STADT l der landbote DIENSTAG, 29. JULI 2008 l 11 Radhof Panorama Salzburger festspiele Bambole 2008: Das kleine Winterthurer Open-Air-Festival ist wieder auferstanden seite 12 Anstand: Lautes Reden am Handy nervt. Doch was ist Anstand eigentlich? seite 16 Don Giovanni: Die Sänger erhielten viel Applaus, die Regie weniger seite 14 Forstmeister Beat Kunz, Parkleiter Walter Jucker und Pfleger Giovanni Filippin (v. l.) tragen die Wölfe vom Anhänger. Das Männchen lassen sie zuerst frei, das Weibchen will nicht raus. Rechts: das Männchen. Bilder: ste Berührender Moment für das Bruderhaus Die Wölfe sind da. Drei Jahre lang haben der Wildpark Bruderhaus und sein Verein für sie geweibelt. Gestern sind zwei Tiere aus dem Zürcher Wildpark Langenberg nach Winterthur gekommen. Was sie jetzt brauchen, ist Ruhe. Endlich ist die Holzkiste offen. Der Wolf streckt kurz sein Gesicht durch die Türe, bevor er aufspringt und in sein neues Gehege geht. Vor Kurzem noch hat er geschlafen und ist nun sichtlich verwirrt. Er geht einige Schritte durch das lichte Waldstück, blickt zurück und rennt schliesslich davon. Dorthin, wo ihn niemand mehr sieht. In die Mitte des Wolfsgeheges. Währenddessen öffnet Forstmeister Beat Kunz die Schiebetür der zweiten Holzkiste. Das Weibchen liegt noch Bildergalerie auf www.landbote.ch ziemlich benommen darin und will nicht raus. Es drückt sich an den Rand der Holzkiste, bis Kunz und WildparkLeiter Walter Jucker die Kiste schräg stellen und es zum Aufstehen zwingen. Vor den Kisten legt sich die Wölfin hin und spitzt ihre Ohren. Freudentränen für Werren Für Ruth Werren ist es ein berührender Moment: Die Präsidentin des Wildparkvereins und FDP-Gemeinderätin hat in den letzten drei Jahren 400 000 Franken gesammelt, damit Wölfe ins Bruderhaus ziehen können. Jetzt tupft sie sich die Freudentränen vom Gesicht, ihre Augen sind gerötet. «Es ist ein grosser Moment», sagt sie. Ende August wird Werren das Wolfsgehege mit den beiden Tieren offiziell der Stadt übergeben (siehe Kasten). Ab diesem Zeitpunkt zahlt die Stadt jährlich rund 36 500 Franken, um die Anlage zu unterhalten. Die Gemeinderäte haben diesem Betrag im Frühling 2007 zugestimmt. Widersetzt hat sich im Gemeinderat vor allem die Grüne-Fraktion. Sie befürchtete, dass wegen der Wölfe mehr Besucher ins Bruderhaus kommen würden. Folge: Mehr Autos, die zum Wildpark fahren. Um diesem Szenario vorzubeugen, will die Stadt den Bus häufiger ins Bruderhaus fahren lassen und weniger Parkplätze anbieten. Zudem soll die Zufahrt von der Breitestrasse an Tagen mit vielen Besuchern für Busse reserviert und für Autos abgesperrt sein. Gegen Ende August wird der Stadtrat voraussichtlich über eine mögliche Baubewilligung beraten. «Falls alles gut geht, können wir unsere Pläne noch dieses Jahr umsetzen», sagt Forstmeister Kunz. Ruhe für die zwei Wölfe Mittlerweile ist auch das Weibchen aufgestanden und geht noch etwas wacklig durch das Wäldchen. Es schnuppert am Boden, hebt den Kopf und blickt sich um. Das Männchen bleibt in seinem Versteck. In den nächsten Tagen werden die beiden Tiere ihr neues Zuhause erkunden. Sie werden die 12 000 Quadratmeter durchkämmen und sich oft im mittleren Teil des Geheges, im Dickicht, verstecken. «Die Tiere müssen sich erst noch an ihr Zuhause gewöhnen», sagt Kunz. Deshalb brauchen die zwei Wölfe vorerst noch viel Ruhe und wenig Besucher. Se­hen wird man sie in den ersten Wochen sowieso wenig. Als Schonfrist bleibt auch der neue Weg zum Wolfsgehege noch einige Tage abgesperrt. Spätestens bis zur offiziellen Feier. Und dann verlässt hoffentlich auch das Männchen sein Versteck im Wald. lMARISA EGGLI Ein fest für die zwei wölfe Am Samstag, 23. August, lädt der Wildparkverein alle Interessierten um 10 Uhr ein zur offiziellen Übergabe des Wolfsgeheges. Dann wird Ruth Wer­ ren die Wölfe symbolisch an Stadtrat Matthias Gfeller (Grüne) übergeben. Anschliessend gibt es einen Apéro. Treffpunkt ist die Blockhütte beim neuen Wolfsgehege, direkt hinter der Weide der Przewalskipferde. An die­ sem Tag fahren jede halbe Stunde Ex­ trabusse ins Bruderhaus. (meg) Die Wölfe sind noch namenlos Die beiden Wölfe teilten ihr Gehege im Langenberg mit 15 anderen Wölfen. Jetzt sind sie lediglich zu zweit: eine ziemliche Umstellung. «Auch daran werden sie sich in Ruhe gewöhnen müssen», sagt Forstmeister Beat Kunz. Namen haben die beiden noch keine, benennen darf sie Wildparkleiter Walter Jucker. Das Wolfsgehege im Bruderhaus ist gemacht für sieben Wölfe. Initiantin Ruth Werren hofft deshalb auf Junge. Eigens dafür gibt es auf dem Gelände eine Wurfhöhle. «Das Timing ist perfekt», sagt Werren. «Wenn sich die Wölfe jetzt gut ans neue Gehege gewöhnen, haben sie im Frühling vielleicht bereits Junge.» Der Nachwuchs würde dann – laut Jucker – klassisch Namen tragen, die mit A beginnen. (meg) Das junge Weibchen bleibt liegen, hechelt und spitzt die Ohren. Beide Wölfe kommen vom Albis, aus dem Wildpark Langenberg. Bild: Stefan Schaufelberger Wisent, Luchs und Wildschwein: Wann welche Tiere ins Bruderhaus kamen Bilder: uba/hd Rothirsch 1977: Wildschwein 1977: Wisent 1981: Luchs 1990: Mufflon 1991: Wildpferde Den Rothirsch hat die Stadt 1952 gemeinsam mit dem Wildpark übernommen. Noch vor 100 Jah­ ren galt er in der Schweiz als aus­ gerottet. Dank strenger Schutz­ massnahmen kommt er heute so­ gar auf Winterthurer Stadtgebiet in freier Wildbahn wieder vor. Wildschweine, die Stammform der Hausschweine, leben auf dem ganzen eu­ro­päi­schen Festland. Da sie oft als Jagdwild dienen, haben sie sich zu scheuen und nachtaktiven Tieren entwickelt. Im Bruderhaus kamen Mitte März sechs Frischlinge zur Welt. Mit einer Schulterhöhe von bis zu 2 Metern und einem Gewicht von bis zu 1 Tonne ist der Wisent das grösste und schwerste Land­ säugetier Europas. Seit einigen Jahren leben auch wieder einige Wisente in Freiheit – fünf davon stammen aus dem Bruderhaus. Charakteristisch für den in Euro­ pa lebenden Eurasischen Luchs sind sein Backenbart und die Ohr­ büschel. Das katzenartige Raub­ tier war in Westeuropa lange Zeit ausgerottet. Seit den 50er-Jahren wird der Luchs aber wieder gezielt hier angesiedelt. In diesen Tagen kam im Wildpark ein weiteres Mufflon, die kleins­ te Unterart der Wildschafe, zur Welt. Bis heute gibt es im Wallis noch um die 300 wild lebenden Mufflons. Die rund 50 Kilogramm schweren Widder haben bis zu 75 Zentimeter lange Hörner. Im Bruderhaus leben Przewalski­ pferde – die einzige in reiner Form überlebende Unterart der Wildpferde. Ver­gli­chen mit Haus­ pferden, sind sie eher klein und stämmig und haben eine dunkle Stehmähne. Neben Gras fressen sie Kräuter und selten Laub. (kas)