28. / 29. JAN 2017 Dämmerlicht ALBERTINUM PHIL 2016/17 PROGRAMM Robert Schumann (1810 – 1856) Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52 Heinz Holliger (* 1939) „Dämmerlicht“ (Hakumei) – Fünf Haiku für Sopran und großes Orchester nach Gedichten von Heinz Holliger in memoriam Tōru Takemitsu PAUSE Claude Debussy (1862 – 1918) Drei Gedichte von Stéphane Mallarmé in der Bearbeitung für Sopran und Orchester von Heinz Holliger Soupir (Seufzer) – Calme et expressif Placet futile (Törichte Bitte) – Dans le mouvement d’un Menuet lent Éventail (Fächer) – Scherzando „Images“ für Orchester Rondes de Printemps Gigues Ibéria COMPOSER IN RESIDENCE Heinz Holliger | Dirigent Sarah Maria Sun | Sopran 1 „Es unterscheidet sich von der Form der Symphonie dadurch, dass man die einzelnen Sätze auch getrennt spielen könnte; namentlich verspreche ich mir aber von dem ersten Satz, der Ouvertüre, guten Erfolg. Das Ganze hat einen leichten, freundlichen Charakter; ich schrieb es in recht fröhlicher Stimmung. Robert Schumann über „Ouvertüre, Scherzo und Finale“ OUVERTÜRE, SCHERZO UND FINALE ROBERT SCHUMANN Nach dem Erfolg seiner Ersten Sinfonie, der „Frühlingssinfonie“, machte sich Robert Schumann sofort daran, ein weiteres Orchesterwerk zu schreiben. Zunächst entstand im April 1841 eine Ouvertüre, die wenig später durch zwei weitere Sätze ergänzt wurde. Über den Titel des Ganzen war Schumann sich lange im Unklaren, er erwog „Suite“, „Symphonette“ oder „Sinfonietta“. Im Sommer und Herbst überarbeitete er die Sätze, die am 6. Dezember unter der Leitung von Ferdinand David im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt wurden. Sie fanden bei weitem nicht so viel Zustimmung wie die Erste Sinfonie. Auch die Verleger, an die sich Schumann wegen einer möglichen Drucklegung wandte, zeigten kein Interesse. um und nahm auch an den beiden übrigen Sätzen Verbesserungen vor. Diese Neufassung wurde am 4. Dezember in Dresden uraufgeführt, wieder unter Ferdinand Davids Leitung. Diesmal war die Zustimmung des Publikums größer, und der Verlag Friedrich Kistner veröffentlichte das Werk, zunächst nur in Stimmen, 1853 dann in Partitur. Die Ouvertüre ist – hierin den Ouvertüren Gioacchino Rossinis folgend – als Sonatensatzform ohne Durchführung angelegt. Dem E-Dur-Hauptsatz vorangestellt ist eine langsame Einleitung in e-Moll. Das Scherzo steht in der für ein Orchesterwerk sehr ungewöhnlichen Tonart gis-Moll. Es zitiert thematisches Material aus der Ouvertüre. Das Des-Dur-Trio erscheint zweimal, eine Praxis, Doch der Komponist ließ sich nicht entmuti- die auf Ludwig van Beethoven zurückgeht. gen. Im Oktober 1845 arbeitete er das Finale Das Finale ist der kompositorisch anspruchs- 2 28. / 29. JAN 2017, SA / SO, 19.30 Uhr | Albertinum vollste Teil des Werks. Schumann hat hier seine Kontrapunktstudien fruchtbar gemacht. Es handelt sich um einen regulär gebauten Sonatensatz, also nun mit Durchführung. Schumann hatte versucht, in seiner Komposition bewusst dem Publikumsgeschmack entgegenzukommen und ein leichtverständliches Werk zu schreiben. Die Rechnung ging allerdings nicht auf, die „schwierigeren“ Stücke des Komponisten fanden größeren Anklang. Auch heute noch steht „Ouvertüre, Scherzo und Finale“ im Schatten der Sinfonien, wenn man inzwischen auch die Originalität der Konzeption und ihre phantasievolle Ausführung schätzen gelernt hat. ROBERT SCHUMANN * 8. Juni 1810, Zwickau † 29. Juli 1856, Bonn OUVERTÜRE, SCHERZO UND F I N A L E E - D U R O P. 5 2 Entstehung 1841 Uraufführung 1841 in Leipzig 4. Dezember 1845 in Dresden (überarbeitete Fassung) Spieldauer ca. 20 Minuten Besetzung 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Streicher Dämmerlicht 3 „Es ist das wie eine Verlängerung der Klangwelt Debussys in eine viel komplexere, aber auch labyrinthischere Klangwelt hinein, aber es bleibt wieder genau die Balance zwischen Wort und Klang. Es sind Haikus mit 17 Silben, die ich vertont habe. Auch Debussy hat sich sehr mit asiatischer Kunst auseinandergesetzt... Meine Stücke beziehen sich nicht direkt auf Debussy, aber meine Klangwelt ist sozusagen bei Debussy zu Hause, ohne je irgendwelche direkten Anleihen zu machen. Ähnlich wie bei Debussy ist bei mir, dass aus einem einzigen Phonem oder Wortklang riesige Gebäude gebaut werden. Man könnte die Gedichte, die ich vertont habe, in 25 oder 30 Sekunden lesen. Das Stück dauert aber 23 Minuten. Das Zeitempfinden wird gleichsam aufgehoben. Unser westliches Zeitempfinden wird quasi durch das Zeitempfinden eines Zen-Gartens ersetzt: Die Ewigkeit wird in einen Augenblick eingepackt. Musik ist fähig, das Zeitbewusstsein völlig aufzuheben. Und davon handelt letztlich mein Zyklus ‚Dämmerlicht‘.“ Heinz Holliger über „Dämmerlicht“ DÄMMERLICHT HEINZ HOLLIGER Es gibt nicht wenige Komponisten, die sich zeitweise auch als Dichter versucht haben. Zu ihnen gehört Heinz Holliger. Er hat die äußerst konzentrierte japanische Gedichtform des Haiku gewählt, in der es gilt, in nur siebzehn Silben eine einprägsame dichterische Aussage zu treffen. Holliger hat seine Haiku zur Grundlage einer Komposition für Sopran und großes Orchester gemacht. Ihr Titel „Dämmerlicht“ umreißt den atmosphärischen Raum, in dem die Musik sich bewegt. Die Welt des 4 Zwielichts, der Dämmerung ist Holliger immer nah, hierin zeigt er Verwandtschaft mit Robert Schumann, der sie als erster für die Musik entdeckte. Um den Kern der Gedichtworte lagern sich in „Dämmerlicht“ vielfältige musikalische Gestalten an, die oft gleichsam aus dem Nichts entstehen und wieder in die Stille zurücksinken. Wenn geräuschhafte Klänge auftreten, so bilden sie keine Sonderzone, sondern verstärken den Eindruck des Ungreifbaren, Schwebenden. 28. / 29. JAN 2017, SA / SO, 19.30 Uhr | Albertinum Getragen wird Holligers Musik von einem durchgehenden Atem. Das verleiht ihr den Anschein von Natürlichkeit und Ungezwungenheit. Oft ahmt sie menschliche Atemzüge sogar direkt nach, sie tritt dem Hörer gegenüber wie ein lebendiges Wesen. Auch die befremdlicheren Klänge erhalten auf diese Weise etwas Selbstverständliches, dem menschlichen Körper und der menschlichen Auffassungsfähigkeit Angepasstes. Den Eindruck des Schwebenden erzeugt Holliger in „Dämmerlicht“ mit großer Kunst. Charakteristisch sind ständige Taktwechsel. Klanglich vermitteln die chromatischen Melodielinien, die Glissandi der Streicher und die ätherischen Pfeiftöne der Holzbläser das Gefühl des Losgelösten, nirgends recht dingfest zu Machenden. Sie bewegt sich ein einer Zwischenwelt – zwischen Realität und Traum, zwischen Erde und Himmel, zwischen Leben und Tod. Für Holliger gibt es keinen Bruch zwischen Tradition und Avantgarde. Vergangenheit und Zukunft verfließen ineinander. Der Komponist ist ein Meister der weichen Konturen, ohne dass seine Musik formlos wäre: Es handelt sich vielmehr um eine musikalische Verwandlungskunst, die statt der Brüche die sanften Übergänge bevorzugt, in der das Neue auf geheimnisvolle Weise entsteht und sich nicht reklamehaft behaupten will. HEINZ HOLLIGER * 21. Mai 1939, Langenthal (Schweiz) » D Ä M M E R L I C H T« ( H A K U M E I ) Fünf Haiku für Sopran und großes Orchester nach Gedichten von Heinz Holliger Entstehung 2015 Widmung Dem Andenken an meinen lieben Freund Tōru Takemitsu gewidmet Uraufführung 27. August 2015 Suntory Hall in Tokio Sopran: Sarah Maria Sun, Tokyo Symphony Orchestra unter der Leitung des Komponisten Spieldauer ca. 23 Minuten Besetzung 3 Flöten (mit Piccolo-, Alt- und Bassflöte), Oboe, Englischhorn, Klarinette, Bassklarinette, Kontrabassklarinette, Fagott, 3 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Harfe, Celesta, Klavier, Streicher Dämmerlicht 5 FÜNF HAIKU HEINZ HOLLIGER Rabenauge, starr wirft das Dämmerlicht zurück lidlos, tränenlos Rose, spät erblüht Abendtau, der nachts gefriert „Hüt’ dich schön’s Blümlein!“ Sonnenuntergang. Raben graben – wessen Grab? Du weißt es – morgen Brüchiger Holzsteg über tiefdunkle Wasser sag’, was ist jenseits? Einsame Wölkchen am roten Abendhimmel: Seelen ziehn heimwärts Geschrieben im kaiserlichen Park in Tokio am 31.12.1991 abends. 6 28. / 29. JAN 2017, SA / SO, 19.30 Uhr | Albertinum italischen HIMMELN UNTER I TA L I E N B I L D E R D E S 19. J A H R H U N D E R T S ZWISCHEN LORR AIN, TURNER UND BÖCKLIN www.skd.museum Max Klinger · »Das Kolosseum in Rom« (Detail) · 1888 · Albertinum / Galerie Neue Meister, SKD Dämmerlicht MEDIENPARTNER: 7 „Ich finde, Debussy gehört zu den abgründigsten Komponisten, die es überhaupt gibt. Man schiebt ihn ständig nur in die Impressionisten-Schublade und kennt ohnehin nur ganz wenig. Auch den Menschen kennt man eigentlich nicht... Es gibt in dieser Musik eine Transzendenz im beinahe mystischen Sinne. Aber für so etwas sind unsere Ohren leider sehr wenig trainiert.“ Heinz Holliger über Claude Debussy DREI GEDICHTE VON STÉPHANE MALLARMÉ CLAUDE DEBUSSY Zwischen Claude Debussy und Maurice Ravel herrschte eine beständige Rivalität, die selten offen ausgetragen wurde, aber untergründig für beide eine nicht geringe Rolle spielte. Es war allerdings ein Zufall, dass sich kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs beide Komponisten der Lyrik Stéphane Mallarmés zuwandten. Seltsam ist es, dass beide je drei Gedichte des schwierigen Dichters auswählten, und dass es sich in zwei Fällen um dieselben Gedichte handelte – „Soupir“ und „Placet futile“! 8 Von der Wahl Ravels erfuhr Debussy erst, als er bei den Erben Mallarmés wegen der Rechte an den Texten nachfragte – die Vertonungsrechte waren bereits an Ravel vergeben worden, doch Debussys Rivale erwies sich als großzügig genug, bei den Erben für Debussy Fürsprache einzulegen, so dass die Komposition im Druck erscheinen konnte. Die hermetische Dichtung Mallarmés hatte Debussy schon früher beschäftigt. Seinem 28. / 29. JAN 2017, SA / SO, 19.30 Uhr | Albertinum CLAUDE DEBUSSY * 22. August 1862, Saint-Germain-en-Laye (Frankreich) † 25. März 1918, Paris DREI GEDICHTE VON STÉPHANE MALLARMÉ (»Trois poèmes de Stéphane Mallarmé«) in der Bearbeitung für Sopran und Orchester von Heinz Holliger berühmten Orchesterwerk „Prélude à l’aprèsmidi d’un faune“ liegt ein Langgedicht von Mallarmé zugrunde. Dieser hatte sich von Debussys Musik sehr angetan gezeigt. 1913, als Debussy sich erneut Mallarmés Lyrik zuwandte, war der Dichter aber bereits seit fünfzehn Jahren tot. Debussys Musik ist einerseits eine Art Memorialkomposition, andererseits blickt sie in ihrer Faktur weit in die Zukunft. Die exquisite Sprache Mallarmés inspirierte den Komponisten zu ganz ungewöhnlichen harmonischen und klanglichen Experimenten. Die französische Musik des 20. Jahrhunderts ist ohne den Einfluss Mallarmés nicht zu denken. Zu nennen wäre hier neben Debussy und Ravel vor allem Pierre Boulez, der sich mit Mallarmé immer wieder auseinandersetzte und ein monumentales orchestrales „Portrait de Mallamé“ schuf. Heinz Holligers Bearbeitung von Debussys Vertonungen greift diese Tradition auf und führt sie ins 21. Jahrhundert weiter. Entstehung der originalen Klavierfassung 1913 Widmung À la mémoire de Stéphane Mallarmé et en très respectueux hommage à Madame E. Bonniot (née G. Mallarmé) Uraufführung der Klavierfassung 21. März 1914 in Paris mit Ninon Vallin und dem Komponisten am Klavier Entstehung der Orchesterfassung 2016 Widmung Für Christian Gerhaher Uraufführung der Orchesterfassung 9./10. Juni 2016 in der Fassung mit Bariton, mit Christian Gerhaher und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung des Komponisten Spieldauer ca. 10 Minuten Besetzung 2 Flöten (mit Piccoloflöte), Altflöte, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten (mit Bassklarinette), Bassklarinette (mit Kontrabassklarinette), 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Schlagzeug, 2 Harfen, Celesta, Streicher Dämmerlicht 9 SOUPIR / SEUFZER Mon âme vers ton front où rêve, ô calme sœur, Un automne jonché de taches de rousseur, Et vers le ciel errant de ton œil angélique Monte, comme dans un jardin mélancolique, Fidèle, un blanc jet d’eau soupire vers l’Azur! – Vers l’Azur attendri d’octobre pâle et pur Qui mire aux grands bassins sa langueur infinie Et laisse, sur l’eau morte où la fauve agonie Des feuilles erre au vent et creuse un froid sillon, Se traîner le soleil jaune d’un long rayon. Zu deiner Stirne hebt sich, wo ein Herbst verträumt mit Sommerflecken noch, o stille Schwester, säumt, nun meine Seele, fort vom Blick, dem engelzarten, schwebt dann zum Himmel sie, wie in dem späten Garten verzückt der weiße Strahl des Brunnens seufzt ins Blau! – Ins Blau, gemildert schon oktobersanft und lau und spiegelnd im Bassin die Schwermut ohne Grenzen, wo, auf dem Wasser still nach wilden Todestänzen im Wind verirrtes Laub die kalten Furchen zieht, ein gelber Sonnenstrahl, ein letzter, langsam flieht. PLACET FUTILE / TÖRICHTE BITTE Princesse! à jalouser le destin d’une Hébé Qui poind sur cette tasse au baiser de vos lèvres, J’use mes feux mais n’ai rang discret que d’abbé Et ne figurerai même nu sur le Sèvres. Comme je ne suis pas ton bichon embarbé, Ni la pastille ni du rouge, ni jeux mièvres Et que sur moi je sais ton regard clos tombé, Blonde dont les coiffeurs divins sont des orf èvres! Prinzessin! Voller Neid auf einer Hebe Los, die auf der Tasse hier darf euren Kuss goutieren, bin ich entflammt, doch da mein Rang, Abbé, nicht groß, werd auf dem Sèvres kaum ich, nackt gar, figurieren. Ich bin für dich zwar nicht das Hündchen auf dem Schoß, kein Naschwerk, Rouge und keins von deinen Elixieren doch manchmal, merk ich, trifft ein Blick mich, heimlich bloß, dein Blondhaar Götter dir, Goldschmiede dir frisieren! Nommez-nous ... toi de qui tant de ris framboisés O macht ... so himbeerrot, wie mir dein Lachen scheint, Se joignent en troupeau d’agneaux apprivoisés gleicht es den Lämmern, die zur Herde zahm vereint Chez tous broutant les vœux et bêlant aux délires, Bewundrung grasen, bähn, erglühen die Gemüter, Nommez-nous ... pour qu’Amour ailé d’un éventail o macht ... dass Amor auf den Fächerflügel mal, M’y peigne flûte aux doigts endormant ce bercail, wie flötend ich in Schlaf sing diese Schäfchen all, Princesse, nommez-nous berger de vos sourires. Prinzessin, macht uns doch zu eures Lachens Hüter. 10 28. / 29. JAN 2017, SA / SO, 19.30 Uhr | Albertinum EVENTAIL / FÄCHER O rêveuse, pour que je plonge Au pur délice sans chemin, Sache, par un subtil mensonge, Garder mon aile dans ta main. O Träumerin, lenk meine Flüge Une fraîcheur de crépuscule Te vient à chaque battement Dont le coup prisonnier recule L’horizon délicatement. Der Dämmrung Kühle auf den Wangen Vertige! voici que frissonne L’espace comme un grand baiser Qui, fou de naître pour personne, Ne peut jaillir ni s’apaiser. Sens-tu le paradis farouche Ainsi qu’un rire enseveli Se couler du coin de ta bouche Au fond de l’unanime pli! Le sceptre des rivages roses Stagnants sur les soirs d’or, ce l’est, Ce blanc vol fermé que tu poses Contre le feu d’un bracelet. in reiner Wonnen pfadlos Land, hilf mir, durch eine zarte Lüge, halt meinen Fittich in der Hand. wird dir mit einem jeden Schlag sein Fächeln öffnet dir gefangen den Horizont und engen Tag. O Trunkenheit! Hier ist die Weite erschauernd weht ihr Kuss dich an es rast, der niemand noch Bereite, dass er nicht sein noch nicht sein kann. Fühlst du das Paradies das wilde das wie ein Lächeln auf dem Mund aus seinem Winkel glänzt nun milde zurückgefaltet aus dem Rund! Dies Zepter rosenroter Hügel im Abendgold, jetzt unbewegt, hat sich als weiß geschlossner Flügel an deines Armreifs Glanz gelegt. Übersetzungen der Poèmes: Carl Fischer Dämmerlicht 11 „Sammeln Sie Eindrücke. – Beeilen Sie sich nicht, diese sofort aufzuzeichnen… Die Musik ist der Malerei insofern überlegen, als sie die verschiedenen Variationen der Farbe und des Lichtes zusammenbringen und in einem Werk vereinen kann. Eine Wahrheit, die trotz ihrer Einfachheit oft übersehen worden ist.“ Debussy an seinen Stiefsohn, den Komponisten Raoul Bardac, Februar 1906 IMAGES CLAUDE DEBUSSY Den Titel „Images“ – Bilder – hatte Claude Debussy bereits für ein Klavierwerk verwendet, als er daranging, unter diesem Namen eine Folge von Orchesterstücken zu konzipieren. Die Arbeit daran beschäftigte ihn sieben Jahre lang, und das fertige Werk wirkt immer noch recht heterogen. Den größten Erfolg hatte von Beginn an das Mittelstück der dreiteiligen Komposition, „Ibéria“, das seinerseits aus drei Sätzen besteht. „Ibéria“ wird oft auch allein aufgeführt; werden alle drei der „Images“ gespielt, so erweist sich die vom Autor vorgesehene Reihenfolge – „Gigues“, „Ibéria“, „Rondes de printemps“ – als eher unbefriedigend, nach dem fulminanten Schluss von „Ibéria“ wirken die „Rondes du printemps“ etwas blass. Viele Dirigenten bevorzugen daher andere Anordnungen der drei Teile. 12 Jede der „Images“ ist auf ein europäisches Land bezogen: „Gigues“ auf England (mit Schottland), „Ibéria“ auf Spanien, die „Rondes de printemps“ auf Frankreich. Die „Gigues“ hießen zunächst „Gigues tristes“ – traurige Giguen. In der Tat ist der Satz von einer außerordentlich melancholischen Grundstimmung. Der charakteristische Klang der Oboe d’amore bestimmt mit seiner süßen Wehmut die Musik durchgehend. Kontrastierende marschartige Teile brechen bald wieder ab, um von neuem der abgründigen Traurigkeit zu weichen. „Ibéria“ fügt sich würdig in die Reihe der großen Spanienporträts ein, die wir von Debussy und Ravel besitzen. Debussys Spanien ist der Phantasie entsprungen, aber Manuel de Falla, der es wissen musste, hat dem französischen Komponisten die Fähigkeit attestiert, den 28. / 29. JAN 2017, SA / SO, 19.30 Uhr | Albertinum Geist Spaniens vollständig zu erfassen. Der erste Satz von „Ibéria“ heißt „Par les rues et par les chemins“ – Über die Straßen und die Wege. Es ist eine lebhafte Wanderung durch die spanische Landschaft, rechts und links gibt es allerlei zu sehen. Es folgt der langsame Satz dieses wie eine dreisätzige Sinfonie angelegten Stückes: „Les parfums de la nuit“ – Die Düfte der Nacht. Debussy hat selten Musik geschrieben, die verführerischer wäre als diese Evokation einer spanischen Sommernacht. Ohne Pause schließt sich der letzte Satz an, „Le matin d’un jour de fête“ – Der Morgen eines Festtags. Es zeugt von der großen Meis-terschaft des Komponisten, wie er hier das allmähliche Erwachen des Festtagslebens in einer spanischen Stadt schildert, von ersten fernen und zaghaften Klängen bis zum vollen Trubel. Die „Rondes de printemps“ – Frühlingsreigen – sind eine der avanciertesten Kompositionen Debussys. Dem Orchester werden ganz ungewöhnliche, schimmernde Farben entlockt, einmal gebrochen, dann wieder kräftig aufleuchtend. Das thematische Grundgerüst beruht auf zwei französischen Volksliedern, „Nous n’irons plus au bois“ und „Do, do l’enfant do“. Die Ausdruckswelt des Stücks macht verständlich, warum Frankreich „la douce France“ heißt – „douce“ ist hier unübersetzbar, es umfasst die Bedeutungsbereiche schön, lieblich, angenehm, sanft, kultiviert, gesittet. Es ist ein sehr anderer Frühling als der barbarische des „Sacre du printemps“, Igor Strawinskis nur wenig später entstandenem Skandalstück. Dämmerlicht 13 Besondere Hörempfehlungen von WIENER PHILHARMONIKER DAS NEUJAHRSKONZERT 2017 Gustavo Dudamel ist der bisher jüngste Dirigent des berühmten Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker. Der glanzvolle musikalische Auftakt des Jahres mit zahlreichen musikalischen Überraschungen ist als Doppel-Album und auf DVD und Blu-Ray erhältlich. ELBPHILHARMONIE HAMBURG THE FIRST RECORDING Die erste Aufnahme aus dem fantastischen großen Saal der Elbphilharmonie: Brahms’ Sinfonien 3 und 4 mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Thomas Hengelbrock. Als CD und als Deluxe Edition mit 56-seitigem Booklet mit Wissenswertem und einem Film über die Entstehung der Elbphilharmonie, sowie 4 Fotokarten erhältlich. JONAS KAUFMANN DOLCE VITA Der weltweit gefeierte Tenor singt italienische Evergreens wie Volare, Parlami d’Amore Mariú, Core ‘ngrato oder Caruso und versprüht dabei echtes italienisches Lebensgefühl. Die Aufnahmen entstanden stilecht in Palermo mit dem Orchestra del Teatro Massimo di Palermo. MICHAEL SANDERLING BEETHOVEN & SCHOSTAKOWITSCH Die Dresdner Philharmonie hat unter Michael Sanderling die beiden 6. Sinfonien Beethovens und Schostakowitschs eingespielt. Beide Werke sind untypische Vertreter ihrer Gattung und galten zu ihrer Zeit als zukunftsweisend. www.opus61-dresden.de CLAUDE DEBUSSY * 22. August 1862, Saint-Germain-en-Laye (Frankreich) † 25. März 1918, Paris »IMAGES« FÜR ORCHESTER Rondes de Printemps Gigues Ibéria Spieldauer ca. 36 Minuten Zuletzt von der Dresdner Philharmonie gespielt 14. Juni 2009, Dirigent: Hans Graf RONDES DE PRINTEMPS Entstehung 1906 – 1909 Uraufführung 3. Mai 1910 in Paris Besetzung Piccoloflöte, 2 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, 3 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, Pauken, Schlagzeug, 2 Harfen, Celesta, Streicher GIGUES Entstehung 1909 –1912 Uraufführung 26. Januar 1913 in Paris Besetzung Piccoloflöte, 3 Flöten, 2 Oboen, Oboe d’amore, 3 Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Schlagzeug, 2 Harfen, Celesta, Streicher IBÉRIA Entstehung 1906 – 1908 Uraufführung 20. Februar 1910 in Paris Besetzung Piccoloflöte, 3 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, 3 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, 2 Harfen, Celesta, Streicher Dämmerlicht 15 sowie „hölle himmel“ für gemischten Chor a cappella, „Lunea“ für Bariton und Ensemble und „Increschantüm“ für Sopran und Streichquartett. Geboren 1939 in Langenthal (Schweiz, Kanton Bern), studierte Heinz Holliger Oboe, Klavier und Komposition (bei Sándor Veress und Pierre Boulez). Nach ersten Preisen bei den internationalen Wettbewerben in Genf und München begann für ihn eine unvergleichliche Karriere als Oboist. Im ständigen Austausch von Interpretation und Komposition erweiterte er die spieltechnischen Möglichkeiten des Instruments und setzte sich mit großem Engagement für die zeitgenössische Musik ein. Komponisten wie Hans Werner Henze, Krzysztof Penderecki, György Ligeti, HEINZ HOLLIGER Elliott Carter, Witold Lutosławski, Karlheinz Heinz Holliger gehört als Oboist, Komponist Stockhausen und Luciano Berio schrieben Werke für ihn. Aber auch die Wiederentdeund Dirigent zu den vielseitigsten und auckung vergessener Werke von Komponisten ßergewöhnlichsten Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit. Aus seinem umfangreichen kom- des 18. Jahrhunderts, unter anderem von Jan Dismas Zelenka und Ludwig August Lebrun positorischen Schaffen bringt die Dresdner ist ihm zu verdanken. Philharmonie zwei jüngere Orchesterwerke Als Dirigent arbeitet Heinz Holliger seit viezur Aufführung. len Jahren mit weltweit führenden Orchestern Zahlreiche Kompositionen Holligers sind und Ensembles zusammen, darunter die BerliZeugnis seiner unermüdlichen Suche nach den Grenzen von Klang und Sprache. Vielfach ner Philharmoniker, das Concertgebouworkest Amsterdam, das Philharmonia Orchestra geht ihnen eine intensive AuseinandersetLondon und die Wiener Philharmoniker. zung mit lyrischen Texten voraus. Zu Heinz Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet Holligers Hauptwerken zählen die Oper ihn mit dem Chamber Orchestra of Europe. „Schneewittchen“, der „Scardanelli-Zyklus“ Heinz Holliger ist Träger zahlreicher hoher und das Violinkonzert. In den letzten Jahren entstanden außer den hier gespielten Orches- Auszeichnungen, u.a. des Ernst-von-SiemensMusikpreises. terwerken auch „nicht Ichts – nicht Nichts“ 16 28. / 29. JAN 2017, SA / SO, 19.30 Uhr | Albertinum SARAH MARIA SUN Sarah Maria Sun konzertierte mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Thomas Hengelbrock, Susanna Mälkki, Orchestern wie dem Leipziger Gewandhausorchester und den Berliner Philharmonikern und Ensembles wie dem Ensemble Modern, Ensemble Intercontemporain, Les Percussions de Strasbourg, Sinfonietta Leipzig, den Streichquartetten Arditti, Minguet und Diotima. Sie war zu Gast an der Staatsoper Berlin und den Opernhäusern in Düsseldorf, Dresden, Basel, Leipzig, Frankfurt und Stuttgart und der Opéra Bastille Paris. Ihr Repertoire beinhaltet neben Liedern und Oratorien etwa 650 Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts. Der NDR widmete ihr 2012 und 2016 zwei Portraitkonzerte. Sie tritt als Solistin in Häusern und Festivals auf wie Muziekgebow Amsterdam, Zürcher Tonhalle, Auditorio National Madrid, Musashino Civic Hall Tokyo, Berliner und Kölner Philharmonie, der Biennale Paris, Venedig und München, dem Arnold Schönberg Center Wien, den Festspielen in Salzburg, Witten, Donaueschingen u. v. a. Von 2007–14 war sie Erste Sopranistin der Neuen Vocalsolisten Stuttgart. Sarah Maria Sun hat für die folgenden CD-Label Aufnahmen eingesungen: Harmonia Mundi (C.P.E. Bach, Die Israeliten in der Wüste: Preis der spanischen Schallplattenkritik), TESTKLANG (Liederzyklen von Arnold Schönberg, Johannes Schöllhorn, Hanns Eisler, Luc Ferrari), NEOS (Hans Thomalla), Tzadik ( John Zorn), Kairos (Alberto Posadas), Enparts (César Camarero), Ensemble Modern Medien (Arnulf Herrmann). Mit den Neuen Vocalsolisten findet man sie außerdem bei Col Legno, cypres, musiques suisses u.v.m. Die Aufnahme der „WölfliKantate“ von G. Aperghis erhielt den Preis der Deutschen Schallplattenkritik 2014. Sarah Maria Sun gibt außerdem regelmäßig Meisterkurse für Vokalmusik des 20. und 21. Jahrhunderts an verschiedenen Universitäten und Hochschulen. Dämmerlicht 17 Die Dresdner Philharmonie im heutigen Konzert 1. VIOLINEN BRATSCHEN Prof. Wolfgang Hentrich KV Steffen Neumann KV Marcus Gottwald KV Hans-Burkart Henschke KV Christoph Lindemann KV Ute Kelemen KV Antje Becker KV Heiko Mürbe KV Joanna Szumiel KM Tilman Baubkus Johannes Groth KV Sonsoles Jouve del Castillo Annegret Teichmann KM Eva Maria Knauer Alexander Teichmann KM Harald Hufnagel Juliane Kettschau KM Maria Rallo Muguruza** Deborah Jungnickel VIOLONCELLI Johanna Buckard Petra Willmann KV 2. VIOLINEN Karl-Bernhard von Stumpff KV Thomas Otto Xianbo Wen Raúl Teo Arias* Ulf Prelle KV Thomas Bäz KV Clemens Krieger KV Adela Bratu Alexander Will KM Viola Marzin KV Steffen Gaitzsch KV Dr. phil. Matthias Bettin KV Heiko Seifert KV Andreas Hoene KV Andrea Dittrich KV Constanze Sandmann KV Bruno Borralhinho Luise Frappier** KONTRABÄSSE Prof. Benedikt Hübner KM Norbert Schuster KV Thilo Ermold KV Jörn Hettfleisch Donatus Bergemann KV Hayoung Kim** Rebecca Fröhlich** Johannes Hupach 18 Matan Gilitchensky Dalia Richter KV Matthias Bohrig KV 28. / 29. JAN 2017, SA / SO, 19.30 Uhr | Albertinum FLÖTEN TROMPETEN Karin Hofmann KV Christian Höcherl KV Claudia Rose KM Björn Kadenbach Birgit Bromberger KV Csaba Kelemen Christoph Reiche* Götz Bammes KV OBOEN POSAUNEN Undine Röhner-Stolle KM Stefan Langbein KM Jens Prasse KV Dietmar Pester KV Prof. Guido Titze KV Joachim Franke KV Isabel Kern TUBA KLARINETTEN Prof. Jörg Wachsmuth KV Prof. Hans-Detlef Löchner KV HARFE Prof. Henry Philipp KV Klaus Jopp KV Nora Koch KV Antje Gräupner* Prof. Nina Janßen-Deinzer* Billy Schmidt** PAU K E | S C H L A GW E R K FAG OT T E Stefan Kittlaus Gido Maier KM Daniel Bäz KM Robert-Christian Schuster KV Alexej Bröse Christian Löffler* Prof. Mario Hendel KV Felix Amrhein** Julian Sulzberger* HÖRNER KLAVIER | CELESTA Michael Schneider KV Sonnhild Fiebach* Torsten Gottschalk Thomas Mahn* Johannes Max KV Carsten Gießmann KM KM Kammermusiker · KV Kammervirtuos * Gast · **Substitut Dämmerlicht 19 Orchester der Landeshauptstadt Dresden Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Bild- und Tonaufnahmen jeglicher Art während des Konzertes durch Besucher grundsätzlich untersagt sind. IMPRESSUM DRESDNER PHILHARMONIE Postfach 120 424 01005 Dresden BESUCHERSERVICE Telefon 0351 4 866 866 [email protected] CHEFDIRIGENT: Michael Sanderling EHRENDIRIGENT: Kurt Masur † ERSTER GASTDIRIGENT: Bertrand de Billy INTENDANTIN: Frauke Roth TEXT: Albert Breier Der Text ist ein Originalbeitrag für dieses Heft; Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors. REDAKTION: Adelheid Schloemann GRAFISCHE GESTALTUNG: büro quer DRUCK: Elbtal Druck & Kartonagen GmbH BILDNACHWEIS Wikimedia Commons: S. 3, 8, 12 Priska Ketterer: S. 5, 16 Rüdiger Schestag: S. 17 Preis: 2,50 €