Mittwoch · 19. März 2014 20 Uhr · Volkshaus 7. Philharmonisches Konzert Reihe A Johannes Brahms (1833-1897) Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77 Allegro non troppo Adagio Allegro giocoso, ma non troppo vivace Pause Antonín Dvořák (1841-1904) Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 Allegro con brio Adagio Allegretto grazioso Allegro ma non troppo Dirigent: GMD Marc Tardue Violine: Yossif Ivanov Der Dirigent Marc Tardue wurde als Sohn franko-italienischer Eltern in Amerika geboren. Er absolvierte das Peabody Conservatory in Baltimore und studierte anschließend Klavier und Dirigieren, darüber hinaus ist er ausgebildeter Gesangslehrer und Klavierbegleiter. Schon kurz nach Beendigung seiner Studien erhielt er von amerikanischen Choral-, Sinfonie- und Opernensembles Engagements als musikalischer Leiter und Chefdirigent. Von 1982 bis 1984 war Marc Tardue Chefdirigent der National Opera von Reykjavik, 1984 gewann er den internationalen Dirigentenwettbewerb Concours International d’Execution Musicale „Ernest Ansermet“ (CIEM). 1985 übernahm er kurzfristig beim Ensemble Instrumentale de Grenoble Aufführungen der 9. Sinfonie von Beethoven und wurde sowohl vom Publikum wie auch den Musikern dermaßen umjubelt, dass das Orchester ihn anschließend umgehend zum Musikdirektor wählte. Unter seiner Leitung wurde das Repertoire des Klangkörpers um große Sinfonien sowie Chor- und Opernwerke erweitert. Zwischen 1991 bis 2002 war Marc Tardue Chefdirigent des Sinfonieorchesters des Theaters Biel (Schweiz), von 1999 bis 2009 Chefdirigent des Orquestra Nacional do Porto (Portugal), seit 2010 ist er Künstlerischer Leiter und Musikdirektor der Oper Schenkenberg (Schweiz). Als gern gesehener Gastdirigent arbeitet er mit renommierten Orchestern im In- und Ausland zusammen. Für seine künstlerischen Leistungen wurde Marc Tardue mit vielen Preisen und Auszeichnungen geehrt, u.a. erhielt er 1989 den französischen Kulturorden »Chevalier des Arts et des Lettres« und 2004 die »Medalha de Mérito Cultural«, eine der höchsten Ehrungen Portugals. Seit Beginn der Spielzeit 2012/2013 ist Marc Tardue Generalmusikdirektor der Jenaer Philharmonie. Der Solist Yossif Ivanov wurde 1986 in Antwerpen geboren und erhielt seinen ersten Geigenunterricht im Alter von fünf Jahren. Später studierte er bei Zakhar Bron an der Lübecker Musikhochschule, bei Igor und Valery Oistrach am Conservatoire Royal in Brüssel und bei Augustin Dumay an der Chapelle Musicale Reine Elisabeth. Im Jahre 2003 gewinnt der junge Künstler den ersten Preis beim Internationalen Musikwettbewerb von Montreal, 2005 den zweiten Preis »Prix Eugène Ysaÿe« im berühmten Wettbewerb Reine Elisabeth, wo ihm zusätzlich der Publikumspreis verliehen wird. Im Januar 2006 erhält er im Rahmen der Midem in Cannes die Auszeichnung »Révélation de l’Année« (Entdeckung des Jahres). Vom Palais des Beaux-Arts in Brüssel wurde Yossif Ivanov zum »Rising Star« der Saison 05/06 ernannt. Weitere Engagements führten den Geiger nach Frankreich (Louvre, Festival de Menton, Festival de Radio France Montpellier), Deutschland (Konzerthaus Berlin, Philharmonie Essen), Österreich (Mozarteum Salzburg), Italien, Norwegen, Mexiko, USA (Haverford Youth Festival) und Kanada (The Ladies’ Morning Musical Club, Festival Lanaudière). Yossif Ivanov spielte bereits als Solist mit zahlreichen renommierten Orchestern, darunter mit dem London Philharmonic Orchestra, dem English Chamber Orchestra, dem Konzerthausorchester Berlin, dem Orchestre Philharmonique de Luxembourg, dem Orchester des Concertgebouw, dem Lucerne Symphony Orchestra, sowie dem Orchestre de la Suisse Romande unter der Leitung von Dirigenten wie Neëme Järvi, Yannick Nézet-Séguin, Pinchas Steinberg, David Stern und Vladimir Ashkenazy. Bei der ersten Zusammenarbeit mit der Jenaer Philharmonie im April 2012 wusste der junge Künstler das Jenaer Publikum mit seiner Interpretation des BeethovenViolinkonzerts zu begeistern. Unter seinen Kammermusikpartnern finden sich Itamar Golan, Frank Braley, Daniel Blumenthal, David Kadouch und Luc Devos. Yossif Ivanov hat bereits mehrere CD-Einspielungen veröffentlicht. Seine Aufnahme der Sonaten von Franck, Ysaÿe und D’Haene (Ambroisie/ Naïve) wurde 2006 mit dem »Diapason d’Or de l’Année« ausgezeichnet. Auch seine CDs »Con Passione« mit Werken für Violine und Klavier von Tschaikowsky, Ravel, Chausson, Kreisler, Sarasate, Schchedrin und Waxman (mit dem Pianisten Itamar Golan) und die Einspielungen der Violinkonzerte Nr. 1 von Schostakowitsch und Nr. 2 von Bartók mit dem Royal Flemish Philharmonic Orchestra unter Pinchas Steinberg erhielten ein durchweg positives Presseecho. Yossif Ivanov spielt auf einer Stradivari »The Lady Tennant« aus dem Jahr 1699 und wirkt neben seiner Konzerttätigkeit als jüngster Dozent für Violine am Königlichen Konservatorium in Brüssel. Die Komponisten und ihre Werke Obwohl neben Antonín Dvořáks achter Sinfonie (Englische) auch Johannes Brahms’ Violinkonzert in DDur – es zählt zu den herausragenden seiner Gattung – zu hören sein wird, steht das Konzert ganz im Zeichen großer Sinfonik. So verwundert es nicht, dass es bis heute häufig in einem Atemzug mit Brahms’ 2. Sinfonie, ebenfalls in D-Dur, genannt wird. Beide Kompositionen, Brahms’ Violinkonzert sowie Dvořáks Sinfonie verdanken ihre Inspirationsquelle der Sommerresidenzen der beiden Herren mit reizvollen Landschaften und bestechen daher durch eine gewisse Leichtigkeit und Raffinesse. 1878 begann Johannes Brahms mit den Arbeiten an seinem Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77. Wie so oft nutzte er seinen Urlaub dazu, sich von der Umgebung inspirieren zu lassen. Als Frühaufsteher begann er bereits morgens mit dem Komponieren – so entstand in Pörtschach am Wörthersee im Sommer sein einziges Violinkonzert. Großen Anteil an diesem Entstehungsprozess hatte der Ausnahmegeiger Joseph Joachim, den Brahms zu Rate zog, da er selbst kaum Violine spielen konnte. In der Folge entstand hierzu eine rege Kommunikation; Brahms bat Joachim den ersten Entwurf kritisch durchzusehen und Anmerkungen sowie Verbesserungsvorschläge zu machen. Joachim empfand die ersten Entwürfe allgemein zu schwer, äußerte zahlreiche Korrekturwünsche, die Brahms jedoch nur teilweise akzeptierte und umsetzte. Bis zur Uraufführung am 1. Januar 1879 im Gewandhaus in Leipzig – Brahms dirigierte selbst und Joachim übernahm den Solistenpart – aber auch darüber hinaus gab es regen Disput zwischen den beiden bezüglich der musikalischen Form. Obwohl sich Joachim nur ganz allmählich mit dem Werk anfreunden konnte, widmete Brahms ihm seine Komposition; Joachim sorgte für eine rasche Verbreitung in ganz Europa. Noch im selben Jahr veröffentlichte es Fritz Simrock. Brahms’ Violinkonzert konnte sich nach anfänglichen Startschwierigkeiten schnell im Konzertrepertoire etablieren und wurde sodann in die Reihe der ganz Großen der Gattung aufgenommen. Formal orientiert sich Brahms nicht am romantischen oder virtuosen Konzerttypus, sondern vielmehr am lyrisch-sinfonischen Typus. Besonders deutlich wird dies durch das Zurücktreten des Solisten. Das Soloinstrument steht bei Brahms nicht im Vordergrund, sondern hat sich in das musikalische Ganze einzureihen und muss sogar an manchen Stellen dem Orchester den Vortritt überlassen. Orchestersatz und Solostimme sind ganz eng miteinander verbunden und kommunizieren miteinander, was am Ende dazu führen kann, dass beide komplett miteinander verschmelzen. Brahms verlässt somit die Wege des Virtuosenkonzerts hin zu Strukturen der Sinfonik. Ganz in der Natur verhaftet und den Einfluss der Sommerlandschaft seines Urlaubsaufenthaltes unterstreichend, beginnt der erste Satz leise, geradezu zaghaft und wird vor allem durch die Hörner geprägt. Das erste Thema verläuft wellenförmig und wird sogleich von Fagott, Violoncello und Viola sowie anschließend vom Horn unisono fortgeführt. Die Streicher und die Oboe unterstreichen die lyrische Stimmung. Bezeichnend für die Motivarbeit von Brahms ist, dass sich von Beginn an Motivstrukturen langsam auflösen und zu neuen Ideen führen: Brahms erfindet nicht ständig alles neu, sondern entwickelt kontinuierlich neues Material aus dem schon Vorhandenen. Dadurch entsteht ein komplexes und doch filigranes musikalisches Beziehungsgeflecht, welches den Boden bereitet für das Soloinstrument mit Paukenwirbel und viel Blech. Virtuos verschafft sich die Solovioline Gehör und brilliert mit Akkordbrechungen und Doppelgriff-Passagen, ohne jedoch das Gesamte aus dem Auge zu verlieren: alles ergibt hier Sinn und ist nicht nur virtuoses Beiwerk, sondern aus Themen und Motiven abgeleitet: ein organisches Ganzes. Das Adagio in F-Dur – die klassische Tonart für Hirtenszenen, Weihnachtsmusik und ländliche Idylle – steht im Kontrast zu den beiden Ecksätzen. Das Prinzip der Variation ist allgegenwärtig. In der Oboe, welche zunächst von den Holzbläsern und Hörnern unterstützt wird, erklingt das Hauptthema. Erst anschließend wird es von der Solovioline aufgegriffen und variiert. Heiter und lustig ist der in Rondoform gestaltete Finalsatz. Im Mittelpunkt steht ein volkstümliches Thema, welches immer wieder aufgegriffen wird. Dazwischen schiebt Brahms nun zahlreiche musikalische Einfälle, wie zum Beispiel seine ganz typischen kammermusikalischen Elemente, die er häufig auch in seinen Sinfonien mit einbezieht oder virtuose Läufe der Solovioline, welche im dritten Satz brillieren darf. Besonders diesem Schlusssatz verdankt Johannes Brahms’ Violinkonzert bis heute seine große Popularität. Bereits bei der Uraufführung entzündete dieser nach anfänglicher Unsicherheit im Publikum und bei den Kritikern großen Jubel. »Für Tausend Mark kann ich Ihnen [der Verleger Fritz Simrock] ein so umfangreiches Werk, an dem ich drei Monate gearbeitet habe, nicht überlassen, und die Folge davon ist, wenn Sie für meine großen Werke keinen Absatz sehen, daß ich von nun an in die Lage versetzt bin, einen anderen Verleger zu suchen. Keine angenehme Sache, aber was bleibt mir übrig!« Daraufhin begab sich Antonín Dvořák auf die Suche nach einem neuen Verleger für seine Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 und fand diesen in dem Londoner Musikalienhändler Novello, der mit Dvořáks Komposition ein sehr gutes Geschäft machte. Dieser Tatsache verdankt sie auch ihren gelegentlich erwähnten Beinamen die »Englische«. Der Arbeitsbeginn an der achten Sinfonie erfolgte im Gegensatz zu anderen großen Werken dieser Schaffensphase, aus eigenem Antrieb. Dvořák hatte sich in der europäischen Musikwelt etabliert und war bestrebt, seinen persönlichen Stil weiter zu entwickeln. So verwundert es nicht, dass Dvořák sich zum einen von der klassischen Sinfonie der Wiener Tradition eines Haydn, Beethoven und Brahms löste und zum anderen auf das folkloristisch gefärbte Material verzichtete – ohne jedoch diese Grundstimmung aus den Augen zu verlieren. Wie Johannes Brahms ließ sich Dvořák von der Umgebung seiner Sommerresidenz inspirieren und sog all die Empfindungen von Spaziergängen und Naturerfahrungen in sich auf. Ein poetischer Gedanke steht am Beginn der 8. Sinfonie in den Violoncelli und den Bläsern in Form einer trauermarschähnlichen Melodie. Dieser erste Gedanke wird von Dvořák jedoch nicht im klassischen Sinne verarbeitet und weiterentwickelt, sondern dient vielmehr als Bindeglied der unzähligen musikalischen Einfälle, die noch folgen. Diese Ideen voller Fröhlichkeit und Lebensfreude werden an den Übergängen zwischen Exposition, Durchführung und Reprise durch den Trauermarsch zwei Mal unterbrochen. Zudem rückt eine eigentümliche und nachdenkliche Melodie der Flöte in den Vordergrund. Von Tschaikowski beeinflusst ist der zweite Satz – ein Adagio – welcher mit einer aufsteigenden melancholischen Triolenfigur einsetzt. Dur- und Moll-Themen wechseln sich ab und loten den ganzen Bereich der Heiterkeit, aber auch Schicksalhaftigkeit aus. Darüber hinaus rückt Dvořák den böhmischen Charakter, sowie kammermusikalische Aspekte in den Vordergrund. Der folgende Satz, der Tradition nach ein Scherzo, entpuppt sich als bezaubernder, graziöser Walzer – eine weitere Reminiszenz an Tschaikowski. Auch im Trio, dessen Melodie von den Flöten und Oboen getragen wird, behält Dvořák den Dreivierteltakt bei. Die Tiefe des vorangegangenen Satzes sowie das stürmische Finale der Sinfonie werden durch diesen Satz zusätzlich kontrastiert. Eigentümlich verhält sich der Finalsatz – ein Allegretto ma non troppo: Dvořák verknüpft Variationenund Sonatensatz. Exposition und Reprise werden jeweils mit einer Trompetenfanfare eingeläutet. Das Violoncello stellt das Thema vor, welches auf die in der Einleitung vorgestellte Flötenmelodie Bezug nimmt. Auch im Schlusssatz integriert Dvořák erneut die Flöte mit einer virtuos angehauchten Variation, die den Weg für einen wehmütigen und verträumten Abschied bereitet. Ein letztes Mal kehrt Dvořák zur überschäumenden Variation zurück und führt die Sinfonie zu einem brillanten Ende. Text: Markus Pietrass