Gefördert durch das MGFFI NRW Ermittlung der Potentiale von Unternehmern mit Migrationshintergrund im Kreis Aachen und Vernetzung der Ressourcen im regionalen Wirtschaftsraum 2 Impressum Herausgeber: Kreis Aachen - Der Landrat RAA – Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien Tel. 0241 - 5198-3730 Fax 0241 - 9433-740 S 46 – Stabsstelle für berufliche Integration Tel. 0241 - 5198-3720 Fax 0241 - 9433-747 unter Mitwirkung der Arbeitsgemeinschaft Coskun & Yurttas Grüner Weg 19 B 52070 Aachen Tel. 0241 – 608445-10 Fax 0241 – 608445-19 Stand: Februar 2009 Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 3 Inhaltsverzeichnis Seite A. Situation im Kreis Aachen 5 B. Auftrag 7 C. Vorgehensweise 7 D. Begründung der Zielgruppenfestlegung 7 E. Die Ergebnisse der Studie 10 E.1. Der Unternehmer 10 E. 1.1 E. 1.2 E. 1.3 E. 1.4 E. 1.5 E. 1.6 10 10 11 11 12 14 E.2. F. Herkunftsland Aufenthalt Sprachkenntnisse Staatsangehörigkeit Bildungsabschlüsse Persönliche Verhältnisse Das Unternehmen 16 E. 2.1 E. 2.2 E. 2.3 E. 2.4 E. 2.5 E. 2.6 E. 2.7 E. 2.8 E. 2.9 16 16 17 18 18 19 19 20 Rechtsform Branchen Bestandsdauer Entwicklung Mitarbeiter Ausbildungsverantwortung Finanzierung Kunden, Geschäftspartner Erfahrungen mit Einrichtungen und Netzwerken Erwartungen der Zielgruppen zur Verbesserung der Eingliederung in Kommune und Kreis, Öffentlichkeit und soziales Umfeld Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 21 24 4 Inhaltsverzeichnis G. H. Der betriebswirtschaftliche Fortbildungsbedarf der Zielgruppe 26 G. 1 G. 2 G. 3 G. 4 G. 5 G. 6 26 27 27 27 27 27 Marketing/Kundenakquise Finanzierung und Liquidität Kalkulation/Preisgestaltung Controlling und Kostenrechnung Buch- bzw. Kassenführung Wirtschaftsrechtliche Grundlagen Handlungsempfehlungen zur nachhaltigen Integration von Unternehmern mit Migrationshintergrund in die regionale Wirtschaft H. 1 H. 2 H. 3 I. Seite Handlungsempfehlungen an Unternehmer Handlungsempfehlungen an die Kommunen Handlungsempfehlungen für Kammern, schulische und berufliche Weiterbildungsträger Resümee 28 28 29 30 32 Aus rechentechnischen Gründen können in den Angaben zu Zahlen bzw. Prozentanteilen Rundungsdifferenzen in Höhe von ± einer Einheit (€, % usw.) auftreten. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 5 A. Situation im Kreis Aachen Akzeptanz und Weltoffenheit sind zu wirtschaftlich relevanten Standortfaktoren auch für den Kreis Aachen geworden. Aus den Ländern der Europäischen Union und aus der Türkei zugewanderte Unternehmer und Unternehmerinnen spielen dabei eine immer größere Rolle. In das Vorwort zum Integrationskonzept des Kreises Aachen schrieb der Landrat, Herr Carl Meulenbergh, den Satz: „Bei der Erstellung des Konzeptes haben wir uns davon leiten lassen, dass es für alle Bürger wichtig ist, die Potentiale, die bei Einwanderern und ihren Familien vorhanden sind, zu fördern und zum Nutzen der Gesamtgesellschaft zu nutzen.“ Um die Vernetzung der eingewanderten Unternehmer/innen mit der heimischen Wirtschaft zu stärken, wurde ergänzend zum Integrationskonzept die vorliegende Studie in Auftrag gegeben. Ziel ist es, das Miteinander von zugewanderten und deutschen Familien zu stärken und zugewanderten Familien Perspektiven in unserer Gesellschaft zu eröffnen, die auf gegenseitiger Hochachtung und Wertschätzung gründen. Die Zahl der Unternehmer/innen stellte sich im Kreis Aachen zum Stichtag 01.07.2008 wie folgt dar: Kommune Alsdorf Baesweiler Eschweiler Herzogenrath Monschau Roetgen Simmerath Stolberg Würselen Summen Gesamt-Anzahl der Unternehmer davon mit Migrationshintergrund in Prozent % 3.009 1.793 4.369 3.467 1.068 800 1.473 4.770 3.372 227 136 467 359 63 56 76 508 292 8 8 11 10 6 7 5 11 9 24.121 2.184 9 Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 6 Anzahl ausl. Einwohner im Kreis Aachen nach Kommunen per 31.12.2007 916 828 378 6830 4867 4878 5257 4147 3139 Stolberg Eschweiler Herzogenrath Würselen Alsdorf Baesweiler Simmerath Monschau Roetgen Verteilung der Unternehmer mit Migrationshintergrund in den Kommunen 76 63 56 136 508 227 467 292 359 Stolberg Würselen Simmerath Eschweiler Alsdorf Monschau Herzogenrath Baesweiler Roetgen Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 7 B. Auftrag Der Kreis Aachen beauftragte die Arbeitsgemeinschaft Coskun & Yurttas, Aachen, mit der „Ermittlung der Potentiale von Unternehmern mit Migrationshintergrund im Kreis Aachen und Vernetzung der Ressourcen im regionalen Wirtschaftsraum“ bestehend aus folgenden Teilaufgaben: • Erfassung der Produkte, Dienstleistungen und Kooperationen von Unternehmern mit Migrationshintergrund anhand einer empirischen Untersuchung, • Datenanalyse dieser Untersuchung und systematische Bewertung der Aussagen dieser Studie, dabei insbesondere auch die Ermittlung des betriebswirtschaftlichen Fortbildungsbedarfs der untersuchten Zielgruppe, sowie die • Erstellung eines Abschlussberichtes zu dieser Teilaufgabe, der konkrete Handlungsempfehlungen zur Erreichung der in Projektzielen definierten Ergebnisse vorgibt. Das Projekt wurde finanziert aus Mitteln des NRW-Landesprogramms „KOMM-IN“. C. Vorgehensweise Die empirische Untersuchung wurde in Form einer Befragung durchgeführt. Hierzu wurde ein Fragebogen entwickelt, der insgesamt 58 Fragen enthielt. Für diese Untersuchung stellte der Kreis Aachen Datenmaterial zur Verfügung und kündigte die anstehende Umfrage dem betreffenden Personenkreis schriftlich an. Dieses Datenmaterial, das Aussagen über nicht in Deutschland geborene Unternehmer und Unternehmerinnen mit mindestens einem sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter enthielt, wurde mit Materialien aus externen Quellen ergänzt, so dass letztendlich die Daten von über 100 Unternehmern/Unternehmerinnen mit Migrationshintergrund zur Verfügung standen. Die Umfragen wurden im Zeitraum Mitte September bis Mitte Dezember 2008 durchgeführt. Bei der Abwicklung dieses Auftrages wurden alle personenbezogenen Informationen anonymisiert und die Vorschriften des Datenschutzes beachtet. D. Begründung der Zielgruppenfestlegung Es wurden insgesamt 101 Unternehmer/Personen befragt. Die Auswahl dieser Personen erfolgte exemplarisch nach dem Schlüssel des Bevölkerungsanteils der Nationalitäten. Bei der Auswahl der Stichproben nach Herkunftsländern wurde von den zur Verfügung gestellten prozentualen Angaben teilweise abgewichen. Diese Abweichung war im Wesentlichen vor dem Hintergrund des Projektzieles notwendig. So wurden aus der verfügbaren Datenbasis vor allem die Unternehmer herausgenommen, deren Unternehmereigenschaft ausschließlich aus einer Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 8 Kapitalbeteiligung bestand und bei denen kein Wohnsitz in Deutschland begründet wurde. Dies trifft verstärkt für Unternehmer aus den Niederlanden und Belgien zu. Es ist zu bedauern, dass ob des geringen Anteils der Heimatethnie an der Gesamteinwandererzahl viele Selbstständige nicht erfasst wurden. Dies gilt insbesondere z.B. für die Länder Irak, Iran und Indien, aus denen viele Ärzte und Architekten zugewandert sind, die nach Anerkennung ihrer Qualifikation bzw. einem Ergänzungsstudium und dem Erwerb der deutschen Sprache nunmehr hier selbstständig sind. Die Potenziale der Einwanderer aus diesen Ländern sind gänzlich anders gelagert als die der in dieser Untersuchung genauer betrachteten Personengruppen. Bei den befragten Unternehmen handelte es sich fast ausschließlich um Betriebe in den Bereichen Dienstleistung, Handel, Handwerk und handwerkähnliches Gewerbe. Betriebe der Produktion und des verarbeitenden Gewerbes waren kaum vertreten. Ihr Anteil lag bei lediglich 4 %. Ebenfalls 4 % der Unternehmen waren im Bereich des Baugewerbes tätig. Insgesamt stellte sich die Verteilung der Wirtschaftszweige wie folgt dar: Wirtschaftszweig Sonstige Dienstleistungen Einzelhandel mit sonstigen Waren Handwerksähnliche Betriebe ohne Meisterbefähigung Restaurantbetriebe Handwerksbetriebe mit Meisterbefähigung Einzelhandel in der Lebensmittelbranche Imbiss Baugewerbe Verarbeitendes Gewerbe Gesamt in Prozent % 26 19 16 14 8 5 4 4 4 100 In der größten Gruppe der „sonstigen Dienstleistungen“ sind z.B. Zeitarbeitsvermittlungen, Abschleppdienste oder Telekommunikationsdienstleistungen zusammen gefasst. Bei der Auswertung der Umfrage wurde drei Gruppen gebildet. • Unternehmer/innen, die aus der Türkei stammen. Diese Gruppe stellt die Größte unter den Einzelnationalitäten dar. Die Bevölkerungsentwicklung im Kreisgebiet weist aus, dass deren Anzahl in der Tendenz leicht fallend ist. Derzeit sind 10.694 Mitbürger mit türkischer Herkunft im Kreisgebiet ansässig. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 9 • Unternehmer/innen aus den EU-Ländern vor der Osterweiterung (EU-Alt) Diese Gruppe bildet mit rund 28 % den größten Anteil an den befragten Personen. Ausschlag gebend für die Zusammenfassung war die Überlegung, dass Unternehmer und Unternehmerinnen aus diesen Ländern wirtschaftlich, geschichtlich und kulturell viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Die größte Volkswirtschaft Europas, die Bundesrepublik Deutschland grenzt an viele EUAlt-Länder. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind eng. Diese Länder sind auch diejenigen, mit denen die längsten wirtschaftlichen Kooperationen bestehen. Der Zugang in den deutschen Markt ist für die Bevölkerung aus diesen Ländern leichter als z. B. für Menschen aus afrikanischen oder arabischen Ländern. Der Anteil der Bevölkerung aus den Niederlanden und Belgien im Kreisgebiet ist naturgemäß hoch. Die Bevölkerungsstatistik belegt, dass die Anteile der beiden Nationalitäten tendenziell steigen. • Unternehmer/innen aus dem ehemaligen Ostblock bzw. Osteuropa Auch hier gibt es wirtschaftliche, politische und kulturelle Gemeinsamkeiten. Außerdem handelt es sich um „sich schnell entwickelnde bzw. aufsteigende“ Länder. Insbesondere erhalten Personen derjenigen Länder, die nun EUMitglieder sind, leichter einen Aufenthalt in Deutschland. Auch hier zeigt die Bevölkerungsstatistik des Kreises Aachen eine stark steigende Tendenz. So ist z.B. der Anteil der polnischen Bevölkerung kräftig steigend. Die absolute Zahl der Einwanderer aus dem ehemaligen Ostblock liegt mit 1.112 Personen an dritter Stelle hinter Türken und Niederländern. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 10 E. Die Ergebnisse der Studie E.1. E. 1.1 Der Unternehmer Herkunftsland Aufteilung der befragten Unternehmer nach Herkunftsland 30 25 % 25 20 15 10 % 10 7 % 5 % 4 % 4 % 4% 3 % 3 % 3 % R u ss la nd Li b an o n K ro at ie n S p an ie n B el g ie n R u m än ie n G ri ec he n la nd P o le n Tü rk ei 0 N ie d er la nd e 5 Die Selbstständigkeit im eigenen Unternehmen ist für Einwanderer sehr erstrebenswert. Dies gilt insbesondere für Einwanderer aus dem Mittelmeerraum. So ist jeder 4. Unternehmer im Kreis Aachen türkischer Abstammung, wobei aber nicht damit zu rechnen ist, dass dieser Anteil in Zukunft wesentlich weiter steigen wird, da aktuell die Zuwanderung aus dieser Ethnie sehr gering ist. Hingegen steigen Zahl und Anteil der Unternehmer/innen aus Polen (EU-Beitritt 2004). Auch die Einwanderer aus Rumänien (EU-Beitritt 2007) und weiteren, der EU neu beigetretenen Staaten und Bewerberländern, drängen auf den Markt und in die Selbstständigkeit. Einwanderer aus weiteren Staaten sind mit geringeren Anteilen (insgesamt 32 %) vertreten. Sie sind in diesem Schaubild nicht aufgeführt. E. 1.2 Aufenthalt Der überwiegende Teil sowohl der türkischen als auch der Personen aus den alten EU-Ländern lebt seit mehr als 20 Jahren hier bzw. ist in Deutschland geboren. Viele Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien leben ebenfalls seit mehr als 20 Jahren hier, viele Spätaussiedler aus den GUS-Staaten seit mehr als 10 Jahren. Die meisten Einwanderer aus Osteuropa jedoch sind erst seit kürzerer Zeit hier. Hierbei wird die größte Gruppe von Polen, gefolgt von den Rumänen gestellt, die nach der EU-Erweiterung und Ablauf der Beschränkungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung in den regionalen Wirtschaftsraum zugezogen sind. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 11 Aufenthalt der befragten Unternehmer im Herkunftsland 70 60 % 60 50 % 50 % 48 % 50 40 27 % 30 25 % 20 % 20 9 % 5 % 10 4 % 2 % 0 % 0 > 20 Jahre 11-20 Jahre Türkei E. 1.3 EU - Alt 6-10 Jahre < 5 Jahre Osteuropa Sprachkenntnisse Die Mehrheit der Befragten schätzt subjektiv ihre Sprachkenntnisse sowohl in der Muttersprache wie auch in der deutschen Sprache als gut ein. 2/3 der Unternehmer trafen die Aussage, dass sie in der deutschen Sprache sowohl schriftlich als auch mündlich verhandlungssicher seien. Diese Aussagen bedürfen einer Relativierung, da sie im Zusammenhang mit den Bildungsabschlüssen gesehen werden müssen. E. 1.4 Staatsangehörigkeit Staatsangehörigkeit der eingewanderten Unternehmer Osteuropa deutsche Staatsangehörigkeit EU-Alt Staatsangehörigkeit Herkunftsland Türkei 0% 20% 40% 60% 80% 100% Die Einstellung der eingewanderten Unternehmer/innen zur deutschen Staatsangehörigkeit in gruppenspezifisch unterschiedlich. Selbst innerhalb der aus Osteuropa eingewanderten Unternehmer/innen finden sich erhebliche Unterschiede. Während die große Zahl der aus den ehemaligen Staaten der GUS Eingewanderten zu einem großen Teil die deutsche Staatsangehörigkeit quasi mitbringt, verbleiben Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 12 die hier oftmals seit vielen Jahren lebenden Bosnier, Bulgaren, Jugoslawen, Kroaten, Mazedonen, Rumänen und Russen in ihren durch Geburt erworbenen Staatsangehörigkeiten. Auch die mittlerweile zur zweitgrößten Ausländergruppe angewachsenen polnischen Mitbürger sehen keinen Grund aus einer EUStaatsbürgerschaft in eine andere zu wechseln. Ähnlich dürfte die Motivation bei den Mitbürgern aus den „alten“ EU-Ländern sein. E. 1.5 Bildungsabschlüsse der befragten türkischen Unternehmer 15 % 20 % 35 % kein Schulabschluss Abitur 30 % weiterführende Schule Hochschul-Diplom Viele Beispiele weisen nach, dass erfolgreiches Unternehmertum und fehlender Bildungsabschluss sich nicht widersprechen müssen. So ist insbesondere der Anteil der aus Osteuropa zugezogenen Unternehmer ohne anerkannten Schulabschluss sehr hoch. Augenscheinlich besteht bei Hochschulabsolventen aus den alten EUStaaten nur ein sehr geringes Interesse an einer selbstständigen Tätigkeit im Kreis Aachen. Da die Hochschulabschlüsse vieler Einwanderer hier nicht anerkannt wurden und werden, arbeiten sie hier in den seltensten Fällen selbstständig oder auf dem heimatlichen Niveau. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 13 der befragten Unternehmer aus der EU - alt 6% 5 % 34 % 55 % kein Schulabschluss Abitur weiterführende Schule Hochschulabschluss der befragten Unternehmer aus Osteuropa 11 % 47% 31 % 11 % kein Schulabschluss Abitur weiterführende Schule Hochschul-Diplom Die aus Nicht-EU-Ländern stammenden Ärzte und Architekten sind ob der geringen Zahl der befragten Personen bei exemplarischer Auswahl und dem geringen Anteil des Herkunftslandes an der Gesamtzahl der Einwanderer nicht erfasst. Dieses Potenzial darf nicht vergessen werden. Generell kann festgestellt werden, dass die Unterschiede herkunftsbedingter Kriterien desto weniger ins Gewicht fallen, je höher der Bildungsgrad ist. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 14 E. 1.6 Persönliche Verhältnisse Haushaltsgröße bei den befragten Personen in % 30 25 20 15 10 5 Türkei P er s. P er s. EU - Alt 6 5 P er s. 4 P er s. 3 2 1 P er s. P er s. 0 Osteuropa Bei den türkischen Unternehmern gibt es keine Single – Haushalte. Selbstständigkeit ist untrennbar mit Familie verbunden. Die Mehrzahl der aus den EU – Ländern stammenden Unternehmer/Unternehmerinnen leben in Familien mit einem Kind. Die Anzahl der in großen Familienverbünden Lebenden ist ähnlich gering wie bei den türkischen Unternehmerfamilien. Bei den Unternehmern aus Osteuropa ergibt sich eine relativ gleichmäßige Verteilung nach Familienmitgliedern. Allerdings kommen Haushalte mit 6 Personen bei den befragten Unternehmern aus Osteuropa nicht vor. Etwa 50 % aller befragten Unternehmer/innen sind zwischen 31 und 40 Jahre alt. Dehnt man die Zeitspanne bis auf 50 Jahre aus, so sind damit über 80 % aller Befragten erfasst. Die Risikobereitschaft speziell der aus der Türkei und Osteuropa stammenden Unternehmer ist in jungen Jahren groß, erheblich größer als bei gleich alten deutschen Mitbürgern. Unternehmer im Alter bis zu 30 Jahren sind in allen Gruppen selten, Senior-Chefs gibt es in der Regel nicht. in % Alter der Unternehmer/innen 60 50 40 30 20 Türkei EU-Alt 10 Osteuropa 0 21-30 31-40 41-50 51-60 >60 Jahre Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 15 Der Anteil der Unternehmerinnen mit türkischem Hintergrund ist im Vergleich zum Anteil der unternehmerisch selbstständigen Frauen aus den EU-Staaten und Osteuropa unbedeutend. Dies entspricht nicht der Praxis in der Türkei, wo der Anteil der geschäftsführenden Frauen mit hoher wirtschaftlicher Kompetenz hoch ist. Die geschlechtsbezogene Verteilung bei den beiden anderen Gruppen entspricht der Verteilung bei deutschen Unternehmen. Auch in Deutschland wird lediglich jedes dritte Unternehmen von einer Frau gegründet, obwohl 44 % der Beschäftigten weiblich sind. Unternehmer nach Geschlecht 5 % weiblich 95 % männlich Türkei 30 % weiblich 34 % weiblich 70 % männlich 66 % männlich EU-Alt Ost Europa Der türkischstämmige Unternehmer ist verheiratet (Eine Ausnahme bestätigt die Regel). Unter Beachtung des Alters der Unternehmer spiegelt sich hier die türkische Gesellschaft. Bei den aus den „alten“ EU-Staaten eingewanderten Unternehmern und Unternehmerinnen ist bei der Verteilung des Familienstandes das höhere Durchschnittsalter zu berücksichtigen. Die Risikobereitschaft der (möglicherweise scheinselbstständigen) ledigen Kleinunternehmer/innen aus Osteuropa kann für einen hohen Anteil lediger Personen verantwortlich sein. Familienstand der Unternehmer 100 90 80 70 in % 60 50 40 30 20 10 0 ve rhe ira te t le dig Türkei ve rhe ira te t le dig EU-Alt Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen ve rhe ira te t le dig Osteuropa 16 E.2. Das Unternehmen E. 2.1 Rechtsform der befragten Unternehmen 14 % 2% 24 % 60 % Einzelunternehmen GbR Pers.Ges. GmbH/AG Mehr als die Hälfte der befragten Personen arbeiten als Einzelunternehmen, wobei Einzelunternehmen nicht Ein-Mann-Unternehmen bedeutet. Die Mehrzahl der befragten Personen ist in der Regel eher bereit ein höheres Unternehmer-Risiko auf sich zu nehmen und verzichtet dabei auf Partner außerhalb der Familie. Die Gründung einer GmbH oder AG entfällt oft, weil der bürokratische Aufwand und der höhere Finanzmittel-Einsatz abschrecken, als nicht erforderlich erachtet werden oder schlicht ein ausreichender Informationsstand über die Auswirkung der gewählten Rechtsform nicht vorhanden sind. E. 2.2 Branchen Aufteilung der befragten Unternehmen nach Wirtschaftszweig in % 45 40 35 30 25 20 15 10 Türkei EU - Alt Osteuropa Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen ve ra rb .G ew er b e B au ge w er b e H an dw er k M ei st er -H an d w er k S o ns ti ge E H Le b en sm it te l E H - R es ta u ra n t Im b is s 0 M ed ie n/ M ar ke so tin n st g ig e D ie n st le is tu n ge n 5 17 Die Schwerpunkte liegen bei den Unternehmern mit türkischem Hintergrund eindeutig im Bereich der sonstigen Dienstleistungen (Zeitarbeitsvermittlung, Telekommunikationsdienstleistungen, u.a.), des Einzelhandels und der Imbiss- oder Restaurantbetriebe. Insbesondere der Bereich der Imbissbetriebe ist – von wenigen Unternehmern/Unternehmerinnen aus Albanien, Griechenland und Asien abgesehen – ein Monopol türkischstämmiger Unternehmer geworden. Unternehmer/innen aus der EU sind schwerpunktmäßig in den Sparten Gastronomie (ohne Imbiss), Einzelhandel und Dienstleistungen tätig. Hier wirkt sich aus, dass der Dienstleistungsbereich im Süden Europas wesentlich stärker ausgeprägt ist. Osteuropäische Unternehmer/innen haben schwerpunktmäßig ihre Tätigkeitsfelder in den Bereichen des Handwerks und der sonstigen Dienstleistungen gefunden. Die Bereiche Medien/Marketing und IT genießen bei jungen Einwanderern ein hohes Ansehen. Viele sind an einer Ausbildung bzw. Weiterbildung in diesen Bereichen interessiert. Allerdings hat dieses Interesse noch nicht zu Betriebsgründungen geführt. E. 2.3 Bestandsdauer Bestehen des Unternehmens in Jahren 70 60 50 40 30 20 10 0 > 10 Jahre 4 - 10 Jahre Türkei 1 - 3 Jahre EU - Alt < 1 Jahr Osteuropa Die Unternehmen der befragten Personen bestehen etwa zur Hälfte und unabhängig von der Herkunft ihrer Betreiber seit vier bis 10 Jahren. Viele Unternehmen aus Osteuropa sind nach der EU-Erweiterung 2004 gegründet worden. Die Gründungsphase der Ost-Europäer hält immer noch an, während sich die Unternehmer aus den „alten“ EU-Staaten schon etabliert haben. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 18 E. 2.4 Entwicklung Beurteilung der Entwicklung des Unternehmens im letzten Wirtschaftjahr 60 50 40 in % 30 20 10 0 sehr gut gut z ufrieden stellend eher schlecht sehr schlecht Über 70 % der Unternehmer beurteilten die Entwicklung im abgeschlossenen Wirtschaftsjahr 2008 als sehr gut bis zufrieden stellend. Diese Zahl nivelliert die sehr unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Branchen. Im Bereich der Gastronomie wurde die Entwicklung als eher schlecht bis sehr schlecht eingestuft E. 2.5 Mitarbeiter Arbeitsplätze bei den 101 befragten Unternehmen Anzahl aus der eigenen Ethnie deutsche Mitarbeiter/inne n Mitarbeiter/inne n aus anderen Ethnien Gesamt 271 Vollzeitbeschäftigt e 199 278 Teilzeitbeschäftigte Auszubildende 61 11 226 39 13 81 51 30 0 654 500 130 24 Im Durchschnitt schuf jede/r der eingewanderte/n Unternehmer/innen 5 weitere Arbeitsplätze. Deutsche Mitarbeiter/innen nahmen mehr als die Hälfte dieser Arbeitsplätze ein. Sie waren in der Regel in Vollzeit beschäftigt. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 19 (Die Ungenauigkeit bei der Anzahl der Vollzeitbeschäftigten ergibt sich aus der Dunkelziffer bei der Einrechnung der unternehmerischen Leistung und der Beteiligung von Familienmitgliedern) Unregelmäßig in geringem Umfang und nur temporär mithelfende Familienangehörige ohne Vergütung und ohne Beitrag zur Sozialversicherung sind zumindest im Bereich der Gastronomie zu vermuten. E. 2.6 Ausbildungsverantwortung Nicht einmal jeder vierte der befragten Betriebe bildete aus. Die folgenden Gründe wurden in allen Zielgruppen genannt: 1. Nicht ausreichende Fachkompetenzen, z. B. fehlende Ausbildereignung, möglicherweise fehlende theoretische Kenntnisse/Sprachkenntnisse. 2. Nicht ausreichende finanzielle Ausstattung der Unternehmen. Bei den meisten Unternehmen (mehr als 70 %) handelt es sich um Kleinunternehmen mit 3-5 Mitarbeitern, wo dann wirklich die Finanzdecke gerade ausreichend ist, um mit Vollbeschäftigten die angestrebten Unternehmensziele zu erreichen. 3. Mangelnde bürokratische Kenntnisse. Zusätzlicher bürokratischer Aufwand hält die Unternehmer von der eigentlichen Arbeit ab, gerade bei kleinen Firmen teilweise betriebswirtschaftlich nicht darstellbar. E. 2.7 Finanzierung Fast zwei Dritteln der befragten Unternehmer/innen waren die Angebote deutscher Kreditanstalten bekannt, davon alleine 18% die Angebote der KfW. Auch waren die Angebote deutscher Kreditanstalten dreimal bekannter als die Angebote der Kreditanstalten aus der eigenen Ethnie. Oftmals erfolgt die Information nicht direkt bei den anbietenden Unternehmen sondern über Mittelsmänner, die ihre Beziehungen eigenwirksam nutzen. Als Kreditgeber waren bekannt: KfW-Bankengruppe 18 % Deutsche Kreditanstalten 45 % Kreditanstalten der eigenen Ethnie 15 % Familie und Bekannte 20 % Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 20 Ein Fünftel der befragten Personen hatte sich vor Gründung des Unternehmens über die Möglichkeiten finanzieller Unterstützung oder Trägerschaft durch die Familie oder durch Bekannte informiert. In der Praxis Die Familie einschließlich des Eigenkapitals stellt die wesentliche Finanzierungsgrundlage der Unternehmen dar. In Anspruch genommene Finanzierungsmöglichkeiten 1% 3 % 29 % 35 % 5 % 27 % E. 2.8 KfW-Bankengruppe Deutsche Kreditanstalten Kreditanstalten Familie und Bekannte Eigenkapital Sonstige Kunden, Geschäftspartner Verteilung der Geschäftpartner (geschätzt) Verteilung der Kunden (geschätzt) 8% 21 % 11 % 9% 70 % Deutsche eigene Ethnie 81 % fremde Ethnie Die Zeiten, in denen sich Einwanderer mit Geschäften in der ethnischen Nische selbstständig machten, sind weitgehend vorbei. Der überwiegende Teil sowohl der Kunden als auch der Geschäftspartner eingewanderter Unternehmer sind heute Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 21 Deutsche. Das ist das Resultat konsequenter Marktorientierung ohne Fixierung auf die eigene Ethnie. So schätzen mehr als 20 % der türkischstämmigen Unternehmer, deren heimische oder deutsche Berufsausbildungen sehr heterogen sind und vom Bankkaufmann über den Friseur bis zum Laborassistenten für Metallurgie reichen, den Anteil ihrer deutschen Kunden bei über 90 % ein. Allerdings kommt im Bereich der Gastronomie und des Einzelhandels der Lage der Geschäftsräume eine entscheidende Bedeutung zu, denn deutsche Kunden scheuen den Besuch segregierter Stadtviertel oder Nebenstraßen. Ob der aktuellen Lage auf dem Immobilienmarkt besteht aber für marktorientiert denkende Unternehmer durchaus die Möglichkeit eines Wechsels in eine bessere Lage. Mittlerweile haben aber nicht nur eingewanderte Unternehmen den Wert deutscher Kunden erkannt, sondern die „deutsche“ Wirtschaft engagiert sich auch im Ethnomarketing. Eine ähnliche Tendenz ist bei den Geschäftsbeziehungen zu erkennen. Hier haben sogar 20 % der Befragten angegeben, dass ihre Geschäftspartner nur Deutsche seien. Die Kontakte zu Geschäftspartnern aus anderen Ethnien sind dagegen von geringer Bedeutung. E. 2.9 Erfahrungen mit Einrichtungen und Netzwerken Zentrale Bedeutung wird in den Berichten über die Erfahrung mit deutschen Institutionen und Netzwerken von allen Befragten der deutschen Sprache zugesprochen. 70 % aller Befragten gaben der Sprachkenntnis höchste Priorität. (Allerdings gab auch 1/6 der Befragten an, dass die Sprache für ihre Selbständigkeit nicht von Bedeutung wäre.) Ansonsten sind die Erfahrungen heterogen und richten sich nach den Schwierigkeiten in der Gründungsphase. Die größten Schwierigkeiten in der Gründungsphase 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1 2 3 (1 nicht wichtig, 5 sehr wichtig) Sprache Kalkulation Krisenmanagement Arbeitsrecht Marketing Finanzierung 4 5 Kassenführung Controlling Mitarbeiterführung Arbeitsrecht, Buch- und Kassenführung, Kalkulation und Preisgestaltung, Kundenakquise und Marketing, Controlling und Kostenrechnung, Liquidität und Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 22 Finanzierung, sowie Krisenmanagement und Führungsstil waren für eingewanderte Unternehmer/innen genau so wichtig wie für deutsche Unternehmensgründer/innen. Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen gibt es jedoch hinsichtlich der Kenntnis der Informationsquellen zu diesen Themen und – daraus resultierend - im Umfang der Nutzung dieser Angebote. Welche Weiterbildungsträger sind bekannt? 4% 38% 48% Keine Arbeitsagentur IHK HWK 14% Fast die Hälfte der Befragten kennt keine Weiterbildungsträger. Die Informationen der Weiterbildungsträger kommen – in Papierform - bei den wenigsten Unternehmern an. Da die Weiterbildungsangebote nicht bekannt sind, werden sie auch nicht genutzt. Bei Gründung und Führung des Unternehmens lernen eingewanderte Unternehmer/innen im Wesentlichen nur aus den eigenen, erkannten Fehlern und profitieren nicht von den Erfahrungen anderer. Auch gegenüber Innovationen und Trends wird meist nach dem Bauchgefühl agiert. Nutzen die Unternehmen Weiterbildungsangebote? Osteuropa EU-Alt Nein Türkei 0% 20% 40% 60% 80% Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 100% 23 Ein Fünftel der türkischstämmigen Unternehmer nutzen immerhin die bestehenden Weiterbildungsangebote. Vor Gründung genießen die Informationen der Agentur für Arbeit/Arge ein relativ hohes Ansehen. Später werden sie nicht mehr als nutzbringend erachtet, man wendet sich sonstigen Informationsquellen zu Unternehmer aus der Türkei informieren sich a. vor der Gründung 16 % 28 % b. danach, auch für Weiterbildung 23 % 33 % 33 % 30 % 3% 6% 25 % 3% Freunde/Verwandte eigene Organisationen IHK / HWK AA / ARGE Sonstige Unternehmer/innen aus den „alten“ EU-Staaten schätzen die Informationen aus dem Kreis der Freunde und Verwandte vor der Gründung sehr hoch ein, erkennen aber später die hohe Kompetenz bei IHK/HWK. Auch bei dieser Zielgruppe vergrößert sich die Bedeutung sonstiger Informationsquellen im Lauf der Geschäftsführung. Unternehmer aus der EU - Alt informieren sich a. vor der Gründung b. danach, auch für Weiterbildung 11 % 9% 17 % 29 % 29 % 60 % 3% 4% Freunde/Verwandte eigene Organisationen IHK / HWK AA / ARGE Sonstige Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 34 % 4% 24 Unternehmer aus Ost-Europa informieren sich a. vor der Gründung 18 % b. danach, auch für Weiterbildung 35 % 18 % 26 % 16 % 6% 40 % 32 % 3% 6% Freunde/Verwandte eigene Organisationen IHK / HWK AA / ARGE Sonstige Unternehmer/innen aus Osteuropa nutzen hiesige Beratungs-, Fort- und Weiterbildungsangebote nur marginal. In Ermangelung der Information durch eigene Netzwerke informieren sie sich bei Freunden und Verwandten, nutzen die Handwerks- und die Industrie und Handelskammer und alle sich sonst noch ergebenden Informationsquellen. Die Bedeutung der Agentur für Arbeit und Der ARGEn lässt parallel zum Rückgang der von dort erwarteten Zahlungen mach. F. Erwartungen der Zielgruppen zur Verbesserung der Eingliederung in Kommune und Kreis, Öffentlichkeit und soziales Umfeld Die Erwartungen der Befragten wurden durch offene Fragen und geschlossene Fragen zu den Themen „Erfahrungen im Gründungsprozess“, „Hürden bei der Gründung“ und „Einfluss des Migrationshintergrundes in der Startphase“ erhoben. Sie lassen sich von den Problemen ableiten. Demnach gibt es zum einen generelle soziopolitische Erwartungen, die zielgruppenspezifisch für Einwanderer sind. Zum anderen unternehmerische Erwartungen, die unabhängig von der Herkunft genauso von deutschen Unternehmern geäußert werden würden. Die soziopolitischen Erwartungen drücken sich zum Beispiel in der Forderung nach herkunftsunabhängiger Gleichbehandlung aus. Dies verdeutlichen Äußerungen der Befragten wie „wenig Vertrauen“, „unfreundliche Behandlung“ und „Ausländer werden mehr unter die Lupe genommen“. Aus den Gesprächen heraus war erkennbar, dass es die eingewanderten Unternehmer bei den Behörden belastet, wenn sie als weniger kompetent als ihre deutschen Kollegen behandelt werden. Hier wird oftmals von mangelnder Sprachkenntnis auf mangelnde Sachkenntnis geschlossen. In ihren Antworten zeigten die Befragten auch, dass sie insbesondere bei mangelnden bürokratischen Kenntnissen sich oftmals eher mit Misstrauen, denn Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 25 mit Sachkompetenz behandelt fühlten. Zwar erwartete keiner der Befragten, dass die Behörden jemanden beschäftigen, der ihre Muttersprache nicht beherrscht, aber sie hoffen auf verständlicheres Deutsch (eine pragmatische aufgabenorientierte Sprache) und auf ebensolche Formulare. Eventuell wären Erläuterungen in der Muttersprache zu den deutschen Formularen hilfreich. Diese Erwartungen betreffen die Gruppe der Unternehmer aus den alten EU-Ländern weniger als andere Gruppen, wobei es auch hier ein Gefälle zwischen den Migranten aus unmittelbaren Nachbarstaaten und den südeuropäischen Ländern gibt. Zu den unternehmerischen Erwartungen können Antworten gezählt werden wie: - weniger Bürokratie bzw. Auflagen, Verbesserung der Behördengänge, Grenzüberschreitung der Sozialabgaben, finanzielle Hilfe bei der Markterschließung/Werbung, mehr Flexibilität, mehr Zeitaufwand. Wenn man diese Aussagen zu Themenblöcken zusammenfasst, so liegen die Erwartungen einmal bei der Verbesserung der Arbeitsprozesse (schnelleres, flexibleres und unbürokratisches Abwickeln der Belange der Unternehmen). Einmal in der Überlegung der fördertechnischen Instrumente (finanzielle Mittel für operative Bereiche wie Marketing) und schließlich in der besseren Abstimmung von Gesetzen zwischen den EU-Ländern (grenzüberschreitende soziale Abgaben). Letzteres kann auch zu den soziopolitischen Forderungen gezählt werden, da sie politisch auf EUEbene gelöst werden müssen und nicht durch einzelne Behörden vor Ort geändert werden können. Aus den einzelnen Gesprächen war erkennbar, dass Einwanderer, insbesondere solche mit schlechten Deutschkenntnissen, die Behörden oft nur als Stellen identifizieren, die ihnen bestimmte Auflagen stellen und sie überwachen. Sie sehen in den Behörden weniger den unterstützenden Partner. Der Anteil derjenigen, die die Behörden als sehr hilfsbereit eingestuft haben, beträgt lediglich 10 %. Bei den offenen Fragen wurden ganz ähnliche Antworten gegeben, z.B. - mehr und passende Weiterbildungsangebote, weniger Bürokratie, Auflockerung und Anonymität, niedrige Gewerbegebühren, bessere Förderung von Unternehmensnachfolger, Marketingaktivitäten und Grenzgängern, geringere Unternehmenskosten, mehr Toleranz und Respekt, mehr positives Feedback an die Unternehmen. Auch für die Bereitschaft zur Teilnahme an Weiterbildungsangeboten ist ein Indikator für die Erwartungen der Zielgruppen an Behörden, Öffentlichkeit und soziales Umfeld. So haben zwar nur 10 % die Weiterbildungsangebote regelmäßig benutzt, erwarten aber zum großen Teil mehr und besser passende Weiterbildungsangebote. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 26 Es entstand auch der Eindruck, dass viele Befragte es durchaus begrüßen würden, wenn Weiterbildungsangebote penetranter und hartnäckiger an sie herangetragen würden, ja sogar zur Pflicht gemacht würden. „Im Vorfeld ist man zwar nicht besonders erfreut darüber, aber im Nachhinein ist man froh, wenn man dieses Wissen dann nun endlich hat“, so wörtlich ein Befragter. G. Der betriebswirtschaftliche Fortbildungsbedarf der Zielgruppe Fortbildungsbedarf 60 50 40 30 20 10 0 1 2 3 (1 nicht wichtig, 5 sehr wichtig) Kalkulation Marketing Controlling 4 5 Finanz ierung Der Fortbildungsbedarf wird von vielen Befragten insbesondere in den Feldern Marketing/Kundenakquise und Finanzierung/Liquidität als hoch eingeschätzt. 27 % der Befragten sind an Weiterbildung allerdings überhaupt nicht interessiert. Die Interessierten sind in der Mehrheit bereit 20 Arbeitsstunden jährlich einzubringen. Die Fortbildungen sollten idealer weise ganztägig an Wochenenden und in deutscher Sprache stattfinden. Anhand der Ergebnisse der Befragung konnten folgende betriebswirtschaftliche Themen künftiger Fortbildungsveranstaltungen systematisiert werden: G. 1 • • • • • • • • • Marketing/Kundenakquise Was bedeutet Marketing, wie entwickelt man eine Marketingstrategie? Wie definiert man Zielgruppen, wie kann man den Bedarf ermitteln? Wie können Marktlücken und Nischen entdeckt werden? Wie erstellt man eine Konkurrenzanalyse? Was sind die Marketinginstrumente und deren Wirkung (Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitik)? Was bedeutet eine Marktanalyse und wie kann man diese erstellen? Welche Informationsquellen gibt es hierzu? Wie organisieren Unternehmen den Vertrieb und was bedeutet Kundenpflege? Welche Werbeinstrumente gibt es und wie viel kosten sie? Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 27 G. 2 • • • • • • • • G. 3 Finanzierung und Liquidität Wie erstellt man einen Finanzbedarfsplan zu Beginn der Gründung? Welche finanziellen Konsequenzen erfolgen im operativen Geschäft? Wie sieht eine Liquiditätsplanung aus? Welche Steuern müssen wann entrichtet werden und wie wirken sie sich auf die Liquidität und auf die Gewinn- und Verlustrechnung aus? Wie erstellt man eine Gewinn- und Verlustrechnung? Was ist eine Bilanz? Welche Finanzierungsinstrumente und welche Fördermöglichkeiten durch die KfW, durch die NRW-Bank und durch die Kreditinstitute gibt es? Was sind die Voraussetzungen und wie die Antragsverfahren und wer ist der Ansprechpartner für die Beantragung dieser Förderungen? Kalkulation/Preisgestaltung • • • Wie erstellt man eine Kalkulation? Welche Verfahren gibt es dazu (Vollkosten- und Teilkostenverfahren)? Wie ist die Preisfindung, was sind die Einflussfaktoren? • Wie viel Marge ist in der jeweiligen Branche üblich? G. 4 • • • • G. 5 • • • • • • G. 6 • • Controlling und Kostenrechnung Was bedeutet Controlling und was bewirkt es? Welche Controllinginstrumente gibt es? Wie kann man die Kosten- und Ertragsstrukturen von Produkten, Abteilungen oder Kostenarten ermitteln? Welche EDV-technischen Hilfestellungen gibt es hierzu? Buch- bzw. Kassenführung Was sind die Grundlagen der Buchführung? Wie kann man Geschäftsvorfälle erfassen und bewerten? Welche EDV-technischen Instrumente gibt es dazu und wie funktionieren sie? Wie führt man eine Kasse? Was ist der Zusammenhang zur Gesamtbuchführung und wie stellt dieser sich dar? Welche gesetzlichen Grundlagen muss man beachten? Wirtschaftsrechtliche Grundlagen Gewerberecht (Gewerbeanmeldungen, Erlaubnisse, Konzessionen etc.) Handelsrecht (welche Rechte- und Pflichten hat man) Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 28 • • • Steuerrecht (Umsatz-, Gewerbe-, Lohn-, und Körperschaftssteuer) Gesellschaftsrecht (Rechtsformen und ihre Auswirkungen auf das Unternehmen) Arbeitsrecht (die wichtigsten Regeln für Unternehmen, die Mitarbeiter haben) H. Handlungsempfehlungen zur nachhaltigen Integration von Unternehmern mit Migrationshintergrund in die regionale Wirtschaft H. 1 Handlungsempfehlungen an eingewanderte Unternehmer Unternehmer mit türkischem Hintergrund neigen dazu Unternehmen so zu gründen, wie ihre Bekannten, Verwandten oder Freunde tun, in ähnlichen Branchen, besonders im Bereich Textil, Lebensmittel und Restaurantgewerbe. Auch viele Selbständige aus Osteuropa handeln bei der Unternehmensgründung eher emotional Anhand der zu diesem Bereich erhaltenen Antworten war erkennbar, dass sich die meisten durch Eltern und Verwandte und den Freundeskreis beeinflussen lassen. Dies muss zwar nicht falsch sein, aber eine objektivere Beurteilung der fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für eine Selbständigkeit in einer bestimmten Branche und eine gründliche Markt- und Zielgruppenanalyse helfen zu mehr Erfolg. Eine offene Haltung und die Bereitschaft mehr und permanent dazu zu lernen, Wissensdefizite objektiv zu identifizieren, diese Defizite zu benennen und als Bedarf mit den Behörden und Weiterbildungsträgern zu kommunizieren schafft im eigenen Interesse eine Transparenz nicht nur über die Beratungsangebote, deren Inhalte und Bedingungen, sondern auch über die bereits existierenden Angebote und die realistischen Chancen am Markt. Die Verbesserung der Sprachkenntnisse werden als erste Handlungsempfehlung ausdrücklich formuliert. Die gesamte Kommunikation erfolgt über die deutsche Sprache. Die Selbsteinschätzung der Sprachkenntnisse seitens der eingewanderten Unternehmer wird nicht nur durch die vorhandenen Bildungsabschlüsse sondern auch durch die Erfahrungen des türkischstämmigen Interviewers relativiert. Nur durch gute Sprachkenntnisse kann der Unternehmer seine Kunden persönlich bei der Ansprache überzeugen oder sich Behörden und Informationsanbietern gegenüber zutreffender ausdrücken und Missverständnisse ausräumen, sowie bei den Weiterbildungen und Qualifizierungen die Inhalte besser verstehen. In der Region Aachen gibt es zahlreiche Beratungsstellen, die ihre Hilfe kostenlos anbieten, wie z. B. die Existenzgründerabteilungen der Wirtschaftskammern, die Wirtschaftsförderungseinrichtungen, (z. B. WfG-Kreis Aachen), die AGIT bei technischen Unternehmensgründungen und die Gründer- und Technologiezentren. Außerdem kann man für konkrete branchenbezogene Fragen Beistand und Hilfe bei den Unternehmerverbänden, Gewerkschaften, Arbeitsagenturen und Brancheninitiativen erhalten. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 29 Insbesondere die Annahme von Gründungsberatung und das Erstellen eines Businessplans im Vorfeld der Selbständigkeit werden dringend empfohlen. Ein ernsthaft und gründlich erarbeiteter Businessplan hilft außerdem dabei, die Lücken des Marktes zu sehen, noch offene Wissensdefizite zu identifizieren und diese ggf. noch vor der Gründung zu schließen und sich bestens auf die Gründung vorzubereiten, so dass im operativen Geschäft die Umsetzung keine bösen Überraschungen mit sich bringt. Eine weitere Handlungsempfehlung besteht darin, dass sich die eingewanderten Unternehmer/innen stärker in Brancheninitiativen und in Kammern etc. einbringen, um auch auf diesem Weg ihre Interessen und Erwartungen zu vertreten. Dafür ist es hilfreich, nicht nur im operativen Geschäft verhaftet zu bleiben, sondern den Blick über den Tellerrand hinaus auf strategische Themen auszurichten. Diese Handlungsweise erfordert nicht nur eine entsprechende Bereitschaft, sondern auch viel Investition in Zeit und Gespräche. Dabei ist hilfreich, wenn in beiden Sprachen auch schriftlich kompetente Unternehmer/innen als Multiplikatoren eine Vorreiterrolle übernehmen. Eine weiter Handlungsempfehlung an Unternehmer, ist die Verbesserung der Netzwerkaktivitäten mit deutschen Unternehmen, und zwar nicht nur in der Horizontalen sondern auch in der Vertikalen. Damit ist gemeint, dass auch die Netzwerkaktivitäten und Kooperationen innerhalb der Branche, des geographischen Marktes und der Wertschöpfungskette verstärkt werden müssen. Dies ist genau wie der vorangegangene Aspekt eher langfristiger Natur. Beispiele hierfür sind z. B. Kooperationsabkommen zwischen den Einzelhändlern, gemeinsame Werbeaktionen der Unternehmen eines bestimmten Stadtteils oder in einer bestimmten Kommune, Einkaufs- und Messebeteiligungspools, welche die Kosten reduzieren helfen und die Konkurrenzfähigkeit verbessern, oder gemeinsame Exportbemühungen/ Arbeitsteilung beim Erschließen von zusätzlichen Märkten. Hier sollten entstehende Agglomerationsvorteile sinnvoll genutzt werden. Man kann gemeinsam mögliche Kunden recherchieren und einen Gruppenbesuch bei Unternehmen organisieren. Das hilft Kosten zu sparen, es verhilft zu mehr Alternativen und Vielfältigkeit bei den Kunden und es ist hilfreich Arbeitsprozesse zu optimieren, schafft Solidarität und Kontakte, die dann ebenso Synergien erzeugen. H. 2 Handlungsempfehlungen an die Kommunen Drei Themenfelder werden gesehen, in denen Kommunen ihre Dienstleistungen für Unternehmer (nicht nur mit Migrationshintergrund) optimieren können: - Schaffung von guten Rahmenbedingungen im wirtschaftlichen Umfeld unter Einbindung aller Betroffenen, - Verschlankung der Arbeitsabläufe und Verbesserung der Kommunikation, einschließlich der Einrichtung von Sprachkursen - Unterstützung bei der Netzwerkbildung und bei den Kooperationen im Rahmen der Wirtschaftsförderung. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 30 Grundlegend für die Rahmenbedingungen ist die Offenheit auch auf Seiten der Kommunen und ihrer Wirtschaftsförderungseinrichtungen für die Denkweisen und kulturellen Motive eingewanderter Mitbürger/innen. Eine auf Vertrauen und Dialog in deutscher Sprache beruhende Vorgehensweise bei allen Kontakten schafft gegenseitiges Vertrauen und erleichtert die Zusammenarbeit. Im Themenfeld Arbeitsabläufe und Kommunikation wird angeraten, dass die Kommunen ihr Antragswesen etc. dahingehend überprüfen, ob Erleichterungsmöglichkeiten bestehen. Diese könnten z. B. schon darin bestehen, dass die zur Unternehmensgründung notwendigen Unterlagen und dafür zuständige Stellen direkt mit in den Gewerbeanmeldungsprozess einbezogen werden. Zur Verbesserung der Kommunikation gehören nicht nur die Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeiter/innen in den Kommunen zu interkulturellen Themen, die Förderung von Fachsprachkursen und Kursen für Wirtschaftsdeutsch, sondern auch gemeinsame Veranstaltungen deutscher und eingewanderter Unternehmer/innen in denen Erfahrungen und Erwartungen kommuniziert werden. Zur Unterstützung bei der Netzwerkbildung und bei den Kooperationen im Rahmen der Wirtschaftsförderungsaufgaben gehören alle aufklärenden, initiierenden und unterstützenden Maßnahmen - ideelle wie konkrete - zur Bildung von Netzwerken (z. B. den Unternehmensverbänden), zur Bildung von Brancheninitiativen und zur Suche von Kooperationspartnern und Weiterbildungsträgern. Hier könnten die Wirtschaftsförderer eine initiierende Rolle übernehmen und die Beteiligten an einen Tisch bringen. H. 3 Handlungsempfehlungen für Kammern, schulische und berufliche Weiterbildungsträger Den Kammern und Weiterbildungsträgern können folgende Maßnahmen empfohlen werden: - Überprüfung der Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote auf migrantenspezifische Bedürfnisse, Angebote der Sensibilisierung zum Thema „Wichtigkeit eines Businessplans für den Unternehmenserfolg“ , Organisation und Moderation von Foren für den Erfahrungsaustausch deutscher und eingewanderter Unternehmer/innen, Vorstellung erfolgreicher eingewanderter Unternehmer/innen und deren Erfahrungen (best-practice), Vervielfältigung von auf die Zielgruppe neu eingewanderter Unternehmer/ innen abgestimmter Informationsmaterialien, Broschüren und Newsletters Regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit über die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Zielgruppe, enge Kooperationen mit den Kammerorganisationen der Herkunftsländer und Entwicklung gemeinsamer Strategien und Maßnahmen. Dem schulischen und beruflichen Weiterbildungsträger sind diese Maßnahmen ebenfalls im Rahmen ihrer Möglichkeiten empfohlen. Eine sinnvolle Ergänzung Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 31 würden spezielle Informationsforen für Schüler und Teilnehmer der Weiterbildungseinrichtungen über die Bildungs- und Qualifizierungsstrukturen in Deutschland und die aus den erworbenen Abschlüssen resultierenden Möglichkeiten bilden. Generell wäre eine intensivere Sensibilisierung der Schüler/Studenten und Teilnehmer/innen an Weiterbildungen mit den Themen „Berufsalternative Selbständigkeit“ sowie „Wichtigkeit der guten Vorbereitung für eine Selbständigkeit“ sehr hilfreich. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 32 I. Resümee Die durchgeführte empirische Untersuchung als Teil des Handlungsfeldes „Weiterbildung/Arbeit“ im Integrationskonzept des Kreises Aachen hatte das Ziel, die Potenziale von Unternehmern mit Migrationshintergrund zu ermitteln und die Möglichkeiten für eine Vernetzung dieser Ressourcen im regionalen Wirtschaftsraum zu prüfen. In dieser abschließenden Zusammenfassung werden die „Ermittlung der Potenziale“ und die „Einbindung der Ressourcen in den regionalen Wirtschaftsraum“ als zwei Teilziele behandelt und beide einer gesonderten Betrachtungsweise unterzogen. 1. Die Ermittlung der Potenziale Die Vorgehensweise - der Befragung von Unternehmer/innen unterschiedlicher Betriebsgrößen, mit Bildung von Gruppen mit ähnlichen Unternehmensmerkmalen gemäß ihres Anteils an der zugewanderten Bevölkerung und in allen Kreiskommunen gibt einen guten Überblick über die relevanten Kriterien zur Ermittlung der Potenziale: - Wirtschaftszweige, in denen sich die Unternehmer/innen aktivieren Betriebsgrößen der Unternehmen Beschäftigungszahlen Herkunftsländer der Unternehmer/innen Sprachkenntnisse Persönliche Situation der Unternehmer 1.1 Die Wirtschaftszweige, in denen sich eingewanderte Unternehmer/innen betätigen, liegen zu einem hohen Anteil im Bereich des Handwerks (ohne Meisterausbildung), der Dienstleistungen sowie im Restaurantbereich. 1.2 Hauptakteure im Bereich des Handwerks sind Zuwanderer aus Osteuropa, und hier insbesondere Zuwanderer aus Polen. Es zeigt sich, dass der Zuzug dieser Personengruppe in den letzten 12 Monaten stark angestiegen ist. 1.3 Der Dienstleistungsbereich insbesondere die „sonstigen“ Dienstleistungen wie Zeitarbeitsvermittlung, Telekommunikationsdienstleistung wird in starkem Maße von türkischstämmigen Zuwanderern belegt. 1.4 Der Restaurantbereich ist eine Domäne der Zuwanderer aus den alten EUStaaten. Hier sind immer noch Zuwanderer aus Italien und Griechenland als führend zu sehen. Anders ist die Situation im Bereich „Imbiss“. Hier nehmen türkischstämmige Zuwanderer eine führende Rolle ein. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 33 1.5 Die Befragung sah Unternehmen unterschiedlicher Größe vor. Es handelte sich in der Mehrzahl um klein- und mittelständische Unternehmen. 1.6 Insgesamt sind in den 101 befragten Unternehmen im Kreis Aachen 654 Personen beschäftigt. Dies ist eine nicht zu vernachlässigende Größe. Zu beachten ist auch, dass zugewanderte Unternehmer/innen in einer hohen Zahl Arbeitsplätze für Deutsche schaffen. Insoweit sind oftmals geäußerte Meinungen, dass Zuwanderer nur Arbeitskräfte aus der eigenen Ethnie beschäftigen, zurückzuweisen. 1.7 Die Ausbildungsbereitschaft bedarf einer deutlichen Unterstützung durch Aufklärung über Aufwand, Kosten und Nutzen. 1.8 Die Erhebungen hinsichtlich der Herkunftsländer der zugewanderten Unternehmer/innen zeigen, dass die Zahl der türkischstämmigen im Kreis Aachen mit 25 % noch immer am höchsten ist. Es sind derzeit kaum noch Zuzüge aus der Türkei zu verzeichnen. Dagegen hat die Zahl der Zuzüge von Polen in den Kreis Aachen insbesondere in den letzten 1 bis 2 Jahren rapide zugenommen. 1.9 Das im Bericht enthaltene Schaubild enthält Angaben über die Herkunft von zugewanderten Unternehmerinnen und Unternehmer aus 10 Ländern; dies sind allerdings nur 68 %. Weitere 32 % kommen aus anderen Ländern, deren Anteil an der Gesamtzahl der Einwanderer allerdings unter 3 % liegt. In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass außer den vorhandenen Potenzialen von Unternehmer/innen mit Zuwanderungsgeschichte auch eine Vielzahl von Potenzialen insbesondere von Höherqualifizierten aus „aller Herren Länder“ im Kreis Aachen vorhanden sind, die aufgrund fehlender Anerkennung ihrer Abschlüsse oftmals arbeitslos sind. Diese Potenziale für die Gesamtgesellschaft nutzbar zu machen, ist eine weitere Aufgabe im Rahmen der Weiterarbeit am Thema „Integration“. 2. Möglichkeiten der Einbindung der Ressourcen von Unternehmer/innen mit Migrationshintergrund im regionalen Wirtschaftsraum. Bei der Prüfung von Möglichkeiten zur Einbindung der Ressourcen in den regionalen Wirtschaftsraum sollten die in der Befragung benannten Probleme und Erwartungen zunächst bearbeitet bzw. geklärt werden. Nur wenn auf allen Seiten Klarheit über Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten herrscht, können Entscheidungen z.B. über Kooperationen von Unternehmer/innen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte getroffen werden. Dies gilt sowohl für bereits hier ansässige Unternehmer/innen als auch für diejenigen, die neu in den Kreis Aachen zuziehen und eine Unternehmensgründung anstreben. Soweit in den Befragungen Forderungen hinsichtlich einer migrationsspezifischen finanziellen Unterstützung z.B. bei der Gründung eines Betriebes gestellt wurden, muss klargestellt werden, dass die Intention des Integrationskonzeptes des Kreises einen Sonderstatus für Zuwanderer ablehnt. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 34 Bei gründungswilligen Neuzuwanderern kann für die Anfangsphase ein besonderer Unterstützungsbedarf anerkannt werden, innerhalb dessen auch Informationen ergänzend in der Muttersprache bereitgestellt werden, im Übrigen muss aber gelten, dass für Gründungswillige dieser Personengruppe die gleichen Voraussetzungen gelten wie für Deutsche und sich jedes Unternehmen im System der sozialen Marktwirtschaft am deutschen Markt behaupten muss. 2.1 Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung werden nachfolgend für 3 Zielgruppen Empfehlungen formuliert: 2.1.1 gegenüber den zugewanderten Unternehmer/innen: Im Rahmen der Interviews hat die Mehrzahl der befragten Unternehmerinnen und Unternehmen angegeben, sowohl die Muttersprache als auch die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu beherrschen. Hierbei handelt es sich um Selbsteinschätzungen der Befragten, die mit den Erfahrungen verschiedener Dritter nicht in Übereinklang stehen. Deshalb steht die Empfehlung (und Forderung) nach dem Aufbau sicherer Kenntnisse der deutschen Sprache an zugewanderte Unternehmerinnen und Unternehmern an erster Stelle. Sie sind unabdingbare Voraussetzungen für erfolgreiche Kooperationen mit deutschen Betrieben und im Umgang mit deutschen Behörden. Weitere Empfehlungen sind: - Einnahme einer offenen Haltung und Bereitschaft zu weiterem und permanenten Lernen Annahme von Beratungsangeboten bei Unternehmensgründungen stärkere Einbindung in Brancheninitiativen und die Arbeit der Kammern Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmer/innen 2.1.2 gegenüber den Kommunen - Schaffung von guten Rahmenbedingungen im wirtschaftlichen Umfeld unter Einbindung aller Betroffenen Verschlankung der Arbeitsabläufe in Genehmigungsverfahren Verbesserung der Kommunikation einschl. der Einrichtung von Sprachkursen in „Wirtschaftsdeutsch“ Sensibilisierung und Schulung von Mitarbeiter/innen zu interkulturellen Themen Unterstützung von Netzwerkbildungen und beim Aufbau von Kooperationen durch die Wirtschaftsförderung 2.1.3. gegenüber den Kammern/schulischen und beruflichen Weiterbildungsträgern - Überprüfung der Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote auf migrantenspezifische Bedürfnisse Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen 35 - Angebote der Sensibilisierung zum Thema „Wichtigkeit eines Businessplans für den Unternehmenserfolg“ Organisation und Moderation von Foren für den Erfahrungsaustausch deutscher und eingewanderter Unternehmer/innen Vorstellung erfolgreicher zugewanderter Unternehmer/innen und deren Erfahrungen (best practice) Bereitstellung von auf die Zielgruppe neu eingewanderter Unternehmer/innen abgestimmte Informationsmaterialien, Broschüren und Newsletters Regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit über die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Zielgruppen enge Kooperationen mit den Kammerorganisationen der Herkunftsländer und Entwicklung gemeinsamer Strategien und Maßnahmen Abschließend ist festzustellen, dass vor der Umsetzung konkreter Maßnahmen von beiden Seiten noch Vorleistungen zu erbringen sind. Dies kann nur prozesshaft geschehen. Potentiale eingewanderter Unternehmer im Kreis Aachen