Kapitel 9 Quantenmechanik

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Kapitel 9
Quantenmechanik
9.1
9.1.1
Das klassische Atom-Modell
Spektroskopie von isolierten Atomen
Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es viele experimentelle Daten über die
Linienspektren von isolierten Atomen und Molekülen.
Die Linienspektren sind die Charakteristika, mit denen man Atome oder Moleküle identifizieren kann. Durch die Untersuchung der Linienspektren wird die
Struktur der Atome erklärt.
Die Spektren werden mit Hilfe eines Prismas analysiert. Das Prisma zerlegt
das Licht in Farben (d.h. Wellenlängen, siehe Abb. 9.1)):
Abbildung 9.1: Kontinuierliches Spektrum (weisses Licht).
Man hat zwei Arten von Spektren gemessen:
357
358
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
1. Emissionspektrum (Siehe Abb. 9.2): entspricht den Wellenlängen des
vom Atom emittierten Lichtes.
Das Atom muss angeregt werden (in der Praxis verwendet man ein heisses
Gas) und das emittierte Licht wird analysiert (z.B. mit einem Prisma,
das das Licht in Farben zerlegt).
2. Absorptionsspektrum (Siehe Abb. 9.3): enspricht den Wellenlängen
des vom Atom absorbierten Lichtes.
Man verwendet weisses Licht und schickt es durch die Atome (in der
Praxis durch Dampf) des gewählten Elements. Die Absorption erscheint
als schwarze Linie (fehlendes Licht).
heisses Gas
Abbildung 9.2: Emissionsspektrum.
Gas
kaltes
Abbildung 9.3: Absorptionsspektrum.
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359
Demonstrationsexperiment: Absorption von Natriumdampf
Die Anordnung besteht aus zwei Kohleelektroden, eine horizontal und die andere vertikal. Die vertikale Elektrode enthält ein mit Natriumkarbonat gefülltes
Loch. Ein Lichtbogen wird mit Hilfe eines elektrischen Stromes erzeugt. Die
Elektroden emittieren wegen ihrer hohen Temperatur ein quasi-kontinuierliches
Spektrum. Gleichzeitig verdampft das Natrium und wir beobachten die Absorption des Lichts. Die Natrium-Absorptions-Linie ist sichtbar (Siehe Abb.
9.4).
Demonstrationsexperiment: Spektrum von Zink
Eine Messing- und eine Kohleelektrode werden verwendet. Ein Lichtbogen wird
erzeugt. Wegen der hohen Temperatur der Messingelektrode werden die einzelnen Emissionslinien des Zinks beobachtet (Siehe Abb. 9.5).
Lichtbogen
Kohleelektrode
Kohleelektrode
Schirm
Na-gefülltes Loch
Absorptionslinie
Frequenzen
Wellenlänge
Abbildung 9.4: Das beobachtete Spektrum im Natrium- Demonstrationsexperiment. Der Pfeil zeigt die Absorptionslinie.
360
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Lichtbogen
Kohleelektrode
Messingelektrode
Schirm
Frequenzen
Wellenlänge
Abbildung
9.5:
Das
Demonstrationsexperiment.
beobachtete
Spektrum
im
Zink-
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
9.1.2
361
Spektroskopie des atomaren Wassersto↵s
Die Wellenlängen der Linien im Spektrum des atomaren Wassersto↵s waren
schon seit langem bekannt. Es gab eine sehr genaue empirische Formel, die
zuerst 1885 von Balmer1 , einem Schweizer Lehrer an der Universität Basel,
angegeben wurde. Die Formel wurde später von Rydberg2 verbessert. Sie lautet:
✓
◆
1
1
1
=R
Balmer-Rydberg-Formel
(9.1)
m2 n2
mit m < n; R ist die Rydberg-Konstante. Ihr gemessener Wert ist
R = 1,097 · 107 m
1
(9.2)
Die Parameter m und n sind positive ganze Zahlen. Für m = 2 und n =
3, 4, 5, . . . erhalten wir die Wellenlängen der sogenannten Balmer- Serie des
Wassersto↵spektrums.
Für ein festes m (z.B. m = 2 für die Balmer-Serie) liefert die Balmer-RydbergFormel eine Serie von Linien mit Wellenlängen, die sich nähern, wenn die Zahl
n zunimmt.
Z.B. für n = 3:
1
✓
1
1
= 1,097 · 10 m
·
22 32
) = 6,56 · 10 7 m = 656 nm
7
1
◆
Wenn n nach unendlich geht, findet man die Seriengrenze:
✓
◆
1
1
1
7
1
= 1,097 · 10 m
·
22 1
) = 3,65 · 10 7 m = 365 nm
(9.3)
(9.4)
(9.5)
(9.6)
Für andere Werte siehe Tabelle 9.1.
Wir haben in Kap. 8 gesehen, dass Licht einer bestimmten Farbe einer harmonischen elektromagnetischen Welle bestimmter Frequenz ⌫ entspricht. Die
Frequenz der harmonischen Welle ist (Siehe Kap. 5.3):
⌫=
1
!
kc
2⇡ c
c
=
=
=
=
T
2⇡
2⇡
2⇡
(9.7)
wobei c die Lichtgeschwindigkeit (d.h., die Ausbreitungsgeschwindigkeit der
elektromagnetischen Wellen) ist. Die Frequenzen der Linien können daher mit
Hilfe der Balmer-Rydberg-Formel berechnet werden:
✓
◆
c
1
1
⌫ = = Rc
Balmer-Rydberg-Formel
(9.8)
m2 n2
1
2
Johann Balmer (1825-1898).
Janne Rydberg (1854-1919).
362
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Wellenlänge
[nm]
656,3
486,1
434,0
434,0
434,0
434,0
364,6
m
2
2
2
2
2
2
2
n
3
4
5
6
7
8
1
(Seriengrenze)
Farbe
Rot
Blaugrün
Violett
Violett
Violett
Violett
Violett
Tabelle 9.1: Die Balmer-Serie des Wassersto↵atoms.
Farbe
Violett
Blau
Grün
Gelb
Orange
Rot
Wellenlänge
[nm]
399 – 455
455 – 492
492 – 577
577 – 597
597 – 622
622 – 780
Frequenz
⌫ THz
769 – 659
659 – 610
610 – 520
520 – 503
503 – 482
482 – 384
Tabelle 9.2: Frequenzen und Wellenlängen des sichtbaren Lichts.
wobei das Produkt Rc einer Frequenz entspricht:
Rc = 1,097 · 107 m 1 · 3 · 108 m/s
⇡ 3,29 · 1015 Hz = 3 290 THz
(9.9)
Elektromagnetische Wellen der Frequenzen zwischen ungefähr 4 und 8 · 1014 Hz
entsprechen dem sichtbaren Lichtspektrum. Die Farben hängen von der Frequenz ab. Für einen Durchschnittsmenschen entsprechen sie den Bereichen, die
in Tabelle 9.2 angegeben sind. Die entsprechenden Farben der Balmer-Linien
des Wassersto↵atoms sind in Abb. 9.6 illustriert.
Es gibt auch andere Linienspektren, die sogenannte Lyman-Serie und die
Paschen-Serie, die den Zahlen m = 1 und m = 3 entsprechen. Sie sind in
Tabelle 9.3 und 9.4 aufgelistet.
Die Erklärung der Emissionslinien des Wassersto↵-Atoms wird im nächsten
Abschnitt diskutiert.
9.1.3
Die Bohrsche
(1913)
Theorie
des
Wassersto↵atoms
Historisch dachte man, dass Atome nur Elektronen und Protonen enthalten.
Die Gesamtbewegung dieser Elektronen und Protonen konnte nicht gelöst wer-
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363
Abbildung 9.6: Sichtbare Emissionslinien des Wassersto↵atoms (Balmer-Serie).
Wellenlänge
[nm]
121,6
102,6
97,0
94,9
94,0
91,2
m
1
1
1
1
1
1
n
2
3
4
5
6
1
(Seriengrenze)
Bereich
(unsichtbar)
Ultraviolett
Ultraviolett
Ultraviolett
Ultraviolett
Ultraviolett
Ultraviolett
Tabelle 9.3: Die Lyman-Serie des Wassersto↵atoms.
Wellenlänge
[nm]
1 875,1
1 281,8
1 093,8
1 005,0
954,6
822,0
m
3
3
3
3
3
3
n
4
5
6
7
8
1
(Seriengrenze)
Bereich
(unsichtbar)
Infrarot
Infrarot
Infrarot
Infrarot
Infrarot
Infrarot
Tabelle 9.4: Die Paschen-Serie des Wassersto↵atoms.
364
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
den. Man brauchte ein Atom-Modell. Im Atommodell von Thompson werden die Atome als Kugeln mit einer gleichmässig verteilten positiven und negativen Ladung betrachtet.
Im Jahr 1910 führten H. Geiger3 , E. Marsden4 und E. Rutherford5 eine Reihe von Streuexperimenten mit ↵-Teilchen durch. Ein ↵-Teilchen ist ein
schweres Teilchen (ungefähr 7400-mal die Masse des Elektrons). Es enthält zwei
Protonen und zwei Neutronen. Mit diesen Experimenten bewies Rutherford,
dass ein Atom aus einem positiv geladenen Kern mit einer äusseren Elektronenhülle besteht.
Wir diskutieren nun das einfachste System: das Wassersto↵atom mit Z = 1,
A = 1. Diese Theorie wurde 1913 vom Physiker Niels Bohr6 entwickelt.
Weil die Form der elektrischen Kraft ähnlich derjenigen der Gravitationskraft
ist, wird man mit Hilfe der klassischen Mechanik voraussagen, dass das Elektron sich um das Proton bewegt wie ein Planet um die Sonne. Siehe Abb. 9.7.
!
!
Erde
e
F
F
S
p
System Sonne-Erde
System Proton-Elektron
Abbildung 9.7: Halb-klassisches Modell des Wassersto↵atoms. Das Elektron
bewegt sich um das Proton wie ein Planet um die Sonne.
Im Rahmen der klassischen Mechanik ist die Bewegungsgleichung für das Proton und das Elektron gleich
me
dv e
= Fe
dt
und mp
dv p
= Fp =
dt
Fe
wobei
(9.10)
1 e2
(9.11)
4⇡"0 r2
Das System ist ähnlich demjenigen, bei dem zwei Massen durch eine Feder
verbunden sind. Wir nehmen an, dass sich das Proton in Ruhe befindet und
|F e | =
3
Johannes Hans“ Wilhelm Geiger (1882-1945).
”
Sir Ernest Marsden (1889-1970).
5
Sir Ernest Rutherford, 1. Baron Rutherford of Nelson (1871-1937).
6
Niels Bohr (1885-1962).
4
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365
dass das Elektron sich um das Proton bewegt. Das Proton liegt im Ursprung
des Koordinatensystems. Siehe Abb. 9.8. Die Energie des Atoms ist
1
el.Kraft
E = Ekin + Epot ⇡ me v 2e + Epot
2
(9.12)
Die potentielle Energie der (anziehenden) elektrischen Kraft zwischen dem
Elektron und Proton folgt aus der elektrischen Kraft (Siehe Kap. 8.6.1):
Fe =
1 e2 r
·
4⇡"0 r2 r
1 e2
4⇡"0 r
e
Epot
(r) =
)
(9.13)
ve
e
Fe
a
p
r
System Proton-Elektron
Abbildung 9.8: Angenommene Kreisbahn des Elektrons um das Proton. Die
Kraft, die Beschleunigung und die Geschwindigkeit sind gezeigt.
Es folgt
1
E = me v 2e
2
1 e2
4⇡"0 r
(9.14)
Wir nehmen zusätzlich an, dass das Elektron sich auf einer Kreisbahn bewegt.
Die Kraft, die auf das Elektron wirkt, ist dann (Siehe Kap. 2.7):
|F e | =
me v 2e
r
)
me v 2e =
1 e2
4⇡"0 r
(9.15)
und die Energie des Elektrons ist
1
E(r) =
2
✓
1 e2
4⇡"0 r
◆
1 e2
=
4⇡"0 r
1
2
✓
1 e2
4⇡"0 r
◆
(9.16)
Diese Gleichung entspricht der (klassischen) Energie des Wassersto↵-Atoms,
wenn das Elektron sich auf einem Kreis mit Radius r um das Proton bewegt.
366
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Da die Energie einen negativen Wert besitzt, ist das Elektron-Proton-System
gebunden“. Das Elektron wird ständig um das Proton kreisen. Um das Elek”
tron vom Proton zu trennen, muss es eine Energie Efrei grösser E bekommen,
so dass
Efrei > |E(r)| ) E(r) + Efrei > 0
(9.17)
Im Rahmen der klassischen Mechanik sind den möglichen Werten für die Energie eines Elektrons in einem Atom keine Grenzen gesetzt.
Beschreiben diese Ergebnisse die Eigenschaften des Wassersto↵atoms? Nicht
genau. Wie können die Linienspektren, die wir im Kap. 9.1.1 erwähnt haben,
erklärt werden? Damit stossen wir an die Grenzen der klassischen Mechanik.
Im Bereich sehr kleiner Dimensionen wird die Newtonsche Mechanik durch die
Quantentheorie ersetzt.
Um die Linienspektren zu erklären, schlug Niels Bohr zwei geniale Postulate
vor:
1. Postulat der stationären Zustände: Bohr nahm an, dass das Wassersto↵atom in einer Anzahl von stationären Zuständen bestimmter Energie existieren kann. Diese Annahme ist in grossem Widerspruch zur klassischen Mechanik.
2. Postulat der Frequenz: Bohr postulierte, dass das Wassersto↵atom
Licht (Strahlung) nur emittieren oder absorbieren kann, wenn das Atom
von einem stationären Zustand in einen anderen übergeht. Dabei ist die
Frequenz des Lichts zur Di↵erenz der Energien dieser beiden Zustände
proportional.
Geht also ein Atom von einem Anfangszustand mit der Energie En in einen
Endzustand mit der (niedrigeren) Energie Em über, so ist die Frequenz des
emittierten Lichts gleich
1
(9.18)
⌫ = (En Em )
h
wobei h die sogenannte Plancksche7 Konstante ist, die eine Energie in eine
Frequenz umwandelt (die Einheit der Konstante ist ein Produkt von Energie
und Zeit, d.h., J · s). Siehe Abb. 9.9.
Wir vergleichen diese Beziehung mit der empirischen Balmer-Rydberg- Formel
und finden:
✓
◆
1
1
1
⌫ = (En Em ) = Rc
(9.19)
h
m2 n2
oder
✓
◆
En
1
hcR
= Rc
) En =
,
(9.20)
2
h
n
n2
7
Karl Ernst Ludwig Max Planck (1858-1947)
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367
e
En
Frequenz des Lichts
Licht
⌫=
e
Em
1
(En
h
Em )
Abbildung 9.9: Emission von Licht.
wobei n=1,2,3,. . . eine ganze Zahl ist! Wir sagen, dass die Energie der Elektronenbewegung im Atom quantisiert ist. Wir werden die Quantisierung später
in Kap. 9.8 in mehr Einzelheiten diskutieren.
Für den Fall des Wassersto↵atoms findet man experimentell, dass die Energie
des Elektrons von der folgenden Form ist:
En =
13,598 eV
n2
n = 1, 2, 3, . . .
(9.21)
Das Produkt der Konstanten für das Wassersto↵atom ist daher gleich 13,598 eV
oder 2, 177 · 10 18 J : Damit ist der Wert der Planckschen Konstante gleich
2,177 · 10 18 J
2,177 · 10 18 J
⇡
cR
(3 · 108 m/s) (1,097 · 107 m 1 )
⇡ 6,63 · 10 34 J s
h⇡
(9.22)
Kann die Quantisierung der Energie anders erklärt werden?
Drehimpuls-Quantisierung: Niels Bohr behauptete, dass seine Postulate
erzwingen, dass die möglichen Werte des Drehimpulses L = rp des Elektrons
durch den folgenden Ausdruck gegeben sind:
L = rp = rme v =
nh
= n~
2⇡
n = 1, 2, 3 . . . ,
(9.23)
wobei n eine ganze Zahl ist, und ~ = h-quer“ ist gleich
”
~=
h
⇡ (1,054571628 ± 0,000000053) · 10
2⇡
34
Js
(9.24)
Der Drehimpuls ist ein ganzzahliges Vielfaches von ~. Der Drehimpuls eines Elektrons in einem Atom ist auf bestimmte Werte
beschränkt!
Weil für Kreisbahnen gilt:
me v 2 =
1 e2
4⇡"0 r
(9.25)
368
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
folgt
1 e2
me e 2
=
r
(9.26)
4⇡"0 r
4⇡"0
Wir verwenden diese Beziehung, um den Radius in der Energie zu eliminieren:
✓
◆
✓ 2
◆
1
1 e2
1
e
me e 2
E(r) =
=
(9.27)
2 4⇡"0 r
2 4⇡"0 4⇡"0 L2
L2 = r2 m2e ve2 = r2 me
=
1 me e 4 1
2 (4⇡"0 )2 L2
(9.28)
Wenn wir die Drehimpuls-Quantisierung einsetzen, erhalten wir für die erlaubten Energien:
1 me e 4 1
En =
(9.29)
2 (4⇡"0 )2 n2 ~2
Man kann auch den Radius der erlaubten Bahnen bestimmen:
✓
◆
4⇡"0 L2
4⇡"0 ~2
r=
=
n 2 ⌘ a0 n 2 ,
2
2
me e
me e
(9.30)
wobei a0 der Bohrsche Radius genannt wird. Es gilt:
a0 =
4⇡"0 ~2
⇡ 5,292 · 10
me e 2
11
m
(9.31)
Er entspricht dem Radius des Wassersto↵atoms. Man muss jedoch bemerken,
dass der Radius nicht wörtlich genommen werden darf. Man sollte ihn nur als
einen Hinweis auf die Grössenordnung des Bereichs werten, in welchem das
Elektron mit grösster Wahrscheinlichkeit gefunden wird.
Weil
hcR
,
n2
kann schliesslich die Rydberg-Konstante R so ausgedrückt werden:
En ⌘
E n n2
n2 1 me e 4 1
=
hc
hc 2 (4⇡"0 )2 n2 ~2
me e 4
1
=
2 3
4⇡ (4⇡"0 ) ~ c
R=
(9.32)
(9.33)
(9.34)
Zusammenfassend werden der Radius, der Drehimpuls und die Energie des
Elektrons vollständig durch eine Zahl n bestimmt:
✓
◆
8
4⇡"0 ~2
>
>
r
=
n 2 ⌘ a0 n 2
>
2
>
m
e
>
e
>
<
nh
(9.35)
L
=
= n~
>
2⇡
>
>
>
1 me e 4 1
>
>
E
=
: n
2 (4⇡"0 )2 n2 ~2
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
369
Die Zahl n wird oft als Hauptquantenzahl bezeichnet (Siehe Kap. 9.11).
Erklärung der Serien des Wassersto↵atoms: Die graphische Darstellung
der Übergänge von atomarem Wassersto↵ ist in Abb. 9.10 gezeigt. Wir erkennen die drei wichtigsten Serien, die ultraviolette Lyman-Serie mit m = 1, die
sichtbare Balmer-Serie mit m = 2 und die infrarote Paschen-Serie mit m = 3.
Lyman-Serie
Ultraviolett
< 400 nm
Balmer-Serie
sichtbar
656 nm
rot
486 nm
blaugrün
434 nm
violett
m=1
> 750 nm
m=2
m=3
Infrarot
Paschen-Serie
m=4
Abbildung 9.10: Graphische Darstellung der Übergänge von atomarem Wassersto↵. Die Zahl m entspricht dem Endzustandsniveau des Elektrons.
Die Energieniveaus des Elektrons im Wassersto↵ und die entsprechenden
Übergänge sind in Abb. 9.11 gezeigt. Die schon bekannten Serien und auch
zwei zusätzliche Serien, die n = 4 Brackett- und die n = 5 Pfund-Serie, sind
eingezeichnet. Die horizontalen Niveaus mit n = 1, 2, 3, . . . , 1 in der Abb. 9.11
entsprechen den erlaubten stationären Zuständen des Elektrons im Wassersto↵atom. In jedem Fall ist aber En < 0 (gebundener Zustand). Falls seine Energie
positiv ist, ist das Elektron frei und nicht mehr an das Proton gebunden (in
diesem Fall gibt es kein Wassersto↵atom).
370
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
-0,85
3
-1,51
2
-3,40
= 91,2 nm
Ionisation bei
Lyman-Serie
Pfund-Serie
0
Brackett-Serie
1
5
4
Paschen-Serie
E/eV
Balmer-Serie
n
1
-13,60
Abbildung 9.11: Erlaubte Energieniveaus (d.h. Energie der stationären
Zustände) und Übergänge im Wassersto↵atom.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
9.2
9.2.1
371
Die Beugung einer Welle
Das Prinzip von Huygens
Huygens8 hat im Jahre 1678 einen einfachen Mechanismus entwickelt, um die
Ausbreitung von Wellen zu verfolgen. Er kannte die Natur des Lichts nicht:
insbesondere wusste er nicht, dass das Licht eine elektromagnetische Welle ist.
Er wusste nur wenig über die Frequenzen oder die Ausbreitungsgeschwindigkeit
des Lichts. Dennoch war seine Theorie wertvoll für das Verständnis optischer
Phänomene, wie z.B. die Reflexion, die Brechung und die Beugung.
Im Allgemeinen versteht man unter der Beugung die Ablenkung der Wellen an
einem Hindernis, wie z.B. an der Kante eines Spalts.
Die Theorie von Huygens basiert auf einer geometrischen Konstruktion (das
Huygenssche Prinzip):
Jeder Punkt einer Wellenfront kann als Ausgangspunkt für eine kugelförmige
Elementarwelle betrachtet werden.
Mit dem Prinzip können wir die Wellenfront zu einer späteren Zeit voraussagen.
Nach der Zeit t wird die neue Position der Wellenfront durch die Summe der
einzelnen Elementarwellen gegeben.
Demonstrationsexperiment: Interferenz von Wasserwellen in einer Wasserwanne.
Kreisförmige Wasserwellen werden in einer flachen Wasserwanne durch die periodische Bewegung eines Stabs erzeugt, der ins Wasser eingetaucht wird. Der
Stab ist eine Quelle, von der aus sich eine Elementarwelle ausbreitet. Daher
simuliert die Anordnung die Erzeugung der einzelnen kugelförmigen Elementarwelle, wie es das Prinzip von Huygens vorhersagt.
Die Interferenz von Wasserwellen wird beobachtet, wenn man die von zwei
sich synchron bewegenden Stäben erzeugten Wellen anschaut. Das resultierende Muster können wir mit Hilfe der Wasserwanne beobachten. Es besteht aus
verschiedenen Bereichen, die den Knotenlinien und den Linien von Bäuchen
entsprechen. Entlang der Knotenlinien findet wegen der destruktiven Interferenz Auslöschung statt, und dazwischen liegen die Bäuche, in denen sich die
zwei Wellen durch die konstruktive Interferenz verstärken. Siehe Abb. 9.12.
9.2.2
Beugung am Spalt
Wir betrachen eine ebene Welle der Wellenlänge , die auf einen Spalt mit
einer Breite a fällt. Der Spalt ist etwa so gross wie die Wellenlänge:
a⇡
8
C. Huygens (1629-1695)
(9.36)
372
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Knotenlinie
Linie von Bäuchen
Knotenlinie
Linie von Bäuchen
Knotenlinie
Linie von Bäuchen
Knotenlinie
Abbildung 9.12: Interferenz von Wasserwellen in einer Wasserwanne. Entlang
den Knotenlinien findet Auslöschung statt, und dazwischen liegen die Bäuche,
in denen sich die zwei Wellen verstärken.
Abb. 9.13 zeigt die beim Auftre↵en der ebenen Welle am Spalt erzeugten Wasserwellen. Nach dem Prinzip von Huygens wirkt der Spalt als eine Quelle einer
sich ausbreitenden Elementarwelle.
Wir bemerken:
Weil die Breite des Spaltes ungefähr so gross wie die Wellenlänge ist (a ⇡ ),
entspricht der Spalt einer einzelnen Quelle.
Daher wird sich die auf den Spalt fallende ebene Welle nachher in Form konzentrischer Kreise ausbreiten.
Dieses Phänomen wird als Beugung der Welle bezeichnet. Sie wurde von F.
Grimaldi9 entdeckt.
Wir studieren nun die Beugung an einem Einzelspalt als Funktion der Breite
des Spalts (Siehe Abb. 9.14):
1. Wenn die Breite a viel kleiner ist als die Wellenlänge (a ⌧ ), können
wir den Spalt als einzelne Quelle von Elementarwellen betrachten.
9
F. Grimaldi (1618-1663).
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
373
undurchsichtiger Schirm
a
Spalt der Breite a
Abbildung 9.13: Wasserwellen der Wellenlänge
auf einen Spalt. Für die Breite a gilt a ⇡ .
in einer Wellenwanne fallen
2. Wenn die Breite a viel grösser als die Wellenlänge ist (a
), können
wir jeden Punkt des Spalts als Quelle von Elementarwellen betrachten.
9.2.3
Position des ersten Minimums
Wir bestimmen die Position des ersten Minimums eines Interferenzmusters. Wir können den Spalt in kleine Teile unterteilen, die als Quelle für
eine Elementarwelle wirken. Wir können z.B. 1000 Teile betrachten. Siehe Abb.
9.15.
Wir betrachten die Quelle #1 oben am Spalt und die Quelle #501 in der Mitte
des Spalts. Wenn der Gangunterschied zwischen diesen Quellen gleich einer
halben Wellenlänge ist, werden sich die Wellen auslöschen.
Entsprechend gilt dies auch für die Quelle #2 und die Quelle #502. Sie werden
sich auslöschen. Und so weiter mit den Quellen #3, #4, . . . bis #499.
374
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
a⌧
a⇡6
a⇡2
Abbildung 9.14: Beugung am Einzelspalt.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
375
Aus der Abb. 9.15 erhalten wir die gesamte Bedingung für das erste Minimum:
a
sin # =
2
2
)
a sin # =
Erstes Minimum
(9.37)
Wir bemerken, dass für
a⌧
)
sin # =
a
!1
Kein Minimum
(9.38)
Siehe Abb. 9.14. Die Welle ist kugelförmig.
Wenn die Breite des Spalts viel grösser als die Wellenlänge ist, verschwindet
der Beugungse↵ekt und ist nur an den Rändern des Spalts sichtbar:
a
)
sin # =
a
!0
Die Beugung verschwindet
(9.39)
Siehe Abb. 9.16.
9.2.4
Beugung am Doppelspalt
Wir studieren die Beugung am Doppelspalt. Wir nehmen an, dass die Breite
der Spalte viel kleiner als die Wellenlänge ist:
a⌧
(9.40)
Wenn diese Bedingung erfüllt ist, können wir beide Löcher als Quellen einzelner Elementarwellen, die sich als Kugelwellen ausbreiten, betrachten. Die
resultierende Welle ist in jedem Punkt gleich der Summe der beiden Wellen.
Wenn wir in den Bereich, wo die Wellen interferieren, einen flachen Schirm“
”
einfügen, so erwarten wir, dass es Stellen mit Minima und Maxima der
Amplitude gibt. Siehe Abb. 9.17.
Wir bestimmen die Position des ersten Maximums. Wir nehmen an, dass der
Abstand D zum Schirm viel grösser als der Abstand d zwischen den Spalten
ist. Siehe Abb. 9.18.
Wir betrachten den Punkt P auf dem Schirm. Um eine konstruktive Interferenz in diesem Punkt zu beobachten, muss für den Gangunterschied x gelten
(Siehe Kap. 5.6.1):
1
k x = n⇡
n = 0, 1, 2, . . .
(9.41)
2
Da in diesem Fall die beiden Wellen genau dann in Phase sind, wenn der
Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge beträgt:
x=
2⇡n
=n
k
n = 0, 1, 2, . . .
(9.42)
376
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
1
2
3
4
5
6
a
499
500
501
502
503
In
/2
ng
htu
c
i
R
d es
m
imu
n
i
M
s
#
998
999
1000
Abbildung 9.15: Bestimmung des Winkels eines Minimums bei der Beugung
durch einen Einzelspalt der Breite a.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
377
a
Abbildung 9.16: Beugungsmuster, wenn die Breite des Spalts viel grösser als die
Wellenlänge ist. Der Beugungse↵ekt verschwindet und ist nur an den Rändern
des Spalts sichtbar.
378
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Intensität
erstes Nebenmaximum
zentrales Maximum
aa <<
⌧ λ
erstes Nebenmaximum
Schirm
Abbildung 9.17: Die Amplitude der Wasserwellen für die Beugung am Doppelspalt. Beim Schirm wird die Amplitude der Wasserwellen gemessen.
Damit im Punkt P ein Maximum der Intensität entsteht, muss gelten:
x = d sin # = n
n = 0, 1, 2, . . .
(Maxima) ,
(9.43)
wobei # der Winkel zwischen dem Gang und der Normalen auf den Schirm ist.
Für ein Minimum in P muss der Gangunterschied ein halbzahliges Vielfaches
der Wellenlänge betragen:
x = d sin # =
✓
1
n+
2
◆
n = 0, 1, 2, . . .
(Minima) ,
(9.44)
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379
P
#
d
x
D
Abbildung 9.18: Bestimmung des Winkels des ersten Maximums.
380
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
9.3
Licht als Welle
Grundsätzlich kann die Theorie der elektromagnetischen Wellen“ aus den
”
Maxwellgleichungen hergeleitet werden. Wir haben z.B. mit diesen Gleichungen
die Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen bestimmt.
9.3.1
Youngsches Experiment: Interferenz der elektromagnetischen Wellen
Wir haben gesehen, dass Interferenze↵ekte bei mechanischen Wellen aus
dem Prinzip der Superposition (Siehe Kap. 5.6) folgen. Wir haben dort die
Überlagerung zweier mechanischer Wellen derselben Frequenz und mit einer
zeitlich konstanten Phasendi↵erenz betrachtet.
Wir hatten festgestellt, dass als Folge der Interferenz die resultierende Welle nicht gleichförmig im Raum verteilt ist, sondern an bestimmten Orten des
Raumes Maxima und Minima auftreten (Konstruktive und destruktive Interferenz ).
Der experimentelle Nachweis von Interferenze↵ekten für Licht gelang T.
Young10 im Jahre 1801. Das Licht verhält sich als eine Welle! Damit konnte
die Wellentheorie des Lichts auf eine feste experimentelle Basis gestellt werden. Bei seinen Versuchen konnte Young auch als Erster die Wellenlänge des
Lichts messen.
Young liess durch zwei kleine Löcher in einem Schirm Sonnenlicht fallen
(Youngsches Experiment). Dadurch entstanden auf der anderen Seite des
Schirms zwei sich überlagernde Kugelwellen und Young konnte die Beugung des
Lichts erstmal beobachten. Die Löcher sollten sehr klein sein, etwa so gross wie
die Lichtwellenlänge, so dass die Löcher als einzelne Quellen für Huygenssche
Elementarwellen wirken:
a⇡
⇡ 0,5 µm = 500 · 10
9
m
(9.45)
Wenn diese Bedingung erfüllt ist, können wir beide Löcher als Quellen einzelner
Elementarwellen, die sich ausbreiten, betrachten. Die resultierende Welle ist in
jedem Punkt gleich der Summe der einzelnen Wellen.
9.3.2
Beugung des Lichts an einem Spalt
Demonstrationsexperiment: Ausbreitung des Lichts durch einen Einzelspalt.
Licht von einem Laser mit Wellenlängen ⇡ 500 nm wird durch einen Spalt
der Breite a ⇡ 10 µm durchgelassen (d.h. a ⇡ 20 ). Die Intensitätsverteilung
10
T. Young (1773-1829).
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
381
Abbildung 9.19: Beugung von Laserlicht an einem Spalt.
des Lichts wird mit Hilfe eines Empfängers gemessen und projiziert (Siehe Abb.
9.19). Wir beobachten Interferenzstreifen. Das Licht verhält sich wie eine Welle!
Die typische beobachtete Intensitätsverteilung wird gezeigt. Wir bemerken,
dass der Hauptteil der Intensität sich beim Winkel # = 0 befindet (das zentrale
Beugungsmaximum). Auf beiden Seiten des zentralen Maximums finden wir
andere, sehr viel schwächere, Nebenmaxima. Die Intensität der Nebenmaxima
nimmt mit der Ablenkung ab. Zwischen den Maxima gibt es Minima.
9.4
9.4.1
Die Quantisierung des Lichts
Der photoelektrische E↵ekt
Um die Quantisierung des Lichts einzuführen, betrachten wir den berühmten
photoelektrischen E↵ekt. Der E↵ekt ist eine Folge der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie. Licht der Frequenz ⌫ fällt auf eine metallene Oberfläche. Man beobachtet experimentell:
Wenn die Frequenz gross genug ist, werden aus der Oberfläche Elektronen herausgeschlagen.
Das Problem hier ist, dass drei wichtige experimentell bewiesene Eigenschaften
durch die klassische Wellentheorie des Lichts nicht erklärt werden können! Die
drei Probleme sind:
382
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1. Das Intensitätsproblem: Die Wellentheorie verlangt, dass der elektrische
Feldvektor der Lichtwelle in seiner Amplitude grösser wird, wenn die Intensität des Lichtstrahls zunimmt. Da die auf ein Elektron der Metalle
wirkende Kraft gleich F = (–e)E ist, müsste auch die Energie der im
photoelektrischen E↵ekt herausgeschlagenen Elektronen mit zunehmender Intensität des Lichts grösser werden. Man beobachtet im Gegensatz
dazu, dass die maximale kinetische Energie der herausgeschlagenen Elektronen unabhängig von der Intensität des Lichts ist!
2. Das Frequenzproblem: Nach der klassischen Wellentheorie des Lichts sollte der photoelektrische E↵ekt bei jeder Frequenz auftreten. Ein Elektron
der Oberfläche wird die Energie der Welle so lang absorbieren, bis die
über die Zeit integrierte Energie genügend ist, um das Elektron von den
Atomen der Oberfläche freizusetzen. Im Gegensatz dazu beobachtet man,
dass für Frequenzen kleiner als eine bestimmte Frequenz ⌫0 der photoelektrische E↵ekt nicht auftritt. Dies gilt unabhängig von der Intensität
des Lichts!
3. Das Problem der Zeitverzögerung: Wenn wir das Licht als eine Welle betrachten, ergibt ihre Intensität, wie bereits in Kap. 7.6.2 bei der Strahlung
des schwarzen Körpers behandelt, eine Energie pro Zeit und pro Fläche:

Energie
J
W
=
= 2
(9.46)
2
Zeit · Fläche
s·m
m
Wir betrachten die Fläche eines Kreises mit dem Durchmesser eines
Atoms, d.h.
2
A ⇡ ⇡ 5 · 10 11 m ⇡ 8 · 10 21 m2
(9.47)
Nach der klassischen Wellentheorie muss man die Intensität der Welle
über diese Fläche integrieren, um die Energie pro Zeit zu berechnen, die
ein Atom (oder das Elektron im Atom) absorbieren wird.
Wenn wir eine isotrope Lichtquelle mit einer Leistung von P = 1 Watt =
1 Joule/Sekunde in einer Entfernung von 3,5 m betrachten, erhalten wir:
P
W
⇡ 6,5 · 10 3 2
2
4⇡r
m
Damit ist die auf das Atom fallende Leistung gleich:
✓
◆
3 W
PAtom = IA ⇡ 6,5 · 10
8 · 10 21 m2 ⇡ 5 · 10
2
m
I=
(9.48)
23
J/s
(9.49)
Wir nehmen nun an, dass die zum Freisetzen eines Elektrons vom Atom
benötigte Energie in der Grössenordnung von einigen eV sein muss. Die
benötigte Zeit für das Ansammeln einer solchen Energie aus der Welle
ist gleich:
t=
1 eV
1,602 · 10 19 J
=
⇡ 3000 s ⇡ 1 h
5 · 10 23 J/s
5 · 10 23 J/s
(9.50)
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383
Abbildung 9.20: Photoelektrischer E↵ekt.
Während dieser Zeit würde das Elektron aus der Lichtwelle die Energie
ansammeln, die es braucht, um die Metalloberfläche verlassen zu können.
Eine solche Verzögerung wurde nie beobachtet! Im Gegensatz dazu gibt
es dafür eine obere Grenze von ⇡ 1 ns!
Demonstrationsexperiment: Photoelektrischer E↵ekt
Das Herausschlagen von Elektronen durch den photoeleketrischen E↵ekt wird
mit Hilfe eines Elektroskops (Siehe Kap. 8.2) gemessen. Mit einer positiven
Spannung wird das Elektroskop geladen: der Zeiger des Elektroskops wird ausgelenkt. Das Elektroskop wird dann durch einen Leiter mit einer vertikal liegenden metallischen Platte verbunden (Siehe Abb. 9.20). Eine Lampe wird eingeschaltet: ihr Licht fällt auf die metalllische Platte. Wir beobachten, dass das
Elektroskop entladen wird, sobald die Lampe brennt. Die von der metallischen
Platte herausgeschlagenen Elektronen kompensieren die positive Ladung im
Elektroskop. Der Zeiger des Elektroskops verschiebt sich langsam nach seiner
ursprünglichen Position. Nun wiederholen wir das Experiment, aber mit einer
Glasplatte zwischen der Lampe und der metallischen Platte. Wir bemerken,
dass der ultraviolette Teil des Lampenlichts nicht durch das Glas durchgelassen wird. Wir beobachten in diesem Fall, dass das Elektroskop geladen bleibt,
auch wenn die Lampe eingeschaltet wird. Wir schliessen daraus, dass nur der
energetische Teil des Lichts (d.h. UV) verantwortlich für den E↵ekt ist.
9.4.2
Definition des Photons
Einstein11 hat im Jahre 1905 eine wichtige Annahme über die Natur des Lichts
gemacht (die Photonentheorie des Lichts). Seine Vorstellung war in scharfem
Kontrast zur Wellentheorie des Lichts. Er schlug vor:
11
A. Einstein (1879-1955).
384
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Elektromagnetische Wellen sind nicht kontinuierlich im Raum verteilt, sondern
in kleinen Paketen quantisiert.
Elektromagnetische Wellen entstehen aus der Bewegung einer endlichen Zahl
von im Raum lokalisierten Quanten, die nur als Ganzes absorbiert oder emittiert werden können.
Diese Quanten werden als Photonen (mit dem Symbol ) bezeichnet.
Elektromagnetische Wellen sind deshalb als Strahlung von Elementarteilchen (den Photonen) zu betrachten.
Die Energie eines einzelnen Photons ist durch die Beziehung gegeben:
E = h⌫ =
hc
(9.51)
wobei ⌫ die Frequenz der elektromagnetischen Welle, die Wellenlänge und c
die Lichtgeschwindigkeit bedeuten, und h ist die Plancksche Konstante.
Einheit:
[h] =

Energie
=Js
Frequenz
(9.52)
Der Wert der Planckschen Konstante h ist
h = 6,63 · 10
34
J s = 4,14 · 10
15
eV s
(9.53)
Das Produkt hc ist gleich
hc ⇡ 2 · 10
25
J m = 1,2 eV · µm
(9.54)
Beispiel: Sichtbares Sonnenlicht
Sichtbares Spektrum
hc
⇡ 0,4 µm (Violett) bis 0,7 µm (Rot)
1,2 eV µm
= 1,7 eV
0,7 µm
(9.55)
Anzahl N der Photonen auf der Oberfläche der Erde?
Eviolett =
⇡
1,2 eV µm
= 3 eV
0,4 µm
Erot =
hc
⇡
Annahme: PSonne = 150 W/m2 auf der Erdoberfläche, E ⇡ 2 eV:
N ⇡
150 W/m2
(2 eV) (1,602 · 10
19
J)
= 4,7 · 1020 m
2
s
1
(9.56)
Eine sehr grosse Anzahl von Photonen! Wir beginnen zu merken, dass die
Plancksche Konstante sehr klein ist relativ zur Grösse der Energien und Zeiten,
die uns aus dem Alltag vertraut sind.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
385
Photosensor
Abbildung 9.21: Photonenzähler: Einzelne Photonen werden mit einem Photosensor ( Photomultiplier“) nachgewiesen.
”
Demonstrationsexperiment: Photonenzähler
Um einzelne Photonen nachzuweisen, verwenden wir einen Photomultiplier“
”
(Siehe Abb. 9.21), der ein elektrisches Signal erzeugt, wenn ein Photon von der
Photokathode des Photomultipliers nachgewiesen wird. Der elektrische Puls
erzeugt einen hörbaren Ton.
Der Hörsaal wird verdunkelt und der Photomultiplier eingeschaltet. Man hört
einige Töne, wenn einzelne Photonen nachgewiesen werden. Wir benutzen nun
ein Feuerzeug als Photonenquelle. Das Feuerzeug wird angezündet und man
bemerkt, dass die Rate an nachgewiesenen Photonen zunimmt. Wir nähern
nun die Quelle dem Photomultiplier und die Rate der Photonen nimmt weiter
zu. Schliesslich befindet sich das Feuerzeug sehr nah am Photomultiplier. Die
Rate der nachgewiesenen Photonen wird riesig gross.
9.4.3
Erklärung des photoelektrischen E↵ekts
In scharfem Kontrast zur Wellentheorie des Lichts ist die Energie der Welle im
Fall der Photonentheorie in einzelnen Punkten konzentriert. Wir können das
Photonenbild auf den photoelektrischen E↵ekt anwenden und damit schreiben:
E = h⌫ = A + Ek ,
(9.57)
wobei E die Energie des Photons ist. Diese Gleichung wird so interpretiert,
dass ein Photon eine Energie E in die Metalloberfläche trägt, wo sie dann
386
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
von einem einzelnen Elektron absorbiert wird. Ein Teil dieser Energie wird für
das Entweichen des Elektrons aus dem Metall gebraucht: Das Elektron war
ursprünglich im Metall gebunden und die sogenannte Austrittsarbeit A wird
gebraucht, um das Elektron freizusetzen. Die übrige Energie wird in kinetische
Energie des Elektrons Ek umgewandelt:
Ek = h⌫
A
(9.58)
Diese Energie ist die maximale kinetische Energie, die das Elektron nach dem
Verlassen der Metalloberfläche haben kann.
Mit dieser Theorie können die ursprünglichen Probleme (Siehe Kap. 9.4.1)
gelöst werden:
1. Das Intensitätsproblem: Wenn wir die Lichtintensität vergrössern,
nimmt die Anzahl der Photonen entsprechend zu und damit die Anzahl
von herausgeschlagenen Elektronen.
2. Das Frequenzproblem: Wenn die kinetische Energie des Elektrons
gleich Null ist, erhalten wir h⌫0 = A: Diese Gleichung zeigt, dass kein einziges Photon die zur Emission erforderlichen Energie haben wird, wenn
die Frequenz des Lichts kleiner als ⌫0 ist. Dies gilt unabhängig von der
Intensität des Lichts.
3. Das Problem der Zeitverzögerung: In der Photonentheorie ist die
Energie des Lichts nicht mehr gleichmässig über den Querschnitt des
Strahls verteilt, sondern wird sich an einzelnen Punkten konzentrieren.
Damit wird das Elektron unmittelbar nach Auftre↵en des Lichts herausgeschlagen.
Die Photonentheorie ist in guter Übereinstimmung mit den experimentellen
Daten. Einige Werte der Austrittsarbeit für verschiedene Materialien sind in
Tabelle 9.5 aufgeführt.
9.4.4
Masse des Photons
Jedes Photon verhält sich wie ein Teilchen und besitzt deshalb eine Energie E
und einen Impuls p. Wenn die Photonen von einer Fläche absorbiert werden,
sind natürlich die gesamte Energie und der gesamte Impuls erhalten. Was ist
dann die Masse eines Photons?
Die Photonen müssen sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Es gibt kein Bezugssystem, relativ zu welchem Photonen sich in Ruhe befinden.
Zwischen der relativistischen Gesamtenergie und dem relativistischen Impuls
besteht ein grundlegender Zusammenhang. Da E = mc2 und p = mv gilt:
✓
◆
v2
2 2
2
2 2
2 2
2 2 4
E
p c = mc
( mv) c = m c 1
= m 2 c4
(9.59)
c2
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Metall
Aluminium
Beryllium
Kupfer
Gold
Eisen
Blei
Nickel
Platin
Silber
Zink
Zeichen
Al
Be
Cu
Au
Fe
Pb
Ni
Pt
Ag
Zn
387
A/eV
4,08
5,0
4,7
5,1
4,5
4,14
5,01
6,35
4,73
4,3
Tabelle 9.5: Austrittsarbeit A für verschiedene Materialien.
Schliesslich:
E2
p 2 c2 = m2 c4
(9.60)
Danach lässt sich durch die Messung der Energie und des Impulses eines
Körpers seine Ruhemasse bestimmen:
p
mc2 = E 2 p2 c2
(9.61)
Diese Beziehung gilt für alle Körper, auch für masselose. Mit m = 0 folgt
E = |p|c
(9.62)
In diesem Fall ist die Geschwindigkeit des “masselosen Körpers” begrenzt; er
bewegt sich immer mit der Lichtgeschwindigkeit:
✓
◆
mc2
mv 2
|p| 2
|v| =
v=
c =
c =c
(9.63)
2
2
mc
mc
E
Photonen besitzen nur kinetische Energie und bewegen sich relativ zu allen
Beobachtern mit derselben Geschwindigkeit, der Lichtgeschwindigkeit c. Die
Ruhemasse des Photons ist gleich null.
9.4.5
Spin des Photons
Wir sind an der Polarisation der Photonen interessiert. Wir haben in Kap.
8.19 gesehen, dass elektromagnetische Wellen polarisiert sein können.
Die Polarisation muss einem internen Freiheitsgrad des Photons entsprechen.
Wir sagen, dass
die Polarisation der Welle dem Spin J der Photonen entspricht. Der Spin
wird als ein Vektor mit einem Betrag und einer Richtung dargestellt.
388
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Weil es zwei unabhängige mögliche Polarisationen einer elektromagnetischen
Welle gibt (d.h. z.B. vertikale oder horizontale Richtungen), kann der Spin
des Photons nur zwei unabhängige Werte annehmen. Der Spin wird daher als
ein Vektor betrachtet, der nur in Bewegungsrichtung oder in entgegengesetzer
Bewegungsrichtung des Photons zeigen kann! Siehe Abb. 9.22.
c
Jz =
1
z
c
Jz = +1
Abbildung 9.22: Der Spin des Photons kann in zwei unabhängige Richtungen
zeigen.
Wenn wir die Bewegungsrichtung des Photons als die z-Richtung definieren,
wird der Spin durch seine z-Komponente definiert. Die zwei möglichen Richtungen des Spins werden folgendermassen bezeichnet (in Einheiten von ~):
Jz = +1 oder Jz =
9.5
1
(9.64)
Die Wellennatur der Teilchen
9.5.1
Die Hypothese von de Broglie
Louis de Broglie12 schlug im Jahr 1924 vor:
Auch Elektronen wie Photonen besitzen Wellen- und Teilcheneigenschaften.
Wenn die Photonen sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften besitzen,
warum sollte dies nicht auch für Elektronen gelten? Für das Photon schlug
Einstein vor, dass
E = h⌫ =
hc
und E = pc
)
pc =
hc
)
p=
h
(9.65)
Für ein Elektron müssen dieselben Gleichungen gelten:
E = h⌫
und p =
h
,
(9.66)
wobei E die Energie und p der Impuls des Elektrons ist. Die Frequenz und die
Wellenlänge des Elektrons sind als ⌫ and bezeichnet.
12
L. de Broglie (1892-1987).
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
389
Oft werden diese Beziehungen so geschrieben:
h!
⌘ ~!
2⇡
E = h⌫ =
und p =
h
=
hk
⌘ ~k ,
2⇡
(9.67)
wobei
~=
h
⇡ 1,054 · 10
2⇡
34
J·s
(9.68)
Beispiel: Nicht-relativistisches Elektron
Sein Impuls berechnet sich aus der kinetischen Energie wie folgt:
1
p2
Ekin = me v 2 =
2
2me
)
p=
und seine Wellenlänge ist
=
p
2me Ekin ,
h
h
hc
=p
=p
p
2me Ekin
2me c2 Ekin
(9.69)
(9.70)
Wenn ein ruhendes Elektron durch einen Potentialunterschied U beschleunigt
wird, ist seine kinetische Energie gleich
Ekin = eU
)
Für U = 10 000 Volt finden wir
=p
hc
1,23 · 10 9 m
p
=
2me c2 eU
U
⇡ 1,23 · 10
11
(9.71)
m.
Wir bemerken noch einmal, dass die Plancksche Konstante klein ist. Sie führt
zu Wellenlängen, die sehr klein sind, relativ zu den Längen, die uns aus unserem
Alltag vertraut sind.
9.5.2
Elektron durch Doppelspalt
Wir haben bemerkt, dass ein Elektron (wie ein Photon) sich unter bestimmten Umständen wie ein Teilchen oder wie eine Wellen verhalten muss. Man
spricht von Welle-Teilchen-Dualismus. N. Bohr13 , der bei der Entwicklung
der Quantenmechanik eine wesentliche Rolle spielte, hat ein Komplementaritätsprinzip ausgedrückt:
Für die vollständige Beschreibung eines Teilchens braucht man sowohl den
Wellen- als auch den Teilchenaspekt.
Wir können nun ein Experiment betrachten, bei dem sich der Wellen- und der
Teilchenaspekt gleichzeitig zeigen müssen.
Elektron durch Doppelspalt: Im Experiment fällt ein Elektronstrahl auf
einen Doppelspalt.
13
N. Bohr (1885-1962).
390
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Intensität des
Elektronenstrahls
#
Elektronenstrahl
d
Schirm
Abbildung 9.23: Das beim Auftre↵en von Elektronen auf einen Doppelspalt
erzeugte Beugungsmuster.
Wir nehmen an, dass die Elektronen mit Hilfe eines Schirms nachgewiesen
werden. Wenn die Elektronen auf den Schirm fallen, werden sie Licht erzeugen. Man kann durch die Intensität des erzeugten Lichts auf dem Schirm die
räumliche Verteilung der Elektronen berechnen. Abb. 9.23.
Damit in einem Punkt ein Maximum der Intensität entsteht, muss gelten (Siehe
Kap. 9.2.4):
sin # = n
d
n = 0, 1, 2, . . .
(Maxima),
(9.72)
wobei # der Winkel zwischen dem Elektronenstrahl und der Normalen auf den
Schirm ist.
Für d
verschwindet der Beugungse↵ekt natürlich. Wir haben z.B. eine
solche Situation angetro↵en, als wir den Einzelspalt studiert haben. Siehe Kap.
9.2.2 und die entsprechenden Figuren.
Wir erwarten deshalb Interferenzstreifen (d.h., ein Beugungsmuster) auf dem
Schirm, wenn der Abstand d zwischen den Spalten ungefähr so gross wie die
Elektronenwellenlänge ist:
d⇡
=
h
hc
=p
p
2me c2 Ekin
(9.73)
Für ein ruhendes Elektron, das durch einen Potentialunterschied von 10 000 V
beschleunigt wird, ist die Wellenlänge ungefähr gleich (Siehe Kap. 9.5.1)
⇡ 1,23 · 10 11 m. Dann muss der Abstand zwischen den Spalten ungefähr
so klein“ sein!
”
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
391
Abbildung 9.24: Beugungsmuster von Elektronen beim Doppelspaltexperiment.
Das Muster ist dasselbe wie bei der Beugung von Licht.
Im Jahre 1961 gelang es C. Jönsson, diesen E↵ekt direkt nachzuweisen (Siehe
Abb. 9.24). Wie erwartet ist das Beugungsmuster dasselbe wie bei der Beugung
von Licht, wenn die Elektronen sich wie Wellen verhalten.
Doppelspaltexperiment - Ein Elektron nach dem anderen. Wir nehmen nun an, dass einzelne Elektronen durch die Anordnung gesendet werden.
D.h.,
die Elektronen sind zeitlich derart getrennt, dass sich zu einer bestimmten Zeit
nur ein einzelnes Elektron in der Anordnung befindet.
Die Position eines Elektrons nach dem Doppelspalt wird mit Hilfe eines Elektronendetektors nachgewiesen. Der Detektor wird einzelne Elektronen nachweisen und wird ein elektrisches Signal erzeugen, wenn ein Elektron von ihm
absorbiert wird. Wir studieren die Rate der Elektronensignale als Funktion der
Position x entlang der vertikalen Achse (Siehe Abb. 9.25):
Ein einzelnes Elektron wird natürlich nur in einem Punkt nachgewiesen. Wir
messen die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron in einem Punkt, eins nach dem
anderen, nachzuweisen.
Das Experiment kann schneller durchgeführt werden, wenn wir den Schirm
durch einen photographischen Film ersetzen. Der photographische Film wird
einzelne Elektronen als kleine Punkte nachweisen. Wenn wir 10 Elektronen
durch die Spalten lassen, werden wir auf dem Film z.B. ein Muster beobachten,
wie in Abb. 9.26 gezeigt ist.
Wenn wir mehr Elektronen, eins nach dem anderen, durch die Spalten lassen,
werden wir den Aufbau der Interferenzstreifen beobachten!
Siehe Abb. 9.27.
Obwohl alle Elektronen denselben Anfangszustand haben (gleicher Impuls, gleiche Anfangsposition vor dem Spalt, . . . ), werden sie den Film an verschiedenen
Orten tre↵en!
392
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
ElektronenDetektor
e
pe
x
d
D
Abbildung 9.25: Ein einzelnes Elektron durch Doppelspalt.
Abbildung 9.26: Beugungmuster mit 10 Elektronen.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
393
100 Elektronen
1000 Elektronen
10000 Elektronen
Intensitätsverteilung
Exp. Resultat
Abbildung 9.27: Simulation des Aufbaus der Interferenzstreifen für das Auftre↵en von Elektronen auf den photographischen Film.
394
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Nun können wir eine Frage über die Bahnkurve des Elektrons beantworten.
Die Frage ist die folgende: Durch welchen Spalt ist das Elektron gegangen?
Wir haben im Experiment angenommen, dass sich zu einer bestimmten Zeit nur
ein einzelnes Elektron in der Anordnung befindet. Das Experiment zeigt aber,
dass auch in diesem Fall Interferenzstreifen entstehen. Sie bilden sich langsam,
indem ein Elektron nach dem anderen auf den Film tri↵t.
Wenn wir das Beugungsmuster in diesem Fall beobachten, folgt, dass das Elektron mit sich selbst interferieren muss. D.h., die Wellenfunktion des Elektrons
spürt beide Spalte.
Die Wellenfunktion des einzelnen Elektrons wird mit sich selbst interferieren,
und sie bestimmt, wo mit welcher Wahrscheinlichkeit die Elektronen auf den
Film gelangen.
Das Elektron verhält sich wie eine im Raum ausgedehnte Welle, wenn es durch
die Spalte fliegt.
Im Prinzip könnten wir vor jeden Spalt einen Elektronendetektor platzieren,
der beim Durchgang eines Elektrons z.B. ein elektronisches Signal erzeugt. Wir
könnten dann versuchen, die Bahnen der einzelnen Elektronen zu identifizieren.
Sobald wir die Anordnung bauen, beobachten wir, dass die Interferenzstreifen
verschwunden sind. Beim Durchgang durch die Spaltdetektoren werden die
Elektronen so beinflusst, dass das Interferenzmuster zerstört wird. Wir schliessen daraus:
Wenn wir die Beugung beobachten, können wir nicht sagen, welchen Spalt das
Elektron durchquert hat.
9.6
Röntgenbeugung
Licht fällt auf die Oberfläche eines Kristalls. Wir nehmen an, dass im Kristall
die Atome die fundamentalen Bausteine des Kristallgitters bilden, und dass das
Gitter eine kubische Symmetrie hat. Siehe Abb. 9.28. Der Abstand zwischen
zwei benachbarten Atomen sei a.
Analog zu einem Spalt betrachten wir jeden Punkt in Abb. 9.28 als eine Quelle von Elementarwellen. Jedes Atom wirkt daher als Beugungszentrum. Die
gebeugten Strahlen werden sich überlagern und ein Intensitätsmaximum wird
erzeugt, wenn der Gangunterschied zwischen benachbarten Strahlen gleich einem ganzzahligen Vielfachen der Wellenlänge ist. Um eine konstruktive Interferenz in einer Richtung zu erreichen, müssen sich die von den einzelnen Ebenen
gebeugten Strahlen verstärken. Dies bedeudet, dass der Gangunterschied zwischen benachbarten Ebenen ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge sein
muss. Diese Bedingung heisst Bragg14 - Bedingung.
Es folgt, dass
14
Bragg, W.H. (1862-1942) und Bragg, W.L. (1890-1971).
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
395
Lichtwelle
gebeugte
Welle
Abbildung 9.28: Die Lichtwelle fällt auf die ganze Reihe von Ebenen. Eine
intensive Beugungswelle wird erzeugt.
396
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
bei bestimmten Wellenlängen und bestimmter Orientierung der einfallenden
Lichtwelle konstruktive Interferenz der gebeugten Lichtwellen beobachtet wird.
Die Richtungen der Interferenzmaxima werden durch die Geometrie des Kristallgitters bestimmt.
Wir bemerken, dass die Wellenlänge des Lichts ungefähr so gross wie der Abstand zwischen benachbarten Atomen des Gitters sein muss. Wenn wir z.B.
einen Abstand von 10 10 m betrachten, folgt
hc
E = h⌫ =
⇡
1,24 · 10 6 eV m
⇡ 12 400 eV
10 10 m
(9.74)
d.h., das Licht muss im Bereich der Röntgenstrahlen liegen (Siehe Kap.
8.18.2).
Abb. 9.29 zeigt ein typisches Interferenzmuster, das erzeugt wird, wenn ein monochromatischer Röntgenstrahl auf ein kristallines Silberbromid-Pulver fällt.
Man sieht charakteristische Beugungspunkte, die sich um den Röntgenstrahl
befinden. Diesen Punkten entsprechen die verschiedenen Ebenen von Atomen
im Kristall.
Damit kann die Struktur von Materialen studiert werden. Solche Untersuchungen sind z.B. sehr wichtig, um die Regularität von Halbleiter-Kristallen zu
kontrollieren, die für den Bau von integrierten Schaltungen in elektronischen
Geräten verwendet werden.
Film
Röntgenstrahl
ggeebbeu
Film
Röntgenstrahl
hl
SSttrraahl
r
e
r
t
euggte
Kristall
Kristall
Abbildung 9.29: Interferenzmuster von Photonen bei Beugung von Röntgenstrahlen an einem Kristall.
Demonstrationsexperiment: Braggsche Reflexion mit 3 cm -Wellen
Als Modell der Symmetrie eines Kristalls verwenden wir ein Gitter von vertikal gestellten metallischen Streifen (Siehe Abb. 9.30). Jeder Streifen wirkt als
Zentrum für die Beugung der Welle. Ein Mikrowellen- Gerät erzeugt elektromagnetische Wellen mit einer Wellenlänge von 3 cm in Richtung des Gitters.
Die Welle wird an jedem Streifen gestreut. Wir messen die Intensität der gebeugten Welle mit Hilfe eines Mikrowellen-Empfängers. Wir beobachten die
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
397
Abbildung 9.30: Braggsche Reflexion mit 3 cm-Wellen
Intensität der gebeugten Welle als Funktion des Winkels. Die Intensität besitzt klare Maxima, die der Bragg-Bedingung für eine konstruktive Interferenz
entsprechen.
9.7
Elektronenbeugung
Davisson und Germer15 entdeckten zuerst im Jahr 1927 die Beugungs- und Interferenze↵ekte von Elektronen. Bei ihrem Experiment wurden Elektronen auf
einen Kristall (Nickel- oder Goldkristall) geschossen. Die Elektronen wurden
durch einen variablen Potentialunterschied beschleunigt (Siehe Abb. 9.31).
Mit diesem Experiment konnte man die Beugungsmuster eines Elektrons mit
dem eines Photons vergleichen. Wenn die Photonen und Elektronen dieselbe
Wellenlänge besitzen, werden sie änhliche Beugungsmuster erzeugen. Vergleiche
dazu Abb. 9.32 mit Abb. 9.29.
Demonstrationsexperiment: Elektronenbeugung
Elektronen werden mit Hilfe einer Hochspannung von ungefähr 60 kV beschleunigt. Diese Elektronen werden auf einen Kristall geschossen (Siehe Abb. 9.33).
Die Elektronen werden wegen ihrer Wellennatur am Kristall-Gitter als Welle
gestreut. Die Position der gebeugten Elektronen wird mit einem FluoreszenzSchirm nachgewiesen.
15
C.J. Davisson (1881-1958) und L. Germer.
398
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Schirm
Kristall
Elektronenkanone
Elektronenstrahl
18 cm
gebeugtes Elektron
Abbildung 9.31: Illustration des Davisson-Germer-Experiments. Die Elektronen wurden durch einen Potentialunterschied beschleunigt und auf einen Kristall geschossen.
0
1
2
3
4 cm
Abbildung 9.32: Das Beugungsmuster eines Elektronenstrahls.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
399
Abbildung 9.33: Experimentelle Anordung für die Elektronenbeugung.
Abbildung 9.34: Der Beugungsmuster der an einem Kristall gebeugten Elektronen .
400
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Die Hochspannung wird variiert, bis das charakteristische Beugungsmuster beobachtet wird (Siehe Abb. 9.34).
9.8
Die Schrödinger-Gleichung
9.8.1
Ein Elektron in einem Kasten
Wir betrachten ein endliches Volumen V , das die Form eines Kastens besitzt. Wir nehmen an, dass ein Elektron sich im Volumen V befindet. Um das
Problem zu vereinfachen, werden wir die eindimensionale Lösung suchen. Der
eindimensionale Kasten der Breite d wird durch einen Potentialtopf mit
unendlich hohen Wänden beschrieben, wobei gilt (Siehe Abb. 9.35):
Epot (x) =
(
0
für 0 < x < d
1
sonst
(9.75)
In der klassischen Mechanik würde man die Position des Elektrons mit Hilfe
seines Ortsvektors beschreiben. Wir sagen, dass zur Zeit t das Elektron sich
am Ort r befindet, wobei r der Ortsvektor des Elektrons ist. Zusätzlich ist die
klassische, nichtrelativistische, gesamte Energie des Elektrons:
E=
p2
+ Epot
2m
(9.76)
Weil
Epot (x) = 1 für x < 0 oder x > d ,
(9.77)
kann das Elektron sich nie in diesen Bereichen befinden. Das Elektron muss
deshalb im Kasten bleiben.
In der Quantenmechanik kann das Elektron nicht mehr mit Hilfe seines Ortsvektors lokalisiert werden. Wir müssen das Elektron als eine Welle betrachten.
Das Elektron wird deshalb mit Hilfe einer Wellenfunktion beschrieben:
Wellenfunktion:
(
in 3 Dimensionen
= (r, t)
in 1 Dimension
= (x, t)
(9.78)
Wir müssen für die Wellenfunktion eine Bedingung finden, die der Tatsache
entspricht, dass das Elektron sich nie ausserhalb des Kastens befinden wird.
Wir nehmen an, dass die Wellenfunktion des Elektrons ausserhalb des Kastens
verschwindet (Diese Annahme gilt nur, wenn das Kastenpotential unendlich
hoch ist) !
(x, t) = 0 für x  0 oder x
d
(9.79)
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
401
Epot (x)
20
16
12
8
4
0
x
4
2
0
+2
+4
d
Abbildung 9.35: Zur Definition des eindimensionalen Kastenpotentials Epot (x).
Wir werden deshalb der Wellenfunktion sogenannte Randbedingungen auferlegen:
(0, t) = (d, t) = 0 (Randbedingung für Kastenpotential)
(9.80)
Wir suchen eine harmonische stationäre Lösung für das Elektron, die die
Randbedingungen erfüllt. In Analogie zu stehenden Wellen (Siehe Kap. 5.7)
faktorisieren wir die räumliche und die zeitliche Abhängigkeit der Wellenfunktion:
Ansatz:
(x, t) = (A sin kx + B cos kx) ·
|
{z
}
Räumliche Abhängigkeit
f (t)
|{z}
Zeitabhängigkeit
,
(9.81)
402
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
E
(x)
6
20
n
16
5
12
4
8
3
4
2
1
0
x
4
2
0
+2
+4
d
Abbildung 9.36: Die (räumliche) Abhängigkeit der stationären Wellenfunktionen und die entsprechenden Energien eines Elektrons in einem Kasten ( ~ = 1
und me = 1).
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
403
wobei A und B Konstanten sind, die bestimmt werden müssen.
Aus den Randbedingungen folgt, dass die Wellenfunktion zu jeder Zeit in den
Punkten x = 0 und x = d verschwinden muss:
(
(0, t) = (0 + B)f (t)
=0
(9.82)
(d, t) = {A sin kd + B cos kd} f (t) = 0
oder
B = 0 und kd = n⇡ ,
(9.83)
wobei n als Quantenzahl bezeichnet wird. Es folgt daraus:
kn = n
⇡
d
n = 1, 2, 3, . . .
(9.84)
Wir sehen, dass als Folge der Randbedingung der Wellenvektor des Elektrons
ein ganzzahliges Vielfaches von ⇡/d sein muss.
Mit Hilfe der Beziehungen von de Broglie können wir die Energie und den
Impuls des Elektrons im Kasten bestimmen:
p2
und En = n = n2
2me
hn⇡
nh
pn ⌘ ~kn =
=
2⇡d
2d
✓
h2
8me d2
◆
(9.85)
Die Wellenfunktionen für n = 1, 2, . . . , 6 und die entsprechenden Energien sind
in Abb. 9.36 gezeigt.
Wir bemerken:
1. Die Energie ist quantisiert. D.h., das Elektron kann nicht eine beliebige
Energie annehmen. Da die Energie E von der Quantenzahl n abhängt,
kann die Energie des Elektrons nur die Werte
2
En = n E1 ,
wobei E1 =
✓
h2
8me d2
◆
(9.86)
annehmen!
2. Die Energie für n = 1 ist die Grundzustandsenergie, d.h. die niedrigste
Energie, die das Elektron im Kasten besitzen kann.
3. Die Energie und der Impuls des Elektrons im endlichen Kasten werden
nie verschwinden, d.h. n > 0 ! Das Elektron kann im Kasten nie ruhen.
Es besitzt immer eine minimale kinetische Energie und wird sich immer
bewegen.
404
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
4. Es gilt
E1 =
✓
h2
8me
◆
2
1
(6,63 · 10 34 J · s) 1
6 · 10 38 J
3,8 · 10 19 eV
=
⇡
⇡
d2
8 (9,11 · 10 31 kg) d2
(d m)2
(d m)2
(9.87)
Wir wissen, dass in Atomen der Abstand der Elektronen vom Kern ungefähr bei
rElektron ⇡ 10 10 m
(9.88)
liegt. Die minimale Energie eines Elektrons, das sich in einem Kasten des
Durchmessers gleich diesem Radius befindet, ist damit gleich
E1 ⇡
3,8 · 10 19 eV
⇡ 40 eV
(10 10 m)2
Diese Energie entspricht der Geschwindigkeit
r
p
2E1
p1 = 2me E1 = me ve ) ve =
⇡ 0,01 c
me
(9.89)
(9.90)
Ein Elektron kann sich nie im Bereich eines Atoms befinden, und sich
langsamer als mit 1% der Lichtgeschwindigkeit bewegen.
5. Die niedrigste Energie nimmt mit der Grösse des Kastens d im Quadrat
ab. Für makroskopische Längen ist sie natürlich vernachlässigbar, und
wir finden das klassische Ergebnis wieder zurück. Ein Elektron in einem
makroskopischen Kasten kann sich in Ruhe befinden. Dieses Ergebnis ist
aber nur eine Näherung.
9.8.2
Die Schrödinger-Gleichung
Im Jahr 1926 formulierte E. Schrödinger16 eine Wellengleichung zur Beschreibung der Ausbreitung der Wellenfunktion des Teilchens, in Analogie zur Wellengleichung für klassische mechanische oder elektromagnetische Wellen.
Die gesamte klassische Energie eines nichtrelativistischen Teilchens, das sich
in einem Potential bewegt, ist gleich
E⌘
p2
+ Epot (r, t)
2m
(9.91)
Schrödinger postulierte, dass man die klassische Energie-Impuls-Beziehung benutzen muss, und die Energie und den Impuls durch Operatoren, die auf die
Wellenfunktion wirken, ersetzen muss:
16
Erwin Schrödinger (1887-1961).
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
@
E = i~
@t
und p ⌘
i~r =
i~
✓
@ @ @
, ,
@x @y @z
405
◆
(9.92)
Der Energie-Operator (wird auch als Hamilton-Operator bezeichnet) wird
folgendermassen verwendet
@
E ⌘ i~
(9.93)
@t
und der Impuls-Operator
✓
◆
@ @ @
p ⌘ i~r = i~
,
,
(9.94)
@x @y @z
Die kinetische Energie wird folgendermassen berechnet:
✓ 2◆
✓
◆
p
1
~2 2
~2 @ 2
@2
@2
2
=
( i~r)
=
r =
+
+
2m
2m
2m
2m @x2 @y 2 @z 2
(9.95)
wobei wir den Laplace-Operator erkennen.
Die Schrödinger-Gleichung wird deshalb so hergeleitet:
E (r, t) =
oder
p2
(r, t) + Epot (r, t) (r, t)
2m
@
~2 2
i~
(r, t) =
r (r, t) + Epot (r, t) (r, t)
@t
2m
Schrödinger-Gleichung
(9.96)
(9.97)
Diese Di↵erentialgleichung setzt die zeitliche und die räumlichen partiellen Ableitungen der Wellenfunktion miteinander in Beziehung. Sie beschreibt, wie die
klassische Wellengleichung, die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion.
Die Zeitentwicklung der Wellenfunktion wird durch Integration der
Schrödinger-Gleichung gewonnen.
Wir bemerken, dass die Schrödinger-Gleichung explizit die imaginäre Zahl i verwendet. Deshalb erwarten wir, dass die allgemeinen Lösungen der SchrödingerGleichung komplexwertig sind.
9.8.3
Ein freies Teilchen in einer Dimension
Wir suchen eine Lösung der Schrödinger-Gleichung, die ein freies Teilchen
(Epot = 0) in einer Dimension beschreibt. Wir betrachten die eindimensionale
Schrödinger-Gleichung:
@
~2 @ 2
i~
(x, t) =
(x, t)
@t
2m @x2
(9.98)
406
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Ansatz:
(x, t) = Aei(kx
!t)
= A cos (kx
!t) + iA sin (kx
!t) ,
(9.99)
wobei k der Wellenvektor und ! die Kreisfrequenz ist.
Es folgt,
i~
@
(x, t) Aei(kx
@t
i~ ( i!) Aei(kx
!t)
!t)
=
~2 @ 2
Aei(kx
2m @x2
!t)
=
~2
(ik)2 Aei(kx
2m
!t)
(9.100)
,
(9.101)
und die Beziehung zwischen dem Wellenvektor und der Kreisfrequenz des freien
Teilchens (die Dispersions-Beziehung) ist
~! =
~2 k 2
2m
(9.102)
freies Teilchen
Damit gilt die folgende Beziehung zwischen Frequenz ⌫ und Wellenlänge des
Elektrons:
✓ ◆2
✓ ◆2
~ 2
~
2⇡
h
1
!=
k
) 2⇡⌫ =
) ⌫=
(9.103)
2m
2m
2m
Diese Beziehung unterscheidet sich von derjenigen der elektromagnetischen
oder mechanischen Wellen. Wir haben für eine harmonische elektromagnetische Welle mit der Bedingung, dass sich die Welle mit der Lichtgeschwindigkeit
ausbreitet, folgende Beziehung gefunden:
! = ck
)
2⇡⌫ = c
2⇡
)
⌫=
c
(9.104)
Die Dispersions-Beziehung des Elektrons ist aber das Analogon zu der Beziehung zwischen Energie und Impuls und sollte deshalb erwartet werden. Mit
Hilfe der Gleichungen von de Broglie finden wir tatsächlich folgendes:
E=
p2
,
2m
E = ~!
und p = ~k
)
~! =
~2 k 2
2m
(9.105)
Dass die Frequenz des freien Elektrons vom Inversen des Quadrats der Wellenlänge abhängt, wird deshalb erwartet, wenn wir bemerken, dass die Energie
zum Quadrat des Impulses proportional ist.
9.8.4
Die stationären Zustände
Um eine stationäre Lösung der Schrödinger-Gleichung zu finden, werden wir,
in Analogie zu den stehenden Wellen, einen Ansatz betrachten, in dem die
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
407
räumliche und die zeitliche Abhängigkeit faktorisiert werden (Siehe Kap. 5.7
und 9.8.1):
Ansatz:
(x, t) =
·
'(r)
|{z}
(t)
|{z}
(9.106)
Zeitabhängigkeit
Räumliche
Abhängigkeit
Im Fall, dass die potentielle Energie Epot unabhängig von der Zeit ist, wird
sich die Schrödinger-Gleichung vereinfachen:
i~
@
~2 2
{'(r) (t)} =
r {'(r) (t)} + Epot (r) {'(r) (t)}
@t
2m
) i~ '(r)
) i~
@
~2
(t) =
(t)r2 '(r) + Epot (r) {'(r) (t)}
@t
2m
1 @ (t)
~2 1
=
r2 '(r) + Epot (r)
(t) @t
2m '(r)
(9.107)
Wir bemerken, dass die linke Seite der letzten Gleichung nur von der Zeit
abhängt und die rechte Seite nur vom Ortsvektor. Beide Seiten sind deshalb
voneinander unabhängig und müssen gleich einer Konstanten sein!
Ansatz:
(t) = e i!t
1 @ (t)
) i~
= i~ ei!t ( i!) e
(t) @t
(9.108)
i!t
= ~! = E = konst. ! ok!
(9.109)
Die allgemeine Lösung der stationären Zustände ist dann
(r, t) = '(r)e
i!t
,
(9.110)
wobei
i~
@
'(r) e
@t
E '(r) e
i!t
=
~2 2
r '(r) e
2m
i!t
+ Epot (r) '(r) e
i!t
(9.111)
i!t
=
~2 2
r '(r) e
2m
i!t
+ Epot (r) '(r) e
i!t
(9.112)
oder
~2 2
r '(r) + Epot (r) '(r)
2m
Zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
E'(r) =
(9.113)
Diese Gleichung hängt natürlich nur vom Ortsvektor ab. Wenn die potentielle Energie bekannt ist, kann sie im Prinzip gelöst werden, um die räumliche
Abhängigkeit der Wellenfunktion zu finden.
408
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Die vollständige Lösung ist dann
(r, t) = '(r) e
i!t
,
(9.114)
wobei wir eine sehr einfache Zeitabhängigkeit erkennen. Die Kreisfrequenz ist
gleich
E
!=
(9.115)
~
9.8.5
Die Interpretation der Wellenfunktion
Die Wellenfunktion
kann komplexe Werte annehmen. Ihre Interpretation
wurde während des ersten Teils des 20. Jahrhunderts viel diskutiert. M. Born17
hat eine Interpretation der Wellenfunktion gegeben, die heutzutage als die richtige angenommen wird:
Die Wellenfunktion beschreibt den Zustand des Elektrons. Ein Elektron wird
tatsächlich als ein Teilchen“ nachgewiesen: Das Betragsquadrat der Wellen”
funktion entspricht der Wahrscheinlichkeit, das Teilchen an einem bestimmten
Ort zu finden.
Sein Verhalten, d.h., sein Impuls und seine Energie, wird aber durch seine
Wellenfunktion beschrieben.
In mathematischer Form:
1. Die Wahrscheinlichkeit P , dass das Teilchen sich in einem infinitesimalen Volumen dV an einem Punkt r befindet, ist gleich
| (r, t)|2 dV = (r, t)
wobei
⇤
⇤
(r, t) dV ,
(9.116)
das komplex Konjugierte der Wellenfunktion ist.
2. Die mittlere Position des Elektrons im Volumen V (oder der
sogenannte Erwartungswert des Ortsvektors r) wird deshalb durch
die folgende Beziehung gegeben:
ZZZ
ZZZ
2
hr(t)i =
r | (r, t)| dV =
r (r, t) ⇤ (r, t) dV
(9.117)
V
V
3. Die mittlere Energie und der mittlere Impuls werden in ähnlicher
Weise durch ihre Erwartungswerte bestimmt:
ZZZ
hE(t)i =
(r, t) E ⇤ (r, t) dV
(9.118)
hp(t)i =
Z VZ Z
V
17
Max Born (1882-1970).
(r, t) p
⇤
(r, t) dV
(9.119)
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
409
Wir bemerken, dass das Elektron nicht mehr in einem bestimmten Punkt des
Raumes lokalisiert wird. Tatsächlich kann man nicht mehr sagen, wo das Elektron sich befindet!
Die Schrödinger-Gleichung sagt nicht voraus, wie sich das Elektron als Funktion der Zeit bewegt. Sie sagt voraus, wie die Wellenfunktion des Elektrons sich ausbreitet. Die Wellenfunktion sagt
nicht voraus, wo das Elektron sich befindet. Sie sagt voraus, was
die Wahrscheinlichkeit ist, das Elektron an einem bestimmten Ort
zu finden.
Wir können deshalb nicht mehr die Bahnkurve eines Elektrons definieren.
Beispiel: Elektron im Kastenpotential.
Wir betrachten die eindimensionalen stationären Wellenfunktionen des Elektrons im Kasten
Stationärer Zustand
)
(x, t) = '(x) e
i!t
,
(9.120)
Das Betragsquadrat des räumlichen Teils der Wellenfunktionen ist in Abb. 9.37
gezeigt:
| (x, t)|2 = |'(x) e
i!t 2
| , = |'(x)|2
weil |ei↵ | = 1
(9.121)
Der zeitabhängige Teil spielt deshalb keine Rolle im Betrag. Wenn das Elektron
sich in einem stationären Zustand befindet, ist die Wahrscheinlichkeit, es an
einem bestimmten Punkt des Raumes zu finden, unabhängig von der Zeit!
Wir bemerken auch, dass das Elektron im Raum nicht lokalisiert ist. D.h.,
es gibt verschiedene unabhängige entfernte Raumgebiete, in denen die Wahrscheinlichkeit, das Elektron zu finden, nicht verschwindet.
Die Anzahl dieser Raumgebiete hängt von der Energie ab und nimmt mit ihr
zu.
Die Wellenfunktion beschreibt die Wahrscheinlichkeit vor dem Nachweis, das
Elektron an einem bestimmten Punkt zu finden. Nach dem Nachweis ist das
Elektron lokalisiert. Wenn wir zur Zeit t das Elektron an einem bestimmten
Punkt nachweisen, muss sich zur Zeit t das Elektron in diesem Punkt befinden.
410
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
E
|'(x)|2
6
20
n
16
5
12
4
8
3
4
2
1
0
x
4
2
0
+2
+4
d
Abbildung 9.37: Das Betragsquadrat der Wellenfunktionen, die die stationären
Zustände n des Elektrons im Kasten beschreiben.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
9.8.6
411
Reduktion der Wellenfunktion
Wir haben gesehen, dass ein Elektron im Raum nicht lokalisiert sein muss.
Es kann z.B. sein, dass das Elektron sich in sehr entfernten Raumgebieten mit
gleicher Wahrscheinlichkeit befinden kann!
Was geschieht, wenn das Elektron nachgewiesen wird?
Wir haben gesagt, dass das Elektron sich als ein Teilchen verhalten wird.
D.h., ein Elektron wird immer an einem bestimmten Punkt des Raumes
nachgewiesen.
Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron (nach dem Nachweis) zur Zeit t an diesem Punkt zu finden, muss gleich 100% sein.
Siehe Abb. 9.38.
Vor dem Nachweis
|'(x)|2
P =
4
2
1
2
P =
0
1
2
+2
+4
x
|'(x)|2
P =1
Nach dem Nachweis
4
2
0
+2
+4
x
Abbildung 9.38: Reduktion der Wellenfunktion. Wenn das Elektron nachgewiesen wird, wird seine Wellenfunktion auf den Punkt, wo es nachgewiesen wird,
reduziert.
Es folgt daraus, dass die Wellenfunktion sich spontan entsprechend ändern
wird, wenn das Elektron an einem bestimmten Punkt nachgewiesen wird. Wir
sprechen von der Reduktion der Wellenfunktion.
Die Reduktion ist spontan, und wenn die Wellenfunktion vor dem Nachweis
sehr ausgedehnt war, dann muss sie spontan in einen Punkt kollabieren.
Wenn wir die Wellenfunktion als eine räumlich ausgedehnte Welle betrachten, würden wir sagen, dass während ihrer Reduktion sie sich mit unendlicher
412
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Geschwindigkeit durch den Raum (d.h. schneller als die Lichtgeschwindigkeit)
bewegen muss. Deshalb können wir die Wellenfunktion nicht als etwas betrachten, das wirklich im Raum ausgedehnt ist.
Die Reduktion der Wellenfunktion ist noch heutzutage das am wenigsten verstandene Rätsel der Quantenmechanik. Einstein hat z.B. diese Erklärung als
nicht befriedigend betrachtet.
9.9
Die Unschärferelation
Wir haben gesehen, dass die (eindimensionale) Wellenfunktion eines freien Teilchen mit einem Impuls p die folgende ist:
(x, t) = A ei(kx
!t)
= A cos (kx
!t) + iA sin (kx
!t) ,
(9.122)
wobei
p
~
p2
)!=
2m~
p = ~k
und E =
)k=
p2
= ~!
2m
(9.123)
(9.124)
Das Teilchen besitzt einen bestimmten Impuls p. Wir bemerken, dass die Lokalisierung eines solchen Teilchens unmöglich ist!
Wenn wir das Betragsquadrat der Wellenfunktion nehmen, beobachten wir,
dass es zu jeder Zeit über den gesamten Raum konstant ist:
| (x, t)|2 =
⇤
= A ei(kx
!t)
A⇤ e
i(kx !t)
= |A|2 = konst.
(9.125)
D.h., harmonische ebene Wellen beschreiben ein Teilchen, das räumlich und
zeitlich unendlich ausgedehnt ist:
Das Teilchen befindet sich zu jeder Zeit mit gleicher Wahrscheinlichkeit an
jedem Ort des Raumes!
Ein lokalisiertes Teilchen kann nicht durch eine harmonische Welle mit einer
einzigen Kreisfrequenz ! und Wellenzahl k beschrieben werden. Wir brauchen
sogenannte Wellenpakete, die aus einer Summe von ebenen Wellen bestehen
können:
X
X
(x, t) =
An ei(kn x !n t)
(9.126)
n (x, t) =
n
n
wobei An die Amplitude der harmonischen Wellen mit Wellenvektor kn und
Kreisfrequenz !n ist.
Die Summe harmonischer Wellen führt zu einem lokalisierten Teilchen.
Wir beginnen mit einer kleinen Anzahl von Wellen. Die Amplituden der Wellen
wurden so gewählt, dass sie ein Maximum bei einem Wellenvektor k besitzen.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Re(
413
n)
x
pn
Re ( ) =
X
Re (
n)
n
Abbildung 9.39: Wellenpakete: Die resultierende Wellenfunktion ist die Summe
der 3 gezeigten Wellenfunktionen mit verschiedenen Amplituden und Kreisfrequenzen.
Die Summe von 3 harmonischen Wellen wird in Abb. 9.39 gezeigt. Mit nur 3
Wellen ist die resultierende Welle nicht lokalisiert.
In Abb. 9.40 betrachten wir die Summe von 5 harmonischen Wellen. Die
resultierende Welle besitzt verschiedene Maxima. Zwischen diesen Maxima
verschwindet die resultierende Welle, weil die harmonischen Wellen einander
auslöschen.
Wenn die Anzahl der Terme in der Summe zunimmt, wird die resultierende
Wellenfunktion immer mehr lokalisiert.
Die Summe von 9 harmonischen Wellen wird in Abb. 9.41 gezeigt.
Zusammenfassend haben wir gefunden, dass die Wellenfunktion eines lokalisierten Teilchens gleich der Summe harmonischer Wellen mit verschiedenen
Wellenvektoren ist. Es folgt, dass
ein lokalisiertes Teilchen keinen bestimmten Impuls p besitzen
kann.
Wir ersetzen nun die Summe der harmonischen Wellen durch ein Integral
Z
(x, t) = dk A(k)ei(kx !t) ,
(9.127)
wobei A(k) die Verteilungsfunktion der Wellenvektoren ist. Die Amplituden
A(k) wurden so gewählt, dass sie ein Maximum um einen Wellenvektor k0
414
Re(
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
n)
x
pn
Re ( ) =
X
Re (
n)
n
Abbildung 9.40: Wellenpakete: Die Summe von 5 harmonischen Wellen.
Re(
n)
x
pn
Re ( ) =
X
Re (
n)
n
Abbildung 9.41: Wellenpakete: Die Summe von 9 harmonischen Wellen.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
415
besitzen. Man kann z.B. eine Gauss-Verteilung benutzen
A(k) ⇠ e
wobei
k
(k k0 )2
2 2
k
,
(9.128)
die Standardabweichung ist. Siehe Abb. 9.42.
A(k) = e
(k k0 )2
2 2
k
1
1
2
k
0
0
2 k0
4
6
8
10
Abbildung 9.42: Gauss-Verteilung mit Mittelwert k0 und Standardabweichung
k.
Man kann beweisen, dass ein Integral von harmonischen Wellen mit Gaussverteilten Amplituden zu einem lokalisierten Teilchen mit einer räumlichen
Gaussverteilung führt, und es gilt
x k
=
1
,
2
(9.129)
wobei x und k die Standardabweichungen der Gaussverteilungen sind. Diese
Beziehung gilt für eine Gaussverteilung. Für andere Verteilung ist das Produkt
grösser als 1/2, d.h.
1
(9.130)
x k
2
oder
~
~
)
(9.131)
x p
2
2
Für eine harmonische Welle ist p = 0, und deshalb ist x unendlich. Das Teilchen kann nicht lokalisiert werden! Für ein unendlich gut lokalisiertes Teilchen,
d.h. x = 0, ist p unendlich. Es besitzt keinen bestimmten Impuls.
( x ) (~ k )
Die Standardabweichungen p und x entsprechen den Genauigkeiten p und
x, mit welchen man die Position oder den Impuls des Teilchens gleichzeitig
416
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
messen kann. Man kann den Ortsvektor und den Impuls nicht gleichzeitig mit
unendlicher Genauigkeit messen.
Diese Beziehung ist als die Unschärferelation von Heisenberg18 bekannt
und wurde zuerst im Jahre 1926 formuliert:
x p
~
2
(9.132)
Heisenbergsche Unschärferelation
Sie besagt, dass im Bereich der Quantenmechanik der Ortsvektor und der Impulsoperator eines Teilchens korreliert sind. Man sagt, dass sie nicht kommutieren.
Entweder wollen wir die Position des Teilchens mit unendlicher Genauigkeit
messen, oder wir werden den Impuls messen. Wenn wir zusätzlich die Position
des Teilchens mit unendlicher Genauigkeit messen, wird die Wellenfunktion so
gestört, dass der Impuls nicht mehr definiert ist. In einer ähnlichen Weise ist
die Position des Teilchens nicht mehr definiert, wenn wir seinen Impuls mit
unendlicher Genauigkeit messen.
Man kann diese Beobachtung noch einmal mit der Reduktion der Wellenfunktion in Beziehung setzen. Wenn wir den Impuls p eines freien Teilchens mit
unendlicher Genauigkeit messen, wird die Wellenfunktion so kollabieren, dass
sie eine harmonische Welle mit einem bestimmten Wellenvektor k wird:
(x, t) = Aei(kx
!t)
,
wobei k =
p
~
und ! =
p2
2m~
(9.133)
Das Betragsquadrat dieser Funktion ist, wie schon erwähnt, eine Konstante
über den ganzen Raum,
| (x, t)|2 =
⇤
= A ei(kx
!t)
A⇤ e
i(kx !t)
= |A|2 = konst. ,
(9.134)
und das Teilchen befindet sich in jedem Punkt des Raumes mit derselben Wahrscheinlichkeit.
Beispiel: Ein freies 10 eV-Elektron bewegt sich in die x-Richtung.
Geschwindigkeit vx ⇡ 1,9 · 106 m/s
Impuls des Elektrons:
px = me vx = 9,11 · 10
31
kg
1,9 · 106 m/s ⇡ 1,7 · 10
24
kg m/s
(9.135)
Wir nehmen an, dass wir die Geschwindigkeit auf 1% genau messen können.
Mit welcher Genauigkeit kann man gleichzeitig den Ort des Elektrons messen?
x⇡
~
1,054 · 10
⇡
2 px
2(1%)(1,7 · 10
34
24
Js
⇡ 3 · 10
kg m/s)
Das Ergebnis entspricht ungefähr 200 Atomdurchmessern.
18
Werner Heisenberg (1901-1976).
9
m
(9.136)
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
417
Beispiel: Ein Golfball
Masse : 45 g, Geschwindigkeit v = 40 m/s. Wir messen die Geschwindigkeit
mit einer Genauigkeit von 1%.
x⇡
~
1,054 · 10 34 J s
⇡
⇡ 3 · 10
2 px
2(1%)(1,8 kg m/s)
33
m
(9.137)
Diese Länge ist etwa 1018 mal kleiner als der Durchmesser des Atomkerns!! Die
Unschärferelation liefert bei makroskopischen Objekten keine sinnvolle Grenze.
9.10
Der Tunnele↵ekt
Wir haben gesehen, dass die Wahrscheinlichkeit für ein in einem unendlich
tiefen Potentialtopf eingeschlossenes Elektron gleich null war, es ausserhalb
dieses Topfes zu finden. Wir betrachten nun den Tunnele↵ekt:
Der Tunnele↵ekt ist ein quantenmechanisches Phänomen, bei dem ein Teilchen
(z.B. ein Elektron) eine Potentialbarriere durchqueren kann, die im klassischen
Sinn für das Teilchen undurchdringlich sein sollte.
Wir betrachten eine Potentialwand der Höhe V0 und der Dicke 2d. Von links
nähert sich ein Elektron mit der Gesamtenergie E. Klassisch würde das Elektron für E < V0 reflektiert werden. Die Wellendarstellung des Elektrons sagt
dagegen vorher, dass es dem Elektron möglich ist, die Wand zu durchtunneln“
”
und seinen Weg nach rechts fortzusetzen. Siehe Abb. 9.43.
Wir betrachten die Schrödinger-Gleichung für die folgende potentielle Energie:
8
>
<0 x < d
Epot (x) = V0
(9.138)
d<x<d
>
:
0 x>d
Wir sind am Fall E < V0 interessiert. In der Potentialbarriere sieht die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung so aus:
E '(x) =
~2 @ 2
'(x) + V0 '(x)
2m @x2
(9.139)
oder
@ 2 '(x) 2m
+ 2 (E
@x2
~
V0 ) '(x) = 0
(9.140)
Diese Di↵erentialgleichung ist von der Form (Beachte, dass E < V0 ):
@ 2 '(x)
@x2
k 2 '(x) = 0
(9.141)
418
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
'( E
Re {
, x)}
E
x
Abbildung 9.43: Wellenfunktion beim Tunnele↵ekt (Stationäre Zustände).
mit dem Ansatz (k 2 = –2m(E–V0 )/~2 > 0):
'(x) = Aekx + Be
kx
für |x| < d ,
(9.142)
d.h. eine exponentiell verschwindende Welle. Für die Bereiche ausserhalb des
Potentialtopfes ist die Schrödinger-Gleichung (Epot = 0):
@ 2 '(x) 2mE
+ 2 '(x) = 0
@x2
~
(9.143)
oder
@ 2 '(x)
+ K 2 '(x) = 0
@x2
mit dem Ansatz (K 2 = 2mE/~2 > 0):
'(x) = CeiKx + Be
iKx
(9.144)
für |x| > d ,
(9.145)
d.h., eine sich fortpflanzende Welle mit Wellenvektor K. Wir können diesen
Ansatz verbessern, indem wir die folgende Bedingung stellen: Ein Teil der einfallenden Welle wird an der Wand der Potentialbarriere reflektiert und ein
Teil der Welle wird durch die Potentialbarriere durchtunneln“. Wir schreiben
”
daher die allgemeine Lösung als:
'(x) = Aekx + Be
= eiKx + Re
= T eiKx
kx
iKx
|x|
x
x
<d
<
d
>d
(9.146)
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
419
(Beachte k und K), wobei R der Reflexionskoeffizient ist und T der Transmissionskoeffizient.
Die Wellenfunktion '(x) muss in jedem Punkt stetig sein: Wir passen die Wellenfunktion und ihre räumliche Ableitung in den Punkten x = d und x = –d
an:
8
>
e iKd + ReiKd
= Ae kd + Bekd
>
>
>
>
>
<iK e iKd ReiKd = k Ae kd Bekd
(9.147)
>
>
Aekd + Be kd
= T eiKd
>
>
>
>
:k Aekd Be kd
= iKT eiKd
8
>
e
>
>
>
>
>
<e
iKd
+ ReiKd +
iK
k
e
iKd
ReiKd
= 2Ae
iKd
+ ReiKd
iK
k
e
iKd
ReiKd
= 2Bekd
>
>
2Aekd
>
>
>
>
:2Be kd
8
<e 2iKd + R +
:e
2iKd
8
< 1
: 1+
+R
kd
= 1+
iK
k
T eiKd
= 1
iK
k
T eiKd
2kd
iK
k
e
2iKd
R
= 1+
iK
k
Te
iK
k
e
2iKd
R
= 1
iK
k
T e2kd
iK
k
e
iK
k
R = 1+
iK
k
Te
iK
k
R
iK
k
T e2kd
1
iK 2
k
= 1
2kd
1+
1
iK
k
e
(9.148)
(9.149)
2iKd
(9.150)
2iKd
Damit folgt
e
n
T =
=
=
2iKd
n
iK 2 2kd
e
k
1
1+
2e
1
2 iK
k
K2
k2
1+
iK 2
k
{(k 2
e2kd
K 2 ) e2kd
e
o
2kd
2iK
k
2iKd
1+
2e
1
k2
iK 2
k
(k 2
2iK
k
2iKd
K 2) e
o
K2
k2
2iK
k
2kd }
e
1
k
2kd
(2iKe2kd + 2iKe
2kd )
(9.151)
Mit den Symbolen der hyperbolischen Sinus- und Kosinusfunktionen:
cosh z ⌘ 12 (ez + e z )
und
sinh z ⌘ 12 (ez
e z)
(9.152)
schreiben wir:
T =
2kKe 2iKd
2kK cosh 2kd i (K 2 k 2 ) sinh 2kd
(9.153)
420
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Dieses Resultat entspricht der Amplitude (d.h., einer komplexen Zahl) der
Transmissionswelle. Der Betrag dieser Amplitude ist daher:
|T |2 = T ⇤ T =
(2kK)2
(2kK cosh 2kd)2 + {(K 2
k 2 ) sinh 2kd}2
(2kK)2
=
(2kK cosh 2kd)2 + (K 4 2k 2 K 2 + k 4 ) sinh2 2kd
=
(2kK)2
(2kK)2 + (K 2 + k 2 )2 sinh2 2kd
(9.154)
Der Betrag des Koeffizienten verschwindet nicht! Wie erwähnt gibt es Transmission, obwohl dies im klassischen Sinn verboten ist. Wir beobachten das
Durchtunneln“ des Teilchens.
”
Diese Situation war schon in Abb. 9.43 zusammengefasst, wo die Ausbreitung
der Wellenfunktion des Elektrons für verschiedene Energien E des Elektrons
dargestellt sind.
Wir bemerken:
Für E < V0 verschwindet die Wellenfunktion nicht plötzlich in der Potentialwand, sondern nimmt exponentiell ab. Wenn die Dicke der Potentialbarriere
derart ist, dass die exponentiell abnehmende Wellenfunktion am anderen Ende
der Potentialbarriere noch nicht vernachlässigbar ist, wird das Teilchen nach
der Potentialbarriere weiterlaufen.
Obwohl die Wahrscheinlichkeit für das Durchtunneln nicht verschwindet, ist sie
im allgemeinen klein. Für grosse kd, also wenn die Potentialbarriere entweder
so hoch und/oder so breit ist, dass der Transmissionskoeffizient klein ist, gilt:
sinh 2kd ⌘
1 2kd
e
2
Daher:
|T |2 ⇡
e
2kd
⇡
1 2kd
e
2
(2kK)2
(K 2 +
k 2 )2
1 2kd 2
e
2
Nun erinnern wir uns daran, dass gilt:
r
2md2
kd =
(V0
~2
⇡
kd >> 1
(4kK)2
e
(K 2 + k 2 )2
E) > 0
4kd
(9.155)
(9.156)
(9.157)
d.h.,
beim Tunnele↵ekt hängt der Wert des Transmissionskoeffizienten empfindlich
von der Dicke d und von der Di↵erenz zwischen V0 und E ab.
Beispiel: Ein Elektron mit einer Gesamtenergie von 5 eV fällt auf eine Potentialwand, deren Höhe V0 = 6 eV beträgt. Die Breite der Wand ist 2d = 0,7 nm.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
421
Was ist der Betrag des Transmissionskoeffizienten?
r
r
2me
8⇡ 2 me
k=
(V
E)
=
(V0 E)
0
~2
h2
s
8⇡ 2 (9,11 · 10 31 kg)
=
(6 5) eV (1,602 · 10
(6,63 · 10 34 J · s)2
19
J/eV) ⇡ 5 · 109 m
1
und
K=
r
⇡
s
K=
p
2me
E=
~2
r
8⇡ 2 me
E
h2
8⇡ 2 (9,11 · 10 31 kg)
(5 eV) (1,602 · 10
(6,63 · 10 34 J · s)2
19
J/eV) ⇡ 11 · 109 m
1
D.h.,
5k
Damit gilt:
2
|T | ⇡
p
4k 5k
(6k 2 )2
2
e
4kd
=
p
4 5
(6)
2
4kd
e
2
⇡ 2e
4kd
Für eine Dicke von d ⇡ 0,35 nm finden wir:
|T |2 = 2e
4kd
⇡ 2e
4(0,35 nm)(5·109 m
1
) ⇡ 2 · 10
3
Für eine dünnere Barriere von d ⇡ 0,1 nm finden wir:
|T |2 = 2e
4kd
⇡ 2e
4(0,1 nm)(5·109 m
1
) ⇡ 0,27
(9.158)
Wir bemerken, dass die Faktoren k und K proportional zur Wurzel der Masse
des Teilchens sind. Wenn wir dieselbe Barriere und statt eines Elektrons ein
Proton betrachten, erhalten wir (die Masse des Protons ist ca. 2000-Mal so
gross wie die des Elektrons):
|TProton |2 ⇡ |TElektron |2 e
p
2000
⇡ |TElektron |2 · 4 · 10
20
(9.159)
Für ein Proton wird der Transmissionskoeffizient bereits verschwindend klein.
Es ergibt wenig Sinn, vom Phänomen bei einem makroskopischen Körper etwas
Beobachtbares zu erwarten.
Anwendung: Das Tunnel-Mikroskop
Eine feine Metallnadel wird rasterförmig (wie beim Fernseher) in einem Abstand von etwa 1 nm über eine Oberfläche geführt. Aus der Oberfläche tunneln
422
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Elektronen durch die Lücke zwischen Oberfläche und Nadel. Der dabei entstehende Tunnelstrom“ hängt sehr empfindlich (exponentiell) vom Abstand
”
zwischen Nadel und Oberfläche ab. Mit dieser Methode kann ein dreidimensionales Rasterbild der Oberfläche gewonnen werden. Mit dem Tunnel-Mikroskop
können die Oberflächen von Materialien mit sehr grosser Genauigkeit studiert
werden. Siehe z.B. Abb. 9.44.
Abbildung 9.44: Oberfläche eines Kristalls mit Schweizer-Kreuz.
9.11
Das Wassersto↵atom
In Kap. 9.8.1 haben wir ein Elektron in einem Kasten studiert. Wir haben gesehen, dass als Folge der Randbedingungen die Energie des Elektrons quantisiert
war. D.h., die Energie des Elektrons kann nur die folgenden Werte annehmen:
2
En = n E1
h2
mit E1 =
8me d2
(9.160)
wobei n = 1, 2, 3, . . . eine Quantenzahl ist. Es gibt viele andere Anordnungen,
bei denen die Energie der stationären Zustände quantisiert ist.
Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es viele experimentelle Daten über die
Linienspektren von isolierten Atomen und Molekülen. Die WellenlängenAbstände und Intensitäten der Linien sind für jedes chemische Element charakteristisch. Daher schlug N. Bohr sein Modell des Wassersto↵atoms vor
(Siehe Kap. 9.1.3). Er postulierte, dass die stabilen Bahnen des Elektrons im
Wassersto↵atom, d.h., die stationären Zustände des Elektrons, diskrete Energien besitzen:
13,6 eV
(9.161)
En =
, n = 1, 2, 3, . . .
n2
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
423
Beim Übergang des Elektrons von einem stationären Zustand der Energie E1
in einen stationären Zustand mit niedrigerer Energie E2 wird ein Photon der
Energie
E1 E2
(9.162)
E = h⌫ = E1 E2 , ⌫ =
h
emittiert.
Dieser Vorgang ist in Abb. 9.9 graphisch dargestellt. Die möglichen Energieniveaus für Wassersto↵ werden in Abb. 9.45 gezeigt. Das niedrigste Energieniveau ist der Grundzustand und ist für ein Wassersto↵atom gleich –13,6 eV.
Für n ! 1 nimmt die Energie En den Maximalwert null für ein gebundenes
Elektron an. Die Di↵erenz zwischen den beiden Niveaus ist gleich der Energie,
die dem Elektron zugeführt werden muss, um es aus dem Atom zu lösen. Diese
Energie wird als Ionisierungsenergie bezeichnet.
9.11.1
Wassersto↵atom mit Schrödinger-Gleichung
Die vollständige Lösung für das Wassersto↵atom kann mit Hilfe der
Schrödinger-Gleichung gewonnen werden. Man nimmt dabei an, dass das Proton, d.h., der Kern des Atoms, sich in Ruhe befindet.
Ein Elektron bewegt sich um den Kern mit der kinetischen Energie Ekin =
p2 /(2me ) und besitzt die potentielle Energie (Siehe Kap. 9.1)
Epot (r) =
e2 1
4⇡"0 r
(9.163)
Es folgt, dass die stationären Lösungen der Schrödinger-Gleichung die folgende
Di↵erentialgleichung erfüllen:
~2 2
E (r) =
r (r)
2m
e2 1
(r)
4⇡"0 r
(Wassersto↵atom)
(9.164)
Wir erwarten eine Kugelsymmetrie des Problems. Kugelkoordinaten werden
daher oft verwendet, weil sie in diesem Fall praktischer sind. Die Wellenfunktion kann in einen radialen Teil und in einen winkelabhängigen Teil unterteilt
werden:
(r) ⌘ R(r) Y (#, ')
(9.165)
Man verwendet nun die Darstellung des Laplace-Operators in Kugelkoordinaten:
⇢
✓
◆
1 @2
1
1 @
@
1
@2
2
(9.166)
r =
r
+
sin
#
+
r @ r2
r2 sin # @ #
@#
sin2 # @ '2
424
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
E/eV
0
0,850
1,51
1
4
3
3,40
2
13,6
1
n
Abbildung 9.45: Die Energieniveaus des Wassersto↵atoms und die ersten 5
Lyman-Übergänge.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
425
Damit erhält man die Schrödinger-Gleichung für die stationären Zustände des
Wassersto↵atoms:
E R(r) Y (#, ') =

⇢
✓
◆
~2 1 @ 2
1
1 @
@
1
@2
r
+
sin
#
+
2m r @ r2
r2 sin # @ #
@#
sin2 # @ '2
R(r) Y (#, ')
e2 1
R(r) Y (#, ')
4⇡"0 r
(9.167)
Wir bemerken, dass die Winkelabhängigkeit dem Drehimpuls entspricht. Man
kann mit der Definition des Drehimpulses zeigen, dass gilt:
L = r ⇥ p = i~r ⇥ r
⇢
✓
◆
1 @
@
1
@2
2
2
)L = ~
sin #
+
sin # @ #
@#
sin2 # @ '2
(9.168)
(9.169)
Damit gilt:
E R(r) Y (#, ') =
⇢
~2 1 @ 2
1
r
+
L2
2m r @ r2
2mr2
e2 1
4⇡"0 r
R(r) Y (#, ')
(9.170)
Die Lösung dieser Gleichung ist mathematisch kompliziert, und wir werden
diese Herleitung nicht durchführen. Wir bemerken nur, dass sie zu drei unabhängigen Quantenzahlen führt, die als n, ` und m bezeichnet werden. Diese
Quantenzahlen können beim Wassersto↵atom folgende Werte annehmen:
8
n = 1, 2, 3, 4, . . .
>
<
` = 0, 1, 2, 3, . . . , n 1
>
:
m = `, ` + 1, . . . , 0, . . . , `
Hauptquantenzahl
Drehimpulsquantenzahl
(9.171)
1, ` magnetische Quantenzahl
Die Wellenfunktion des Elektrons im Wassersto↵ wird also durch diese drei
Zahlen charakterisiert:
n`m (r)
⌘ Rn` (r)Y`m (#, ')
(9.172)
Es gilt:
1. Die Energie des Elektrons hängt nur von der Hauptquantenzahl ab:
En =
E0
n2
mit E0 =
1
e 4 me
⇡ 13,6 eV
(4⇡"0 )2 2~2
(9.173)
426
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
m = +`
`=n
1
m=0
m=
n
`
m = +1
m=0
m= 1
`=1
`=0
m=0
Abbildung 9.46: Elektronenzustände im Wassersto↵atom.
2. Die radiale Wellenfunktion hängt von n und l ab. Sie bestimmt die Wahrscheinlichkeit, das Elektron in verschiedenen Abständen vom Kern anzutre↵en.
3. Die Quantenzahlen ` und m entsprechen dem Bahndrehimpuls des
Elektrons. Man kann beweisen, dass der Drehimpuls L des Elektrons
durch
L=
p
`/` + 1) ~
` = 0, 1, 2, . . . , (n
1)
(9.174)
gegeben ist. D.h., der Drehimpuls des Elektrons ist ebenfalls quantisiert!
Die magnetische Quantenzahl gibt die Komponente des Drehimpulses in einer bestimmten Richtung an.
Eine graphische Darstellung der Elektronzustände im Wassersto↵atom ist in
Abb. 9.46 wiedergegeben.
Alle Zustände mit demselben Wert von n besitzen dieselbe Energie. Man sagt,
dass die Elektronen mit gleicher Hauptquantenzahl eine Schale bilden.
Die Schalen können weiter unterteilt werden in Unterschalen mit dem gleichen
Wert für die Bahndrehimpuls-Quantenzahl `. Die Zahl der möglichen Werte von
` für ein vorgegebenes n ist gerade gleich n. Alle Elektronen einer Unterschale
besitzen dieselbe Energie, aber verschiedenen Drehimpuls.
Die Unterschalen weisen auch eine Entartung auf, je nach dem Wert der magnetischen Quantenzahl m. Für ein gegebenes ` gibt es 2` + 1 Werte für m. Die
Zahl m entspricht der Orientierung des Drehimpulses.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
9.11.2
427
Die stationären Zustände des Wassersto↵atoms
Wir betrachten z.B. die folgenden Lösungen:
n = 1, ` = 0, m = 0
(9.175)
und
(
n = 2, ` = 0, m = 0
n = 2, ` = 1, m =
(9.176)
1, 0, 1
und
8
n = 3, ` = 0, m = 0
>
>
<
n = 3, ` = 1, m = 1, 0, 1
>
>
: n = 3, ` = 2, m = 2, 1, 0, 1, 2
(9.177)
Die entsprechenden Wellenfunktionen sind in Abb. 9.47 dargestellt. Wir
betrachten z.B. den Grundzustand mit n = 1, l = 0 und m = 0. Die Wellenfunktion zeigt eine Kugelsymmetrie, d.h., sie hängt nur vom Abstand r ab:
R(r) = p
1
⇡a30
e
r/a0
(9.178)
wobei a0 der sogenannte Bohr-Radius ist.
a0 ⌘ 4⇡"0
~2
⇡ 0,529 ⇥ 10
me e 2
10
m
(9.179)
Die (di↵erentielle) Wahrscheinlichkeit dafür, dass man das Elektron in einer
Kugelschale mit den Radien r und r + dr findet ist z.B. für den Grundzustand
gegeben durch
|
2
(r)| dV = R2 (r)(4⇡r2 ) dr =
4 2
r e
a30
2r/a0
dr ,
(9.180)
wobei 4⇡r2 dr das Volumen der Schale ist. Die radiale Wahrscheinlichkeitsdichte19 R2 (r) · (4⇡r2 ) besitzt ein Maximum bei r = a0 . Wir sprechen nicht
mehr von einer Bahn, die das Elektron um den Kern beschreibt. Man hat eine
Wahrscheinlichkeit von 90%, das Elektron innerhalb einer Kugel mit Radius
2,7 a0 zu finden. Die Frage nach der Grösse des Wassersto↵atoms ist deshalb
nicht sehr einfach zu beantworten.
Wir können nun den ersten angeregten Zustand (d.h., mit n = 2) des Wassersto↵atoms betrachten. Die Drehimpulsquantenzahl kann zwei verschiedene
19
Man beachte: Die di↵erentielle Wahrscheinlichkeit ist dimensionslos, also nur eine Zahl,
während die radiale Wahrscheinlichkeitsdichte die Dimension einer inversen Länge hat.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
E = –13.6eV
428
(a)
= 0, m =0
E = –3.40eV
n = 1,
top view
(c)
top view
(
e)
top view
z
z
z
(g)
(b)
n = 2,
= 0, m =0
side view
n = 2,
(d)
E = –1.51eV
= 1, m =1
side view
n = 2,
= 1, m =0
(f
side view
n = 2,
= 1, m = –1
+8 zusätzliche Lösungen
(i )
n = 3,
= 0, m =0
Abbildung 9.47: Einige stationäre Zustände des Wassersto↵atoms.
h)
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
nn ==2,2, `==1,1,mm=1= 1
nn== 2,
` = 1, m = 0
2, = 1, m =0
top
429
n n==2,
1, m
= 1,
m ==–1 1
2, ` =
top
zz
LL
top
z
z
L
zz
L
L
L
side
z
side
side
z
z
Abbildung 9.48: Wellenfunktionen und Drehimpuls der ersten angeregten
Zustände.
Werte annehmen: ` = 0 oder 1. Wenn die Zahl verschieden von null ist, besitzt das Elektron einen Bahndrehimpuls. Seine Komponente entlang einer bestimmten Richtung (in Abb. 9.47 und 9.48 entlang der z-Achse) wird durch
die magnetische Quantenzahl m gegeben. Der Drehimpuls kann nur in drei
unabhängige Richtungen zeigen: Er ist quantisiert! Siehe Abb. 9.48.
9.11.3
Drehimpuls and magnetische Wechselwirkung
Wir betrachten noch einmal den ersten angeregten Zustand des Wassersto↵atoms mit n = 2 und ` = 1:
2,1,m (r)
= R2,1 (r) Y1,m (#, ')
(9.181)
Wir bemerken, dass die drei Zustände dieselbe Energie besitzen: Die Energie
eines Niveaus ist von m (und `) unabhängig:
En =
E0
n2
(9.182)
430
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E
Magnet aus
Magnet ein
m=
m=
1, 0, +1
1
m= 0
m = +1
Abbildung 9.49: Die Entartung der Niveaus wird mit einem Magnetfeld aufgehoben.
Diese Zustände sind entartet und können daher nicht experimentell unterschieden werden! Man kann sagen, dass sich das Atom ein Drittel der Zeit in jedem
der drei Zustände befindet. Die resultierende Wellenfunktion ist deshalb die
Summe der drei möglichen Zustände:
2,1,m (r)
= R2,1 (r) ·
1
{Y1, 1 (#, ') + Y1,0 (#, ') + Y1,+1 (#, ')}
3
(9.183)
Nun bemerken wir, dass die Entartung mit Hilfe eines Magnetfelds aufgehoben
werden kann. Ein nichtverschwindender Drehimpuls entspricht einem umlaufenden Elektron, d.h., einer bewegten Ladung. Eine solche Ladung wird mit
einem Magnetfeld wechselwirken.
Als Folge davon hängt die Energie eines Zustands von der Richtung des entsprechenden Drehimpulses relativ zum Magnetfeld ab.
Siehe Abb. 9.49.
Zeeman20 hat ⇡ 1895 ein Experiment durchgeführt, bei dem er erfolgreich nachweisen konnte, dass die Spektrallinien von Atomen in einem sehr starken Magnetfeld in verschiedene Komponenten aufspalten (der sogenannte ZeemanE↵ekt).
Experimentell beobachtet man, dass die Aufspaltung der Energieniveaus proportional zum Magnetfeld ist:
E = µB ,
20
Peter Zeeman (1865-1943).
(9.184)
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
431
wobei µ das magnetische Moment des Atoms ist. Die Beziehung zwischen dem
magnetischen Moment und dem Drehimpuls wird dann:
µ=
mµB =
m
eh
,
4⇡me
(9.185)
wobei m die magnetische Quantenzahl und µB das Bohr-Magneton sind:
µB =
eh
⇡ 9,274 · 10
4⇡me
24
J/T ⇡ 5,788 · 10
5
eV/T
(9.186)
1915 machte Einstein zusammen mit W.J. de Haas ein Experiment, um die
Kopplung zwischen Drehimpuls und magnetischem Moment zu erklären. Wird
z.B. ein Eisenstab plötzlich magnetisiert (z.B., wenn ein Strom durch eine Magnetspule eingeschaltet wird), so wird die Entartung der Niveaus aufgehoben.
Schliesslich werden die Bahndrehimpulse der Atome ausgerichtet, weil diese
Situation vom Standpunkt der Energie aus gesehen die beste ist. Als Folge
der Drehimpulserhaltung dreht sich der Eisenstab in die umgekehrte Richtung
(Siehe Abb. 9.50).
Magnetfeld ausgeschaltet
Magnetfeld eingeschaltet
B
Abbildung 9.50: Ein Magnetfeld wird plötzlich eingeschaltet. Die Bahndrehimpulse der Atome werden ausgerichtet. Als Folge der Drehimpulserhaltung
dreht sich der Zylinder in die umgekehrte Richtung.
432
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
9.12
Eigendrehimpuls (Spin)
9.12.1
Spin des Elektrons
Ein genaueres Studium des Wassersto↵atoms (und von Atomen im Allgemeinen) zeigt, dass es noch eine andere Art Drehimpuls gibt, der Eigendrehimpuls
des Elektrons, oder kurz sein Spin.
Der Spin des Elektrons ist wie seine Ladung und seine Masse eine charakteristische Eigenschaft des Elektrons.
Der Elektronenspin ist quantisiert und kann nur die Werte +1/2 und –1/2
aufweisen:
Sz = ms ~ Spinquantenzahl ms =
1
2
oder
+
1
2
(9.187)
Wie im Fall des Bahndrehimpulses gibt es ein magnetisches Moment, das mit
dem Elektronenspin verbunden ist. Experimentell beobachtet man:
µs =
2ms µB ,
(9.188)
wobei wir den Faktor 2 bemerken. Er bedeutet, dass der Spindrehimpuls bei
der Erzeugung des magnetischen Moments zweimal so e↵ektiv wie der Bahndrehimpuls ist:
µ = mµB
(9.189)
Die zwei Positionen des Elektronspins unterscheiden sich in ihrer Energie in
einem äusseren Magnetfeld. Der Spin zeigt in dieselbe oder in die entgegengesetzte Richtung des Magnetfelds. Die Energiedi↵erenz ist
✓ ◆
✓ ◆
1
1
E=2 +
µB B 2
µB B = 2µB B
(9.190)
2
2
Diese Energie entspricht der Arbeit, die geleistet werden muss, um das magnetische Moment des Elektrons im Magnetfeld umzuklappen.
9.12.2
Spin des Protons
Das Proton hat einen Spin mit Wert 1/2 wie das Elektron. Wir betrachten
Wasser (H2 O), das freie Protonen enthält, in einem Magnetfeld B. Wenn das
Wasser einem elektromagnetischen Wechselfeld der Frequenz ⌫ ausgesetzt wird,
dann können Übergänge zwischen den beiden Orientierungen des Spins der
Protonen erfolgen. Der Prozess wird als Spinumklappung bezeichnet. Dafür
muss gelten:
h⌫ = E = 2µp B
(9.191)
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
n
`
m
ms
Besetzung der
Unterschalen
Besetzung der
Schalen
433
1
0
0
± 12
2
0, 1
0, ±1
± 12
3
0, 1, 2
0, ±1, ±2
± 12
2
2, 6
2, 6, 10
2
8
18
Tabelle 9.6: Zustände des Wassersto↵atoms (bis n = 3).
Dies bedeutet, dass die Energie der Photonen gleich der Energiedi↵erenz zwischen den Spinorientierungen sein muss. In diesem Fall wird die Energie des
elektromagnetischen Felds absorbiert!
Das magnetische Moment des Protons ist ungefähr 650mal kleiner als das des
Elektrons:
µp = 1,41 · 10 26 J/T
(9.192)
Es gilt:
2µp B
2 (1,41 · 10 26 J/T) B
⇡
·
h
6,63 · 10 34 J · s
T
Für B = 1, 8 Tesla erhalten wir Radiowellen im Kurzwellenbereich:
⌫=
⌫ ⇡ 7,66 · 107 Hz ⇡ 76,6 MHz
(9.193)
(9.194)
Untersuchungen über die magnetische Resonanz zeigen, dass der Faktor B nicht
das äussere angelegte Feld ist; dieses Feld kann durch lokale innere Felder der
Elektronen und der Kerne in den Molekülen modifiziert werden:
h⌫ =
E = 2µp (Blokal + Bäussere )
(9.195)
Damit liefert das sogenannte kernmagnetische Resonanzspektrum (NMRSpektrum) Information über die Struktur der Materie. Jedes Molekül besitzt
eine charakteristische kernmagnetische Resonanzkurve, und NMR-Geräte sind
deshalb von grossem Wert für die Untersuchungen in der Chemie (z.B. für die
organische Chemie).
9.12.3
Spin und Mehrelektronenatome
Die Spinquantenzahl verdoppelt die Anzahl der Zustände des Elektrons in Atomen (z.B. im Wassersto↵atom). Eine Darstellung dieser Klassifikation des Wassersto↵atoms nach Schalen und Unterschalen ist in Tabelle 9.6 aufgeführt.
Was geschieht im Fall von Mehrelektronenatomen? Die genaue analytische
Lösung eines Atoms mit vielen Elektronen ist ho↵nungslos (trotzdem numerisch lösbar). Man beobachtet glücklicherweise, dass:
434
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
die Zustände eines Elektrons im Mehrelektronenatom durch die genau gleiche
Folge von Quantenzahlen beschrieben werden können wie beim Wassersto↵atom.
Energie und Wellenfunktionen sind unterschiedlich, aber die Klassifikation der
Zustände in Schalen und Unterschalen bleibt unverändert.
Mit diesem Ergebnis kann das Periodensystem der Elemente aufgebaut werden.
Wir kennen heute mehr als 100 Elemente. Um typische Atome zu konstruieren,
beginnen wir mit dem Kern, der durch seine Ladung +Ze charakterisiert wird.
Wir müssen nun zum Kern Z Elektronen addieren. Wenn wir die Unterschalen
mit Elektronen au↵üllen, müssen wir beantworten, in welcher Reihenfolge die
Zustände mit den Elektronen aufgefüllt werden.
Das Prinzip der minimalen Energie besagt, dass nach dem Au↵üllen einer Unterschale das nächste Elektron in diejenige leere Unterschale eingefügt wird, bei
der das Atom den niedrigsten Energiezustand einnimmt.
Wenn wir die Elektronen auf die verschiedenen Zustände im Atom verteilen
wollen, müssen wir auch das Paulische21 Ausschliessungsprinzip verwenden:
Paulisches Ausschliessungsprinzip: Kein Zustand darf mit mehr als einem Elektron besetzt werden.
Wenn diese Regel nicht gälte, würden alle Elektronen eines Mehrelektronenatoms auf die Schale mit n = 1 fallen, und die Chemie der Elemente wäre
nicht, was sie ist!
Abb. 9.51 zeigt, wie das Periodensystem aufgebaut wird, wenn man die zwei
vorherigen Regeln verwendet. Aus historischen Gründen werden die Werte der
Quantenzahl ` durch folgende Buchstaben angegeben:
`= 0 1 2 3 4 5
Symbol: s p d f g h
(9.196)
Mit einer Schale meinen wir eine Gruppe von Zuständen, die energetisch dicht
beieinander liegen. Man beobachtet experimentell, dass ihre Stabilität besonders gross ist, wenn diese Zustände vollständig besetzt sind. Beginnend mit
Wassersto↵, bauen wir die ersten vier Perioden des Systems auf: Jede Periode
(nach dem Wassersto↵) beginnt mit einem Alkalimetall (Li, Na, K, ...) und
endet mit einem Edelgas (He, Ne, Ar, ...).
9.13
Das EPR-Paradoxon
Im Jahre 1935 haben Einstein, Podolsky und Rosen ein Gedankenexperiment
vorgeschlagen. Sie betrachteten ein aus zwei Photonen bestehendes System. Die
21
Wolfgang Pauli (1900-1958).
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
435
n ` N
US
4 1 6
Ga Ge As Se Br Kr 4p
Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn
3 2 10
4 0 2
K Ca
4s
Al Si P S Cl Ar 3p
3 1 6
3 0 2
3d
Na Mg
3s
B C N O F Ne 2p
2 1 6
2 0 2
Li Be
1 0 2
H
2s
He 1s
Abbildung 9.51: Das Periodensystem: Jede Periode (nach dem Wassersto↵)
beginnt mit einem Alkali-metall und endet mit einem Edelgas (He, Ne, Ar, ...);
n ist die Hauptquantenzahl, ` die Drehimpulsquantenzahl und N die Zahl der
Zustände in einer Unterschale (US).
436
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
experimentelle Anordnung ist die folgende: Eine Quelle emittiert gleichzeitig
und in entgegengesetzer Richtung zwei Photonen (Siehe Abb. 9.52).
Wenn ein Photon von der Quelle emittiert wird, nehmen wir an, dass sein Spin
(Siehe Kap. 9.4.5) in einer beliebigen Richtung zeigen kann (in Wirklichkeit
gibt es Regeln, die den Spin bestimmen). D.h., die entsprechende elektromagnetische Welle ist nicht polarisiert.
Wenn zwei Photonen gleichzeitig emittiert werden, können ihre Spins auch in
einer beliebigen Richtung zeigen. Diese Spins sind aber korreliert! D.h., es gibt
nur eine Wellenfunktion, die beide Photonen und ihren Spin beschreibt:
(r 1 , Jz1 , r 2 , Jz2 , t)
(9.197)
wobei r i die Ortsvektoren und Jz1 und Jz2 die Spins der Photonen entlang der
Bewegungsrichtung sind.
2
Jz2
1
Quelle
Jz1
Abbildung 9.52: Zwei Photonen werden gleichzeitig von einer Quelle emittiert.
Wir nehmen dabei an, dass sich beide Photonen durch den Raum bewegen werden, und dass nach einer gewissen Zeit t, d.h., in einem Abstand d = ct, die
Polarisation eines der Photonen gemessen wird.
Der Spin eines Photons wird immer als +1 oder –1 gemessen. D.h., der Spinvektor zeigt immer in die Bewegungsrichtungs des Photons oder in entgegengesetzter Richtung dazu.
Wenn das Photon nicht polarisiert ist, ist die Wahrscheinlichkeit, das Photon
in einer vorgegebenen Spinrichtung zu beobachten, gleich 50 %. In 50 % der
Fälle wird der Spin in Bewegungsrichtung gemessen, und in den anderen 50 %
der Fälle wird er in entgegengesetzter Richtung gemessen.
Wenn wir den Spin des Photons messen, wird der Teil der Wellenfunktion,
der den Spin beschreibt, kollabieren. D.h., nach dem Nachweis ist die Richtung
des Spins bestimmt, und die Wellenfunktion muss deshalb dieser Richtung
entsprechen.
Wir betrachten nun die Messung des Spins beider Photonen. Jeder Spin kann
als +1 oder –1 gemessen werden. Nun haben wir gesagt, dass beide Photonen,
die gleichzeitig emittiert werden, korreliert sind. Eine einzige Wellenfunktion
beschreibt beide Photonen.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
437
D.h., die Messung eines Photons wird den Zustand des anderen Photons beeinflussen!
Dieser Einfluss ist spontan und wirkt immer, auch wenn die Photonen sehr
weit voneinander entfernt sind.
Man sagt, dass die Quantentheorie nicht lokal ist, d.h. die Messung an einem
bestimmten Ort des Raumes kann die Beobachtungen in einem anderen, a
priori sehr entfernten Ort, spontan beeinflussen.
Dass eine solche nichtlokale Wirkung tatsächlich existiert, wurde vor kurzem
noch einmal experimentell bewiesen. Siehe Abb. 9.53. Im Experiment wurden
die nichtlokalen Quantenkorrelationen zwischen Photonen mit einem Abstand
von 10 km nachgewiesen! Zwei Infrarotphotonen wurden erzeugt und durch
optische Glasfasern ungestört in sehr entfernte Bereiche gebracht.
Die experimentellen Resultate sind in ausgezeichneter Übereinstimmung mit
der Theorie!
Dies besagt, dass die Wellenfunktion beider Photonen wirklich dieselbe ist. Die
Photonen bewegen sich mit beiden Spinzuständen, bis einer der Spins gemessen
wird. Die Wellenfunktion kollabiert dann spontan und beeinflusst den Spin
des anderen Photons. Dies geschieht spontan, unabhängig von der Entfernung
zwischen beiden Photonen.
Das sogenannte EPR-Paradoxon ist kein Widerspruch!
Anwendung: Das Licht eines weit entfernten Sterns
Am Abend beobachten wir die Sterne am Himmel. Was geschieht vom Standpunkt der Quantenmechanik aus betrachtet?
Wir betrachten ein Photon, das vom weit entfernten Stern emittiert wurde. Wir
nehmen an, dass der Stern das Licht isotrop emittiert. Als Folge nehmen wir an,
dass die Wellenfunktion des emittierten Photons sich isotrop und kugelförmig
radial ausbreitet. Siehe Abb. 9.54. Die Wahrscheinlichkeit, das Photon über die
gesamte Kugel nachzuweisen, ist konstant (wenn das Photon nicht nachgewiesen wird). Daher hängt die Wahrscheinlichkeit, das Photon in einem Punkt der
Kugel nachzuweisen, vom Inversen der Fläche der Kugel ab. Wie erwartet hängt
die Intensität des Sternenenlichts vom Inversen des Quadrats des Abstands ab.
Wir bemerken, dass die Wahrscheinlichkeit, das Photon nachzuweisen, dieselbe
ist für jeden Punkt des Universums, der sich im gleichen Abstand vom Stern
befindet (wenn das Photon wirklich isotrop emittiert wurde).
Wir befinden uns nun auf der Erde. Die Wahrscheinlichkeit, ein Photon von
einem weit entfernten Stern nachzuweisen, ist klein. Was passiert, wenn wir
trotzdem ein Photon des Sterns absorbieren? Die ganze Wellenfunktion (eine
Kugel mit einem Radius gleich der Distanz Stern-Erde) wird spontan in unserem Auge (oder im Punkt, wo wir das Photon nachgewiesen haben) kollabieren.
438
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Abbildung 9.53: Paare korrelierter Photonen werden in Genf erzeugt, wobei jedes der Zwillingsphotonen durch ein Swisscom-Fiberoptik-Netzwerk mit Analysatoren in Bernex bzw. in Bellevue geführt wird. Die Ergebnisse dieser Messungen wurden nach Genf übermittelt und beweisen die Existenz nichtlokaler
Quantenkorrelationen.
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
439
S
E
Abbildung 9.54: Ausbreitung der Wellenfunktion eines Photons, das von einem
weit entfernten Stern S emittiert wurde und auf der Erde E nachgewiesen wird.
9.14
Eine weitere Unschärferelation
In dieser Vorlesung haben wir oft von der Energieerhaltung gesprochen. Wir
haben gesehen, dass viel in der Physik auf ihr basiert. Nach de Broglie hängt
die Frequenz eines Teilches mit der Energie über die Beziehung
E = ~!
(9.198)
zusammen. Wenn wir nun eine harmonische Welle betrachten, sehen wir dieselbe Symmetrie zwischen Ortsvektor und Wellenvektor wie zwischen Kreisfrequenz und Zeit:
(x, t) = Aei(kx
!t)
mit k =
p
~
und ! =
p2
2m~
(9.199)
Diese Symmetrie führt zu einer zusätzlichen Unschärferelation für die Energie
und die Zeit:
E
t
~
2
Heisenbergsche Unschärferelation
Es ist demnach unmöglich, die Energie E während eines Zeitintervalls
einer Genauigkeit kleiner als E zu messen.
(9.200)
t mit
Wenn wir sehr kurze Zeitintervalle betrachten, können wir nicht mehr sagen, ob
die Energie wirklich erhalten wird, weil es nicht mehr möglich ist, die Energie
mit unendlicher Genauigkeit zu definieren.
440
Physik, FS 2013, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Man kann sagen, dass die Energie eines Systems nicht erhalten werden muss,
solange wir die Verletzung der Energieerhaltung nicht messen können! D.h., die
Energieerhaltung kann während sehr kurzen Zeitintervallen verletzt werden.
Eine interessante Folge davon ist, dass das Vakuum nicht wirklich leer“ ist.
”
Es wirken sogenannte Quantenfluktuationen des Vakuums, bei denen Elementarteilchen während sehr kurzen Zeitintervallen aus dem Vakuum erzeugt
werden. Die Erzeugung dieser Teilchen der Gesamtmasse M würde im Prinzip zu einer Verletzung der Energieerhaltung führen. Wenn diese Teilchen nur
während des Zeitintervalls t leben und sich nachher vernichten, wobei
t⇡
~
~
⇡
2 E
2M c2
(9.201)
gilt, kann diese Verletzung der Energieerhaltung nicht bemerkt werden. Solche
E↵ekte wurden experimentell nachgewiesen, und sie beweisen noch einmal, dass
die Konzepte der Quantentheorie eine richtige Beschreibung der Natur ergeben.
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