Technischer Vertrieb

Werbung
Werner Pepels
Technischer Vertrieb
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
2
Technischer Vertrieb
2. Auflage
Bei diesem Text handelt es sich um die aktualisierte Fassung des Buches „Technischer Vertrieb“
des Autors, erschienen im Cornelsen-Verlag Düsseldorf. Alle Inhalte wurden revisioniert und
geben sowohl einen systematisch-analytischen als auch transferorientierten Überblick über
das Thema.
© 2012 Werner Pepels & Ventus Publishing ApS
ISBN 978-87-7681-981-1
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
3
Technischer Vertrieb
Inhalt
Inhalt
1Marketing-Definition
7
1.1Marketing-Denkweise
7
1.2Marketing-Entwicklung
9
1.3
Marketing und Vertrieb
13
1.4
Technischer Vertrieb
15
2
Business to business-Marketing
18
2.1Gegenstand
18
2.2Einteilungen
21
3
25
Business to business-Märkte
3.1Rohstoffgeschäft
25
3.2Systemgeschäft
27
3.3Anlagengeschäft
34
3.4Produktgeschäft
41
3.5Energiegeschäft
44
3.6Immobiliengeschäft
45
3.7Dienstleistungsgeschäft
47
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Treten Sie ein und lernen Sie uns kennen
auf einem unserer Karriereevents.
Deloitte bezieht sich auf Deloitte Touche Tohmatsu Limited,
eine „private company limited by guarantee“ (Gesellschaft mit
beschränkter Haftung nach britischem Recht), und/oder ihr
Netzwerk von Mitgliedsunter­nehmen. Jedes dieser Mitglieds­
unternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig. Eine
detaillierte Beschreibung der rechtlichen Struktur von Deloitte
Touche Tohmatsu Limited und ihrer Mitgliedsunternehmen
finden Sie auf www.deloitte.com/de/UeberUns.
© 2011 Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
4
Technischer Vertrieb
Inhalt
4Organisationales Beschaffungsverhalten
53
4.1
54
Gewerblicher Einkauf
4.2Beschaffungsmarketing
55
4.3
61
Geschäftliche Transaktionen
4.4Kaufsituation
63
4.5
Vertikale Partialmodelle
66
4.6
Horizontale Partialmodelle
69
4.7Totalmodelle
71
4.8Interaktionsansätze
73
5Absatzkanal
77
5.1Absatzstruktur
77
5.2Absatzmethode
80
6
Mitarbeiter im Vertrieb
86
6.1
Internes Marketing
86
6.2Personalbeschaffung
88
6.3Mitarbeiterführung
90
6.4Mitarbeitermotivation
93
6.5Mitarbeiterentlohnung
99
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
6.6Mitarbeitereinsatz
102
/FVF8FHF[VSOBDIIBMUJHFO.PCJMJUjU
.JU*IOFO
'SEFOCFTUFO8FHJOEJF;VLVOGUEFS.PCJMJUjUIBCFOXJSFJOFOFJO[JHBSUJHFO,PNQBTT
EJF*EFFOVOTFSFS.JUBSCFJUFSJOOFOVOE.JUBSCFJUFS%VSDIEJF'jIJHLFJUFOKFEFT&JO
[FMOFOVOEEJF.zHMJDILFJUTJDITUjOEJHXFJUFS[VFOUXJDLFMOFOUTUFIFOJOEFO5FBNT
[VLVOGUTGjIJHF1SPEVLUFVOEVOLPOWFOUJPOFMMF-zTVOHFO/JDIUOVSJOEFS'PSTDIVOHVOE
&OUXJDLMVOHTPOEFSO[#BVDIJOEFS1SPEVLUJPO-PHJTUJLJN7FSUSJFC&JOLBVGPEFSJO
EFS*OGPSNBUJPOTUFDIOPMPHJF/VSTPCFS[FVHFOXJSVOTFSF,VOEFOBVDIXFJUFSIJONJU
"VUPNPCJMFOEJFJOQVODUP,PNGPSU4JDIFSIFJUVOE7FSCSBVDIEJF3JDIUVOHWPSHFCFO
*IS8FHJOEJF;VLVOGUTUBSUFUIJFS*OFJOFN,PO[FSOJOEFNBMMFTNzHMJDIJTUXFJM4JFFT
NzHMJDINBDIFO
+FU[UCFXFSCFOVOUFS
XXXDBSFFSEBJNMFSDPN
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
5
Technischer Vertrieb
Inhalt
7Verkaufstaktik
104
7.1Gesprächspartner
104
7.2Verkäufertätigkeiten
107
7.3 109
Verkaufsabwicklung
111
Literaturhinweise
113
Autorenhinweis
115
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
7.4Verkaufs-/Kauf-Grid
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
6
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
1Marketing-Definition
Unter Marketing versteht man allgemein eine Grundhaltung, die sich mit der konsequenten Ausrichtung aller unmittelbar
und mittelbar den Markt berührenden Entscheidungen an den Bedürfnissen der Abnehmer umschreiben lässt. Dies
führt zur Schaffung von Präferenzen und damit Wettbewerbsvorsprüngen durch systematische Marktbeeinflussung über
absatzpolitische Instrumente und deren kombinierten Einsatz.
1.1Marketing-Denkweise
Es gibt vielfältige, abweichende Begriffsbestimmungen für das Marketing. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass Marketing
in allererster Linie eine Denkhaltung ausdrückt, sich also nicht in bloßen Techniken erschöpft, sondern eine bestimmte
geistige Einstellung im Management ausdrückt. Diese stellt das Interesse des Transaktionspartners in den Mittelpunkt aller
Bemühungen. Von daher haben alle Vorgänge zur zielorientierten Anbahnung, Erleichterung, Abwicklung und Bewertung
zum Austausch von ideellen und materiellen Werten zwischen Parteien eine Marketingdimension.
Betriebliches Marketing bedeutet daher zunächst Unternehmensführung als passive Marktanpassung durch Ausrichtung
aller Unternehmensaktivitäten an den Markterfordernissen. Dies bedingt, dass die Unternehmen ihre Märkte kontinuierlich
beobachten und immer dann, wenn sie ein Bedürfnis festzustellen glauben, ein entsprechendes Angebot offerieren. Der
Kunde entscheidet dann nach seiner Kenntnis und Beurteilung, ob er ein solches Angebot annehmen will oder nicht. Er
entscheidet auch, ob er eine Offerte zum ersten Mal oder als bessere Alternative zu einer anderen annimmt. Das daraus
erwachsende Risiko für Anschubinvestitionen des Anbieters leuchtet unmittelbar ein. Außerdem wird den Anbietern dabei
eine nur reaktive Rolle zugewiesen. Sie hetzen den mutmaßlichen Nachfragerbedürfnissen hinterher und versuchen, sich
gegenseitig in der mutmaßlichen Bedürfnisbefriedigung zu übertreffen.
Außerdem stellt sich die Frage, wie Anbieter neue Bedarfssituationen erkennen können, denn Nachfrage ist weder
kreativ noch organisiert. Sie kann lediglich individuell auf vorhandene Marktangebote reagieren. Deshalb ist es wichtig,
die zeitgemäßen Chancen des Marketing durch Unternehmensführung als aktive Marktgestaltung zu nutzen, d.h., die
Absicht, Vermarktungsbedingungen den eigenen Zielvorstellungen anzupassen. Die Vermarktungsbedingungen können
dabei durch den Einsatz von Marketinginstrumenten im Marketing-Mix gezielt zu verändern gesucht werden.
Damit beeinflussen Anbieter den Markt in einer Art und Weise, die ihren unternehmensegoistischen Zielen entspricht.
So schaffen sich Hersteller durch Marketing letztlich die Märkte selbst, die sie zum Erfolg brauchen. Damit aber wird
Marketing zum Engpass für den Unternehmenserfolg. Fortschrittliche Anbieter haben dies erkannt und räumen der
Marketingfunktion daher Priorität innerhalb ihrer Organisation ein.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
7
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
Die Ursprünge der Marketingentwicklung liegen in Deutschland in der Handelsbetriebslehre begründet. In Leipzig und
Köln gab es die ersten Hochschulen, die sich mit dem, was man heute unter Marketing subsumiert, beschäftigten, als
Handelshochschulen. Dies liegt auch nahe, wird doch die abstrakte Marktleistung kaum irgendwo sonst so konkret und
alltäglich erlebbar wie im Handel. Aus diesen Anfängen zur Jahrhundertwende entwickelte sich dann etwa 1925 - 1970
die Absatzwirtschaftslehre, wesentlich verbunden mit dem Namen Gutenberg. Im Mittelpunkt der Absatzwirtschaft stand
die Distributionsfunktion als Verkaufsvorgang, also die Verwertung der wie auch immer erstellten Unternehmensleistung
zur Liquidierung am Markt. Zwischen etwa 1965 - 1985 ergab sich daraus, aufbauend auf amerikanischen Ansätzen
(Kotler), die Marketinglehre, hierzulande wesentlich verbunden mit dem Namen Meffert. Sie stellte erstmals ein in sich
geschlossenes Konzept zur Marktbearbeitung dar, das die Ausrichtung aller Aktivitäten auf die Nachfrageseite postulierte,
weil diese als Engpass für den Unternehmenserfolg identifiziert wurde. Ab etwa 1980 wurde dieser Ansatz entscheidend
dadurch erweitert, dass eine Marketingsichtweise als Maßgabe für jede strategische Betriebsausrichtung angesehen wurde,
eben als Marketing-Management, um damit entscheidende kompetitive Angebotsvorteile zu erreichen. Aktuell wird
Marketing als marktorientiertes Führungskonzept verstanden, das die Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf sein
Vermarktungsumfeld umfasst, also alle Anspruchsgruppen integriert. Dies erfordert die Fokussierung auf die Nachfrage,
verkörpert durch Kunden, in der Geschäftstätigkeit.
Die Ausbreitung des Marketing in der betrieblichen Praxis erfolgte im Zeitablauf in verschiedenen Phasen. Zunächst
gab es noch verteilte Marketingaufgaben, d.h., vermarktungsrelevante Aufgaben waren verschiedenen Funktionen im
Unternehmen zugeordnet. So waren etwa im Produktionsbereich Produkt- und Packungsgestaltung, Transport- und
Kundendienst angesiedelt, im Finanzbereich Absatzkreditwesen, Inkasso und Mahnwesen, im Personalbereich Schulung
und Training von Verkaufsmitarbeitern, im Verwaltungsbereich Vertriebskostenrechnung und Auftragsabwicklung etc.
Es ist einleuchtend, dass es angesichts solcher organisatorischer Bedingungen zu keinem konsistenten, schlagkräftigen
Marketingkonzept kommen konnte. Vielmehr war eine eindeutige Zusammenfassung aller Marketingfunktionen in
einem gemeinsamen Bereich erforderlich. Dies führte zur gleichberechtigten Stellung der Vermarktung neben andere
betriebliche Funktionen.
Im Zeitablauf wurde jedoch schnell deutlich, dass dem Marketing ein Primat für den Unternehmenserfolg zukam. Dem
wurde eine zu anderen betrieblichen Funktionen gleich berechtigte Stellung aber nicht angemessen gerecht. Insofern
erhielt Marketing eine vorrangige Stellung eingeräumt. Dies gilt zumindest für marktorientiert arbeitende Unternehmen.
Die strikte Kundenorientierung führt nunmehr dazu, dass die Marketing-Denkweise aus dem Marketingbereich
herausgelöst und auf alle betrieblichen Funktionen übertragen wird, d.h., die Kundenorientierung ist selbstverständliche
Zielgröße auch für eher marktfern agierende Bereiche geworden. Besonders deutlich wird dies im Rahmen der Produktion
durch Qualitäts- und Prozessorientierungskonzepte. Insofern ist eine verteilt vorrangige Stellung von Marketing in allen
Funktionen gegeben („Everybody´s in marketing“).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
8
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
Marketing bedeutet, den Kunden kompromisslos in den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu stellen. Daraus folgt die
Ausrichtung aller Arbeiten nicht am eigenen Willen (entgegen der genetischen Codierung), sondern allein am Willen
von Kunden. Die Marketingdenkweise ist im Vertrieb oft noch unterrepräsentiert. Aber beinahe alle Märkte entwickeln
sich zum Käufermarkt. Kunden werden damit zum Engpass für den Geschäftserfolg. Das bedeutet konkret: Ernstmachen
mit „Der Kunde ist König“, Überarbeitung aller Geschäftsabläufe auf Kundenorientierung hin und Sichtbarmachung von
Services. Zentrale Begriffe sind dabei Kundenzufriedenheit als Voraussetzung für Kundenbindung, Qualitätssicherung bei
Services durch Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter für eine Kombination aus Sympathie und Kompetenz sowie
Kontakthalten zu Kunden (Kundenwert im Zeitablauf). Unter Markt ist dabei die räumlich und zeitlich abgegrenzte Menge
aller aktuellen und potenziellen Käufer zu verstehen, die ein ähnliches Problem haben sowie die Menge der aktuellen und
potenziellen Verkäufer, von denen diese erwarten, dass sie ihr Problem lösen können.
1.2Marketing-Entwicklung
Versucht man, die betriebliche Engpassentwicklung hin zur Marketing-Denkweise im Zeitablauf aufzuzeigen, so kommt
man zu folgender Abfolge:
1. Produktion als Engpass der betrieblichen Leistungserstellung,
2. Beschaffung als Engpass der betrieblichen Leistungserstellung (Betriebsstoffe, Finanzen, Personal),
3. Absatz/Verkauf als Engpass (Marketingfunktionen auf verschiedene Bereiche verteilt),
4. Marketing als Hilfsfunktion des Verkaufs (Absatzvorbereitung),
5. Produkt-Marketing, gleich berechtigt neben anderen betrieblichen Funktionen,
6. Dominanz von Marketing als Engpasssektor gegenüber anderen Funktionen,
7. Marketing-Management (Kunde als Engpassfaktor),
8. Marktorientierte Unternehmensführung (Verteilung der Marketingdenkhaltung auf alle Funktionen),
9. Kundenbeziehungsmanagement
10.Stakeholder-Beziehungsmanagement.
Zunächst gab es in der wirtschaftlichen Tätigkeit nur den Engpass der Leistungserstellung (Produktion), der durch massiven
Technologieeinsatz jedoch bald überwunden werden konnte. Daran schloss sich der Engpass in der Beschaffung von
Betriebsstoffen, Finanzen und Personal an. Auch dieser konnte durch pragmatische Maßnahmen wie Kolonialisierung,
Gründung von Kapitalgesellschaften, duale Ausbildung etc. überwunden werden. Nunmehr erst ergab sich, im Zuge der
Käufermarktsituation, ein Engpass in der Leistungsverwertung, der bis zum heutigen Tage den wirtschaftlichen Erfolg
limitiert.
Das Kennzeichen der Verkäufermarktsituation war, dass die Anstrengungen, die Nachfrager unternehmen müssen, um
in den Besitz von ihnen gewünschter Güter zu gelangen, größer sind als die Anstrengungen der Anbieter, verfügbare
Güter loszuschlagen. Diese Phase ist in den entwickelten Gesellschaften der westlichen Welt jedoch längst der Phase der
Käufermarktsituation gewichen. Dabei müssen Anbieter im Parallelwettbewerb zueinander versuchen, Nachfrager für
die von ihnen angebotenen Güter zu finden, während diese ihrerseits bequem verschiedene Angebote vergleichen und
das bevorzugte auswählen können. In einer solchen Situation ist Marketing jedoch überlebenswichtig für jeden Anbieter.
Allerdings bedurfte es erst der weitgehenden Sättigung der Märkte, um diesen Engpass entstehen zu lassen.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
9
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
Dem wurde zunächst durch die Betonung des Verkaufsvorgangs (Marketing als Vertriebsfunktion) entsprochen. Als
dies nicht ausreichte, kam es zur Betonung der Endabnehmer (Marketing als Konzeptionsfunktion) als Nachfrager
von Leistungen. Nachdem sich auch dies immer mehr Anbieter zueigen gemacht hatten, wurde, vor allem im Bereich
der schnelldrehenden Konsumgüter (FMCG´s), der für die Marketingentwicklung trendsetzend ist, eine Betonung
der Absatzmittler erforderlich (Marketing als Distributionsfunktion), um den Absatzkanal zu steuern. Danach kam es
angesichts stagnierender Marktvolumina, die den eigenen Erfolg nur noch zu Lasten des direkten Mitbewerbs erlauben,
zu einer Betonung der Wettbewerbssicht (Marketing als Konkurrenzverdrängung).
Mit jeder dieser Phasen änderte sich notwendigerweise auch das Selbstverständnis des Marketing. War zu Beginn noch
das dynamische Aufreißen von Kunden, der schnelle Abschluss, das clevere Manipulieren dominant, so wird nunmehr
die Verantwortung des Marketing für das Gemeinwohl postuliert. Dieser Wandel ist nicht nur ethisch-moralisch fundiert,
sondern vor allem dadurch bedingt, dass stagnierende Märkte und restriktive Umfeldbedingungen die Bedeutung der
Akquisition neuer Kunden weiter hinter die der Pflege der Beziehungen zu bestehenden Kunden zurücktreten lassen. Denn
unter diesen Vorzeichen ist es unmittelbar einsichtig, dass es zunächst einmal der Absicherung der bestehenden Kunden
bedarf, bevor man sich an die Gewinnung neuer Kunden macht, denn ansonsten kommt es nur zum kostenaufwendigen
Tausch von Abnehmern im Nullsummenspiel. Das heißt, der Fokus der Aktivitäten ist vom Vorkauf-Marketing längst zum
Nachkauf-Marketing, verbunden mit Begriffen wie Kundenzufriedenheit, Beschwerdeverhalten, Kundenlebenszeitwert,
Beziehungsmanagement, gewandert.
Mehr noch, bereits früh hatte Kotler festgestellt, dass eigentlich jegliche Form sozialer Transaktion Marketingüberlegungen
zugänglich ist, Marketing also keineswegs auf geschäftliche oder gar erwerbswirtschaftliche Zwecke begrenzt bleibt, sondern
ebenso gut auch im privaten oder gemeinwirtschaftlichen Bereich instrumentalisiert werden kann. Da es sich bei diesen
Beziehungen aber um soziale Austauschprozesse handelt, d.h., es werden Werte transferiert, und die Marketingdomäne in
der Gestaltung solcher Austauschprozesse liegt, wird modernes Marketing ganz zwangsläufig zum Beziehungsmanagement.
Die Entwicklung des Marketing zeigt damit eine sich zunächst verengende Ausrichtung und danach sich wieder
ausweitende Ausrichtung an. Letzterem liegen die Tendenzen des Broadening und des Deepening zugrunde, also der
Verbreiterung der Marketingbedeutung sowie ihrer Vertiefung.
Das Broadening erfolgte durch sukzessive Ausweitung des Geltungsbereichs:
• erwerbswirtschaftliches Marketing: privatwirtschaftliche, gewinnorientierte (Profit-)Unternehmen und
öffentliche, gewinnorientierte Betriebe (Staatsunternehmen),
• versorgungsorientiertes Marketing: privatwirtschaftliche, konservierende (Non profit-)Betriebe (Stiftungen
etc.) und öffentliche, gemeinwirtschaftliche (Non profit-)Betriebe (Verkehrsbetriebe etc.),
• gemeinnütziges Marketing: erwerbsfreie, ideelle (Non business-)Organisationen
(Umweltschutzorganisationen etc.) und erwerbsfreie, institutionale (Non business-) Organisationen
(Stadtverwaltung etc.),
• privates Marketing,
• originäre, nicht wirtschaftliche Betriebe (Haushalte),
• generische Transaktionen der Nicht-Betriebe (Personen).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
10
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
Das Deepening erfolgte durch sukzessive Einschränkung der rein ökonomischen Orientierung von Unternehmen durch
die Aspekte:
• Verhaltenswissenschaft (Human concept of marketing),
• Ökologie (Sustainable marketing),
• Gemeinschaft/Ethik (gesellschaftliches und internes Marketing).
Insofern kann man zwei Sichtweisen des Marketing unterscheiden:
• Marketing i.e.S. mit dem Inhalt der Kunden- und Wettbewerbsorientierung, für die Zielgruppe Abnehmer
und in der Form für kommerzielle Institutionen,
• Marketing i.w.S. mit dem Inhalt der Transaktionen und Beziehungen nach dem Gratifikations- und
Kapazitätsengpass-Prinzip, den zentralen Prinzipien im Marketing, innerhalb der Gesellschaft, für die
Zielgruppe der Absatz-/Beschaffungs- und Public-Märkte (Stakeholder), des internen Markts und des PRMarkt (Multiplikatoren) und in der Form für kommerzielle und nicht-kommerzielle Institutionen/Personen.
Demzufolge wird Marketing definiert als
• Planung, Implementierung, Organisation und Kontrolle (Management) aller Aktivitäten mit der
Absicht der Erreichung psychographischer und/oder ökonomischer Vorgaben (Zielorientierung) durch
Aufbau, Unterhalt, Ausbau oder Wiederherstellung (Pflege) von Geschäftsbeziehungen mit jeweils
relevanten Anspruchsgruppen in Beschaffung, Produktion, Absatz, Umfeld und Medien (Stakeholder).
Dem Stakeholder-Ansatz liegt der Shareholder-Ansatz (Rappaport) als Steuerung des Unternehmens unter dem Postulat des
Shareholder value zugrunde. Freeman erweiterte diesen Ansatz dahingehend, dass er auch alle anderen Anspruchsgruppen
außer den Anteilseignern in der Unternehmensführung berücksichtigt wissen will. Zu den Stakeholders gehören vielfältige
Gruppen mit individuellen Zielen, vor allem folgende:
• Top-Management: Einfluss auf das Unternehmen und seine Umwelt, Prestige, hohes Einkommen,
Verwirklichung schöpferischer Ideen, Erweiterung professioneller Kenntnisse und Fähigkeiten,
• Mitarbeiter: hohes Einkommen, soziale Sicherheit, Selbstentfaltung am Arbeitsplatz, zufriedenstellende
Arbeitsbedingungen und zwischenmenschliche Beziehungen,
• Eigenkapitalgeber: hohe Gewinnausschüttung, Teilnahme an Wertsteigerung durch Kursentwicklung und
günstige Angebote bei Kapitalerhöhungen, Einfluss auf Top-Management,
• Fremdkapitalgeber: hohe Verzinsung, pünktliche Rückzahlung und Sicherheit des zur Verfügung gestellten
Kapitals,
• Lieferanten: günstige Lieferkonditionen, Zahlungsfähigkeit, anhaltende Liefermöglichkeiten,
• Kunden: qualitativ hochstehende Leistungen zu günstigen Preisen, Nebenleistungen wie
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
11
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
Konsumentenkredite, Service, Ersatzteile oder Beratung, gesicherte Versorgung,
• Behörden: Bereitstellung von Arbeitsplätzen, Beiträge zur Infrastruktur und zu Kultur- und
Bildungsinstitutionen,
• Staat: Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, hohes Exportniveau, Steuereinnahmen,
• Gewerkschaften: Anerkennung der Gewerkschaftsvertreter als Verhandlungspartner, Verhandlungsfairness,
Möglichkeit, Gewerkschaftsanliegen im Unternehmen zu artikulieren und Mitglieder zu werben,
• Arbeitgeberverbände: Ausrichtung unternehmerischer Entscheidungen an eigenen Interessen,
Beitragszahlung.
Daraus entstand der Ansatz des Beziehungsmanagement als systematischer Pflege von Beziehungen zu Anspruchsgruppen.
Genauer, zur Anbahnung, Forcierung, Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Beziehungen mit Hilfe von Marketing
zur Steuerung von Interaktionen und Transaktionen. Ebenso wie ein Unternehmen sich zahlreichen Anspruchsgruppen
gegenübersieht, die es durch Marketing in Bezug auf die Erfüllung eigener Ziele zu steuern versuchen kann, sind auch
Personen in ein dichtes Netzwerk sozialer Beziehungen zu Anspruchsgruppen eingebunden, die sie in Bezug auf die
Erfüllung eigener (privater) Ziele durch Gestaltung der Interaktionen und Transaktionen zu steuern versuchen kann.
Neben materiellen Werten sind dabei vor allem ideelle Werte betroffen. Folglich gelten neben ökonomischen zunehmend
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
verhaltenswissenschaftliche Kategorien.
our ambition!
Copenhagen Master of Excellence
are two-year master degrees taught
in English at one of Europe’s leading
universities
Come to Copenhagen - and aspire!
PHARMACEUTICAL
SCIENCES
LIFE SCIENCES
SCIENCE
COPENHAGEN
RELIGIOUS STUDIES
LAW
Apply now at www.come.ku.dk
SOCIAL SCIENCES
HUMANITIES
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
12
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
Gegen diese sehr weitgehende Applizierung des Marketing werden drei Arten von Kritik festgemacht:
• Erstens wird negiert, dass ein Einfluss dieser Kategorien überhaupt vorhanden ist. Dieser Standpunkt lässt
sich aber immer weniger halten.
• Zweitens wird zwar konzidiert, dass solche Einflüsse vorhanden sind, aber diese sollen bewusst außer
acht gelassen werden, weil sie nicht zur Betriebswirtschaftslehre gehören. Denn Marketing gehört
wissenschaftssystematisch zur BWL, und wird diese Grenze überschritten, sind auch Nicht-BWLErkenntnisbereiche zu berücksichtigen (Verlassen des Objektbereichs).
• Drittens wird sowohl zugestanden, dass solche Einflüsse bestehen als auch, dass in vielfältiger Weise NichtBWL-Erkenntnisbereiche in das Marketing einfließen, eine entsprechende Ausweitung wird aber als nicht
mehr praktikabel angesehen. Das heißt, es werden nicht wissenschaftssystematische, sondern pragmatische
Gründe gegen eine weite Applizierung angeführt.
Eine sinnvolle Abgrenzung ist jedoch nicht analytisch, sondern allenfalls durch Konvention möglich. Für eine Fassung des
Marketing i.w.S. spricht die Fortentwicklung der Marketingwissenschaft, vor allem die Verknüpfung zu den angrenzenden
Sozialwissenschaften mit dem Ziel der Erarbeitung einer Meta-Theorie der Austauschprozesse (dies könnte auf Basis der
Neuen Institutionenökonomik geschehen). Dagegen spricht jedoch der Verlust an Präzision in den Aussagen, die steigende
Entfremdung der Theorie von der betrieblichen Praxis und vor allem das Auseinanderfallen von Marketing und seinem
übergeordneten Objektbereich Betriebswirtschaft.
Daher sind ein „Narrowing“ und ein „Flattening“ auf den Unternehmensfokus und die Gewinnorientierung für die
Definition zwar in der Sache nicht unbedingt richtig, aber in der Form zweckmäßig. Zumal ansonsten Marketing
unangemessen zu einer Meta-Wissenschaft mutiert, die einen enormen Verlust an Präzision erfährt, unter terminologischer
Unschärfe leidet und sich zunehmend der betrieblichen Praxis entfremdet. Dort ist die Ansiedlung des Marketing aber
zu sehen, legt doch die Einordnung in die BWL eine Selbstbeschränkung auf ökonomische Sachverhalte nahe.
Diese Begrenzung auf ökonomische Sachverhalte scheint gerade angesichts des Bereichs Technischer Vertrieb angezeigt.
1.3 Marketing und Vertrieb
Die Zuordnung der Begriffe Marketing und Absatz/Vertrieb/Verkauf ist nicht ganz einfach, da diese vielfältig, gerade
im Business to business-Bereich, als Wechselvokabeln verwendet werden. Dennoch kann bei näherem Hinsehen eine
Abstufung im Aktivitätsniveau erkannt werden:
• Der Begriff Marketing umfasst neben dem Instrument der Verfügbarkeits- und Übergabepolitik noch die
komplementären Instrumente der Angebots- und Sortiments-, der Preis- und Gegenleistungs- sowie der
Informations- und Präsentationspolitik. Der Vertrieb ist also nur ein Ausschnitt des Marketing.
• Der Begriff Absatz beschreibt die planvolle Anlage des Instruments der Distributionspolitik im Marketing.
Nicht hingegen sind die übrigen Marketing-Mix-Instrumente damit abgedeckt. Insofern kann nicht von
einem systematischen Ansatz ausgegangen werden.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
13
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
• Der Begriff Vertrieb beinhaltet nurmehr das Umfeld zur unmittelbaren Herbeiführung der Tauschakte, also
der Akquisition von, der Transaktion mit und der Nachbereitung bei Kunden.
• Am Engsten ist der Begriff Verkauf ausgelegt, der sich allein auf den unmittelbaren Vollzug der
ökonomischen Transaktion bezieht.
Jede Leistung im Vertrieb setzt sich aus Potenzial, Prozess und Ergebnis zusammen. Unter Potenzial versteht man die
Bereitstellung von Kapazitäten, also von Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit. Unter Prozess versteht man den
Ablauf des Absatzaktes, also die Abfolge von Andienung und Annahme von Wert (Produkt) und Gegenwert (Kaufpreis).
Unter Ergebnis versteht man die vollzogene Transaktion, also die Hingabe eines Gegenwertes für den Erhalt eines Wertes.
Inhalt des Marketing ist es allgemein, Austauschpartner zu finden, die für eine angebotene Leistung den höchstmöglichen
Wert empfinden bzw. für gegebene Werte das kostengünstigste Angebot bereitstellen. Dazu muss womöglich das
Nutzenempfinden bei Marktpartnern forciert oder auch überhaupt erst entwickelt werden. Marketing setzt dabei
mindestens zwei beteiligte Parteien voraus. Jede der Parteien muss etwas haben, was für die andere von subjektivem
Wert ist. Die Parteien müssen untereinander in Kontakt treten (Informationsaustausch) und die Tauschobjekte (Ware/
Geld) übergeben können. Jede Partei muss weiterhin frei in der Annahme oder Ablehnung sein. Und jede Partei muss
zu Aktivitäten bereit sein.
Die Austauschobjekte haben jedoch verschiedene Eigenschaften:
• Beruhen die Eigenschaften auf „Inaugenscheinnahme“, handelt es sich um Sucheigenschaften bei
Inspektionsgütern (Inspection goods), was voraussetzt, dass die Leistungsmerkmale dem Abnehmer zum
Zeitpunkt des Kaufentscheids (und auch danach) zugänglich sind, d.h., ihr Vorhandensein oder Fehlen
kann vor dem Kauf festgestellt werden. Dies gilt für alle Produkte, deren technische Eigenschaften eindeutig
messbar sind. Die Information erfolgt hierbei durch das Produkt selbst, durch Prospekt, Katalog, Datenblatt,
Messestandsbesuch, Fachanzeige, Betriebsbesichtigung, Verkaufsberatung, Besuch von Kompetenzzentren
etc. Die Wahrscheinlichkeit negativer Konsequenzen für den Käufer ist gering, da insgesamt gute
Beurteilungsmöglichkeiten gegeben sind.
• Beruhen die Eigenschaften auf Nutzung der infrage stehenden Produkte in der Vergangenheit, handelt es
sich um Erfahrungseigenschaften bei Erfahrungsgütern (Experience goods), wobei diese Erfahrung zum
Zeitpunkt des Kaufentscheids aber noch nicht zugänglich ist, d.h., ihr Vorhandensein kann zwar nicht vor
dem Kauf, wohl aber danach festgestellt werden. Die Information erfolgt hierbei durch Besichtigung der
Referenzanlage, Gespräche mit Anwendern in User-Zirkeln, Beratung durch unabhängige Consultants
oder Institute, Gespräche mit anderen Unternehmen, Seminarbesuche, Erfahrungen mit dem Anbieter,
Kontakte zu Konkurrenten, Fachkonferenzen, Seminarbesuche etc. Anstelle eigener Erfahrung können
Erfahrungsberichte anderer Anwender als Beurteilungshilfen dienen.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
14
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
• Beruhen die Eigenschaften auf Vertrauen, handelt es sich um Vertrauenseigenschaften bei Vertrauensgütern
(Credence goods), wobei diese nicht nur nicht zum Zeitpunkt des Kaufs, sondern nicht einmal nach dem
Kauf zugänglich sind. Man muss sich also auf die Zusicherung des Anbieters verlassen. Die Information
erfolgt hierbei durch Aussagen anderer Anwender bzgl. des Rufs des Unternehmens, Kompetenzzentren etc.
Vor allem die Anbieterkompetenz dient als Anhaltspunkt für die Qualitätsbeurteilung, denn Kompetenzen
sind Fertigkeiten und Fähigkeiten, die einem Anbieter zugeordnet werden, um Probleme des Kunden
zu lösen. Dies erfordert Kompetenzkommunikation durch Fachaufsätze, User-Groups (Kundenbeiräte),
Referenzen, Prototypen, Kompetenzzentren (Funktionsmodelle), Fachwerbung etc.
Jedes Produktangebot hat nunmehr sowohl Sucheigenschaften als auch Erfahrungseigenschaften und ertrauenseigenschaften,
jedoch jeweils in unterschiedlichem Ausmaß.
Beide Dimensionen, Leistungsmerkmal und Eigenschaft, lassen sich auch kombiniert betrachten:
• Leistungspotenzial und Sucheigenschaften z.B. bei der Mitarbeiterausbildung,
• Leistungspotenzial und Erfahrungseigenschaften z.B. bei der Sozialkompetenz der Mitarbeiter,
• Leistungspotenzial und Vertrauenseigenschaften z.B. bei der Bonitätsbeurteilung,
• Leistungsprozess und Sucheigenschaften z.B. bei der Projektplanung,
• Leistungsprozess und Erfahrungseigenschaften z.B. bei der Reklamationsbehandlung,
• Leistungsprozess und Vertrauenseigenschaften z.B. bei der Lieferzuverlässigkeit,
• Leistungsergebnis und Sucheigenschaften z.B. bei ergonomischen Arbeitsmitteln,
• Leistungsergebnis und Erfahrungseigenschaften z.B. bei der Ausfallrate von Maschinen,
• Leistungsergebnis und Vertrauenseigenschaften z.B. bei der Lebensdauer von Maschinen.
1.4 Technischer Vertrieb
Der Begriff Technischer Vertrieb steht in Konkurrenz zu vergleichbar erscheinenden anderen Begriffen, vor allem
Investitionsgütermarketing oder Industriegütermarketing oder Business to business-Marketing. Daher ist es notwendig,
zunächst eine begriffliche Abgrenzung vorzunehmen. Dabei treten allerdings eine Reihe von Problemen zutage.
Bei Investitionsgütermarketing wird, schon rein sprachlich, eine Investitionsentscheidung, also ein gewisser einzusetzender
hoher Geldbetrag, unterstellt, aber diese Investitionsentscheidung erfolgt ebenso auch im privaten Bereich, etwa beim
Kauf einer Wohnung oder eines Autos, andererseits werden im gewerblichen Bereich auch Anschaffungen getätigt, die
keine Investitionsentscheidung im sprachlichen Sinn bedingen (z.B. Kleinanschaffungen wie Büromaterial). Diese werden
durch den Begriff Investitionsgut nicht abgedeckt, denn dabei hat man gemeinhin eine bestimmte Art von großen, teuren,
selten angeschafften Gütern im Vorstellungsbild. Marketing darf sich aber nicht vom Produkt her definieren, sondern
allein von der Vermarktungssituation her.
Weiterhin betrifft der gewerbliche Bereich durchaus nicht nur Güter des Anlagevermögens, also solche, mit denen andere
Güter produziert werden, sondern durchaus auch Güter des Umlaufvermögens wie Rohstoffe, Hilfsstoffe, Betriebsstoffe,
Teile etc., die Verbrauchsgüter (Produktionsgüter) sind, man könnte auch sagen, Konsumtionsgüter, wobei man jedoch
typischerweise im Bereich der privaten Vermarktung landet, von dem man sich ja gerade absetzen will.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
15
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
Im Übrigen legt der Begriffsbestandteil „-güter-“ nahe, dass es sich um Sachleistungen handelt. Aber im gewerblichen
Bereich werden durchaus, und zwar im verstärkten Maße, auch Dienstleistungen vermarktet. Diese lassen sich unter dem
Begriff „-güter-“ jedoch nur schwerlich semantisch subsumieren.
Das gleiche gilt auch für den Begriff Industriegütermarketing. Dieser leitet sich aus dem analogen anglo-amerikanischen
Begriff Industrial Marketing ab. Damit werden aber alle Geschäftsbeziehungen zu gewerblichen Dienstleistern, die
zweifelsfrei auch Industriegüter nachfragen (z.B. der Fotokopierer beim Steuerberater) nicht erfasst, weil diese nicht
dem industriellen (sekundären), sondern dem tertiären gesamtwirtschaftlichen Sektor angehören. Diese investiven
oder industriellen Dienstleistungen sollen jedoch unbedingt miterfasst werden, weil der tertiäre Sektor generell immer
bedeutsamer wird, man spricht geradezu von einer Tertiarisierung der Wirtschaft.
Daher wird in neuerer Zeit verstärkt der Begriff Business to business-Marketing (B-t-b) vorgeschlagen. Damit wird deutlich,
dass hier, unabhängig davon, um welche Güter oder Dienste es sich im Einzelnen handelt und welche Art von Branche
jeweils tangiert ist, der Betrachtung die Beziehungen zwischen gewerblichen Anbietern und gewerblichen Nachfragern
zugrunde liegen. Dies in Abgrenzung zum Business to consumer-Marketing (B-t-c), bei dem die Beziehungen zwischen
gewerblichen Anbietern und privaten Nachfragern zugrunde liegen. B-t-b-Marketing befasst sich nun vor allem mit den
abweichenden Besonderheiten des ansonsten traditionell durch die Konsumentenzielgruppe dominierten Marketing.
Allerdings sind dabei auch Beziehungen tangiert, die typischerweise nicht primär unter den technischen Vertrieb
subsumiert werden, wie die Beziehungen zwischen Hersteller- und Handelsstufen im Absatzkanal oder innerhalb von
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Handelsstufen in Bezug auf gehandelte Waren. Oder auch die Beziehungen zu Verwaltungen (B-t-A).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
16
Technischer Vertrieb
Marketing-Definition
Im Deutschen wird der Begriff Business to business zudem gemeinhin meist mit Direktmarketing übersetzt. Doch
darin liegt eine große Problematik, denn dieser Begriff ist praktisch wiederum durch Direct response-Maßnahmen der
Dialogwerbung wie Aussendungen, Telefonkontakt, DR-TV etc. besetzt und eben nicht durch den Direktverkauf, also den
Absatz von Waren und Diensten von Herstellern/Erzeugern, für gewöhnlich ohne zwischengeschaltete Absatzmittlerstufen,
unmittelbar an Endabnehmer.
Eine angemessene Übertragung des englischen Begriffs Industrial marketing findet hingegen durch den Begriff Technischer
Vertrieb statt. Obgleich auch dieser Schwächen hat. Denn durchaus nicht alle Vertriebsobjekte sind als technisch zu
bezeichnen, obgleich ihnen B-t-b-Beziehungen zugrunde liegen (z.B. der Catering-Service für eine Betriebskantine). Auch
eine spitzfindige Auffassung, die den Begriffsbestandteil „Technisch“ vom Einsatz vertriebstechnischer Elemente abhängig
sieht, geht fehl, denn diese werden in starkem Maße auch im Vertrieb an private Endabnehmer eingesetzt, und zwar
nicht nur als Verkaufstechniken, sondern etwa auch als Finanzierungstechniken. Außerdem lässt der Begriffsbestandteil
Vertrieb den Einsatz der übrigen Marketing-Mix-Instrumente außer Distributions- und Verkaufspolitik außen vor. Will
man diese, also die Produkt- und Programmpolitik, die Preis- und Konditionenpolitik sowie die Kommunikations- und
Identitätspolitik, aber einbeziehen, müsste man eigentlich von Technischem Marketing sprechen, was jedoch wiederum
unüblich ist. Dennoch scheint der Begriff Technischer Vertrieb der insgesamt tragfähigste Kompromiss. Technischer
Vertrieb betrifft insofern alle Absatzprozesse, die sich von Unternehmen oder sonstigen Organisationsformen an
Unternehmen oder sonstige Organisationsformen richten.
Wesentliche Merkmale des Technischen Vertriebs sind die Folgenden:
• verbreitete Produktindividualisierung als einzelkundenbezogene Leistungsgestaltung, z.B.
Spezialmaschinenbau, anwenderspezifische Speicher-Chips, Anwendungs-Software,
• Individualisierung durch produktbegleitende Dienstleistungen wie Just in time-Verbund, Key account
management etc.,
• Customer integration, d.h. Einbeziehung des Abnehmers bereits bei der Konzipierung und Erstellung der
Güter/Dienste, also keine standardisierten Problemlösungen, sondern vielmehr Tailormade productions,
• Netzeffekte, und zwar bei physikalischer Verbindung zwischen verschiedenen gleichartigen Geräten, deren
gemeinsame Nutzung erst den eigentlichen Zweck erfüllt, dies oft verbunden mit einer kritischen Masse,
• Komplementäreffekte, etwa durch Software, die standardisierter Hardware zugeordnet ist, z.B.
Anwenderprogramme für ein bestimmtes Betriebssystem, Datenträger für einen bestimmten Gerätestandard.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
17
Technischer Vertrieb
Business to business-Marketing
2 Business to business-Marketing
Business to business-Marketing ist darauf gerichtet, alle Aktivitäten eines Anbieters auf das Kaufverhalten des oder
der Nachfrager auszurichten, um gegenüber Wettbewerbern strategisch günstige Marktpositionen zu erreichen und
Markttransaktionen erfolgreich abzuwickeln (Management von komparativen Konkurrenzvorteilen nach Backhaus).
2.1Gegenstand
Business to business-Märkte umfassen alle Vermarktungsobjekte (Leistungen), die von Organisationen (Produzenten/
Dienstleistern/Händlern, also Nicht-Konsumenten) beschafft werden, um mit ihrem Einsatz (Ge- und/oder Verbrauch)
weitere Güter für die Fremdbedarfsdeckung zu erstellen oder, in geringerem Maße, um sie unverändert an andere
Organisationen weiter zu veräußern, die diese Leistungserstellung vornehmen. Wichtig ist dabei zu beachten, dass diese
Definition über die Größen Nachfrager und Verwendungszweck erfolgt und nicht von rein stofflichen oder technischen
Gegebenheiten ausgeht, d.h. ganz so, wie es dem Marketinggedanken entspricht. Nachfrager oder Gruppen von Nachfragern
beschaffen demnach zur Lösung eines bestimmten Problems der Leistungserstellung für die Fremdbedarfsdeckung Güter
oder veräußern diese unverändert an andere Nachfrager weiter, die ihrerseits Güter für die Fremdbedarfsdeckung erstellen.
Kennzeichen ist damit eine derivative Nachfrage.
Diese selbstverständliche und überlebensnotwendige Aktivität stößt in der Branche allerdings oft auf Ablehnung, weil
Marketing dort eher als exotisch betrachtet werden. Gründe liegen wohl vor allem in der
• vorwiegend technischen Prägung des Sektors (Ingenieursausbildung). Dort herrscht immer noch eher ein
Produktdenken anstelle des Kundendenkens vor, d.h., die Bereitschaft, Produktvorteile in komparative
Konkurrenzvorteile zu übersetzen, muss oftmals erst noch geweckt werden.
• Ablehnung des Marketing als „Drücker“-Funktion (Hard selling).
• nur vereinzelt anzutreffenden Marketingforschung. Die nur abgeleitete Nachfrage erschwert die Erhebung
von Marketinginformationen (Ursprungsbedarf für nachgelagerte Marktstufen).
Dabei lassen es Merkmale des Business to business-Marktes hochangeraten erscheinen, sich Marketingprinzipien zunutze
zu machen. Sie liegen begründet in der
• Vielfalt der betroffenen Güter mit unterschiedlichen Problemstellungen für die marketingmäßige
Bearbeitung und hoher Individualisierung.
• Heterogenität der Transaktionssituation mit nach dem Leistungsergebnis so verschiedenartigen Objekten
wie Anlagen als Maschinen, Gebäude etc., kleinere Anlagegüter, Zubehör etc., Einsatz- und Betriebsstoffe,
Primärmaterial, Halbfabrikate und Teile sowie Rohstoffe.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
18
Technischer Vertrieb
Business to business-Marketing
• Mehrstufigkeit der Marktstrukturen durch Unternehmen des Produktionsverbindungshandels (PVH),
die Güter, im Wesentlichen unverändert, an produzierende oder dienstleistende Organisationen
wiederzuverkaufen.
• Problematik der Verzweigung nachgeordneter Vermarktungsstufen mit der Folge einer starken
Segmentierung.
• weit verbreitet anzutreffenden Internationalität des Geschäfts.
• Tatsache, dass Käufer und Verwender oft nicht personenidentisch sind.
• oft erheblichen Nutzungsdauer der vermarkteten Güter, die nur seltene Transaktionen zulassen.
• hohen Bedeutung von produktbegleitenden Services, die regelmäßig Angebotsbündel entstehen lässt.
Akteure in der gewerblichen Beschaffung sind Hersteller und Nachfrager, Absatzhelfer, teils auch Beschaffungshelfer,
Ingenieurbüros, Consultants, Marktveranstaltungsteilnehmer, Produktionsverbindungshändler etc. In allen Bereichen
besteht ein nicht unerheblicher Marketing-Nachholbedarf. Dabei ist unzweifelhaft, dass es letztlich dieselben Menschen
sind, die abends nach weitgehend irrationalen Gesichtspunkten selbst hochwertige Produkte einkaufen, wie Kleidung,
Unterhaltungselektronik etc., die tagsüber die Entscheidung für oder gegen gewerblich genutzte Güter treffen. Es entspricht
einer seltsamen Persönlichkeitssicht, wenn unterstellt wird, dass der Mensch, kaum dass er die Eingangshalle seines
Unternehmens passiert hat, sich in einen streng rational handelnden Technokraten verwandelt, kaum dass er wieder
draußen ist, aber ganz normal emotionale Käufe tätigt, zumal diese für seinen persönlichen Bedarf bestimmt sind und
aus seinem persönlichen Einkommen finanziert werden, also noch viel eher eine strikte Objektivierung rechtfertigten.
Viel wahrscheinlicher ist es hingegen, dass Menschen, sei es im Betrieb oder im Privatleben, nun einmal so sind wie sie
sind, nämlich unberechenbar.
Scheinbar objektivierte Anforderungs- und Leistungsprofile dienen dann verbreitet nurmehr der rationalen Absicherung
einer zutiefst emotional gefällten Kaufentscheidung. Deshalb werden auch Entscheide im B-t-b-Bereich wohl nicht
nach grundsätzlich anderen Maßstäben getroffen als solche über private Konsumgüter und Dienstleistungen. Er gehört
allerdings viel Mut dazu, zuzugeben, Entscheide „aus dem Bauch heraus“ zu treffen, wenn es um hohe Investitionssummen
und geschäftliche Nutzung, an der Gewinne und Arbeitsplätze hängen, geht. Da dieser Mut, zumal bei angestellten
Managern, die Kapitaleignern gegenüber berichtspflichtig sind, aus verständlichen Gründen nicht vorhanden ist,
versteckt man sich oftmals hinter pseudorationalen Argumenten. Dann darf man aber nicht dem Irrtum erliegen,
dass dies unbedingt die wahren Entscheidungsgründe sind, vielmehr sind sie oft nur vorgeschobene Gründe, um eine
gefühlsmäßig richtige Entscheidung zu rechtfertigen. Darin liegt übrigens keinerlei Abwertung, ganz im Gegenteil,
denn Manager, die intuitiv richtige Entscheidungen treffen, sind weitaus rarer und wertvoller als solche, die umfassend
abgesichert arbeiten.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
19
Technischer Vertrieb
Business to business-Marketing
Zentrales Kennzeichen des Business to business-Marketing ist die Heterogenität der vermarkteten Leistungen, daher
bestehen zahlreiche Typologisierungsbestrebungen:
• vom Leistungsergebnis her (Commodity approach/Copeland) gibt es Installations (große Anlagegüter
wie Maschinen, Gebäude etc.), Accessory equipment (Zubehör und kleinere Anlagegüter), Operating
supplies (Einsatz-/Betriebsstoffe), Fabricating materials (Halbfabrikate), Parts (Teile) und Primary materials
(Rohstoffe). Darin spiegelt sich jedoch eine herstellerbezogene Sichtweise, nicht eine abnehmerbezogene,
sodass die Marketingorientierung dabei zu bezweifeln ist.
• aus der Produktklasse heraus (Miracle) dienen zur Klassifikation vielfältige Kriterien wie der Wert der
Produkteinheit, die Bedeutung des einzelnen Kaufs für den Nachfrager, die für den Kauf aufgewendete Zeit
und Mühe, der Grad des technologischen Wandels, die technische Komplexität, die Servicebedürftigkeit
des Nachfragers, die Kaufhäufigkeit, die Lebensdauer und die Verwendungshäufigkeit. Aus diesen Kriterien
ergeben sich dann fünf Produktklassen (I - V). Das Ergebnis ist zwar recht differenziert, zugleich praktisch
aber auch stark verwirrend.
• nach Kaufverhalten und Verwendung werden Anlagen, Einzelaggregate, Teile, Roh- und Einsatzstoffe,
Energie und Systeme unterschieden.
STUDY. PLAY.
The stuff that makes life worth living
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
The stuff you'll need to make a good living
NORWAY.
YOUR IDEAL STUDY DESTINATION.
WWW.STUDYINNORWAY.NO
FACEBOOK.COM/STUDYINNORWAY
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
20
Technischer Vertrieb
Business to business-Marketing
• nach dem Prozess wird nach Produktgeschäft, Anlagengeschäft und Systemgeschäft unterteilt. Im
Mittelpunkt stehen dabei die Marktransaktionen, d.h., wird die betrachtete Leistung vom Nachfrager
entweder isoliert beschafft oder laufen nacheinander geschaltete, interdependente Kaufprozesse ab. Produkte
sind vorgefertigt, oft in Mehrfachfertigung, und werden isoliert beim Nachfrager eingesetzt. Systeme werden
sukzessiv gekauft, die Leistungsvernetzung erfolgt auf der Basis einer Systemarchitektur, und ein enger
Verbund zwischen langfristiger Architekturentscheidung und kurzfristiger Komponenten-BeschaffungsEntscheidung sowie z.T. extrem kurzfristige Lebenszyklen der Komponenten sind gegeben. Anlagen sind
komplexe Objekte mit projektspezifischer Kaufentscheidung zu bestimmtem, einmaligem Zeitpunkt, es
erfolgt keine Leistungsvernetzung, d.h., es gibt keine systematischen Erweiterungs- und Ergänzungskäufe,
die Beschaffung ist vielmehr damit beendet.
• nach der Transaktionssituation erfolgt eine Unterteilung in Abhängigkeit von den Größen Bedeutung von
Kundenbindung und Wiederholungskäufen sowie Individualisierung auf einzelne Kunden/Marktsegmente.
Diese beiden Dimensionen ergeben eine Matrix mit den Ausprägungen Wiederkauf bzw. Einzeltransaktion
sowie Einzelkunde bzw. Gesamtmarkt. Daraus wiederum ergeben sich vier Kombinationen:
-- Einzelkunde und Wiederkauf: Key account(Schlüsselkunden-)-Marketing,
-- Einzelkunde und Einzeltransaktion: Project(Projekt-)-Marketing,
-- Gesamtmarkt und Einzeltransaktion: Transaction(Transaktions-)-Marketing,
-- Gesamtmarkt und Wiederkauf: Relationship(Beziehungs-)-Marketing.
Dies vermeidet zwar die Gefahren der warentypologischen Ansätze, wie Zersplitterung und Kasuistik, um auch
Besonderheiten zu erfassen, begrenzte theoretische Fundierung, Wiederholungen in den Aussagen, fragliche Abgrenzung
der Güterkategorien etc., führt jedoch zu einem recht komplexen Ansatz. Dafür wird eine strikt nachfragebezogene
Sichtweise eingehalten.
Als kleinster gemeinsamer Nenner ergibt sich, dass Industriegüter in Organisationen zum Zwecke der Leistungserstellung
längerfristig genutzt werden und von Organisationen beschafft werden, um mit ihrem Einsatz weitere Güter für die
Fremdbedarfsdeckung zu erstellen oder um sie unverändert an andere Organisationen weiterzuveräußern, die diese
Leistungserstellung vornehmen.
2.2Einteilungen
Eine andere, zweckmäßig erscheinende warentypologische Einteilung geht von folgender Sicht aus:
• Produktionsgüter (gewerbliche Verbrauchsgüter),
• Investitionsgüter (gewerbliche Gebrauchsgüter),
• Systeme,
• Dienstleistungen.
Diese Bereiche sind aber durchaus nicht so trennscharf wie wünschenswert. So gehören zu den Produktionsgütern, die
unverändert oder nach Bearbeitung und/oder Verarbeitung verändert in Erzeugnisse eingehen oder zu deren Produktion
verbraucht werden, ganz unterschiedliche Kategorien:
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
21
Technischer Vertrieb
Business to business-Marketing
• Urprodukte sind Erzeugnisse der ersten Fertigungsstufe (Urproduktion) vor ihrer Weiterverarbeitung, wie
etwa land- und forstwirtschaftliche Produkte, mineralische Rohstoffe, energielieferende Rohstoffe etc. Die
Vermarktung ist eng an den natürlichen Anbau- oder Abbaustandort gebunden.
• Energie ist für jegliche Art der Leistungserstellung erforderlich. Sie entsteht durch die Ausnutzung von
Rohstoffen (wie etwa Kohle, Rohöl, Erdgas etc.).
• Einsatzstoffe sind ver- oder bearbeitete Rohstoffe, die selbst wiederum Ausgangspunkt für weitere
Produktionsprozesse sind (wie etwa Baustoffe, Stahl etc.). Oft werden die Rohstoffe vom Anbieter zugleich
zu Einsatzstoffen als Vorwärtsintegration in der Wertschöpfungskette veredelt.
• Hilfsstoffe gehen als Roh- oder Einsatzstoffe nicht als wesentlicher Bestandteil, sondern nur als
Nebenbestandteil in die Produktion ein (wie etwa Lack, Klebstoff etc.). Dennoch sind diese Produkte
unerlässlich für die Produktion.
• Betriebsstoffe gehen gar nicht in das Produkt der Weiterbe- oder -verarbeitung ein, sondern sind zur
Aufrechterhaltung der betrieblichen Prozesse erforderlich (wie etwa Schmierstoff, Kühlmittel etc.). Ihre
ökonomische Relevanz schwankt sehr stark von bedeutungslos bis erfolgsentscheidend.
• Teile gehen unter Wahrung ihrer Identität in andere Produkte ein oder werden zu neuen Produkten
zusammengefügt. Sie sind in sich allein funktionsfähig (wie etwa Pumpen, Kupplungen etc.), können aber
allein nicht sinnvoll genutzt werden, und werden von Erstausstattern (Original equipment manufacturers/
OEM´s) an Weiterver- oder -bearbeiter komplett angeliefert. Voraussetzungen für das OEM-Geschäft (z.B.
Intel) sind ein kaufrelevanter Produktvorteil auf den nachfolgenden oder der Endstufe, ein identifizierbares
Produkt (Markierung) sowie keine Sperrmöglichkeit gegen eine Zangenbewegung aus Pull bei der Zielstufe
(Endabnehmer) und Push auf den Zwischenstufen (Weiterverarbeiter).
Die Erfassung der Produktionsgüter ist wegen ihrer Heterogenität sehr schwierig. Kennzeichnend ist, dass sich die
Nachfrage für diese Güter aus der Nachfrage nachgelagerter Marktstufen ableitet (derivative Nachfrage) und dass sich ein
Zusammenwirken mit anderen Produktionsfaktoren ergibt, die vielfältige Interaktionen bedingen.
So existieren Substitutionsbeziehungen zwischen verschiedenen Lösungsprinzipien für ein Problem, z.B. Kleben,
Schrauben, Löten zum Verbindung von Werkstoffen. Aber es bestehen auch Komplementärbeziehungen als integrale
Produktqualität, Zeitqualität, Verfügbarkeitsqualität etc. im Verbund mit anderen Produktionsgütern zur Zielerreichung
(z.B. Normen, Standards). Dann bestehen Beziehungen zwischen Produktionsgütern und den Produktionsanlagen
(Investitionsgütern), auf denen sie ver- oder bearbeitet werden (z.B. Hitzebeständigkeit, Verschnitt). Und es bestehen
Beziehungen zum Einsatzfeld der Nutzung (z.B. Belastung).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
22
Technischer Vertrieb
Business to business-Marketing
Zu den Investitionsgütern zählen im Wesentlichen maschinelle Anlagen, die in Unternehmen/Organisationen zur
Fremdbedarfsdeckung eingesetzt werden. Dabei ergeben sich zwei große Bereiche:
• Unter Großanlagen versteht man serien- oder einzelgefertigte Maschinen, die integriert und vermarktet
werden. Dabei muss es sich nicht unbedingt um die komplette Erstellung einer neuen Anlage handeln,
vielmehr kann auch die Aufarbeitung einer bestehenden Anlage auf den neuesten technischen Stand gegeben
sein (Revamping). Dabei sind meist mehrere Anbieter beteiligt (Anbieterkoalitionen). Es handelt sich also
um komplexe Hardware-Software-Kombinationen, die sehr individuell auf die speziellen Bedürfnisse und
Einsatzbedingungen des Abnehmers ausgerichtet sind. Sie repräsentieren meist einen hohen Wert, haben
eine lange Produktionsdauer, werden selten angeschafft und implizieren ein hohes Risiko. Typischerweise
handelt es sich um eine internationale Vermarktung, die Beschaffungsentscheidungen sind multipersonal
und/oder multiorganisational. Hinzu treten unverzichtbar produktbegleitende Dienstleistungen wie
maßgeschneiderte Absatzfinanzierung, Inbetriebnahme etc. Die Vermarktung basiert auf langen, intensiven
Verhandlungsprozessen, die mehr oder minder formalisiert sind. Daher bedarf es einer gründlichen
Projektplanung, um Problemursachen frühzeitig zu ergründen, Problemlösungen zu konzipieren und
Leistungen mehrerer Anbieter zu integrieren. Der Leistungsanteil des Nachfragers zur Realisierung geht
dabei zunehmend zurück (Turn key projects), sodass teilweise sogar der Betrieb der Anlagen vorgenommen
wird. Als Organisationsform dient dabei meist die Projektorganisation.
• Einzelaggregate sind Leistungsangebote, die einzeln funktionsfähig und auch isoliert einsetzbar sind wie
etwa Lkw, Rechenanlage, Kran etc. und zum Zweck der Erfüllung einer bestimmten abgegrenzten Funktion
in Produktion oder Verwaltung nachgefragt werden. Es fehlt also an einer direkten Verbundwirkung zu
anderen Leistungsangeboten im Kaufprozess. Auch werden Einzelaggregate nicht in das zu erstellende
Produkt eingebaut, sondern verbleiben zur mehrfachen Nutzung im nachfragenden Unternehmen. Ebenso
gut können die Einzelaggregate auch kapazitativ und/oder additiv gemeinsam eingesetzt werden, z.B. mehrere
Kräne auf einer Großbaustelle oder Druckwerk, Verarbeitungsstation und Sortierer zu einer Druckstraße
für Presseerzeugnisse verbunden. Damit erfolgt ein gleitender Übergang zu Systemen. Man unterscheidet
Universalmaschinen, die vielseitig einsetzbar sind (Mehrprodukt), Sondermaschinen, die nur speziell
einsetzbar sind (Einprodukt), und Einverfahrensaggregate, die zwischen diesen beiden Polen angesiedelt sind.
Systeme sind serien- oder einzelgefertigte Produkte und investive Dienste auf Basis einer durchgängigen Systemphilosophie
aus Zentral- und Peripheriegeräten, die interagieren, z.B. PC, Drucker, Bildschirm. Dazu sind einerseits Netzwerke
erforderlich, die den Informationsfluss zwischen den einzelnen Systemelementen ermöglichen und andererseits kompatible
Schnittstellen, die bei allen Systemelementen Informationen gleichartig aufnehmen, verarbeiten und abgeben. Dabei
werden häufig betriebsinterne Informationsnetze mit betriebsübergreifenden Informationsnetzen kombiniert, etwa bei
mehreren Standorten oder bei Kommunikation zwischen Vorlieferant und Weiterverarbeiter. Man unterscheidet dabei
öffentliche Netze (Telekom), Anschlussstellen, von denen interne Netze abzweigen (DSL-Anschlus), Inhouse-Netze, die nur
betriebsintern angelegt sind (z.B. für Computer integrated manufacturing wie PPS, CAD, CAM, CAQ) und Netzdienste
(Service provider in Lizenz der Netzbetreiber wie Alice) mit Basis- und Mehrwertdiensten (VANS).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
23
Technischer Vertrieb
Business to business-Marketing
Bei investiven Dienstleistungen ist die Sachlage nicht ganz so eindeutig. Zunächst zeigt der Begriff einmal an,
dass Dienstleistungen eben keine gleichberechtigte dritte warentypologische Einteilung neben Investitions- und
Konsumtionsgütern darstellen, wie die Zuordnung zum tertiären Sektor nahelegt, sondern dass es sowohl Sachleistungen
als auch Dienstleistungen gibt, die konsumtiv, also im privaten Ge- und Verbrauch, als auch investiv, also im gewerblichen
Ge- und Verbrauch, eingesetzt werden.
Investive Dienstleistungen können selbstständige Dienste sein, also ohne Anbindung an ein Investitionsgut als
Primärdienstleistung, oder produktbegleitende Dienste, die auch Sekundärdienstleistungen oder Kundendienste
genannt werden. Daraus leitet sich der Begriff industrielle Kundendienste als solche investive Dienstleistungen ab,
die produktbegleitend erfolgen. Bei diesem Bündel aus Sach- und Dienstleistung kann jeweils der Sachleistungsanteil
überwiegen oder aber der Dienstleistungsanteil.
Der Sachleistungsanteil überwiegt für gewöhnlich bei kaufmännischen und technischen Kundendiensten, die vor, beim
oder nach dem Kauf stattfinden können, obligatorisch oder fakultativ, (direkt bzw. indirekt) berechnet, pauschaliert oder
gratis sind.
Der Dienstleistungsanteil überwiegt im Produktionsverbindungshandel (PVH) sowie bei spezialisierten Anbietern
investiver (Business to business-)Services.
REDEFINE YOUR FUTURE
GLOBAL RISK GRADUATE
PROGRAM 2013
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Visit www.axa.com/en/careers/
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
24
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3 Business to business-Märkte
Im Folgenden wird eine Einteilung in Rohstoffgeschäft, Systemgeschäft, Anlagengeschäft, Produktgeschäft, Energiegeschäft,
Immobiliengeschäft und Dienstleistungsgeschäft verfolgt.
3.1Rohstoffgeschäft
Rohstoffe sind Ausgangsstoffe für nachfolgende Verarbeitungsstufen und werden ohne weitere Umformungsprozesse
erstmals einer wirtschaftlichen Verwendung zugeführt. Sie verändern sich in der Produkten (davon zu unterscheiden ist
die Energie als Betriebsstoff). Der Markt der Rohstoffe umfasst Urprodukte und Einsatzstoffe.
3.1.1Urprodukte
Urprodukte sind Ausgangsstoffe für weitere Verarbeitungsstufen, werden aber keiner weiteren Bearbeitung unterzogen
außer derjenigen, die erforderlich zur Verfügbarmachung, zum Schutz, zur Lagerung, zum Transport ist und/oder bei denen
gewisse Manipulationen zur Erreichung der Marktfähigkeit vorgenommen werden, wie Zerkleinerung, Klassifizierung,
Konzentrierung etc.).
Dazu gehören im Einzelnen:
• Anbauwaren, die aus der Natur gewonnen werden (land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse),
• Abbauwaren als nicht regenerierbare Mineralien und fossile Träger sowie Energie.
Diese werden zumeist als Commodities (Handelsware, Rohstoff, Einsatzstoff) bezeichnet, die in einem solchen Ausmaß
standardisiert sind, dass die Produkte verschiedener Hersteller/Provenienzen zueinander weitgehend austauschbar sind.
Eine andere Unterteilung geht von Soft commodities, d.h. Rohstoffen, die nichtmetallisch sind, wie Getreide, Zucker,
Kakao etc., aber auch Mineralöl, Steine, Erden, und Hard commodities, die metallisch sind, aus (z.B. Stahl, NE-Metalle).
Für deren Börsenfähigkeit sind Fungibilität und Standardisierung der Kontrakte Voraussetzung. Als Soft commodities
werden davon abweichend allerdings oft auch Rohstoffe bezeichnet, die nichtbörsenfähig sind. Commodities lassen unter
Vermarktungsgesichtspunkten kaum Chancen zur Differenzierung. Rohstoffe werden häufig in Commodity agreements
gegen Preisschwankungen zu Lasten von Entwicklungsländern gesichert (Buffer stocks).
Wesentliche Kennzeichen von Urprodukten sind folgende:
• Die Geschäftstätigkeit ist standortgebunden nur dort möglich, wo Urprodukte gewonnen bzw. geerntet
werden können. Der Marktzugang ist also objektiv begrenzt. Sofern es sich um nicht regenierbare Rohstoffe
handelt, ist ein wesentliches Anliegen die Sicherung fortdauernder Rohstoffverfügbarkeit (z.B. durch
Abbaulimitationen) sowie die Recyclierbarkeit der verwerteten Rohstoffe zur Rückgewinnung.
• Die Waren sind starken Quantitäts- und Qualitätsschwankungen unterworfen, die aus den Unwägbarkeiten
natürlicher Bereitstellungsbedingungen folgen, also z.B. Witterung, Fundstätte.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
25
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
• Dennoch wird versucht, eine Homogenität der Urprodukte herzustellen, da ansonsten eine sinnvolle
Handelbarkeit nicht gegeben ist. Dies geschieht durch Klassifikationen (z.B. Güteklasse), denen Urprodukte
innerhalb definierter Toleranzgrenzen zugeordnet werden. Diese sind dann auf Marktveranstaltungen
(Warenbörsen als Effektiv- oder Termingeschäfte) unter bestimmten Voraussetzungen wie Fungibilität und
Standardisierung der Kontrakte handelbar.
• Die Märkte für Urprodukte werden infolge ihrer geringen Angebotselastizität, oftmals zu unrecht, als
wenig funktionsfähig angesehen, weshalb sie bewirtschaftet (z.B Agrarmarkt) oder besichert (z.B. durch
Termingeschäft) sind, wodurch deren Marktergebnisse aber nicht unbedingt besser werden.
• Es kommt immer wieder zu natürlichen Monopolen aufgrund gegebener, nicht beeinflussbarer
Betriebsbedingungen, die nicht wettbewerbsrechtlich, wohl aber sozialpolitisch angegriffen werden.
Ökonomisch ist der hohe Konzentrationsgrad nicht zu beanstanden. Oft steht dem sogar eine
Nachfragemacht entgegen.
• Das Aufkommen an Rohstoffen ist teilweise nur begrenzt lagerfähig, z.B. wegen Verderb, oder steuerbar, z.B.
durch Anlaufkosten. Zum Ausgleich werden häufig Rahmenverträge abgeschlossen, die einen hinlänglich
verstetigten Umsatz bedeuten und damit betriebliche Risiken begrenzen.
• Da überwiegend die Bestimmung zur Weiterverarbeitung gegeben ist, besteht eine hohe Abhängigkeit von
diesen Folgemärkten. Die Nachfrage ist dabei häufig international und sehr heterogen, weil ein und derselbe
Rohstoff zu sehr unterschiedlichen Verarbeitungszwecken eingesetzt werden kann (z.B. Mineralöl in der
Chemie oder als Treibstoff).
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Wirtschaftswissenschaftler
talanxieren jetzt ihren Karrierestart.
Profitieren Sie vom Wachstum der drittgrößten deutschen Versicherungsgruppe, die
auch in Europa sehr erfolgreich ist. Setzen Sie Maßstäbe für Ihre individuelle Entwicklung.
Mit einem Wort: Talanxieren Sie Ihren Karrierestart.
Hochschulabsolventen (m/w)
der Wirtschaftswissenschaften gesucht, die von Anfang an tatkräftig mitgestalten wollen.
Wir bieten Ihnen ein pulsierendes Umfeld, eine professionelle Unterstützung Ihrer Teamkollegen, ein gutes Arbeitsklima und spannende Aufgaben.
Wir setzen auf Ihre Begeisterung für konzeptionelle Arbeit: Übernehmen Sie Verantwortung!
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
karriere.talanx.de
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
26
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.1.2Einsatzstoffe
Bei den Einsatzstoffen unterscheidet man im Einzelnen:
• Hilfsstoffe, die als Nebenbestandteile in die Produktion eines Fertigprodukts eingehen, und Betriebsstoffe,
die zur Aufrechterhaltung der Leistungsprozesse dienen, aber nicht in das Produkt eingehen, als
ver- und bearbeitete Rohstoffe (Unterschied zu Commodities), die Ausgangspunkt und Basis weiterer
Produktionsprozesse sind. Sie werden in diesem Zusammenhang mehr oder minder starken Veränderungen
unterworfen (im Gegensatz zu Teilen) und mutieren über Halbfabrikate, die als Zwischenprodukte eine
weitere Be- oder Verarbeitung erfahren und dabei ihre Identität verlieren, zu Fertigfabrikaten. Ihre
Produktion erfolgt durch Wertstoffverarbeitung oder -rückgewinnung (Recycling), wie Säuren, Granulate,
Glas, Schnittholz, Papier, Rohtextilien etc.
• veredelte Rohstoffe als Spezialitäten. Dabei handelt es sich um Stoffe, die auf die spezifischen Bedürfnisse
einzelner Abnehmer oder eines Marktsegments ausgerichtet sind und einen hohen Differenzierungsgrad
aufweisen. Das Spezialitäten-Geschäft erfolgt mit z.B. speziellen Klebstoffen, Spezialstählen,
witterungsbeständigen Farben, umweltfreundlichen Schmiermitteln, Spezialbohrern, Spezialschrauben etc.
Daraus resultieren typischerweise zwei gegensätzliche Strategien, die Branchenmarkt-/Anpassungsstrategie
als optimal angepasste Verhaltensweise zur Erfüllung gegebener Ansprüche (passive Marktanpassung)
oder die Differenzierungs-/Emanzipationsstrategie zur proaktiven Entwicklung von Marktangeboten durch
Weckung von Bedürfnissen bzw. zur frühzeitigen Besetzung von Marktnischen (aktive Marktgestaltung).
Insgesamt ist eine heterogene Nachfragerschaft, oft mit zwischengeschaltetem Produktionsverbindungshandel, bei
niedrigem Verarbeitungsgrad und hoher Homogenität der Produkte gegeben.
3.2Systemgeschäft
3.2.1Merkmale
Das Systemgeschäft betrifft den Kauf mehrerer unterschiedlicher Leistungen bzw. den Kauf eines Leistungsangebots mit
dem Ziel deren/dessen gemeinsamer Nutzung mit anderen kompatiblen Teilleistungen als Systemkomponenten oder
Teilsysteme:
• Systemkomponenten sind Güter, die ohne das Zusammenwirken mit anderen Systembauteilen keine
sinnvolle Funktion erfüllen können (z.B. CD-Laufwerk),
• Teilsysteme hingegen können auch isoliert genutzt werden (z.B. Laptop).
Ein System ist damit ein durch die Verkaufsfähigkeit abgegrenztes, von einem oder mehreren Anbietern in einem
geschlossenen Angebot erstelltes Anlagen- bzw. Anlagen-Dienstleistungs-Bündel zur Befriedigung eines komplexen
Bedarfs. Das Vermarktungsobjekt steht in einem objektiv-technischen Bedarfsverbund zu anderen Vermarktungsobjekten,
woraus eine zeitraumbezogene Nachfrageverbundenheit resultiert. Bildet das Vermarktungsobjekt den Startpunkt, handelt
es sich um einen Initialkauf, während Folgekäufe dann vorliegen, wenn das Transaktionsobjekt auf der Nachfragerseite
in eine existierende Systemlandschaft integriert werden muss. Eine Lock in-Situation liegt immer dann vor, wenn ein
Entscheidungsträger erzwungen aufgrund spezifischer Investitionen (Sunk costs) und/oder eigenständig aufgrund
positiver Erfahrungen (Evoked set) durch seine jetzige Entscheidung in seinen zukünftigen Handlungsweisen mehr oder
minder stark festgelegt ist.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
27
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Das Systemgeschäft besteht typischerweise aus systematischen, sukzessiv getätigten investiven Erweiterungs- und
Ergänzungskäufen, im Unterschied zum Systems selling, bei dem das Hard- und Software-Paket einmalig gemeinsam
gekauft wird, also nicht in einem Zug, sondern im Zeitablauf auf Abruf oder nach eigenem Ermessen. Die Aufträge gehen
an einen Lieferanten (als Gesamtauftrag) oder werden aus den Angeboten mehrerer Lieferanten zusammengestellt (als
Elementenkauf). Wesentliche anbieterseitige Merkmale sind dabei:
• der Systembindungseffekt, d.h., bei systemindividuellen Spezifikationen legt der Initialkauf systemtreue
Folgekäufe fest. Die Bindung des Abnehmers an den Anbieter bzw. seine Systempartner impliziert erhebliche
Risiken.
• das Informationsdefizit, d.h., das Angebot zukünftig zu beschaffender Systemkomponenten ist
notwendigerweise zum Zeitpunkt des Initialkaufs unbekannt. Dies verursacht einen erheblichen
Informationsbedarf.
• die hohe Komplexität, d.h., die funktionsfähige Integration verschiedener Systemkomponenten (evtl.
von verschiedenen Herstellern) birgt technische Probleme. Systeme werden recht schnell kompliziert
und intransparent, daher ist Anbieterhilfe erstmalig und laufend erforderlich, dies erhöht den Umfang
begleitender Dienstleistungen.
• der Vertrauensgutcharakter, d.h., die Systembindung erfolgt auf Basis kompetenzerweckender Signale, die
von Anbietern gezielt auszusenden sind.
• die fragliche Wirtschaftlichkeit, d.h., den Vorteilen eines Systemwechsels sind die Kosten der Anschaffung
und die untergehenden Kosten des alten Systems entgegenstellen, die oft nur zu geringem Restwert zu
monetarisieren sind.
Nachfragerseitig werden demnach vorausgesetzt:
• Kompatibilität, d.h., nur solche Systemkomponenten kommen für die Beschaffung in Betracht, die zu
bestehenden verträglich sind (Steckerkompatibilität) oder verträglich gemacht werden können.
• eigenes Know-how, d.h., die Fähigkeit, professionell zu beurteilen, welche Systemkomponenten in
Kombination die individuell geforderte Leistung bestmöglich erbringen.
• bekannter Bedarf, da Systemkomponenten nur zur Lösung vertrauter Problemstellungen planvoll geeignet
sind.
• hohe Markttransparenz, d.h. ein Informationsstand, der nicht nur die erforderlichen Systemkomponenten
repräsentiert, sondern auch die jeweils dafür gegebenen Anbieterstärken und -schwächen.
• Risikofreude, d.h. die Bereitschaft, für die Nutzbarkeit von Leistungen die Gefahr von Fehlinvestitionen
einzugehen.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
28
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Abhilfe für eine hohe Risikowahrnehmung kann auf mehrerlei Weise geschehen. Generell hilfreich sind der Aufbau
und die Kommunikation von Kompetenz in Form eines bewussten Management der Geschäftsbeziehungen. Diese kann
sich als Methoden- (Wie-Element), Fach- (Was-Element) oder Sozialkompetenz (Wer-Element) ausdrücken. Sinnvoll
ist auch das Angebot kundengewünschter Systemkonfigurationen. Ein breites Feld bietet sich dabei für die Gestaltung
des Dienstleistungsumfangs. Zu denken ist an Turn key projects, Folgedienste (besonders geeignet zur Realisierung des
Kundenlebenszeitwertes), Cross selling oder Paketangebote (Bundling).
Durch die Entscheidung über die Art eines Systems wird somit eine Bindung zu einem bestimmten Anbieter hergestellt,
bei Erweiterungen oder Modernisierungen dieses Systems muss daher im Zweifel über einen längeren Zeitraum auf diesen
entsprechenden Anbieter zurückgegriffen werden. Dies ist vor allem ein Problem bei immer kürzeren, untereinander selbst
intern inkompatiblen Produktlebenszyklen. So verleiten die bereits getätigten Investitionen in ein System selbst angesichts
offensichtlich leistungsfähigerer anderer Systeme oft zur, betriebswirtschaftlich irrationalen, Aufrüstung des bestehenden
Systems, um die darin bereits investierten Geldmittel nicht untergehen zu lassen. Letztlich wird dabei meist nur gutes
Geld schlechtem hinterhergeworfen, denn die Abschreibung des bestehenden Systems und der anderweitige Einsatz der
Geldmittel für ein überlegenes, neues System führt rasch auf ein weitaus höheres technisches Niveau und alimentiert die
zusätzlichen Investitionen durch gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit.
Bei Systemgeschäften handelt es sich um einen speziellen Geschäftstyp, der durch marketingrelevante Besonderheiten
des Transaktionsprozesses zwischen Anbieter und Nachfrager gekennzeichnet ist. Diese beruhen auf Leistungen, die
durch ein spezifisches Schnittstellenkonzept, besser eine Systemarchitektur und -philosophie, miteinander verknüpft
sind. Erstkäufe führen so zu einer Festlegung, die den Käufer bei den Folgekäufen an die einmal gewählte Architektur
bindet (Unterschied zum Anlagengeschäft), z.B. TIME Industries, d.h. Telekommunikation, Informationstechnologie,
Medienbranche, Unterhaltungsbranche.
Es besteht also ein enger Verbund zwischen einer langfristig wirkenden Architekturentscheidung (Systemphilosophie) und
einer durch z.T. extrem kurzfristige Lebenszyklen gekennzeichneten Systemkomponenten-Beschaffung. Dies setzt freilich
voraus, dass das System, für das man sich entschieden hat, weiterentwickelt wird bzw. der Systemanbieter, für den man
sich entschieden hat, weiterhin erfolgreich am Markt agiert. Dies ist selbst bei großen Herstellern durchaus nicht immer
der Fall (z.B. Computersysteme von IBM).
Für die Zukunftssicherheit ist es daher bedeutsam, dass die Weiterentwicklung des Systems nicht nur möglich ist,
sondern auch tatsächlich realisiert wird, und zwar in einer Art und Weise, die dem jeweilig fortschreitenden Marktniveau
entspricht. Deshalb sind Systemgeschäfte Vertrauensgüter, bei denen in Ermangelung anderer Anhaltspunkte meist die
Anbieterreputation als Indikator für die Möglichkeit längerfristiger Geschäftsbeziehungen herhalten muss. Daher ist es
ein wesentliches Ziel der Anbieter, eine im Wahrnehmungsumfeld der Nachfrager verankerte bessere Beurteilung der
Zukunftssicherheit zu erreichen als Konkurrenzanbieter.
Je mehr vom Nachfrager bereits in ein bestehendes System investiert wurde, desto höher sind für ihn die Systemwechselkosten
(Entwertung/Sunk costs). Von großer Bedeutung ist für Nachfrager daher die externe Kompatibilität, d.h. die Möglichkeit
der Verbindung mit Teilsystemen anderer Lieferanten (Integralqualität), denn dadurch wird einerseits die Abhängigkeit
von einem Anbieter reduziert und andererseits eine größere Flexibilität im Systemdesign erreicht. Ein typisches Beispiel
ist die Betriebssystem-Ebene UNIX, welche die Integration unterschiedlicher Anwendungs-Software erlaubt.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
29
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Ist Kompatibilität hingegen nicht gegeben, bedeuten Anfangsinvestitionen eine Bindungswirkung für Folgegeschäfte,
die Systemarchitektur legt den Anwender damit langfristig bei der Erweiterung des Systems in der Auswahl der
Erweiterungsbausteine fest. Geschlossene (intern kompatible) Systeme haben, im Gegensatz dazu, daher keine
Architekturschnittstellen, insofern besteht eine hohe Erstentscheidungsbedeutung. Ein geschlossenes System ist jedoch
praktisch nur durch große Anbieter durchsetzbar, z.B. VHS/Matsushita, MS-DOS/Microsoft + IBM, bietet aber einen
extrem hohen Kundenwert für diese.
Der Systemträger versucht zudem, durch ein breites Produktprogramm sämtliche für die Systemrealisierung benötigten
Komponenten und Teilsysteme anzubieten (evtl. gemeinsam mit Komponentenlieferanten als Handelsware). Diese
Komponentenanbieter liefern bestimmte Teilleistungen, zumeist mit technologischer Schrittmacherfunktion, um ihre
Substituierbarkeit zu verringern. Der Integrator als Anbieter hat Problemlösungskompetenz, ist unabhängig (neutral) in
der Systemwahl und bietet die Software (nicht unbedingt IT-bezogen gemeint) zur Anwendbarkeit.
3.2.2Konfiguration
Man unterscheidet im Einzelnen zwei Formen von Systemen. (Horizontale) Erweiterungssysteme. Diese lassen sich in
zwei Unterformen unterteilen:
• Ein Stand alone-System ist ein erweiterungsfähiges System mit eindeutiger Schnittstellendefinition, das auch
unvernetzt genutzt werden kann (z.B. PC-Arbeitsplatz).
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Karriere. Hier ist die Chance.
Ohne Jungheinrich bliebe Ihr Einkaufswagen vermutlich leer. Und nicht nur der.
Täglich bewegen unsere Geräte Millionen von Waren in Logistikzentren auf der
ganzen Welt.
Unter den Flurförderzeugherstellern zählen wir zu den Top 3 weltweit, sind in über
30 Ländern mit Direktvertrieb vertreten – und sehr neugierig auf Ihre Bewerbung.
www.jungheinrich.de/karriere
Jungheinrich Aktiengesellschaft
Konzernzentrale Hamburg
Am Stadtrand 35 · 22047 Hamburg
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
30
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
• Ein Kritische Masse-System ist ein erweiterungsfähiges System mit eindeutiger Schnittstellendefinition, das
zu seiner sinnvollen Nutzung eine gewisse Mindestverbreitung gegenwärtiger oder zukünftig zu erwartender
Anwender braucht (z.B. Telefax, Bildtelefon). Solche Systeme entstehen meist aus dem Systemlieferanten,
der für die Systemarchitektur und Hardware/Software Sorge trägt, aus Komponentenlieferanten für Teile
wie Kabel, Stecker, Handys etc., aus einem Infrastruktur-Provider, der Leitungen zur Verfügung stellt (z.B.
Telekom), aus einem Systembetreiber, der Netzkapazitäten anmietet (z.B. D-Netze bei Mobilfunk), aus
Service providers, die Mehrwertdienste (Value added network services) im System anbieten sowie dem
Systemnutzer als Endkunden. VANS ergeben in Kombination mit einer Primärleistung ein Leistungsbündel,
das zumindest einzelnen Abnehmergruppen einen zusätzlichen Nutzen gegenüber anderen Angeboten
mit gleicher Primärleistung verspricht und damit dem einzelnen Anbieter eine positive Differenzierung
ermöglicht.
(Vertikale) Verkettungssysteme weisen eine Verkettung eigenständig konzipierter Teilkonzepte durch eine flexible
Systemarchitektur auf, welche die Integration unterschiedlicher, interaktiver Teilsysteme erlaubt, dadurch bestehen
unterschiedliche Schnittstellen. Es ist also keine einheitliche Architektur gegeben, sondern das System wird kundenindividuell
zusammengestellt. Ein Beispiel ist die auf Informationstechnik basierende Kombination von serien- und einzelgefertigten
Produkten, die über die Systemarchitektur in einen integrativen Nutzungsverbund treten:
• Computer-/Telekommunikationsausrüster (Net providers) stellen Netz-, Multimedia- und
Infrastrukturdienste und -endgeräte bereit und setzen Standards als Technologieführer (z.B. Set top box,
Videoserver),
• Telekommunikations-/Breitband-Netzbetreiber (Infrastructure providers) integrieren die
Infrastrukturkomponenten und schaffen dadurch Plattformen für multimediale Dienste mit
Übertragungskapazität, Rückkopplungshandling und hoher Anwendungsflexibilität bis zu Endkunden,
• Inhaltsanbieter (Content providers) stellen Materialpakete mit optimaler Zielgruppenorientierung für
multimediale Anwendungen bereit, wie Spielfilme, Teleshopping, Arcade games etc.,
• Diensteanbieter (Service providers) gestalten die Schnittstelle zu Endkunden über die Vermietung von Set
top boxes, Kundenadministration (Inkasso) über effiziente Datenbanksystem zur Kundenbindung etc.
Wichtige Vermarktungsziele sind der Aufbau von Kompetenz (Vertrauen) in die zukünftige Leistungsfähigkeit des
Anbieters, die Umsetzung von Kundenbindung, um von den systemtreuen Käufen tatsächlich auch zu profitieren und das
richtige Timing, um schnell den Markt zu durchdringen und das eigene System womöglich zum Standard zu erheben,
selbst wenn es das technisch unterlegene sein mag.
Entscheidend für Anbieter ist auch die Bestimmung des Systemumfangs:
• Dabei gibt es das enge Angebot von Teilsystemen oder Komponenten, also keiner kompletten
Systemarchitektur. Dies ist vor allem als Einstieg interessant und bei Spezialistentum (z.B. nur Monitore für
Computer).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
31
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
• Weiterhin gibt es die Systemträgerschaft, dazu ist das Full line-Angebot aller wesentlichen
Systemkomponenten erforderlich, eigenerstellt oder durch Zukauf.
• Und es gibt das Angebot als Integrationsdienstleister, d.h. Service zur erstmaligen Schaffung bzw. laufenden
Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft von Systemen.
Entscheidend ist weiterhin die Schnittstellengestaltung (Interface). Schnittstellen sind die Übergangspunkte zwischen
den Teilsystemen/Komponenten eines Systems. Bei einem offenen System sind die Komponenten verschiedener Anbieter
frei nach dem Wunsch des Abnehmers miteinander kombinierbar. Dies setzt standardisierte Schnittstellen voraus. Bei
einem geschlossenen (proprietären) System hingegen sind nur die Komponenten eines einzigen Anbieters miteinander
kombinierbar. Folgekäufe haben daher anbietertreu zu geschehen. Die Standardisierung von Schnittstellen fördert die
Marktdurchdringung des Systems, züchtet aber zugleich auch Wettbewerb. Dies ist vor allem für Verkettungssysteme
relevant. Die Individualisierung von Schnittstellen wirkt zwar als Markteintrittsbarriere für Konkurrenten, behindert
jedoch die rasche Diffusion des Systems. Dabei können Kritische Masse-Systeme unterhalb ihrer Mindestverbreitung
bleiben und floppen (z.B. Beta-Videosystem/Sony).
Entscheidend ist schließlich auch die Breite und Tiefe des begleitenden Dienstleistungsangebots. Ziel ist die störungsarme
Systemimplementierung, dadurch der Abbau von Marktwiderständen und die Induzierung von positiven Multiplikationen
über zufriedene Entscheider. Dazu sind technische, soziale, organisationale, absatzmäßige und finanzielle Hilfestellungen
erforderlich. Dazu gehört auch die Integration der Abnehmer in den Systementwicklungs- bzw. -weiterentwicklungsprozess,
z.B. als Händlerbeirat. Lead user zeichnen sich durch Bedürfnisse aus, die beispielhaft für zukünftige Markttrends sind.
Damit sind sie prädestiniert zur Produktivitätssteigerung bei Neuproduktentwicklungen, zur Kundenwunschentsprechung,
zur Marktdatenbeschaffung und als Prototypen-Tester (Beta-Version). Davor sind noch Systemanalysen erforderlich,
betreffend Problemformulierung, Systemlayout, betriebsindividuelle Anpassung, Komplementärprodukte, Projektleistung,
Organisationsberatung, Personalentwicklung, Wartung etc.
3.2.3Spezifikation
Die Spezifikation ist allgemein das Ergebnis eines Prozesses, an dessen Ende bestimmte Produktmerkmale allgemein
akzeptiert werden. Sie ist der Oberbegriff für die Unterbegriffe. Eine Norm ist eine durch rechtlich fixierte
Vereinbarung (Gesetzgeber) bzw. von einer normberechtigten, national oder international anerkannten Institution
definierte Spezifikation als neutraler Standard. Eine Norm ist eine technische Beschreibung oder ein anderes
Dokument über die Beschaffenheit von Einzelwaren bzw. Einzelleistungen, das für jedermann zugänglich ist und
unter Mitarbeit und im Einvernehmen oder mit allgemeiner Zustimmung aller interessierten Kreise erstellt wurde.
Sie beruht auf abgestimmten Ergebnissen aus Wissenschaft, Technik und Praxis und strebt einen größtmöglichen
Nutzen für die Allgemeinheit an. Die wichtigste internationale Normungsinstitution ist die ISO (International
Organization for Standardization). Ziel ist die Entwicklung von Normen zur Erleichterung des internationalen
Waren- und Diensteaustauschs. Die Arbeitsergebnisse werden in Leitfäden veröffentlicht und teilweise für Europa
(EN/Europäische Norm) und Deutschland (Deutsche Industrie Norm) übernommen. Am Bekanntesten sind
sicherlich die Normen 9000 ff. (Qualitätsmanagement). Das Normungsverfahren durchläuft in Deutschland folgende
Stadien:
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
32
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
• Normungsantrag, Veröffentlichung des Normvorhabens, Erarbeitung eines Normentwurfs durch
Arbeitsausschüsse, Veröffentlichung als Normentwurf, ohne Einspruch innerhalb von vier Monaten
Veröffentlichung als DIN-Norm, mit Einspruch erneute Beratung unter Beteiligung des Einsprechenden, bei
Ablehnung des Einspruchs Veröffentlichung als (evtl. veränderte) DIN-Norm, ansonsten Schlichtungs- oder
Schiedsverfahren zur Einigung.
Im Einzelnen unterscheidet man verschiedene Arten von Normen, so:
• Verständigungsnormen über Terminologie, Zeichen und Systeme,
• Sortierungsnormen für die Einteilung von Größen und Qualitäten in Sorten/Klassen,
• Typnormen für die Stufung bestimmter Produkte nach deren Art/Form/Größe,
• Planungsnormen für Baugrundsätze bei Entwurf, Berechnung, Ausführung, Betrieb,
• Konstruktionsnormen für die Gestaltung bestimmter Produktarten
• Abmessungsnormen für Ausmaße und Toleranzen,
• Stoffnormen für technische, physikalische und chemische Eigenschaften von Produkten,
• Gütenormen für qualitative Eigenschaften,
• Verfahrensnormen für Herstellung und Behandlung von Erzeugnissen,
• Prüfnormen für Materialien/Produkte hinsichtlich Methoden und Bedingungen der Prüfung,
• Liefernormen (Lieferungsbedingungen),
• Sicherheitsnormen hinsichtlich einzuhaltender Schutzvorschriften.
Ein Typ ist eine hersteller- bzw. anwenderorientierte Spezifikation für Fertigerzeugnisse. Ein Typ ist eine von einem
Hersteller erarbeitete Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Komponenten des Herstellers selbst oder zur Außenwelt
hin. Komponenten anderer Hersteller können zu diesem Typ, zumindest in Bezug auf die wichtigsten Funktionen,
kompatibel ausgelegt sein, sodass sie problemlos angeschlossen werden können (Plug compatible manufacturers/PCM)
oder zu diesem identisch sein, sodass sie anstelle des Originalprodukts innerhalb einer Konfiguration eingesetzt werden
können (Clones). Normen- und Typenkartelle sind wegen des gesamtwirtschaftlichen Nutzens denn auch vom generellen
Kartellverbot des GWB ausgenommen.
Ein Standard ist eine von einer Vielzahl oder von allen Marktteilnehmern akzeptierte Spezifikation, die ein Anbieter
mit Marktgeltung dafür erreicht hat oder an die er sich anpasst (De facto-Standard). Es handelt sich um einen externen
Standard, im Unterschied zu innerbetrieblichen, internen Standards. Um die Diffusion zu erhöhen, kann ein Anbieter
freizügig Lizenzen, welche die technischen Bedingungen des Standards offenlegen, vergeben (z.B. Java). Ein Standard
ist also eine innerhalb einer Branche übliche Norm, die für gewöhnlich von der Typung eines dominanten Herstellers
ausgegangen ist, ohne dass dem eine ausdrückliche Vereinbarung zugrunde liegt. Wegen des raschen technischen
Fortschritts ist ein Produkt zum Zeitpunkt der faktischen Standardisierung allerdings meist technisch bereits überholt.
Insofern ist im Entscheidungszeitpunkt durchaus ungewiss, welcher Standard sich zur Norm erheben wird. Dennoch
verbessern Standards den Informationsstand und reduzieren das Risiko für Nachfrager.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
33
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.3Anlagengeschäft
3.3.1Phasenmerkmale
Eine Anlage ist ein Leistungsangebot, das ein durch die Vermarktungsfähigkeit abgegrenztes, von einem oder mehreren
Anbietern in einem geschlossenen Angebot erstelltes, kundenindividuelles Hardware- oder Hardware-Software-Bündel
zur Fertigung weiterer Güter darstellt. Es wird meist in Einzel- oder Kleinserienfertigung hergestellt und überwiegend
erst beim Abnehmer montiert (z.B. Kraftwerk). Im Anlagengeschäft werden demnach komplexe Projekte vermarktet. Die
jeweilige Spezifikation der zu erstellenden Anlage wird zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegt. Die Kaufentscheidung
fällt projektspezifisch, die Realisierung erstreckt sich dann meist über einen längeren Zeitraum. Das Projekt ist damit in
der Regel abgeschlossen, es findet keine Leistungsvernetzung durch systematische Erweiterungs- und Ergänzungskäufe
statt.
Merkmale des Anlagengeschäfts sind im Einzelnen zumeist folgende:
• Auftragsfertigung, d.h., Art und Umfang der Leistungsmerkmale werden erst im Akquisitionsprozess
kundenindividuell festgelegt. Damit erfolgt die Vermarktung bereits vor der Herstellung, es werden also
eigentlich Leistungsversprechen angeboten. Dafür erfolgt die Anlagenausführung dann „tailormade“.
• Wertdimension des Einzelauftrags, d.h., Anlagen repräsentieren absolut oder relativ zum Geschäftsvolumen
des Auftraggebers einen hohen Wert und implizieren damit auch ein hohes Risiko, insofern ist ein
eigenständiges Vertragsmanagement erforderlich. Von daher spielen Referenzen und Garantien eine große
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
www.olb.de
Rolle (Erfahrungsgutcharakter).
Ein Baustein Ihrer Karriere: die OLB.
Sie haben ein berufliches Ziel – wir haben die Herausforderung.
Sie studieren erfolgreich an Ihrer Hochschule?
Sie sind engagiert und zielorientiert? Sie sind kontaktfreudig und teamfähig? Sie möchten Praxisluft in einem erfolgreichen Unternehmen
schnuppern? Dann sollten wir uns kennenlernen. Bewerben Sie sich für ein Praktikum in allen Bereichen des Bankgeschäfts.
Sie sind dabei, Ihr Studium erfolgreich abzuschließen?
Sie sind qualifiziert, sich in einem erfolgreichen Unternehmen aktiv einzubringen? Dann bewerben Sie sich für das Trainee-Programm
der OLB.
Weitere Informationen erhalten Sie im Internet unter www.olb.de.
Oldenburgische Landesbank AG, Personal, Bahnhofstr. 7, 26122 Oldenburg oder [email protected]
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
34
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
• Internationalität, d.h., durch eine überschaubare Anzahl von Anbietern und Nachfragern sind
ländergrenzenüberschreitende Leistungserstellungen die Regel, dies impliziert eine internationale
Ausrichtung des Marketing.
• Diskontinuität des Auftragseingangs, d.h., durch lange Nutzungszyklen und wenige Abnehmer schwanken
die Auftragseingänge stark, was zu Kapazitätsauslastungsproblemen führt. Es werden jeweils Einzelaufträge
akquiriert, die diskontinuierlich eingehen, dann aber über lange Zeit Beschäftigung sichern.
• Kooperative Anbieterorganisation, d.h., es sind zumeist keine Einzelanbieter, sondern
Anbietergemeinschaften tätig, einerseits, weil die Kapazität eines einzelnen Anbieters nicht zur
Leistungserstellung ausreicht, andererseits, weil Leistungsbündel die Zusammenarbeit verschiedener
Spezialisten erfordern.
• Langfristigkeit. Es liegen häufig lange Zeiträume zwischen Angebotsabgabe, Auftragsvergabe und
Projektabschluss. Dies bezieht sich sowohl auf die Erstellung wie auch die Nutzung.
• Auftragsfinanzierung. Wegen des hohen Auftragswerts kommt der Absatzfinanzierung (Financial
engineering) hohe Bedeutung zu, z.B. ist regelmäßig eine Exportfinanzierung erforderlich.
• Dienstleistungsanteil. Die Komplexität von Anlagen erfordert oft produktbegleitende Services wie etwa
Personalschulung und kontinuierliche Wartung durch den Ersteller.
• Veränderungen des Auftrags während der Abwicklung. So zwingen Erkenntnisse, die erst im Verlauf
der Realisierung gesammelt werden, zur Anpassung der Ausführung an diese neuen Anforderungen im
Lieferumfang und im Auftragsinhalt.
• Know-how-Gefälle zwischen Lieferant und Abnehmer. Dieses wird auf Nachfragerseite oftmals durch
Berater (Ingenieurfirmen) ausgeglichen.
Das Anlagengeschäft betrifft damit die „typischen“ Investitionsgüter. Empfehlenswert ist für die Erfassung des
Anlagengeschäfts generell ein phasenspezifisches Vorgehen.
3.3.2Voranfrage
In der Voranfragephase sind zwei Verhaltensstrategien, Aktivität oder Passivität, möglich. Passivität bedeutet, dass
nicht aktiv akquiriert wird, vielmehr werden eingehende Anfragen nur entgegengenommen. Dies wird durch die
vergleichsweise hohe Markttransparenz ermöglicht, es gibt wenige Anbieter und wenige Nachfrager, d.h., man wird
angefragt. Allerdings entsteht ein Bindungseffekt durch fortschreitende Festlegung von Entscheidungsalternativen mit
Mitbewerbern im Zeitablauf, d.h. andere Anbieter haben möglicherweise einen Angebotsvorteil allein aus der Tatsache,
dass sie früher mit dem potenziellen Abnehmer interagiert haben. Daher ist eine möglichst frühe Einschaltung zur
Akquisition sinnvoll.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
35
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Aktivität bedeutet daher, dass aktiv akquiriert wird. Dazu wird meist gezielte Kommunikationspolitik zur Stimulierung
des Bedarfs eingesetzt, d.h., ein Signaling, dass man als Anbieter zu einer bestimmten Problemlösung fähig ist und auch
willens, diese Problemlösung mit dem potenziellen Abnehmer zu finden.
Häufig wird im öffentlichen Einkauf das formalisierte Verfahren der Ausschreibung als Auftragsvergabe gewählt,
bei der entweder ein begrenzter Kreis von Anbietern (beschränkte Ausschreibung) oder die Gesamtheit am Markt
auftretender Anbieter (offene Ausschreibung) öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert wird. Grundlage ist dabei ein
detailliertes Leistungsverzeichnis ohne Nachverhandlungsmöglichkeit. Oft wird neben dem offiziellen Angebot nach
vorgegebenen Spezifikationen ein zweites Parallelangebot mit veränderter Technologie abgegeben, das den abweichenden
Empfehlungen des Anbieters entspricht. Im Unterschied dazu ist die freihändige Auftragsvergabe durch einen geringen
Formalisierungsgrad gekennzeichnet. Meist werden drei Angebote eingeholt (Triple pitch), und das günstigste daraus,
nicht unbedingt das billigste, erhält den Zuschlag.
Auf Wunsch von Nachfragern ist eine finanzielle Sicherheit (Bietungsgarantie) zu hinterlegen, die Gewähr dafür bieten soll,
dass ein Bieter sein Angebot nicht nach Erhalt des Zuschlags wieder zurückzieht. Eine weitere Sicherungsvorkehrung ist
der positive Gewährleistungsnachweis, durch den der Lieferant sicherstellt, dass seine angebotene Anlage die vertraglich
vereinbarte Leistung tatsächlich zu erbringen imstande ist. Eine weitere Vorbedingung, um als Anbieter in die engere
Wahl zu gelangen, ist oftmals die Erfüllung des Nachweises über die grundsätzliche Leistungsfähigkeit als Präqualifikation
(Referenz). Sie bezieht sich auf erfolgreich abgewickelte, vergleichbare Projekte des Anbieters und bietet damit eine
wünschenswerte Risikoreduktion. Schließlich wird durch die Anfrage gelegentlich auch erst eine grob strukturierte,
technisch-ökonomische Vorstudie (Scope of work) zur Problemlösung initiiert (Engineering).
Die Anfrage soll eine möglichst genaue Beschreibung der Art der geplanten Anlage bzw. des zu lösenden Problems incl. der
anzuwendenden Standards bieten. Dazu gehören möglichst konkrete Angaben über die gewünschte Kapazitätsauslegung
und die erwarteten Durchsatzmengen einer Anlage, Hinweise auf den geplanten Rohstoffeinsatz sowie das verfügbare
Personal, außerdem Aussagen über absatzmarktbestimmte Anforderungen an die mit der Anlage zu erzeugenden Produkte
insb. hinsichtlich ihrer Qualität, Angaben über Integrationsmöglichkeiten bzw. -notwendigkeiten mit anderen Anlagen des
Betreibers, Vorstellungen über gegebene Restriktionen (z.B. bedingt durch Standort, Klima, Umweltauflagen, staatliche
Vorschriften), dann Lieferzeitvorstellungen, Garantiewünsche incl. Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung, weiterhin
Bedingungen des Nachfragers bzgl. der Übernahme und Heranziehung von Eigenleistungen seinerseits bei der Erstellung,
aber auch beim Betrieb der Anlage, gleiches gilt für Leistungen Dritter, Finanzierungsmöglichkeiten bzw. -grenzen und
allgemeine Geschäftsbedingungen.
3.3.3Angebotserstellung
In der Angebotserstellungsphase werden bei der Anfragenanalyse/-selektion zumeist Punktbewertungsmodelle eingesetzt.
Allerdings ist eine Bewertung schwierig, weil in dieser Phase aufgrund mangelnder Kompetenz der Abnehmer nur relativ
vage Vorstellungen über die erforderliche Leistungserstellung bestehen und die Risiken einer langfristigen, aufwendigen
Zusammenarbeit zu diesem Zeitpunkt nur schwer abschätzbar sind.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
36
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Dennoch geht es um das frühzeitige Erkennen von Projektrisiken. Sofern, was die Regel ist, eine Anlage von einem Anbieter
nicht komplett selbst erstellt werden kann, stellt sich die Frage der Wahl einer Anbietergemeinschaft, und zwar die Wahl der
Partner betreffend, z.B. nach technischer Leistungsfähigkeit, Landesherkunft, Erfahrungen, oder die Wahl der Rechtsform
betreffend. Beim Konsortium schließen sich mehrere Unternehmen zusammen, um gemeinsam die Kapazitäten für die
Bewältigung eines Großauftrags bereitzustellen, der für jedes von ihnen allein nicht realisierbar oder nicht opportun ist.
Es handelt sich demnach um eine spezielle Form der Werkgemeinschaft (Arbeitsgemeinschaft) mit begrenzter Anzahl
rechtlich und wirtschaftlich selbstständiger Konsortialpartner mit gleichen (vertikal) oder zumindest komplementären
Arbeitsgebieten (horizontal), die objektbezogen und/oder zeitlich begrenzt miteinander kooperieren. Beim offenen
Konsortium treten die Konsorten gemeinsam gegenüber Kunden auf, z.B. als Gemeinschaft bürgerlichen Rechts/GbR,
oft mit einem Konsortialführer (Pilot contractor). Jeder der Konsorten haftet gesamtschuldnerisch nach außen. Im
Innenverhältnis haftet jeder jedoch nur für seinen Leistungsanteil. Das stille Konsortium ist eine Anbietergemeinschaft
mit eigenem Gesamthandvermögen als Generalunternehmerschaft. Dabei fungiert ein Unternehmen als Koordinator für
ein Projektteam selbstständiger Spezialisten. Der Abnehmer hat damit nur einen Ansprechpartner, und dieser versorgt
sich seinerseits mit dem jeweils erforderlichen Know-how. Nur der Generalunternehmer hat Vertragsbeziehungen zum
Kunden. Er kontrahiert die Gesamtleistung einer Anbietergemeinschaft mit dem Kunden. Zwischen den Unterlieferanten
(Sub contractors) und dem Kunden bestehen dann keine Vertragsverhältnisse. Der Generalunternehmer haftet allein
gegenüber dem Kunden (Außenverhältnis), im Innenverhältnis kommt es für die Haftung auf die Vertragsgestaltung an.
Dies ist nicht ganz unproblematisch, weil etwa bei langlaufenden Projekten die Garantiezeit eines Unterlieferanten bereits
abgelaufen sein kann, bevor der Mangel bei Inbetriebnahme der gesamten Anlage erkennbar wird.
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Growth from Knowledge
Wir suchen hellwache Köpfe.
Bewerben Sie sich jetzt.
Expresso!
Sie wollen in einem der
führenden Marktforschungsunternehmen weltweit
denken?
Wollen über sich hinaus
wachsen? Viel bewegen?
Sie wollen es wissen?
Dann bewerben Sie sich bitte.
Wir freuen uns auf Sie.
GfK SE
Human Resources Management
Nordwestring 101
90419 Nürnberg
Telefon 0911-395 34 20
www.gfk.com/group/careers
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
37
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Anbietergemeinschaften sind meist erforderlich oder sinnvoll, weil
• ein Auftrag für einen Anbieter allein kapazitätsmäßig zu groß ist, eine Risikoteilung angestrebt wird, Local
content-Anteile vom Abnehmer vorgeschrieben sind, vom Auftraggeber Koalitionspartner vorgegeben
werden, Gewerbliche Schutzrechte beachtet werden müssen, nur Teil-Know-how zur Anlagenerstellung
zur Verfügung steht, Partner in Billiglohnländern die Durchschnittskosten drücken oder die Zahl der
Mitbewerber dadurch verringert werden kann.
Kernpunkt des Angebots ist die preispolitische Entscheidung hinsichtlich Preishöhe und Preisfeinsteuerung. Die
Bestimmung des Angebotspreises bei Einzelprojektierung ist generell wegen des Individualcharakters des Projekts
problematisch und erfolgt regelmäßig noch kostenorientiert. Häufig werden dabei Ansätze wie Kilokosten auf Basis
von Erfahrungswerten, Einflussgrößenkalkulation nach multipler Regressionsrechnung oder Grobprojektierungen als
Schätzung der Kostenkomponenten angewendet.
Außerdem sind sowohl eine Preissicherung wegen des langen Zeitraums zwischen Anbahnung und Abschluss des Projekts
(z.B. durch Festpreis, Preisvorbehalt, Preisgleitklausel) als auch eine Zahlungssicherung über die Vertragslaufzeit (Festpreis,
Gleitpreis nach Preisindexierung, Preisvorbehalt bei Ausgangsdatenveränderung) erforderlich.
Oft erfolgen auch Submissionen, vor allem bei staatlichen Institutionen und anderen juristischen Personen als Auftraggeber.
Diese erfordern klar definierte Qualitäten und Quantitäten, so dass der Preis bei normierter, vergleichbarer Leistung zum
entscheidenden Auswahlkriterium wird.
Unter Financial engineering versteht man die Planung und Ausarbeitung von maßgeschneiderten Finanzierungskonzepten
durch Erschließung und Kombination aller zweckadäquaten Finanzierungsalternativen als Grundvoraussetzung für die
Durchführung komplexer Anlagenprojekte. Dadurch kann bei zunehmender sachlicher Austauschbarkeit von Angeboten
noch ein komparativer Konkurrenzvorteil erlangt werden. Zugleich werden damit aus ehedem reinen Sachleistungsgeschäften
kombinierte Sach- und Dienstleistungsgeschäfte. Oftmals erhalten Anbieter den Vorzug oder auch nur dann den Zuschlag,
wenn sie zugleich ein Finanzierungskonzept vorlegen können. Nicht selten verlangt der Nachfrager, vor allem, wenn es
sich um einen öffentlichen Auftrag handelt, auch die Errichtung lokaler Infrastrukturmaßnahmen. Üblich sind zudem
An- und Zwischenzahlungen je nach Projekt-Fortschritt (z.B. Drittelung) sowie durchaus auch Zahlungsziele von bis zu
zehn Jahren. Im internationalen Geschäft kommt noch das Erfordernis einer Exportkreditversicherung hinzu.
Neuerdings werden hierfür verstärkt computergestützte Angebotssysteme mit den Zielen der Abgabe korrekter und
treffender Angebote, des aktuellen Informationsstands für alle Mitarbeiter, der sicheren Beurteilung des Kunden und seines
Bedarfs, der zielgenauen Nutzung der eigenen Vertriebskapazität, der Abstimmung zwischen Vertrieb und Produktion sowie
des Know-how-Transfers eingesetzt. Dazu sind folgende Elemente erforderlich: eine Kundendatenbank, ein elektronischer
Produktkatalog, eine Know-how-Datenbank, eine Zeichnungsdatenbank, eine rechnergeführte Bedarfserhebung sowie
ein Konfigurator („Angebots-Baukasten“) für Kalkulation, Preisfindung, Finanzberatung, Folgekostenabschätzung,
Zuordnung von Informationen, Angebotsausdruck und Angebotsverfolgung.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
38
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.3.4Kundenverhandlung
In der Kundenverhandlungsphase erfolgt meist eine technische Leistungsmodifikation, dazu liegen zahlreiche
Interaktionsstudien der Verhandlungsforschung vor. Der Korrespondenzhypothese zufolge sind analoge Erwartungen
und Einstellungen in Bezug auf den Verhandlungsrahmen, z.B. organisatorische Stellung des Verhandlungsteams, und den
Verhandlungsinhalt förderlich. Demnach laufen Interaktionen eher erfolgreich ab, wenn korrespondierende Funktions-,
Hierarchie- und Entscheidungsstrukturen, ähnliches Anspruchsniveau und Interaktionsmuster („Chemie“) bestehen.
Dabei kann dann nur mit einem Anbieter oder mit mehreren Anbietern verhandelt werden.
Vorläufiges Ergebnis der Verhandlungen ist oft ein Letter of intend als Absichtserklärung des Anlagenabnehmers, den
Auftrag zur Erstellung an den Adressaten zu vergeben, ohne dass daraus aber bereits formaljuristische Ansprüche des
Anbieters erwachsen. Es handelt sich vielmehr eher um eine moralische Verpflichtung.
Oftmals spielen bei den Verhandlungen Fragen der Generalunternehmerschaft eine zentrale Rolle. Diese zu übernehmen,
ist für einen Anbieter nicht ungefährlich, denn es gibt vielfältige Probleme. So stößt er auf Schwierigkeiten, die durch
Lieferverzug eines einzelnen Sublieferanten entstehenden Folgen für das Gesamtprojekt dem Verursacher voll aufzubürden.
Besondere Probleme entstehen beim zufälligen Untergang eines bereits vom Unterlieferanten erstellten Anlagenelements vor
Gefahrenübergang an den Kunden. Die Gewährleistungsfrist für Teilleistungen kann infolge langlaufender Projekte bereits
abgelaufen sein, bevor die entsprechenden Fristen für die Gesamtanlage überhaupt beginnen. Probleme entstehen auch
aus der Abstimmung der Zahlungen von Seiten des Anbieters mit denen des Generalunternehmers an die Sublieferanten
(Delkrederehaftung des Generalunternehmers). Die Abgrenzung und Zurechnung der Garantieverpflichtungen und
Pönale machen oft Schwierigkeiten. Werden vom Sublieferanten bei der Erstellung seiner Teilleistungen Schäden am
Gesamtprojekt bewirkt, so haftet grundsätzlich zunächst der Generalunternehmer dem Kunden. Die Möglichkeit
des Regresses beim Schadensverursacher ist oft durch die Unverhältnismäßigkeit von Schaden und Lieferung bzw.
Finanzkraft des Sublieferanten kaum durchsetzbar. Auf jeden Fall kommen für den Generalunternehmer zusätzliche
finanzielle Belastungen hinzu, die in Bankgarantien, Bevorschussungen von Transportkosten, Zollauslagen, Erstattung
von Hafengebühren etc. bestehen. Die Durchführung der Generalunternehmerschaft setzt ein Projektmanagement voraus,
das hochqualifizierte Kräfte bindet und Kapazitäts- wie Rentabilitätsprobleme aufwirft.
Daher empfehlen sich Vereinbarungen über Schiedsgerichtsentscheidungen und andere Konfliktlösungsmechanismen.
Zwar kann eine verbindliche Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten nur von staatlichen Gerichten getroffen werden.
Ausnahmsweise kann jedoch auch durch formlose Abrede bzw. Handelsbrauch vorgesehen werden, an die Stelle der
Gerichte private Schiedsrichter zu setzen. Dabei unterwerfen sich die Streitparteien durch freie Vereinbarung dem
Spruch eines oder mehrerer Schiedsrichter. Eine wirksame Schiedsgerichtsabrede begründet, wenn ein Beteiligter
dennoch ein ordentliches Gericht anruft, eine Einrede, die zur Abweisung der Klage als unzulässig führt. Schiedsgerichte
fällen Schiedssprüche, die bei Verletzung bestimmter Grundsätze eines ordnungsgemäßen Verfahrens von einem
ordentlichen Gericht aufgehoben, ansonsten aber für vollstreckbar erklärt werden können. Zusätzlich werden in einem
Schiedsrichtervertrag die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern geregelt. Erst wenn sich
die unterlegene Partei dem Schiedsspruch entzieht, kann eine Klärung durch ein ordentliches Gericht eingeleitet werden.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
39
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.3.5 Abwicklung und Gewährleistung
Die Abwicklungs- und Gewährleistungsphase betrifft die Durchführung als Erledigung des Auftrags, dazu gehören
die Auftragserstellung, -übermittlung und -erteilung, dann Informationen zu Liefermodalitäten, Kundenbonität,
Bestandsdisposition, Produktionsplanung, Versandpapiere, Kommissionierung, Transportmittelwahl und Fakturierung.
Von einer vorgabegerechten und reibungslosen Abwicklung können beachtliche akquisitorische Wirkungen ausgehen,
indirekt auch über Lieferservice, kurze Lieferzeiten und hohe Liefergenauigkeit. Abgewickelte Projekte sind immer wichtige
Referenzanlagen für nachfolgende Aufträge anderer Nachfrager, daher ist Kulanz bei Abnahme bzw. Gewährleistung
angezeigt, damit man sich positive Multiplikatoren erhält. Das ist auch für den Abnehmer interessant, weil er gewiss sein
kann, dass der Anbieter sein Bestes gibt. Allerdings wirken Referenzen oft auch als Markteintrittsbarrieren, d.h., weil
für einen Anbieter keine Referenz vorliegt, kann von ihm kein Anlagenprojekt abgewickelt werden, weshalb es auch in
Zukunft an einer Referenz fehlt. Eine Referenz ist wegen des hohen Risikos hilfreich und daher meist als Präqualifikation
erforderlich. Sie kann sich auf das gesamte System zur Abwicklung komplexer Großprojekte (Anlagenreferenz), einzelne
Anlagenteile (Komponentenreferenz), Kenntnisse und Fertigkeiten (Know-how-Referenz) oder eine gegebene Koalition
(Anbietergemeinschaftsreferenz) beziehen. Für die Errichtung einer technologisch neuartigen Anlage werden dem
Besteller oft vergünstigte Konditionen mit der Auflage eingeräumt, dass die Anlage für eine gewisse Zeit dem Hersteller zu
Demonstrationszwecken zur Verfügung steht (ähnlich Musterhaus). Auf diese Anlagen wird dann nach ihrer Fertigstellung
und/oder nach ihrem Verkauf bei absatz- und/oder beschaffungspolitischen Entscheidungen innerhalb mindestens eines
weiteren Kauf-/Verkaufsprozesses Bezug genommen. Ansonsten geht es im Nachkaufmarketing wie immer um die
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Reduktion unvermeidlich auftretender Dissonanzen.
hi
&
>]g6chegjX]/VcYZgHe^ioZ
ojhiZ]Zc#JchZg6c\ZWdi/
6ahKdghiVcYhVhh^hiZcib$l
^c+W^h-?V]gZc^chHZc^dg
BVcV\ZbZciZ^cZhLZai"
`dcoZgch#
lll#eZgheZ`i^kZc#Vaa^Vco#YZ
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
40
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Häufig werden eine technische Beratung bei der Entwicklungsplanung von industriellen Projekten, die Ausarbeitung
technischer Gutachten, die Projektierung und Errichtung von Anlagen sowie technische Schulungen und
Industriegüterlieferungen abgeschlossen. In Form eines Beratungsvertrags geht es dabei um die Zurverfügungstellung
entsprechenden Fachwissens für Abnehmer, die konzerninterne Übermittlung von Wissen zwischen Mutter- und
Tochtergesellschaften erfolgt in Form von Regieverträgen häufig im Außenhandel.
3.4Produktgeschäft
Das Produktgeschäft umfasst alle Gebrauchsgüter und damit verknüpften Dienste, die von Unternehmen/Organisationen
für Zwecke der Fremdbedarfsdeckung beschafft und eingesetzt werden, sofern sie nicht Anlagen- und nicht Systemgüter
sind. Ein Produkt ist eine im Hinblick auf eine erwartete Bedürfnisbefriedigung bei bekannten oder unbekannten
Verwendern von einem Anbieter gebündelte Menge von Eigenschaften, die zum Gegenstand einer Transaktion werden soll,
um durch die im Tausch erlangte Gegenleistung zur Erfüllung der Anbieterziele beizutragen. Typisch ist die Produktion
für einen anonymen Markt, also Sorten-, Serien- oder Massenfertigung, auf jeden Fall in größeren Stückzahlen vorgefertigt
und über einen längeren Zeitraum hinweg zum isolierten Einsatz. Abnehmer sind investive Verwender, daher erfolgt die
Gestaltung im Produktgeschäft teilweise in Abstimmung mit diesen und in längerfristigen Rahmenverträgen eingebunden.
Kooperationen mit anderen Anbietern sind selten anzutreffen. Die konjunkturellen Amplituden sind gemäßigt. Der Absatz
erfolgt zumeist über den Produktionsverbindungshandel.
Kaufentscheidung und Produktverwendung liegen zeitlich eng beieinander. Beim Kauf standardisierter Produkte liegt nur
eine kurze Zeitspanne zwischen dem Bestellvorgang und dem Einsatz des Produkts (Lieferung ab Lager). Erfahrungen mit
dem Produkt bzw. Lieferanten können so ohne größere Verzögerung bei späteren Kaufentscheidungen eingebracht werden
und zur Festigung der Lieferantenbeziehung (Stay) bzw., bei Unzufriedenheit, zum Lieferantenwechsel (Exit) führen.
Beim Produktgeschäft ergibt sich eine gewisse Annäherung zum Konsumgütergeschäft. Es besteht im Einzelnen aus
zwei Bereichen. Teile werden als Fertigprodukte im Produktionsprozess des Abnehmers ohne wesentliche Be- oder
Verarbeitung unter Wahrung ihrer Identität in andere Produkte eingebaut bzw. zu Fertigprodukten zusammengefügt und
somit keinem Veränderungsprozess unterworfen. Sie werden jedoch nicht getrennt verkauft wie bei Handelswaren bzw.
Halbfabrikaten. Dies ist möglich für Bauteile (z.B. Mikroprozessor) oder Komponenten (z.B. ABS-Einheit, Lichtmaschine
beim Pkw, Elektromotor bei der E-Lok), sie werden als Verbrauchsfaktor Elemente eines größeren Ganzen. Im Gegensatz
zur Gesamtauftragsvergabe eines geschlossenen Systems werden dabei einzelne Elemente gekauft, die dann vom
Nachfrager zu größeren Einheiten zusammengefügt werden. Im Unterschied zu Halbfabrikaten unterliegen Bauteile/
Komponenten keinen Veränderungen im Produktionsprozess durch Verarbeitung. Sie können charakterisiert werden
nach: Produktart, Komplexität, Erklärungsbedürftigkeit, Grad der physischen Verbundenheit mit dem Folgeprodukt,
Funktionsnotwendigkeit, Funktionalität/ästhetischer Dimension, Evidenz (Sichtbarkeit), Ausrichtung auf bestimmte
Endprodukte, relativer Lebensdauer und Wertdimension.
Allgemeine Kennzeichen sind ihre überschaubare Komplexität, die vergleichsweise noch geringe Bedeutung von Services,
geringe technische Unterschiede zwischen Angeboten, ein relativ großes verfügbares Know-how auf der Nachfragerseite,
der vorstruktrierte Bedarf, die hohe Bedeutung der Investitionsrentabilität und eine Gefahr des Abflusses von AnbieterKnow-how.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
41
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Aggregate sind allein funktionsfähig, Systemelemente nur im Verbund. Was ein Aggregat ist und was ein Systemelement,
bestimmt sich nicht vom Produkt her, sondern von der Vermarktung. Einzelaggregate erfüllen beim Nachfrager eine
bestimmte, abgegrenzte Funktion in Produktion oder Administration, ohne dass ihre Integration in größere Systeme
entscheidende Bedeutung hat (z.B. Kopierer, Kran). Es handelt sich demnach um mehr oder minder komplexe, isoliert
einsetzbare, bestimmte Teilfunktionen erfüllende Betriebsmittel, die mit anderen zu komplexen Anlagen zusammengefügt
oder auch selbstständig vermarktet werden können. Der Unterschied zu Teilen besteht darin, dass Aggregate sowohl im
System weiterintegriert als Systemeinheit wie auch als selbstständiger Potenzialfaktor nutzbar sind (z.B. Büromaschinen,
Nutzfahrzeuge). Sie werden oft in größerer Stückzahl beschafft (Unterschied zum Systemkauf). Kennzeichnende Merkmale
sind ihr hoher Standardisierungsgrad, ihre technische Komplexität, ihre hohe Losgröße und ihr hoher Wert. Bedeutsam
sind hier vor allem Ersatzteillieferungen, Wartungs- und Reparaturleistungen und die technische Weiterentwicklung sowie
produktverbundene Dienstleistungen.
Das gleiche Produkt kann durchaus Aggregat oder Teil sein, denn es kommt nicht auf das Produkt an sich an, sondern
auf den Prozess, in den es eingebunden ist. Aggregate unterscheiden sich in ihrer Vermarktung nicht sehr stark von
Konsumgütern. Sie werden für einen mehr oder minder anonymen Markt entwickelt, vorgefertigt und unter Einsatz der
üblichen Marketinginstrumente abgesetzt.
Für Teile ist die Integralqualität bedeutsam, d.h., das Erzeugnis eines Anbieters muss sich in das Endprodukt
und den Produktionsprozess eines Abnehmers im Hinblick auf Produkteigenschaften, Lebensdauer, räumliche/
zeitliche Verfügbarkeit etc. möglichst gut einfügen. Daher bietet sich die Kooperation von Zulieferern und ihren
Abnehmern bereits bei Forschung und Entwicklung und technologischen Innovationen des Zulieferers an, die
dem Abnehmer der entsprechenden Teile bzw. Aggregate Wettbewerbsvorteile verschaffen (z.B. ABS von Bosch
für Automobilhersteller).
Das Produktgeschäft erfolgt zur Erstausrüstung (Original equipment manufacturing), zur Nachrüstung, auch durch No
name-Anbieter/Pirate parts, oder als Ersatzteil (Identteil). Die Vermarktung tangiert den Ursprungsmonteur, die Endnutzer
und den Produktionsverbindungshandel. Handelt es sich um weitgehend standardisierte, genormte Produkte, entfällt ein
großer Teil der Differenzierungsmöglichkeiten, und der Preis wird zentral. Bei nicht standardisierten Produkten hat der
Anbieter deutlich größere Möglichkeiten, durch Differenzierung gegenüber Wettbewerbern seine Kundenbeziehungen
zu sichern, z.B. durch weitestgehende Einhaltung der Qualitätsanforderungen des Kunden (Qualitätssicherung) oder
Synchronisierung von Lieferservice und Produktionsprozessen des Kunden (Just in time).
JiT ist dabei ein logistikorientiertes, dezentrales Organisations- und Steuerungskonzept im Sinne einer Grundeinstellung
bzw. Produktionsphilosophie, das die Materialver- und -entsorgung für eine Produktion auf Abruf bedingt, zur
kurzfristigen Anpassung der Kapazitäts- und Materialbedarfsplanung an die aktuelle Fertigungs- und Auftragssituation,
also die richtigen Teile am richtigen Ort in der richtigen Menge, zur richtigen Zeit und in der richtigen Qualität. Wichtige
Voraussetzungen des JiT sind folgende:
• Harmonisierung der Kapazitäten durch ablauforientierte Fertigung (Heijunka), Bildung teilautonomer
Arbeitsgruppen, absolute Qualitätssicherung (Jidoka, Poka Yoke, Qualitätszirkel etc.), Verkürzung von
Rüst- und Einrichtezeiten, Reduzierung der Durchlaufzeiten, kleine Lose in Fertigung und Montage sowie
Material- und Informationsflusssteuerung auf Werkstattebene (Kanban).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
42
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Kanban ist ein Wertschöpfungsketten-System mit Produktionssteuerung nach dem Hol-Prinzip. Nachdem eine Losgröße von
einer Stelle bearbeitet und abgeliefert wurde, geht ein Mitarbeiter (bildlich gesprochen) mit einem leeren Standardbehälter
und einem Verbrauchs-Kanban (Formularkarte) zum Zwischenlager. Aus dem Zwischenlager wird ein Standardbehälter
mit einem neuen Los an Ware entnommen. Der mitgebrachte Verbrauchs-Kanban wird diesem neuen Material zugeordnet.
Der ebenfalls mitgebrachte leere Standardbehälter und der dem gerade abgegebenen Material ursprünglich beiliegende
Fertigungs-Kanban werden anstelle des entnommenen Materials im Zwischenlager hinterlassen. Beides dient als Auftrag
an die vorgelagerte, erzeugende Stelle und weist diese an, das angeforderte Material bereitzustellen und in entsprechender
Menge ebenfalls in einem standardisierten Behälter abzulegen. Dieses neue Material wird zusammen mit dem FertigungsKanban in das Zwischenlager gebracht, wo es von der nachgelagerten Stufe mit dem Verbrauchs-Kanban wieder entnommen
wird. Damit schließt sich der Kreislauf. Der ganze Betrieb wird so zu einem System vermaschter, selbststeuernder Regelkreise
für die gesamte Wertschöpfungskette, also über das eigene Unternehmen hinaus zu Zulieferern (Fertigungssignal) und
Konsumenten (Verbrauchssignal). Die Kanban-Formularkarte dient als Informationsträger in diesem Regelkreis, sie
kursiert immer nur innerhalb eines Teilsystems, also nur zwischen zuliefernder Stelle und Zwischenlager (FertigungsKanban) oder nur zwischen verbrauchender Stelle und Zwischenlager (Verbrauchs-Kanban). Dabei wird lediglich ein
Sicherheitsbestand permanent vorgehalten, ansonsten wird nur produziert, was abgeflossen ist. Grundlegend ist dafür eine
interne Lieferanten-Kunden-Sichtweise, d.h., Produkte dürfen nur bereitgestellt werden, wenn sich ein Nachfrager findet,
der sie abnimmt, der externe Abnehmer erlöst dann die Kosten und den Gewinn am Markt. Damit dies gelingt, ist es nur
konsequent, dass Bedarfsmeldungen im Hol-Prinzip von dieser letzten Stufe nach vorn gegeben werden.
e Graduate Programme
for Engineers and Geoscientists
I joined MITAS because
I wanted real responsibili
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Maersk.com/Mitas
Real work
Internationa
al opportunities
International
wo
or placements
ree work
Month 16
I was a construction
supervisor in
the North Sea
advising and
helping
foremen
he
ssolve problems
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
43
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.5Energiegeschäft
Energie (Kraft, Licht, Wärme) hat gleichermaßen Produkt- wie Dienstleistungscharakter. Die Befriedigung des Energiebedarfs
dient produktiven und konsumtiven Zwecken, dafür sind kapitalintensive Distributionsprozesse erforderlich. Die
Energienachfrage ist eine abgeleitete, woraus erhebliche Auslastungsschwankungen der Kapazität folgen. Die Verwendung
von Rohstoffen für die Energieumwandlung ist von Sekundäranforderungen (vor allem Umweltschutz und Politik) stark
beeinflusst. Die Substitutionskonkurrenz verschiedener Energien ist begrenzt, daraus folgt eine geringe Preiskonkurrenz.
Die Kapazität ist starr, eine Anpassung nach oben ist nur mittelfristig, eine solche nach unten nur unter Hinnahme von
Leerkosten möglich. Die Energie wird oft durch ihre Verbraucher selbst erzeugt bzw. die Energieerzeuger haben eigene
Verbraucher. Die Energieerzeugung ist durch Kuppelproduktion gekennzeichnet. Der Energiemarkt ist in vielfältiger Weise
reglementiert (Leitungsmonopole, Gebietskörperschaften als Träger, Gebietsschutz, Kartelle, Zwangskontrahierung). Und
er ist als einer der wenigen Märkte durch De-Marketing gekennzeichnet (Energiesparen).
Energie kann sowohl auf den Vorstufen der Primär- und Sekundärenergieträger vermarktet werden wie Kohle, Gas,
Öl, die zunächst der Vornahme von Umwandlungsprozessen bedürfen, als auch als Endenergieträger in unmittelbar
verwendungsfähigem Zustand (allenfalls sind noch Umspannungen notwendig). Die Vermarktung von Primär- und
Sekundärenergieträgern ist zu den Merkmalen des Rohstoffgeschäfts eng verwandt. Sofern es sich um leitungsgebundene
Energien handelt, unterliegt der Leitungsaufbau jedoch vielfältigen rechtlichen Beschränkungen. Als Anbieter treten
zumeist Großunternehmen auf, die vertikal integriert sind und flächendeckend agieren. Als Nachfrager treten neben
gewerblichen auch private Abnehmer auf. Wegen der stark schwankenden Auslastung und der Versorgungspflicht ist eine
umfassende Kapazitätsbereitstellung erforderlich, die eine hohe Fixkostenbelastung impliziert.
Die Geschäftsbedingungen der Energieversorgungsunternehmen (EVU´s) sind mit Tarifabnehmern weitgehend
standardisiert, mit Sonderabnehmern jedoch mehr oder minder individualisiert. Dies gilt vor allem für Großabnehmer
mit der Möglichkeit zur Eigenversorgung mit Energie.
Wesentliche Kennzeichen des Energiegeschäfts sind:
• der enge Rechtsrahmen (u.a. Energiewirtschaftsgesetz, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen),
• die Erschöpfbarkeit der meisten Energieressourcen (nicht z.B. Wind- oder Solarenergie). Dies bedingt
einen gesamtwirtschaftlich verantwortungsvollen Umgang mit Einsparungszielen und die Förderung
regenerierbarer Energieträger,
• die hohen Markteintrittsschranken (u.a. Regulierung, Kapitalbedarf) mit der Folge der
Wettbewerbseinschränkung,
• der geringe Wirkungsgrad der Energie (u.a. Umwandlungs-/Leitungsverluste),
• die erforderliche ubiquitäre Distribution im Verbreitungsgebiet (teils nur unter Einschaltung indirekter
Absatzwege).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
44
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.6Immobiliengeschäft
Das Immobiliengeschäft ist weithin vernachlässigt. Die Besonderheiten der Immobilie als Wirtschaftsgut führen zu einem
Versagen bzw. zu mangelnder Anwendbarkeit bekannter theoretischer Ansätze und Konzepte. Zu den Besonderheiten der
Immobilie als Wirtschaftsgut gehören ihre:
• Standortgebundenheit, daher gibt es unendlich viele räumliche und sachliche Teilmärkte,
• Heterogenität des Marktes, d.h., die Angebote sind nicht normiert, sondern individuell,
• Dauerhaftigkeit der Objekte,
• Anonymität mit geringer Anbieter-Nachfrager-Bindung,
• projektbezogene Verknüpfung von Sach- und Dienstleistungen,
• hoher Beratungsbedarf durch Unsicherheit,
• hohe Investitionsvolumina und Erfordernis komplexer Problemlösungen,
• hohe Transaktionskosten (Eigentumsübergang, Besicherung),
• beschränkte Teilbarkeit,
• beschränkte Substituierbarkeit (Monopol),
• geringe Markttransparenz (fraktioniertes Angebot/Thin markets),
• Abhängigkeit von anderen Märkten (Zinsen, Steuern, Subventionen, Politik),
• geringe Anpassungselastizität an Marktveränderungen (Bauzeiten).
Die Vielschichtigkeit des Untersuchungsgegenstands macht eine mehrdimensionale Auseinandersetzung erforderlich.
Gewerbeimmobilien betreffen die Nutzung von Raum zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken, Wohnimmobilien betreffen
die Nutzung von Raum zur Befriedigung von Wohnbedürfnissen (hier nicht betrachtet). Ein Immobilienprojekt ist
ein Grundstück im Zustand der Bebauung (Entwicklung), das anschließend einer neuen bzw. veränderten Nutzung
zugeführt wird, sowie ein bebautes Grundstück, das bereits einer Nutzung zugeführt wurde. Dabei lassen sich drei Phasen
unterscheiden:
• Projektentwicklung bedeutet, die Faktoren Standort, Projektidee und Kapital so miteinander zu verbinden,
dass eine einzelwirtschaftlich rentable und zugleich gesamtwirtschaftlich sozialverträgliche Investition
gewährleistet ist. Zentrale Entscheidungskriterien sind dabei Kosten, Qualität und Termin.
• Projektmanagement bedeutet die Wahrnehmung aller Führungsaufgaben, die zur zielorientierten
Abwicklung eines Immobilienprojekts nach dessen Realisierungsentscheid erforderlich sind. Hier geht es um
die eigentliche architektonische Erstellung der Immobilie.
• Objektmanagement umfasst die Wahrnehmung kaufmännischer und technischer Dienste. Gegenstand sind
Austauschbeziehungen mit Nutzern und Investoren im Rahmen der Vermietung oder des Verkaufs von
vorhandenen oder projektierten Immobilien unter Einsatz des absatzpolitischen Instrumentariums (Facility
management).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
45
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Das Angebot rekrutiert sich aus Flächen und Räumen durch Leerstand, Neubau, Umwidmung, die Nachfrage bezieht
sich auf Eigennutzung, Mietnutzung oder Kapitalanlage. Immobilien-Marketing betrifft daher die systematische Analyse,
Planung, Organisation und Kontrolle sämtlicher marktbezogener Immobilienaktivitäten sowie deren bestmögliche
Nutzung in einer komplexen Umwelt.
Man unterscheidet Vermietungsmarketing und Verkaufsmarketing, in der Makelung auch Einkaufsmarketing.
Voraussetzung für die effiziente Bearbeitung sind permanente Nutzer- und Standortanalysen. Diese dienen vor allem der
Kundennähe, einer intensiven Betreuung und optimalen Beratung.
Dabei lassen sich verschiedene Aufgaben unterscheiden:
• Produktbezogene Aufgaben. Ausgehend von den bestehenden Produkten ist es eine permanente
Aufgabe, sich um die Anpassung des Leistungsprogramms an die Erfordernisse des Markts zu bemühen
(Produktverbesserung, -differenzierung, -innovation etc.).
• Marktbezogene Aufgaben. Neben der Bearbeitung bestehender Märkte ist die Erschließung neuer Märkte
erforderlich (Schließung von Programmlücken, Diversifikation, Internationalisierung etc.).
• Endkundenbezogene Aufgaben. Hier geht es darum, durch die Verbesserung der Kundenbearbeitung eine
stärkere Kundenbindung (Kundentreue) zu erreichen bzw. eine Ausrichtung auf weitere Kundensegmente zu
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
erzielen.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
46
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
• Handelsbezogene Aufgaben. Diese fallen nur an, sofern Absatzmittler bei der Vermarktung
zwischengeschaltet sind.
• Konkurrenzbezogene Aufgaben. Hier geht es um die Suche nach langfristig wirksamen Wettbewerbsvorteilen
gegenüber bisherigen Hauptkonkurrenten und die Absicherung von Erfolgspotenzialen gegenüber zukünftig
neu in den Markt eintretenden Wettbewerbern.
• Unternehmensbezogene Aufgaben. Es besteht die Notwendigkeit, innerbetriebliche Voraussetzungen für
Markterfolge zu schaffen, vor allem hinsichtlich der Integration aller Aktivitäten und von Schulung/Training
des Vertriebspersonals.
Die Rahmenbedingungen der Immobilienvermarktung sind dabei folgende:
• Marktsättigung, vor allem bei Gewerbeimmobilien, ungünstige Bevölkerungsentwicklung („Pillenknick“),
starker Konjunktureinfluss mit zeitlichem Vorlaufcharakter, Abhängigkeit von der Kreditpolitik der
Geschäftsbanken und der Zentralbank, Einfluss von Steuervergünstigungen und erratischer Steuerpolitik,
starke Substitutionskonkurrenz der Objekte untereinander.
3.7Dienstleistungsgeschäft
3.7.1Abgrenzung
Im technischen Vertrieb sind meist Leistungsbündel gefragt, und zwar nicht nur zwischen Anbieterleistungen und
Abnehmerleistungen, sondern auch zwischen Sachleistungen und Dienstleistungen. Dabei gibt es Angebote, die
• ausschließlich aus Sachleistungen bestehen, die vom Anbieter erstellt werden (z.B. Teile),
• aus einem mehr oder minder großen Anteil von Dienstleistungen bestehen, die vom Anbieter autonom
erbracht werden (z.B. Geldverkehr),
• ausschließlich aus Sachleistungen bestehen, die zu einem mehr oder minder großen Anteil auch vom
Abnehmer erstellt werden,
• aus einem mehr oder minder großen Anteil von Dienstleistungen bestehen, die zu einem mehr oder minder
großen Anteil auch vom Abnehmer erbracht werden (z.B. Unternehmensberatung).
Bevor man jedoch näher auf das Dienstleistungsgeschäft eingeht, ist es wichtig, zu definieren, was Dienstleistungen
eigentlich genau sind. Und das ist gar nicht so einfach. Im Wesentlichen bestehen sieben Ansätze:
• Die Negativabgrenzung geht davon aus, dass alles, was nicht agrarische oder industrielle Produktion ist,
zwangsläufig Dienstleistung sein muss. Dienstleistungsinstitutionen wären danach alle, die nicht land- oder
fertigungswirtschaftliche Betriebe sind. Dabei wird allerdings verkannt, dass auch bei diesen erhebliche
Dienstleistungskomponenten vorhanden sind.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
47
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
• Die Aufzählung geht davon aus, dass man positiv Dienstleistungen, etwa anhand der Klassen des
Statistischen Bundesamts, festlegen kann. Alle Leistungen, die in diese Klassen fallen, wären demnach
Dienstleistungen. Jedoch kann es durchaus eine innovative Art von Angeboten geben, die nicht durch diese
Klassen erfasst, dennoch aber zweifelsfrei Dienstleistung sind. Auch ist eine bloße Enumeration noch keine
Definition.
• Die Prozessdefinition stellt Dienstleistungen als Prozesse dar. Das reicht allerdings wiederum nicht aus, weil
jegliche Produktion, auch die von Sachleistungen, auf Prozessen basiert. Außerdem gibt es Dienstleistungen,
deren Prozesse nicht erkennbar sind (z.B. Fertigungsaufsicht) oder bei denen nur das Potenzial, also die
Bereitschaft zu Prozessen gegeben ist (z.B. Versicherung).
• Ein anderer Ansatz geht von Dienstleistung als Fremdleistung (Verrichtung gegen Entgelt) aus. Der
Unterschied besteht dann also nicht zwischen Dienstleistung und Sachleistung, sondern zwischen
Eigenleistung und Dienstleistung. Abgesehen davon, dass alle unentgeltlichen Leistungen (z.B. karitative
Dienste) außen vor bleiben, werden damit auch typische Sachleistungen auf diese Weise zum Dienst (z.B.
Sondermaschinenbau).
• Ein weiterer Ansatz sieht als Dienstleistung jegliche Leistungserstellung unter Kundenbeteiligung an,
also wiederum auch die Erstellung von Sachleistungen, sofern der Kunde an deren Design mitgewirkt hat.
Das führt dann aber befremdlicherweise dazu, dass im Sprachgebrauch typischerweise als Sachleistungen
bezeichnete Produkte insofern Dienste wären (z.B. Anlagenerstellung).
• Die Ergebnisdefinition geht davon aus, dass die Prozesse allein nicht zur Qualifizierung als Dienstleistung
ausreichen, sondern es vielmehr auf deren Ergebnis ankommt. Es wird also eine Erfolgsabhängigkeit
gesehen. Dies gilt jedoch für alle Arten von Dienstverträgen nicht, bei denen der Lieferant nicht den Erfolg,
sondern vielmehr die auf Erfolg gerichtete Leistung, unabhängig davon, ob ein Erfolg tatsächlich eintritt,
schuldet (z.B. Maklung).
• Die Potenzialdefinition sieht bereits die Bereitstellung von Leistungsfähigkeiten als Dienstleistung
an, es kommt also dabei nicht auf die Ausführung oder den Erfolg an. Jedoch muss bestritten werden,
dass diese Leistungsfähigkeiten wirklich selbstständig marktfähig sind, es sei denn, sie sind mit festen
Leistungsversprechen gekoppelt, dann sind sie aber wieder ergebnis- und nicht potenzialorientiert.
Keine dieser Definitionen vermag daher zu befriedigen, was nicht verwundert, wenn man sich die extreme Vielfalt von
Dienstleistungen vor Augen führt. In diesem Zusammenhang sollen Dienstleistungen als Prozesse (also Verrichtungen)
angesehen werden, die durch einen (gewerblichen oder sozialen) Anbieter unter Beteiligung eines externen Faktors (Kunde
bzw. Objekt im Besitz des Kunden) vorgenommen werden, um an diesem gewünschte Wirkungen zu produzieren (also
Ergebnisse) oder zu gewährleisten (also Potenzial).
Dienstleistungen sind im Wesentlichen durch drei Besonderheiten gegenüber Sachleistungen gekennzeichnet, nämlich
ihre Intangibilität, die erforderliche Integration eines externen Faktors und ihre Individualität.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
48
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
Die Intangibilität bedingt eine Materialisierung der Dienstleistung, denn der Markt honoriert im Regelfall nur
wahrnehmbare Leistungen. Dienste sind aber abstrakt, d.h. stofflich nicht fassbar. Daraus resultieren ganz erhebliche
Probleme, zugleich aber auch Möglichkeiten zur willkommenen Abhebung vom Mitbewerb, wenn es gelingt, etwa über
Symbole wie Markenzeichen (Logo), Dienstleistungen zu konkretisieren, also „anfassbar“ zu machen. Die Tangibilisierung
durch „Markierung“ bezieht sich auf interne Kontaktsubjekte, also die Mitarbeiter des Anbieters, interne Kontaktobjekte,
also die Arbeitsmittel im Corporate design, externe Kontaktobjekte wie bei akzidentellen Werbemitteln wie Lkw-Planen
etc. und externe Kontaktsubjekte durch Character licensing, Labelling etc.).
Daraus leitet sich die konkrete Empfehlung ab, möglichst viele der im Betrieb erstellten Leistungen kundensichtbar
zu machen, sei es unmittelbar, z.B. durch Sicht auf die Werkstatthalle im Kfz-Handel, oder zumindest symbolisch.
Bei Leistungen, für die dies nicht darstellbar ist, ist zu prüfen, ob sie wirklich notwendig sind, denn sie mindern die
Wertschöpfung, wenn man wohl zutreffend davon ausgeht, dass Kunden nur für das zu zahlen bereit sind, was sie
nachweisbar erleben oder wahrnehmen.
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Meet the world in your classroom
MBA at Maastricht School of Management
If the goal of your career is to be an uncontested asset to company operations in emerging and developing
markets, then the MBA of Maastricht School of Management is the right program for you. This internationally
accredited one-year fulltime program combines management theory with practical experience and applied
research. You will be trained within an international and multicultural environment to become one of
tomorrow’s global leaders.
For more information, check out our website www.msm.nl, call us on + 31 43 38 70 808
or send an e-mail to [email protected]
the globally networked management school
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
17-08-11 15:58
MBA-170x115-B.indd 1
49
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.7.2Nichtlagerfähigkeit
Die Nichtlagerfähigkeit als abgeleitetes Merkmal der Intangibilität bedingt eine funktionsfähige Koordination zwischen
Dienstleistungsproduktion und -konsumtion. Eigentlich werden Dienstleistungen sogar zweifach produziert, nämlich
als Vorkombination bei Bereitstellung und als Endkombination der Produktionsfaktoren bei Inanspruchnahme der
Dienstleistung. Nun bedeutet der zeitliche Zusammenfall von Angebotsproduktion und Nachfragekonsumtion (Uno actuPrinzip) aber, dass die Leistungskapazität vom Diensteabruf gesteuert wird, weil man Dienstleistungen nicht, wie Sachgüter,
auf Vorrat produzieren kann. Der Arbeitsanfall ist also fremdbestimmt, deshalb muss eine stetige Leistungsbereitschaft
vorgehalten werden, um Dienste jederzeit in vertretbarer Frist auf hohem Niveau anbieten zu können. Daraus ergibt sich
eine starke Fixkostenbelastung, von welcher der Gehalts- und -nebenkostenblock für gewöhnlich den größten Anteil
ausmacht.
Dem kann nur durch eine hohe sachliche, räumliche, zeitliche und personelle Flexibilität der Kapazitätsplanung begegnet
werden, die jedoch angesichts menschlicher Arbeitsleistung durch vielfältige Restriktionen beschnitten wird (z.B. Gesetze,
Verordnungen, Tarifverträge). So werden Arbeitnehmer zumeist nach ihrer Kapazitätsbereitstellung bezahlt und nicht
nach ihrer Auslastung. Insofern ist im Controlling eine schwierige Gratwanderung erforderlich, zwischen einer eher
knapp dimensionierten Leistungskapazität, um Leerkosten als ungedeckte Fixkosten zu vermeiden, und einer großzügig
dimensionierten Leistungskapazität, um einen wettbewerbsfähigen Service zu bieten.
Daher ist zu empfehlen zu versuchen, anstelle der Leistungsbereitstellung, also der Angebotskomponente, die
Leistungsinanspruchnahme, also die Nachfragekomponente, zu steuern. Wenn es gelingt, die Nachfrage gemäß der jeweils
vorhandene Angebotskapazität zu beeinflussen, ist damit eine gleichmäßigere Auslastung gegeben, die sowohl ungedeckte
Fixkosten durch Unterauslastung als auch kostentreibende Anpassungen bei temporärer Überauslastung vermeidet. Man
spricht hier vom Yield management als preisgesteuerter Kapazitätbereitstellung. Voraussetzungen sind dabei allerdings,
dass ein Abschluss bereits vor Inanspruchnahme der Dienstleistung möglich ist, dies ist nur bei fungiblen Diensten der
Fall, z.B. Flugreise, die Nachfrage auf Entgeltveränderungen elastisch reagiert und eine rechnergestützte Datenerfassung,
-analyse und -ausgabe erfolgt.
Eine andere Empfehlung besteht in der Veredelung von Dienstleistungen, d.h. der Speicherung zur Überwindung der
Nichtlagerfähigkeit oder der Übertragung zur Überwindung der Nichttransportfähigkeit. Diese verlieren dadurch jedoch
ihre Immaterialität und damit ein konstitutives Kennzeichen von Dienstleistungen. Es ist also durchaus fraglich, ob
Datenträger oder Telekommunikation, noch als Dienstleistungen anzusehen sind, zumal es ihnen auch an der Beteiligung
des externen Faktors zur Honorierbarkeit fehlt, stattdessen liegt vielmehr physische Logistik als Distributionsweg vor. Es
handelt sich zumindest um eine der verbreiteten Mischformen, wobei ein mehr (z.B. Handel) oder minder (z.B. Handwerk)
großer Dienstleistungsanteil zu finden ist.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
50
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.7.3Nichttransportfähigkeit
Die Nichttransportfähigkeit als weiteres abgeleitetes Merkmal der Intangibilität bedingt eine Steuerung der Distributionsdichte
gemäß der Nachfrageverteilung, also breit distribuiert für engmaschig verteilt nachgefragte und eng distribuiert für breitflächig
verteilt nachgefragte Dienstleistungen. Ausschlaggebend dafür ist wiederum der relative Standort des Diensteangebots.
Allgemein werden damit die Ziele der Präsenz und Erreichbarkeit von Diensten, deren kurzzeitige Verfügbarkeit, des
problemlosen Zugangs zum externen Faktor, des hochstehenden Images und der Kooperationsbereitschaft des Absatzkanals
angestrebt. Diese sind für gewöhnlich nur durch Multiplizierung der Leistungserstellungsprozesse möglich, wobei die
Verlagerung auf eigene oder fremde Einheiten erfolgt. Im letzten Fall werden Absatzmittler/-helfer eingeschaltet. Der
indirekte Absatz erfolgt dann mit Dienstleistungsversprechen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt in definierter Weise
erfüllt werden und durch einen Anrechtsbeleg (Voucher) manifestiert sind (z.B. das Ticket für die Flugbuchung im
Reisebüro) oder über Schutzrechtsnehmer unmittelbar (z.B. beim Franchising). Der direkte Absatz erfolgt durch Ausweitung
des Einzugsgebiets mit oder ohne Strukturerweiterung (neue Standorte). Dies ist jedoch ein sehr kapitalintensiver Weg.
Daraus leitet sich die Empfehlung ab, eine bessere Marktdurchdringung über Lizenzierungen von Dienstleistungen
anzustreben. Da die Leistungen der Lizenznehmer von Kunden bereits als fester Bestandteil der Dienstleistung
wahrgenommen werden, ist es erforderlich, auf die Qualität der Leistungserstellung dort möglichst großen Einfluss
zu nehmen. Dies erfolgt in der Praxis durch je nach Marktmacht mehr oder minder rigide Überwachungs- und
Überprüfungsmechanismen.
3.7.4 Integration des externen Faktors
Für die Integration des externen Faktors ist mehr noch als bei Sachgütern, bei denen die Produktion zumindest
kurzfristig auch ohne Kunden erfolgen kann und deren Mangel erst beim Absatz, dann allerdings um so stärker,
spürbar wird, bedeutsam, dass nicht einmal eine Produktion ohne Kunden möglich ist. Dienste sind also personenund kundenpräsenzgebunden, d.h., sie werden für und unter Beteiligung jedes einzelnen Kunden erbracht. Davon
ausgenommen sind nur veredelte Dienstleistungen, die ohne externen Faktor auskommen, dafür aber eines Speicherungsoder Übertragungsmediums bedürfen. Wo eine Veredelung nicht sinnvoll möglich ist, ist zu prüfen, inwieweit es gelingt,
den externen Faktor zu standardisieren, denn dadurch kann eine Rationalisierung der Leistungserstellung erreicht
werden. Dies betrifft die inhaltliche Komponente der Dienstleistung, denn Veränderungen in der Leistungsart erfordern
entsprechende Vorbereitungen (Rüstzeiten) und Durchführungen (Maßschneiderung). Beides erschwert die Einhaltung
hoher Effizienz.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
51
Technischer Vertrieb
Business to business-Märkte
3.7.5Individualität
Ein Problem stellt dabei jedoch die Individualität der Leistungserstellung dar. Mit Bezug darauf gibt es vier Ansätze. Erstens
kann eine Standardisierung des Potenzials angestrebt werden. Dies bezieht sich sowohl auf das Anlagen- als auch auf das
Humanpotenzial. Bei Ersterem gehört dazu etwa die Gewährleistung gleichbleibender Leistungsabgabe durch Wartung,
Austausch oder Reparatur bei Defekt, Einhaltung von Toleranzen etc. Bei Letzterem gehört dazu die Einhaltung von
Mindestqualifikationen in Ausbildung und Erfahrung (Wissen), Motivation durch Anreize, Identifikation etc. (Wollen).
Damit sind aber immer noch erhebliche Streuungen in der Leistungserstellung wahrscheinlich. Denn die hierzulande weit
verbreitet geringe Bereitschaft zur Dienstleistung (Serviceability) lässt nicht unbedingt Mitarbeiter mit hohem Potenzial
Zugang dazu finden, und die folglich eher widerwillig erbrachten Leistungen führen angesichts anspruchsvoller Kunden
rasch zur Frustration, die in mangelnder Dienstleistungsqualität mündet.
Daher ist zweitens eine Standardisierung der Prozesse sinnvoll. Dies betrifft die Art und Weise der Leistungserstellung,
denn ausgehend vom gleichen Potenzial kann die Erbringung dennoch ganz unterschiedlich erfolgen. Dazu ist eine
chronologische Dokumentation von Arbeitsabläufen erforderlich, die vorgibt, wie genau bestimmte Komponenten der
Leistungserstellung kompetent zu erbringen sind. Anlagen müssen so eingestellt werden, dass sie diesen Prozessvorgaben
entsprechen, und Menschen müssen so angewiesen werden, dass sie diese Prozessvorgaben einhalten. Als Anleitung dient
ihnen die Dokumentation, wenn abgestufte Ergebnisse erreicht werden sollen. Aber auch damit sind noch Streuungen
wahrscheinlich. Dennoch ist es durch straffe interne Organisation möglich, weitgehend konstante Qualitäten zu erreichen.
Allerdings ist dabei die Balance zur Motivation als Leistungsanreiz der Mitarbeiter schwierig zu halten. Ganz abgesehen
von sozialpolitischen Erwägungen.
Deshalb ist drittens eine Standardisierung der Ergebnisse wichtig. Dabei wird anhand eines Lastenhefts mit funktionalen,
strukturellen und ästhetischen Anforderungen (Whats) und Pflichtenkatalogs mit Beschreibung der Realisierung aller
Anforderungen dieses Lastenhefts (Hows) festgeschrieben, wie genau eine Leistung auszugestalten ist, die den vom
Anbieter selbst gestellten oder extern vorgegebenen Anforderungen entspricht. Solange die Ist- von der Soll-Leistung
nach unten abweicht, gilt der Dienst als nicht hinreichend erbracht. Insofern sind konkrete Ansatzpunkte für Korrekturen
gegeben. Allerdings ist es dann im Einzelfall regelmäßig bereits zu spät, sodass zeit- und damit kostenaufwendige
Wiedergutmachung, wenn überhaupt möglich, erforderlich wird. Problematisch ist dabei, dass die Ergebnisse so individuell
betrachtet werden wie die Abnehmer, an denen oder an deren Sachen die Dienstleistung erbracht worden ist. Insofern ist
eine Objektivierung von Ergebnisqualitäten schwierig.
Viertens kann eine Standardisierung des externen Faktors erfolgen. Dies gelingt jedoch ansatzweise nur über eine
Normierung der Kundenerwartungen. Je feinteiliger Märkte differenziert sind, desto eher kommt es zu deren Homogenität,
die eine Qualitätssicherung wahrscheinlich macht. Das bedeutet, dass nur eine möglichst trennscharfe Marktsegmentierung
mit „spitzer“ Positionierung des Angebots Querelen vermeiden hilft. So ist, in einem populären Beispiel, der
Geschmacksanspruch von Gästen in Fastfood-Restaurants von vornherein so begrenzt, dass eher durchschnittliche Speiseund Getränke-Levels ohne Beanstandung durchgehen. Hingegen ist deren Zeitanspruch so hoch, dass jede verzögerte
Leistungserstellung zu Beschwerden führen kann. Diese Homogenität des externen Faktors ist durch entsprechende
Kommunikation erreicht worden. In Gourmet-Restaurants ist diese Relation eher eine Gegenteilige.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
52
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
4Organisationales
Beschaffungsverhalten
Kaufentscheidungen in Organisationen werden zumeist kollektiv getroffen, d.h., an ihrem Zustandekommen sind mehrere
Personen beteiligt. Dies ist immer dann problematisch, wenn keine homogene Präferenzstruktur aller Beteiligten bei
einheitlichen Zielsetzungen gegeben ist, sondern die einzelnen Mitglieder des Kollektivs verschiedene Ziele verfolgen, nach
Art und Höhe unterschiedliche Mittel einsetzen wollen und/oder verschiedene Wahrnehmungen der Realität besitzen.
Kollektive Kaufentscheide laufen zumeist als extensive Entscheidungsprozesse ab, die durch mehrere, aufeinander folgende
Phasen gekennzeichnet sind. Dabei ist der Einfluss der einzelnen Mitglieder nach Art und Status ihrer sozialen Macht
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
und ihrer sozialen Rolle unterschiedlich.
Studieren in Dänemark heißt:
nicht auswendig lernen, sondern verstehen
in Projekten und Teams arbeiten
sich ausbilden in einem globalen Milieu
den Professor duzen
auf Englisch diskutieren
Fahrrad fahren
Mehr info: www.studyindenmark.dk
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
53
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Für organisationale Analysen ist die Thematisierung des kollektiven Charakters der Beschaffungsentscheidung erforderlich.
So kommt es zu Buying-Selling-Centers, den Promotoren-Opponenten- und den Simplifier-Clarifier-Konzepten. Diese
Ansätze haben den Nachteil, monoorganisational zu sein, d.h. nur vertikal eine Organisationsseite zu berücksichtigen.
Jede Beschaffung ist jedoch ein Prozess zwischen zwei Partnern, die sich gegenüberstehen. Dabei sind vor allem die
Verhandlungsprozesse von Interesse. Diese werden in dual-organisationalen, horizontalen Modellen untersucht, die
eigentlich weniger Beschaffungs- als vielmehr Interaktionsmodelle darstellen. Sie versuchen, die Verkäufer-Käufer-Dyade
als multiorganisationales, multitemporales und multipersonales Phänomen zu erfassen. Dabei wird, ausgehend von eher
konflingenten Zielsetzungen ausgehend eine wachsende gegenseitige Bindung erzeugt (Creeping commitment), die bei
Überschreiten einer gewissen Schwelle zu Einigung und Abschluss führt, ansonsten aber zum Abbruch. Allerdings bleibt
die konkrete Auswirkung auf die Marketinginstrumente dabei eher unklar.
Modelle der mikroökonomischen Investitionstheorie und Bestellpolitk heben nur auf das beschaffende Individuum
ab und lassen die sie umgebende Organisation außer acht. Es zeigt sich jedoch rasch, dass diese Erkenntnisse nicht
ausreichen. Außerdem sind emotionale, nicht-aufgabengerechte und nicht-ökonomische Determinanten einflussstark.
Daher wird meist eine begrenzte Rationalität unterstellt. Stattdessen gewinnen verhaltenstheoretische Aspekte an Einfluss
(analog zu den S-O-R-Modellen des Konsumentenverhaltens). Im Mittelpunkt steht dabei die Lieferantenauswahl in
Abhängigkeit von Kaufsituation, Persönlichkeitsvariablen, Organisationsregelung und Risikoempfinden. So kann nach
dem Grad der Neuartigkeit, dem Wert des Kaufobjekts, der Notwendigkeit zur Umstellung der Ablauforganisation, dem
Informationsverhalten etc. unterschieden werden.
4.1 Gewerblicher Einkauf
Zu den Marktbesonderheiten im gewerblichen Einkauf gehören folgende:
• Es ist für gewöhnlich eine überschaubare Anzahl von Anbietern und eine beschränkte Zahl von Nachfragern
gegeben. Dadurch ist meist bekannt, wer in der Lage ist, ein Einkaufsgut anzubieten, und den Anbietern
wiederum ist bekannt, wer als Abnehmer dafür in Frage kommt.
• Charakteristisch sind stabile Marktpartnerbeziehungen. Zum einen sind nur geringe Ausweichmöglichkeiten
gegeben, zum anderen gibt Erfahrung aus der Zusammenarbeit der Vergangenheit willkommene Sicherheit
für die Geschäftsbeziehungen in der Zukunft.
• Dem Kauf gehen oft lange, meist harte Entscheidungsprozesse voraus. Angebote werden selten unverhandelt
akzeptiert oder abgelehnt. Vielmehr birgt die Komplexität der Materie meist das Erfordernis der Erläuterung
und Hinterfragung.
• Jeder Verkaufsakt repräsentiert einen hohen Umsatzwert für den Anbieter infolge langer Kaufintervalle und
hohen Warenwerts. Dementsprechend bedeutsam ist es, den Abschluss jetzt zu erreichen und nicht erst
später.
• Jedes Kaufobjekt involviert für gewöhnlich einen hohen Projektwert für den Nachfrager (einzeln oder
kumuliert). Damit lohnt sich für ihn eine umfangreiche Informationssuche, zumal auch meist eine hohe
Bindungsdauer gegeben ist.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
54
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
• Es sind kurze Absatzwege vorhanden, da Direktvertrieb (nullstufiger Absatz) vorherrscht. Dies erfordert
umfangreiche Kapazitäten für den technischen Vertrieb zur Kundenberatung und -betreuung.
• Durch die Abhängigkeit von Primärmärkten liegt vielfach eine hohe Konjunkturempfindlichkeit vor. Die
Nachfrage ist dann eine abgeleitete Größe aus konsumnäheren Märkten und verstärkt deren Ausschläge.
• Oft erfolgt eine kundenindividuelle Leistungserstellung durch „Maßanfertigung“. Dabei wird jeweils auf den
konkreten, von Fall zu Fall abweichenden Bedarf des potenziellen Käufers abgestellt.
• Das Angebot besteht meist aus komplexen Hardware-Software-Kombinationen. Gerade „schlüsselfertige“
Projektauslegungen sind in der Lage, etwaige Preisnachteile zu kompensieren.
• Die endgültige Ausgestaltung des Projekts erfolgt oft erst unter Abnehmereinfluss. Dies wirft Zeit- und
Kostenprobleme bei der Erstellung auf.
• Häufig kommt es auch zum Drittparteieneinfluss durch Fachberater wie Architekten, Betriebsingenieure,
Consultants etc.
• Aufgrund der Umfeldbedingungen herrscht weitgehender Preiskonservatismus vor. Dies bezieht sich
weniger auf die Preishöhe als auf die Konditionentaktik, die Nachlässe von Gegenleistungen abhängig macht.
4.2Beschaffungsmarketing
4.2.1Gegenstand
Die Beschaffung ist in gewisser Hinsicht das Spiegelbild des Absatzes (Reverse marketing). Insofern liegt es nahe, das
übliche absatzpolitische Instrumentarium entsprechend zu modifizieren. Dafür gibt es vielfältige Ansätze. So wird etwa
unterschieden in:
• Quantitätspolitik. Diese umfasst die Beschaffungsdefinition nach Menge, die Voraussetzungen, d.h.
Bedarfs- und Vorratsplanung, und die Entscheidungsparameter wie Make or buy, Subcontracting, Leasing,
Kooperation, Bestellmengen, Lagerung oder Recycling.
• Qualitätspolitik. Diese umfasst die Beschaffungsdefinition nach Güte, die Voraussetzungen, d.h.
Produktionsbedingungen und Marktgegebenheiten, und die Entscheidungsparameter wie Standardisierung/
Normung/Typung, Qualitätsprüfung, Lebenszyklus, Garantie- und Serviceleistungen, ABC- und
Wertanalyse.
• Preispolitik. Diese umfasst die Beschaffungsdefinition nach Entgelt, die Voraussetzungen, d.h.
Marktforschung und Mengenvorgaben, und die Entscheidungsparameter wie Marktgegebenheiten, -formen,
Preiselastizität, -differenzierung, Preiszusätze und -strategie.
• Selektionspolitik. Diese umfasst die Definition der Marktauswahl, die Voraussetzungen, d.h.
Beschaffungsziele und Umweltkonstellationen, und die Entscheidungsparameter wie Direkt-/
Indirektbeschaffung, Eigen-/Fremdbeschaffung, externer/interner Materialfluss und Organisation.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
55
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
• Kommunikationspolitik. Diese umfasst die Definition der Marktpflege, die Voraussetzungen der
Ausformulierung der Beschaffungsphilosophie, und die Entscheidungsparameter wie Gewinnung/Erhaltung/
Erhöhung von Leistungsfähigkeit, -willigkeit und Vertragstreue der Lieferanten.
Diese und andere Ansätze lassen jedoch Zweifel daran aufkommen, ob es ein Beschaffungsmarketing überhaupt in
nennenswertem Ausmaß gibt. Denn Marketing ist von der Voraussetzung des Käufermarkts abhängig, d.h., die Nachfrager
„sitzen am längeren Hebel“. Wenn dem aber so ist, ist kaum einsichtig, warum diese Nachfrager Anstrengungen zur
Transaktion unternehmen sollten. Diese wären nur auf Verkäufermärkten erforderlich. Ebenso ist es für einkaufende
Unternehmen nicht erforderlich, Beschaffungsmarketing zu betreiben, können sie doch als Nachfrager unter mehr oder
minder vielen Anbietern auswählen. Eine Ausnahme bilden lediglich die seltenen Fälle, in denen ein Angebotsmonopol
gegeben ist und einkaufende Unternehmen um die Beziehungsaufnahme und -pflege werben müssen.
Aber selbst in diesen Fällen zeigt sich, dass eine einfache Umkehrung des Marketing-Mix-Instrumentariums nicht
zweckadäquat ist. Bei näherem Hinsehen stellt sich freilich heraus, dass Ursache dieses Missverständnisses wieder die
Verwechslung von Absatz und Marketing ist. Denn natürlich gibt es, ebenso wie es Absatz gibt, auch Beschaffung, nur
eben nicht unbedingt Beschaffungsmarketing.
Die Bedeutung der Beschaffung steigt sogar in letzter Zeit erheblich, weil die Fertigungstiefe der Produktion sinkt,
gleichzeitig steigt das Transportaufkommen. Im Industriestandard liegt sie z.B. bereits unter 50 %, d.h. aber, mehr als die
Hälfte des Umsatzes wird durch zugekaufte Waren gebildet und damit auch mehr als die Hälfte des Gewinnpotenzials
im Einkauf erzielt. Dieser in der Vergangenheit eher vernachlässigte Bereich entwickelt sich damit zum Bottle neck. Der
Mikrowagen Smart wird mit einer Fertigungstiefe von nur 18 % produziert, dabei kommen nur noch 107 Bauteile zum
Einsatz, die von sechs Systemlieferanten beschafft, produziert und im Herstellerwerk montiert werden.
Infolge international verflochtener Konzernstrukturen dominieren dabei globale Aspekte. Dazu werden einzelne Teile
spezialisierten Zulieferern zugewiesen und deren Experten-Know-how und Facilitäten dann weltweit genutzt. Und zwar
unter Ausspielung der Nachfragemacht der Einkäufer. Dies resultiert aber nicht nur in niedrigeren Einstandspreisen
(Design to costs, kein Over-engineering), sondern auch in höheren Qualitäts- und Serviceansprüchen. Bei der heute
anzutreffenden, überwiegend vollautomatisierten Fertigung streiken Handhabungsroboter bereits bei Überschreitung
geringster Maßtoleranzen. Hinzu kommt die lagerlose Anlieferung der Waren zum Produktionszeitpunkt (Just in
time). Dies ist oft nur durch Lagerstätten in unmittelbarer Nähe der Abnehmer realisierbar und zwingt Zulieferer
zur Globalisierung. Deshalb werden Lieferanten bereits frühzeitig in den Entwicklungsprozess neuer Komponenten
einbezogen. Das geht bis zur Einbindung in die Datenfernübertragung des Kunden. Fragliche Taktiken betreffen im
übrigen die Ausklammerung von Rüstkosten (Werkzeuge etc.), häufige Besprechungen mit dringlichen Nachfragen, engen
Deadlines und verzögerten Entscheidungen, Kurzzeitverträge mit Option auf Langzeitverträge, chronisch zutagetretende
Unzufriedenheit etc.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
56
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Motivation zu Höchstleistungen winkt dagegen durch Auszeichnungen und langlaufende Abnahmeverträge. Lieferanten
werden zudem zunehmend zur Systemlieferung veranlasst. Dazu wird ein Produkt in Module zerlegt, die von jeweils einem
Systemlieferanten komplett verantwortet werden. Je komplexer die angelieferte Problemlösung ist, desto unentbehrlicher
macht sich allerdings der Lieferant. Je weitreichender er sich aber den Bedürfnissen eines Abnehmers anpasst, desto mehr
wächst auch seine Abhängigkeit von ihm. Denn Kunden unterziehen ihre Lieferanten rigorosen Bewertungsverfahren, die
zum Ausschluss führen, sobald rigide Standards nicht mehr erfüllt werden. Oder dafür sorgen, dass man erst gar nicht in
den Kreis potenzieller Lieferanten aufgenommen wird. Dieses Benchmarking versucht, die jeweils besten Standards im
Unternehmen, beim Wettbewerb, bei Substitutionsgutanbietern, am Markt generell als Maßstab zu setzen.
Ebenso wird angestrebt, wettbewerbsneutrale Teile gemeinsam bei einem Lieferanten einzukaufen, um durch
Auftragskonzentration dort Kostenvorteile zu realisieren. Dies bedeutet einerseits unternehmensübergreifende
Standardisierung, andererseits unternehmensintern ein Gleichteilekonzept mit möglichst später Individualisierung dieser
Teile im Produktionsfortschritt. Unter wettbewerbsneutralen Teilen versteht man solche, die nicht die Kernkompetenz
eines Anbieters repräsentieren. Solche Kernkompetenzen schaffen den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten, leisten
einen signifikanten Beitrag zum wahrgenommenen Kundennutzen und sind nur schwer vom Wettbewerb imitierbar.
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
LOOKING TO DEVELOP YOUR BUSINESS CAREER?
“My strategy class taught and enabled me to use systems and tools e.g. multivariate
decision analysis in my projects. The management lectures at BI provided me with a lot
of useful and applicable tools that I can adapt and use in many situations that I face in
business life today.”
Rudiger Braun, Master of Science in Business and Economics, 2008
Currently employed at Philips Consumer Lifestyle DACH, Executive Assistant to Management
Business & Economics
Strategic Marketing Management
International Marketing & Management
Leadership & Organisational Psychology
Political Economy
Financial Economics
Innovation & Entrepreneurship
For more information, visit www.bi.edu/msc
.bi.edu
for more
APPLY
Visit www.bi.edu for more information.
NOW
EFMD
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
57
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
4.2.2Auftragsvergabe
Oft wird ein Order split vorgenommen, d.h. die Verteilung von gleichartigen Aufträgen auf zwei (Dual sourcing) oder
mehr Lieferanten (Multiple sourcing) zur Risikostreuung oder aus Sicherheitsdenken heraus. Konträr dazu verläuft das
Single sourcing als Konzentration auf nur einen Lieferanten, mit dem verzahnt zusammengearbeitet wird (verlängerte
Werkbank). Damit wird Know-how-Zukauf von Spezialisten als ausgelagerte Forschungs- und Entwicklungs-Kapazitäten
realisiert. Letztlich resultiert daraus ein extremes Lieferantenrisiko, zumal wenn die Zulieferung nur als Ausgleich
organisatorischer Engpässe angesehen wird.
Für eine Bezugsquellenkonzentration (Single sourcing) sprechen folgende Argumente:
• Größere Mengen je Lieferant ergeben eine stärkere Position bei Preisverhandlungen. Es kommt zu einer
Senkung der Transportkosten. Die Gefahr qualitativer Abweichungen bei den beschafften Produkten ist
geringer. Es ist eine leichtere Qualitätskontrolle möglich. Insgesamt sinkt der Beschaffungsaufwand. Die
Kommunikation mit Lieferanten wird durch engere, womöglich langjährige, mit institutionellem und
persönlichem Vertrauen versehene Beziehungen verbessert. Dies führt zur Planungserleichterung. Es kann
Hilfestellung des Lieferanten bei technischer Anwendung, abnehmerbezogener Forschung und sonstigen
Sonderproblemen erwartet werden. Stellt der Abnehmer Werkzeuge, Muster, Formen etc. zur Verfügung,
entsteht Kostenersparnis. Damit kommt es zu einer Senkung des Einstandspreises sowie hoher Qualität der
Vorprodukte durch aktiven Aufbau eines leistungsstarken und innovativen Lieferanten. Dies betrifft eher
Güter höherer Spezifität. Allerdings ist die Gefahr opportunistischen Verhaltens auf beiden Seiten durch
wechselseitige, asymmetrische Informationsverteilung erheblich. Die langfristige Ausrichtung führt zu
Rahmenverträgen mit relativ langer Laufzeit. Insofern ist der Lieferant auch nicht kurzfristig substituierbar,
da hohe Austrittsbarrieren bestehen. Die Gefahr des Produktionsstopp bei Lieferausfall besteht ebenso
wegen hoher gegenseitiger Abhängigkeit.
Für eine Bezugsquellenaufteilung (Multiple sourcing) sprechen folgende Argumente:
• Es entsteht eine Beschaffungsverbesserung durch Reduktion des Versorgungsrisikos infolge Streuung
der Risiken. Der Wettbewerb unter den Anbietern kann zur Verringerung der dort entstehenden
Marktmacht genutzt werden. Eine geringere Abhängigkeit von einem Anbieter schafft höhere Flexibilität,
da die Beziehung nur kurzfristig, also auf einzelne Transaktionen, ausgerichtet ist. Daher gibt es keine
Rahmenverträge oder nur solche mit kurzer Ausrichtung. Evtl. können Kosten auf die Anbieter verlagert
werden, wenn die Stellung des Abnehmers mehreren Lieferanten gegenüber dadurch gestärkt wird und
er zusätzliche Leistungen verlangen kann. Es ergeben sich größere Chancen der Innovation, welche die
Entwicklungsmöglichkeiten kleinerer Anbieter verbessern. Es bestehen keine ökonomischen und moralischen
Verpflichtungen zur weiteren Unterstützung wie bei einem allein von einem Nachfrager abhängigen Anbieter.
Ein niedrigerer Einstandspreis ergibt sich durch Förderung der Konkurrenz unter den Lieferanten, womit
auch eine kurzfristige Substituierbarkeit möglich ist. Dies bietet sich eher für Güter geringer Komplexität und
Spezifität sowie guter marktlicher Verfügbarkeit an. Die Gefahr opportunistischen Verhaltens der Beteiligten
ist wegen der vorhandenen Markttransparenz gering. Da niedrige Austrittsbarrieren bestehen und für neue
Anbieter leichter Markteintritt möglich ist, ist die gegenseitige Abhängigkeit eher gering.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
58
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Eng damit zusammen hängt die Entscheidung zum Global sourcing oder zum Local sourcing. Global sourcing bedeutet,
dass global nach dem einzelnen, für betriebliche Zwecke bestgeeigneten Lieferanten Ausschau gehalten wird, so dass die
Gefahr suboptimaler Auswahl geringer ist. Local sourcing bedeutet, dass, bei räumlich verteilten Betriebsstandorten,
verschiedene Lieferanten gemäß den jeweiligen Anspruchsprofilen der Standorte beauftragt werden. Auf diese Weise
können Synergiepotenziale besser genutzt werden.
Für ein Outsourcing von Leistungen an Lieferanten sprechen vor allem folgende Argumente: Umwandlung von Fixkosten
in variable Kosten, verbesserte Kostentransparenz, stärkeres Kostenbewusstsein im Unternehmen, Entlastung von
Randarbeiten, Verringerung des Personalbestands, Verlagerung von Risiken auf Dritte, Zugang zu speziellem Know-how,
Nutzung von Kernkompetenzen.
Folgende Argumente sprechen vor allem gegen ein Outsourcing: Umstellungskosten, Intransparenz der Wertschöpfung
außerhalb, fehlende Kostensenkungen, schwierig einschätzbare Preisentwicklung, Know-how-Verlust, Bindung an fremde
Technologie, Datenschutzproblematik, langfristige Bindung, mögliche Irreversibilität.
Die Probleme des Outsourcing haben dazu geführt, dass vielfach ehemals an Lieferanten ausgelagerte Bereiche wieder
in das Unternehmen rückgeführt werden (Re-Outsourcing). Wesentlicher Punkt ist dabei die Gefahr der Abkopplung
von der Entwicklung des technischen Fortschritts, die nach einer gewissen Zeitspanne nicht wieder rückgängig gemacht
werden kann, sodass diese Bereich endgültig verloren sind.
Wichtig ist auch die Entwicklung zu einer Hierarchie der Lieferanten, wie sie in der Automobilindustrie weit verbreitet
ist, bei der nur noch die an der Spitze stehenden Systemlieferanten, die in Gesamtsystemen zu denken und handeln, fähig
sind, unmittelbaren Kontakt zum gewerblichen Endabnehmer halten. Diese liefern dann komplexe Leistungseinheiten,
wie
Armaturenbrettinstallationen,
Kühlergrill-/Scheinwerfer-/Stoßfängereinheiten,
Türöffnungs-/-sicherungs-/
Fensterhebesysteme, Audiosysteme, Benzineinspritzung etc., an, die sie jedoch keineswegs komplett selbst herstellen,
sondern ihrerseits von Komponentenlieferanten, die zur Systemintegration fähig sind, in Teileinheiten beziehen und fertig
montieren, z.B. Radio, CD-Laufwerk, Lautsprecher, Einspritzsteuergerät, Benzinpumpe, Motorsensoren. Dabei besteht die
Beziehung nur noch zwischen Komponentenlieferant und Systemabnehmer, nicht aber mehr zum eigentlichen Abnehmer.
Die Aufgabe der zweckmäßigen, d.h. kostengünstigen und leistungsfähigen, Zusammenstellung von Komponenten
verlagert der gewerbliche Endabnehmer so in den Bezugskanal. Komponentenlieferanten wiederum beziehen ihre
Teile von Teilelieferanten mit geringem Entwicklungspotenzial, die sich am Ende der Lieferantenhierarchie enormem
Konditionendruck ausgesetzt sehen und daher zumeist nur noch an kostengünstigen Auslandsstandorten produzieren
können, z.B. Abdeckung für Lautsprecher, Konnektor für Kabelsätze, Befestigungselemente.
Ziel jedes Anbieters muss es nun sein, in der Hierarchie der Lieferanten möglichst weit oben angesiedelt zu werden.
Denn desto werthaltiger wird die dem gewerblichen Endabnehmer gebotene Leistung. Um allerdings eine solche Position
einzunehmen, bedarf es vorab der Übernahme gewaltiger Risiken. Diese bestehen im Aufwand zur Zusammenstellung
eines leistungsfähigen Systems aus Komponenten und Teilen, in der Notwendigkeit zur globalen Ausrichtung analog
zum gewerblichen Endabnehmer und in der daraus entstehenden Abhängigkeit von diesem. Gewerbliche Endabnehmer
bemühen sich, diese Risiken kalkulierbar zu machen, indem sie lebenslange Verträge (Lifetime contracts) abschließen, die
besagen, dass ein Systemlieferant, solange ein bestimmtes Produkt (z.B. Automodell) produziert wird, alleiniger Lieferant
für bestimmte, darin eingebaute Systeme ist.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
59
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Dies ist auch allein schon deshalb sinnvoll, weil diese zumeist nach genauen Spezifikationen des gewerblichen Endabnehmers
von Systemlieferanten weitgehend auf eigene Kosten und Risiken entwickelt, konstruiert und erprobt worden sind, ein
adäquates Know-how dafür also anderweitig kaum verfügbar ist.
Modular sourcing bedeutet eine produktpolitische Strategie, bei der (nur) einzelne Elemente verschiedener Produkte, z.B.
eines Automodells, standardisiert und damit untereinander austauschbar werden. Durch unterschiedliche Kombination
der Elemente und Hinzufügung von Spezialeigenschaften bewirkenden Sonderelementen wird dadurch eine begrenzte
Individualisierung mit kostensparender Varietät erreicht (Baukastensystem). Auf diese Weise wird versucht, die Vorteile
der Standardisierung in der Produktion und denen der Individualisierung im Vertrieb zu kombinieren. Erstere werden
durch vereinheitlichte Basiselemente (Platforms), die in hohen Auflagen produziert werden können, erreicht, Letztere
durch Heterogenisierung spezifischer Ausführungen auf Nachfragebedarfe möglichst spät im Produktionsfluss. In der
Automobilindustrie sind solche Baukästen zwischenzeitlich weit verbreitet. So verfügt Audi über vier Bodengruppen (A
1/3, A 4/5, A 6/7, A/R 8), zwei Antriebsstränge (Vorderachse, Quattro) und sieben Motorengruppen (in 10 PS-Klassen),
die mit unterschiedlichen Aufbauten (Limousine, Coupé, Avant, Cabrio) zu 60 Grundtypen rationell kombiniert werden
können (vertikaler Baukasten). Horizontal, also markenübergreifend, werden sogar konzernweit nur vier Plattformen für
alle Modelle von Volkswagen, Audi, Seat und Skoda vorgehalten (Aoo/Ao, A, B/C, D).
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Treten Sie ein und lernen Sie uns kennen
auf einem unserer Karriereevents.
Deloitte bezieht sich auf Deloitte Touche Tohmatsu Limited,
eine „private company limited by guarantee“ (Gesellschaft mit
beschränkter Haftung nach britischem Recht), und/oder ihr
Netzwerk von Mitgliedsunter­nehmen. Jedes dieser Mitglieds­
unternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig. Eine
detaillierte Beschreibung der rechtlichen Struktur von Deloitte
Touche Tohmatsu Limited und ihrer Mitgliedsunternehmen
finden Sie auf www.deloitte.com/de/UeberUns.
© 2011 Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
60
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Für die Beschaffung bedeutet dies die Zusammenarbeit mit Systemlieferanten (First tiers), die ihrerseits Teilleistungen
von Komponentenlieferanten (Second tiers) zusammenstellen, die ihrerseits wiederum Artikel von Teilelieferanten (Third
tiers) beziehen. Der Abnehmer steht unmittelbar nur in Kontakt mit den First tiers, trägt jedoch durch Zertifizierungen
dafür Sorge, dass auch die Second tiers und Third tiers seinen Anforderungen genügen. Jeder Lieferant steht daher vor
der Entscheidung, sich mit der Bereitstellung auch bislang sachfremder Leistungen zu befassen und damit als kompetenter
Systemlieferant zu qualifizieren oder ins zweite oder dritte Glied zurückzutreten.
Vor allem Third tiers unterliegen extremem Kostendruck, sodass diese praktisch nur noch in Billiglohnländern
bestehen können. Durch diese Aufgabenteilung entsteht eine langfristige, institutionelle Arbeitsteilung innerhalb der
Wertschöpfungskette mit einem führenden Unternehmen als Koordinator rechtlich selbstständiger, wirtschaftlich aber
mehr oder minder abhängiger anderer. Dies führt im extrem bis zur Bildung virtueller Unternehmen, die sich nur mit
dem Aufbau und Unterhalt eines solchen strategischen Netzwerks beschäftigen, aber keinen eigenen Wertschöpfungsanteil
mehr leisten. Ein solches Netzwerk hat Aktoren in Form der Beteiligten und Beziehungen in Form des Leistungsaustauschs
unter ihnen, es kann nach seiner Dichte als Enge der Anbindung, Flexibilität durch festgelegte Arbeitsteilung, Varietät
durch Anpassung an Anforderungen, Veränderlichkeit infolge Austausch einzelner Teilnehmer und seinem Ausmaß als
Anteil am Geschäftsumfang der Beteiligten beschrieben werden.
4.3 Geschäftliche Transaktionen
Geschäftliche Transaktionen sind allgemein dadurch gekennzeichnet, dass ein Kontakt zwischen mindestens zwei
Individuen, auch stellvertretend für Organisationen, in einer zeitlichen Abfolge von Aktionen und Reaktionen bei
Interdependenz der Handlungen der Interaktionspartner erfolgt.
Typisch für organisationale Käufe ist ihre:
• Multitemporalität, d.h., der Kaufentscheid läuft in mehreren Phasen ab, diese sind oft nicht eindeutig
voneinander abzugrenzen, gehen fließend ineinander über, werden aber auch bei Bedarf übersprungen oder
wiederholt.
• Multioperativität, d.h., es ergibt sich eine längere Transaktionsperiode, die sich durchaus über mehrere Jahre
hinziehen kann, und zwar um so länger, je komplexer das jeweils zur Beschaffung anstehende Objekt ist.
• Multiorganisationalität, d.h., es sind mehrere Stellen im Betrieb daran beteiligt, diese werden meist im
Buying center zusammengefasst, wobei im Einzelnen unklar bleiben kann, in welcher Funktion und mit
welchem Einfluss sie darin engagiert sind.
• Multipersonalität, d.h., es sind auch mehrere Personen im Betrieb daran beteiligt, dies folgt logisch aus
der Einbindung mehrerer Stellen, die ja eher arbeitsteilig und weniger in Personalunion wahrgenommen
werden.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
61
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Probleme rühren daher, dass Konflikte zwischen den Entscheidungsbeteiligten entstehen, die Entscheider als interagierendes
Kollektiv auftreten, dabei Rollenstrukturen einnehmen und sich situationsbezogen flexibel verhalten. Solche Konflikte
sind stark bei Entbehrlichkeit gemeinsamer Entscheidungen, Abweichungen der Zielvorstellungen und unterschiedlichen
Wahrnehmungen der Realität. Gemeinsame Entscheidungen sind um so weniger entbehrlich, je stärker die gegenseitige
Abhängigkeit von beschränkten Ressourcen und planerischen Aktivitäten ist. Die Zielvorstellungen werden um so
ähnlicher sein, je kohärenter die Zielplanung erfolgt. Und die Wahrnehmungen werden um so ähnlicher sein, je mehr
die Mitarbeiter durch die gemeinsame Unternehmenskultur geprägt sind.
Geschäftliche Transaktionen sind somit der Spezialfall von Transaktionen, die auf die Klärung von Sachfragen zur
Problemlösung gerichtet sind, sowie auf die Konflikthandhabung durch Festlegung von Leistungen und Gegenleistungen.
Sie sind überwiegend kosten-nutzen-orientiert und werden von den Interaktionspartnern nur fortgesetzt, wenn beide
Seiten aus der Erfahrung ihrer Interaktion heraus das Gefühl haben, für ihr Verhalten belohnt zu werden. Für die Analyse
dieser Interaktion gibt es mehrere Ansätze.
Nach den Akteuren unterscheidet man folgende:
• Personale Ansätze. Sie analysieren den Einfluss von personellen Eigenschaften von Verkäufern und Käufern
(z.B. Ähnlichkeit, Machtsaldo). Einzentrige Willensbildung, die entweder nur auf der Nachfrageseite
(individuell) oder sowohl auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite (dyadisch) vorhanden ist.
Mehrzentrige Willensbildung in Gruppen, die entweder nur auf der Nachfrageseite (vertikal) oder
sowohl auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite (horizontal) vorhanden ist. So geht der dyadische
Ansatz von Ähnlichkeiten in ökonomischen, sozialen und physischen Merkmalen zwischen Anbieter und
Nachfrager als wesentlicher Erfolgsvoraussetzung aus. Der multilaterale Ansatz stellt Hierarchiestrukturen/
Rollenerwartungen und Machtverhältnisse/Beziehungsmuster in den Mittelpunkt der Untersuchung, wobei
auch die Möglichkeit von Koalitionen auf einer Seite denkbar ist.
• Organisationale Ansätze. Sie sind auf bestimmte Rollen ausgerichtet, die in Einkaufs- und Verkaufsgremien
eingenommen werden. Monoorganisationale Ansätze gehen davon aus, dass die Verhandlungsseiten
ungebunden, d.h. rechtlich und wirtschaftlich selbstständig, sind. Dies ist in einer zunehmend
verflochtenen Wirtschaftsstruktur allerdings immer seltener der Fall. Multiorganisationale Ansätze hingegen
berücksichtigen die Einbindung mehrerer Organisationen auf beiden Seiten in Gruppen (z.B. Konsortien).
Die dadurch entstehenden Beziehungen werden in Netzwerkansätzen untersucht, die Organisationen als
Systeme auffassen, die durch ihre Elemente Beziehungen untereinander und zur Umwelt haben, wobei
mehrere Transaktionsepisoden, wie Anfragen-/Vorstudienphase, Angebotsphase, Nachverhandlungsphase,
Lieferphase, Gewährleistungsphase, vorausgesetzt werden.
Nach den Einflussgrößen unterscheidet man folgende:
• Strukturelle Ansätze. Sie stellen Organisationsmerkmale in den Vordergrund und nehmen Beziehungen
zwischen Organisationen und deren Umweltbeziehungen in die Untersuchung mit auf. Dadurch wird der
Komplexität der Wirtschaftsrealität besser Rechnung getragen.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
62
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
• Prozessuale Ansätze. Sie richten ihr Interesse auf bestimmte Phasen des Transaktionsprozesses, die sich
gegenseitig abgrenzen. Sie stellen somit eine Abfolge von Transaktionsepisoden dar. Dabei ist auch der
ablaufbezogene Verhandlungsstil von Bedeutung.
4.4Kaufsituation
4.4.1Kauftypen-Ansatz
Im organisationalen Bereich ergeben sich drei Typen von Kaufentscheidungen (Robinson/Faris/Wind). Beim Erstkauf
(New task) stehen die Beteiligten vor einer völlig neuen Problemstellung, bei der bisherige Erfahrungen wenig
helfen. Dementsprechend besteht großer Informationsbedarf. Erstkäufe lassen sich kennzeichnen durch individuelle
Kaufprozesse, die neuartig sind, deren Leistungsinhalt und -umfang also jeweils neu festgelegt werden muss, die extensive
Entscheidungsprozesse darstellen, bei denen regelmäßig ein vergleichsweise hoher Auftragswert gegeben ist und bei denen
eine einzelfallabhängige Lieferantenbewertung erfolgt. Es ist ein neues, vorher nicht gegebenes Problem mit oft noch
sehr wenig strukturiertem Bedarf vorhanden. Der Anstoß zum Kauf kann von außerhalb der Unternehmung kommen
oder auf interne Anregung. Es gibt nur geringe oder keine diesbezügliche Käufererfahrung. Daraus resultieren ein hohes
Informationsbedürfnis und die Notwendigkeit, alternative Problemlösungen und alternative Anbieter zu suchen. Neukäufe
treten unregelmäßig auf, sind aber von großer Bedeutung für nachgelagerte Entscheidungen.
Der modifizierte Wiederholungskauf (Modified rebuy) ist seiner Art nach nicht neu, weicht jedoch von Erfahrungswerten
ab. Daher müssen ergänzende Informationen eingeholt werden. Der Kaufentscheid ist nicht innovativ, wie beim Erstkauf,
aber auch nicht routinisiert, wie beim reinen Wiederholungskauf. Man kann daher von einem adaptiven Verhalten
sprechen. Es liegen bekannte Kaufalternativen vor, die sich aufgrund äußerer Ereignisse oder interner Einflüsse geändert
haben, so dass zusätzlicher Informationsbedarf besteht. Der Kaufprozess wird dazu nur teilweise wieder aufgerollt. Insofern
ist der Informationsbedarf auf die Unterschiede zu den bereits bekannten Produkten reduziert.
Beim reinen Wiederholungskauf (Straight rebuy) handelt es sich um wiederkehrende Problemstellungen bei völlig
ausreichender Informationslage. Solche Routinetransaktionen sind charakterisiert durch habitualisierte Kaufprozesse,
die sich vergleichsweise häufig wiederholen, im Rahmen derer dieselben, normierten und ggfs. vorproduzierten
Leistungen nachgefragt werden, die eine vergleichsweise geringe Komplexität aufweisen, bei denen ein vergleichsweise
geringer Auftragswert gegeben ist und eine Neubewertung von Lieferanten nur vergleichsweise selten geschieht (z.B.
bei Nachbestellungen). Daher ist kaum noch Informationssuche notwendig. Der Lieferant stammt aus dem Kreis von
Anbietern, mit denen bereits Geschäftsbeziehungen bestehen. Dazu besteht explizit oder implizit eine Liste der möglichen
Lieferanten. Neue Lieferanten werden nicht berücksichtigt. Die Käufer haben Erfahrungen und benötigen wenig neue
Informationen. Kaufobjekt, Preis, Lieferzeit etc. können in diesem Rahmen durchaus variieren, und zwar von Kauf zu Kauf
solange, bis sich die Aufgabe so verändert hat, dass eine neue Lieferquelle in die Überlegungen aufgenommen wird. Der In
supplier ist an der Aufrechterhaltung bestehender Geschäftsverbindungen zum Abnehmer interessiert, an der Erhöhung der
Lieferantentreue seitens des Nachfragers und an der mengen- und wertmäßigen Ausweitung des Transaktionsvolumens.
Persönliche Beziehungen spielen hier eine kaum zu unterschätzende Rolle angesichts objektiv zunehmend vergleichbarer
Angebote. Dabei sieht er sich der kontinuierlich vorgetragenen Verdrängungsversuche von Out suppliers gegenüber. Der
Out supplier ist an der Änderung des Interaktionsverhaltens zwischen Nachfrager und Lieferant interessiert. Er will eine
In supplier-Position erreichen und dazu bestehende In suppliers verdrängen. Er ist an einer Bekanntheitsgradsteigerung
seines Angebots und an dessen positiver Beurteilung interessiert. Er wirkt auf die Neubewertung der Lieferanten hin und
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
63
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
auf eine zumindest probeweise Aufnahme von Geschäftsbeziehungen.
4.4.2Kaufphasen-Ansatz
Eindimensionale Prozessmodelle untersuchen den industriellen Kaufentscheidungsablauf zumeist in acht Stufen
(Robinson/Faris/Wind):
• Antizipation der Wahrnehmung eines Problems und Erkennung einer allgemeinen Lösungsmöglichkeit,
• Feststellung und Beschreibung der Eigenschaften und Mengen der benötigten Artikel,
• Suche und qualitative Einschätzung potenzieller Bezugsquellen,
• Einholung und Analyse von Vergleichsangeboten,
• Bewertung der Angebote,
• Auswahl des Lieferanten,
• Festlegung eines Bestellverfahrens,
• Leistungsfeedback (Eignungsprüfung) und Neubewertung.
Daneben gibt es zahlreiche weitere Kaufphasenkonzepte, die sich aber kaum davon unterscheiden. Wichtig ist die
Verhaltensweise der Entscheider in den jeweiligen Phasen. Allerdings sind die Phasen weder generalisierbar noch sind
Überschneidungen und Rückkopplungen auszuschließen. Jedoch ist die Chronologie der Abfolge recht anschaulich und
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
daher für didaktische Zwecke gut geeignet.
/FVF8FHF[VSOBDIIBMUJHFO.PCJMJUjU
.JU*IOFO
'SEFOCFTUFO8FHJOEJF;VLVOGUEFS.PCJMJUjUIBCFOXJSFJOFOFJO[JHBSUJHFO,PNQBTT
EJF*EFFOVOTFSFS.JUBSCFJUFSJOOFOVOE.JUBSCFJUFS%VSDIEJF'jIJHLFJUFOKFEFT&JO
[FMOFOVOEEJF.zHMJDILFJUTJDITUjOEJHXFJUFS[VFOUXJDLFMOFOUTUFIFOJOEFO5FBNT
[VLVOGUTGjIJHF1SPEVLUFVOEVOLPOWFOUJPOFMMF-zTVOHFO/JDIUOVSJOEFS'PSTDIVOHVOE
&OUXJDLMVOHTPOEFSO[#BVDIJOEFS1SPEVLUJPO-PHJTUJLJN7FSUSJFC&JOLBVGPEFSJO
EFS*OGPSNBUJPOTUFDIOPMPHJF/VSTPCFS[FVHFOXJSVOTFSF,VOEFOBVDIXFJUFSIJONJU
"VUPNPCJMFOEJFJOQVODUP,PNGPSU4JDIFSIFJUVOE7FSCSBVDIEJF3JDIUVOHWPSHFCFO
*IS8FHJOEJF;VLVOGUTUBSUFUIJFS*OFJOFN,PO[FSOJOEFNBMMFTNzHMJDIJTUXFJM4JFFT
NzHMJDINBDIFO
+FU[UCFXFSCFOVOUFS
XXXDBSFFSEBJNMFSDPN
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
64
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
4.4.3 Buygrid-Ansatz und weitere Ansätze
Werden neben den Phasen auch noch die Rollen der daran jeweils dominant Beteiligten und die Kauftypen unterschieden,
ist ein zweidimensionales Buygrid-Ansatz gegeben. Dabei werden folgende Phasen des Kaufs unterschieden:
• Problemwahrnehmung, Zuordnung von Verantwortung und Kompetenz für die Kaufentscheidung
innerhalb der Organisation, Suchprozesse zur Identifizierung von Angeboten und für die Festlegung von
Entscheidungskriterien, Auswahlverfahren für die Prüfung und Entscheidung hinsichtlich der Alternativen.
Zusätzlich werden die verschiedenen Kauftypen (Erstkauf, modifizierter Wiederkauf, reiner Wiederkauf) einbezogen. Im
Ergebnis können dann die Funktionsträger (Geschäftsführung, Techniker, Einkäufer, zertifizierter Lieferant) gemäß Phasen
und Kauftypen zugeordnet werden. Dies schafft zwar eine starke Klassifikation, jedoch zu Lasten der Übersichtlichkeit,
ohne dabei wirklich realitätsnah zu sein.
Eine weitergehende dreidimensionale Typologisierung (Kirsch/Kutschker) stellt neben die Neuartigkeit der
Problemdefinition den organisatorischen Wandel und den Wert des Beurteilungsobjekts (jeweils gering, mittel, hoch).
Daraus lassen sich dann drei Typen von Beschaffungsentscheidungen ableiten:
• Typ A für sehr einfache Bestellvorgänge: reiner Wiederholungskauf, geringer organisatorischer Wandel,
geringer Wert des Beurteilungsobjekts,
• Typ C für extrem komplexe, hochbedeutsame Bestellvorgänge: Erstkauf, großer organisatorischer Wandel,
hoher Wert des Beurteilungsobjekts,
• Typ B für alle Zwischenformen.
Eine andere Unterscheidung betrifft
• Produkte vom Typ 1, die häufig bestellt werden, keine besonderen Analysen erfordern und keine
nennenswerten Probleme erwarten lassen,
• Produkte vom Typ 2, die nach Auffassung der Entscheider für den jeweiligen Zweck klar geeignet sind, für
deren Einsatz im Unternehmen aber besondere Maßnahmen (z.B. Schulung) notwendig sind,
• Produkte vom Typ 3, bei denen Zweifel an ihrer technischen Eignung und Leistungsfähigkeit für den
Einsatzzweck bestehen,
• Produkte vom Typ 4, die interne Probleme mit sich bringen können (z.B. in Bezug auf Kultur und Politik).
Ein induktives Modell der Lieferantenauswahl besteht aus folgenden Einzelelementen:
• Protokollanalyse, d.h. dem Notieren sämtlicher Gedanken während des Beschaffungsentscheidungsprozesses,
wobei eine zusätzliche Systemanalyse durch Interviews mit Entscheidungsträgern über die Vernetzung von
Teilentscheiden erreicht wird,
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
65
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
• direkte Beobachtung, d.h. während der Entscheidungsfindung wird das beobachtbare Verhalten der
Entscheidungsträger registriert,
• Dokumentenanalyse, d.h. Ergänzung dieser Erkenntnisse um eine Durchsicht von Protokollen und
Geschäftspapieren.
4.5 Vertikale Partialmodelle
Zur Erklärung des organisationalen Beschaffungsverhaltens werden, je nachdem, ob nur Ausschnitte erklärt oder ganze
Systeme von Einflussfaktoren abgebildet werden sollen, Partial- und Totalmodelle unterschieden, deren Elemente die
Determinanten der Einkaufsentscheidung sind. Zu den Partialmodellen gehören Phasenansätze, Einflusserklärungsansätze
und Determinanten des organisationalen Kaufprozesses, vor aller aber das Buying center-Konzept und die Promotorenund Reagierer-Konzepte.
4.5.1 Buying center-Konzept
Einkaufsentscheidungen ab einer gewissen Größenordnung werden typischerweise nicht mehr von Einzelpersonen
getroffen, sondern von Einkaufsgremien, weil die damit verbundene Verantwortung für eine einzelne Person als zu
empfunden wird. Diese Gremien, Buying centers, bestehen aus unterschiedlichen Personen, die verschiedene Funktionen
wahrnehmen. Denkbar ist aber auch, dass ein Mitglied mehrere Funktionen gleichzeitig oder nacheinander übernimmt
oder mehrere Mitglieder dieselbe Funktion übernehmen. Einzelne Funktionen können auch von externen Dritten
übernommen werden.
Folgende Typen lassen sich im Buying center (Webster/Wind) als hybrider Organisationsform, die nicht eigens
aufbauroganisatorisch verankert ist, unterscheiden:
• Der Vorselektierer (Gatekeeper) übernimmt die Informationssammlung, die Identifikation der in Betracht
kommenden Kaufalternativen und trifft damit die Entscheidungsvorbereitung. Informationen, die diese
Schleuse nicht passieren können, gelangen damit erst gar nicht zur engeren Beurteilung. Daher ist es für
Verkäufer hoch bedeutsam, sicherzustellen, dass Informationen, die Entscheidungsgrundlage sind, auch
tatsächlich im Buying center ankommen. Die Funktion des Gatekeeper wird häufig von einer Stabsstelle
übernommen, dies kann aber auch die Sekretärin sein.
• Der Entscheider (Decider) übernimmt die Letztauswahl des Kaufobjekts bzw. dessen Lieferanten. Dabei
handelt es sich meist um eine Person in leitender Stellung (Positionsmacht), welche die vorgeleistete
Gremiumsarbeit durch ihr Votum sanktioniert. Je nach Einmischungsgrad in die operative Ebene übt
sie mehr oder minder großen formalen Einfluss auf die Beschaffungsentscheidung aus. Sie erteilt die
Kaufgenehmigung, verwaltet einen eigenen Etat und verfügt über Budgets, sie kann Mittel freigeben und
hat eine Veto-Macht. Der Entscheider konzentriert sich gemeinhin auf die Auswirkungen des Kaufs auf das
Unternehmen und das Geschäftsergebnis.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
66
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
• Der Einkäufer (Buyer) trifft die Vorauswahl der Lieferanten, indem eine Transaktion ausgeschrieben und
potenzielle Partner zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Er schließt außerdem formal den Kaufvertrag
ab, führt die Nachverhandlungen en detail und überwacht die Kaufabwicklung incl. aller Vor- und
Nacharbeiten. Oft hat der Einkäufer bei hochspezialisierten Kaufobjekten lediglich administrative Funktion.
Er gehört der Einkaufsabteilung an und erledigt Routinetransaktionen auch allein.
• Der Anwender (User) bringt den Kaufentscheidungsprozess in Gang, indem er einen empfundenen
Mangelzustand signalisiert. Er definiert Anforderungsmaßstab und Verfügbarkeitstermin. Außerdem
beurteilt er nachher die Eignung der gekauften Betriebsmittel. Denn er ist Erfahrungsträger im Hinblick auf
die Produktqualität, sein Einsatzverhalten ist wichtig für die gesamte Beschaffungsaktion. Er ist persönlich
durch die Anschaffung betroffen, sowohl bei Erfolg wie bei Misserfolg. Folglich konzentriert er sich auf die
Funktionserfüllung und will konkrete Nutzen haben. Gelegentlich wird hiervon die Funktion des Auslösers
(Initiator) unterschieden. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Bedarfsmeldung nicht vom Verwender
selbst, sondern von einer anderen Stelle ausgeht.
• Der Beeinflusser (Influencer) nimmt durch Fachkompetenz Einfluss auf die Beurteilung der Kaufobjekte
und die Entscheidung zugunsten einer Alternative. Oft handelt es sich dabei um einen externen Berater
oder Mitarbeiter einer internen Service-Abteilung, der nicht unmittelbar von den Konsequenzen des Kaufs
betroffen ist und deshalb vermeintlich vorurteilsfrei werten kann.
Problematisch ist dabei zumeist, dass die den einzelnen Funktionen zugehörigen Personen nicht vorab identifiziert werden
können und deren tatsächlicher Entscheidungsanteil verschwommen bleibt, obgleich diese Informationen gerade von
höchster Bedeutung sind. Gemeinhin wird eine eher rationale Entscheidungsfindung unterstellt, obgleich dies in praxi
stark anzuzweifeln ist.
4.5.2Potenzial-Konzept
Bei Kaufentscheidungen in Organisationen lassen sich unterschiedliche Rollenauffassungen feststellen. Das PotenzialKonzept (Witte) unterscheidet dabei zwischen Promotoren als Machtpromotoren und Fachpromotoren (sog. Champion
power). Es basiert auf einer Untersuchung zur Durchsetzung von Innovationen, gegen die sich technologische, ökonomische
und umfeldbezogene Widerstände ergeben, z.B. Willensbarrieren aus weltanschaulichen, sachlichen oder persönlichen
Gründen. Promotoren fördern Veränderungen, Opponenten behindern, d.h. verhindern, verzögern oder fraktionieren,
Veränderungen.
Machtpromotoren verfügen aufgrund ihrer hierarchischen Stellung in der Organisation über Entscheidungsmacht. Sie sind
intern legitimiert, Vertragsabschlüsse bindend zu tätigen. Sie können Vorgänge durch Anordnung, Sanktion gegenüber
„Bremsern“ und Unterstützung treibender Kräfte in Richtung und Tempo maßgeblich beeinflussen. Sie haben dabei
weniger technisch-organisatorische Details im Sinn als vielmehr deren Auswirkungen auf das Unternehmen insgesamt.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
67
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Fachpromotoren zeichnen sich, unabhängig von ihrer hierarchischen Stellung, durch spezifisches Wissen aus. Sie
nehmen aufgrund fachlicher Legitimation auf die Entscheidung Einfluss. Fachpromotoren sind typischerweise im Middle
management angesiedelt. Promotoren sind Personen, die einen Beschaffungsprozess initiieren und bis zum Schluss aktiv
und intensiv fördern. Der Promoter ist also eher jemand, der Initiative ergreift, sich engagiert, als jemand, der nur mit
Umsicht und Gelassenheit seine Pflicht erfüllt und einschlägige Vorschriften beachtet.
Selten treten Macht- und Fachpromotoren in Personalunion auf. Macht- und Fachpromotoren können aber gemeinsam
auftreten, was ihnen besondere Effektivität verleiht. Gelegentlich werden Prozesspromotoren ergänzt, die für die Durchsetzung
von Entscheidungen in der Organisation Sorge tragen. Sie wirken mittels Kenntnis der organisatorischen Prozesse ein.
Opponenten (sog. Veto power) hemmen den Innovationsprozess bei der erstmaligen Anschaffung neuer Einkaufsobjekte
ebenso wie Promotoren ihn fördern. Folglich unterscheidet man Machtopponenten (qua hierarchischer Stellung),
Fachopponenten (qua Spezialistenwissen) und Prozessopponenten (qua Kenntnis interner organisationaler Abläufe). Wer
im spezifischen Fall freilich Opponent und wer Promotor ist, ist vom Standpunkt des Betrachters abhängig.
4.5.3Reagierer-Konzept
Das Reagierer-Konzept unterscheidet zwischen den Prototypen des Clarifier und des Simplifier. Der Clarifier als
„zerlegender“ Faktenreagierer ist für die Einkaufsentscheidung an möglichst viel Information interessiert, die er
dann sichtet und verarbeitet, um zu einem fundierten Ergebnis zu gelangen. Ihn ist an einer möglichst vollständigen,
abgerundeten Beurteilung hinsichtlich der angebotenen Produkte für sich selbst gelegen. Dabei werden alle für die
Anwendung im Unternehmen relevanten Gesichtspunkte geprüft, um das Entscheidungsrisiko zu senken. Wichtig ist
daher eine detaillierte, aussagefähige, schriftliche und/oder mündliche Argumentation.
Dem Simplifier als „sammelndem“ Imagereagierer ist hingegen gleich an verdichteten Informationen gelegen, die für
ihn einfach zu verarbeiten sind. Es kommt also nicht auf die Vollständigkeit der Informationen an, sondern nur auf die
Vorlage als wichtig erachteter Schlüsselinformationen, die einen Gesamteindruck über die angebotenen Alternativen
erlauben. Dabei ist jeweils der Nutzen aus dem Einsatz der anzuschaffenden Produkte zu betonen.
Als Mischtyp aus beiden gilt der Reaktions-Neutrale. Ihm ist an einer ausgewogenen Relation aus punktuell vertiefenden
Informationen bei gleichzeitiger Wahrung eines gesamthaften Überblicks gelegen.
4.5.4Segmentierung
Die Zielgruppendefinition kann einstufig oder mehrstufig erfolgen, sukzessiv oder simultan nach mindestens drei
Prinzipien. Der zweistufige Ansatz unterscheidet in eine Makrosegmentierung der Beschaffungsorganisation und eine
Mikrosegmentierung der Mitglieder dieser Organisation.
Der dreistufige Ansatz kennt folgende Ebenen:
• Ebene: Organisationsbezogen/Umwelt wie Betriebsform, Zentralisation, Beschaffungsregeln etc.,
• Ebene: Entscheidungskollektiv wie Buying center-Größe, Buying center-Zusammensetzung etc.,
• Ebene: Individuumsbeteiligung wie Informationsverhalten, Einstellungen etc.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
68
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Der fünfstufige Ansatz (Nested approach) unterscheidet schließlich:
• demographische Merkmale der beschaffenden Organisation,
• die Geschäftstätigkeit der beschaffenden Organisation beschreibende Variable,
• formelle/informelle Vorgehensweise in der Beschaffung,
• Merkmale der Beschaffungssituation,
• persönliche Charakteristika der beschaffenden Personen.
In jedem Fall geht es bei Gruppenentscheidungsprozessen darum, festzustellen, wer genau an einer Kaufentscheidung
beteiligt ist (Name, Funktion, Position, Rolle etc.). Weiterhin müssen die Kommunikationsstruktur im Netzwerk, die Art
der Kommunikation (einseitig/zweiseitig) und die Position (isoliert, verbunden, Brücke, Zentrale, Randfigur, Gatekeeper,
Meinungsführer etc.) identifiziert werden. Dazu sind die Konflikte zwischen Personen und Gruppen im Netzwerk ebenso
zu analyisieren wie deren Macht und Einfluss (Machtbasen, individuelle Taktik der Einflussnahme etc.). Daraus leitet sich
schließlich der Versuch einer Prognose der Kaufentscheidung ab.
4.6 Horizontale Partialmodelle
4.6.1 Selling center
Bei den horizontalen Partialansätzen geht es nicht mehr nur um die Betrachtung nur einer Organisationsseite, sondern
um die wechselseitige Beziehung zwischen Anbieter- und Nachfragerseite. So steht dem Buying center auf Einkaufsseite
meist ein Selling center auf Verkaufsseite gegenüber. Zum Selling center gehören für gewöhnlich folgende Teilnehmer:
• Techniker (als Äquivalent zum User),
• Schlüsselkundenberater (als Äquivalent zum Buyer),
• Anwendungsberater (als Äquivalent zum Influencer),
• Außendienstler (als Äquivalent zum Gatekeeper),
• Geschäftsführer (als Äquivalent zum Decider).
Auf Handelsseite sieht sich ein derart besetztes Selling center meist einem folgendermaßen besetzten Buying center
gegenüber:
• Ressorteinkäufer (in der Funktion des User),
• Chefeinkäufer (in der Funktion des Buyer),
• Vertriebsleiter (in der Funktion des Influencer),
• Verkaufsförderer (in der Funktion des Gatekeeper),
• Geschäftsführer (in der Funktion des Decider).
Als strategische Verhaltensalternativen stehen dabei, je nach relativer Stärke der Seite, der Kampf bei beidseitiger Dominanz,
die Abstimmung bei beidseitiger Subordination, die Anpassung oder die Umgehung, jeweils bei einseitiger Dominanz
bzw. Subordination, zur Verfügung.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
69
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
4.6.2Bonoma/Zaltman/Johnston-Modell
Im Modell von Bonoma/Zaltman/Johnston wird die industrielle Beschaffung als multiorganisationaler Austauschprozess
aufgefasst. Dabei wird unterstellt, dass Personen in sozialen Austauschbeziehungen solchen Transaktionen den Vorzug
geben, bei denen sie auf kurze oder lange Sicht eine äquivalente Gegenleistung zur eigenen Leistung zu erhalten erwarten.
Es gibt vier Austauschbeziehungen:
• Die Mitglieder des Buying center erbringen für ihr Unternehmen die Leistung, den Einkauf zieladäquat
durchzuführen und damit zur Lösung des anstehenden Problems beizutragen. Dafür beziehen sie Gehalt.
• Der Verkäufer bietet den Mitgliedern des Buying center Information und Beratung an. Wenn es zum Kauf
kommt, wird ihm dafür der Abschluss als Erfolg zugerechnet, was wiederum direkt einkommenswirksam ist.
• Die Austauschbeziehung zwischen Verkäufer und dem Unternehmen, für das er tätig ist, besteht darin, dass
der Verkäufer im Sinne des Unternehmens Verkaufsanstrengungen unternimmt und dafür entlohnt wird.
• Zwischen verkaufendem und beschaffendem Unternehmen schließlich findet der Austausch von zu
erbringender Leistung und vereinbarter Bezahlung statt.
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Diese Beziehungen werden noch durch wechselseitige Vorstellungsbilder beeinflusst.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
70
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
4.7Totalmodelle
Totalmodelle streben eine vollständige Erfassung aller Faktoren an, welche die unternehmerische Kaufentscheidung
beeinflussen. Die Modelle von Webster/Wind und Sheth sind Strukturansätze, das Modell von Choffray/Lilien ist ein
Prozessansatz.
4.7.1Webster/Wind-Modell
Hierbei werden vier hierarchische Ebenen, die Umwelt, die Organisation, die Gruppe und das Individuum, als
Einflussgrößen für den Kaufentscheid angesehen:
• Zu den umweltbedingten Determinanten gehören physikalische, technologische, ökonomische, politische,
gesetzliche und kulturelle Faktoren. Deren Einfluss geht von Institutionen aus, die Macht ausüben, also
Lieferanten, Kunden, Konkurrenten, Staat und Gewerkschaften. Physische, technologische und ökonomische
Umweltvariablen bestimmen vor allem die Nachfrage nach Gütern und Diensten. Die ökonomischen und
politischen Faktoren sind bestimmend für die allgemeine Geschäftslage. Außerdem stellen Werte und
Normen als kulturelle Faktoren Restriktionen dar, vor allem in Form von Gesetzen.
• Organisationale Bedingungen berücksichtigen die Einbindung der Kaufentscheider in Organisationen,
die von Zielen gelenkt und von finanziellen, technologischen und menschlichen Ressourcen begrenzt
werden. Zu den Organisationsbedingungen gehören insofern Arbeitsklima, Technologie, Ökonomie und
Unternehmenskultur.
• Interpersonelle Determinanten ergeben sich aus den Gruppenprozessen des verantwortlichen
Einkaufsgremiums. Die Rolleninhaber haben individuelle Zielvorstellungen, die sie zu realisieren suchen.
Dabei werden Macht- und Autoritätsverhältnisse wirksam. Zu diesen Gruppenbedingungen gehören
aufgaben- und nicht-aufgabenbezogene Tätigkeiten, Interaktionen und Gefühle.
• Intrapersonelle Determinanten betreffen das Individualverhalten, das hinter dem Gruppenverhalten
steht. Es ist von der Motivation gekennzeichnet, die von einer komplexen Kombination individueller und
organisationaler Ziele ausgeht. Zu diesen Individuumsbedingungen gehören Motivation, Lernen, Kognition,
Rollenverhalten und Persönlichkeit.
Dieser mehrstufige Erklärungsansatz von Webster/Wind macht deutlich, dass eine Beeinflussung des organisationalen
Beschaffungsverhaltens nur möglich ist, wenn das Einkaufs- und Informationsverhalten transparent gemacht wird. Dabei
reicht eine bloße Betrachtung des Ergebnisses nicht aus, vielmehr muss der Prozess analysiert werden, der zu dieser
Wahlhandlung führt.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
71
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
4.7.2Sheth-Modell
Hierbei erfolgt eine Integration partialanalytischer Erklärungsansätze in einem System. Dessen Elemente sind die am
Kaufprozess beteiligten Personen, der Beschaffungsentscheidungsprozess und die Konfliktlösung. Der Kaufprozess wird
danach von Erwartungen verschiedener Personen beeinflusst, die von ihrer persönlichen Ausbildung, ihrem Rollenverhalten
und ihrem Lebensstil geprägt sind. Daneben wirken die für die aktive Informationssuche zur Verfügung stehenden Quellen
und die Zufriedenheit mit den bisherigen Käufen auf die Erwartungen ein. Zusätzlich üben produktbedingte Faktoren, wie
Zeitdruck, empfundenes Risiko, Kaufklasse etc., und unternehmensspezifische Faktoren, wie Ziele, Größe, Organisationsform
etc., Einfluss aus. Als Störgrößen wirken situative Faktoren wie Streiks, Maschinenschäden, Preisänderungen etc. Die
Konflikthandhabung und -lösung wird durch rationale Argumentation oder Überzeugung erreicht.
Kritikpunkte machen dabei vor allem an folgenden Aspekten fest: Die zeitliche Erstreckung des Kaufprozesses bleibt
unberücksichtigt. Leistungsspezifische Bestimmungsfaktoren (z.B. Services) gehen nicht in das Modell mit ein. Als Phasen
des Kaufprozesses sind nur Informationssuche und Entscheidung explizit erfasst. Die Gewichtung der Einflussaktoren ist
unklar. Ebenso bleibt die Messung der Faktoren unklar. Es fehlt die Berücksichtigung der Interaktion zwischen Anbieter
und Nachfrager.
4.7.3 Weitere Modelle
Das Konzept von Choffray/Lilien besteht, im Sinne der Reduzierung, nur aus den Hauptstufen Eliminierung von Alternativen,
die den Unternehmensanforderungen nicht entsprechen, Präferenzbildung bei den einzelnen Entscheidungsträgern und
Präferenzbildung in der Organisation insgesamt.
Ausgangsbasis sind eine bestimmte Anzahl erwogener Alternativen, die aus den Informationsquellen der Mitglieder des
Buying center resultieren. Umweltrestriktionen und Anforderungen des Unternehmens reduzieren diesen Set auf die
realisierbaren Alternativen. Für diese entwickeln die einzelnen Mitglieder des Buying center individuelle Präferenzen.
Die daraus entstehende Gruppenentscheidung beruht auf deren Aggregation und Gewichtung. Die Operationalisierung
erfolgt durch Bewusstseins-, Akzeptanz-, Bewertungs- und Gruppenentscheidungs-Modelle.
Zwar sind auf relativ wenige Einflussgrößen reduzierte Modellierungen eher praktikabel als eine Vielzahl kaum
überschaubarer Größen umfassende Ansätze. Doch bleibt die Frage, ob eine derart reduzierte Form wirklich die
Haupteinflussgrößen repräsentiert oder nicht doch wesentliche Faktoren ausgelassen werden.
Das Matbuy-Konzept (Möller) richtet sich auf die Entwicklung eines umfassenden Modells des Materialeinkaufs, auf
die Identifikation und Abwägung relevanter Einflussfaktoren und auf die Entwicklung von Vorschlägen zu dessen
empirischer Überprüfung. Die Stufen umfassen die Anregung zum Einkauf, die Bildung von Bewertungskriterien, die
Informationssuche, die Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Lieferanten, die Bewertung der Angebote,
die Verhandlungen, die Lieferantenauswahl und die Realisierung dieser Wahl. Einflussfaktoren darauf sind allgemeine
Faktoren wie Politik, Konjunktur, Technologie etc., spezielle externe Faktoren wie Beschaffungsmarkt, neutrale und
käuferdominierte Informationsquellen etc., das kaufende Unternehmen hinsichtlich Kultur, Führungsstil, Produktionstyp
etc. und interne Faktoren wie Einkaufsorganisation, Kaufprozess-Typ etc.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
72
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
4.8Interaktionsansätze
Hiebei liegen nicht mehr Reaktionsschemata, wie bei S-R oder S-O-R-Modellen, sondern wechselseitige Beeinflussungen
zugrunde und nicht mehr nur eine vertikale monoorganisationale Betrachtung nur der Anbieter- (z.B. Buying center) oder
nur der Abnehmerseite (z.B. Selling center), sondern vielmehr die horizontale Betrachtung der Interaktion von Anbieterund Abnehmerseite. Die Austauschbeziehungen stehen im Mittelpunkt der Analyse. Aus der Abfolge von Interaktionen
entstehen dann Geschäftsbeziehungen.
4.8.1Relationen-Konzept
Zwei oder mehr Partner orientieren dabei ihre verbalen und nonverbalen Aktionen sinngemäß aneinander, wobei ihre
Aktion und Reaktion interdependent sind. Zwischen den Beteiligten entsteht ein zeitlich begrenztes, aufgabenorientiertes
Zwischensystem aus Mitgliedern der kaufenden und der verkaufenden Seite als Transaction center. Untersuchungen
beziehen sich auf Verlauf oder Ergebnis von Transaktionsprozessen durch die Beziehungen zwischen den beteiligten
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Parteien.
our ambition!
Copenhagen Master of Excellence
are two-year master degrees taught
in English at one of Europe’s leading
universities
Come to Copenhagen - and aspire!
PHARMACEUTICAL
SCIENCES
LIFE SCIENCES
SCIENCE
COPENHAGEN
RELIGIOUS STUDIES
LAW
Apply now at www.come.ku.dk
SOCIAL SCIENCES
HUMANITIES
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
73
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Meist handelt es sich bei entsprechenden Studien um Strukturansätze als statisch erfasste Beziehungsmerkmale zu einem
Zeitpunkt. Prozessansätze hingegen sind komparativ-statisch und vergleichen Veränderungen im Zeitablauf. Werden zwei
Partner analysiert, handelt es sich um dyadische Beziehungsmuster, bei mehr als zwei Partnern um multilaterale. Handelt
es sich bei den Parteien um Personen, spricht man von personenbezogenen Ansätzen, handelt es sich um Organisationen,
spricht man von organisationsbezogenen Ansätzen. Daraus entstehen vier Kombinationen:
• Bei dyadisch-personalen Interaktionsansätzen stehen Matching-Studien im Vordergrund, d.h. Ähnlichkeiten
zwischen Käufer und Verkäufer. Danach ist derjenige Verkäufer am erfolgreichsten, der dem jeweiligen
Käufer am Ähnlichsten ist. Daraus kann man schließen, sich im Verkaufsgespräch durch kongruentes
Rollenverhalten an den Käufer anzupassen (Adaptive selling) oder Verkäufer organisatorisch nach Affinität
zuzuordnen (Kundenorganisation). Es können aber auch die Machtbeziehungen in der personalen Dyade
untersucht werden, dabei erfolgt die Beeinflussung durch eine Kombination aus Kompetenz und Sympathie.
Nur Kompetenz („Der ekelhafte Könner“) oder nur Sympathie („Der nette Taugenichts“) reichen nicht aus.
Auch ist der Verkaufserfolg vom Involvement der Verhandlungspartner abhängig, je höher dieses ist, sei es
aus Eigenmotivation oder äußerem Druck, desto wahrscheinlicher ist ein Erfolg.
• Bei multilateral-personalen Interaktionsansätzen wird untersucht, inwieweit Statusprobleme mit der
hierarchischen Struktur der Beteiligten auf beiden Seiten entstehen können und inwieweit es zur Bildung
von Koalitionen (horizontal) oder Absprachen (vertikal) kommt. Wichtig ist die Kompetenz-, Sozial- und
Rangadäquanz zwischen den Angehörigen der potenziell kaufenden und verkaufenden Seiten. Außerdem
sind meist bestimmte Rollen verteilt. So gibt es den Angreifer, der aggressiv in das Gespräch einsteigt, den
Nachfasser, der unterstützend zur Seite steht, den Moderator, der das Gespräch leitet, den Ausgleicher, der
Standpunkte wieder aufeinander zuführt, den Faktenkenner, der die Munition bei Gegenargumenten liefert,
den Vertrauten, der Verständnis für die andere Seite zeigt etc.
• Die dyadisch-organisationalen Interaktionsansätze untersuchen die intra-organisationalen und die interorganisationalen Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer. Danach ist vor allem die Kongruenz von
Erwartungen an und Erlebnissen in der Interaktion bedeutsam. Es geht um eine Problemlösungsaufgabe
der Entwicklung und Auswahl einer neuartigen technisch-organisatorischen Konzeption sowie die
Konflikthandhabungsaufgabe zur Erzielung von Konsens über die von beiden Seiten zu erbringenden
Leistungen und Gegenleistungen. Nach dem Delegationsmodell macht der Anbieter automon Vorschläge,
die der Abnehmer annimmt oder ablehnt, nach dem Zusammenarbeitsmodell erarbeiten Anbieter
und Abnehmer gemeinsam tragfähige Lösungen. Ersteres ist für den Käufer bei relativ anspruchslosen
Problemlösungen mit frühzeitiger Bindung an einen Lieferanten effizient, Letzteres bei eher anspruchsvollen
Problemlösungen mit Verhandlungen bei mehreren Anbietern.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
74
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
• Die multilateral-organisationalen Interaktionsansätze untersuchen den realistischsten Fall im technischen
Vertrieb. Dabei werden meist chronologisch Episoden als kollektive Planungs-, Entscheidungs- und
Verhandlungsprozesse zwischen und innerhalb von Organisationen in Bezug auf die Anbahnung, den
Abschluss und die Realisation einer Transaktion unterschieden. Episodeninformationen sind alle, die in
der konkreten Einzeltransaktion zur Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses im Hinblick auf die
Erzielung von Kundenvorteilen von Bedeutung sind. Dazu gehören so verschiedenartige wie Lastenheft,
Pflichtenkatalog, Buying center-Analyse, Promotoren oder Wertkettengestaltung. Allerdings ist eine
Abgrenzung von Episoden gegeneinander schwierig. Zeitlich vorgelagerte Episoden schaffen dabei
Chancen- und Risikenpotenziale für nachfolgende. Eine Transaktionsepisode umfasst die Gesamtheit
aller Interaktionen, die mit der Anbahnung, Vereinbarung und Realisation der interessierenden
Transaktion verbunden sind. Potenziale (wie Macht, Wissen, Konsens etc.) beeinflussen den Ablauf des
Transaktionsprozesses.
4.8.2Netzwerk-Konzept
Das Netzwerkkonzept stellt eine Erweiterung der organisationalen Interaktionsansätze um episodenübergreifende
Informationen dar. Dabei werden Organisationen als soziale Systeme durch ihre Elemente, die Beziehungen zwischen
den Elementen und durch die Beziehungen zur Umwelt charakterisiert. Daraus entstehen als Hauptelemente der
Interaktionsprozess selbst, die beteiligten Personen, die Umwelt und die Atmosphäre. Das Verhalten von Personen ist
nicht nur durch sie selbst bestimmt, sondern vor allem durch ihre Beziehungen zu anderen Personen geprägt. Diese
Beziehungsstruktur soll für Zwecke des Anbieters genutzt bzw. Veränderungen zu seinen Gunsten daran bewirkt werden
(Hakansson).
Instrumentelle Netzwerke sind durch Beziehungen gekennzeichnet, die im Rahmen der Arbeit entstehen und den Austausch
aufgabenbezogener Ressourcen beinhalten. Expressive oder primäre Netzwerke enthalten Beziehungen privater Art,
unabhängig von der formalen Organisation. Am Wichtigsten sind bei diesem Netzwerken die Kommunikationsbeziehungen.
Dabei können verschiedene Typen von Aktoren unterschieden werden:
• Isolierte im Netzwerk sind Personen, die höchstens mit einer einzigen anderen Person kommunizieren, nicht
aber mit weiteren Personen des Netzwerks.
• Verbinder (Liaison) sind Positionen, die zwei oder mehr Untergruppen (Cliquen) miteinander verbinden.
Sie sind damit Gatekeeper für den Informationsfluss zwischen Untergruppen. Entfallen sie, fallen auch die
Untergruppen in Gruppen auseinander.
• Brücken (Linking pins) sind Personen, die als Mitglied einer Clique Kommunikationsbeziehungen zu einem
Mitglied einer anderen Untergruppe unterhalten.
• Grenzgänger (Boundary role) stellen die Verbindung des Unternehmens zur Umwelt her. Sie sind
psychologisch, organisational und meist auch physisch von der Gruppe entfernt angesiedelt.
• Zentralen (Stars) sind Personen, die direkt untereinander durch Kommunikation verbunden sind.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
75
Technischer Vertrieb
Organisationales Beschaffungsverhalte
Von der Position einer Person im Netzwerk hängt es ab, inwieweit sie auf Entscheidungen der Gruppe Einfluss nehmen kann.
Dabei stehen ihr Ressourcen zur Verfügung, die sie unmittelbar kontrollieren kann (wie Fachwissen, Budget etc.), diese
dienen als Machtbasen, sowie Ressourcen, die sie nur mittelbar kontrollieren kann (wie Kontakte zu anderen Personen).
Der Einfluss ist um so größer, je vielfältiger die Beziehungen sind, die eine Person zu einer anderen in der eigenen Gruppe
und zu fremden Gruppen unterhält, sowohl nur aufgabenbezogene als auch private. Und er ist um so größer, je zentraler
die Position einer Person im Netzwerk ist.
Weitere Ansätze stammen u.a. von der International Marketing und Purchasing Group (IMP) als Netzwerk Konzept mit
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
den Elementen Interaktionsprozess, daran Beteiligte, Interaktionsumgebung und Atmosphäre.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
76
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
5Absatzkanal
Jeglicher Vertrieb bedarf des Absatzkanals zur Institutionalisierung der Aktivitäten. Der Absatzkanal kann hinsichtlich
seiner Struktur und der angewendeten Absatzmethode analysiert werden.
5.1Absatzstruktur
Der Absatzkanal hat die Funktionen des Waren-, Geld- und Informationsaustauschs zwischen Marktpartnern
wahrzunehmen. Realgüterströme betreffen dabei die Distribution der Leistungsobjekte von der Produktion zum
Verbrauch und in umgekehrter Richtung im Rahmen der Redistribution (Reklamation, Retoure, Entsorgung). Diese
werden je nach Lage der Dinge von Ort zu Ort durch den Raum bewegt, gelagert, gesammelt, aufgeteilt, umgepackt,
kommissioniert und aussortiert, manipuliert, markiert, sortiert und um Dienste ergänzt.
Nominalgüterströme betreffen die Distribution von Entgeltobjekten vom Ge- und Verbrauch zur Produktion bzw.
Nachbesserung/Verwertung. Diese werden als Zahlungsmittel, Zahlungs- und Gebührenbelege von Ort zu Ort übertragen,
als raumüberbrückende Verbindung zum Forderungs- und Verbindlichkeitsausgleich hergestellt (Umtausch, Gutschrift),
zur Festlegung und Überwachung von Zahlungs- und Fälligkeitsterminen für Gebührenzahlungen, zum Sammeln und
Aufteilen von Zahlungsbelegen und -beträgen, zum Ausgleich von Forderungen und Verbindlichkeiten, zum Ausgleich
zwischen zur Zahlung von Entsorgungsgebühren verpflichteter Wirtschaftssubjekte und deren Empfänger und zur
Bestimmung der Zahlungsarten oder -sicherheiten sowie zur Preis- und Spannenfindung.
Informationsströme betreffen die Distribution von Nachrichten über die Real- und Nominalgüterströme zwischen
Produktion, Verbrauch und Verwertung. Diese finden durch Übermittlung der Daten von Ort zu Ort, durch Datenspeicherung,
durch Sammeln, Aufteilen, Sortieren, Scannen von Daten und durch Verdichten, Verknüpfen, Kombinieren, Interpretieren
von Daten, Bestimmen der Kommunikationsmedien, Ermittlung neuer Daten und Beschwerdepolitik statt.
Diese Ströme fließen sowohl von Herstellern zu Absatzmittlern im indirekten Absatz als auch von Herstellern zu
Endabnehmern im direkten Absatz und Absatzmittlern zu Endabnehmern, aber auch in Umkehrung von Endabnehmern
zu Absatzmittlern und Hersteller als auch von Absatzmittlern zu Herstellern im Rahmen einer Feedbackschleife. Diese
Beziehungen sind deshalb äußerst komplex.
Der Absatzkanal kann vorwiegend in zwei Dimensionen gestaltet werden, hinsichtlich seiner Breitendimension nach der
Anzahl der Akteure, mit denen auf einer Stufe interagiert werden soll, und hinsichtlich seiner Tiefendimension nach der
Anzahl der Stufen, auf denen mit Akteuren interagiert werden soll. Im Absatzkanal des privaten Endabnehmerbereichs sind
typischerweise vier Gruppen von Akteuren einbezogen, Hersteller oder deren Absatzhelfer zum Großhandel, Großhändler
oder deren Absatzhelfer zum Einzelhandel, Einzelhändler und Endabnehmer, im Absatzkanal des Weiterverarbeiterbereichs
drei Gruppen, Hersteller oder deren Absatzhelfer zum Verbindungshandel, Verbindungshändler oder deren Absatzhelfer
zum Gewerbeabnehmer und Gewerbliche Abnehmer (als Produzenten, Weiterverarbeiter oder Großabnehmer).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
77
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
Zwischen diesen bestehen verschiedenartige Beziehungen:
• Unter Push versteht man den Hineinverkaufsdruck von der vor- an die nachgelagerte Absatzstufe zu
Endabnehmern. Dadurch soll ein Lagerdruck ausgeübt werden, wodurch sich der Absatz insgesamt erhöht,
das Lager leert und damit die Chance zu erneutem Push bietet.
• Unter Pull versteht man den Herausverkaufssog von der nach- an die vorgelagerte Absatzstufe. Dadurch
soll ein Überbedarf erzeugt werden, der Abnehmer dazu veranlasst, sich verstärkt mit dem nachgefragten
Produkt zu bevorraten.
• Unter Durchverkauf (Push & pull) versteht man den gleichzeitigen Hineinverkaufsdruck vom Hersteller
und Herausverkaufssog von Endabnehmern innerhalb derselben Pipeline. Um zu vermeiden, dass sich
gepushte Ware im Absatzkanal staut und in Verstopfung resultiert bzw. gepullte Ware sich verknappt und zu
Vorratslücken führt, sind beide Aktivitäten möglichst aufeinander abzustimmen.
Die Tiefendimension des Absatzkanals betrifft die ein- oder mehrstufige Auslegung für den Fluss von Waren, Geldern
und Informationen zwischen Hersteller, Absatzmittler und Endabnehmer. Auch dafür können verschiedene Abstufungen
unterschieden werden. Beim Direktvertrieb (nullstufiger Absatz) treten Hersteller unmittelbar mit Endabnehmern, also
unter Ausschaltung zwischengeschalteter Absatzmittlerstufen, in Kontakt. Diese Alternative kommt ohne den Handel aus
und ist für den Technischen Vertrieb typisch. Stattdessen treten Geschäftsleitung, Verkaufsabteilung, Verkaufsniederlassung,
Verkaufsaußendienst, Vertriebsholding, Direktmarketing, Telefonverkauf oder Werksverkauf in Kraft.
Beim Indirektvertrieb treten Hersteller nur mittelbar mit Endabnehmern, also unter Einschaltung zwischengeschalteter
Absatzmittlerstufen, in Kontakt. Dies bietet sich etwa bei Produkten an, die sich seitens des Absenders nicht zielbewusst,
effektiv vermarkten lassen, eine flächenmäßig weit verteilte Nachfrage aufweisen, eine Einordnung in ein Sortiment zum
Verkauf erforderlich machen oder die Kosten einer direkten Belieferung nicht tragen.
Ein Absatzweg ist für den Absender um so kostspieliger, je direktere Verbindungen zwischen ihm und dem Endkäufer
bestehen. Direkter Vertrieb ist dann günstiger, wenn bei gleichen Endverkaufspreisen und Absatzmengen die zusätzlichen
Vertriebskosten geringer sind als die Ersparnisse aus der Handelsspanne. Je direkter ein Absatzweg ist, desto stärkere
Einflussnahmen und Kontrollen sind möglich und desto besser ist der Informationsfluss. Der Indirektabsatz kann
wiederum unterschiedlich ausgelegt sein:
• Einstufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal nur eine Absatzmittlerstufe zwischengeschaltet
ist. Meist handelt es sich dabei um Verbindungshändler, die an Produzenten (Weiterverarbeiter) liefern.
• Zweistufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal zwei Absatzmittlerstufen nacheinander
zwischengeschaltet sind. Meist handelt es sich dabei um Großhändler und Einzelhändler, die nacheinander
aktiv werden. Ausnahmsweise aber auch um Verbindungshändler, die an Weiterverarbeiter wie Handwerk
o.Ä. liefern und Exporteigenhändler im Auslandsabsatz, die an fremdgebietsansässige Importeure liefern.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
78
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
• Mehrstufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal mehr als zwei Absatzmittlerstufen
zwischengeschaltet sind. Dies ist durchaus nicht selten der Fall, wenn sich Groß- und Einzelhandelsstufe
ihrerseits in Teilstufen aufteilen.
Hinsichtlich der Absatzkanalbreite sind verschiedene Abstufungen zu unterscheiden:
• Von ubiquitärer Distribution spricht man, wenn alle objektiv überhaupt in Frage kommenden Akteure einer
Stufe in den Absatzkanal einbezogen werden. Dies ist außerordentlich schwierig zu realisieren.
• Von intensiver Distribution spricht man, wenn möglichst viele, mit vertretbarem Aufwand zu erfassende
Akteure einer Stufe in den Absatzkanal einbezogen werden. Dies sorgt zwar für eine hohe Erhältlichkeit im
gewählten Absatzgebiet, bedingt aber eine sehr heterogene Struktur der Absatzstellen.
• Von selektiver Distribution spricht man, wenn bewusst nur ausgewählte Akteure einer Stufe in den
Absatzkanal aufgenommen werden. Dies entspricht dann einer geringeren Erhältlichkeit im gewählten
Absatzgebiet, führt aber zur homogenen Struktur der Absatzstellen
• Von exklusiver Distribution spricht man, wenn das Absatzgebiet so aufgeteilt ist, dass es zur relativen
Monopolstellung der Akteure einer Stufe kommt. Dies ist nur in Ausnahmefällen wünschenswert und
ansatzweise bei Automobilen, Mineralölen etc. gegeben.
STUDY. PLAY.
The stuff that makes life worth living
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
The stuff you'll need to make a good living
NORWAY.
YOUR IDEAL STUDY DESTINATION.
WWW.STUDYINNORWAY.NO
FACEBOOK.COM/STUDYINNORWAY
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
79
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
Stellt man sich die Breitendimension des Absatzkanals dabei als Kontinuum vor, so markieren ubiquitäre und exklusive
Distribution die beiden Endpole, intensive und selektive Distribution bewegen sich dazwischen, wobei die Übergänge
untereinander fließend sind. Zu unterscheiden ist jeweils zwischen realisierter und gewünschter Distribution. Insofern
ist auch zwischen Zustands- und Prozesssicht zu unterscheiden. Nach § 20,1 GWB ist für die Zulässigkeit selektiven bzw.
exklusiven Vertriebs zu prüfen, ob eine Behinderung oder eine unbillige Benachteiligung ohne sachlich gerechtfertigten
Grund beim Geschäftsverkehr vorliegt, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Nicht zu beanstanden
ist allerdings, wenn die Auswahl der Abnehmer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art, die sich auf deren
fachliche Eignung, die Personal- und Sachmittelausstattung beziehen, erfolgt, sofern diese Kriterien einheitlich für
alle in Betracht kommenden Abnehmer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Bei einem offenen
Absatzkanal ist es jedem Absatzmittler oder -helfer möglich, sich einzuklinken, beim geschlossenen Absatzkanal bestehen
Zutrittsschranken, meist durch dauerschuldvertraglich geregelte Bindung.
5.2Absatzmethode
Die Absatzmethode gliedert sich, nicht ganz überschneidungsfrei, nach den Kriterien Absatzform, Absatzweg und
Vertriebssystem. Bei der Absatzform kann man Eigengestaltung, Fremdgestaltung und gebundene Gestaltung unterscheiden.
Es handelt sich demnach um rechtlich und wirtschaftlich unselbstständige Organe. Eigengestaltung liegt beim Persönlichen
Verkauf durch Unternehmensrepräsentanten vor. Dieser kann nach vier Prinzipien erfolgen:
• Beim Residenzprinzip findet der Verkauf in den Räumlichkeiten des Verkäufers statt. Der Käufer begibt
sich dazu an den Ort des Verkaufs, bei Herstellern an deren Geschäftssitz.
• Beim Domizilprinzip findet der Verkauf in den Räumlichkeiten des Käufers statt. Der Verkäufer begibt sich
dazu an den Ort des Kaufs, also das Büro des Gewerbetreibenden. Dieser Außenverkauf ist typisch für die
meisten Formen des Business to business-Kontakts.
• Beim Treffprinzip findet der Verkauf an „neutralem“ Ort statt. Sowohl der Verkäufer als auch der
Käufer begeben sich dazu dorthin, etwa den Messestand bei Marktveranstaltungen, um formalisierte und
ungeplante Transaktionen zu vollziehen.
• Beim Distanzprinzip findet kein persönlicher, sondern ein medialer Verkauf statt. Die Willenserklärungen
zu Verkauf und Kauf erfolgen also über geprintete Medien, wie Anzeigencoupon, Direct mailing, Katalog
etc., oder verstärkt auch über elektronische Medien wie Telefon, Telefax, WWW, e-Mail etc.
Fremdgestaltung liegt beim Verkauf über wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Absatzorgane vor. Die Absatzfunktion
wird also vom Ersteller der Leistung abgetrennt und an externe Absatzorgane delegiert. Dabei handelt es sich um zwei
Gruppen:
• Absatzmittler sind in eigenem Namen und auf eigene Rechnung als (Produktionsverbindungs-)Händler
tätig. Sie werden Eigentümer der gehandelten Güter und veräußern diese wiederum ohne wesentliche Beund Verarbeitung.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
80
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
• Absatzhelfer sind in fremdem Namen und auf fremde oder eigene Rechnung, dauerhaft oder fallweise tätig.
Sie werden dabei selbst nicht Eigentümer der gehandelten Güter. Absatzhelfer wiederum sind akquisitorisch,
logistisch oder leistungsergänzend aktiv.
Gebundene Gestaltung liegt beim Verkauf über rechtlich selbstständige, wirtschaftlich aber unselbstständige Absatzorgane
vor. Es handelt sich damit um eine Zwischenform weder völliger Ausgliederung noch Eigenwahrnehmung der
Absatzfunktion (z.B. Verkaufsholding, Verkaufssyndikat, Kontraktmarketing). Hinzu kommt der kooperative Absatz in
Form von Anschlussabsatz, Gemeinschaftsabsatz oder Anbieterkoalitionen wie Konsortium u.Ä.
Beim Absatzweg kann man indirekte oder direkte Gestaltung unterscheiden. Bei indirektem Absatzweg sind Absatzmittler
zwischen Hersteller und Endabnehmer zwischengeschaltet. Dabei handelt es sich um den Großhandel, regelmäßig
als Handel unter Kaufleuten, den Einzelhandel als Handel mit privaten Endabnehmern, den Verbindungshandel mit
Produzenten und Weiterverarbeitern und den Außenhandel als grenzüberschreitendem Im- und Export.
Von besonderer Bedeutung im Technischen Vertrieb ist der Produktionsverbindungshandel (PVH). Dabei handelt es
sich um auf Investitionsgüter spezialisierte Absatzmittler, die schwerpunktmäßig Güter beschaffen, um sie unverändert
bzw. nach handelsüblichen Manipulationen an Organisationen weiter zu veräußern, die damit ihrerseits Güter für die
Fremdbedarfsdeckung erstellen oder die sie, ausnahmsweise, selbst wiederum unverändert bzw. nach handelsüblichen
Manipulationen an solche Organisationen verkaufen. Dies impliziert die Erfüllung der Handelsfunktionen. Der PVH
ist oft international angelegt sowie eng spezialisiert. Als Sonderform gilt der Handwerkshandel. Man unterscheidet den:
• produktorientierten PVH für Massengüter (Massenguthandel/Bulk products) oder Spezialitäten
(Spezialitätenhandel/Specialities),
• herstellerorientierten PVH, rechtlich selbstständig, aber wirtschaftlich konzerngebunden in
Werkshandelsgesellschaften,
• länderorientierten PVH, meist nach Ländergruppen ausgerichtet,
• verwenderorientierten PVH nach Branchen oder Anwenderproblemen zur Lösung technischer Probleme,
von Abwicklungs- oder Beschaffungsproblemen.
Hinzu kommen noch Versandhändler etwa bei PC´s oder Bürozubehör zur Bestellung über Medien und die riesigen
(japanischen) Universalhandelshäuser (Sogo Shosha).
Eine Zwischenform zwischen indirektem und direktem Absatz stellt das Streckengeschäft dar. Dabei sind der Realgüterstrom
einerseits und die Nominalgüter- und Informationsströme andererseits getrennt, Ersterer läuft auf direktem Absatzweg
zwischen Hersteller und Abnehmer, Letztere laufen über den indirekten Absatzweg. Dadurch werden die Vorteile, aber
auch die Nachteile beider Absatzwege kombiniert.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
81
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
Eine weitere Zwischenform sind konzerneigene Werksverkaufs-/-handelsgesellschaften. Diese sind zwar rechtlich
selbstständig, aber wirtschaftlich unselbstständig tätig und übernehmen die Funktionen ansonsten selbstständiger
Absatzmittler als Andienungsstelle für konzernintern erstellte Leistungen, ggfs. plus zugekaufter, fremdersteller
Handelsware. Letztlich lohnt dies, sofern hierarchisierte Transaktionen vorteilhafter sind als solche über die Marktmechanik
(Transaktionskostenbetrachtung).
Bei direktem Absatzweg erfolgt der Absatz unter Ausschluss dieser Absatzmittler über interne Absatzorgane
(Betriebsangehörige), externe Absatzorgane (Absatzhelfer) oder Medien (geprintet oder elektronisch). Der Absatz erfolgt
über herstellergebundene Vertriebsgesellschaften (Werksverkaufs-/Werkshandelsgesellschaft), Verkaufsniederlassungen,
Mitglieder der Geschäftsleitung, Handelsvertreter, Dauerschuldverträge (Ausschließlichkeitsbindung, Kopplungsvertrag,
Vertragshandel, Franchise etc.) oder Reisende. Wichtige Vorteile des Direktvertriebs sind folgende:
• Hohe Produktkompetenz der Vertriebsmitarbeiter, hohe Anpassungsflexibilität des Vertriebsmitarbeiters
an Kundenbedarfe, oft rationelle Produktion durch große Mengen, meist gute Möglichkeit zur
Zielgruppenbildung, gute Voraussetzungen für den Aufbau einer Stammkundschaft, gute Bedingungen
für eine rasche Marktbesetzung und -durchdringung, hohe Flexibilität durch rasche und zuverlässige
Rückkopplung vom Markt, gute Abschätzbarkeit des Kundenbedarfs, meist gute Kundenbonitätskenntnisse,
Unabhängigkeit von Zeitrestriktionen, Vertriebskontrolle bis zum Endverbraucher, gute Bedingungen zur
Kontaktverstetigung, hohe Potenziale für innovative Produkte, teils intensivere Marktbearbeitung und
Erschließung von mehr Marktpotenzial als bei indirektem Vertrieb.
REDEFINE YOUR FUTURE
GLOBAL RISK GRADUATE
PROGRAM 2013
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Visit www.axa.com/en/careers/
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
82
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
Wichtige Nachteile des Direktvertriebs sind allerdings folgende:
• Hohe Kosten der Kommunikation für Kundengewinnung, persönliche und telefonische Kundenberatung
sowie Messebeschickung und Niederlassungsleitung erforderlich, schwierige Steuerung der
Vertriebsmitarbeiter, hoher Aufwand zur Gewinnung und Schulung der Mitarbeiter, hohe Fluktuationsrate
der Vertriebsmitarbeiter, diskriminierende gesetzliche Regelungen, teils hohe Abwicklungs- und
Logistikkosten, hohe Abhängigkeit von der kommerziellen und persönlichen Kompetenz der Mitarbeiter.
Ein näherer Blick auf die Akteure im direkten Absatz zeigt drei Gruppen:
• Betriebsangehörige im internen, eingegliederten Direktvertrieb, Absatzhelfer im externen, ausgegliederten
Direktvertrieb und Medien im Distanzprinzip.
Zunächst zum internen (eingegliederten) Direktvertrieb. Bei Betriebsangehörigen ist vor allem an Mitglieder der
Geschäfts-/Vertriebsleitung zu denken. Dies bietet sich vor allem im Anlagengeschäft an, aber auch bei Abschlüssen mit
sonstigen Schlüsselkunden (Key accounts). Bei geringem Geschäftsvolumen oder routinisierten Abwicklungen tritt der
Verkaufsinnendienst an dessen Stelle. Die Geschäfts-/Vertriebsleitung kapriziert sich dann auf die Neukundengewinnung
bzw. gelegentliche Auftritte bei bestehenden Kunden, mit allen damit verbundenen Gefahren für die Beziehungspflege.
Die wesentliche Leistung im internen Direktabsatz wird wohl vom Verkaufsaußendienst erbracht.
Im Residenzprinzip stellt die Filiale einen Geschäftssitz dar, den der Hersteller selbst betreibt, wobei er also Handelsfunktionen
wahrnimmt. Denkbar sind sowohl ein ausschließlicher Vertrieb über die Werksfilialen als auch ein paralleler Vertrieb über
Werksfilialen und Absatzmittler. Die Filiale ist damit eine wirtschaftlich und rechtlich unselbstständige Verkaufsstätte.
Eine weitere Form ist die Zweigniederlassung als Betriebsstandort, der, im Unterschied zur Filiale, einen eigenen
Erfüllungsort und Gerichtsstand hat. Sie ist von der Hauptstelle räumlich getrennt und wirtschaftlich selbstständig,
wenngleich ohne eigenes Vermögen, aber rechtlich unselbstständig.
Zum externen (ausgegliederten) Direktvertrieb gehören folgende. Der Vertragshändler ist ein selbstständiger Kaufmann
und durch ein Dauerschuldverhältnis in die Vertriebsorganisation des Lieferanten eingebunden. Grundlage sind
Sukzessivlieferungen bei einem unbefristeten Rahmenvertrag und ein Kaufvertrag über die einzelne Lieferung. Er ist
verpflichtet, aktiv den Absatz der Produkte des Unternehmens zu fördern und seine gesamte Betriebstätigkeit darauf
auszurichten. Konkurrenzerzeugnisse dürfen de defacto nur mit ausdrücklicher Genehmigung vertrieben werden. Dafür
erhält er im Gegenzug regionale Ausschließlichkeitsrechte. Das System ist weder gebühren- noch vergütungspflichtig.
Daher kann eine engste Einbindung in die eigene Absatzorganisation ohne jeden Kapitaleinsatz erreicht werden.
Franchising beruht auf einem in der Regel auf meist bestimmte Dauer angelegten Vertrag zwischen zwei selbstständigen
Unternehmen. Der Franchisenehmer erhält vom Franchisegeber Lizenzen für Schutzrechte, Informationen über Knowhow sowie Beratungs- und Managementunterstützung. Der Franchisenehmer verpflichtet sich, seine Produkte oder die
Gestaltung seines Unternehmens nach den vom Franchisegeber festgelegten Vorgaben auszurichten. Insofern besteht
eine intensive Kooperation zwischen einem Franchisor, der Systemzentrale, und, meist mehreren, Franchisees zu einer
vertikalen Vertriebsorganisation.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
83
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
Als akquisitorische Absatzhelfer kommen Handelsvertreter, die in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig
sind, Kommissionäre, die im eigenen Namen und auf fremde Rechnung tätig sind, sowie Handelsmakler, die nur zur
fallweisen Vermittlung tätig werden, in Betracht. Sie begleiten den Weg der Ware vom Hersteller zum Abnehmer, ohne,
im Unterschied zu Absatzmittlern, dabei selbst Eigentümer der Ware zu werden.
Beim Handelsvertreter ist nach der Ermächtigung zum Verkaufsabschluss zu unterscheiden in Vermittlungsvertreter,
die keine Geschäftsabschlüsse tätigen dürfen, sondern Nachfrage nur sondieren und Auftragsoptionen zur Entscheidung
an das vertretene Unternehmen weiterleiten, sowie Abschlussvertreter, die für den Auftraggeber verbindlich zu dessen
Konditionen Geschäftsabschlüsse tätigen dürfen.
Nach der Zahl der Vertretungen sind zu unterscheiden Einfirmenvertreter, die ausschließlich für einen Auftraggeber tätig
sind, was jedoch eher die Ausnahme darstellt, sowie Mehrfirmenvertreter, die für mehrere, jedoch nicht konkurrierende
Auftraggeber tätig sind.
Nach dem Umfang der Rechte sind zu unterscheiden Alleinvertreter, die für das vertretene Unternehmen in ihrem
Bezirk ausschließlich allein tätig sind, jedoch Anfragen von Bedarfsträgern aus Kollegenbezirken bearbeiten können,
Bezirksvertreter, die Anspruch auf Provision aus allen Geschäften haben, die mit Abnehmern ihres Bezirks abgeschlossen
werden, unabhängig von ihrem tatsächlichen Tätigwerden, sowie Generalvertreter, die als Alleinvertreter die
Vermittlungstätigkeit für das vertretene Unternehmen durch Untervertreter ausüben lassen.
Der Kommissionär nimmt das Interesse des Kommittenten wahr und folgt dessen Weisungen, andernfalls ist er
schadensersatzpflichtig. Seine Entlohnung erfolgt über Provision und Auslagenersatz durch den Auftraggeber. Ein
Konsignationslager sichert in vielen Fällen schnelle Lieferzeiten und kurze Transportwege.
Der Handelsmakler weist Geschäftsabschlusschancen durch Kontakt zu mehreren potenziellen Käufern und Verkäufern
nach und erhält dafür Provision (Courtage), normalerweise von beiden Parteien hälftig. Über das vermittelte Geschäft
wird eine Schlussnote erstellt. Ein Tagebuch dient dem Nachweis der Tätigkeit als Entlohnungsvoraussetzung.
Marktveranstaltungen stellen die bewusste Zusammenführung von Angebot und Nachfrage zum Zwecke der Repräsentation,
z.B. als Ausstellung, oder, hier relevant, zum Abschluss, z.B. als Messe, Auktion, Einschreibung, Lizitation, Submission,
Börse, Märkte, Musterung, dar. Sie dienen der Gewinnung von Informationen über die Marktlage, der Herstellung und
Pflege von Kontakten zu Abnehmern und Lieferanten sowie der Anbahnung und Einholung von Aufträgen.
Im Distanzprinzip kommen geprintete und elektronische Medien zum Zuge. Dem liegt ein Direktversand zugrunde,
wie er im Business to business-Markt, vor allem bei vergleichsweise problemlosen Gütern, immer häufiger wird (z.B.
PC-Direktversand). Für die beidseitige Kontaktaufnahme können praktisch alle Medien dienen, schriftlich (Direct
mailing), fernschriftlich (Fax), telefonisch, telekommunikativ (e-Mail, www) oder massenmedial (TV/HF). Vor allem der
Telefonverkauf hat in einigen Bereichen eine große Bedeutung. Es ist strittig, inwieweit diese Medien in der Lage sind, den
persönlichen Verkauf zu ersetzen. Einerseits wird davon ausgegangen, dass die räumliche Entfernung zwischen Hersteller
und Abnehmer dadurch immer bedeutungsloser wird, anderseits wird darauf hingewiesen, dass gerade angesichts dessen
nur noch der Face to face-Kontakt imstande ist, Konkurrenzvorteile zu erbringen.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
84
Technischer Vertrieb
Absatzkanal
Beim Vertriebssystem kann man zentrale, dezentrale oder ausgegliederte Gestaltungen unterscheiden:
• Beim zentralen Vertriebssystem findet der Absatz über die eigene Marketingabteilung statt. Alle
Absatzfunktionen werden zentral initiiert, durchgeführt und koordiniert. Dieses System impliziert
tendenziell eine relativ große Marktferne, bedarf daher der steten Beobachtung der Nachfrageseite.
• Beim dezentralen Vertriebssystem findet der Absatz über eigene Niederlassungen statt. Diese akquirieren
Aufträge eigenständig, organisieren deren Abwicklung und sorgen auch für eine entsprechende
Nachbereitung. Durch die räumliche Ausgliederung kann meist marktnäher agiert werden, zumal wenn
andere Spezialisierungen hinzukommen.
• Beim ausgegliederten Vertriebssystem findet der Absatz über rechtlich getrennte Absatzorgane statt. Zu
nennen sind Verkaufsholdings und Vertriebssyndikate, die früher als willkommene Nebenwirkung zur
Konkurrenzberuhigung beitrugen. Heute ist dies angesichts verschärfter Wettbewerbsgesetzgebung und vor
allem außenstehender, internationaler Anbieter schwierig.
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Wirtschaftswissenschaftler
talanxieren jetzt ihren Karrierestart.
Profitieren Sie vom Wachstum der drittgrößten deutschen Versicherungsgruppe, die
auch in Europa sehr erfolgreich ist. Setzen Sie Maßstäbe für Ihre individuelle Entwicklung.
Mit einem Wort: Talanxieren Sie Ihren Karrierestart.
Hochschulabsolventen (m/w)
der Wirtschaftswissenschaften gesucht, die von Anfang an tatkräftig mitgestalten wollen.
Wir bieten Ihnen ein pulsierendes Umfeld, eine professionelle Unterstützung Ihrer Teamkollegen, ein gutes Arbeitsklima und spannende Aufgaben.
Wir setzen auf Ihre Begeisterung für konzeptionelle Arbeit: Übernehmen Sie Verantwortung!
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
karriere.talanx.de
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
85
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
6 Mitarbeiter im Vertrieb
Die Mitarbeiter im Vertrieb sind über die Unternehmensaufgabe (Mission), die Relevanz ihrer kundenbezogenen
Interaktion, ihre Verantwortlichkeit für die Leistungsqualität etc. zu informieren. Ein entsprechendes Bewusstsein ist zu
schaffen. Etwaig fehlende Kenntnisse und Fertigkeiten sind, wo es sinnvoll erscheint, durch Schulung und Training zu
ergänzen. Hinzu kommt eine Unternehmenskultur, die kundenorientierten Einstellungen und Verhaltensweisen absolute
Priorität einräumt. Mitarbeiter im Kundenkontakt müssen also über hohe soziale, kommunikative und fachliche Fähigkeiten
verfügen. Sie verkörpern in den Augen der Abnehmer schlechthin das Unternehmen. Mitarbeiterqualifizierung wird damit
zur zentralen Führungsaufgabe. Mitarbeiter sollen auch den Einsatz der Unternehmensleistungen bei Kunden beobachten
und dadurch deren Eignung verbessern. Sie bieten ein hohes Potenzial an Ergebnis- und Verfahrensverbesserungen.
So sollen Mitarbeiter nicht nur entsprechend ihrer Fachkenntnisse, sondern auch entsprechend ihrer Sozialkompetenz
ausgewählt und eingesetzt werden.
6.1 Internes Marketing
Internes Marketing bedeutet die Übertragung der Marketingdenkweise auf innerbetriebliche Strukturen. Es stellt damit
die Adaptation des für externe Austauschprozesse entwickelten Marketingkonzepts auf unternehmensinterne Beziehungen
zwischen Management und Mitarbeitern dar. Insofern handelt es sich um ein personalorientiertes Marketingkonzept.
Betrachtet man die Entwicklung des Marketing hin zum Beziehungsmanagement, das unterschiedliche externe
Anspruchsgruppen integriert, so scheint es nur konsequent, diese Beziehungen auch auf interne Anspruchsgruppen
auszudehnen.
Internes Marketing ist vom Inhalt her gleichbedeutend mit dem Personalmarketing, also eigentlich nichts Neues, jedoch
von der Orientierung her völlig anders. „Traditionelles“ Personalmarketing ist mitarbeiterorientiert, d.h., die Mitarbeiter
werden als Zielgruppe verstanden und Maßnahmen für sie so ausgerichtet, dass sie sich an deren Bedürfnissen orientieren.
Beim Internen Marketing hingegen werden die externen Abnehmer als Zielgruppe verstanden und Maßnahmen gegenüber
den internen Mitarbeitern so gestaltet, dass sie sich an den Bedürfnissen dieser Abnehmer ausrichten. Darin kommt die
explizite Marktorientierung des Internen Marketing gegenüber der Mitarbeiterorientierung des Personalmarketing zum
Ausdruck.
Internes Marketing betrifft somit die planmäßige Gestaltung der unternehmerischen Austauschbeziehungen mit
internen Systemelementen zu absatzorientierten Zwecken. In diesem Zusammenhang sind Mitarbeiter als Systemelement
Personal Adressaten von Steuerungsmaßnahmen. Grundlegendes Ziel ist die Gewinnung, Entwicklung und Erhaltung
hochmotivierter, kundenorientierter Mitarbeiter. Maßnahmen beziehen sich auf die Information des Personals über
Unternehmenszweck und Marketingstrategien, die Relevanz der kundenbezogenen Interaktionen und die Verantwortlichkeit
des Einzelnen für die wahrgenommene Leistungsqualität und das Image des Unternehmens. Absicht sind die Schaffung von
Akzeptanz in Bezug auf die Maxime der konsequenten Verhaltensorientierung an den Kundenwünschen, die Vermittlung
von Fähigkeiten und Fertigkeiten für die zielgerechte Bewältigung von Kundenkontaktsituationen und die Erzeugung
eines organisationsinternen Umfelds, das kundenorientierte Einstellungen und Verhaltensweisen stützt. Es kommt also
zur personalbezogenen Absicherung der Kundenorientierung.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
86
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Bei der Personalbeschaffung geht es primär darum, Mitarbeiter einzustellen, denen es Spaß macht, die Bedürfnisse ihrer
Kunden zu erkennen und zu erfüllen. Im Technischen Vertrieb scheint jedoch eine fatale Tendenz zu bestehen, gerade
solche Mitarbeiter zu beschaffen, die in anderen, eher kundenfernen Tätigkeiten besser aufgehoben wären. Dies rührt
meist daher, dass die Mitarbeiter mit den komplexen Verhaltensanforderungen der Praxis oftmals überfordert sind. Oft
liegt das Problem aber auch darin, dass Personalmaßnahmen nicht unter Marketingaspekten konzipiert und durchgeführt
werden, obgleich die sachbezogenen, sozialen und konzeptionellen Anforderungen an Vertriebsmitarbeiter bekannt sind.
Allerdings sind diese, zugegebenermaßen, anspruchsvoll. Zu nennen sind etwa:
• die Fähigkeit, sich in den Interaktionen mit Kunden verbal und schriftlich klar auszudrücken, das Gespür
dafür, die Gefühle und den Standpunkt der Kunden anzuerkennen und darauf einzugehen, die Bereitschaft,
Entscheidungen zu treffen und etwas zu unternehmen, um Kundenwünsche zu erfüllen, ein hoher Grad an
Wachheit und Aufmerksamkeit im gesamten Interaktionsprozess, die Fähigkeit, den eigenen Stil entsprechend
der jeweiligen Situation oder der Persönlichkeit der Kunden zu variieren, eine zeitgerechte und adäquate
Leistung entsprechend den gemachten Zusagen zu bieten. Hinzu kommt ein sauberes und ordentliches
Auftreten mit positivem Eindruck auf Kunden, eigene Aktivitäten, um Kundenerwartungen immer wieder
voll zu erfüllen, die Einhaltung hoher sozialer und ethischer Standards im Umgang mit Kunden, vertiefte
Kenntnisse wechselnder Angebote und der kundenbezogenen Leistungsprozesse, die Fähigkeit, verfügbare
Informationen richtig zu beurteilen und zur Entwicklung von Problemlösungen zu nutzen, die Gabe,
Arbeitszufriedenheit aus dem Umgang mit Kunden, der Erfüllung ihrer Bedürfnisse und der Behandlung
ihrer Probleme zu gewinnen, die Fähigkeit, mit Ideen und Problemlösungen bei Kunden Akzeptanz zu
finden und sie vom Angebot des Unternehmens zu überzeugen, die Fähigkeit, unerwartete Kundenprobleme,
unvorhersehbaren Arbeitsanfall oder Arbeitsdruck während des Kundenkontakts auszuhalten, die Sammlung
und logische Analyse von wichtigen Informationen über die Situation von Kunden.
Hinsichtlich des Personaleinsatzes ist zu beachten, dass es eher aufgabenorientierte und eher beziehungsorientierte Arbeitsplätze
innerhalb des Leistungsprozesses gibt, denen entsprechend aufgaben- oder beziehungsorientierte Persönlichkeiten zuzuordnen
sind. Im Rahmen von karrierebedingten Job rotations kommt es häufig vor, dass eher beziehungsorientierte Mitarbeiter
vorwiegend aufgabenorientierte Arbeitsplätze zugewiesen erhalten und umgekehrt. Auch bei der Entgeltbestimmung soll
qualitätsgerechtes Verhalten unmittelbar belohnt werden. Diese Belohnungen können materieller oder ideeller Art sein,
wobei gerade Letztere in Form von Privilegien eine starke Anreizwirkung ausüben. Weiterhin ist die interne Kommunikation
ein wesentliches Steuerungsmittel, einerseits zur Übertragung von Sachinformationen, andererseits zur Vermittlung der
Unternehmenskultur, denn diese wirkt maßstabsetzend für die Beziehung der Mitarbeiter zu Kunden.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
87
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Gleichzeitig ist eine zweite Dimension des Internen Marketing zu erheblichem Anteil entscheidend, die auf die
innerbetriebliche Kette von Leistungsabsendern und Leistungsempfängern abhebt. Zwischen den einzelnen Abteilungen/
Arbeitsgruppen werden Lieferanten-Kunden-Bezüge hergestellt, indem die Lieferstelle gemäß den Vorgaben der
Kundenstelle bzw. der zuvor getroffenen Vereinbarungen über Quantitäten, Qualitäten, Kosten und Termine agiert
und die Folgen einer etwaigen Nichterfüllung zu tragen hat. Dabei hat sich vor allem die Möglichkeit der wahlweisen
externen Versorgung bewährt, sofern einer Kundenstelle deren Konditionen gegenüber denen einer internen Lieferstelle
vorziehenswert erscheinen. Dabei spielt allerdings die interne Kostenverrechnung über Transferpreise eine entscheidende
Rolle. Hier kommt es vor allem auf eine Vollkostenverrechnung an, die derzeit nur in Konzepten der Prozesskostenrechnung
ausreichend gewährleistet ist, sowie die Bewertung bereitgestellter und in Anspruch genommener Support-Leistungen.
Ansonsten ist ein Vergleich immer fragwürdig. Allerdings steht dem nicht selten das Interesse des Management an einer
Auslastung vorhandener eigener Kapazitäten entgegen, die bei externer Versorgung neben den berechneten pagatorischen
Kosten zu Leerkosten führen, somit also zur schlechtesten aller Lösungen.
6.2Personalbeschaffung
Die Personalbeschaffung erfolgt auf mehreren Wegen. Betriebsexterne Beschaffungsquellen sind etwa Stellenanzeigen in
Zeitungen oder Fachzeitschriften, die Einschaltung von Personalberatern, Personal-Leasing, die Beauftragung der Arbeitsagentur,
die Auswertung von Blind- und Vorratsbewerbungen sowie die Nutzung persönlicher Kontakte. Bei den Stellenanzeigen ist
neben der Wahl geeigneter Medien vor allem die informative Gestaltung des Inhalts bedeutsam. Die Dienste von Headhunters
machen nur bei der Suche von leitenden Mitarbeitern Sinn, zumal ein hohes Vermittlungsentgelt (mind. drei Monatsgehälter)
fällig wird. Der Datenbestand der Arbeitsagentur ist oft unzureichend, da von Teilen der arbeitslos Gemeldeten zu vermuten ist,
dass sie tatsächlich keiner Beschäftigung nachgehen wollen und andere Teile sich aus Langzeitarbeitslosen rekrutieren, die leider
aufwendige Wiedereingliederungsmaßnahmen in den Betrieb erfordern. Hinzu kommt ein hoher Anteil älterer Arbeitnehmer,
die, unverständlicherweise, gegenüber jüngeren benachteiligt werden. Blindbewerbungen sind da oft eine gute Quelle, weil
einerseits von Aktivität seitens des potenziellen Bewerbers ausgegangen werden kann und andererseits eine gewisse Affinität
zum kontaktierten Betrieb unterstellt werden kann. Zumal dafür keine weiteren Recherchekosten und Zeitaufwendungen
anfallen. Daher sollten solche Bewerbungen, selbst wenn aktuell kein Bedarf besteht, unbedingt mit einer entsprechenden
kurzen Nachricht annonciert in den Bewerbungsvorrat übernommen werden, um bei Bedarf darauf zurückzugreifen. Am
wirkungsvollsten ist sicherlich die Nutzung persönlicher Kontakte, weil man dabei ein recht genaues Leistungsprofil des
potenziellen Bewerbers als bekannt und dessen Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil voraussetzen kann.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
88
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Hinzu kommen betriebsinterne Quellen wie die interne Stellenausschreibung, die Versetzung im Rahmen von Job rotations
oder die Umschulung qualifizierbar erscheinender Mitarbeiter. Interne Ausschreibungen haben gleich mehrere wichtige
Funktionen. Zum einen steigern sie die Effektivität des Betriebs, indem sie spezielle Vorlieben von Mitarbeitern für den
Einsatz nutzen, zum anderen erhöhen sie deren Motivation, die Aufgaben wahrzunehmen, für die sie sich am Besten
geeignet halten. Aber sie beugen auch Neid und Missgunst vor, die oft Quereinsteigern von außen entgegengebracht wird,
die nicht erkennbar besser qualifiziert sind als vergleichbare Mitarbeiter anderer interner Bereiche oder Hierarchiestufen.
Und schließlich ist die Gewissheit der Leistungsfähigkeit bei bekannten Mitarbeitern weitaus größer als bei jedem von
außen kommenden Bewerber. Planvolle Versetzungen innerhalb von Abteilungen bzw. Betrieben helfen nicht nur, aktuelle
Personalbedarfsprobleme zu lösen, sondern leisten als willkommenen Nebennutzen noch eine Ausweitung an Kenntnissen
und Fertigkeiten der Mitarbeiter, die per Saldo wiederum dem Betrieb zugute kommt. Selbst wenn zwischen dem aktuellen
Leistungsprofil eines Mitarbeiters und dem Anforderungsprofil einer zu besetzenden Stelle eine Qualifikationslücke
klafft, ist zu überlegen, ob nicht die Weiterbildung eines Mitarbeiters sinnvoller ist als eine Neubesetzung, und zwar aus
motivatorischen ebenso wie aus Effektivitätsgründen.
Wichtig sind vor allem aussagefähige Ausschreibungsunterlagen. So gehören zum Mindestumfang die ausgeschriebene
Position mit einer kurzen Beschreibung der Aufgaben, Kompetenzen und internen Stellung sowie die Darstellung von
Aufstiegschancen, Ausschreibungsgründen und Besetzungstermin. Ebenso ist die geforderte Qualifikation darzustellen,
also Fähigkeiten, Berufserfahrungen, Kenntnisse, Ausbildung, Altersspanne etc. Bei externer Suche ist zudem eine
Beschreibung des suchenden Betriebs erforderlich, so hinsichtlich Branche, Aktivitäten, Standort, Größe und Firmenstil.
Dazu gehört auch die Nennung einer Ansprechperson für die Kontaktaufnahme. Fakultativ ist die Auslobung des Angebots
hinsichtlich Gehalt, Weiterbildungschancen, Sozialleistungen, Einarbeitungshilfen etc. Geschickt aufgemachte Unterlagen
werden von professionellen Betrieben längst als akzidentelle Werbemittel genutzt. Sie bieten einen hervorragenden
Anlass, die Eigenschaften, die einen Betrieb besonders auszeichnen, auszuloben und weisen durch Inhalt und Form auf
Selbstverständnis und Bedeutung eines Betriebs hin.
Die Bewerberauswahl kann durch unpersönliche oder persönliche Verfahren erfolgen. Zu den unpersönlichen
Verfahren gehört die Ansicht eingereichter Bewerbungsunterlagen (Zeugnis, Lebenslauf, Anschreiben), die Anhörung
von Referenzpersonen, die Einholung eines graphologischen Gutachtens oder die Auswertung eines biographischen
Fragebogens. Zu den persönlichen Verfahren gehört das Vorstellungsgespräch, und zwar einzeln, seltener auch in Gruppen,
unter Stress, in mehreren Etappen durch verschiedene Beurteiler oder strukturiert. Weitere Möglichkeiten betreffen das
Assessment center oder den Einsatz psychologischer Testverfahren.
Das Verkaufstraining bedient sich im Einzelnen unpersönlicher, persönlicher und On the job-Verfahren. Zu den
unpersönlichen Trainingsverfahren gehören die Auswertung von Büchern und Zeitschriften, das Selbststudium
durch Lehrbriefe, programmierte Unterweisungen, die Vorführung von Audio- und/oder Video-Datenträgern sowie
das computerunterstützte Training (CBT) auch durch Education channels (Company TV). Zu den persönlichen
Trainingsverfahren gehören der Besuch von Vorträgen und Kongressen, die Teilnahme an Seminaren und Diskussionen,
die Erarbeitung von Fallstudien und Simulationen sowie die Übung in Rollenspielen und Gruppenarbeiten. Zu den On
the job-Verfahren, die sicherlich zu den effektivsten Trainingsmethoden gehören, sind Job rotation, also der planmäßige
Aufgabenwechsel, Job enrichment, also die Aufwertung des Arbeitsinhalts durch Übertragung von mehr Verantwortung,
und Job enlargement, also die Ausweitung des Aufgabenumfangs und/oder der Kontrollspanne, zu zählen.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
89
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Die Beurteilung von Mitarbeitern im Vertrieb bezieht sich meist auf folgende wünschenswerten Eigenschaften:
• Auftreten/Erscheinung, Benehmen/„Serviceability“, Auffassungsgabe, Ausdrucksvermögen,
Verhandlungsgeschick/Argumentation, Eigeninitiative/Ehrgeiz, Kontaktfähigkeit/Verhalten in der
Gruppe, Arbeitstempo/Belastbarkeit, Zuverlässigkeit, Selbstorganisation/Arbeitsvorbereitung, Produkt-/
Marktkenntnisse, Produktangebot/Verkaufsabschluss, Berichterstattung/Abrechnung, Gründlichkeit/
Zuverlässigkeit, Bereitschaft, sich für die besonderen Anforderungen des Kunden im eigenen Unternehmen
einzusetzen und ihn darüber auf dem Laufenden zu halten, Verständnis für die Einbindung der angebotenen
Produkte in den Bedarf des Kunden, Kenntnis der Produkte des Kunden, Regelmäßigkeit der Besuche und
gute fachliche Ausbildung.
Die Beurteilung eines Vertriebsmitarbeiters kann jeweils relativ zu anderen Vertriebsmitarbeitern geschehen, was aber
die Gefahr des Vergleichs von „Schlendrian mit Schlendrian“ beinhaltet, oder absolut gegen ein abstrakt-optimales
Anforderungsprofil.
6.3Mitarbeiterführung
Über die Notwendigkeit der Führung von Mitarbeitern bestehen kontroverse Vorstellungen. Für die konkrete Ausgestaltung
der Mitarbeiterführung gibt es eine ganze Reihe von Führungsmodellen, im Folgenden werden einige zentrale
Führungsmodelle kurz charakterisiert. Trainingsprogramme sollen Mitarbeiter entlang dieser Führungsstile entwickeln
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Karriere. Hier ist die Chance.
Ohne Jungheinrich bliebe Ihr Einkaufswagen vermutlich leer. Und nicht nur der.
Täglich bewegen unsere Geräte Millionen von Waren in Logistikzentren auf der
ganzen Welt.
Unter den Flurförderzeugherstellern zählen wir zu den Top 3 weltweit, sind in über
30 Ländern mit Direktvertrieb vertreten – und sehr neugierig auf Ihre Bewerbung.
www.jungheinrich.de/karriere
Jungheinrich Aktiengesellschaft
Konzernzentrale Hamburg
Am Stadtrand 35 · 22047 Hamburg
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
90
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Zunächst zum eindimensionalen Führungsmodell. Dabei lassen sich zwei Grund- und jeweils vier Untertypen
unterscheiden. Die autoritäre Grundhaltung ist generell dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte entscheidet und
anordnet:
• Beim despotischen Führungsstil handelt es sich um einen charismatischen Herr im Haus-Standpunkt, bei
dem das Eigentum an Produktionsmitteln Herrschaftsdenken legitimiert.
• Beim patriarchalischen Führungsstil entscheidet immer noch der Vorgesetzte allein, er ist aber bestrebt,
seine Untergebenen zu überzeugen, bevor er anordnet.
• Auch beim paternalischen Führungsstil dominiert das autokratische Herrschen, jedoch besteht ein
Verantwortungsgefühl für die Belange der Mitarbeiter, ohne diese aber aktiv zu beteiligen.
• Beim pädagogischen Führungsstil wird die Selbstständigkeit der Mitarbeiter gefördert und entwickelt, indem
Fragen gestattet werden, um die Akzeptanz von Entscheidungen zu erhöhen.
Die demokratische Grundhaltung ist generell dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte lenkt und koordiniert:
• Beim partnerschaftlichen Führungsstil fordert der Vorgesetzte seine Mitarbeiter auf, an der Zielfindung
mitzuwirken und informiert diese über anstehende Entscheidungen.
• Beim partizipativen Führungsstil werden Entscheidungsvorlagen unter Einbeziehung von Wissen, Können
und Interesse der Mitarbeiter gemeinsam erarbeitet, die der Vorgesetzte sanktioniert.
• Beim kollektiven Führungsstil zeigt der Vorgesetzte das Problem und den Handlungsspielraum auf und
überlässt es Mitarbeitern, unter seiner Anleitung selbstständig Lösungen zu erarbeiten.
• Beim autonomen Führungsstil entscheidet die Gruppe selbst, und der Vorgesetzte vertritt diese
Gruppenmeinung nach innen und außen mit formaler Kompetenz.
Von den zweidimensionalen Führungsmodellen ist das von Blake/Mouton am bekanntesten. Es besteht aus einer Matrix
mit den Gestaltungsdimensionen Mitarbeiterorientierung und Aufgabenorientierung, jeweils unterteilt in niedrig und
hoch, aus denen sich vier Extrempositionen und eine Mittelposition wie folgt ergeben:
• Glacéhandschuh-Management (Country club, 1.9): Die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter
nach zufriedenstellenden zwischenmenschlichen Beziehungen (hohe Mitarbeiterorientierung) sorgt für ein
gemächliches und freundliches Betriebsklima und Arbeitstempo (niedrige Aufgabenorientierung).
• Gruppen-Management (Team, 9.9): Es ist eine hohe Arbeitsleistung vom engagierten Mitarbeitern gegeben
(hohe Aufgabenorientierung). Die Interdependenz im gemeinschaftlichen Einsatz für das Unternehmensziel
verbindet die Menschen in Vertrauen und gegenseitiger Achtung (hohe Mitarbeiterorientierung).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
91
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
• Überlebens-Management (Impoverished, 1.1): Eine minimale Anstrengung zur Erledigung der geforderten
Arbeit (niedrige Aufgabenorientierung) genügt gerade noch, sich im Unternehmen zu halten. Das
Management denkt an sich selbst immer zuerst (niedrige Mitarbeiterorientierung).
• Befehls-Gehorsam-Management (Task, 9.1): Hier ist ein optimales Einrichten der Arbeitsbedingungen (hohe
Aufgabenorientierung), das die Wirkung persönlicher Faktoren auf ein Minimum beschränkt (niedrige
Mitarbeiterorientierung), die Grundlage des Betriebserfolgs.
• Organisations-Management (Middle of the road, 5.5): Eine angemessene Leistung wird ermöglicht durch die
Herstellung eines Gleichgewichts zwischen der Notwendigkeit, die Arbeit zu tun und der Aufrechterhaltung
einer zufriedenstellenden Betriebsmoral.
Bei den dreidimensionalen Führungsmodellen sind die Ansätze von Reddin und Hershey/Blanchard hervorzuheben.
Reddin unterscheidet, aufbauend auf Blake/Mouton, bei der Aufgaben- bzw. Mitarbeiterorientierung jeweils noch
ineffektive und effektive Dimensionen. Entsprechend ergeben sich vier Positionen:
• Der Verfahrensstil ist durch starre Regeln und Vorschriften geprägt und nicht auf Situationen mit
hoher Dynamik anwendbar. Aus Angst vor Verantwortung flüchtet der Vorgesetzte in Paragraphen und
Dienstanweisungen (Kneifer/ineffektiv) oder sorgt für reibungsloses Funktionieren des Unternehmens
(Verwalter/effektiv).
• Der Beziehungsstil bemüht sich um ein gutes Verhältnis zu Mitarbeitern. Der Vorgesetzte geht dabei allen
Umstimmigkeiten und Problemen aus dem Weg und vermeidet Konflikte (Gefälligkeitsapostel/ineffektiv)
bzw. sorgt für eine vertrauensvolle Atmosphäre und motiviert Mitarbeiter zur Selbstverwirklichung
(Förderer/effektiv).
• Der Aufgabenstil stellt Leistung und Arbeitsergebnis in den Vordergrund. Dies erfolgt durch
Druckausübung mit Reibungsverlusten (Autokrat/ineffektiv) bzw. durch Erfahrung, Fleiß und Initiative mit
Entscheidungsrecht in der Gruppe (Macher/effektiv).
• Der Integrationsstil bedeutet Berücksichtigung sowohl der Aufgaben- als auch der Beziehungskomponente.
Dies erfolgt durch Zwang zu Kompromissen mit langer Bearbeitungszeit von Problemen (Kompromissler/
ineffektiv) bzw. Akzeptierung der Persönlichkeit von Mitarbeitern mit Koordination ihrer Aktivitäten
anhand hoher Maßstäbe (Integrierer/effektiv).
Hersey/Blanchard versuchen eine Synthese aus verschiedenen Führungsvorschlägen und einem eigenen Führungsansatz.
Er hat die Dimensionen des Reifegrads der Mitarbeiter durch stellenbezogene Reife als technische Fähigkeit, eine
Aufgabe zu erfüllen, und psychologische Reife als Selbstvertrauen und Motivation (jeweils niedrig oder hoch) sowie
eine aufgabenorientierte und eine mitarbeiterorientierte Dimension. Entsprechend ergeben sich vier situative Positionen:
• Beim autoritären Führungsstil (Telling: niedrige Mitarbeiterorientierung, hohe Aufgabenorientierung,
niedriger bis mittlerer Reifegrad) fixiert der Vorgesetzte eindeutig die Tätigkeiten der Untergebenen und gibt
Zeitpunkte für ihre Erfüllung vor (militärischer Kommandoton).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
92
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
• Beim integrierenden Führungsstil (Selling: hohe Mitarbeiterorientierung, hohe Aufgabenorientierung,
niedriger bis mittlerer Reifegrad) berücksichtigt der Vorgesetzte auch die Meinung der Mitarbeiter, aber
entscheidet selbst, er ist bemüht, seine Entscheidung zu „verkaufen“.
• Beim partizipativen Führungsstil (Participating: hohe Mitarbeiterorientierung, niedrige
Aufgabenorientierung, mittlerer bis hoher Reifegrad) spielt der Mitarbeiter bei Entscheidungsfindung und
Durchführung eine wichtige Rolle, wer entscheidet, ist nicht eindeutig festgelegt.
• Beim delegierenden Führungsstil (Delegating: niedrige Mitarbeiterorientierung, niedrige
Aufgabenorientierung, mittlerer bis hoher Reifegrad) kommt es zum Verzicht auf Führung, da Mitarbeiter
über Mittel und Wege selbst entscheiden.
6.4Mitarbeitermotivation
Da im Technischen Vertrieb Menschen als Mitarbeiter den Engpass darstellen, liegt es nahe zu überlegen, in welcher Weise
ihre Motivation gesteigert werden kann. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen, die versuchen, Erklärungen zu liefern.
Motivation beinhaltet allgemein Energie und Erregung, die Ausrichtung auf ein Ziel, eine selektive Aufmerksamkeit für dieses
Ziel und gleichzeitig verminderte Aufmerksamkeit für andere Ziele, die Organisation der Aktiviertheit in ein integriertes
Reaktionsmuster und die Aufrechterhaltung dieser Aktivität, bis sich die Ausgangsbedingungen verändert haben.
Im Folgenden sind die wichtigsten Motivationstheorien kurz skizziert. Maslow geht in der wohl bekanntesten
Motivationstheorie davon aus, dass ein Motiv nur dann und nur solange verhaltensbestimmend wirkt, wie es nicht
vollständig befriedigt ist. Er unterscheidet dabei fünf Gruppen von Motiven: Physiologisches, Sicherheit, Soziales,
Achtung (= Defizitbereiche, die über das Individuum bestimmen) und Selbstverwirklichung (= Wachstumsbereich,
der durch das Individuum selbst bestimmt wird). Seine Rangfolgethese besagt, dass die Befriedigung von Motiven
auf der höheren Ebene erst dann erfolgt, wenn Motive auf der niedrigeren Ebene zufriedenstellend erfüllt sind. Die
Umsetzung erfolgt durch verschiedene Maßnahmen, z.B. auf der ersten Stufe durch Lohn und Gehalt, Urlaubsregelung,
Kantinenverpflegung, ärztliche Betreuung, verbilligte Einkaufs- und Wohnmöglichkeiten, auf der zweiten Stufe durch
großzügigen Kündigungsschutz, Alterversorgungszusage, Versorgung bei Krankheit und Unfall, auf der dritten Stufe
durch Kommunikation am Arbeitsplatz, Information, Problemlösungsgespräche, Zugehörigkeit zu Teams, auf der vierten
Stufe durch Übertragung von Kompetenzen, verbale und materielle Anerkennung, Erlangung von Status und Ehrentitel,
Bereitstellung eines Dienstfahrzeugs, und auf der fünften Stufe durch Erfüllung auf Grund von Aufgabenstellung,
Selbstverantwortung bei der Arbeitsgestaltung und Pausenregelung, Weiterbildungsangebot, Aufstiegsmöglichkeiten.
Diese Ansicht ist jedoch vielfältiger Kritik unterworfen. Am Häufigsten werden in diesem Zusammenhang genannt,
dass sich für die unterstellte Hierarchisierung keine empirische Bestätigung findet und dass die Inhaltsbeschreibung von
Selbstverwirklichung als oberstem, anzustrebenden Ziel durchaus fraglich ist. Menschen unterscheiden sich deutlich
darin, in welchem Ausmaß sie ein niedrigeres Bedürfnis befriedigt wissen wollen, bevor sie sich auf die Befriedigung
des nächsthöheren konzentrieren. Oft sind im Arbeitsprozess egoistische Bedürfnisse wichtiger als soziale. Viele reale
Kategorien überlappen allerdings einander, z.B. Gehalt bietet sowohl Sicherheit als auch Anerkennung, und Bedürfnisse
können einander substituieren, z.B. mehr Anerkennung rechtfertigt weniger Gehalt. Allerdings ist dieser Ansatz wegen
seiner Prägnanz didaktisch gut geeignet.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
93
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Herzberg entwickelt einen Zweifaktoren-Ansatz der Motivation. Die Satisfaktoren oder Motivatoren wie Leistung,
Anerkennung, Arbeit selbst, Verantwortung, Aufstieg, Wachstum etc. eignen sich dazu, die Zufriedenheit mit der
Arbeit zu erhöhen. Dabei handelt es sich um intrinsische Faktoren. Dissatisfaktoren oder Hygienefaktoren wie
Unternehmenspolitik, Führung, Beziehung zu Vorgesetzten, Arbeitsbedingungen, Gehalt, Beziehungen zu Kollegen,
persönliche Lebensbedingungen, Beziehungen zu Unterstellten, Status, Arbeitssicherheit etc. verhindern hingegen nur,
dass Unzufriedenheit entsteht bzw. bauen Unzufriedenheit ab, sind jedoch nicht selbst imstande, Zufriedenheit zu
erzeugen. Motivatoren helfen, das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung zu befriedigen, führen somit bei positiver
Arbeitseinstellung zu Zufriedenheit. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit dem Arbeitsinhalt, sorgen für hohe
Arbeitsleistung, wirken langfristig und reichern den Arbeits- und Aufgabenbereich an. Hygienefaktoren hängen nicht mit
der Arbeit selbst zusammen, sondern mit den Bedingungen, welche die Ausführung der Arbeit lediglich umgeben, analog
zur medizinischen Hygiene, die nicht heilen kann, aber Gesundheitsrisiken mindert. Ihre angemessene Erfüllung wird
als selbstverständlich angesehen, führt also noch zu keiner gesteigerten Arbeitsleistung. Empfehlenswert ist daher eine
Anreicherung der „normalen“ Arbeit um Elemente wie Initiative, Selbstkontrolle und Verantwortung, um Mitarbeiter aus
der Suche nach Unzufriedenheitsstiftern in die Suche nach Zufriedenheitsstiftern zu versetzen. Problematisch ist allerdings
die Messung dieser Faktoren. Auch werden Gründe für Unzufriedenheit eher bei anderen gesucht. Außerdem wurden
die ursprünglichen Schlussfolgerungen aus Befragungen über Extremsituationen bei kleinen Testgrupppen gezogen, sind
also wohl nicht generalisierbar. Und einige Faktoren können sowohl Zufriedenheit als auch Unzufriedenheit stiften, z.B.
flexible Arbeitszeit. Unbewusste Faktoren werden nicht berücksichtigt, auch ist keine Kausalität erkennbar.
Alfelder unterscheidet in der Motivationspsychologie drei Gruppen von Bedürfnissen, Existence (E), Relatedness (R) und
Growth (G), weshalb dieser Ansatz auch als ERG-Ansatz bezeichnet wird. G-Bedürfnisse betreffen die Selbsterfüllung und
sind Zufriedensteller oder Motivationszustand, R-Bedürfnisse betreffen die Beziehungen und E-Bedürfnisse Dasein und
Existenz als Unzufriedensteller. Jedoch müssen die unteren Ebenen hierbei nicht zuerst erfüllt sein, damit Bedürfnisse
der oberen Ebene in Aktion treten, ebenso wie Bedürfnisse, die auf oberen Ebenen blockiert sind, durch Substitution auf
unterer Ebene dennoch motivatorisch wirken können. Nun werden vier grundlegende Prinzipien dafür behauptet: Die
Frustrationshypothese besagt, dass ein unbefriedigtes Bedürfnis dominant wird. Die Befriedigungs-Progressionshypothese
besagt, dass, sobald ein Bedürfnis befriedigt ist, das in der Hierarchie nächsthöhere Bedürfnis dominant wird. Die
Frustrations-Regressionshypothese besagt, dass, wenn ein Bedürfnis nicht befriedigt ist, das in der Hierarchie niedrigere
Bedürfnis dominant wird. Die Frustrations-Progressionshypothese besagt, dass, auch wenn ein Bedürfnis nicht befriedigt
wird, höhere Bedürfnisse aktiviert werden, weil diese Frustrationserfahrung zur Entwicklung der Persönlichkeit und
ihres Anspruchsniveaus beitragen kann. Das bedeutet insgesamt, Bedürfnisse der unteren Ebenen müssen nicht zuerst
erfüllt sein, damit Bedürfnisse der oberen Ebenen wirksam werden. Und die Bedürfnishierarchie arbeitet durchaus auch
in umgekehrter Richtung, wodurch auch zufriedengestellte Bedürfnisse motivatorisch wirken können. Kritik bezieht sich
vor allem auf die mangelnde empirische Bestätigung der zugrunde liegenden Annahmen.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
94
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
McClelland hat einen Vierfaktoren-Ansatz der Motivation entwickelt. Er geht davon aus, dass Bedürfnisse aus der
kulturellen Umwelt erlernt werden und eine verhaltensbeeinflussende Konfiguration einnehmen. Die vier Motive sind: Das
Leistungsmotiv als Bedürfnis zum Setzen von Zielen bzw. aus Befriedigung durch Zielerreichung, in Begeisterung an der Arbeit
selbst und an der Bedeutung von Effizienz und Effektivität. Typisch ist dafür das Streben nach innovativen Aufgaben, die ein
kalkuliertes Risiko von Eigenverantwortung und schnellem Feedback bringen. Dann das Machtstreben, das sich im Versuch
äußert, eine Position der Überlegenheit gegenüber anderen Personen zu realisieren. Analog zur psychosexuellen Entwicklung
wird dabei in vier Reifestadien unterschieden. Diese Phasen gelten auch für Unternehmen. Weiterhin das Bedürfnis nach
Zugehörigkeit als Wunsch, Bestandteil einer Gruppe zu sein und dort Sicherheit zu finden. Personen mit hohem Bedarf daran
präferieren konfliktfreie Situationen und Interaktionen mit geringem Wettbewerb. Schließlich das Vermeidungsstreben, das
darauf gerichtet ist, die Eintrittswahrscheinlichkeiten für Versagen, Ablehnung, Erfolg und Macht zu beeinflussen. Es folgt
aus der Erfüllung eines Grundmotivs bzw. aus einer zum Grundmotiv entgegengesetzten Größe. Alle Faktoren unterliegen
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
www.olb.de
allerdings kurzfristigen Schwankungen, ändern sich im Zeitablauf und sind situationsabhängig dominiert.
Ein Baustein Ihrer Karriere: die OLB.
Sie haben ein berufliches Ziel – wir haben die Herausforderung.
Sie studieren erfolgreich an Ihrer Hochschule?
Sie sind engagiert und zielorientiert? Sie sind kontaktfreudig und teamfähig? Sie möchten Praxisluft in einem erfolgreichen Unternehmen
schnuppern? Dann sollten wir uns kennenlernen. Bewerben Sie sich für ein Praktikum in allen Bereichen des Bankgeschäfts.
Sie sind dabei, Ihr Studium erfolgreich abzuschließen?
Sie sind qualifiziert, sich in einem erfolgreichen Unternehmen aktiv einzubringen? Dann bewerben Sie sich für das Trainee-Programm
der OLB.
Weitere Informationen erhalten Sie im Internet unter www.olb.de.
Oldenburgische Landesbank AG, Personal, Bahnhofstr. 7, 26122 Oldenburg oder [email protected]
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
95
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Nach McGregor gibt es Menschenbilder als vereinfachte Muster menschlicher Verhaltensweisen, die sich Personen im
Laufe der Zeit aufgrund ihrer Erfahrungen und Einstellungen zurechtlegen. Daher findet eine dualistische Diskussion
auf Basis eingängiger, stark simplifizierender Beschreibung von Extremtypen statt. Die Annahme ist dabei, dass jede
Führungsentscheidung auf einer Reihe von Hypothesen über die menschliche Natur und Verhaltensweise beruht, die
nicht expliziert werden, jedoch das Verhalten desjenigen beeinflussen, der von diesen Annahmen ausgeht. Menschenbild
X entspricht dabei folgenden Annahmen: Der normale Mensch hat eine angeborene Abneigung gegen Arbeit und wird
sie deshalb vermeiden. Daher müssen Untergebene gezwungen, kontrolliert, geführt und sanktioniert werden, um zu
„funktionieren“. Der normale Mensch wird gern geführt und weicht Verantwortung aus, er ist nicht ambitioniert und strebt
nach Ruhe. Menschenbild Y entspricht entgegengesetzt folgenden Annahmen: Physische und geistige Anstrengungen sind
völlig normal. Zielerreichung und -verpflichtung werden durch Selbstkontrolle und Eigeninitiative erreicht. Die Mitarbeiter
identifizieren sich mit den Organisationszielen. Das Kreativitätspotenzial der Menschen wird nur unvollkommen
genutzt. Als Kritik ist einzuwenden, dass sowohl Menschenbild X als auch Y jeweils zur Self fulfilling prophecy neigen,
d.h. Menschen, die eng geführt werden, entwickeln sich zur Unselbstständigkeit, was die Führungsnotwendigkeit für
Vorgesetzte begründet. Menschen, die zur Selbstständigkeit angehalten werden, entwickeln sich eigengesteuert, was die
Führungsnotwendigkeit für Vorgesetzte erübrigt. Oder umgekehrt, wenn ein Mitarbeiter keine Verantwortung übernehmen
möchte, führt auch das Einräumen eines Autonomiespielraums nicht zwingend zum Gefallen an eigenverantwortlichem
Handeln bei ihm. Das Menschenbild Z ist als Kompromiss aus X und Y gedacht. Danach benötigen Mitarbeiter humane
Arbeitsbedingungen, sowohl um die Produktivität als auch um die eigene Zufriedenheit und das Selbstbewusstsein zu
steigern. Mitarbeiter partizipieren an Entscheidungsprozessen. Ziel sind Konsensentscheidungen. Die kommunikative
und interpersonelle Kompetenz der Mitarbeiter wird als wichtig anerkannt und gefördert. Das Unternehmen ist dem
psychischen und physischen Wohlergehen der Mitarbeiter aller Ebenen verpflichtet. Zwischen den Mitarbeitern wird
über die Hierarchieebenen hinweg ein Klima des Vertrauens gefördert.
Nach Vroom ergibt sich die Motivation aus drei Faktoren: der Erwartung, d.h., der subjektiven Einschätzung für
eine bestimmte Handlung und einem damit erreichbaren Ergebnis, der Instrumentalität, d.h., der Unterstellung eines
Mitarbeiters, dass ein bestimmtes Ergebnis seines Handelns zu einem konkreten, persönlichen Ziel führt, und der Valenz,
d.h., dem Wert, den ein Mitarbeiter mit der Attraktivität des Ergebnisses seines Handelns verbindet, positiv bei Appetenz,
negativ bei Aversion (daher auch VIE-Ansatz genannt für Valenz = Stärke des individuellen Verlangens gegenüber einem
Ziel, Instrumentalität = subjektive Einschätzung der Zielerreichung, Erwartung = Erfolgswahrscheinlichkeit). Dabei setzt
sich die Anstrengungsbereitschaft einer Person funktional aus der subjektiven Wertigkeit des Ziels (Valenzmodell) und
aus dessen Wahrscheinlichkeit der Realisierung zusammen (Kraftmodell), d.h., die Anstrengung ist davon abhängig,
mit welcher Wahrscheinlichkeit sie zu einem bestimmten Ergebnis führt (z.B. Gehaltserhöhung) und mit welcher
Wahrscheinlichkeit das Ergebnis zur persönlichen Zielerreichung beiträgt (z.B. neues Auto kaufen). Ressourcen werden
dahingehend geprüft, inwieweit sie fähig sind, den gewünschten Zielzustand zu erreichen. Das Individuum strebt stets
danach, diejenige Verhaltensalternative unter mehreren zu wählen, deren subjektiv erwarteter Nutzen am höchsten
ist. Daher müssen Wege zur besseren Zielerreichung durch das Management aufgezeigt oder Aufwertungen des Ziels
vorgenommen werden, weil dadurch der Arbeitseinsatz steigt. Als Kritik ist zu nennen, dass vor allem die Unterscheidung
der zwei Ergebnisarten Schwierigkeiten bereitet.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
96
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Der Erwartungs-Valenz-Ansatz nach Porter/Lawler fordert, dass Belohnungen, die erreicht werden können, den
Mitarbeitern hoch genug erscheinen sollen. Das Erreichen der Endziele soll durch ein Leistungsbeurteilungssystem
erfolgen, das objektiv und nachvollziehbar ist. Und es sollen Bedingungen geschaffen werden, die dem Einzelnen sein
Leistungsergebnis durch eigene Anstrengungen beeinflussbar erscheinen lassen. Inwieweit Belohnungen zur Zufriedenheit
führen, hängt von der subjektiven Vorstellung der Person ab, was als gerechte Belohnung für eine erbrachte Leistung
angesehen wird. Vorwiegend intrinsisch motivierte Personen sind an der Leistungserbringung aus eigenem inneren Antrieb
interessiert, bedürfen also nicht so sehr der externen Belohnung, vorwiegend extrinsisch motivierte Personen erfahren
eine Belohnung erst aus der positiven Einschätzung ihrer Leistung durch Dritte. Basis sind dabei eigene oder fremde
Erfahrungen, die der Mitarbeiter in seine Ressourcenplanung einfließen lässt, die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und
sein Selbstbewusstsein, interne/externe Einflussfaktoren, Belohnung, Fähigkeiten, Erfahrungswerte für Belohnung und
Zufriedenheit durch Leistungserfüllung. Daraus ergeben sich die Anstrengungserwartung und die Konsequenzerwartung
(positiv z.B. Lob durch Vorgesetzten, negativ z.B. Kräfteverschleiß). Kausale Beziehungen sind durch diese Verknüpfung
allerdings nur schwer darstellbar.
Nach Mitchell sind Attributierungen Urteile von Personen über die Ursachen ihres eigenen Verhaltens und über das
Verhalten anderer Personen. Sie sind oft vereinfachend (holzschnittartig) und unzutreffend (vorurteilsbeladen). Es liegt
ein zweiphasiger Prozess vor. Er umfasst eine Diagnosephase, in welcher der Vorgesetzte die Ursache für die schlechte
Leistung festlegt, und eine Entscheidungsphase, in der eine bestimmte Reaktion aus einer Menge von Alternativen heraus
ausgewählt wird. Dabei spielen Vorurteile eine verhängnisvolle Rolle. Erfolge werden oft der eigenen Person, Misserfolge
hingegen anderen oder den „Umständen“ zugeschrieben. Führer nehmen Attributierungen vor, die dem ähnlich sind,
was die Geführten sich selbst zuschreiben. Leichte Fehler, Entschuldigungen, generelle Leistungsschwäche und soziale
Beliebtheit führen tendenziell zu geringerer Bestrafung. Umgekehrt haben Mitarbeiter Führungsprototypen im Sinn und
akzeptieren einen Vorgesetzten um so eher, je mehr dieser ihrem Prototyp in Verhalten und Erscheinungsbild entspricht.
Nach Festinger empfindet ein Individuum, das eine Entscheidung getroffen und umgesetzt hat, immer ein Reuegefühl,
da nicht zu verhindern ist, dass weitere Informationen über die Entscheidung zugänglich sind. Dabei kommt es immer
dann zu Problemen, wenn die ursprünglich der Entscheidung zugrunde liegenden Informationen zu neuen Erkenntnissen
in Widerspruch stehen. Die Größe der Dissonanz hängt dann von der Bedeutung der Alternative und der relativen
Attraktivität der gewählten Alternativen ab. Dissonanzreduktion erfolgt z.B. durch Erhöhung der subjektiven Attraktivität
der gewählten Alternative, durch gezielte Suche nach neuen Informationen, durch die sich die Richtigkeit der getroffenen
Entscheidung bestätigen lässt, durch gezielte Missinterpretation oder Ausklammerung von Informationen, welche die
kognitive Dissonanz erhöhen oder durch Herbeiführung einer Einstellungsänderung bei den Personen, die sich bisher
gegen die gewählte Alternative ausgesprochen haben. Das Anspruchsniveau wird also an die Sollvorstellungen angepasst.
Mitarbeiter sind demnach nicht zur Selbstkontrolle und -beurteilung fähig, weil sie Tatbestände in der gezeigten Form
subjektiv umwerten.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
97
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Adams (Gleichheitstheorie) geht bei der Motivation davon aus, dass Zufriedenheitsurteile auf der Interpretation von
Gerechtigkeit beruhen, vor allem in Bezug auf die in eine Transaktion investierten Kosten und die daraus entstehenden
Nutzen. Ziel einer Person ist danach ein Ertrag, der von ihr im sozialen Vergleich als gerecht für den erbrachten Einsatz
angesehen wird. Steht dem hohen Input kein hoher Output gegenüber, entsteht danach Unzufriedenheit, auch wenn dies
rein ökonomisch betrachtet unsinnig sein mag. Sie zielt also auf das Anstreben eines Gleichgewichts zwischen erbrachter
Leistung und dafür erhaltener Belohnung ab. Dafür gelten drei Axiome: Menschen beurteilen ihre Beziehungen nach dem
Verhältnis von Geben und Nehmen. Menschen leiden darunter, wenn das, was sie in eine Beziehung eingeben, nicht dem
entspricht, was sie herausbekommen. Menschen, die in ihren Beziehungen derart leiden, wollen die Ausgewogenheit wieder
herstellen. Dies unterstellt erstens den Erhalt einer Gegenleistung für einen wie immer auch gearteten Einsatz und zweitens,
dass dieser Ertrag im Vergleich zu anderen beurteilt wird. Einsatz ist dabei alles, was als für die Tauschbeziehung relevant
erachtet wird, Ertrag alles, was als relevante Gegenleistung erachtet wird. Jedes Ungleichgewicht führt zu Spannungen,
die abzubauen versucht werden. Folglich ist nicht die absolute, sondern nur die relative Höhe von Einsatz und Ertrag
ausschlaggebend.
Nach Grossman werden zwei Triebmechanismen unterschieden. Homöostatische Triebe beziehen sich auf Verhaltensweisen,
die „Lust“ zur Folge haben (Appetenz) und das Überleben des Individuums oder seiner Spezies sichern. Sie wirken
motivatorisch. Nicht-homöostatische Triebe hingegen bedrohen das Überleben und bewirken daher Unlust (Aversion).
Sie wirken demotivatorisch. Im Gehirn sind Strukturen vorhanden, die bei Erregung „Lust“ oder „Unlust“ vermitteln
und damit bestimmen, welches Verhalten bleibt und welches eliminiert wird. Externe Reize führen so, vorausgesetzt sie
überschreiten einen Schwellenwert, der im Organismus gesteuert wird, zu Reaktionen (S-R-Modell), „Lust“-Reize sind
etwa Hunger, Durst, Schlaf etc., „Unlust“-Reize sind etwa Emotion, Exploration, Erregung etc.
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Growth from Knowledge
Wir suchen hellwache Köpfe.
Bewerben Sie sich jetzt.
Expresso!
Sie wollen in einem der
führenden Marktforschungsunternehmen weltweit
denken?
Wollen über sich hinaus
wachsen? Viel bewegen?
Sie wollen es wissen?
Dann bewerben Sie sich bitte.
Wir freuen uns auf Sie.
GfK SE
Human Resources Management
Nordwestring 101
90419 Nürnberg
Telefon 0911-395 34 20
www.gfk.com/group/careers
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
98
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
6.5Mitarbeiterentlohnung
Die Mitarbeiterentlohnung hat dreierlei Anforderungen zu genügen, betrieblichen, mitarbeiterbezogenen und rechtlichen:
• Als betriebsspezifische Anforderungen sind vor allem die Berücksichtigung aller relevanten Ziele, ein
angemessener Flexibilitätsgrad, hohe Wirtschaftlichkeit, weitgehende Leistungsorientierung, geeignete
Führungs- und Steuerungsfähigkeit, sinnvolle Einkommensrelationen und eine gewisse Dauerhaftigkeit der
Geltung zu nennen.
• Als mitarbeiterspezifische Anforderungen sind vor allem die Sicherung einer Mindestentlohnung, ein
attraktives Gesamtniveau, gute Übersichtlichkeit und Nachprüfbarkeit, strikte Gerechtigkeit und ein
nachvollziehbares Kausalitätserlebnis zu nennen.
• Als rechtliche Anforderungen sind vor allem die Einhaltung von gesetzlichen und tariflichen Normen
in Betriebsvereinbarungen, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten sowie die Berücksichtigung des
Nichtdiskriminierungsgrundsatzes zu nennen.
Dabei bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Entlohnung an. Allgemein lassen sich folgende monetären
Entlohnungssysteme unterscheiden: nur Festgehalt, Festgehalt und Provision, Festgehalt und Prämie, Festgehalt und
Provision und Prämie, nur Provision, Provision und Prämie. Dabei geht der Entlohnungscharakter sukzessiv von fix
nach variabel über.
Das Festgehalt ist über einen gewissen, längeren Zeitraum konstant, variiert aber periodenbezogen. Es bietet sich
bei Schwerpunkt auf verkaufsbegleitenden Tätigkeiten an, bei langen Verkaufsintervallen, bei starken saisonalen
Schwankungen, bei arbeitslastbezogener Gebietseinteilung, bei Teamtätigkeit und während der Aufbauphase eines Marktes.
Vorteile liegen darin, dass es einfach und übersichtlich zu handhaben ist, ein finanzielles Sicherheitsgefühl vermittelt,
die Relation zwischen Innen- und Außendienst wahrt, der Kundenpflege dient, bei Gebietsänderung oder -versetzung
nützlich ist und Mengendegressionseffekte aufweist. Nachteile liegen darin, dass Unwirtschaftlichkeiten gefördert werden,
eine eher geringe Motivation besteht, die Leistungsgerechtigkeit problematisch ist und eine doch störende Starrheit der
Bemessung vorliegt. Bei fallenden Umsätzen entstehen steigende Kosten pro abgesetzter Einheit, und es besteht die Gefahr
der Abwanderung der besten Mitarbeiter und des Verbleibs weniger leistungsfähiger.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
99
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Die Provision ist eine von einer Bezugsgröße abhängige, relative Entlohnungsform. Sie bietet sich für rein verkaufsbezogene
Tätigkeiten an, sofern diese direkt beeinflusst werden können und einer objektivierten Beurteilung zugänglich sind.
Die Provision findet allerdings vorwiegend auf selbstständige Absatzhelfer Anwendung. Vorteile liegen darin, dass
ein unmittelbarer, starker Leistungsanreiz besteht, Kontrollmaßnahmen reduziert werden können und ein variabler
Kostencharakter gegeben ist. Nachteile liegen darin, dass die Gefahr von Fehlanreizen bei falscher Bezugsgrößenwahl gegeben
ist, dass die Kundenzufriedenheit als zentraler Erfolgsfaktor unter möglichem Hard selling leidet, die Beziehung zwischen
Verkaufsinnen- und -außendienst problematisch bleibt, Anpassungswiderstände bei Versetzung bzw. Gebietsänderung
gegeben sind, die Einkommen konjunkturell und saisonal schwanken, Ungerechtigkeiten bei der Zurechnung von externen
Effekten entstehen sowie die Zielgrößen diffus sind und eine angemessene Höhe schwierig zu bestimmen ist. Es kann zur
Vernachlässigung indirekter, vor- und nachbereitender Verkaufsaufgaben kommen und die Integration neuer Mitarbeiter in
das Provisionssystem ist schwierig. Als Bemessungsgrößen werden meist Umsatz, Absatz und Deckungsbeitrag angewandt.
Verbreitet ist die Umsatzprovision, die sich auf Gesamtumsatz, differenzierte Umsatzanteile, Umsatzvorgaben oder
sonstige Größen beziehen kann. Der Provisionsverlauf kann linear als gleichbleibender Satz bei Bezugsgrößenänderung,
progressiv, also steigend gegenüber der Bezugsgröße, degressiv, also sinkend gegenüber der Bezugsgröße, oder s-förmig
als progressiv-linear-degressiver Verlauf zur Bezugsgröße gestaltet sein. Dies bezieht sich zumeist auf den Einzelumsatz,
den Gesamtumsatz, differenzierte Umsatzanteile oder Umsatzvorgaben. Oft wird eine Mindestprovision garantiert oder
sie wird nur bei Überschreiten einer Zielvorgabe oder auch nur bei deren Einhaltung fällig.
Die Prämie stellt ebenfalls eine variable Entlohnungsform dar, die immer zusätzlich zu anderen Größen verwendet wird.
Prämien werden also fallweise für spezielle Absatzziele, die durch Festgehalt oder Provision so nicht erreichbar scheinen, in
Form von Absolutwert, Punktwert, Korrekturfaktor zur sonstigen Entlohnung oder Zuschlagssatz eingesetzt. Prämien sind
diskontinuierlich angelegt. Solche Sonderziele sind z.B. Spitzenleistung, Neukundengewinnung, Lagerabbau, Besuchsfrequenz.
Diese Ziele können kurz- oder langfristig angestrebt werden, sich auf Haupt- oder Nebenleistungen beziehen, quantitativer oder
qualitativer Natur sein. Vorteile liegen in der Flexibilität des Einsatzes, der Zusatzmotivation der Verkäufer und einer hohen
Gerechtigkeit. Nachteile liegen in einer gewissen Unübersichtlichkeit sowie in Gefahren für Fehlanreize und Verzerrungen.
Zudem sind Prämien nur schwer rückgängig zu machen. Die Festlegung der Prämienhöhe erfolgt unterschiedlich. Beim
fixen Prämienfonds wird ein vorher definierter Geldbetrag auf alle prämienberechtigten Verkäufer im Anteil ihrer Leistungen
aufgeteilt. Beim variablen Prämienfonds ist dieser Geldbetrag von einer Bezugsgröße abhängig (z.B. Umsatz oder Gewinn).
Dann ist der auszuschüttende Betrag allerdings im Vorhinein nicht bekannt. Die Prämie kann aber auch als gleicher
Geldbetrag je Verkäufer definiert sein, sich auf Grundlage seines jeweiligen Festgehalts berechnen oder durch individuelle
Zu- und Abschläge beeinflusst sein. Bei Poolprämien partizipieren alle Gruppenmitglieder gleichmäßig unabhängig von
ihrer individuellen Leistung. Neben diesen quantitativen kommen auch qualitative Zielgrößen in Betracht, die allerdings der
subjektiven Verzerrung unterliegen (z.B. nach Besuchsberichten, Kundenzufriedenheit, Verkaufsgesprächsführung).
Gratifikationen und Boni stehen normalerweise dem gesamten Personal eines Betriebs zu, nicht nur dem Vertrieb und
werden nachträglich vergütet (z.B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld). Dabei ist der Zusammenhang zwischen individueller
Leistung und Belohnung jedoch nur sehr indirekt einsichtig.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
100
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Sammelentlohnungen als Gruppenprovision und/oder -prämie gelten nicht mehr nur für einen Verkäufer, sondern für
mehrere gemeinsam. Die Entlohnung kann an die Gruppe gemeinsam oder jedes einzelne Mitglied gerichtet sein. Letzteres
kann wiederum mit einheitlichen oder differenzierten Beträgen erfolgen. Vorteile liegen vor allem in der Vermeidung
von Zurechnungsproblemen auf einzelne Personen, in gruppendynamischen Prozessen zur Leistungssteigerung und
der Einbeziehung verkaufsbegleitender Arbeiten (z.B. Telefonkontakt, Kundendienst). Nachteile liegen jedoch in der
Nivellierung der Leistung, möglicher Frustration bei höher leistungsfähigen Mitarbeitern, fehlendem Wettbewerb
untereinander, schwieriger leistungsgerechter Zurechnung und Stress durch überzogene Gruppenerwartungen.
Mischsysteme kombinieren Festgehalt, Provision und/oder Prämie. Dabei sollen die jeweiligen Vorteile der
Einzelentlohnungssysteme gekoppelt und deren Nachteile vermieden werden. Zum Beispiel stellt die Kombination aus
Fixum (also zeitabhängig) und Provision (also leistungsabhängig) einen Kompromiss zwischen dem Sicherheitsbedürfnis
auf Seiten des Mitarbeiters und dem Leistungsanreiz auf Seiten des Arbeitgebers dar. So können z.B. Festgehalt und
Provision parallel berechnet werden, wobei dann immer der höhere Wert zur Auszahlung kommt. Zu klären ist die
Relation zwischen Fixum und Provision. Empfohlen wird höchstens eine Relation von 3 : 1. Dies kann nach der Zeitrelation
der verkaufsvorbereitenden und -abwickelnden Tätigkeiten zu den eigentlich verkaufsbewirkenden geschehen. Zu
Ersteren gehören z.B. Tourenplanung, Terminvereinbarung, Angebotsabgabe, Wege- und Wartezeiten bzw. Auslieferung,
Reklamationsbearbeitung, Letztere betreffen nur den Verkaufsakt selbst.
Neben den monetären gibt es auch indirekt materielle und immaterielle Entlohnungssysteme. Erstere betreffen geldwerte
Sachleistungen, die Verkäufern unentgeltlich oder subventioniert zur Verfügung gestellt werden. Letztere betreffen
emotionale Idealleistungen, die Verkäufer im Betrieb hervorheben (z.B. Titel, 100 %-Club). Allerdings kommt es auch
hier zu Wear out-Effekten, und die Chancengleichheit der Teilnehmer ist durchaus fraglich.
Weit verbreitet ist bei Ersteren das sog. Cafeteria-System. Dabei hat der Mitarbeiter die Auswahl, sich unter verschiedenen
Anreizen zu entscheiden (Self selection scheme). Zu denken ist dabei etwa an folgende Anreize:
• Zusätzlicher Urlaub, kürzere Tagesarbeitszeit, kürzere Wochenarbeitszeit, kürzere Jahresarbeitszeit, freie
Tage, Langzeiturlaub (Sabbatical), Vorruhestandsregelung/Frühpensionierung, Teilzeitarbeit, Job sharing,
Geld statt Urlaub, Heimarbeit (Teleworking),
• Urlaubsangebote, flexible Arbeitszeiten,
• Arbeitgeberdarlehen, Kapitalanlagen, Investivlohn, Vermögensbeteiligung/Stock options, Gewinnbeteiligung/
Profit sharing, Studien-/Erziehungsgelder, zusätzliche betriebliche Altersversorgung,
• Bildungsurlaub, Auslandsaufenthalt, Forschungsmöglichkeiten, Kongressteilnahme,
• Lebensversicherung/Direktversicherung, zusätzliche Krankenversicherung (zahnärztlich, stationär,
augenärztlich etc.), Unfallversicherung, Arbeitsunfähigkeits-/Invaliditätsversicherung, Haftpflichtversicherung,
Rechtsschutzversicherung, Versicherung gegen Vermögensschäden,
• periodische kostenlose ärztliche Vorsorgeuntersuchung,
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
101
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
• Rechts- und Steuerberatung, Geldanlageberatung,
• Firmenwagen, Firmenwohnungen, Firmeneinkäufe, Entlohnung in Naturalien, verbesserte Büroausstattung,
reservierte Parkplätze, Sportangebote, First class-Flugreisen, längere Kündigungsfristen.
In der Praxis dominieren als Vergütungssysteme im Vertrieb (in fallender Reihenfolge) nur Provision, nur Festgehalt,
Provision und Prämie, nur Prämie, Provision und Prämie und Wettbewerb, Provision und Wettbewerb sowie Prämie
und Wettbewerb.
6.6Mitarbeitereinsatz
Der Mitarbeitereinsatz im Vertrieb betrifft vor allem die Aufteilung der Verkaufsbezirke. Dazu gibt es zwei Verfahren. Das
Absatzpotenzialverfahren geht davon aus, dass die Produktivität jedes Verkäufers gleich hoch, jeder einzelne also in der
Lage ist, in einem bestimmten Zeitraum die gleichen Umsätze zu erzielen wie jeder seiner Kollegen. Es geht wie folgt vor:
Zunächst wird das Marktpotenzial ermittelt. Daraus ergibt sich das Absatzpotenzial gemäß eigenem Marktanteil. Insofern
lässt sich der Arbeitsumfang jedes einzelnen Mitarbeiters ermitteln. Dividiert man das Absatzpotenzial (durchschnittlicher
Marktanteil am Marktvolumen) durch den Arbeitsumfang (eines durchschnittlichen Verkäufers), ergibt sich daraus die
Anzahl der Verkaufsbezirke. Vorteile des Absatzpotenzialverfahrens sind vor allem der direkte Wettbewerb zwischen den
Verkäufern, da jeder Mitarbeiter gleiche Chancen hat, und die einfache, verständliche Provisionsregelung. Nachteile liegen
in der ungleichen Gebietsgröße und damit unterschiedlichem Reiseaufwand und unterschiedlicher Arbeitslast. Vor allem
aber liegt ein logischer Zirkelschluss vor, wenn die Zahl einzusetzender Verkäufer aus einem geschätzten Abschlussvolumen
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
hergeleitet wird. Gerade dieses soll ja durch den Einsatz der Verkäufer erst beeinflusst werden.
hi
&
>]g6chegjX]/VcYZgHe^ioZ
ojhiZ]Zc#JchZg6c\ZWdi/
6ahKdghiVcYhVhh^hiZcib$l
^c+W^h-?V]gZc^chHZc^dg
BVcV\ZbZciZ^cZhLZai"
`dcoZgch#
lll#eZgheZ`i^kZc#Vaa^Vco#YZ
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
102
Technischer Vertrieb
Mitarbeiter im Vertrieb
Das Arbeitslastverfahren basiert hingegen auf der Grundidee, dass jeder Verkäufer dieselbe Arbeitslast bewältigen
soll. Zur Ermittlung der Anzahl ist es nötig, den gesamten Arbeitsaufwand zu ermitteln, der für die Bearbeitung des
anvisierten Marktes notwendig ist. Dazu geht es wie folgt vor: Potenzielle Kunden werden nach ihrem Umsatzpotenzial
eingeteilt. Dann wird die Besuchshäufigkeit pro Zeiteinheit je nach Bedeutung der Kunden festgelegt. Daraus ergibt sich
das Produkt aus Kundenzahl und Besuchshäufigkeit. Dagegen werden die Arbeitstage je Verkäufer gestellt. Dividiert
man die Bruttobesuchstage (Kundenzahl x Besuchshäufigkeit) durch diese Arbeitstage, ergibt sich die Anzahl der
erforderlichen Verkäufer. Vorteile des Arbeitslastverfahrens sind vor allem die faire Verteilung des Betreuungsaufwands
und die Einfachheit und Verständlichkeit. Nachteile liegen in den unterschiedlichen Umsatzpotenzialen, die in der
Provisionsregelung zu berücksichtigen sind. Zudem müssen auch neue Kunden akquiriert werden
Für die Verkaufstätigkeit gelten meist die Inhalte einer Betriebsordnung. Diese bestimmt im Einzelnen meist folgendes:
• Geltungsbereich, Einstellung und Anstellungsvertrag (Unterlagen der Mitarbeiter, Veränderungsmeldungen,
Krankenversicherungspflicht, Tätigkeitsbereich, Einführung und Patenschaft), Geheimhaltung
und Betriebstreue, Arbeitszeit, Pausen und Mehrarbeit (Pünktlichkeit, Arbeitsbeginn, Verspätung,
Arbeitszeitkontrolle), Arbeitsentgelt (Höhe der Lohn- und Gehaltszahlung, Aufwandsersatz, freiwillige
Leistungen, Abtretung und Pfändungen, Personalkauf), Urlaub (Anspruch, Planung, Sonderfälle),
Arbeitsversäumnis (Abwesenheitsmeldung, Krankmeldung, Gesundheitsfürsorge), Pflichten des Mitarbeiters
(Grundsätze, Umgang mit Kunden, Maßnahmen bei Verstössen), Zusammenarbeit und Beschwerden der
Mitarbeiter (Schlichtung, Zurechtweisung), Ordnung und Ordnungshilfsmittel (Mitteilungen, Aufenthalt
im Betrieb, Erscheinungsbild der Mitarbeiter, Sauberkeit, Verpflegung, Alkoholverbot, Haftung bei
Schäden, private Telefonate, Benutzung von Firmenfahrzeugen, Betriebsfriede, Kontrollen, Rauchverbot),
Sicherheitsvorschriften (Unfallverhütung, Verhalten bei Unfällen, Schadensverhütung), Beendigung des
Arbeitsverhältnisses (Kündigung, Ansprüche, Rückgabe von Betriebseigentum, fristlose Entlassung).
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
103
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
7Verkaufstaktik
Bei der konkreten Verkaufstaktik sind folgende Aspekte von Interesse: Gesprächspartner, Verkäufertätigkeit,
Verkaufsabwicklung und Verkaufs-/Kauf-Grid.
7.1Gesprächspartner
Mit dem Zusammentreffen von Käufer und Verkäufer im Gespräch sind immer auch bestimmte Käufer- bzw. Verkäufertypen
involviert. Bei den Käufertypen unterscheidet man gemeinhin folgende:
• Der Aggressive ist provozierend und ständig schlecht gelaunt. Hier ist es hilfreich, Verständnis zu
signalisieren und immer wieder Übereinstimmung zu erreichen.
• Der Schüchterne ist unsicher und leicht zu irritieren. Hier ist es sinnvoll, keine Alternativen aufzuzeigen,
Vertrauen zu gewinnen und Garantieerklärungen abzugeben.
• Der Vielredner ist egozentrisch und weitschweifig. Hier gilt es, ihn auf den Punkt zu bringen, den
Sprachschwall zu reduzieren und Klarheit zu schaffen.
• Der Schweiger ist misstrauisch und einsilbig. Hier ist es wichtig, Vertrauen zu gewinnen und das Gespräch
aufzulockern.
• Der Rechthaberische ist leicht erregbar, besserwisserisch und energisch. Hier soll man als Verkäufer nicht
widersprechen und ihn durch geschlossene Fragen (Ja/Nein) steuern.
• Der Nervöse ist unkonzentriert und eilig. Hier hilft eine knappe Beratung und der sichtbare Respekt vor der
Terminnot des Kunden.
• Der Arrogante schließlich ist überlegen und eitel. Hier werden Suggestivformulierungen und
Referenzaussagen sinnvoll eingesetzt.
Es ist auch der Versuch unternommen worden, die Käufertypen in Analogie zu Tieren zu charakterisieren:
• Das positive Pferd ist dabei sanftmütig, selbstsicher, geht zügig und direkt auf sein Ziel zu.
• Der allwissende Affe weiß alles besser und unterbricht stets mit Einwänden.
• Der redselige Frosch redet um des Redens willen.
• Das träge Flusspferd ist uninteressiert, wortkarg und gelangweilt.
• Der ablehnende Igel macht auf Opposition, weist alles zurück, will sich nicht integrieren.
• Das schüchterne Reh schweigt am liebsten und enthält sich der Meinung.
• Die erhabene Giraffe ist überheblich, eingebildet, dominierend und kritikempfindlich.
• Der schlaue Fuchs wartet nur darauf, andere hinterrücks reinzulegen.
• Die streitsüchtige Bulldogge verhält sich widerstrebend und sieht überall Probleme.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
104
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
Weiterhin gibt es Ansätze, Käufer zu typologisieren. Wer an diese Stereotype glaubt, kann seinen Gesprächspartner dann
besser einschätzen. Dazu einige Beispiele:
• Bei den Körperbautypen unterscheidet man folgende. Der Athletiker ist durch muskulöse Physiognomie,
breite Schultern und stattlichen Brustkorb gekennzeichnet. Er ist, dem Vorurteil entsprechend,
schwerfällig, nüchtern, wortkarg und verlässlich. Der Leptosome hat einen großen, aufgeschossenen
Körperbau, ist schmalwüchsig, mit langen Extremitäten, engem Brustkorb, länglichem Kopf und
schwacher Muskulatur ausgestattet. Er ist zäh, systematisch, formalistisch, wenig anpassungsfähig und
leicht verwirrbar. Der Pykniker hat einen gedrungenen, kleinen Körperbau, kurze Extremitäten, breite
Hüften, Bauchansatz, einen kurzen, massiven Hals und ein weiches, breites Gesicht. Er sieht das Ganze,
vernachlässigt das Detail, ist wechselhaft, ermüdet schnell, ist mitteilungsbedürftig und zu unüberlegten
Äußerungen reizbar.
• Bei den Temperamentstypen unterscheidet man folgende. Der Sanguiniker ist ein heiterer Typ und
Lebenskünstler, aber nicht immer verlässlich. Er gilt als extravertiert und stabil, führend, gesellig,
gesprächig, großzügig, lebhaft, mitteilsam, sorglos und verständnisvoll. Der Choleriker ist leicht reizbar und
durcheinander zu bringen, hat aber einen guten Kern. Er gilt als extravertiert und instabil, aggressiv, aktiv,
impulsiv, optimistisch, reizbar, unruhig und wechselhaft. Der Phlegmatiker ist durch Ruhe und Beständigkeit
geprägt, kann aber auch schwerfällig sein. Er gilt als introvertiert und stabil, ausgeglichen, beherrscht,
friedlich, nachdenklich, passiv, ruhig, sorgfältig und zuverlässig. Der Melancholiker ist zwar schwermütig
und trübsinnig, aber oft beharrlich und zuverlässig. Er gilt als introvertiert und instabil, ängstlich, launisch,
nüchtern, pessimistisch, starr, still, ungesellig und zurückhaltend.
• Bei den Konstitutionstypen unterscheidet man folgende. Der zyklothyme Typ wechselt die Gefühle
zwischen heiterer und trauriger Stimmung, er ist gutmütig, aber auch unbeständig und wenig konzentriert.
Der visköse Typ hat einen starken Bewegungs- und Betätigungsdrang, er ist zäh, ausdauernd, kann aber
auch engstirnig und pedantisch sein. Der schizothyme Typ stellt Abstraktionsfähigkeit und folgerichtiges
Denken in den Vordergrund, er ist stark Ich-bezogen und zutiefst ernsthaftig.
• Bei den Struktogrammtypen werden folgende unterschieden. Der Stammhirn-Typ sucht und findet
rasch persönlichen Kontakt, hat ein Gespür für Menschen, ist beliebt, baut auf Bekanntem auf, wird von
Erfahrungen geleitet, meidet radikale Veränderungen, verfügt über Intuition und Fingerspitzengefühl, erfasst
Signale aus dem Unbewussten, kann sich auf erste Eindrücke verlassen und hat Erfolg durch Sympathie.
Der Zwischenhirn-Typ besitzt natürliche Autorität und Überlegenheit, misst sich gern mit und an anderen,
erfasst den Augenblick, entscheidet spontan, ist von mitreißender Dynamik, denkt konkret und praktisch,
erkennt das Machbare, neigt zum Probieren, ist gut im Improvisieren und hat Erfolg durch Imponieren. Der
Großhirn-Typ braucht Abstand, gewinnt erst bei längerem Kennenlernen, lässt nicht in sich hineinschauen,
muss alle Konsequenzen zu Ende denken, tut nichts ohne Plan, teilt die Zeit fest ein, denkt systematisch, hat
hohes Abstraktionsvermögen und beherrscht die Sprache als Werkzeug.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
105
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
Zu den Verkäufer-Typen lässt sich feststellen, dass entscheidende Erfolgsfaktoren im Verkaufsgespräch die Dimensionen
der Sympathieausstrahlung (Mögen des Verkäufers) und der Kompetenzbeeindruckung (Achten des Verkäufers) sind.
Geht man jeweils von den ordinalen Ausprägungen gering und hoch aus, ergeben sich vier Kombinationen:
• Verkäufer mit sowohl geringer Sympathieausstrahlung als auch Kompetenzbeeindruckung sind für den
Beruf leider ungeeignet. Bei ihnen ist daher zu prüfen, inwieweit eine sozialverträgliche Freisetzung
vorgenommen werden kann.
• Verkäufer mit geringer Sympathieausstrahlung und hoher Kompetenzbeeindruckung wirken meist
als unsensible Technokraten. Bei ihnen ist zur Erfolgssteigerung dringend eine Qualifizierung durch
Verhaltenstraining notwendig.
• Verkäufer mit hoher Sympathieausstrahlung und geringer Kompetenzbeeindruckung kommen eher als
nette Kumpel über, was für dauerhaften Verkaufserfolg nicht ausreicht. Daher ist eine Qualifizierung durch
Wissensschulung notwendig.
• Verkäufer mit sowohl hoher Sympathieausstrahlung als auch Kompetenzbeeindruckung sind die idealen
Verkäufer. Bei ihnen kommt es für den Betrieb darauf an, Motivierung und Bindung an das Unternehmen
zu erreichen.
e Graduate Programme
for Engineers and Geoscientists
I joined MITAS because
I wanted real responsibili
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Maersk.com/Mitas
Real work
Internationa
al opportunities
International
wo
or placements
ree work
Month 16
I was a construction
supervisor in
the North Sea
advising and
helping
foremen
he
ssolve problems
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
106
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
7.2Verkäufertätigkeiten
Verkäufer nehmen verschiedenartige Funktionen wahr. Zu unterscheiden sind:
• Verkäufer, welche die rein physische Distribution von Waren zur Aufgabe haben, also ausschließlich
Lieferanten sind, und bei denen ein aktives Bemühen um Umsatz allenfalls sehr gering ausgeprägt ist
(Produktanlieferung),
• Verkäufer, die in erster Linie im Innenverkauf Aufträge entgegennehmen bzw. Interessenten Produkte
demonstrieren und übergeben, die Umsatzbeeinflussung ist auf die zum Verkäufer kommenden
Interessenten begrenzt (Präsentation),
• Verkäufer, die im Außenverkauf in erster Linie Aufträge entgegennehmen, aber nicht als Berater
oder Problemlöser auftreten, dabei führen selbst geringe Problemlösungsfähigkeiten zum Umsatz
(Orderaufnahme),
• Verkäufer, die im Prinzip reine Berater sind, von ihnen wird eine Auftragsentgegennahme nicht erwartet,
manchmal ist sie ihnen auch verboten, ihre Aufgabe ist vielmehr in erster Linie, gegenwärtige und
potenzielle Abnehmer zu informieren, zu beraten und Goodwill aufzubauen (Kundenkontaktpflege),
• Verkäufer, bei denen die Problemlösung für bzw. mit dem Kunden im Vordergrund steht, an sie werden
technische Anforderungen gestellt, nur wenn der Interessent sieht, dass seine Probleme besser als vordem
gelöst werden, wird er auch zum Kunden (Problemlöser),
• Verkäufer, die beim Verkauf eines konkreten Objekts in erster Linie kreativ vorgehen müssen, um
den potenziellen Kunden zu überzeugen, dass das Produkt eine bessere Problemlösung erbringt
(Neukundengewinnung),
• Verkäufer, die Dienstleistungen verkaufen, was meist die abstrakte Demonstration des Produktnutzens
erforderlich macht und deshalb als besonders herausfordernd anzusehen ist.
Als Aufgaben des Verkäufers im Rahmen des Gesprächs sind folgende zu nennen:
• Verkaufsvorbereitung, dazu gehört die Prüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit aller Verkaufsunterlagen,
die Planung von Kundenbesuchen und die Zielsetzung für solche Gespräche,
• Anmeldung beim Kunden, denn die Terminvereinbarung ist in den meisten Fällen zweckmäßig, dazu
gehören auch die Dauer und ggfs. der Zweck des Gesprächs,
• Fahrt zum Kundenstandort, die Anfahrt ist in jedem Fall so zu wählen, dass vereinbarte Termine pünktlich
eingehalten werden können,
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
107
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
• Eröffnung des Verkaufsgesprächs, dies ist die „Eisbrecherphase“, für die es sich schickt, nicht gleich „mit der
Tür ins Haus zu fallen“, sondern allgemeine Themen als Aufhänger zu finden,
• Problemqualifizierung / Informationssammlung, denn jedes Gespräch muss kundenorientiert geführt
werden, und das setzt zunächst die Identifizierung des Kundenproblems voraus,
• Problemlösung anbieten / Beratung, hier werden die Nutzen des angebotenen Produkts argumentiert,
• Leistungen demonstrieren / Vorführung, noch besser ist es, den Kunden selbst nutzenstiftende Tätigkeiten
mit dem Produkt ausführen zu lassen, da dies zu unmittelbaren Aha-Erlebnissen bei ihm führt,
• Einwände beseitigen, denn Einwände sind Kaufbarrieren, die, wenn es nicht gelingt, sie zu überwinden,
einem Abschluss unverrückbar im Weg stehen,
• Konditionen aushandeln / Verkaufsabschluss erzielen, zuerst kommen immer die Leistungen und erst dann
die Aufwendungen, um in deren Genuss zu gelangen,
• Bestätigung des Kunden zur wirksamen Reduktion unvermeidlich nach dem Abschluss auftretender
kognitiver Dissonanzen,
• Verabschiedung zur stilvollen Beendigung von Verkaufsgesprächen, um beim Kunden nicht das Gefühl
aufkommen zu lassen, dass man nur am Abschluss, nicht aber an seiner Person interessiert ist,
• Rückfahrt, die je nach Lage der Dinge bereits zu ersten Handlungen genutzt werden kann, wenn z.B.
besondere Dringlichkeit gegeben ist,
• Besuchsbericht schreiben, um wichtige Eckdaten des Gesprächs für sich selbst zu dokumentieren und dem
Arbeitgeber bzw. beauftragenden Unternehmen hinlängliche Transparenz über die Tätigkeiten zu geben,
• Auftragsabwicklung veranlassen, um die unverzügliche Leistungsausführung zu gewährleisten, denn
Schnelligkeit ist ein wichtiger Wettbewerbsparameter,
• Sonderwünsche erledigen, gerade diese sind, angesichts zunehmend austauschbarer Basisleistungen am
Markt, noch in der Lage, Präferenzen und damit akquisitorisches Potenzial aufzubauen,
• Reklamationen bearbeiten / Wiedergutmachung, dies ist eine heikle Aufgabe, die jedoch, richtig behandelt,
zu hoher Kundenzufriedenheit und sogar zur Chance auf Zusatzabschlüsse führen kann.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
108
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
7.3 Verkaufsabwicklung
Anfragen dienen im geschäftlichen Verkehr zur Ermittlung der günstigsten unter mehreren ausgewählten Bezugsquellen.
Sie sind formfrei, unverbindlich und verpflichten nicht zum Kauf. Der Inhalt der Anfrage kann allgemein gehalten oder
spezifiziert sein, z.B. nach Qualität, Preis, Lieferzeit. Als Reaktion auf eine Anfrage erfolgt ein Angebot. Dieses Angebot
wird in dem Augenblick verbindlich, in dem es den Empfänger erreicht, außer es handelt sich um Besonderheiten wie ein
Angebot an die Allgemeinheit, unter Anwesenden, unter Abwesenden, mit Fristsetzung oder freibleibend. Ein Widerruf
ist nur wirksam, wenn er vor oder spätestens gleichzeitig mit dem Angebot eingeht. Ein Angebot besteht regelmäßig
mindestens aus folgenden Bestandteilen:
• Erfüllungsort. Der gesetzliche Erfüllungsort ist dort, wo der Schuldner seinen gewerblichen Sitz hat, d.h. für
die Warenlieferung ist dies der Ort des Verkäufers, für die Kaufpreiszahlung der Ort des Käufers. Vertraglich
kann davon beliebig abgewichen werden.
• Gerichtsstand. Dies ist der Ort, an dem sich bei Leistungsstörungen ergebende Streitigkeiten ausgetragen
werden. Gesetzlicher Gerichtsstand ist der Geschäftssitz des Schuldners, d.h. für die Warenschuld der des
Verkäufers, für die Geldschuld der des Käufers. Vertraglich kann Abweichendes vereinbart werden, meist der
Ort des Verkäufers für Ware und Geld.
• Art, Güte und Beschaffenheit der Ware. Dies betrifft die Spezifikationen auf Basis von Abbildungen und
Beschreibungen, Mustern und Proben, Güteklassen (Handelsklassen, Typen), Waren- und Gütezeichen,
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Warenherkunft, Warenjahrgang, Warenzusammensetzung.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
109
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
• Preis pro Wareneinheit. Dabei geht es um gesetzliche Maßeinheiten, Stückzahlen, handelsübliche
Bezeichnungen mit Ausweis der Währung, in der der Preis berechnet wird (ggfs. incl. Währungsparitäten).
• Lieferungsbedingungen. Dies betrifft Bestimmungen über die Verteilung von Kosten und Risiken zwischen
Käufer und Verkäufer, vor allem Lieferzeit, Lieferhäufigkeit, Lieferort, Lieferart, Lieferkosten, Risiken und
sonstige Vereinbarungen.
• Zahlungsbedingungen. Inhalte sind die Zahlungsart, die Zahlungsfrist, der Zahlungsort und
der Zahlungszeitpunkt. Dazu gehören, vor allem im Außenhandel, auch der Zahlungsweg, die
Zahlungssicherung und der Zahlungszweck.
Ein Kaufvertrag kommt dabei durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande, also durch Antrag und
Annahme. Er entsteht außerdem durch Warenbezahlung oder Ge- bzw. Verbrauch der Ware. Der Antrag geht vom
demjenigen aus, der einen Vertrag abschließen möchte, die Annahme vom demjenigen, an den sich der Antrag richtet.
Durch den Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer zur Besitzübergabe der Ware an den Käufer, der Käufer zur Abnahme
der Ware des Verkäufers und zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises gemäß den vereinbarten Zahlungsbedingungen an
diesen sowie der Verkäufer zur Eigentumsübertragung an den Käufer. Eigentümer einer Sache ist, wem eine Sache gehört.
Er kann damit im gesetzlichen Rahmen beliebig verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Besitzer einer
Sache ist, wer eine Sache tatsächlich in Verfügung hat. Er darf sie nur nutzen und muss sie auf Wunsch jederzeit herausgeben.
Der Vertrag enthält im Einzelnen mindestens Angaben zu folgenden Inhalten:
• Vertragsgegenstand, genauer Leistungs- und Lieferumfang der Lieferorganisation incl. begleitender Dienste,
• einzuhaltende Normen/Standards,
• Termine, meist nach Zwischen-, Eck- und Endterminen für isolierte Teilleistungen gesplittet,
• Preis, d.h. Preishöhe, Preisgleitung, Währung mit Wertstichtag, Abrechnung der Nebenkosten etc.,
• Zahlungsbedingungen, vor allem Termine, Teilzahlungsbedingungen, Zahlungsverzug,
• Eigentums- und Gefahrenübergang (für gewöhnlich gemäß Incoterms bestimmt),
• Verpackung (meist handelsüblich), Transport (Verkehrsmittelwahl), Verzollung bzw. Zollfreistellung,
• Versicherung,
• Inbetriebnahme, wie Probebetrieb, Leistungsnachweise, Übergabe,
• Abnahme (Termine, Abnahmeerklärung, Abnahmeprotokoll für Mängel, Teilabnahmen),
• Gewährleistung bzw. Garantie,
• Vertragsstörungen (vor bzw. nach Abnahme, Mängelfolgeschäden),
• anzuwendendes Recht (des Käuferlandes, des Verkäuferlandes, eines Drittlandes),
• Schiedgerichtsvereinbarung, salvatorische Klausel.
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
110
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
Selbst bei zwei übereinstimmenden Willenserklärungen kann ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sein (=
Nichtigkeit) oder nachträglich für unwirksam erklärt werden (= Anfechtbarkeit). Gründe für die Nichtigkeit sind die
Abgabe einer Willenserklärung durch einen Geschäftsunfähigen, die fehlende Zustimmung durch den gesetzlichen
Vertreter zum Rechtsgeschäft eines beschränkt Geschäftsfähigen, der Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene oder
vereinbarte Form, der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts, das Scheingeschäft
und das Scherzgeschäft. Gründe für die Anfechtbarkeit sind der Irrtum als Erklärungsirrtum (z.B. Verschreiben,
Versprechen) oder Inhaltsirrtum, die unrichtige Übermittlung, die arglistige Täuschung oder eine widerrechtliche
Drohung. Die zuvor abgegebene Willenserklärung wird erst durch fristgerechte Anfechtung, also ein Jahr nach Kenntnis
der Täuschung bzw. Wegfall der Zwangslage bei arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung bzw. unverzüglich
nach Feststellung bei Erklärungs- oder Inhaltsirrtum, nichtig.
7.4Verkaufs-/Kauf-Grid
Zur Analyse der Käufer-Verkäufer-Beziehung werden hierbei zwei Dimensionen zugrunde gelegt, das Interesse des
Verkäufers am Verkauf (geringe/hohe Leistungsbetonung) und das Interesse des Verkäufers am Kunden (geringe/hohe
Partnerorientierung). Daraus ergeben sich dann vier Kombinationen:
• Geringes Interesse sowohl am Kunden als auch am Verkauf drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich
lege dem Kunden meine Ware vor, und die verkauft sich ohne mein Zutun. Wie und wann, das liegt allein
an der Ware.“
• Hohes Interesse am Kunden und geringes am Verkauf drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich bin der
Freund meines Kunden. Ich möchte ihn verstehen und auf seine Gefühle und Interessen reagieren, damit er
mich mag. Er kauft bei mir wegen unserer persönlichen Beziehungen, weniger wegen der Ware.“
• Hohes Interesse am Verkauf und geringes am Kunden drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich
überfahre den Kunden und dränge ihm alles auf. Ich bediene mich dabei aller Tricks, die nötig sind, ihn
zum Kauf zu veranlassen.“
• Hohes Interesse sowohl am Kunden als auch am Verkauf drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich
berate mich mit dem Kunden, um seine Bedürfnisse, die meine Ware befriedigen kann, zu erfahren. Wir
erarbeiten gemeinsam eine angemessene Strategie, die ihm die Vorteile bringt, die er von mir erwartet.“
In gleicher Weise kann das Interesse des Käufers analysiert werden. Dabei werden wiederum zwei Dimensionen zugrunde
gelegt, das Interesse des Käufers am Kauf (geringe/hohe Leistungsbetonung) und das Interesse des Käufers am Verkäufer
(geringe/hohe Partnerorientierung). Auch daraus ergeben sich vier Kombinationen:
• Geringes Interesse sowohl am Verkäufer als auch am Kauf drückt sich in folgender Einstellung aus: „Wenn
ich kann, gehe ich Verkäufern aus dem Weg. Wenn die Gefahr besteht, dass ich mich irren könnte, dann soll
der Chef oder sonstwer meine Entscheidung absegnen.“
• Hohes Interesse am Verkäufer und geringes am Kauf drückt sich in folgender Einstellung aus: „Wenn ein
Verkäufer, der mir sympathisch ist, mir etwas empfiehlt, dann muss es wohl gut sein. Also bin ich geneigt, es
zu kaufen. Ich scheine mehr zu bestellen als ich gebrauchen kann.“
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
111
Technischer Vertrieb
Verkaufstaktik
• Hohes Interesse am Kauf und geringes am Verkäufer drückt sich in folgender Einstellung aus: „Kein
Verkäufer soll aus mir Vorteile ziehen können. Im Gegenteil: Ich bin der Überlegene, und wenn ich kaufe,
will ich für mein Geld soviel wie möglich bekommen.“
• Hohes Interesse sowohl am Verkäufer als auch am Kauf drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich kann
die Grundbedürfnisse meines Unternehmens gut abschätzen und sehe mich nach der Ware um, die mich zu
einem Preis, den ich vertreten kann, zufriedenstellt.“
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
Meet the world in your classroom
MBA at Maastricht School of Management
If the goal of your career is to be an uncontested asset to company operations in emerging and developing
markets, then the MBA of Maastricht School of Management is the right program for you. This internationally
accredited one-year fulltime program combines management theory with practical experience and applied
research. You will be trained within an international and multicultural environment to become one of
tomorrow’s global leaders.
For more information, check out our website www.msm.nl, call us on + 31 43 38 70 808
or send an e-mail to [email protected]
the globally networked management school
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
17-08-11 15:58
MBA-170x115-B.indd 1
112
Technischer Vertrieb
Literaturhinweise
Literaturhinweise
Ahlert, Dieter: Distributionspolitik, 4. Auflage, Stuttgart 2005
Albers, Sönke/Krafft, Manfred: Vertriebsmanagement, Wiesbaden 2012
Bänsch, Axel: Einführung in die Marketing-Lehre, 4. Auflage, München 1998
Benkenstein, Martin: Entscheidungsorientiertes Marketing, Wiesbaden 2001
Helm, Roland: Marketing, 8. Auflage, Stuttgart 2009
Bruhn, Manfred: Marketing, 10. Auflage, Wiesbaden 2010
Bruhn, Manfred: Relationship Marketing, 2. Auflage, München 2008
Esch, Franz-Rudolf/Hermann, Andreas/Sattler, Hendrik: Marketing, 2. Auflage, Wiesbaden 2007
Fritz, Wolfgang/von der Oelsnitz, Dietrich: Marketing, 4. Auflage, Stuttgart u.a. 2006
Fuchs, Wolfgang: Management der Business-to-Business-Kommunikation, Wiesbaden 2003
Godefroid, Peter/Pförtsch, Waldemar: Business-to-Business-Marketing, 4. Auflage, Ludwigshafen 2009
Hippner, Hajo/Wilde, Klaus (Hrsg.): Grundlagen des CRM, 3. Auflage, Wiesbaden 2011
Hofbauer, Günter/Hellwig, Claudia: Professionelles Vertriebsmanagement, 2. Auflage, Erlangen 2009
Homburg, Christian/Krohmer, Harley: Marketingmanagement, 3. Auflage, Wiesbaden 2009
Homburg, Christian/Krohmer, Harley: Grundlagen des Marketingmanagements, 2. Auflage, Wiesbaden 2009
ders./Schäfer, Heiko/Schneider, Jana: Sales Excellence: Vertriebsmanagement mit System, 6. Auflage, Wiesbaden 2010
ders./Wieseke, Jan (Hrsg.): Handbuch Vertriebsmanagement, Wiesbaden 2011
Kotler, Philip/Armstrong, Gary/Saunders, John/Wong, Veronica: Grundlagen des Marketing, 5. Auflage, München 2010
Kuhlmann, Eberhard: Industrielles Vertriebsmanagement, München 2001
Kuß, Alfred: Marketing-Einführung, 3. Auflage, Wiesbaden 2006
Meffert, Heribert/Burmann, Christoph/Kirchgeorg, Manfred: Marketing, 11. Auflage, Wiesbaden 2011
Nieschlag, Robert/Dichtl, Erwin/Hörschgen, Hans: Marketing, 19. Auflage, Berlin 2002
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
113
Technischer Vertrieb
Literaturhinweise
Pepels, Werner: Handbuch des Marketing, 6. Auflage, München 2011
ders.: Vertriebsmanagement in Theorie und Praxis, München 2006
Ramme, Iris: Marketing, 3. Auflage, Stuttgart 2009
Rentzsch, Hans Peter: Kundenorientiert verkaufen im Technischen Vertrieb, 4. Auflage, Wiesbaden 2008
Scharf, Andreas/Schubert, Bernd/Hehn, Sascha: Marketing, 4. Auflage, Stuttgart 2009
Scheuch, Fritz: Marketing, 6. Auflage, München 2006
Specht, Günther/Fritz, Wolfgang: Distributionsmanagement, 4. Auflage, Stuttgart u.a. 2005
Weis, Hans Christian: Marketing, 15. Auflage, Ludwigshafen 2009
Weis, Hans Christian: Verkaufsmanagement, 7. Auflage, Ludwigshafen 2010
Werani, Thomas/Gaubinger, Kurt/Kindermann, Harald: Praxisorientiertes Business-to-Business-Marketing, Wiesbaden
2006
Winkelmann, Peter: Marketing und Vertrieb, 7. Auflage, München-Wien 2011
Winkelmann, Peter: Vertriebskonzeption und Vertriebssteuerung, 5. Auflage, München 2012
eBooks kostenlos herunterladen auf bookboon.com
114
Technischer Vertrieb
Autorenhinweis
Autorenhinweis
Werner Pepels studierte nach Fachabitur und kaufmännischer Berufsausbildung Wirtschaft an der FH Niederrhein und
Wirtschaftswissenschaften an der Universität Duisburg mit Abschluss Dipl.-Betriebsw. und Dipl.-Kaufm. Danach war er
zwölf Jahre als Kundenberater in internationalen Werbeagenturen für renommierte Markenartikler tätig. Dabei stieg er
vom Trainee über die Stationen Kontakter, Etat-Direktor und Prokurist zum Geschäftsführenden Gesellschafter einer der
seinerzeit größten rein deutschen Werbeagenturgruppen auf. 1989 wurde er zum Professor für Betriebswirtschaft, insb.
Marketing, im Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Pforzheim berufen. Es folgte 1995 ein Ruf in gleicher Funktion
an die neugegründete Fachhochschule Gelsenkirchen. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Fachaufsätze, Herausgeber
diverser Sammelwerke und Lexika sowie mehrerer Schriftenreihen und gehört bei über 165.000 Exemplaren zu den
Bitte klicken Sie auf die Anzeige
bestverkauften Autoren seines Fachs im D-A-CH-Raum.
Studieren in Dänemark heißt:
nicht auswendig lernen, sondern verstehen
in Projekten und Teams arbeiten
sich ausbilden in einem globalen Milieu
den Professor duzen
auf Englisch diskutieren
Fahrrad fahren
Mehr info: www.studyindenmark.dk
115
Herunterladen