS RAISER Orgel DEKAN HUBERT STRECKERT Katholische Kirche PFARRER DIRK KELLER Evangelische Kirche S0 14.2. 10.30 EV. STADTKIRCHE am Marktplatz 50 ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST HAUPTALTAR DER SCHLOSSKIRCHE xxx 51 2. KINDERKONZERT PROFESSOR FLORESTAN UND MAESTRO EUSEBIUS PACKEN AUS: GEORG PHILIPP TELEMANN 6+ DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN TERO HANNULA Bariton CHRISTIAN FIRMBACH Florestan ULRICH WAGNER Eusebius & Musikalische Leitung DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN 1. Violine Andrea Keller, Wolfgang von Kessinger, Christoph Timpe, Helmut Hausberg, Michael Gusenbauer, Eva Scheytt 2. Violine Christoph Mayer, Anna Dmitrieva*, Jana Chytilova, Martin Kalista, Salma Sadek, Matthias Hummel Viola Jane Oldham, Klaus Bundies, Gabrielle Kancachian, Cathi Aglibut Violoncello Markus Möllenbeck, Gerhart Darmstadt, Berhhard Hentrich, Dmitri Dichtiar Violone David Sinclair, Michael Neuhaus Cembalo Rien Voskuilen Laute Sören Leopold, Michael Dücker Oboe Susanne Regel, Wolfgang Dey Fagott Rhoda Patrick *Stipendiatin der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe 2015 SO 14.2. 11.00 & 15.00 GROSSES HAUS ca. 1 Stunde, keine Pause 52 KONZERT KINDERKONZERT PROGRAMM Georg Philip Telemann (1681–1767) Tafelmusik III, 1 B-Dur TWV 55:B1 4. Satz „Postillons“ Ouvertüre G-dur „La Putain“ TWV Anh. 55:G1 5. Satz Rondeau „Der Hexen-Tantz“ Arie Nr. 17 des Pimpinone aus „Pimpinone“ „Ich weiß wie man redet“ Solo Tero Hannula Auszüge aus der Orchestersuite C-Dur TWV 55:C3 „Hamburger Ebb´ und Flut“ Gigue „Ebbe und Flut“ Canarie „Die lustigen Bots-Leute“ Harlequinade „Der schertzende Tritonus“ „Der stürmende Aeolus“ Lied mit Saalbeteiligung „Die schlechte Mahlzeit“ Tafelmusik I e-Moll TWV 55:E1 1. Lentement Ouvertüre B-Dur TWV 55:B3 8. Satz „Le sommeil“ Violinkonzert A-Dur TWV 51:A4 Die Frösche 1. Satz Allegro „Canarienvogel“-Kantate Arie Nr. 1 Ouverturensuite G-Dur TWV 55:G2 La Bizarre „Rossignol“ Suite G-Dur TWV 55:G10 Don Quichotte 6. Satz „Le Galope de Rosinante“ KINDERKONZERT KONZERT 53 ULRICH WAGNER Dirigent KS. TERO HANNULA Bariton Ulrich Wagner studierte an der Musikhochschule Köln Komposition bei Krzysztof Meyer und Mauricio Kagel sowie Dirigieren bei Volker Wangenheim. 1995 wurde er am Theater Krefeld-Mönchengladbach engagiert. Er war sieben Jahre lang Leiter des Niederrheinischen Konzertchors und konzipierte, dirigierte und moderierte über 50 Kinderkonzerte der Niederrheinischen Sinfoniker. 2003 wechselte er ans STAATSTHEATER KARLSRUHE und war dort als Studienleiter, Kapellmeister und Leiter des Opernstudios tätig. Seit Herbst 2009 ist er neben seinen dirigentischen Aufgaben Direktor des BADISCHEN STAATSOPERNCHORES und des Extrachores. In Karlsruhe dirigierte er zahlreiche Repertoirevorstellungen sowie als eigene Premieren Pimpinone, Das Feuerwerk, Der Kleine Prinz und die Uraufführung von Michael Nymans Love Counts. Seit 2005 ist Ulrich Wagner Lehrbeauftragter der Hochschule für Musik Karlsruhe für die Fächer Partiturspiel und Klavierauszugspiel. Der Bariton Tero Hannula stammt aus Finnland. Seine musikalische Ausbildung erhielt er in Wien, Helsinki und Turku. Nach seinem Debüt am Pfalztheater Kaiserslautern 1976 war er Ensemblemitglied am Nationaltheater Mannheim und am Staatstheater Stuttgart. Am Badischen Staatstheater Karlsruhe war er ab 1993 fest engagiert, wo ihm 2004 für seine künstlerische Arbeit der Titel Kammersänger verliehen wurde. Gastspiele führten den Sänger u. a. nach Wien, Hamburg, München, Zürich, Helsinki, Moskau und Sankt-Petersburg sowie zu den Savonlinna-Opernfestspielen und Semperoper Dresden. Sein Repertoire umfasst mehr als 120 Partien in Opern von Mozart, Donizetti, Verdi, Tschaikowsky, Bizet und Puccini. 54 KONZERT KINDERKONZERT DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN Die DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN wurden 1985 aus Anlass der Europäischen Jahres der Musik und der Wiederkehr des 300. Geburtstages von Georg Friedrich Händel für die vom STAATSTHEATER KARLSRUHE gegründeten INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE ins Leben gerufen. Absicht war es, die Rezeption händelscher Werke und der seiner Zeitgenossen mit einem Klangkörper, der durch sein verwendetes Instrumentarium die Aufführungsbedingungen des frühen 18. Jahrhunderts widerspiegelt, optimal zu unterstützen. Das Orchester setzt sich aus Spezialisten der europäischen Musikszene zusammen – als Solisten, Kammer- und Orchestermusiker spielen sie in verschiedenen Spitzenensembles der Historischen Aufführungspraxis. Unter den DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN befinden sich Hochschulprofessoren und -dozenten, die an deutschen und auch ausländischen Musikhochschulen unterrichten. Im Laufe der Jahre gab es Gastspiele der DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN in ganz Europa, zudem entstand eine Reihe von beispielhaften CD-Einspielungen mit bedeutenden Dirigenten für Alte Musik wie Charles Farncombe, Jean-Claude Malgoire, Nicholas McGegan, Roy Goodman, Arnold Östman und Andreas Spering. Das STAATSTHEATER „leistet“ sich als einziges Mehrspartenhaus in Deutschland alljährlich dies Festival-Orchester und sorgt somit neben den Produktionen der hauseigenen BADISCHEN STAATSKAPELLE mit den Aufführungen der DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN für eine lebendige und spannende Rezeption barocker Werke. KINDERKONZERT KONZERT 55 KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN GEORG FRIEDRICH HÄNDEL UND DIE KUNST DES KONTRAPUNKTS ANDREA KELLER Violine CHRISTOPH MAYER Violine JANE OLDHAM Viola GERHART DARMSTADT Violoncello und Moderation DAVID SINCLAIR Violone RIEN VOSKUILEN Cembalo DI 16.2. 20.00 KLEINES HAUS ca 2 Stunden, eine Pause 56 KONZERT KAMMERKONZERT PROGRAMM Giovanni Benedetto Platti (1697–1763) Concerto g-Moll con Violoncello obligato (Würzburg um 1740) Grave – Allegro – Largo e staccato – Allegro Johann Sebastian Bach (1685–1750) Motette „Lobet den Herrn, alle Heiden“ (Psalm 117) C-Dur BWV 230 (Instrumental-Fassung) Lobet den Herrn, alle Heiden, und preiset ihn, alle Völker! Denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit Alleluja. Anton Zimmermann (1741–1781) Concerto D-Dur per il Violone Principale, 2 Violini, Viola obligato, 2 Corni e Basso geschrieben für Josef Kempffer Allegro moderato – Andante – Allegro moderato – Pause – Johann Caspar Kerll (1627–1693) Canzona IV e-Moll für Cembalo (Amsterdam 1698) Georg Friedrich Händel (1685–1759) Drei Fugen aus Six Fugues or Voluntarys for the Organ or Harpsicord, op. 3 (London 1735 und Paris 1738) Fuga V (Largo) a-moll HWV 609 – London um 1717/18 Fuga VI c-moll HWV 610 – London um 1711 Fuga III B-Dur HWV 607 – London um 1717/18 Georg Friedrich Händel Concerto grosso B-Dur op. VI Nr. 7 HWV 325 (London 1739) Largo – Allegro – Largo e piano – Andante – Hornpipe KAMMERKONZERT KONZERT 57 ZU DEN WERKEN GEORG FRIEDRICH HÄNDEL UND DIE KUNST DES KONTRAPUNKTS Auf einer ähnlichen mitteldeutschen musikalischen Ausbildung fußend, war Georg Friedrich Händel ein ebenso großer Meister des Kontrapunktes wie Johann Sebastian Bach. Wie viele höchst kunstvolle und ergreifende Chor- und Instrumentalfugen hat er geschrieben! Das Konzert beginnt mit einem ungewöhnlichen Violoncellokonzert von Giovanni Benedetto Platti, geschrieben für den Grafen Rudolf Franz Erwein von Schönborn in Wiesentheid. Wie schreibt man ein Konzert für einen adeligen Dienstherren, der dann auch die Solopartie übernimmt? Ehe er sich herablässt, sich mit den angestellten Musikern gemein zu machen, spielt man erst einmal einen Satz ohne ihn als Solisten und lässt ihn in der folgenden Fuge erst allmählich und fast unauffällig auftreten. Wie Johann Mattheson, Händels früher Kollege und Konkurrent an der Hamburger Gänsemarktoper, sagte, ist die Instrumentalmusik eine Rede in Tönen, eine Klang-Rede, und so wird die kontrapunktisch meisterhaft gearbeitete Bachsche Motette „Lobet den Herrn“ ohne Worte erklingen. Einen Ausblick in die 58 KONZERT KAMMERKONZERT Zeit der Empfindsamkeit bietet ein wenig bekanntes Kontrabasskonzert des schlesischen Organisten Anton Zimmermann. Der zweite Teil des Konzertes ist der Fugenkunst Händels gewidmet. Die vier erstaunenswerten Cembalo-Fugen von Kerll und Händel fanden später neue Verwendung in Händelschen Vokalwerken. Das Konzert endet mit einem der schönsten Concerti grossi Händels, dem B-Dur-Concerto op. VI,7, das die Vergänglichkeit von Zeit zum Thema hat, mit einer regelrechten Zeit-Fuge. Eine der wesentlichen Forderungen der Musiker im 18. Jahrhundert war, vor einer Interpretation eines Werkes herauszubekommen, was ein Komponist beim Schreiben desselben empfunden und beabsichtigt hat. Über den eigenen Zugang des Ensembles der Deutschen Händel-Solisten zu der gespielten Musik und von diesem Forschen nach Inhalt aus angemessenem Ausdruck wird es im Laufe des Konzertes informativ und kurzweilig berichtet. Gerhart Darmstadt ANDREA KELLER Violine Die international gefragte Violinistin war zunächst Konzertmeisterin des von ihr mitbegründeten Concerto Köln und spielt in namenhaften Ensembles, wie u. a. den DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN sowie als Gastkonzertmeisterin im Kammerorchester Basel, dem Barockorchester Sevilla und Les Agréments musicales. CHRISTOPH MAYER Violine Der Geiger arbeitet als Vermittler der historischen Aufführungspraxis an moderne Orchester, was ihn u. a. an die Oper Zürich, zur Norddeutschen Philharmonie Rostock und als Gastdirigenten der Nizhny Novgorod Soloists nach Russland führte. 2006 wurde ihm von der Staatlichen GlinkaHochschule für Musik Nizhny Novgorod eine Ehrenprofessur verliehen. JANE OLDHAM Viola Die Geigerin und Bratschistin stammt aus Zimbabwe und war mehrere Jahre Mitglied der Deutschen Kammerakademie. Seit 1990 tritt sie mit Kammerorchestern in Europa auf, darunter die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, das Kölner Kammerorchester, Ensemble Oriole und Ensembles für Alte Musik wie die Cappella Coloniensis und das Freiburger Barockorchester. GERHART DARMSTADT Violoncello und Moderation Er hat sich als Solist, Kammermusiker, Continuospieler und Dirigent einen Namen gemacht. Er lehrt historische Aufführungspraxis, Barockvioloncello und Kammermusik. Kurse und Vorträge, CD- und Rundfunk-Aufnahmen sowie wissenschaftliche Veröffentlichungen weisen ihn als inspirierenden Interpreten und Pädagogen aus. Er wird das Konzert moderieren. DAVID SINCLAIR Violone Der Kanadier David Sinclair ist einer der einflussreichen Kontrabassisten der Alte-Musik-Szene. Er ist international bekannt für seine Arbeit an der Wiederentdeckung des „Wiener Kontrabasses“ und dessen Repertoire durch mehrere Solo-CD-Einspielungen, vor allem von Wiener Kontrabass-Konzerten (ARS Produktion). RIEN VOSKUILEN Cembalo Der Cembalist gründete das Ensemble La Fantasia. Darüber hinaus ist er als Solist tätig und wirkte bei zahlreichen Rundfunk- und CD-Aufnahmen mit, so mit der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Niederländischen Kammerorchester, dem Stuttgarter Kammerorchester und bei den KARLSRUHER HÄNDEL-FESTSPIELEN. KAMMERKONZERT KONZERT 59 60 xx DECKENGEMÄLDE BACCHUS UND ARIADNE xxx 61 TESEO Oper von Georg Friedrich Händel HWV 9 Libretto von Nicola Haym nach Thésée von Philippe Quinault Uraufführung 19. Dezember 1713 am Queen’s Theatre am Haymarket in London In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN 1. Violine Andrea Keller, Wolfgang von Kessinger, Christoph Timpe, Evgeny Sviridov*, Helmut Hausberg, Salma Sadek, Michael Gusenbauer, Eva Scheytt 2. Violine Christoph Mayer, Almut Frenzel, Jana Chytilova, Martin Kalista, Anna Dmitrieva*, Matthias Hummel Viola Jane Oldham, Klaus Bundies, Gabrielle Kancachian, Cathi Aglibut Violoncello Dmitri Dichtiar, Gerhart Darmstadt, Markus Möllenbeck, Berhhard Hentrich Violone David Sinclair, Michael Neuhaus Cembalo Marc Meisel a. G., Rien Voskuilen Laute Sören Leopold, Michael Dücker Traversflöte Susanne Kaiser, Annie Laflamme Oboe Susanne Regel, Wolfgang Dey, Kristin Linde, Thomas Jahn Fagott Rhoda Patrick, Marita Schaar Trompete Hannes Rux, Ute Rothkirch Pauke Peter Hartmann *Stipendiaten der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE 2015 WIEDERAUFNAHME SA 20.2. 15.00 GROSSES HAUS Weitere Vorstellungen 24.2. 19.00, 27.2. 19.00 ca. 3 Stunden 40 Minuten, Pause nach dem 3. Akt 62 OPER TESEO Teseo VALER SABADUS Agilea, seine Geliebte YETZABEL ARIAS FERNÁNDEZ Egeo, König von Athen FLAVIO FERRI-BENEDETTI Medea, seine Verlobte ROBERTA INVERNIZZI LARISSA WÄSPY Clizia, Geliebte des Arcane TERRY WEY Arcane, ein Vasall des Königs MEHMET ALTIPARMAK* Priester der Minerva CONSTANZE KIRSCH*, CARINA SCHMIEGER*, Chor der Athener KATHARINA SEBASTIAN**, LUISE VON GARNIER**, MEHMET ALTIPARMAK*, KAI KLUGE*, DEREN MEHMET ELADAG**, HAKAN ÇIFTÇIOĞLU* *Opernstudio **Studierende der Hochschule für Musik Karlsruhe Musikalische Leitung MICHAEL FORM Regie DANIEL PFLUGER Bühne FLURIN BORG MADSEN Kostüme JANINE WERTHMANN Licht RICO GERSTNER Mitarbeit Kostüm KERSTIN GRIESSHABER Video BENEDIKT DICHGANS, PHILIPP ENGELHARDT Dramaturgie MICHAEL FICHTENHOLZ Musikalische Assistenz MARC MEISEL Studienleitung STEVEN MOORE Regiemitarbeit NELE TIPPELMANN Hospitanz MILENA-MARIA SMACZNY Bühnenbild-Assistenz SANDRA DENNINGMANN Kostümassistenz STEPHANIE GAISSERT Übertitel PASCAL PAUL HARANG Soufflage EVELYN WALLPRECHT Inspizienz UTE WINKLER Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühne RUDOLF BILFINGER, EKHARD SCHEU Leiter der Beleuchtung STEFAN WOINKE Licht RICO GERSTNER Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton GUNTER ESSIG, JAN PALLMER Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Malersaal GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG, BERNHARD BUSSE Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS MAHLER, NICOLE EYSSELE, VALENTIN KAUFMANN Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske SABINE BOTT, MARION KLEINBUB, PETRA MÜLLER, SOTIRIOS NOUTSOS, KARIN GRÜN, INKEN NAGEL, ANDREA WEYH, SANDRA OESTERLE, MIRIAM HAUSER TESEO OPER 63 ZUM INHALT VORGESCHICHTE 2. AKT Vom Wunsch nach einem Thronfolger erfüllt, befragt Egeo (Aigeus), König von Athen, das delphische Orakel. Er erhält einen Spruch, den er nicht versteht. Auf dem Heimweg rastet er in Troizen. Dort macht ihn König Pittheus betrunken und verkuppelt ihn mit seiner Tochter Aithra. Am nächsten Morgen erschrickt Egeo vor seiner Unbeherrschtheit und macht sich aus dem Staub. Zuvor legt er Schwert und Sandalen unter einen Stein. Sollte die Frucht der Nacht ein Heldensohn werden, würde er die Gaben finden und zu ihm heimkehren. Theseus wächst am Hof von Troizen auf, ohne seinen Vater zu kennen. Als er stark genug ist, den Stein wegzurollen, offenbart ihm seine Mutter seine Identität. Er macht sich inkognito nach Athen auf, um seinen Ruf nicht seinem Namen zu verdanken, und vollbringt unterwegs wie sein Vorbild Herakles zahlreiche Heldentaten zum Wohle der Menschheit. In Egeos Palast: Egeo schreibt den Sieg der Athener Medeas Zauberkünsten zu. Um ihre Gunst nicht zu verlieren, trägt er ihr statt seiner Hand die seines Sohnes an, den er nicht kennt. Medea durchschaut Egeo, geht aber nicht auf das Angebot ein, da sie Theseus liebt. Egeos Rat Arcane meldet, das Heer habe Theseus zum Nachfolger Egeos ausgerufen. Egeo wird von Eifersucht gepackt. 1. AKT Im Palast: Arcane und Agileas Hofdame Clizia lieben sich. Arcane sucht Egeo auf, um seine Zustimmung zu ihrer Heirat zu erbitten. Agilea eröffnet Theseus, dass auch Egeo um ihre Hand anhält. Theseus geht zu ihm, um ihn umzustimmen. Arcane überbringt Agilea Egeos Befehl, sich auf die Hochzeit mit ihm vorzubereiten. Medea versucht, Agilea zum Verzicht auf Theseus zu nötigen. Als sie sich weigert, verwandelt die Zauberin den Palast in eine Wüste voller Höllengeister, Dämonen und Ungeheuer. Medea ruft die Furien aus der Unterwelt herauf, Agilea zu foltern. Athen befindet sich im Krieg mit einer ungenannten Macht. Theseus kämpft an der Seite der Athener, ohne seine Identität zu enthüllen. Agilea flieht in den Parthenon, um sich dem Schutz der Göttin Athene anzuvertrauen. Die verwaiste Tochter eines entmachteten Königs hat bei Egeo Asyl erhalten. Nach errungenem Sieg will er sie trotz des Altersunterschieds zur Frau. Sie weist ihn damit zurück, dass er bereits Medea die Ehe versprochen habe. In Wirklichkeit liebt sie Theseus. Medea, die nach ihrer Flucht aus Korinth, wo sie Jason ins Unglück stürzte, in Athen untergekommen ist, möchte dort Königin werden. 64 OPER TESEO Platz in Athen: Das Volk huldigt Theseus. Er bittet es, sich zu zerstreuen. Medea enthüllt Theseus Egeos Eifersucht und bietet ihm ihre Zaubermittel gegen seine Liebe an. Theseus lehnt ab, da er Agilea liebe. Medea rast nun ihrerseits vor Eifersucht und schwört, die Rivalin zu vernichten. 3. AKT 4. AKT 5. AKT Arcane berichtet Egeo, was sich zugetragen hat. Dieser eilt davon, Medea zu vergiften. Arcane stellt fest, dass dieselbe Liebe, die Egeo und Medea zum Wahnsinn treibt, ihn zu sich selber bringt. In ihrem Zauberschloss grübelt Medea, wie sie ihre aufgewühlten Leidenschaften beruhigt. Den geliebten Theseus zu töten, würde sie in ewiges Leid stürzen, Agilea geliebt zu sehen, ihre Eifersucht verewigen. Alle drei sollen sterben, Theseus von der Hand des eigenen Vaters. Medea reicht Egeo einen Giftbecher, den er Theseus zum Trinken geben soll, um sich am Räuber seines Thrones und seiner Liebe zu rächen. Egeos Vernunft sagt ihm, er solle dem Affekt widerstehen. Schließlich siegt die Natur. Theseus wirft sich dem König zu Füßen. Egeo heuchelt Großmut und reicht Theseus den Giftbecher. Dieser schwört ewige Vasallentreue auf sein Schwert. An der Waffe erkennt Egeo seinen Sohn und entreißt ihm das Gift. Medea flieht. Egeo spürt, wie es ist, andere glücklich zu machen, und vereint auch Arcane und Clizia. Medea setzt den Palast in Brand. Athene, die Göttin der Vernunft, schwebt vom Himmel herab und gebietet dem Wüten der Elemente und Affekte Einhalt. Die Bühne verwandelt sich wie zu Beginn in den Parthenon. Vernunft und Affekt schließen Frieden: Harmonie ist der Preis wahrer Liebe. Szenenwechsel: Medea unterwirft Agilea sadistischen Prüfungen. 1. Prüfung: Geleitet von Geistern des Schlafes schwebt der Schatten des Theseus herab. Agilea fleht ihn an, sie zu erhören. Er hört sie nicht. 2. Prüfung: Medea befiehlt den Furien, Theseus zu töten, falls Agilea nicht auf ihn verzichtet. Agilea überwindet sich und entsagt. 3. Prüfung: Medea fordert, Agilea solle Theseus’ Liebe zurückweisen. Dazu lässt sie ihn auf einer Zauberinsel der Liebe wieder aufwachen. Er umwirbt Agilea, doch sie bleibt, wie Medea befahl, stumm. Medea redet ihm ein, seine Geliebte ziehe Egeos Krone seinem Herzen vor und geht ab. 4. Prüfung: Agilea darf sich nicht wehren. Sie gibt alles zu, versucht ihm aber durch die Blume anzudeuten, dass sie unter Zwang handelt. Theseus missversteht und enthüllt seine königliche Geburt, da er glaubt, es ginge ihr um die Krone. Sie reißt sich verzweifelt los, um Egeo zu heiraten und das Leben ihres Geliebten zu retten. In diesem Moment öffnet sich eine schwarze Wolke: Medea, in ihr verborgen, hat alles mitgehört. Sie heuchelt Großmut: Bezwungen von so selbstloser Liebe wolle auch sie das Glück der Selbstlosigkeit erfahren und den Liebenden helfen. Text von Nicolas Haym nach Quinaults Thésée für Lully (1675) TESEO OPER 65 PROJEKT DA CAPI Die Sänger der Barockzeit standen immer vor der Herausforderung, ihre Arien so zu verzieren, dass der Ausdruck des jeweiligen Affektes zusätzlich verstärkt wird und beim Zuhörer kein Zweifel bleibt, in welchem Gemütszustand sich die Bühnenfigur gerade befindet. Michael Form hat einige seiner Kollegen vor diese Herausforderung gestellt und sie gebeten, jeweils zu einer schnellen und einer langsamen Arie die Verzierungen des Da-capo-Teils zu komponieren. Ein Projekt, das der Karlsruher Aufführung des Teseo im wahrsten Sinne des Wortes eine besondere Note verleiht. 1. AKT Agilea Deh serbate Arcane Ah! Cruda gelosia Agilea M’adora l’idol mio Juan Manuel Quintana Buenos Aires Thomas Leininger Basel Thomas Leininger Basel 2. AKT Medea O stringero nel sen Alessandro Ciccolini Senigallia 4. AKT Agilea Amarti si vorrei Juan Manuel Quintana Buenos Aires 5. AKT Medea Moriro Alessandro Ciccolini Senigallia Alle weiteren Arien wurden von Michael Form und dem Sängerteam verziert. 66 OPER TESEO YETZABEL ARIAS FERNÁNDEZ TESEO OPER 67 ZUM STÜCK EIN NEUER LULLY? Händels Teseo und die englische Politik Teseo ist Händels 9. Oper. Das Textheft, das dem Publikum am 10. Januar 1713 an den Eingängen des Londoner Haymarket-Theatres als Programm zum Mitlesen verkauft wurde, bezeichnet sie im Untertitel als „Dramma Tragico, per Musica“. Das ist ein Hinweis auf die Vorlage des Librettos. Kein anderes Werk des Komponisten weist eine derartige Spezifizierung auf. Seine fünf Hamburger Opern hießen „Sing-Spiel“, die beiden für Florenz und Venedig „Drama per musica“, die für London „Opera seria“. „Dramma Tragico, per Musica“ ist die wörtliche Übersetzung von „Tragédie lyrique“. Gebildete Leser erkannten dahinter Philippe Quinaults Tragédie lyrique Thésée, 1674 für Lully geschrieben und am 15. Januar des folgenden Jahres vor Ludwig XIV. im königlichen Schloss St. Germain-en-Laye uraufgeführt. Thésée war einer der Erfolgstitel der französischen Oper. Er wurde allein in Paris bis 1779 zwölf Mal neu inszeniert, unter anderem 1707/08, wo Händels Librettist Nicola Francesco Haym ihn gesehen haben kann. Quinaults Stoffwahl hatte 1675 eine besondere Bedeutung. Thésée ist ein Glanzstück politischer Propaganda. Lud68 OPER TESEO wig XIV., der in eine chaotische Epoche jahrzehntelanger europäischer Kriege und Bürgerkriege hineingeboren wurde, schuf mit harter Hand „Frieden“ in seinem Land, eine ihm unterworfene Verwaltung und – ebenfalls eine Novität – ein gut ausgebildetes und gut bezahltes ganzjähriges Berufsheer. Das nutzte „der neue Mars“, um Frankreichs Grenzen vorzuschieben und zu „begradigen“. Jeder der vielen Feldzüge, die „der siegreiche Held“ ab 1667 jährlich führte, wurde nach seiner Heimkehr mit einem Triumphfest oder einer neuen Oper verherrlicht, in deren Prolog er als unbesiegbarer Stratege, Liebling der Venus, Förderer der Musen und des Gewerbefleißes gefeiert wurde. Die Kenntnis dieser Opern und Feste wurde in Prachtdrucken international verbreitet, um Frankreich als militärisch wie kulturell führende Macht Europas zu propagieren. Dass Ludwig sein Land durch Krieg und Luxus ruinierte und den Glanz des Hofes durch totale Ausbeutung seiner Untertanen finanzierte, gehört zur Kehrseite einer Medaille, die uns aus den Diktaturen und Semidiktaturen des 20. und 21. Jahrhunderts bekannt ist. Der Prolog von Quinaults Thésée spielt „in den Gärten von Versailles“, das 1674 eine Großbaustelle war und schmeichelte dem König, indem er ihm schon jetzt auf der Bühne vorführte, wie sein Schloss in fünfzehn Jahren einmal wirken sollte. Haym konnte darauf in seiner Bearbeitung verzichten. Händels Oper diente nicht mehr französischer Propaganda. Ihr Gehalt aber sitzt so tief in der DNA des Stücks, dass es ohne sie nicht zu verstehen ist. Auch Haym, der Quinaults Tragédie lyrique ohne große Änderungen übersetzt und an das Schema der Opera seria anpasst, das heißt Chöre und Ballette tilgt und die langen Mono- und Dialoge in Rezitative und Da-capo-Arien auflöst, stellt Theseus als unbesiegbaren Feldherrn dar. Außerdem als Idealbild eines Helden, unwiderstehliches Objekt der erotischen Begierde zweier Primadonnen, Überwinder höllischer Zauberkräfte, womit im Frankreich von 1674 die reformierte Ketzerei des Kriegsgegners, der Niederlande gemeint war, und größten König von Athen. Er muss sich sein Reich durch kriegerische Tapferkeit, charakterliche Vorbildlichkeit, Charme und Wohltätigkeit verdienen. Quinault erklärt Frankreich damit zum zweiten Athen. englische Königin hingegen handelte gerade den Utrechter Frieden aus und legte damit den Grundstein für den Aufstieg des British Empire. Sie nahm Frankreich seine nordamerikanischen Kolonien ab, ließ sich das Monopol über den südamerikanischen Sklavenhandel garantieren, erzwang die Herrschaft über die Meerenge von Gibraltar und verdrängte Spanien als Seemacht. Als Aktionär mehrerer Handelsgesellschaften wollte auch Händel zwei Jahre später davon profitieren. Machte Haym aus dem Propagandastück für Ludwig eines für Queen Anne? Bei Haym scheint das Thema der jungen Generation Teseo und Agilea, die das gründlich abgewirtschaftete, in seine eigenen Lügen verstrickte System des Vaters Egeo und der Stiefmutter Medea ablöst, auf den ersten Blick leer zu laufen. Warum drängte er Händel dann aber ausgerechnet dieses Libretto auf? 1712/13 lag England mit Frankreich im Krieg. Ludwig war alles andere als eine Lichtgestalt: Ein bigotter, verbitterter, starsinniger Greis, der bleierne Stagnation über sein Land verhängte – eher Egeo denn Teseo. Die Händel hatte allen Grund dazu, der Königin zu huldigen. Nach dem Erfolg seiner Agrippina in Venedig wurde er von mehreren gekrönten Häuptern Europas umworben, deren Höfen er auch allen einen Inspektionsbesuch abstattete. London beehrte er Ende 1710 bis Sommer 1711, feierte am Queen’s Theatre mit Rinaldo Triumphe und widmete das Stück der Königin, die sich mit einer lebenslangen Pension dafür bedankte. Dann schaute er sich noch einmal in Hannover und Düsseldorf um, um sich Mitte 1712 endgültig für London zu entscheiden. Der Vergleich der Partituren zeigt, dass sich der Fokus tatsächlich von dem weitgehend passiven Teseo auf die aktive Agilea verschiebt. Immerhin wurde Theseus. An Opera im „Queen’s Theatre in the Hay-Market“ uraufgeführt, wie das Titelblatt kursiv hervorhebt. Haym borgte sich den kulturellen Glorienschein des Sonnenkönigs, um einer Sonnenkönigin zu huldigen. Ein probates Mittel barocker Überbietungsrhetorik: Ludwig war größer als Theseus, Anne ist größer als Ludwig … TESEO OPER 69 Zielstrebig warb der 27-Jährige um Anne. Noch während der Proben zu Teseo und bevor die Verträge unterschriftsreif waren, komponierte er im Auftrag des Königshauses das Utrechter Te Deum, das am 14. Januar 1713 fertig war und pünktlich zur Proklamation des Friedens am 31. März bzw. zum Festgottesdienst am 13. Juli in St. Paul’s Cathedral bereit lag. Anschließend schrieb er Lucio Cornelio Silla und widmete die Oper dem Sonderbotschafter Ludwigs XIV. bei den Londoner Friedensverhandlungen. Darauf entstand die Ode to the Birthday of Queen Anne, die aber erst am 6. Februar 1714 in Windsor Castle uraufgeführt wurde und deren sieben Strophen mit dem Refrain schließen: The day that gave great Anne birth Who fixed a lasting peace on Earth. Auch Händels nächste Oper, Amadigi (1715), geht auf ein Quinault-Libretto zurück. Eine Aussöhnung mit Frankreich lag 1713ff. auf der Regierungslinie, um einem Übergewicht des Hauses Habsburg auf dem Kontinent entgegenzutreten. Nicht auszuschließen also, dass Händel Annes Lully werden und in ähnlicher Weise an Großbritanniens Aufstieg partizipieren wollte wie Ludwigs Hofkomponist an demjenigen Frankreichs ein Menschenalter zuvor. Dass er auf Thésée zurückgriff, um dies zu signalisieren, war geschickt. Anne wurde bis 1670 in Frankreich erzogen. Ihre Erinnerungen an die Glanzzeit des Sonnenkönigs hatten sich verklärt. Es war also vielleicht mehr als Konvention, als Minerva am Schluss des Teseo in einer Wolkenaureole vom Schnürboden herab70 OPER TESEO schwebte und ihr Priester den Anwesenden verkündete, es sei „durch das Wirken höherer Weisheit ein ewiges Werk gelungen, das selbst die Kräfte der Hölle nicht zerstören können“. Jede Seele, heißt es im Schlusschor, freue sich dieses schönen Tages, an dem das blutige Wüten der Hölle endgültig zu Ende sei und der den Menschen wieder sein lachendes Antlitz zeige, indem er den von allen ersehnten Frieden zurückbringe. An die Stelle der dramatischen Prologe in der französischen Oper treten in der italienischen die zeitgemäßeren Widmungsepisteln, die den Libretti vorausgehen. Diejenige des Teseo richtet sich an den 18-jährigen Richard Boyle, in dessen Palast der Komponist 1712 bis 1717 wohnte, und an dessen Mutter, die Kammerfrau der Königin. Solange Anne lebte, baute Händel also mit aller Energie ein dichtes Netz aus Kontakten und Fürsprechern um sie auf. Teseo ist eine der Maschen dieses Netzes. Boris Kehrmann VALER SABADUS, ROBERTA INVERNIZZI xxx 71 ZUR INSZENIERUNG FEIER DES GEFÜHLS Daniel Pfluger im Gespräch mit Operndramaturg Boris Kehrmann Du inszenierst Schauspiel und Oper mit Stoffen von der Antike bis zur Gegenwart. Worin siehst Du das Spezifische an der Barockoper? Ich sehe diese Art Oper nicht, sondern spüre sie. Ich habe schon während meiner Regie-Ausbildung angefangen, mit Barockmusik zu arbeiten. Auch im Schauspiel, wo ich sie für Improvisationen nutze. Sie ist eine Form, die einen höheren Anknüpfungspunkt an heutige, wahrhaftige Gefühle hat als z. B. Verdi. Sie bietet einen Freiraum zwischen den Noten, den man mit seinen eigenen Sehnsüchten, Gefühlen, Bildern füllen kann. Darum funktioniert sie gerade für meine Generation unglaublich gut. Ist es ein Wunder, dass die HÄNDEL-FESTSPIELE immer ausverkauft sind? Barockmusik spricht etwas in uns an, das wir in anderen Formen von Musik nicht finden. Wie wirkt sich das in Deiner Arbeitsweise aus? 72 OPER TESEO Ich versuche, die eigenen Erfahrungen, die das Publikum während der Aufführung einer Barockoper machen kann, nicht durch Überinterpretation zu verbauen. Ich arbeite mit meinem Team Flurin Borg Madsen und Janine Werthmann schon seit Langem sowohl im Schauspiel als auch in der Oper daran, Ästhetiken zu finden, die eine andere Form von Wahrnehmung zulassen, die es z. B. ermöglichen, dass Barockmusik atmen kann, dass unser Bild die Zuschauer einlädt, Räume in der eigenen Phantasie entstehen zu lassen. Du verstehst Eure Arbeit also als Stimulans? Ja, als szenisches und optisches Stimulans. Nun ist „Teseo“ eine ganz besondere Oper von Händel … Ja! Es ist ein Jugendwerk und es ist französisch geprägt. Letzteres heißt, dass „Teseo“ eine klassizistische Dramaturgie hat, die den Zuschauer streng an die Kandarre nimmt. Das finde ich nicht. Natürlich ist Teseo nicht so frei wie z. B. Alessandro. Dessen Geschichte kann man in drei Sätzen zusammenfassen. Teseo hat dagegen eine reiche und verzwickte mit vielen Umschwüngen, die dramaturgisch genau erzählt werden wollen, damit man in die Gefühle der Arien einsteigen kann. Ich empfinde das als Vorteil. Teseo ist eine der wenigen mir bekannten Händel-Opern, die so präzise und fordernd gebaut sind und so eine emotionale Entwicklung durchlaufen. Und wie ist das mit der ideologischen Botschaft, auf die die „Zauberflöten“-hafte Prüfungshandlung hinausläuft? Die Macht der Vernunft besiegt das Chaos der Gefühle? Für mich ist Teseo eher eine Feier der Emotionen in einer rationalistischen Welt. Wenn man ehrlich ist, versagt Agilea in der Prüfungshandlung ja total. Ihre Tränen verraten sie. Die Feier der Vernunft würde ich in der Rahmenhandlung um Athene gelten lassen, aber nicht in der eigentlichen Geschichte. Agilea schafft es nicht, ihren Affekten zu entsagen. Und dann singt sie die schönste Arie der ganzen Oper, in der ihre Gefühle so wahrhaftig zum Ausdruck kommen, dass sogar eine zutiefst verstockte Person wie Medea sich ihr öffnen muss und ihr zu Füßen liegt. Glaubst Du Medea das? Ja. Wie interpretierst Du dann ihren Rückfall im 5. Akt? Sie kann nicht anders, das ist das Tragische an ihr: Sie wäre gern ein guter Mensch, kann es aber nicht sein, weil zu viel in ihr zerstört wurde. Sie beschreibt das in der Oper selbst immer wieder. Medea hat in ihrem Leben und für ihre Liebe schon so viel geopfert, u. a. ihren Bruder und ihre eigenen Kinder, das muss man sich mal vorstellen! Das möchte ich ernst nehmen. Darum bringe ich die toten Kinder auf die Bühne als Zeichen, dass die Vergangenheit diese Frau nie los lässt. Auch am Ende des 4. Aktes wieder, wo man sich wünscht, dass das jetzt das Happy End ist. Medea sagt: Ich werde euch helfen. Und für einen kurzen Moment ist das auch die Wahrheit. Das ist kein Trick. Ich möchte nicht, dass es einer ist. Man könnte es so inszenieren, aber ich will Medea die Chance geben, jemand zu sein, der lieben kann, der Liebe und Gefühle in sich trägt. Sie wird ja auch mit einer Musik eingeführt, die so leicht und hoffnungsfroh ist und dann in eine Rachearie umbricht. Das ist für mich das Politische an dieser Oper: Die Frage des VergebenKönnens. Wenn man sich z. B. den GazaKonflikt anguckt, verstehe ich eine Figur wie Medea. Wie sollen die Wunden, die da zwischen diesen zwei Parteien aufgerissen wurden, jemals verheilen können? Wichtig bei Teseo ist der Krieg als Ausgangspunkt der Handlung. Wie gehst Du damit um? TESEO OPER 73 Der Krieg findet draußen vor den Toren statt. Darum gibt es bei uns einen Innenraum, der die Figuren vor ihm schützt. Er hat etwas Bunkerartiges in all der Doppeldeutigkeit eines Schutzraumes: Er schützt die Insassen, sperrt sie aber auch ein und wirft sie auf sich selbst zurück. Sie müssen sich mit sich selbst auseinandersetzen. Das Faszinierende an dieser Oper liegt darin, dass sie in der Mitte das Konzept der Kammeroper verlässt und zu einer Zauberoper wird. Das ist wie in Tarantinos From Dusk till Dawn, der als Road-Movie beginnt und dann zum Horrorfilm mutiert. Ähnlich spielt sich Teseo zu Beginn nur in tempel- oder palastähnlichen Räumen ab. Bei uns wird das ein und derselbe Raum sein, und der Krieg draußen bleibt auch dort. Man wird immer das Gefühl haben, es tut sich hinten irgendetwas. Zeigst Du die Zauberoper als Maschinenspektakel im Sinne der Barockoper? Die Zauberei ist ja eine Illusion. Das ist eine Art „Holodeck“, eine simulierte Realität auf einem Raumschiff, wenn man in Star Trek-Weise denkt. Sie ist nur dazu da, dass sich Teseo in diesem Augenblick nicht in Gefahr wähnt und sofort zu den Waffen greift, sondern das Gefühl hat, alles ist gut und wir können hier weiter unsere Emotionen verhandeln. Dafür ist die Insel da. Sie entsteht in dem Moment, in dem Teseo aufwacht und gefährlich werden könnte. Wir lassen dafür den geschlossenen Raum durch Licht und Farben abstrakter werden, aber wir zeigen keine Insel. Wir suchen Ästhetiken, die eine andere Rezeption von Vorgängen ermöglichen. Der erste Raum ist sehr klar. Irgendwann verschwimmen 74 OPER TESEO die Perspektivlinien und damit die Wahrnehmung. Der Zauberaspekt besteht darin, welche Phantasien sich öffnen. Wenn ich eine realistische Insel mit Palmen hinstellen würde, wäre die Geschichte auserzählt. Ist es für Dich wichtig, dass Medea eine Zauberin ist? Es wäre fatal, das auszuklammern. Dann würde man ihre Macht beschneiden und dem Stück die Dimension des Außergewöhnlichen und Grundsätzlichen rauben. Du hast Dich in deinen Inszenierungen intensiv mit Mythen auseinandergesetzt. Hat „Teseo“ auch eine mythische Qualität für Dich? Klar hat er das. Mich interessieren die Grenzbereiche, wo die Vernunft aufhört und wir anfangen müssen, uns mit Tradition, Glaube, Spiritualität, Phantastik auseinanderzusetzen, weil ich glaube, dass das der Ursprung meiner Kunst ist. In der Mythologie steckt viel mehr Möglichkeit der Reflexion, als in der Psychologie. HÄNDEL & FRANKREICH Michael Form im Gespräch mit Operndramaturg Boris Kehrmann „Teseo“ ist die neunte der 42 Opern Händels und die dritte für London. Er war 27 Jahre, als er sie schrieb. Entdecken Sie Merkmale eines Jugendwerkes daran? Mit 27 Jahren war ein Mensch des Barock kein Jugendlicher mehr. Als Jugendwerk würde ich Stücke wie Händels erste Oper Almira bezeichnen, die 2005 bei den HÄNDEL-FESTSPIELEN in Karlsruhe aufgeführt wurde. Ich habe damals im Orchester mitgespielt. Bei Teseo haben wir es meines Erachtens mit dem voll entwickelten Händel zu tun, der sich aber noch nicht durch die im besten Sinne routinierte Schreibweise des späten Händel auszeichnet. Wodurch unterscheidet sich „Teseo“ von anderen Händel-Opern? Aus meiner Sicht kann man einem Werk wie Teseo nur gerecht werden, wenn man sich die französische Vorlage, den Thésée von Quinault und Lully, anschaut. Das klas- sische Opera-seria-Prinzip, dass jeder Protagonist in der Exposition seine erste Arie singt und dann quasi ein zweiter, dritter, vierter Zyklus beginnt, wird in Teseo nicht befolgt. Agilea tritt gleich mit zwei Arien auf, und auch später singen die Darsteller immer wieder zwei hintereinander. Händel hält sich hier nicht an die Regel der so genannten Abgangsarie. Außerdem finde ich an Teseo seine Kurzweiligkeit interessant. Das ergibt sich aus der Italianisierung eines französischen Librettos zur Opera seria. Deshalb sind die Arien viel kürzer als sonst. Wir finden in den fünf Akten dieselbe Anzahl wie in Händels dreiaktigen Opern, nur ist Teseo über eine Stunde kürzer. Kannte Händel Lullys „Thésée“? Das wissen wir nicht. Da Lully in Hamburg gespielt wurde, kann ich es mir aber vorstellen. Welche französischen Einflüsse weist die Musik von „Teseo“ auf? TESEO OPER 75 Das fängt mit der Ouvertüre an, die bei Händel aber fast immer französisch ist. Im Detail findet man dann viele französische Spuren. Die erste Agilea-Arie ist z. B. mit einem französisch-fünfstimmigen Streichersatz orchestriert. Die Behandlung der Mittelstimmen erinnert an die französischen „parties“. In Medeas Arie Quell’amor Anfang des 2. Aktes erscheint meiner Kenntnis nach zum einzigen Mal ein tiefes B im Bass bei Händel, das man nur mit Lullys Basse de violon spielen konnte. Es ist erstaunlich, dass es ausgerechnet in Teseo vorkommt. Wie sieht es in der Rhythmik aus? Es gibt auffällig viel punktierten Rhythmus, was die Italiener „alla francese“ nannten. Und natürlich die „inégalité“ der Phrasierung, aber die wird nicht notiert. Wenn sie eine Gruppe von Achteln haben, dann sind die ungleichmäßig zu spielen. Das war aber auch in Italien so. In der Partitur fehlen wie üblich die Effekt- und Verwandlungsmusiken der Zauberoper, weil sie in der Theaterpraxis ergänzt wurden. Tun Sie das auch? Eventuell werden wir die Schlachtmusik im 2. Akt verlängern, aber insgesamt muss die vorhandene Orchestermusik reichen. Für den Schlaf des Theseus gibt es das Arioso und die Schlummerarie der Agilea im 4. Akt, die meines Erachtens immer zu schnell gespielt wird. Das braucht viel mehr Zeit, um den Zauber herzustellen. Ich glaube, dass Händel nach dem Londoner Debakel des Pastor fido nicht ohne Grund auf die Zauberoper zurückgegriffen hat, weil er wusste, wenn auch sein nächstes Stück durchfällt, war’s das. 76 OPER TESEO Wie gehen Sie mit den Verzierungen um, die zu Händels Zeiten in der Vorstellung improvisiert wurden, also nicht in der Partitur stehen? Francesco Tosi macht in seiner Gesangsschule von 1723 unmissverständlich klar, dass die Verzierungen nicht erst beim Da capo beginnen, sondern schon im A-Teil, damit man eine Arie als kontinuierliche Steigerung erlebt. Sie sind das Mittel, die statische Form der Da-capo-Arie aufzubrechen, und die Arie ist wiederum der Versuch, den Aufbau einer Gerichtsrede nach dem römischen Lehrbuch des Quintilian zu imitieren und musikalisch zu adaptieren. Wir haben ein „Exordium“ (Beginn): die Orchestereinleitung. Darauf folgt die „Narratio“, die Darstellung des Streitfalles. Dann die „Argumentatio“: Darstellung der eigenen Sichtweise, die „Confutatio“, die Darstellung der gegnerischen Position im B-Teil, schließlich die Rekapitulation oder „Confirmatio“, in welcher der Sänger, wie Tosi in Agricolas Übersetzung sagt, „der es nicht versteht, alles das, was der Komponist gesetzet (komponiert) hat, noch schöner zu machen, […] wahrhaft kein Held genennet werden [kann]“. Mit den Verzierungen der „Confirmatio“ muss der Interpret den Zuhörer von dem auszudrückenden Affekt so überzeugen, dass absolut kein Zweifel mehr bleibt. Darum geht es, das ist der Kern. Obwohl wir viele Quellen verzierter Da-capoArien – auch Händels – besitzen, ist es heute schwer, wirklich gute Verzierungen in diesem Sinne zu schreiben. Darum habe ich ein Projekt angestoßen, das so meines Wissens noch nie realisiert wurde und mit dem ich einen Impuls geben möchte. Ich habe nicht, wie üblich, alle Verzierungen selbst geschrieben oder von jemandem machen lassen, sondern für unsere Aufführung unterschiedliche Kollegen gebeten, sich jeweils zu einer langsamen und einer schnellen Arie Da capos zu überlegen. Das heißt, Sie zeigen in einer Oper auf, wie Spezialisten die Freiheit der Verzierung nutzen? Genau. Damit will ich auch zeigen, dass ich nicht der Einzige bin, der dieses Tosi-Konzept vertritt. Im 18. Jahrhundert blieb kein Stein auf dem andern. Da wurde jede Note des Originals verändert. Der Kerneinwand dagegen wäre, dass die Verzierungen damals improvisiert wurden, heute also nicht aufgeschrieben werden dürften. Das ist praktisch aber unmöglich, da Sänger heute zu unterschiedlich ausgebildet sind. Man kann sie ermutigen, sich mit ihrem angeborenen Improvisationspotenzial auf der Basis der ausgeschriebenen Da capos frei zu bewegen. Damit kommt man zu schönen und von Abend zu Abend auch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wie bewahren Sie die Einheit der jeweiligen Figur, wenn jede zweite Arie von einem anderen Kollegen ausgeziert wird? Zu Händels Zeiten geschah dies ja durch die Persönlichkeit der Sänger, die der Figur qua Verzierung ihren unverwechselbaren Stempel aufprägten. Indem ich für jede Arie einen Kollegen aussuche, von dem ich weiß, dass er sehr gut genau in diesem Affekt Da capos schreiben kann. Im Grunde geht es darum, eine von Händel vorgegebene Emotion durch Verzierung zu verstärken. Die Figur wird durch diese verschiedenen Facetten in jede Richtung verstärkt. Wie gehen Sie bei Instrumentalverzierungen vor? Lullys Orchesterimprovisationen sind in Georg Muffats Florilegium Secundum, 1698, gut dokumentiert. Das Buch wurde in ganz Europa beherzigt. Außerdem spielten viele ausländische, vor allem auch französische Musiker, in Händels Londoner Orchester. Sein Cembalist William Babell z. B. war der Sohn eines Fagottisten aus Frankreich. Babell hat viele Werke Händels für Cembalo transkribiert. Drittens war England Ende des 17. Jahrhundert stark davon beeinflusst, weil das englische Königshaus vor der britischen Revolution ins französische Exil floh. Als Charles II. zurückkehrte, gründete er als eine seiner ersten Amtshandlungen die „24 Viols of the King“ als Nachahmung der „24 Violons de Roy“. Bei Purcell kann man wunderbar sehen, wie groß der Einfluss war. Er wurde nach Händels Ankunft durch die vielen Italiener, die nach London kamen, zwar langsam verdrängt, war aber immer noch stark. Babells Transkriptionen sind voller Verzierungen, die sich an Bertrand de Bacillys L’art de bien chanter, 1668, orientieren, der keine fünf Jahre später auf die Instrumentalmusik übertragen wurde. Das hat Händel von den Franzosen übernommen. Darum orientiere ich mich auch im Orchester an diesem Vokal-Verzierungsstil. Das habe ich schon im Alessandro so gemacht. Was wünschen Sie sich idealerweise von der Inszenierung einer Barockoper? Dass wir die musikalische und szenische Geste in Einklang bringen. TESEO OPER 77 MICHAEL FORM Musikalische Leitung DANIEL PFLUGER Regie 2014 debütierte er beim Barockorchester Simón Bolívar in Venezuela und 2013 mit Cavalieris Rappresentatione di anima et di corpo an der Oper Frankfurt. Die von ihm bei den HÄNDEL-FESTSPIELEN 2012 und 2013 dirigierte Produktion Alessandro, die mittlerweile auch auf CD erschienen ist, sowie das 2014 von ihm geleitete Galakonzert mit der Sopranistin Roberta Invernizzi und seinem Orchestre Atlante, machen ihn zu einem wichtigen Gast der FESTSPIELE. Darüber hinaus hat er seit 2014 die künstlerische Leitung der HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE übernommen. Von 2006 bis 2011 prägte er als musikalischer Leiter das Barockfestival Winter in Schwetzingen durch Neueinstudierungen teils noch unbekannter Vivaldi-Opern. Als Blockflötist und Dirigent arbeitet er regelmäßig mit einer Vielzahl richtungsweisender Ensembles der Alten Musik. Seit 2003 ist er Professor an der Hochschule der Künste Bern. Er studierte Regie an der Zürcher Hochschule der Künste. Mit Unvollkommen, einem Bewegungstheater nach den Metamorphosen von Ovid, gewann er 2009 das Körber Studio Junge Regie. Er inszenierte in Heidelberg das transdisziplinäre Projekt Godard Driving und für den Winter in Schwetzingen die Vivaldi-Oper Bajazet. Es folgte u. a. das Projekt M & The Acid Monks in der Kaserne Basel. Für die Deutsche Oper Berlin realisierte er das Auftragswerk Gilgamesch must Die!, für den Mannheimer Mozart Sommer 2014 die Uraufführung Mozart in Moskau sowie für das Theater Biel/Solothurn die Uraufführung der Kammerversion von Dvořák Rusalka. In der laufenden Spielzeit inszeniert er am Nationaltheater Mannheim Babbilonia von Jagoda Marinic sowie am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken Romeo und Julia. Am STAATSTHEATER brachte er die Kinderoper Dino und die Arche das Musical Alice sowie Shakespeares Sommernachtstraum auf die Bühne. 78 OPER TESEO FLURIN BORG MADSEN Bühne JANINE WERTHMANN Kostüme Flurin Borg Madsen studierte Szenografie an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe. 2006 bis 2007 war er Bühnenbildassistent am Nationaltheater Mannheim, 2008 folgte ein weiteres Szenografie-Studium an der Züricher Hochschule der Künste (ZHdK). 2012 gestaltete er die Bühne für Floh im Ohr am Schauspielhaus Graz und die Oper Katja Kabanova am Oldenburgischen Staatstheater. Bei den Produktionen Tahrir Tell in Mannheim, M & The Acid Monks in der Kaserne Basel, der Uraufführung von Oh, wie schön ist Panama! sowie bei dem Auftragswerk Gilgamesh Must Die! für die Deutsche Oper Berlin arbeitete er bereits erfolgreich mit Daniel Pfluger zusammen. 2015 schuf er das Bühnenbild für die Deutsche Erstaufführung der Oper Perelà von Dusapin am Staatstheater Mainz. In Karlsruhe kreierte er die Bühne für Herzog Theodor von Gothland, die Kinderoper Dino und die Arche und für Ein Sommernachtstraum. Seit 2006 ist sie freischaffende Kostümbildnerin u. a. an der Deutschen Oper Berlin, am Nationaltheater Mannheim, Schauspiel Frankfurt. Sie arbeitete mit Regisseuren wie Burkhard C. Kosminski, Michael Simon, Simon Solberg u. a. In der Spielzeit 2012/13 entwarf sie die Kostüme für die Uraufführung von Oh, wie schön ist Panama und 2014 für Gilgamesch Must Die! an der Deutschen Oper Berlin. In Mannheim gestaltete sie das Kostümbild für die Uraufführung Tahrir Tell sowie die Uraufführung der Oper Mozart in Moskau im Rahmen des Mannheimer Mozartsommers und 2014 Peter Pan. In Karlsruhe war sie für die fantasievollen Kostüme der Kinderoper Dino und die Arche und von Alice verantwortlich. Sie entwarf das Kostümbild für Shakespeares Ein Sommernachtstraum sowie für den französischen Doppelabend Das Kind und die Zauberdinge von Maurice Ravel und Die Nachtigall von Igor Strawinsky. TESEO OPER 79 BENEDIKT DICHGANS Video PHILIPP ENGELHARDT Video Nach seinem Studium der Medienkunst an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe war der Videokünstler Gast an der Tokonoma Residency in Kassel. Die größtenteils abstrakten 3D-Projektionen der Oper Teseo sind aus künstlerischen Arbeiten von Philipp Engelhardt hervorgegangen, die er für die Bühne adaptiert und umgesetzt hat. Eine experimentelle Auseinandersetzung mit 3D-Technologie steht im Zentrum seines künstlerischen Schaffens. Seit er Mitte der 90er Jahre im Alter von 12 Jahren die ersten Versuche mit der damals aufkommenden 3D-Software machte, hat ihn das Medium nicht mehr losgelassen. Nach einem Studium der Medienkunst an der HfG Karlsruhe und Arbeitsaufenthalten in Venedig, Neuseeland und New York erzeugt und animiert er heute mithilfe von 3D-Technologie Fotografien, Videos und Skulpturen. In den letzten Jahren hat er an Ausstellungen teilgenommen, u. a. in Paris im Palais de Tokyo, in Vancouver auf der „Siggraph“ und in Tampa/Florida bei der “electronics alive biennial“. Bereits bei der Oper Doctor Atomic waren seine Videoprojektionen am STAATSTHEATER zu sehen. Gemeinsam mit Philipp Engelhardt gründete er das Animationsstudio „e&d“. Er hatte zahlreiche Ausstellungen u. a. in Moskau, Wien, Berlin, London, St. Petersburg und Straßburg. 2014 gestaltete er zusammen mit Philipp Engelhardt die Video-Projektionen für die von Yuval Sharon inszenierte Oper Doctor Atomic am STAATSTHEATER KARLSRUHE. Benedikt Dichgans realisierte dafür die gefilmten Sequenzen, während Philipp Engelhardt die 3D-Szenen umsetzte. 80 OPER TESEO DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN Die DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN wurden 1985 aus Anlass der Europäischen Jahres der Musik und der Wiederkehr des 300. Geburtstages von Georg Friedrich Händel für die vom STAATSTHEATER KARLSRUHE gegründeten INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE ins Leben gerufen. Absicht war es, die Rezeption händelscher Werke und der seiner Zeitgenossen mit einem Klangkörper, der durch sein verwendetes Instrumentarium die Aufführungsbedingungen des frühen 18. Jahrhunderts widerspiegelt, optimal zu unterstützen. Das Orchester setzt sich aus Spezialisten der europäischen Musikszene zusammen – als Solisten, Kammer- und Orchestermusiker spielen sie in verschiedenen Spitzenensembles der Historischen Aufführungspraxis. Unter den DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN befinden sich Hochschulprofessoren und -dozenten, die an deutschen und auch ausländischen Musikhochschulen unterrichten. Im Laufe der Jahre gab es Gastspiele der DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN in ganz Europa, zudem entstand eine Reihe von beispielhaften CD-Einspielungen mit bedeutenden Dirigenten für Alte Musik wie Charles Farncombe, Jean-Claude Malgoire, Nicholas McGegan, Roy Goodman, Arnold Östman und Andreas Spering. Das STAATSTHEATER „leistet“ sich als einziges Mehrspartenhaus in Deutschland alljährlich dies Festival-Orchester und sorgt somit neben den Produktionen der hauseigenen BADISCHEN STAATSKAPELLE mit den Aufführungen der DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN für eine lebendige und spannende Rezeption barocker Werke. TESEO OPER 81 VALER SABADUS Teseo YETZABEL ARIAS FERNÁNDEZ Agilea Mit seiner glasklaren und androgynen Stimme singt Valer Sabdus trotz seines jungen Alters bereits in der Riege der weltbesten Countertenöre. Bei den HÄNDEL-FESTSPIELEn Karlsruhe 2016 verkörpert er auch in der Wiederaufnahme von Teseo die Titelrolle, für die er 2015 begeisterte Rezensionen erhielt. Die Saison 2015/16 startete er als Kaiser Nerone in Claudio Monteverdis L’incoronazione di Poppea an der Seite von Alex Penda – ein herausragendes Rollen- und Theaterdebüt am Theater an der Wien. Zudem sind Tourneen mit Concerto Köln, der Accademia Bizantina, eine Duett-Tournee und CD-Aufnahme mit dem Kammerorchester Basel und Nuria Rial geplant sowie Auftritte mit Les Folies Françoises und Philippe Jaroussky. Als Exklusivkünstler von Sony Classical erschien im Herbst 2015 seine aktuelle CD Caldara, auf der er vom Ensemble Nuovo Aspetto begleitet wird. Für seine Solo-CD Le belle immagini mit Arien von C. W. Gluck erhielt er einen Echo Klassik 2015. Die Sopranistin wurde in Kuba geboren. Sie gewann zahlreiche Preise und arbeitete mit den besten italienischen Ensembles für barocke Musik und mit Dirigenten wie Ottavio Dantone, Diego Fasolis, Antonio Florio, Ruben Jais und Helmut Rilling. Sie trat bisher unter anderem im Théâtre Graslin in Nantes, in der Societa del Quartetto Mailand, dem Auditorio Nacional Madrid und bei Festivals in Santiago de Compostela, Brügge, Köln, Wien, Amsterdam, Barcelona und Florenz auf. Beim 30° Sablé Festival sang sie die Messagera in Monteverdis Orfeo. In Händels Trionfo war sie in der Partie des Vergnügens/Piacere zu erleben. Mit Fabio Bonizzoni nahm sie mehrere CDs für das Label Glossa auf, darunter Händels Tirsi, Clori e Fileno, das den wichtigen Stanley Sadie Preis für die beste Aufnahme des Jahres gewann. Bei den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN 2011/12 und 2012/13 war sie unter der musikalischen Leitung von Michael Form als Rosanne in Alessandro zu erleben. 82 OPER TESEO FLAVIO FERRI-BENEDETTI Egeo ROBERTA INVERNIZZI Medea Der junge Countertenor studierte Klavier am Konservatorium in Vila Real. In Basel schloss er 2010 sein Studium in Historischem Gesang mit Auszeichnung ab. Zurzeit promoviert er in València in Literaturwissenschaft über „Die klassische Tradition und Metastasio.“ Die Sopranistin arbeitete mit Dirigenten wie Claudio Abbado oder Nikolaus Harnoncourt und Ensembles wie dem Concentus Musicus Wien. Bereits bei den INTERNATIONALEN HÄNDELFESTSPIELEN 2014 war sie mit Cleopatra – Arien für Händels Diven zu erleben. Seit 2000 singt er in Spanien, Italien, der Schweiz, Österreich, Deutschland, Frankreich und England Werke vom Mittelalter bis zur Romantik. Er debütierte 2007 in Basel als Proteo in Il Barcheggio. 2009 und 2010 wurde er von der Fachzeitschrift „Opernwelt“ für seine Leistung in Scarlattis Penelope la Casta und als Linfea in Cavallis La Calisto als „Nachwuchskünstler des Jahres“ nominiert. Den 3. Preis beim Internationalen Wettbewerb für Geistliche Musik gewann er in Rom. 2013 war er Halbfinalist beim 50. Internationalen Gesangswettbewerb Francisco Viñas (Barcelona) und Finalist beim Barockoper-Wettbewerb in Innsbruck. An der Mailänder Scala wurde sie als Armida in Händels Rinaldo bejubelt. In der Queen Elizabeth Hall trat sie mit einem Mozart-Recital auf und als Cleopatra in Giulio Cesare, im Teatro Real Madrid als Nerone in Agrippina. Sie ist ein gefragter Gast an den großen internationalen Bühnen wie dem Théâtre des Champs-Élysées, Teatro San Carlo Neapel, Teatro La Fenice Venedig und bei den Salzburger Festspielen. Von Roberta Invernizzi erschienen bereits über 70 CDs, viele davon mit Erstaufnahmen, ihr Vivaldi-Album wurde von der Kritik international gefeiert. TESEO OPER 83 LARISSA WÄSPY Clizia TERRY WEY Arcane Die Sopranistin absolvierte ihr Gesangsstudium an der Musikhochschule Karlsruhe. Sie sang in den Auftragswerken Erwin, das Naturtalent von Mike Svoboda und Träumer von Matthias Heep sowie die Partie des Gretchen in Doktor Faust an der Staatsoper Stuttgart. Die Sopranistin war von 2011 bis 2014 Mitglied des OPERNSTUDIOS am STAATSTHEATER und u. a. als Hirt in Tannhäuser, Héloise in Ritter Blaubart, Frasquita in Carmen, Papagena in Die Zauberflöte, Barbarina in Die Hochzeit des Figaro, Yvette in Die Passagierin und Max in Wo die wilden Kerle wohnen zu erleben. 2013 übernahm sie die Rolle der Ersten Nichte in Peter Grimes an der Staatsoper Hamburg. Der Countertenor begann seine Gesangsausbildung als Solist der Wiener Sängerknaben. 2011 war er bereits in Partenope bei den HÄNDEL-FESTSPIELEN KARLSRUHE zu erleben. Mit großem Jubel wurde sein Auftritt in Händels Israel in Egypt bei den Salzburger Festspielen aufgenommen. 2014 debütierte er an der Komischen Oper Berlin als Oberon in Brittens Sommernachtstraum. Nach dem fulminanten Erfolg des von Stefan Herheim inszenierten Xerxes in Düsseldorf hat die Deutsche Oper am Rhein eine weitere Aufführungsserie Programm genommen. 2013/14 sang er in der Neuproduktion von Written on Skin an der Oper Bonn. Mit dem Boston Early Music Festival trat er beim Festival „MusicaDia“ von Radio Bremen in der Oper Niobe auf, mit dem Orchester Il Pomo d’oro in konzertanter Aufführung von Händels Rinaldo in Brüssel und Paris. 2017 kehrt er zurück nach Karlsruhe für die Neuinszenierung Semele in Rahmen der HÄNDEL-FESTSPIELE. 2014/15 tritt die Stipendiatin der Hildegard Zadek Stiftung in Karlsruhe als Xenia in Boris Godunow, Taumännchen in Hänsel und Gretel und Max in Wo die wilden Kerle wohnen auf. 84 OPER TESEO MEHMET ALTIPARMAK Priester der Minerva Der junge türkische Bariton studierte an der Mimar-Sinan-Universität in Istanbul bei Payam Koryak. Meisterkurse bei Elena Filipova und Amelia Felle ergänzten seine Ausbildung. Zu seinen Partien gehörten bisher u. a. Sciarrone in Tosca mit dem Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra. 2014 ging er als Gewinner aus dem 14. Siemens Gesangswettbewerb in Istanbul hervor. Somit gehört er seit der Spielzeit 2014/15 dem OPERNSTUDIO am STAATSTHEATER KARLSRUHE an und singt den Tempeldiener in Iphigenie auf Tauris, Alcindoro in La Boheme, den Offizier in Der Prophet, Morales in Carmen, den Arzt und den Mörder in Macbeth und den Steuermann in Tristan und Isolde. Er war auch im Projekt Bohème der Hochschule für Musik Karlsruhe als Marcello und Rodolfo zu erleben. TESEO OPER 85 86 xx SUPRAPORTE, ALLEGORIE DER MUSIK xxx 87 PREISTRÄGERKONZERT DES HÄNDELJUGENDPREISES DER HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. Das Programm wird kurzfristig bekanntgegeben und kann abgerufen werden auf der Homepage der Händel-Gesellschaft unter www.haendel-karlsruhe.de SO 21.2. 11.00 KLEINES HAUS 88 KONZERT PREISTRÄGER-KONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES HÄNDEL FÜR DIE JUGEND Die HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. hat als eines ihrer Satzungsziele die Förderung junger Künstler, die sich mit den Werken Händels und der Barockzeit auseinandersetzen. Bereits seit zwei Jahrzehnten lobt die Gesellschaft einen HÄNDELJUGENDPREIS für Schülerinnen und Schüler bis 20 Jahre aus; seit 2013 ist er für Bewerberinnen und Bewerber aus ganz Baden-Württemberg geöffnet. Entstanden ist er in Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidien Karlsruhe und Freiburg; weitere Partner sind das STAATSTHEATER KARLSRUHE, das Badische Konservatorium, der SWR, die Badischen Neuesten Nachrichten und die Hochschule für Musik Karlsruhe. Zu den Bewerbern von Gymnasien kommen in den letzten Jahren verstärkt auch Schülerinnen und Schüler städtischer und privater Musikschulen und als jüngste Entwicklung Jungstudierende der Musikhochschulen und Musikgymnasien hinzu. Eine namhaft besetzte Jury bewertet die Leistungen in drei Kategorien: • Kategorie A: Solostücke und Duos • Kategorie B: Kammermusikalische Stücke für drei bis neun Mitwirkende • Kategorie C: Werke für größere Ensembles wie Chor und Orchester Die jungen Musiker, gefördert durch engagierte Musikpädagogen und Eltern, sind immer wieder für künstlerische Überraschungen gut. Eine erfolgreiche Teilnahme am Händel-Jugendwettbewerb und der Auftritt im STAATSTHEATER KARLSRUHE sind außerdem nicht selten der erste Schritt in eine professionelle musikalische Laufbahn. Prof. Dr. Peter Overbeck Vorsitzender der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. PREISTRÄGER-KONZERT DES HÄNDEL-JUGENDPREISES KONZERT 89 GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI BAROQUE BROADWAY: HÄNDEL VS PORPORA FRANCO FAGIOLI Countertenor GEORGE PETROU Dirigent ARMONIA ATENEA 1. Violine Sergiu Nastasa (Konzertmeister), Epameinontas Filippas, Georgios Panagiotopoulos, Angie Kasdas, Sofia Liu, Ilias Livieratos 2. Violine Carmen Otilia Alitei, Athanasios Martzoukos, Angeliki Fanarioti, Luise Ramos-Stahl Viola Laurentiu Octavian Matasaru, Elisabeth Barbara Schaefer Violoncello Iason Ioannou, Christopher Humphreys, Ilias Sakalak Violone Dimitris Tigkas Cembalo Markelos Chryssikopoulos Theorbo Theodoros Kitsos Oboe Dimitris Vamvas, Stella Nikolaides Fagott Alexandros Economou MO 22.2. 20.00 GROSSES HAUS 2 Stunden 15 Minuten, eine Pause 90 KONZERT GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI PROGRAMM Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) Concerto grosso F-Dur op. 3, 4 HWV315 Overture – Andante – Allegro – Minuetto Rodelinda, regina de’ Longobardi HWV 19 (1725) „Pompe vane di morte … Dove sei amato bene“ – Recitativo accompagnato e Aria (Bertarido) „Vivi tiranno“ – Aria (Bertarido) Antonio Vivaldi Concerto per 2 violine a-Moll op. 3, 8 (1678 – 1741 ) Allegro – Adagio con spirito – Allegro Soli Sergiu Nastasa, Carmen Otilia Alitei Nicola Antonio Porpora (1686 – 1768) Meride e Selinunte (Venedig, 1727) „Torbido intorno al core“ – Aria (Ericlea) Georg Friedrich Händel Serse HWV 40 (1738) „Crude furie“ – Aria (Serse) – Pause – Nicola Antonio Porpora Polifemo (London, 1735) „Dolci freschi aurette“ – Aria (Aci) Georg Friedrich Händel Serse HWV 40 (1738) „Se bramate“ – Aria (Serse) Johann Adolf Hasse Concerto per mandolino G-Dur op. 3, 11 (1699 – 1783) Allegro – Largo – Allegro Solo Theodoros Kitsos Nicola Antonio Porpora Il Vulcano (Cantata) „Non lasciar chi t’ama tanto“ – Aria (Vulcano) Antonio Vivaldi Concerto per fagotto e-Moll RV 484 Allegro – Andante – Allegro Solo Alexandros Economou Nicola Porpora Polifemo (London, 1735) „Nell’attendere il mio bene” – Aria (Aci) GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI KONZERT 91 ZUM PROGRAMM HÄNDEL VS. PORPORA Der neapolitanische Gesangslehrer, Dirigent und Komponist Nicola Porpora war fasziniert von den Möglichkeiten, Farben, Schattierungen und Ausdrucksfacetten der menschlichen Stimme. Er muss ein geradezu erotisches Verhältnis zu ihr gehabt haben. Seine Leidenschaft war das Unterrichten, also das Formen und Verfeinern dieses Instruments. Die berühmtesten Kastraten jener Zeit waren seine Schüler: Farinelli, Caffarelli, Salimbeni ... Und doch ist er ins kollektive Gedächtnis unserer Zeit nur als Rivale Händels eingegangen, eine Episode, die sich auf vier bewegte Jahre seines 82-jährigen Lebens beschränkt. Damals holten englische Aristokraten den Neapolitaner aus Venedig auf die Insel und machten ihn zum Direktor eines von ihnen finanzierten Opernhauses, um dem Ensemble Händels das Publikum abzugraben. Die Hintergründe der Initiative sind nicht dokumentiert. Vermutlich steckten politische Ressentiments dahinter. Händel war Deutscher wie das aus Hannover stam92 KONZERT GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI mende Königshaus, das 1714 den englischen Thron bestiegen hatte und Händel unterstützte. Der nationalistische Teil des englischen Hochadels wollte also wohl Händels Vorherrschaft auf dem Gebiet der Oper brechen, wofür er sich paradoxerweise der Mithilfe des Kronprinzen versicherte, um dann mit dem Haus Hannover auf politischem Gebiet fortzufahren. Das erwies sich als intellektuelle Fehlkalkulation. Oper war schon damals das elitäre Vergnügen einer Minderheit und ein ästhetischer Sieg hätte keinerlei politische Folgen gehabt. Am Ende gingen beide Unternehmen bankrott, obwohl man über Porpora seinen Schüler Farinelli, den Pavarotti der damaligen Zeit, auf die Insel hatte locken können. Das Programm des heutigen Abends wirft Schlaglichter auf die biografischen Stationen Porporas, lässt die musikalischen Kontexte aufklingen, in denen er sich bewegte und profilierte. Als roter Faden zieht sich die Gegenüberstellung der Arien Händels und Porporas, die für zwei scharf profilierte Personalstile stehen, durch das Programm. Die virtuosen Konzerte Vivaldis skizzieren das Milieu, in dem sich Porpora 1725 bis 1729 in Venedig behaupten musste. Händels F-Dur-Concerto grosso erschien just in dem Moment in London, als Porpora die Leitung der Adelsoper übernahm, wurde aber viel früher komponiert. Mit dem Mandolinenkonzert Hasses kommt jener Komponist zu Wort, der Porpora in der Vokalästhetik so verwandt war, weil er gleichfalls in Neapel studiert und am Golf die Liebe zur sinnlichen Vokalmusik des Südens aufgesogen hatte. Als der sächsische Kurfürst Porpora 1748 aber als Kapellmeister nach Dresden berief, wurden auch sie zu Rivalen, denn Hasse und seine Gattin, die Primadonna assoluta Faustina Bordoni, hatten seit 1731 eine Art Monopol im Dresdner Opernleben. Porpora wich nach Wien aus, wo er den jungen Haydn als Klavierbegleiter und Assistenten zu sich nahm. Der überliefert uns lebhafte Berichte von dem cholerischen Temperament seines Herrn. Aber die Zeit ging grausam über den alten Mann hinweg. Er wurde zum Fossil einer vergangenen Epoche. Die Nachfrage nach seiner Musik und seinem Unterricht sank so rapide, dass er 1768 verarmt in seiner Heimat starb. Händels Königinnen-Oper Rodelinda, ein an barocke Märtyrerinnen-Dramen angelehntes Exerzitium weiblicher Treue, und Poroporas Meride e Selinunte wurden beide 1725/26 komponiert. „Dove sei“, die magische Klage Bertaridos um seine Gattin, von der er getrennt wurde, führt Händel nahe an Porporas Ästhetik der dolcezza heran. Wenn man sie vor Ericleas Adagio „Torbido intorno al core“ aus dem 2. Akt der Meride hört, wird deutlich, was beide Komponisten trennte. Händel vertraut der Einfachheit, verlangt edle Tonbildung, elegante Legatolinien, die den Ton auf einem Atemstrom schwingen lassen. Letzteres will Poropora auch. Statt Einfachheit verlangt er aber raffinierte Einfachheit: Virtuosität. Er bindet in den ruhigen Duktus, den auch Händel kennt, Triller, Fiorituren und Sequenzierungen ein, die sich weich und bruchlos in den Strom fügen müssen. Kleine chromatische Ausweichungen sind sparsam eingewoben, um die „Speise“ nicht zu „überwürzen“, wo Händel gerne auch mal deutlich wird. Das ist ein Charakteristikum Porporas wie auch der sparsame dreistimmige Streichersatz, der der Stimme nicht „die Schau stehlen“ darf, sondern die „Welle“ ist, die die Stimme trägt und voranbewegt. Dass Frauenrollen von Männern gesungen werden wie Franco Fagioli das heute Abend mit der Partie der Ericlea tut, ist übrigens keine moderne Extravaganz, sondern gehörte zu den pragmatischen Usancen des Barock. Damals wurden die Partien nicht nach Geschlechtern verteilt, sondern nach der bestmöglichen erreichbaren Stimme. Das berühmteste Beispiel ist Hasses neapolitanische Serenata Antonius und Cleopatra von 1725, wo die auf Hosenrollen spezialisierte Vittoria Tesi den Antonius und Farinelli die Cleopatra sang. In der Heiligen Stadt Rom durften aus religiösen Gründen keine Frauen im Theater auftreten, weshalb alle Partien von Männern gesungen wurden. Eine Praxis, die noch Goethe faszinierte und zu tiefsinnigen Reflexionen über die Künstlichkeit als Wesen und Voraussetzung der Bühnenkunst und Kunst überhaupt veranlasste. GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI KONZERT 93 Die Partie des Schäfers Acis in der Oper Polifemo hatte Porpora 1734 für seinen Schüler Farinelli komponiert. Die Uraufführung fand am 1. Januar 1735 in London statt. Porpora kam Händel, der Ariodante und Alcina angekündigt hatte, um zwei Wochen zuvor. Während der Sachse das Tanzensemble der Marie Sallé engagierte und auch Schauwerte zu Hilfe nahm, wählte Porpora ein Schäferstück und setzte ganz auf die Macht lyrischer Musik. Das Naturbild „Dolci freschi aurette“, in der der verliebte Schäfer die Harmonie der Natur besingt, ist voller Intervallsprünge, die durch Gänge, Sequenzierungen oder Portamenti so verbunden sind, dass sie weich und nicht unruhig wirken. Die Bravourarie „Nell’attendere il mio bene“ verlangt dagegen höchste Agilität. Im langsamen Mittelteil zieht Porpora noch einmal ein anderes Register derselben Agilität, indem er fast jede lange Note mit einem Triller, dem sogenannten „vibrar la voce“, versieht. Darin drückt sich die seelische Erregung der Vorfreude aus. Das Publikum der Kenner aber genoss die Variation desselben Gesangsmittels in unterschiedlichen Gestalten. Bei den neapolitanischen Solokantaten handelt es sich um eine jener in der Golfmetropole besonders beliebten Gattungen der Kammermusik, die im Grunde kleine Opern sind. „Klein“ deswegen, weil sie keinen vielstimmigen dramatischen Komplex, sondern eine überschaubare Einpersonenhandlung mit drei kontrastierenden Arien und zwischengeschalteten Rezitativen gestalten. Sie waren überschaubarer 94 KONZERT GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI und im hausmusikalischen Rahmen aufführbar, wobei hochadlige Liebhaber, sofern sie nicht selber musizierten, durchaus auch hochbezahlte Künstler für derartige Privataufführungen engagierten. Dass Gott Vulcan, der um seine mit Mars fremd gehende Gattin Venus wirbt, in hoher Lage singt und kein tiefer Brummbass ist, gehört zu den Eigenheiten barocker Musikdramatik, an die wir uns gewöhnen müssen. Wieder kommt es bei Porpora darauf an, eine große Zahl Silben und Verse wie in einem schönen Regenbogen zusammenzufassen, harmonisch zu verbinden und zu wölben. Der neapolitanische Komponist verlangt von seinen Interpreten Atemtechnik und einen langen Atem, ohne dass der Ton an Kraft, Fülle und Farbe verliert. Als Händel 1738 seine möglicherweise gar nicht so ernst gemeinte Opera seria über den persischen Philosophenkönig Serse schrieb, der zwar den Hellespont überbrückt, aber völlig hilflos vor dem erotischen Durcheinander an seinem eigenen Hofe steht, waren beide Opern, diejenige des Adels und diejenige Händels, gerade zusammengebrochen. Mit Serse, seiner vor-vorletzten Opera seria, versuchte er wieder Fuß zu fassen. Die Gegenüberstellung mit Porporas nur drei Jahre jüngerem Polifemo führt noch einmal deutlich vor Ohren, dass Händel selbst in einer Bravourarie mit vielen Läufen eher auf Brüche, gezackten Stil und Affektkontraste aus war so sein galanter Zeitgenosse Weichheit, Rundung, Schönheit favorisierte. Boris Kehrmann AHNENSAAL xxx 95 FRANCO FAGIOLI Countertenor Franco Fagioli ist der virtuoseste Countertenor der heutigen Zeit. Die Schönheit seiner Stimme, die drei Oktaven umfasst, wird genauso wertgeschätzt wie seine meisterhafte Technik, mit der er neue Bühnenstandards setzt. Als erster Countertenor unterzeichnete er im vergangenen Jahr einen Exklusiv-Vertrag beim Label Deutsche Grammophon. Der Startschuss seiner internationalen Karriere fiel 2003, als er den Bertelsmann-Gesangswettbewerb „Neue Stimmen“ gewann. Bereits zwei Jahre später debütierte er als Giulio Cesare am Opernhaus Zürich an der Seite von Cecilia Bartoli. Seit 2006 ist er einer der Stars der INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE, wo er in Partien wie Giulio Cesare, Ariodante und Riccardo Primo glänzte. Zu weiteren wichtigen Opernhäusern, an denen er in den vergangenen Jahren Erfolge feierte, gehört das Royal Opera House Covent Garden in London, das Théâtre des Champs Elysées, die Opera Royal de Versailles sowie die 96 KONZERT GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI Opernhäuser in Köln, Helsinki und Dresden. Sein Arbace in Vincis Artaserse (2012) und das Soloalbum Caffarelli (2013) zeugen auch auf CD von Franco Fagiolis fantastischem Niveau. Zu seinen jüngsten Aufnahmen, auf denen er hochvirtuose Partien übernahm, zählen Hasse Siroe, Vincis Catone in Utica und Pergolis Adriano in Siroe (Decca) sowie Glucks Orfeo (Archiv). Seine erste Solo-CD bei der Deutschen Grammophon ist für Herbst 2016 geplant, nach deren Veröffentlichung eine Europatournee folgt. In den kommenden Monaten verkörpert er u. a. Cecilio in Mozarts Lucio Silla, mit der er auf Europatournee geht, Piacere in Händels Il trionfo del Tempo e del Disinganno als Debüt beim Festival in Aix-en-Provence sowie die Titelpartie in Cavallis Oper Eliogabalo, die seinen Einstand an der Opéra National de Paris sein wird. In Zingarellis Giulietta e Romeo ist er 2016 wieder bei den Pfingstfestspielen Salzburg in der Partie des Romeo zu erleben. GEORGE PETROU Dirigent Der in Griechenland geborene George Petrou machte nach seinem Musikstudium am Konservatorium Athen, am Royal College und an der Royal Academy of Music in London und vor seiner internationalen Dirigentenlaufbahn bereits als Konzertpianist Karriere. Seit 2012 ist er Künstlerischer Leiter des renommierten Orchesters Armonia Atenea (vormals Camerata Athen). Gemeinsam gehen sie regelmäßig auf Europatournee und gastieren u. a. bei den Händelfestspielen Halle, der Opera Royal Versailles und in der berühmten Wigmore Hall London. 2014 debütierte Armonia Atenea als erstes griechisches Orchester bei den Proms der BBC und erhielten begeisterte Besprechungen. Zu den nächsten Höhepunkten gehört das Debüt bei den Salzburger Pfingstfestspielen im Mai 2016. Es sind in den letzten Jahren verschiedene viel umjubelte CDs auf Decca veröffentlicht worden: Dazu zählen die Gesamtauf- nahmen von Händels „Alessandro“ und Hasses „Siroe“, Glucks Tenorarien mit Daniel Behle und „Rokoko“, ein Arienalbum von Max Emanuel Cencic mit Werken von Hasse. Internationales Aufsehen und euphorische Besprechungen erzielte außerdem Beethovens „Prometheus“. Parallel zur Karlsruher Opernproduktion erscheint im Februar 2016 Händels „Arminio“. Mit einem Arienalbum für Franco Fagioli geben Dirigent und Orchester im Herbst 2016 ihren Einstand beim Label Deutsche Grammophon. Für weitere Aufnahmen erhielt George Petrou Auszeichnungen wie den Gramophone-Editor’s Choice, Diapason d’Or und den Echo Klassik 2008. Der Künstler wird regelmäßig von großen europäischen Orchestern und Opernhäusern wie dem Nationaltheater Mannheim, der Oper Nizza, dem Staatstheater Darmstadt, dem Münchner Rundfunkorchester und dem belgischen B’Rock eingeladen. GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI KONZERT 97 SERGIU NASTASA Violine Der geborene Rumäne Sergiu Nastasa ist Absolvent der Nationaluniversität Musik in Bukarest und wurde mehrmals bei internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Er arbeitet mit Dirigenten wie Neville Marriner und Miltiades Karidis sowie Solisten wie Leonidas Kavakos, Radu Lupu und Mstislav Rostropovich zusammen. Seit 1991 ist er Mitglied des Orchesters Armonia Atenea. CARMEN-OTILIA ALITEI Violine Die Rumänin studierte bei Leonid Popovici and Stefan Gheorghiu und schloss ihr Violinstudium an der George Enescu Music Academy in Iasi ab. Seit 1995 ist sie Konzertmeisterin der Armonia Atenea. Sie tritt mit namhaften Dirigenten und Solisten innerhalb und außerhalb Griechenlands auf und widmet sich außerdem der Erforschung der historisch informierten Aufführungspraxis. THEODOROS KITSOS Theorbe Kitsos studierte in Griechenland Gitarre sowie historische Zupfinstrumente in Großbritannien bei Elizabeth Kenny und schloss sein Studium mit der Promotion ab. Er ist sowohl wissenschaftlich als Vortragsredner, Forscher und Dozent als auch praktisch als Partner von Ensembles wie Armonia Atenea, Latinitas nostra und den Yorkshire Baroque Soloists tätig. ALEXANDROS ECONOMOU Fagott Der Preisträger zahlreicher internationaler Wettbewerbe studierte in Athen und München. Er konzertierte mit vielen großen Sinfonieorchestern der Welt und widmet sich seit zehn Jahren auch dem Barock-Fagott. Seit 1995 ist er Erster Fagottist des Sinfonieorchesters Athen, seit fünf Jahren zusätzlich Mitglied der Armonia Atenea. 98 KONZERT GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI ARMONIA ATENEA Orchester Armonia Atenea ist der neue internationale Name für die Camerata Athen. 1991 wurde das Orchester von der „Gesellschaft der Freunde der Musik“ in Verbindung mit der Eröffnung der Athener Konzerthalle Megaron gegründet. Seitdem fungiert die Armonia Atenea als deren Hausorchester. Seit 2011 tritt das Orchester wechselweise im Megaron und im neuerbauten Onassis-Kulturzentrum in Athen auf. Die Armonia Atenea ist sowohl mit der historischen als auch mit der modernen Aufführungspraxis bestens vertraut. Das Orchester setzt sich mit einem weitgefächerten Konzertrepertoire von der Barockmusik bis hin zur zeitgenössischen Musik des 21. Jahrhunderts ernsthaft und erfolgreich auseinander. Der Dirigent und Echo-Klassik-Preisträger George Petrou ist derzeit der Künstlerische Leiter des Orchesters. Das Orchester ist auf den berühmtesten Bühnen der Welt ein willkommener Gast, wie beispielsweise beim Musikverein Wien, dem Théâtre des Champs Élysées in Paris; den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik; sowie auch im Palais de Bozar in Brüssel; Arsenal von Metz, an der Opera von Monte Carlo und dem Grand Theatre von Aix-en-Provence. Das Orchester hat eine reichhaltige Diskografie. Zu den letzten Veröffentlichungen gehören die Weltpremiere-Aufnahmen von Händels Alessandro Severo und Glucks Il Trionfo di Clelia. Die Einspielung von Händels Oper Alessandro mit einer Starbesetzung ist bei Decca erschienen und hat von der internationalen Presse höchstes Lob geerntet. In der Saison 2013/14 wurden fünf neue Aufzeichnungen veröffentlicht, darunter Rokoko, das Soloalbum des Countertenors Max Emanuel Cencic. Dieses Programm wurde 2014 als Vorkonzert zu den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN in Karlsruhe präsentiert. GALAKONZERT FRANCO FAGIOLI KONZERT 99 100 xx xxx 101 31. INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE 22.2. – 28.2. DOZIERENDE GESANG Peter Kooij VIOLINE Hiro Kurosaki VIOLONCELLO Jonathan Pešek VIOLA DA GAMBA Paolo Pandolfo TRAVERSO Jed Wentz BLOCKFLÖTE Michael Schneider FAGOTT Jérémie Papasergio BAROCKLAUTE Paul O’Dette CEMBALO Francesco Corti GENERALBASS Kristian Nyquist KAMMERMUSIK Juan Manuel Quintana ABSCHLUSSKONZERT 28.2. 17.00 VELTE-SAAL der Hochschule für Musik Karlsruhe 102 31. INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE Liebe Musikfreunde, im Rahmen der 31. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE setzt das Symposium einen thematischen Schwerpunkt. Es wird an zwei Nachmittagen für jeweils drei Stunden stattfinden und richtet sich ausdrücklich auch an die Teilnehmer/-innen der praktischen Kurse. Thema ist „Das Alte im Neuen. Geschichte und Gegenwart in der Historischen Aufführungspraxis“. Der erste Nachmittag widmet sich den Wechselbeziehungen zwischen Neuer und Alter Musik im 20. Jahrhundert, der zweite fragt unter dem Motto „Neue Wege der Alten Musik“ nach den Perspektiven Historischer Aufführungspraxis im 21. Jahrhundert. Auch für die INTERNATIONALE HÄNDELAKADEMIE KARLSRUHE 2016 konnte wieder eine internationale Schar renommierter Dozenten gewonnen werden. Anders als in den Vorjahren stehen die Kurse aber nicht unter einem übergeordneten Thema; jeder Dozent bietet ein individuelles Programm an, nicht zuletzt um die Anregungen des Symposiums optimal aufzunehmen. Neben den jüngeren Stars der Alte Musik-Szene wurden renommierte Altmeister auf dem Gebiet der Historischen Aufführungspraxis verpflichtet, um eine Generationen übergreifende Diskussion zu stimulieren. Sind wir wirklich am Ende der Alten Musik angelangt, so wie es Bruce Haynes mit dem Titel seines großartigen Buches The End of Early Music postuliert, oder stehen wir vielmehr an der Schwel- le zu einem neuen Umgang mit unserem Jahrhunderte alten Repertoire? Um diese Frage adäquat zu beantworten, bedarf es des Innehaltens und der Reflexion, damit wir verstehen, dass die Historische Aufführungspraxis nicht zuletzt ein ästhetisches Phänomen unserer Epoche ist. In Zeiten unbegrenzten Zugangs zu historischen Quellen ist es umso wichtiger, uns nicht blind auf die Errungenschaften der großen Pioniere des 20. Jahrhunderts zu verlassen (die ja selbst den eigenen Forschergeist niemals preisgegeben haben) oder vor den Tendenzen des aktuellen Publikumsgeschmacks zu kapitulieren, sondern sich mit ungebrochener Neugierde dem Unerhörten zu verschreiben. Ohne finanzielle Unterstützung wäre die INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE nicht durchzuführen. Für ihre Förderung sind wir dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Stadt Karlsruhe sowie der HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE und ihren Sponsoren sehr dankbar. Eingeschlossen in unseren Dank ist die Hochschule für Musik Karlsruhe für die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Infrastruktur. Michael Form Prof. Andrea Raabe Künstlerischer Leiter Vorsitzende der INTERNATIONALENder INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHEKARLSRUHE 31. INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE 103 SYMPOSIUM DER 31. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE DAS ALTE IM NEUEN GESCHICHTE UND GEGENWART IN DER HISTORISCHEN AUFFÜHRUNGSPRAXIS Der erste Teil des Symposiums widmet sich den bisher erst in Ansätzen bekannten vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Neuer und Alter Musik im 20. Jahrhundert. Der zweite Teil befasst sich mit Perspektiven Historischer Aufführungspraxis im 21. Jahrhundert. DO 25.2. NEUE MUSIK UND ALTE MUSIK Thomas Seedorf Giselher Schubert Anne Smith Roundtable Einführung Kompositionsgeschichte und Historische Aufführungspraxis. Stichworte zum 20. Jahrhundert Alte und Neue Musik im Miteinander. Die Zusammenarbeit von Paul Sacher und Ina Lohr mit Wolfgang Rihm, Giselher Schubert und Anne Smith FR 26.2. NEUE WEGE DER ALTEN MUSIK Kai Köpp Jed Wentz Roundtable Einführung After the end of Early Music: HIP in the 21st century The subjective in authenticity: a performer’s perspective mit Michael Form, Kai Köpp und Jed Wentz DO 25.2. & FR 26.2. 15.00 – 18.00 HÖRSAAL der Hochschule für Musik Karlsruhe Am Schloss Gottesaue 7, 76131 Karlsruhe 104 SYMPOSIUM DER 31. INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE VORRAUM DES AHNENSAALS xxx 105 3. SONDERKONZERT FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN LARS ULRIK MORTENSEN Dirigent ANN HALLENBERG Mezzosopran DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN 1. Violine Andrea Keller, Wolfgang von Kessinger, Christoph Timpe, Evgeny Sviridov*, Helmut Hausberg, Michael Gusenbauer, Eva Scheytt 2. Violine Christoph Mayer, Almut Frenzel, Jana Chytilova, Martin Kalista, Selma Sadek, Matthias Hummel, Anna Dmitrieva* Viola Jane Oldham, Klaus Bundies, Gabrielle Kancachian, Cathi Aglibut Violoncello Bernhard Hentrich, Markus Möllenbeck, Gerhart Darmstadt, Dmitri Dichtiar Violone David Sinclair, Michael Neuhaus Cembalo Rien Voskuilen Laute Sören Leopold Traversflöte Susanne Kaiser, Annie Laflamme Oboe Susanne Regel, Wolfgang Dey Fagott Rhoda Patrick, Marita Schaar Pauke Peter Hartmann *Stipendiaten der INTERNATIONALEN HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE 2015 DO 25.2. 19.00 GROSSES HAUS 2 Stunden 30 Minuten, eine Pause 106 FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN PROGRAMM Jean-Philippe Rameau (1683 – 1764) Suite aus „Platée“ Ouverture Passepieds Tambourins Menuets (dans le goût de vieille) Orage Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) Auszüge aus dem Musikalischen Drama „Hercules“ Ouvertüre Accompagnato und Aria von Dejanira (‘The world, when day’s career is run’) Sinfonia für Streicher zu dem 2. Akt Secco Recitatif und Aria von Dejanira aus dem 2. Akt („Resign thy club“) Sinfonia zu dem 3. Akt Wahnsinnsszene von Dejanira („Where shall I fly?“) – PAUSE – Jean-Philippe Rameau Suite aus „Les Boréades“ Entrée des Peuples [Acte III] Gavottes (pour les Suivants des Borée/pour Orithie) [Acte II] Air Andante [Acte II] Rigaudons pour les Zéphirs [Acte IV] Entrée de Polymnie [Acte IV] Georg Friedrich Händel Auszüge aus Oper „Ariodante“ Gavotte Aria von Ariodante „Scherza infida“ aus dem 2. Akt Ballettmusik aus dem 2. Akt: Entrée des Sognes agréables Entrée des Sognes funestes Entrée des Sognes agréables effrayés Le combat des Sognes funestes et agréables Aria von Ariodante „Dopo notte“ aus dem 3. Akt. FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 107 HÄNDEL UND RAMEAU – ZWEI UNGLEICHE ZEITGENOSSEN Jean-Philippe Rameau und Georg Friedrich Händel waren Zeitgenossen. Händel wurde zwei Jahre nach Rameau geboren und starb fünf Jahre vor ihm. Dass sie sich begegnet wären, ist ebenso wenig dokumentiert wie, ob sie die gedruckten Werke des anderen kannten. Eine Brücke gibt es allerdings zwischen den beiden Welten, die sich heute Abend begegnen. Händel hat für den Großteil seiner dramatischen Werke die Form der Französischen Ouvertüre gewählt. Auch seine Tanzsätze orientieren sich am französischen Stil, den er als junger Cembalist an der kosmopolitischen Hamburger Gänsemarkt-Oper kennenlernte. Rameaus umfangreiches Schaffen umfasst eine bahnbrechende Harmonielehre, Kammermusik, geistliche und Bühnenwerke. Die beiden Ballettsuiten des heutigen Abends sind aus seinem Spätwerk zusammengestellt. Die burleske Oper Platée von 1745 handelt von einer hässlichen Sumpfnymphe, die sich für schön hält und einer grausamen Kur unterzogen wird. Sein Schwanengesang Les Boréades von 1763 über die Söhne des Windgottes Boréas erinnert an Shakespeares Sturm. Vergleicht man die Ouvertüren zu Platée und zu Händels 1744, also fast gleichzeitig entstandenem Oratorium Hercules mit der klassischen Form der Französischen Ouvertüre, so zeigt sich, 108 FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN dass beide Komponisten in ihrem Spätwerk mit dem überkommenen Formenbestand experimentierten. Die Französische Ouvertüre besteht aus einer langsamen punktierten Einleitung, einem raschen Fugato als Hauptteil und einem Schlussteil, der die Einleitung verkürzt wieder aufgreift. Sowohl Händel als auch Rameau verfremden diese Formteile, wobei Rameau radikaler vorgeht, was auch damit zu tun hat, dass seine Komödie eine Parodie ist. Parodiert wird auch die Sturmmusik, mit der der 1. Akt der Platée und unsere Suite enden. Sie war seit Ende des 17. Jahrhunderts ein Standardelement der höfischen Tragédie lyrique so wie Wahnsinnsszenen, allerdings in weit seltener, Standardelemente der Opera seria waren. Besonders Ariost hat mit seinem Epos vom Rasenden Roland als beliebtester Stoffquelle der italienischen Oper in diese Richtung gewirkt. Händel scheint das Thema gereizt zu haben. Seine Wahnsinnsszenen in Orlando, Hercules und Saul gehören zu seinen experimentellsten Eingebungen und Höhepunkten seines gesamten Werkes. Die gehackten Akkorde, mit denen er die Verzweiflung der Gattin des Hercules schildert, die ihren Mann aus Eifersucht mit einem Zaubergewand umgebracht hatte, gehen auf einen alten Topos musikalischer Gestaltung zu- rück, den stile concitato oder aufgewühlten Stil. Monteverdis Combattimento di Tancredi e Clorinda ist das klassische Beispiel dafür. Das englische Oratorium aber war für den alten Händel nach Aufgabe seiner Opernkarriere das Experimentierfeld, auf dem er das starre Arien-Korsett der Opera seria hinter sich lassen konnte, was er besonders mit „Where shall I fly“ tat. „Resign thy club“ dagegen ist eine virtuose Da-capo-Arie, die auch in einer italienischen Oper stehen könnte. Die chromatische Seelenqual „The world, when day’s career is run“ imponiert vor allem durch kühne Harmonik. Zu den Innovationen des englischen Oratoriums gehören neben Chören auch die Sinfonia genannten Instrumentaleinleitungen vor jedem Akt. Der zweite Teil des Abends stellt Tanzsätze aus Rameaus letzter Oper neben Auszüge aus Händels Ariodante von 1735. Dieses sechs Jahre vor Aufgabe seiner Opernkarriere geschriebene Rittermärchen entfernt sich stark von der gewohnten Form der Opera seria. Die traditionelle Kette der Arien und Rezitative wird durchbrochen von Ariosi, Chören und Tanzsätzen, was sie der französischen tragédie lyrique annähert. In späteren Opern nimmt Händel diese Vorstöße in freiere Opernformen wieder zurück. Der Anlass für den Tabubruch war biografischer Natur. Für die Aufführung des Ariodante stand Händel das Tanzensemble seiner Freundin, der Pariser Choreografin Marie Sallé zur Verfügung. Für sie ließ er jeden der drei Akte mit einem Ballett ausklingen. Der 2. Akt endet mit einer „Entrée der Mohren“, die – aus heutiger Sicht politisch unkorrekt – im Kontrast die Keuschheit der fälschlich des Ehebruchs bezichtigten Primadonna noch reiner erstrahlen lassen soll. Das Thema kolonialistischer Ausbeutung betraf Händel unmittelbar. Er hatte sein Vermögen in Anteilen der British East India Company angelegt. Wie solche Divertissements in der französischen Oper aussahen, kann man dem „Entrée der Völker“ aus Rameaus auch inhaltlich verwandten Boréaden ablauschen. Beide Werke handeln von einer verhinderten Hochzeit, die von Händel allerdings im Stil der Märchenoper mit Prinz, Bösewicht und Prinzessin, von Rameau im Stile der Zauberoper mit vielen Aufzügen, phantastischen Bildern und Bühneneffekten erzählt wird. Natürlich hat Händel den Tänzerinnen und Tänzern der Madame Sallé auch eine feierliche Gavotte eingebaut. Die Gavotte gehörte ja zu den Standardtänzen der Zeit. Wie sie in ihrem Ursprungsland klang, zeigen die Gavotten des Gefolges König Boréas‘ und der Orithie. Während aber der pantomimisch darstellende oder einfach nur tänzerische Tanz in der französischen Oper einen Eigenwert hat, bleibt er bei Händel dienenden Charakters in einem eigentlich dramatischen Stück, dessen Hauptgewicht auf den Arien liegt. Die zwei berühmtesten umspannen in seltener Vollendung das ganze Gefühlsspektrum, das ein Händelscher „primo uomo“ beherrschen musste. „Scherza infida“ ist eine ausladende Klage von Verzweiflung. Der Ritter ohne Fehl und Tadel wurde Augenzeuge der vermuteten Untreue seiner Braut, die er morgen heiraten sollte und verzweifelt an der Welt. In „Dopo la notte“ ist die Krisis überwunden. Boris Kehrmann FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 109 ANN HALLENBERG Mezzosopran Die gebürtige Schwedin hat sich als Mezzosopranistin fest in der internationalen Konzertlandschaft etabliert. Sie tritt weltweit in allen großen Opernhäusern auf, ebenso ist sie in bedeutenden Konzertsälen und auf Festivals in Europa und Nordamerika zu hören. Engagements, die Hauptrollen in Werken von Rossini, Mozart, Gluck, Händel, Vivaldi, Monteverdi, Purcell, Bizet und Massenet umfassen, führten sie u. a. nach Mailand, Madrid, Zürich und Paris sowie an die Bayerische Staatsoper in München, die Semperoper Dresden und an das Theater an der Wien. Ein gewichtiger Teil ihres Konzertrepertoires, das neben der Musik des frühen 17. Jahrhunderts auch Mendelssohns Elias sowie Werke von Berlioz und Mahler beinhaltet, reicht bis zu zeitgenössischen Kompositionen von Franz Waxman oder Daniel 110 FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN Börtz. 2015 gastierte sie als Irene in Händels Tamerlano am Théâtre de La Monnaie in Brüssel und an der Dutch National Opera, brachte Bachs Johannespassion in Amsterdam mit dem Concertgebouw Orchester zur Aufführung, trat in Göttingen und Venedig mit Il Pomo d’Oro auf und sang Tirinto in Imeneo bei den HändelFestspielen in Halle. Ann Hallenberg arbeitet regelmäßig mit namhaften Dirigenten wie Frans Brüggen, Sir John Eliot Gardiner, Philippe Herreweghe, Riccardo Muti, Kent Nagano und Sir Roger Norrington. Zu ihren mehr als dreißig CD- und DVDAufnahmen gehören Mozarts c-Moll Messe für Medici Arts, Brahms’ Alt-Rhapsodie für PHI sowie eine Solo-CD mit Arien von Händel und Vivaldi für Naïve. LARS ULRIK MORTENSEN Dirigent Der 1955 geborene Cembalist erhielt seine Ausbildung an der Königlich Dänischen Musikakademie in Kopenhagen und bei Trevor Pinnock in London. Er spielt inzwischen aber beinahe genauso häufig auf dem Hammerklavier und tritt als Dirigent verschiedener dänischer und schwedischer Orchester auf. Seine umfangreiche Konzerttätigkeit als Solist und als Kammermusiker führt ihn immer wieder durch ganz Europa, in die USA, nach Mexiko, Südamerika und Japan. Von 1996 bis 1999 war er Professor für Cembalo und Aufführungspraxis an der Hochschule für Musik in München, entschloss sich aber dann, die akademische Lehrtätigkeit zugunsten einer Laufbahn als ausübender Musiker aufzugeben. Er unterrichtet weiterhin bei Meisterklassen und war schon mehrfach Jurymitglied bei internationalen Cembalo-Wettbewerben. 1999 hat Lars Ulrik Mortensen die künstlerische Leitung des Barockorchesters Concerto Copenhagen übernommen. Damit begann für die Musiker und die Zuhörer von „CoCo“ eine sehr erfolgreiche musikalische Entdeckungsreise, die bis heute andauert. Es folgten viele Konzertreisen nach Skandinavien, Deutschland, Frankreich und Japan. Außerdem ist Concerto Copenhagen als „Opernorchester“ ein regelmäßiger Gast der Königlichen Oper in Kopenhagen. Seit 2004 ist er Künstlerischer Leiter des European Union Baroque Orchestra. Außerdem hat er zahlreiche Schallplatten eingespielt, u. a. die Konzerte für drei und vier Cembali von J. S. Bach, das Cembalowerk von Buxtehude und Froberger und das gesamte Kammermusikwerk von Corelli. Seine Aufnahme von Bachs Goldberg-Variationen wurde mit dem französischen Diapason d‘Or ausgezeichnet. 2001 wurde er in Cannes mit dem Classical Award als bester Solist für das Repertoire von 1600 bis 1800 ausgezeichnet. FESTKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 111 112 xx xxx 113 KONZERT VALER SABADUS „A MUSICALL BANQUETT“ (1610) Eine Sammlung von Robert Dowland (1591–1641) „... ausgewählte erlesene Lieder der hervorragendsten englischen, französischen, spanischen und italienischen Komponisten“ VALER SABADUS Countertenor AXEL WOLF Laute & Theorbe FR 26.2. 20.00 CHRISTUSKIRCHE AM MÜHLBURGER TOR 1 ¼ Stunden, keine Pause 114 KONZERT VALER SABADUS PROGRAMM Anonym Sta notte mi sognava Pierre Guédron (1565–1619/20) Si le parler et le silence Lady, if you so spite me John Dowland (1563–1626) Robin (Laute solo) My Lady Hunsdon’s Puffe (Laute solo) Guillaume Tessier (~1540–1582) In a grove most rich of shade Anonym Go, my flock, go get you hence John Dowland In darkness let me dwell Giovanni Girolamo Kapsberger (~1580–1651) Toccata (Laute solo) Corrente (Laute solo) Domenico Maria Melli (frühes 17. Jahrhundert) Se di farmi morire Anonym Passava Amor su arco dearmado John Dowland A Fancy (Laute solo) Lachrimae (Laute solo) Far from triumphing court Daniel Bacheler (1572–1619) To plead my faith Anthony Holborne (~1545–1602) My heavy sprite Alessandro Piccinini (1566–1638) Toccata (Theorbe solo) Chiaccona (Theorbe solo) Giulio Caccini (1551–1618) Amarilli mia bella Anonym Vuestros ojos tienen d´Amor VALER SABADUS KONZERT 115 ZUM PROGRAMM DIE KUNST DER LAUTE Denkt man an England und seine Musik, denkt man an Henry Purcell, Edward Elgar oder Benjamin Britten, mit großer Wahrscheinlichkeit auch an die Beatles und andere Pop- und Rockbands und selbstverständlich an Händel, den eingewanderten Sachsen, der mit seinen Opern und Oratorien das Londoner Musikleben des 18. Jahrhunderts geprägt hat. Doch es gibt ein weiteres Kapitel der europäischen Musikgeschichte, das wie kein anderes mit England verbunden ist: die weltliche Lautenmusik der Renaissance. Zwar gab es seit dem frühen 16. Jahrhundert auch in Italien, Frankreich und in deutschen Landen Komponisten, die für das Zupfinstrument geschrieben haben, doch in England erlebten Lautenspiel bzw. lautenbegleiteter Liedgesang im 16. und 17. Jahrhundert eine besondere Blüte. Protagonist dieser Kultur war John Dowland, ein seinerzeit europaweit bekannter Komponist und Lautenist, der von 1598 bis 1606 am dänischen und – nach mehreren erfolglosen Bewerbungen – von 1612 bis zu seinem Tod 1626 auch am englischen Hof wirkte. Die Politik Elisabeths I. im so genannten „Goldenen Zeitalter“, d. h. während ihrer Regentschaft von 1558 bis 1603, hatte zu beträchtlichem Wohlstand des Bürgertums geführt. Kunst und Musik waren nun nicht mehr auf die Aristokratie beschränkt, was sich auch in der Nachfrage nach Notenausgaben niederschlug. Dowlands 1597 erschienenes „Firste Booke of Songs and Ayres“ mit eigenen Lautenliedern war so erfolgreich, dass zwei weitere Songbooks 116 KONZERT VALER SABADUS folgen sollten, die mehrmals und zum Teil in sehr hohen Stückzahlen aufgelegt wurden. Auch Dowlands Sohn Robert war Lautenist und übernahm nach dem Tod seines berühmten Vaters 1626 dessen Stellung als Instrumentalist am Königshof. Er ist weniger durch eigene Werke als durch zwei Sammelbände mit zeitgenössischer Lautenmusik bekannt geworden, die er 1610 als 19-Jähriger mit der Unterstützung seines Vaters zusammenstellte und veröffentlichte: A Musicall Banquet und Varitie of Lute-Lessons. A Musicall Banquet, aus dem in diesem Konzert dreizehn Titel gespielt werden, ist die erste in England veröffentlichte Zusammenstellung mit Liedern englischer, französischer, spanischer und italienischer Komponisten. Als Vorbild könnte die 1608 in Paris erschienene Sammlung Airs de différents autheurs, mis en tablature de luth von Gabriel Bataille gedient haben. Dowlands Anthologie beinhaltet insgesamt 20 Lautenlieder in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und richtete sich sowohl an professionelle Musiker als auch an Amateure. Die meisten Lieder folgen dem Topos der sehnsüchtigen Schwärmerei und unerfüllten Liebe und sind in einem berührenden Klagegestus gehalten. Stilistisch stellen sie einen Querschnitt dar und beinhaltet Bearbeitungen polyphoner Vokalmusik, strophische Lieder mit Tanz- oder tanzartigem Rhythmus und durchkomponierte, nicht-strophische Lieder im italienischen monodischen Stil. Raphael Rösler VALER SABADUS BEI SONY CLASSICAL CALDARA Valer Sabadus und das Ensemble nuovo aspetto spielen selten zu hörende Arien des venezianischen Barockkomponisten Antonio Caldara, darunter 6 Weltersteinspielungen. „Engelsgleicher Gesang“ Opernglas „...einer der besten Countertenöre unserer Tage“ Fono Forum LE BELLE IMMAGINI Eine facettenreiche Hommage an den berühmten Kastraten Giuseppe Millico mit Opernarien von Gluck und Sacchini, begleitet von der Hofkapelle München unter Alessandro De Marchi. „Ein Fest für die Stimme!“ Fono Forum LA CLEMENZA DI TITO Die Weltersteinspielung von Glucks Oper La Clemenza di Tito mit Valer Sabadus und dem Ensemble l’arte del mondo. www.sonymusicclassical.de www.valer-sabadus.de Foto C Henning Ross Echo Klassik 2015: Beste solistische Gesangseinspielung des Jahres Ebenfalls erhältlich: www.facebook.com/sonyclassicalxxx 117 VALER SABADUS Countertenor Mit seiner glasklaren und androgynen Stimme singt Valer Sabdus trotz seines jungen Alters bereits in der Riege der weltbesten Countertenöre. Bei den INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELEN KARLSRUHE 2016 verkörpert er auch in der Wiederaufnahme von Teseo die Titelrolle, für die er 2015 begeisterte Rezensionen erhielt. Die Saison 2015/16 startete er als Kaiser Nerone in Claudio Monteverdis L’incoronazione di Poppea an der Seite von Alex Penda – ein herausragendes Rollen- und Theaterdebüt am Theater an der Wien. Zudem sind Tourneen mit Concerto Köln, der Accademia Bizantina, eine DuettTournee und CD-Aufnahme mit dem Kammerorchester Basel und Nuria Rial geplant sowie Auftritte mit Les Folies Françoises und Philippe Jaroussky. Als Exklusivkünstler von Sony Classical erschien im Herbst 2015 seine aktuelle CD Caldara, auf der er vom Ensemble Nuovo Aspetto begleitet wird. Für seine Solo-CD Le belle immagini mit Arien von C. W. Gluck erhielt er einen Echo Klassik 2015. 118 KONZERT VALER SABADUS Internationale Bekanntheit erlangte Valer Sabadus 2012 für seine herausragende Interpretation als Semira in Leonardo Vincis Oper Artaserse an den Opernhäusern von Nancy, Lausanne und Köln, dem Theater an der Wien, dem Théâtre des Champs-Elysées, der Opéra Royal de Versailles und dem Concertgebouw Amsterdam. Die Produktion erschien auch als CD und DVD und erhielt zahlreiche Preise. Im gleichen Jahr wurde ihm der Preis der deutschen Schallplattenkritik für seine Solo-CD Hasse Reloaded (OehmsClassics) verliehen. Großen internationalen Erfolg feierte er auch als Menelao in Francesco Cavallis wiederentdeckter Oper Elena beim Festival International d’Art Lyrique d’Aix-en-Provence. 2013 gab er sein fulminantes Debüt in der Titelrolle von Händels Xerxes an der Deutschen Oper am Rhein in der Inszenierung von Stefan Herheim. AXEL WOLF Laute Axel Wolf deckt als einer der profiliertesten Lautenisten mit seinen musikalischen Aktivitäten ein großes Spektrum ab, vom Solospiel über Kammermusik bis Musizieren im Orchestergraben. Er arbeitet mit Partnern wie Dorothee Oberlinger, Irvine Arditti, Sebastian Hess, Rüdiger Lotter, Stefan Temmingh oder Joel Frederiksen. Reisen führen ihn auf internationale Fetivals in Brügge oder Utrecht, nach Rom, Tokio und New York, als Solist oder mit Ensembles wie der Musica Fiata, Ars Antiqua Austria, dem Freiburger Barockorchester, dem Orchestra of the Age of Enlightenment oder The English Concert London. Von 2000 an wirkte er als regelmäßiger Gast an der Bayerischen Staatsoper München unter dem Dirigat von Ivor Bolton, Harry Bicket oder Christopher Moulds. Sein Gitarren- und Lautenstudium absolvierte er bei Hans Michael Koch. Neben Meisterkursen bei Nigel North und Hopkin- son Smith folgten weitere Studien bei Rolf Lislevand. Für den Dokumentarfilm Sonbol komponierte und produzierte er die Musik, 2011 wirkte er in diversen Fernsehproduktionen des BR sowie bei der Talkshow 3nach9 von Radio Bremen mit. Die CD Requiem for a Pink Moon mit Joel Frederiksen und dem Ensemble Phoenix Munich wurde 2013 mit dem Echo in der Kategorie „Klassik ohne Grenzen“ ausgezeichnet. In Opern-, Konzert- und CD-Produktionen arbeitete er zusammen mit Dirigenten wie Peter Schreier, Lajos Rovatkay, Enoch zu Guttenberg, Joshua Rifkin und Alan Curtis. Neben zahlreichen Einspielungen als Continuospieler und Begleiter erschienen bisher vier Soloalben. VALER SABADUS KONZERT 119 120 xx DECKENFRESKO MIT KREUZLEGENDE IN DER SCHLOSSKIRCHE xxx 121 5. SINFONIEKONZERT STEFANO MONTANARI Solo-Violine & Dirigent BADISCHE STAATSKAPELLE 1. Violine Km. Stephan Skiba, Katrin Adelmann, Judith Sauer, Susanne Ingwersen, Thomas Schröckert, Werner Mayerle, Herbert Pfau-von Kügelgen, Ayu Ideue, Claudia Schmidt, Anne-Catherine Eibel 2. Violine Annelie Groth, Shin Hamaguchi, Gregor Anger, Andrea Böhler, Christoph Wiebelitz, Dominik Schneider, Birgit Laub, Chorong Hwang Viola Michael Fenton, Christoph Klein, Km. Joachim Steinmann, Ortrun Riecke-Wieck, Kyoko Kudo, Tanja Linsel Violoncello Thomas Gieron, Km. Norbert Ginthör, Wolfgang Kursawe, Johannes Vornhusen, Hanna Gieron Kontrabass Peter Cerny, Xiaoyin Feng, Karl Walter Jackl, Christoph Epremian Oboe Stephan Rutz, Nobuhisa Arai Fagott Lydia Pantzier, Km. Detlef Weiß Horn Km. Susanna Wich-Weißsteiner, Peter Bühl Trompete Jens Böcherer, Km. Ulrich Dannenmaier Pauke Raimund Schmitz Cembalo Alison Luz SO 28.2. 11.00 & MO 29.2. 20.00 GROSSES HAUS 2 Stunden, eine Pause 122 KONZERT 5. SINFONIEKONZERT PROGRAMM Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) Concerto grosso B-Dur op. 3, 2 HWV 313 I. Vivace II.Largo III.Allegro IV.Minuetto V.Gavotte Antonio Vivaldi (1678 – 1741) Concerto f-Moll op. 8, 4 RV 267 „L’Inverno / Der Winter“ I. Allegro non molto II.Largo III.Allegro. Lento. Allegro Concerto E-Dur op. 8, 1 RV 269 „La Primavera / Der Frühling” I.Allegro II.Largo III.Allegro: Danza pastorale – Pause – Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) Sinfonie Nr. 36 C-Dur KV 425 „Linzer“ I. Adagio. Allegro spiritoso II. Poco adagio III.Menuetto IV.Presto 5. SINFONIEKONZERT KONZERT 123 ZUM PROGRAMM HÄNDEL: CONCERTO GROSSO B-DUR OP. 3, 2 Die Bezeichnung „Concerto grosso” assoziiert man heute sofort mit Barockmusik, dabei wurde sie im Deutschland der Bachzeit kaum verwendet. Auch Händel kam zu seiner Halleschen Studienzeit vermutlich weder mit dem Namen noch der Form in Berührung. Der Begriff kam um 1680 in Rom auf, um das Streichorchester als „großes” vom „kleinen Konzert” der Solisten zu unterscheiden. In Italien war es auch, wo Händel während seines Aufenthalts 1706 – 1710 durch das Vorbild Arcangelo Corelli diese neue Form kennenlernte und aufnahm. Die sechs Konzerte aus Opus 3 veröffentlichte Händels Londoner Verleger 1734 aus Anlass der Vermählung der englischen Prinzessin Anne mit dem Prinzen von Oranien, hier erklangen sie als Zwischenaktmusiken zur Serenade Il Parnasso in Festa HWV 72. Die Londoner nannten Händels Concerti grossi op. 3 konsequent nur seine „Oboe Concertos”, denn in ihnen sind durchweg auch Holzbläser besetzt. Allerdings erscheinen diese im Gegensatz zu den Geigen kaum solistisch, sondern wirken überwiegend in den Concertino-Gruppen mit. Das Concerto B-Dur vereinigt die Satzelemente des Konzerts (Vivace – Largo – Allegro) mit denen der Suite (Menuett – Gavotte). Besonders bemerkenswert ist die vierstimmige Doppelfuge im dritten Satz, die in einer zeitgenössischen Beurteilung als „in der vielleicht deutlichsten und meisterhaftesten Manier“ gearbeitet sei, „in welcher jemals eine Instrumentalfuge gesetzt ist.“ Im folgenden farbenreichen Menuettsatz ist das Concertino geteilt: Zwei Oboen und Fagott bzw. zwei Violinen und Viloncello stehen dem Tutti 124 KONZERT 5. SINFONIEKONZERT gegenüber und vereinen sich nach wechselseitigem Konzertieren zu einem prachtvollen und klanggewaltigen Satz. VIVALDI: DER WINTER UND DER FRÜHLING AUS DEN VIER JAHRESZEITEN Antonio Vivaldi ist der mit Abstand bedeutendste Instrumentalkomponist des italienischen Barocks, und das liegt nicht nur an der ungeheuren Zahl seiner überlieferten Kompositione. Gleichzeitig war er ein hervorragender Violinvirtuose und prägender Musikpädagoge. Vivaldi prägte die heute noch gewohnte Dreisätzigkeit des Konzerts schnell – langsam – schnell sowie die Ritornellform. Entscheidende ist weiter der Übergang vom Gruppen- hin zum Solokonzert; dabei bezog Vivaldi nahezu alle Instrumente des Barockorchesters mit ein. Möglichkeiten zur kompositorischen Variation boten Programmkonzerte mit „Concerti con tituli“. Rund vierzig dieser Konzerte tragen programmatische Titel, die sich auf die Natur im weitesten Sinne beziehen, darunter natürlich die Vier Jahreszeiten. Die unter diesem Titel vereinten Konzerte wurden bereits von den Zeitgenossen hoch gerühmt und liegen in unzähligen Bearbeitungen bis hin zur Filmmusik vor. Grund dafür mag sein, dass sie wirklich als reine Programmmusik begriffen werden können: Nicht eine unbestimmte bildhafte Gefühlswelt liegt ihnen zugrunde, sondern ein konkreter Handlungsablauf, den Vivaldi in Sonetten dem Notentext voranstellte. Der Winter 1: „Erstarrt zittern in eisigen Schneeschauern beim schneidenden Hauch des schrecklichen Windes, im Lauf immer wieder die Füße aufstampfen und vor grimmiger Kälte die Zähne klappern.“ 2: „Ruhig und zufrieden seine Tage am Kamin zubringen, während draußen der Regen alle durchnässt.“ 3: „Eislaufen, langsam und aufmerksam, aus Angst zu stürzen, rasch sich drehen, ausrutschen, zu Boden fallen, wiederum auf dem Eise sich bewegen und rasch laufen, bis das Eis bricht und sich aufspaltet, fühlen, wie aus den eisernen Pforten kommen Südost- und Nordwind und alle die kämpfenden Winde, das ist der Winter, aber, wie er auch sei, welche Freuden bringt er.“ Der Frühling 1: „Der Frühling ist gekommen, in festlicher Freude grüßen ihn die Vögel mit fröhlichem Gesange, und die Quellen fließen in süßem Gemurmel zum Hauch der Zephirwinde. Doch schwarz bedeckt sich der Himmel, mit Blitz und Donner wird der Frühling angekündigt; dann schweigen sie, und die Vögel beginnen wieder ihren bezaubernden Gesang.“ 2: „Und dann schläft auf der blumengeschmückten lieblichen Wiese beim zarten Rascheln des Laubes und der Pflanzen der Ziegenhirte mit seinem treuen Hund zur Seite. 3: „Zum festlichen Klange der ländlichen Schalmei tanzen Nymphen und Schäfer im lieblichen Haine beim strahlenden Erscheinen des Frühlings.“ MOZART: LINZER SINFONIE „Dienstag als den 4ten November werde ich hier im theater academie geben. – und weil ich keine einzige Simphonie bey mir habe, so schreibe ich über hals und kopf an einer Neuen, welche bis dahin fertig seyn muß“, so schrieb Mozart am 31. Oktober 1783 aus Linz an seinen Vater. Trotz der unglaublichen Eile hatte er dennoch die Muße, ein neues Merkmal in seine Sinfonik einzubringen: An der erstmals verwendeten langsame Einleitung zu Beginn kann man das Vorbild Haydn erkennen. Sie gibt dem Beginn etwas Festliches, aber auch Versonnenes, und baut durch die bewusste Umschreibung des tonalen Zentrums die Spannung auf für den ersten Auftritt des Hauptthemas. Schon da hat sich Mozart weit vom Ideengeber Haydn entfernt. Er geht viel freier mit der Form um, nicht das Kompositionstechnische steht im Vordergrund, sondern die Zeichnung von gegensätzlichen Charakteren, das Ausloten von Untiefen, das trotz aller Gegensätzlichkeit zu einem harmonischen Ganzen erwächst. So ersetzt er das reguläre Seitenthema durch einen Gedanken in der unerwarteten Tonart e-Moll, in dem eine fremdartige alla turca-Atmosphäre erweckt wird, ohne den grundsätzlichen Charakter des Satzes zu verändern. Für den langsamen Satz wählt Mozart nicht die dreiteilige Liedform, sondern verleiht ihm durch die Wahl der Sonatenform und die sehr eigenständige Behandlung der Bläser ein eigenes Gewicht. Das Menuett hat sich schon länger vom überkommenen höfischen Tanz hin zum eigenständigen Sinfonieteil gemausert. Das Finale besticht durch seinen mitreißenden Schwung, doch geht es mit seiner Schilderung unterschiedlichster Empfindungen von Freude bis Schmerz weit über diese eindimensionale Betrachtung als „Kehraus“ hinaus. Der Finalsatz bekommt damit eine Tiefe und ein Gewicht, das bereits auf Mozarts Behandlung der Finali seiner sinfonischen Spätwerke hinweist. 5. SINFONIEKONZERT KONZERT 125 STEFANO MONTANARI Solo-Violine & Dirigent Stefano Montanari konzentrierte sich nach dem Abschluss seines Violin- und Klavierstudiums auf die historisch informierte Aufführungspraxis. Seit 1995 spielt er die erste Violine an der Accademia Bizantina in Ravenna, ein auf das 18. bis 19. Jahrhundert spezialisiertes Quartett, das auf authentischen Instrumenten spielt. Er arbeitet mit führenden Experten im Bereich der Alten Musik, vor allem mit Christophe Rousset und seinem Ensemble Les Talens Lyriques. Der Künstler unterrichtet Barockvioline an der Internationalen Musikakademie in Mailand und am Dall´Abaco-Konservatorium in Verona. Er dirigierte Vivaldis Vier Jahreszeiten mit dem Barockorchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom für ein Weihnachtskonzert im Jahr 2007 und für eine Gala zu Ehren des 150. Jahrestages der Vereinigung Italiens. Beide Konzerte wurden live im nationalen Fernsehen übertragen. Als Dirigent ist er 126 KONZERT 5. SINFONIEKONZERT regelmäßiger Gast an Häusern wie dem Teatro Coccia in Novara, Teatro del Giglio in Lucca, Teatro Donizetti in Bergamo, Teatro La Fenice in Venedig, der Opéra de Lyon oder dem Opera Atelier in Toronto. Er ist außerdem Musikdirektor des europäischen Projekts „Junges Musikpodium Dresden-Venedig“. Seine Aufnahme von Corellis Violinsonaten op. 5 erhielt breite Anerkennung und zahlreiche internationale Preise, darunter den Diapason d´Or und Midem als beste barocke Musik-CD des Jahres (2007/2010). Seine Aufnahme von Purcells O solitude mit Andreas Scholl wurde für einen Grammy Award (beste Classical Vocal Solo) nominiert. BADISCHE STAATSKAPELLE Als eines der ältesten Orchester der Welt kann die BADISCHE STAATSKAPELLE auf eine überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich aus dieser Keimzelle ein Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten zahlreiche Urund Erstaufführungen, z. B. von Hector Berlioz, Johannes Brahms und Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu einem der Zentren des Musiklebens. Neben Brahms standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste. Hermann Levi führte in den 1860er Jahren die ersten regelmäßigen Abonnementkonzerte des damaligen Hoforchesters ein, die bis heute als Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATSKAPELLE weiterleben. Allen Rückschlägen durch Kriege und Finanznöten zum Trotz konnte die Tradition des Orchesters bewahrt werden. Generalmusikdirektoren wie Joseph Keilberth, Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester in die Neuzeit. Komponisten wie Werner Egk, Michael Tippett oder Matthias Pintscher standen sogar selbst vor dem Orchester, um ihre Werke aufzuführen. Die große Flexibilität der BADISCHEN STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute noch in der kompletten Spannweite zwischen Repertoirepflege und der Präsentation zukunftsweisender Zeitgenossen, exemplarisch hierfür der Name Wolfgang Rihm. Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz besonders für die Pflege der Werke Wagners, Berlioz‘, Verdis und Strauss‘ sowie für einen abwechslungsreichen Konzertspielplan, vom Deutschen Musikverlegerverband ausgezeichnet als „Bestes Konzertprogramm 2012/13“. 5. SINFONIEKONZERT KONZERT 127 BAROCKSTADT KARLSRUHE 2015 Jahr jährte sich die Stadtgründung Karlsruhes zum 300. Mal. Von Markgraf Karl Wilhelm als barocke Planstadt angelegt, hat Karlsruhe den vom Sonnenkreis abgeleiteten Fächer-Grundriss bis heute bewahrt – im Mittelpunkt den Turm des Barockschlosses. Die ehemalige markgräfliche Residenz ist bis heute nicht nur das städtebauliche, sondern auch das kulturelle Zentrum der Stadt. Zudem ist Karlsruhe umgeben von Barock-Residenzen. Die Fotostrecke in diesem Band zeigt Ansichten aus Rastatt. Das Schloss des „Türkenlouis“ ist die früheste Barockresidenz am Oberrhein. Mit dem Ensemble aus dreiflügeligem Schlossbau, Garten und regelmäßig geplanter Stadt orientierte sich Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden an Schloss Versailles. Die imposante Anlage demonstriert in ihrer Gesamtarchitektur an- schaulich eine geometrische Einheit von Stadt und Garten. Das Arminio-Bildnis auf der Titelseite entstammt dem Gemälde Die Hermannsschlacht von Wilhelm Lindenschmit dem Älteren (1806–1848), das sich in der Sammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe befindet. Diese ist eine der umfangreichsten der Malerei des 19. Jahrhunderts Deutschlands. Arminius, Fürst der Cherusker, brachte den Römern in der Varusschlacht 9 n. Chr. eine ihrer verheerendsten Niederlagen bei. An diese historische Person angelehnt ist die Figur Hermann der Cherusker, der im 19. Jahrhundert Teil des deutschen Gründungsmythos war. EINMALIGES GASTSPIEL L’AUTRE MONDE Gastspiel des Riccardo Primo-Regisseurs Benjamin Lazar in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln KLEINES HAUS 128 © Nathaniel Baruch 20.2. Juwelier Leicht in den SchmuckweLten westliche karl-Friedrich-Str. 56/68 • 75172 Pforzheim tel. 07231 - 12 99 0 • www.juwelier-leicht.de xxx 129 INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE KARLSRUHE 2015 SCHRIFTLICHE KARTENBESTELLUNGEN BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE Theaterkasse Baumeisterstr. 11 76125 Karlsruhe [email protected] THEATERKASSE Baumeisterstr. 11 Montag bis Freitag von 10.00 – 18.30 Samstag von 10.00 – 13.00 Telefon 0721 933 333 Fax 0721 3557 346 IMPRESSUM Generalintendant Peter Spuhler Verwaltungsdirektor Michael Obermeier Kaufmännischer Direktor Johannes Graf-Hauber Künstlerische Leitung Michael Fichtenholz Produktionsleitung Eric Nikodym Künstlerische Leitung INTERNATIONALE HÄNDEL-AKADEMIE KARLSRUHE Michael Form Redaktion Nadine Hering-Eßig, Boris Kehrmann, Raphael Rösler, Achim Sieben Gestaltung Danica Schlosser Druck medialogik GmbH ABENDKASSE 1 Stunde vor Beginn der Vorstellung WEITERE INFORMATIONEN www.staatstheater.karlsruhe.de www1.karlsruhe.de/Kultur/HaendelAkademie HOTEL-ARRANGEMENTS Informationen zu unseren Partnerhotels finden Sie auf www.staatstheater.karlsruhe. de unter Service/Hotel- und Gastrotipps. 130 xxSERVICE Redaktionsschluss 1.2.16 Änderungen vorbehalten 65. SCHWETZINGER SWR FESTSPIELE BAROCKOPER 29. April (Premiere), weitere Termine: 1., 3. & 4. Mai »Veremonda, l’amazzone di Aragona« Francesco Cavalli Musik | Giulio Strozzi Libretto Amélie Niermeyer Regie | Gabriel Garrido Musikalische Leitung | Concerto Köln BACH-AKZENTE 1. Mai Jean-Guihen Queyras Violoncello 6 Suiten – 6 Echos 6. Mai Cantus Cölln | Konrad Junghänel Leitung Kantaten und »Kleine Messe« A-Dur 17. Mai Collegium 1704 | Collegium Vocale 1704 | Václav Luks Leitung Werke von Zelenka, Scarlatti und Bach 22. Mai Isabelle Faust Violine | Kristian Bezuidenhout Cembalo Sonaten und Toccata für Cembalo d-Moll 31. Mai Evgeni Koroliov Klavier »Goldberg-Variationen« 2. Juni La Cetra Barockorchester Basel Brandenburgische Konzerte Nr. 1-6 SCHWETZINGER HOFMUSIK-AKADEMIE 28. Mai Abschlusskonzert »Klingendes Arkadien« Midori Seiler & Jaap ter Linden Leitung Werke von Holzbauer, Cannabich, Johann und Carl Stamitz Ausführliches Programm unter schwetzinger-swr-festspiele.de Programmbroschüre anfordern unter [email protected] Das gesamte Programm wird in SWR2 gesendet. NACHWEISE TEXTE Alle Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmbuch. FOTOS Theresia Bauer Uli Regenscheit Fotografie Dr. Frank Mentrup Roland Fraenkle Prof. Dr. Peter Overbeck privat Peter Spuhler Florian Merdes Michael Fichtenholz Felix Grünschloß Schloss Rastatt AMEA Design & More, LMZ BW (Altenkirch / Hausner / Weischer) Franco Fagioli Julian Laidig / © DG Julia Lezhneva Decca / © Uli Weber Karina Gauvin Michael Slobodian Donna Leon Regine Mosimann / © Diogenes Verlag Stefano Montanari Roberto Cifarelli Il pomo d’oro Julien Mignot Domenico Annibali bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden | Elke Estel | Hans-Peter Klut Arminio (Max Emanuel Cencic) Julien Benhamou Max Emanuel Cencic Anna Hoffmann George Petrou Ilias Sakalak Helmut Stürmer Felix Grünschloß Corina Grămoşteanu Adi Bulboaca Angela Saroglou Felix Grünschloß Layla Claire Lisa Marie Mazzucco Vince Yi Edda Pacifico Ruxandra Donose Nicolae Alexa Juan Sancho Julian Laidig Owen Willetts Felix Grünschloß Pavel Kudinov Felix Grünschloß Armonia Atenea Pappas Ulrich Wagner Florian Merdes Ks. Tero Hannula Jochen Klenk 132 Andrea Keller Dirk Peuser Christoph Mayer privat Jane Oldham privat Gerhardt Darmstadt privat David Sinclair privat Rien Voskulien privat S. 67, S. 71 Falk von Traubenberg Michael Form Felix Grünschloß Daniel Pfluger Felix Grünschloß Flurin Borg Madsen Bitterfield Photography Janine Werthmann privat Benedikt Dichgans privat Philipp Engelhardt privat Deutsche Händel-Solisten privat Valer Sabadus Henning Ross Yetzabel Arias Fernández Ribaltaluce Studio Flavio Ferri-Benedetti Lucian Hunziker Roberta Invernizzi Ribaltaluce Studio Larissa Wäspy Felix Grünschloß Terry Wey Walter Fritz Mehmet Altiparmak Florian Merdes Sergiu Nastasa privat Carmen-Otilia Alitei Ilias Sakalak Theodoros Kitsos privat Alexandros Economou Ilias Sakalak Ann Hallenberg Örjan Jakobsson Lars Ulrik Mortensen Keith Saunders Axel Wolf Marc Dietenmeier BFF Badische Staatskapelle Falk von Traubenberg Sollten wir Rechteinhaber übersehen haben, bitten wir um Nachricht. FESTSPIELKALENDER SO 7.2. MITGLIEDERVERSAMMLUNG DER HÄNDEL-GESELLSCHAFT KARLSRUHE e. V. 10.00 KLEINES HAUS SONNTAG VOR DER PREMIERE: ARMINIO Dramma per musica in drei Akten von Georg Friedrich Händel Erhalten Sie Einblick in die Arbeit des Regieteams und der Darsteller. 11.00 KLEINES HAUS FR 12.2. ERÖFFNUNG DER 39. INTERNATIONALEN HÄNDEL-FESTSPIELE 18.00 MITTLERES FOYER SA 13.2. DONNA LEON IM GESPRÄCH 16.00 KLEINES HAUS S. 22 ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS PREMIERE S. 24 SO 14.2. ÖKUMENISCHER FESTGOTTESDIENST 10.30 EV. STADTKIRCHE am Marktplatz S. 50 6+ 2. KINDERKONZERT – PROFESSOR FLORESTAN UND MAESTRO EUSEBIUS PACKEN AUS: GEORG PHILIPP TELEMANN 11.00 GROSSES HAUS S. 52 6+ 2. KINDERKONZERT – PROFESSOR FLORESTAN UND MAESTRO EUSEBIUS PACKEN AUS: GEORG PHILIPP TELEMANN 15.00 GROSSES HAUS S. 52 MO 15.2. ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS S. 24 DI 16.2. S. 56 KAMMERKONZERT DER DEUTSCHEN HÄNDEL-SOLISTEN 20.00 KLEINES HAUS MI 17.2. ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS S. 24 FR 19.2. S. 24 ARMINIO 19.00 GROSSES HAUS SA 20.2. TESEO 15.00 GROSSES HAUS WIEDERAUFNAHME Voraussetzung: Gehalts-/Bezügekonto; Genossenschaftsanteil von 15,– Euro/Mitglied ERÖFFNUNGSKONZERT FRANCO FAGIOLI – JULIA LEZHNEVA – S. 12 KARINA GAUVIN – DONNA LEON – STEFANO MONTANARI & IL POMO D’ORO 19.00 GROSSES HAUS 1) 0 800/40 60 40 124 www.bbbank.de 0, Euro 1) Girokonto und Depot Die BBBank überzeugt immer mehr Kunden mit ihren Leistungen. Führen Sie Ihr Bankdepot und Ihr Gehalts-/Bezügekonto kostenfrei1) – ohne monatlichen Mindesteingang auf Ihrem Girokonto. Und genießen Sie den Service einer kompetenten Beraterbank. Gerne überzeugen wir auch Sie von unseren Vorteilen. Informieren Sie sich! S. 62 Ohne_Adresse_A6_quer_4c_Girokonto_und_Depot.indd 1 18.12.15 11:28 2017 Neuinszenierung SEMELE Drama in drei Akten von Georg Friedrich Händel Floris Visser Regie Christopher Moulds Dirigent Gary McCann Bühne & Kostüme Mit Anna Devin, Ed Lyon, Terry Wey, Dilara Baștar, Katharine Tier u. a. Premiere 17.2.17 Weitere Vorstellungen 19., 23., 25. & 28.2.17 GROSSES HAUS Wiederaufnahme ARMINIO Oper in fünf Akten von Georg Friedrich Händel Max Emanuel Cencic Regie & Titelrolle Helmut Stürmer Bühne & Kostüme George Petrou Dirigent Mit Gaia Petrone, Vince Yi, Juan Sancho u. a. WA-Premiere 24.2.17 Weitere Vorstellungen 26.2. & 1.3.17 GROSSES HAUS Konzerte mit Sandrine Piau, Vivica Genaux, Sine Bundgaard, David Hansen & vieles mehr! Der Vorverkauf läuft ab dem 12.2.16 für ABONNENTEN, Mitglieder der HÄNDELGESELLSCHAFT KARLSRUHE und Mitglieder der GESELLSCHAFT DER FREUNDE. Am 22.2.16 startet der Vorverkauf für alle Besucher. WWW.STAATSTHEATER.KARLSRUHE.DE INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 2016 17.2. – 2.3.