„Spaziergang unter Sternen“ – im Tübinger Ferienprogramm 2012 Ausgerichtet von der Astronomischen Vereinigung Tübingen e.V. = AVT (www.sternwarte-tuebingen.de); Wolfgang Martin Wettlaufer Der Sternenhimmel – in der freien Natur ist der nur zu erkennen unter einem dunklen Firmament. Weil die Sterne so unglaublich weit in der Ferne stehen, erscheinen sie uns nur als feine Lichtpunkte. Trotzdem sind sie gewaltige Himmelskörper wie ‚unser‘ Stern: die Sonne, und deshalb vermögen sie so blendend zu leuchten wie sie. Wie groß, wie hell und wie fern uns die Gestirne sind, das zu erkennen haben Astronomen lange forschen müssen! Wir wollen ein wenig über sie erfahren, während wir mit bloßen Augen und mit Ferngläsern zu ihnen aufblicken (abschließend noch mit den großen Teleskopen der Sternwarte). Auch ein paar von den 88 Sternbildern, die es am Himmel gibt, werden wir kennenlernen; oft bilden weniger helle Sterne ihre Umrisse. Deshalb wählen wir uns für einen tieferen Blick auf dieses große „Naturschauspiel“ auch einen mondlosen Abend, und dazu einen Ort, der möglichst weitab vom Streulicht der vielen Lampen gelegen ist. An den Anfang stellen wir nun ein wenig bekanntes Sternbild, das sich im Spätsommer und Herbst aber gut beobachten läßt; es steht abends im Norden hoch am Himmel: CEPHEUS. Benannt nach einem König aus der antiken griechischen Sagenwelt (die Nachbar-Sternbilder Cassiopeia = das „Himmels-W“, und Andromeda gehören auch dazu), zeigt es uns einige „bunte“ Sterne – rötlich oder blau sind sie gefärbt, was uns richtig erst im Fernglas oder Fernrohr auffällt! Hier der CEPHEUS über der Sternwartenkuppel: Nördlicher Himmelspol +Polarstern α Cephei = Alderamin Beta Cephei Größter Riesenstern: VV Cephei (Doppel) µ Cephei: Granatstern 2002: Komet Ikeya-Zhang Zeta Cephei Gamma Cephei Jota Cephei Delta Cephei Tübinger Sternwarte, 8,2-m-Kuppel (von 1956) Abb. 1: Das Sternbild CEPHEUS (KEPHEUS) über der Kuppel mit einem „Gast“ im Jahre 2002: dem Kometen Ikeya-Zhang. (Wegen relativer Sonnenferne ist hier kein Schweif erkennbar.) Dieser Besucher aus den Tiefen unseres Planetensystems bewegte sich kurz nach seiner Entdeckung täglich ein wenig weiter durch den Cepheus. Bei einer nahen Passage vor My Cephei (= µ - einem der rötlichsten und auch größten Gestirne, genannt „Granatstern“) bildete der türkisfarbene Komet mit diesem 2400 Lichtjahre fernen Roten Überriesenstern ein Paar mit großem Farbkontrast. – Im Cepheus stehen noch zwei andere bemerkenswerte Riesensterne: 1. VV Cephei – das Kürzel für ein Doppelsternpaar mit vielleicht dem allergrößten Stern unserer Milchstraße (2000 Sonnendurchmesser! An der Position unserer Sonne würde er bis fast zum Saturn hinausreichen) 2. Delta Cephei. Höchst wichtig geworden ist der mit seiner regelmäßigen Helligkeitsschwankung für die Abstandsbestimmung in „galaktischen“ Dimensionen vor hundert Jahren, als der Prototyp einer hierzu verwendeten Sternklasse von „regelmäßig Veränderlichen“: den Cepheiden-Sternen. Mit ihnen fand man den Abstand zum Andromedanebel (und später zu etlichen anderen Galaxien)! Als ein Spiralnebel wie unsere „Milchstraße“ (als ähnlich gewaltige Nachbar-„Galaxie“) besitzt der eine Entfernung von 2,5 Millionen Lichtjahren (Aufnahme: W.M. Wettlaufer, 2002) Der galaktische „Nebel“ im Sternbild der Andromeda ist eigentlich eine riesenhafte, strudelförmige Sterneninsel im Weltall, mit eingebetteten, ihrerseits riesigen Nebeln aus Gas und Staub: dort entstehen massenhaft weitere Sterne. Bei unserem Spaziergang können wir diese Galaxie als schwach leuchtendes Fleckchen über der Sternenkette dieses Sternbilds orten. Im „Messier-Katalog“, den wir uns vornehmen, trägt sie das Kürzel „Messier 31“, „M31“. Nicht allein die Ferne mit wahrhaft ‚kosmischen‘ Distanzen (und deren sprichwörtlichen ‚astronomischen Zahlen‘) lockt uns. Den Spaziergang unternehmen wir entlang eines 1,5 km langen Pfades, den ich 1999 zusammen mit einem Astro-Kollegen und Graphiker, Michael Brodbeck, gestaltet habe; er führt(e) von der Sternwarte zum Wald: In der Verkleinerung von 1 zu 4 Milliarden (!) können wir unsere „kosmische Heimat“ recht gut überblicken: von der Sonne („Strandball“) hinaus zu den Planeten (Ø mm bzw. cm groß), deren Bahnen ums Zentralgestirn eingezeichnet sind. Auch ein Komet (lang-elliptische Bahn) und 2 weitere Kleinkörper des Planetensystems sind dabei (Chiron; Pholus, auf Ellipsen). Wir erkennen, wie weitab unser Zentralgestirn die viel kleineren Mitglieder des Sonnensystems mit seiner großen Anziehungskraft („Schwerkraft“ = „Gravitation“) noch auf ihren Bahnen zu halten vermag! Die Kometenellipse von Hyakutake (1996; gestrichelt) reicht in diesem Maßstab hinaus bis nach Herrenberg (24km)! In 2000 Jahren gelangt dieser „Schweifstern“ wieder in Sonnennähe … Zu den Fixsternen ist es noch ungleich weiter: Der nächste, Alpha Centauri (ein „Doppelstern“ im Sternbild des Centaurus, real 4,3 Lichtjahre entfernt) wäre als Modellstern – wiederum in StrandballGröße (als Sternpaar 2x) in Japan zu finden! Pluto auf der äußersten Bahn am Waldrand, entdeckt erst 1930, war der äußerste Planet, bis in den 1990er Jahren viele ihm ähnliche „Plutinos“ aufgefunden werden konnten; die werden heute transneptunische Kleinplaneten genannt. Spannend wird es 2015, wenn eine NASA-Raumsonde Pluto mit seinem großen Mond Charon besuchen wird – und dazu noch fünf kleinere, gerade entdeckte Mondbegleiter! Auf diesem Modell des Sonnensystems können wir uns nun gut die Ausmaße von VV Cephei vorstellen; die Saturnbahn (oben erwähnt) liegt zehnmal ferner von der Sonne als die Erdbahn. Dazu pulsiert dieser gewaltige Stern auch noch! Auf den folgenden Seiten blicken wir erneut in weite Fernen, erst recht, wenn uns das Milchstraßenband auffällt … … und dieser nur bei dunklem Himmel erkennbare, dichte „Wald“ von entlegenen Gestirnen ließ Astronomen erst einzelne Lichtpünktchen in ihm erkennen, als vor vier Jahrhunderten das Fernrohr erfunden wurde: das Teleskop (aus dem Griechischen übersetzt heißt es: „weit sehen“). Wenige Sterne darin – wiederum die Riesen unter ihnen – leuchten so brillant, daß sie fürs bloße Auge sichtbar werden. Ein Beispiel finden wir im „SOMMERDREIECK“: Blauer Überriese „Sommer -Dreieck“ Deneb mit Schwan den drei Hauptsternen: Leier WEGA (Leier), DENEB (Schwan), ATAIR (Adler); Zurzeit abends über uns im Zenit: Sternbild Leier, mit WEGA Auch die „ewigen“ Sterne altern: Beim Sternbild Leier zeigt uns das Fernrohr in der Milchstraße (sie verläuft von ‚oben‘ nach ’unten‘ durchs Sommerdreieck) Messier 57, M57: einen Nebelflecken-Ring aus leuchtenden Gasen, die vom heißen Sternkern abgeblasen worden sind – hier unterschiedlich lange belichtet (Entfernung 2000 LJ) rechts: Sternbild Leier (Lyra), mit Adler WEGA (rechts) Beim Anblick dieser Bilder (links; Mitte: von W.M. Wettlaufer, 2003) schauen wir auf Himmelskörper, welche ganz unterschiedlich weit draußen im Weltall stehen. Die blauweiße Wega, für uns auf der Erde einer der hellsten Sommersterne, scheint zu uns herüber aus ‚nur‘ 24 Lichtjahren Abstand. Doch die ‚kleineren‘ Sternchen in ihrem Sternbild, der Leier, sind durchweg hundertmal weiter entfernt! Trotzdem erkennt unser bloßes Auge sie noch, weil ihre Leuchtkraft größer ist als die von Wega (die ist 20x heller als die Sonne). Um die hundert Mal weiter als Wega steht auch Deneb in den Tiefen der Milchstraße; als ein „Blauer Überriese“ strahlt er mit mehr als hunderttausendfacher Sonnenleuchtkraft – deshalb gehört er für uns noch zu den auffallend hellen Sternen! (Noch heller sind die schon erwähnten Riesensterne µ Cephei und VV Cephei; der „Rote Überriese“ im letztgenannten Sternpaar mag um eine halbe Million mal heller sein als unsere Sonne, ‚fackelt‘ sich bei solch gigantischer Energieproduktion aber selber sehr schnell ab, wie auch Deneb.) – Der Adler-Stern Atair ist mit 17 Lichtjahren Distanz wieder ein Nachbar. Ebenfalls um die 2000 Lichtjahre weit ab steht der „Planetarische Nebel“ M57. Sein ausglühender alter Sternkern wird nur bei langer Belichtung sichtbar – ebenso die schwachleuchtenden Außenregionen seiner expandierenden Gashülle. Der direkte Blick durchs Fernrohr läßt uns nur einen zart schimmernden blaugrauen Ring erahnen. Das Erkennen von Farben ist bei dem Schummerlicht aus kosmischen Fernen ohnehin schwierig, über die Fotografie überrascht uns dagegen oft die Farbigkeit insbesondere der leuchtenden Gasnebel! Da hat das Hubble-Weltraumteleskop, seit 20 Jahren nun im Erdumlauf (über der optisch störenden Lufthülle mit ihrem Gewölk), den Sternfreunden und Astronomen in aller Welt schon unglaublich viele exzellente Abbildungen geliefert. Bilder auch von Welteninseln, Galaxien wie unserem „Nachbar“ Andromedanebel (M31), deren Abstände von unserer eigenen Galaxis Millionen – gar Milliarden – von Lichtjahren betragen! Über dem oben eingefügten kurzbelichteten Foto des Ringnebels in der Leier ist eine solche ferne Galaxie zu sehen: ihre Distanz von uns ist in Zig-Millionen von Lichtjahren zu messen! So ‚bunt‘ geht’s oft am Himmel zu … rechts hier eine ferne Galaxie mit ihren Gasnebeln – links der Adlernebel in unserer eigenen Galaxis: Sternentstehungsgebiete )