PRESSEMITTEILUNG 17. März 2011 Artenschutz MPI-Forscher fordern stärkere Rolle der Zoos Indem sie Tiere bedrohter Populationen züchten, können Zoos einen größeren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten. Rostock. Von etwa sieben Landwirbeltierarten, deren Überleben in freier Wildbahn gefährdet ist, wird eine auch in Gefangenschaft gehalten. Dies und weitere Daten zur Arterhaltung in Zoos oder Aquarien ermittelten jetzt Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Demografische Forschung (MPIDR) in Rostock in Zusammenarbeit mit dem International Species Information System (ISIS). Das Forscherteam plädiert im Wissenschaftsjournal Science dafür, gezielte Zuchtprogramme in Gefangenschaft zu etablieren, um den Schutz von Tieren in freier Wildbahn zu ergänzen. Zoos sollten sich dazu in Netzwerken zusammenschließen und als eine Art Lebensversicherung die Tiere so lange beheimaten, bis sie ausgewildert werden können. Wie viele der gefährdeten Spezies bereits in Zoologischen Gärten vorkommen, berechneten die Forscher aus Daten des International Species Information System (ISIS): Von allen bedrohten Säugetierarten werden 20 bis 25 Prozent auch in Zoos gehalten. Für Vögel sind die Anteile zwar insgesamt nur wenig kleiner, für die akut vom Aussterben bedrohten Vogelarten jedoch wesentlich niedriger: Nur 9 Prozent davon kommen in Gefangenschaft vor. Von den gefährdeten Amphibienarten werden lediglich drei Prozent auch in Käfigen und Gehegen gehalten. Die Bedeutung der Zoos für den Arterhalt dürfe nicht unterschätzt werden, betonen Dalia Conde und Alexander Scheuerlein. „In einzelnen Zoos ist die Zahl der bedrohten Arten und der Individuen zwar gering“, sagen die Biologen, die am MPIDR im Arbeitsbereich Evolutionäre Biodemografie forschen. „Schließen sich mehrere Institutionen zusammen, steckt in den Zoologischen Gärten aber insgesamt ein beachtliches Potential für die Nachzucht bedrohter Tierarten.“ Spezialistenzoos für mehr Zuchterfolg Die Science-Autoren plädieren für die Einrichtung von „Spezialistenzoos“, die sich auf die Aufzucht einer oder weniger Arten konzentrieren: „Spezialisierung erhöht in der Regel den Zuchterfolg“, sag Conde und Scheuerlein. „In den jeweiligen Zoos können die Tiere „geparkt“ werden, bis sie in freier Natur wieder eine Chance zum Überleben haben und ausgewildert werden können.“ Coautor Nate Flesness, der wissenschaftliche Direktor von ISIS, betont weiterhin dass es sinnvoll sei, Tiere rechtzeitig in Zuchtprogramme aufzunehmen, bevor ihr Bestand in freier Wildbahn zu stark dezimiert ist. „Die Zoos sollten nicht als Notaufnahme angesehen werden, da die Erfolgschancen bei der Aufzucht geringer sind, wenn die letzten, schon geschwächten Individuen einer Art dafür eingesetzt werden müssen.“ SEITE 1 / 3 Wie erfolgreich die Nachzucht in Gefangenschaft die Arterhaltung fördert, stellte kürzlich auch die Weltnaturschutzunion (IUCN) fest: Unter den 68 Wirbeltierarten, deren Gefährdungsstatus sie wieder herabstufen konnte, habe die Nachzucht in Tierparks bei 17 Spezies eine entscheidende Rolle gespielt. Darunter waren unter anderem das Asiatische Wildpferd („Przewalski-Pferd“), der Schwarzfußiltis aus der Familie der Marder und der Geier „Kalifornischer Kondor“. Zuchtprogramme in Zoos liefern außerdem neue demografische Daten, die dem Artenschutz dienen: Wann beginnt bei einer Tierart die Geschlechtsreife? Wie groß sind die Gelege? In welchem Abstand vermehrt sich eine Art? „Von vielen Tierarten sind solche fundamentalen Daten zu ihrer demografischen Entwicklung nicht bekannt“, sag Dalia Conde und Alexander Scheuerlein. „Sie werden aber dringend gebraucht, um die zukünftige Entwicklung einer Art und ihre Überlebenschancen in freier Wildbahn einschätzen zu können“. Über das MPIDR Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) untersucht die Struktur und Dynamik von Populationen. Von politikrelevanten Themen des demografischen Wandels wie Alterung, Geburtenverhalten oder der Verteilung der Arbeitszeit über den Lebenslauf bis hin zu evolutionsbiologischen und medizinischen Aspekten der Alterung. Das MPIDR ist eine der größten demografische Forschungseinrichtungen in Europa und zählt zu den internationalen Spitzeninstituten in dieser Disziplin. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften. www.demogr.mpg.de Ansprechpartner Dalia Conde-Ovando – Autorin des Artikels (spricht Englisch und Spanisch) TEL 0381 / 2081 – 267 EMAIL [email protected] Alexander Scheuerlein – Autor des Artikels (spricht Deutsch) TEL 0381 / 2081 – 212 EMAIL [email protected] Fernando Colchero – Autor des Artikels (spricht Französisch) TEL 0381 / 2081 – 113 EMAIL [email protected] Nate Flesness – Autor des Artikels (spricht Englisch) TEL [US=1] 651 209 9254 desk EMAIL [email protected] SEITE 2 / 3 Owen Jones – Autor des Artikels (spricht Englisch) TEL 0381 / 2081 – 113 EMAIL [email protected] Silvia Leek – MPIDR Public Relations TEL 0381 / 2081 – 143 EMAIL [email protected] Diese Pressemitteilung können Sie im Internet herunterladen unter: www.demogr.mpg.de/de/presse/1861.htm Originalartikel: Dalia A. Conde, Nate Flesness, Fernando Colchero, Owen R. Jones, and Alexander Scheuerlein: An Emerging Role of Zoos to Conserve Biodiversity. Science Vol 331, Issue 6023, 18 March 2011, doi: 10.1126/science.1200674 SEITE 3 / 3