Cogito ergo sum: Ich denke, also bin ich – krank? Die neuralen

Werbung
Presse-Information
DGPPN-Kongress 2006 / 24. November 2006
Presse-Round-Table 2
Freitag, 24.11.2006, 11 - 13 Uhr
Deutsche Gesellschaft
für Psychiatrie,
Psychotherapie und
Nervenheilkunde
Cogito ergo sum:
Ich denke, also bin ich – krank?
Statement von Kai Vogeley
Die neuralen Grundlagen menschlichen Selbstbewusstseins und der sozialen Kognition
Wenn wir wahrnehmen, denken oder fühlen, können wir uns in der
Regel darüber bewusst werden, dass wir selbst es sind, die diese
Wahrnehmungen, Gedanken oder Gefühle erleben. Diese Bezugnahme auf sich selbst als Urheber oder Besitzer dieser mentalen
Zustände kann als eine metarepräsentationale Leistung verstanden
werden, die uns ermöglicht, eigene mentale oder körperliche Zustände als die eigenen mentalen oder körperlichen Zustände wahrzunehmen. Diese Leistung zur Selbst-Fremd-Differenzierung ist
auch Grundlage für all solche kognitive Prozesse, die das Verständnis des Erlebens oder Verhaltens von sich selbst oder anderen zum
Zweck der Kommunikation und Interaktion betreffen.
Diese Leistungen sind Schlüsselthemen der kognitiven Neurowissenschaft geworden und haben mittlerweile ein eigenes Forschungsfeld der „sozialen Neurowissenschaft“ („social neuroscience“) begründet. Unter einer naturalistischen Grundannahme und
nach Entwicklung geeigneter empirischer Indikatoren für dieses
Bündel von kognitiven Leistungen kann die kognitive Neurowissenschaft versuchen zu erklären, welche neurobiologischen Grundlagen
dem Phänomen menschlichen Selbstbewusstseins zugrunde liegen.
Neurowissenschaftliche Studien mittels funktioneller Bildgebung
zeigen konsistent, dass insbesondere die anterior medial präfrontal
und temporoparietal gelegenen Hirnregionen maßgeblich an diesen
Prozessen beteiligt sind. Interessanterweise sind diese Regionen
auch unter Ruhebedingungen, also ohne gezielte, experimentell
gestalteten kognitiven Anforderungen aktiv. Diese relative Aktivitätsverteilung unter Ruhebedingungen ist auch als „Hirnruhezustand“
(„default mode of the brain“) bezeichnet worden. Diese Überlappung
1
Präsident
Prof. Dr. med. Fritz Hohagen, Lübeck
President Elect, Leitlinien, AWMF, WPA
Prof. Dr. med. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf
Past President, Integrierte Versorgung
Prof. Dr. med. Mathias Berger, Freiburg
Schriftführer
Dr. med. Sebastian Rudolf, Lübeck
Kassenführer
Priv.-Doz. Dr. med. Felix M. Böcker, Naumburg
Aus- und Fortbildung
Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Voderholzer, Freiburg
Prävention, Suizidologie
Prof. Dr. med. Manfred Wolfersdorf, Bayreuth
Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an
Allgemeinkrankenhäusern, Konsiliar- u. LiaisonPsychiatrie/Psychotherapie
Prof. Dr. med. Karl H. Beine, Hamm
Öffentlichkeitsarbeit, CME
Prof. Dr. med. Peter Falkai, Göttingen
Kongresse
Prof. Dr. med. Max Schmauß, Augsburg
Sozialpsychiatrie, Versorgung
Prof. Dr. med. Thomas Becker, Günzburg
Wissenschaft, DFG, BMBF
Prof. Dr. med. Wolfgang Maier, Bonn
Fachkliniken für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. med. Iris Hauth, Berlin-Weißensee
Berufsverbände
Dr. med. Frank Bergmann, Aachen
Gesundheitspolitischer Sprecher
Prof. Dr. med. Jürgen Fritze, Frankfurt a. M.
Ärztliche Geschäftsführerin
Dr. med. Christa Roth-Sackenheim, Andernach
Hauptgeschäftsführer
Dr. phil. Thomas Nesseler, Berlin-Mitte
_____________________________________________
Ihr Ansprechpartner:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
DGPPN Hauptgeschäftsstelle Berlin-Mitte
Dr. Thomas Nesseler
Reinhardtstraße 14
10117 Berlin
Tel.:030 - 2809 6601 / 02
Fax: 030 - 2809 3816
e-mail: [email protected]
Internet: www.dgppn.de
_____________________________________________
Hypovereinsbank München (BLZ 700202 70) Konto: 509 511
VR 10674, Amtsgericht München
von Aktivierung bei selbstreferentiellen und sozial kognitiven Prozessen einerseits und beim
Hirnruhezustand andererseits lässt die neurobiologisch gestützte Spekulation zu, dass wir
eine natürliche Disposition für selbstreferentielle und soziale Kognition haben.
Diese grundlagenwissenschaftlichen Erwägungen und Untersuchungen erlauben im Hinblick
auf psychiatrische Erkrankungen eine konzeptionelle Neufassung und damit auch die neurobiologische Untersuchung von Erstrangsymptomen der Schizophrenie (Ich-Störungen, Halluzinationen, Wahn), aber auch anderer sozial kognitiver Störungen wie Autismus.
Leistungen der sozialen Kognition stellen möglicherweise einen pathophysiologisch relevanten syndromalen Kern dar, der zusammen mit anderen psychopathologischen Symptomen
verschiedene psychische Erkrankungen konstituieren kann. Eine klassische Teilfunktion, die
sogenannte „Theory of Mind“- oder ToM-Fähigkeit, bezieht sich auf die Fähigkeit, sich in andere Personen „hineinversetzen“ zu können, ihnen mentale Zustände zuschreiben und sich
deren psychische Verfassung vorstellen zu können. Diese Fähigkeit ist charakteristischerweise sowohl bei Patienten mit Schizophrenie als auch bei Patienten mit Autismus betroffen.
Dabei sind diese Störungen der sozialen Kognition aber nicht allein bei diesen Erkrankungen
zu finden.
Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass bei den verschiedenen Krankheitsgruppen
der Schizophrenie und des Autismus unterschiedliche Arten von Störungen der sozialen
Kognition vorliegen. Es wird vermutet, dass es bei der Schizophrenie deshalb zu einer Störung kommt, weil hier vermehrt Zuschreibungsleistungen durchgeführt werden, die eine normale soziale Kognition behindern. So werden Zeichen, Signale oder Äußerungen in einem
übermäßigen Grad zu interpretieren versucht, die üblicherweise keiner besonderen Deutung
bedürfen würden. Dagegen kommt es beim Autismus zu einem deutlichen bis weitgehenden
Verlust der Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen.
In diesem jungen Forschungsbereich der „sozialen“ oder, besser, „sozial kognitiven Neurowissenschaft“ werden damit kognitive Leistungen untersuchbar, die direkte Rückschlüsse auf
die Pathophysiologie psychiatrisch relevanter Erkrankungen zulassen.
2
Herunterladen