(1,1) -14- Umweltkalender 2011.indd 16.03.2011 10:44:57 Der kaukasische Riesenbärenklau – echt ätzend und brandgefährlich! Eine gefährliche Schönheit sei er und stelle ein „Riesen“problem dar, manche bezeichnen ihn als „Stalins Rache“ und sehen seine Beseitigung als „Herkules“aufgabe – die Rede ist vom Kaukasus- oder Riesenbärenklau, der schon seit Jahren landauf, landab immer wieder Thema der Lokalzeitungen und Nachrichtenblätter ist. Überall sagt man ihm „den Kampf an“ (Delmenhorster Kreisblatt), man fordert dazu auf, den „Riesen klein“ zu halten (Nordwest-Zeitung) bzw., noch rabiater, „ihm den Kopf abzuschlagen“ (Hamburger Abendblatt). Die Pop-Gruppe Genesis besingt diese Pflanze in ihrem Lied „The Return of the Giant Hogweed“, und befürchtet: “Nothing can stop them, around every river and canal their power is growing“. Einhellig warnt man vielerorts vor den Gefahren dieses Eindringlings - insbesondere für Kinder. Und das, obwohl man noch im 19. und 20. Jahrhundert die Einfuhr dieser Pflanze ausdrücklich förderte und in Zeitschriften dazu aufrief, ihn als imposante Gartenzierde auszupflanzen. So heißt es anno 1850 in der Zeitschrift „Gartenfreund“: „Diese Pflanze wird vorzüglich benutzt, um Rasenplätze zu schmücken“ bzw. „die großen grünen Blätter bilden auf grüner Fläche eine malerische Gruppe.“ Noch Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Riesenbärenklau in Jagdzeitschriften als Deckungspflanze für Wild propagiert. Bis in die 1980er Jahre empfahlen Imker den Riesenbärenklau als hervorragende Bienenweide. In der Zwischenzeit weiß man aber, wen man vor sich hat: das ehemals positive Bild der gigantischen Staude hat sich deutlich gewandelt, seit man ihre Inhaltsstoffe kennt: Die 6,7-Furanocumarine, die in allen Pflanzensäften des Bärenklaus nachgewiesen werden konnten, wirken stark ätzend. Kommt der Pflanzensaft mit der Haut in Berührung, sind Rötungen, Schwellungen und Blasenbildungen die Folge - das typische Krankheitsbild der „Wiesendermatitis“. Da der Saft die Lichtempfindlichkeit der Haut immens verstärkt, werden in den Sommermonaten immer wieder Fälle von schweren Hautverbrennungen bekannt, von denen oft auch spielende Kinder betroffen sind. Die toxische Wirkung des Pflanzensaftes und die damit verbundenen Gesundheitsgefahren sind aber nicht die einzigen Probleme, die durch den „Fremdling“ verursacht werden. Der Riesenbärenklau besitzt auf offenen Böden, z.B. in Flusstälern, eine große Konkurrenzkraft gegenüber einheimischen Pflanzen. Auf geeigneten Standorten vermehrt er sich sehr effizient, nimmt anderen Pflanzenarten Licht und Raum zum Wachsen und verdrängt sie letztendlich. Natürliche Feinde wie Fraßschädlinge oder Parasiten, die einer unkontrollierten Bestandsentwicklung im Normalfall entgegenwirken, fehlen bei den Neophyten hierzulande weitgehend. Bevorzugte Standorte des Riesenbärenklaus sind z.B. Flussufer und - auen, Feuchtwiesen und Teichränder. Seine massenhaft produzierten Samen (bis zu 30.000 Samen pro Pflanze) haben zwar nur eine geringe Flugweite (ca. 100 m), sind aber schwimmfähig und können entlang von Fließgewässern mit dem Wasser über große Distanzen transportiert werden. Nicht zu unterschätzen ist auch die unbeabsichtigte Verbreitung der Samen über Erdaushub und Gartenabfälle. Kein Wunder, dass man überall zur Bekämpfung dieser Pflanze auffordert. In den Sommermonaten gehen im städtischen Amt für Umweltschutz regelmäßig Anrufe ein, die auf Standorte der Giftstaude im Stadtgebiet hinweisen. Insbesondere in der Nähe von vielbegangenen Wegen und Kinderspielplätzen erfolgt eine dauernde mechanische Bekämpfung während der gesamten Vegetationsperiode, um Unfällen mit der giftigen Pflanze vorzubeugen. Eine wirkungsvolle Bekämpfungsmaßnahme des Riesenbärenklaus ist das Abschneiden der Blütendolden bei beginnendem Fruchtansatz aber vor (!) der Samenreife. Wegen der unterschiedlichen Blütezeit der Dolden und auch der möglichen Nachtriebe von Blütenständen erfordert dies einige Aufmerksamkeit, ist aber eine effektive Methode. Wichtig ist auch das Ausgraben bzw. Abstechen des rübenartigen Wurzelstocks 15 cm unter der Oberfläche, um die Pflanze von ihrem stärkehaltigen Ernergiespeicher abzutrennen. Dieser Nahrungsspeicher ermöglicht es ihr sehr früh im Jahr bzw. nach Rückschnitt erneut nachzutreiben, so dass sie trotz mehrfachen Mähens zur Blüte gelangen kann. Bei all diesen Maßnahmen ist Schutzkleidung obligatorisch! aus: Landwirtschaftskammer NRW Text: Hilligardt, Schad-Vollmer Fotos: Hilligardt Gesundheitsgefahren Die Wirkung des Riesenbärenklaus ist nicht zu unterschätzen: Kommt es bei der Berührung der Pflanze zu einem Kontakt mit dem Stängelsaft, so sind in Kombination mit UV-Strahlung schlecht heilende Dermatosen die Folge. Diese sog. „Wiesen-Dermatitis“ äußert sich zunächst durch brennende und juckende Rötungen der Haut, die später in scharf begrenzte Entzündungen mit Juckreiz, Rötung (Erytheme) und Blasenbildung (Ödeme) übergehen können. Grundsätzlich sollte der Hautkontakt mit allen Pflanzenteilen immer vermieden werden. Die phototoxische Reaktion kann schon 15 Minuten nach Hautkontakt erfolgen, meist jedoch erst nach 30 Minuten bis 2 Stunden. Die Stärke der Reaktion ist je nach individueller Sensibiliät unterschiedlich. Feuchtigkeit und Schwitzen verstärken in der Regel die Hautreaktion. Im Falle eines frischen Kontaktes hilft Abspülen der Hautareale, die mit dem Pflanzensaft in Berührung gekommen sind und Lichtschutz (z. B. lichtundurchlässige Kleidung). Bei starker und heftiger Einwirkung des Pflanzensaftes ist ärztliche Hilfe ratsam und eine Behandlung mittels cortisonhaltiger Salben notwendig. Bei unvermeidlichen Arbeiten mit den Pflanzen sind geeignete Schutzvorkehrungen zu treffen. Hierzu zählt in erster Linie das Tragen eines Schutzanzuges aus synthetischem, wasserabweisenden Material. Baumwoll- oder Leinentextilien sind ungeeignet, da sie u.U. die Pflanzensäfte aufsaugen. Schutzbrille und Handschuhe sind zwingend erforderlich, ggf. Atemschutz. Steckbrief Kaukasischer Riesenbärenklau Heracleum mantegazzianum SOMM. ET LEV. weitere deutsche Namen: Herkulesstaude, -kraut, Kaukasischer-Bärenklau Familie Doldenblütler (Apiaceae) Lebensform: krautig, ein-, zwei- bis mehrjährig Verbreitung: Europa, Asien und Nordamerika, ursprünglich Kaukasus Standorte: Straßenränder, Brachen, Flusstäler, Halden u.ä. Größe: bis zu 3,6 m, Stängeldurchmesser an der Basis bis zu 10 cm Blätter: 5-9teilig, fiederschnittig, Länge bis 1 m (selten bis 3 m) Blüten: in Dolden, bis zu 80.000 weiße Einzelblüten/pro Pflanze, Blütezeit: VI-VII Früchte: bis zu 15.000 Früchte (= sog. Doppelachäne mit jew. 2 Samen) pro Pflanze, d.h. bis zu 30.000 Samen pro Pflanze. Nach der Fruchtreife stirbt die gesamte Pflanze ab. Inhaltsstoffe: Furanocumarine, z.B. Psolarene, eine Gruppe von Naturstoffen, die in den ätherischen Ölen verschiedener Pflanzen vorkommt. Die Grundstruktur entspricht den Cumarinen mit addierten Furanringen, sie dienen zur Abwehr von Insektenfraß und Pilzbefall. Sie sind photosensibilisierend, d. h. sie sensibilisieren die Haut für Sonnenlicht und UV-Strahlung. Durch die Substanz werden bei Lichteinwirkung starke Entzündungen und Sonnenbrand hervorgerufen. Problempflanze: invasiver Neophyt von dem eine gesundheitliche Gefährdung ausgeht. Darüber hinaus verursacht er ökologische Schäden z.B. durch Zurückdrängen der natürlichen Vegetation, die Destabilisierung von Standorten (Erosionsgefahr) und den Rückgang der ökologischen Vielfalt an den Wuchsstandorten.