Kosmogonie Das dunkle Zeitalter Von der Rekombination bis zu den ersten Sternen Temperatur- und Dichteverlauf 10100 PlanckAera GUTAera QuarkAera Hadron LeptonAera Aera 1080 WIMPS entstehen StrahlungsAera MaterieAera WIMPS entkoppeln 1060 Dichte 1040 Nukleosynthese [g/cm3] 1020 Temperatur [K] 1 Rekombination 10-20 10-40 10-50 Inflation heute 10-40 10-30 10-20 © Dr. R. Göhring 10-10 [email protected] 1 1010 1020 V-2 Dunkle Materie • Hot dark matter HDM – Besteht aus (hypothetischen) Teilchen, die sich mit einer Geschwindigkeit nahe Lichtgeschwindigkeit bewegen. – Kandidaten wären z.B. die Neutrinos. – Es zeigt sich, daß mit der HDM die Strukturbildung im Universum nicht in der Form möglich ist, wie wir sie kennen. • Cold dark matter CDM – Besteht aus den (hypothetischen) schweren WIMPS. – Nach der ihrer Entkopplung von der Materie und Strahlung bestimmen die Fluktuationen der kalten Dunklen Materie die Dichteverteilung im frühen Universum. – Nur mit CDM kann die Strukturbildung sinnvoll erklärt werden. © Dr. R. Göhring [email protected] V-3 Dichte des Universums Dichte des Universums [g cm-3] 1010 strahlungsdominiert 1 materiedominiert Strahlung 10-10 Materie Rekombination 10-20 10-30 sec 10-40 1 102 104 106 108 © Dr. R. Göhring 1010 1012 ca. 100.000 a [email protected] 1014 1016 heute 1018 V-4 Dichtefluktuation d • Dichtefluktuationen entstehen bereits ganz zu Beginn in der Planck-Äre aufgrund quantenmechanischer Effekte. • Nach der Entkopplung der CDM sind diese Dichtefluktuationen im Wesentlichen solche der Dunklen Materie. • Die Dichtefluktuation der Baryonen unterscheidet sich vor der Rekombination von der der CDM: – Zu Beginn des materiedominierten Universums ist die Dichte der Strahlung nach wie vor größer als die der baryonischen Materie. – Durch die Wechselwirkung der Strahlung mit der Materie wird die Fluktuation der Materiedichte „geglättet“. – Erst nach der Rekombination wird die Verteilung der Baryonen ähnlich der der Dunklen Materie. © Dr. R. Göhring [email protected] V-5 Plasma-Schwingungen • In dem Plasma existieren Dichteschwankungen verursacht durch Quantenfluktuationen in der Frühphase kurz nach dem Urknall. • Das Plasma – die baryonische Materie – gerät dadurch in Schwingungen. • Die Schwingung breitet sich mit der Schallgeschwindigkeit vc des Plasmas aus: vc 3 0,6 c • Es können nur Plasmawolken schwingen, die in den 380.000 Jahren mindestens einmal von einer Schallwelle durchlaufen wurden Schallhorizont Ls ≈ 240.000 Lj • Ls ist die „Grundschwingung“ in der Hintergrundstrahlung. http://background.uchicago.edu/ © Dr. R. Göhring c [email protected] V-6 Winkel des Schallhorizonte • Unter welchem Winkel α sehen wir heute – nach etwa 13,7 Milliarden Jahren – den Schallhorizont Ls ≈ 240.000 Lj? Ls • Der Zeitpunkt, als das Universum durchsichtig wurde und die Hintergrundstrahlung entstand, entspricht einer Rotverschiebung z ≈ 1000 Ls Ls • Durch die Expansion des Universums hat sich der damalige Schallhorizont ausgedehnt: Ls(heute) = (1+z)·Ls Ls(heute) ≈ 2,4·108 Lj • Wenn das Universum flach ist, muß der Winkel α sich ergeben zu α = (2,4·108)/(13,7·109) ≈ 0,018 α ≈ 1o © Dr. R. Göhring [email protected] V-7 Powerspektrum © Dr. R. Göhring [email protected] V-8 http://map.gsfc.nasa.gov/m_ig/030639/bentspace1.jpg Einfluß der Krümmung K http://background.uchicago.edu/ © Dr. R. Göhring [email protected] V-10 Strukturbildung nach der Rekombination • Baryonen und Strahlung sind entkoppelt mit der Folge, daß die Interaktion zwischen Photonen und Baryonen seltener werden. • Baryonen können daher in den Potentialtopf der Dunklen Materie „fallen“ und die Verteilung von Baryonen und Dunkler Materie wird sehr ähnlich. • Diese Potentialtöpfe sind die Geburtsstätten der ersten Sterne und in der Folge der Galaxien. © Dr. R. Göhring [email protected] V-11 Dichtefluktuation r(r,tx) r r d(r, t x ) r(r, t x ) r(t x ) r(t x ) Wie entwickeln sich die Dichtefluktuationen mit der Expansion des Universums ?? © Dr. R. Göhring [email protected] V-12 Gravitative Instabilität • Ein überdichtes Gebiet mit Dr > 0, d.h. auch d > 0, erzeugt ein stärkeres Gravitationsfeld als im kosmischen Mittel. • Durch diese Selbstgravitation expandiert das Gebiet langsamer als die mittlere Hubble-Expansion. • Durch die verlangsamte Expansion nimmt die Dichte langsamer ab als im kosmischen Mittel (~ a-3(t)r0) mit der Folge, daß der Dichtekontrast dort ansteigt. • Damit steigt wieder die relative Dichte und diese erzeugt ein noch stärkeres Gravitationsfeld …… • Umgekehrt verläuft der Prozeß in unterdichten (d < 0) Regionen. • Die gravitative Instabilität führt zu einem Anwachsen der Dichtefluktuationen. © Dr. R. Göhring [email protected] V-13 Heutige Dichtefluktuation rückgerechnet • Heutige Dichtefluktuation auf Skalen der Superhaufen (~10 Mpc): d ~ 1. • Zum Zeitpunkt der Rekombination (z ≈ 1000) müßte demnach d ≥ 10-3 betragen haben. • In ähnlicher Größenordnung müßte dann auch die Temperaturfluktuation gelegen haben: DT/T ≥ 10-3. Beobachtet wird aber DT/T ~ 10-5. • Das spricht für die Dominanz der Dunklen Materie, die einen größeren Dichtekontrast (unterhalb ~1o) hat und Potentialtöpfe bilden kann, in die die Baryonen nach der Rekombination hineinfallen können. © Dr. R. Göhring [email protected] V-14 Abkopplung der dichteren Bereiche von der Expansion (Violent Relaxation) • Stellen wir uns einen kugelförmigen Bereich dunkler Materie vor mit einer Überdichte d > 0 gegenüber der Umgebung mit der mittleren Dichte. • Wegen höheren Gravitation expandiert die Kugel langsamer als das Universum als Ganzes mit der Folge, daß der Dichtekontrast weiter erhöht wird. • Die Expansionsgleichung der Kugel ist die gleiche FriedmannGleichung wie für das übrige Universum, mit dem Unterschied, daß der Bereich eine größere Masse besitzt. • Hat die Kugel eine entsprechend große Masse, dann kommt die Expansion bei einem maximalen Radius zum Stillstand und kollabiert dann. • Die Dunkle Materie fällt nicht radial zusammen, sondern streut an lokalen Dichteschwankungen und „virialisiert“, d.h. bildet lokale Verdichtungen. © Dr. R. Göhring [email protected] V-15 Sphärischer Kollaps d a(t) H0 m m L 1 a2 (t) L dt a(t) • Den quantitativen Verlauf der Expansion des Universums mit dem LCDM-Modell zeigt die blaue Kurve. a(t) 1 M=0,3; L=0,7 200· M; L=0,7 0.8 • Für einen Bereich mit der Dichte von 200·M zeigt die rote Kurve, wie er sich von der allgemeinen Expansion abkoppelt und 0.6 0.4 • schließlich kollabiert. • Dies sind die 0.2 0 1 2 Halos Dunkler Materie t 0 0.2 0.4 0.6 0.8 heute • Sie sind die Geburtsstätten der Sterne und Galaxien. © Dr. R. Göhring [email protected] V-16 Bottom-up Szenario • Die Masse eines Halos Dunkler Materie muß eine Grenzgröße überschreiten, damit das Gas einströmen kann. • Diese Grenzmasse ist die Jeans-Masse MJ; sie definiert die minimale Masse eines Halos für den gravitativen Einfall des Gases: 3/2 5/2 c2s M MJ 6 G 1 r T3 r • cs ist die Schallgeschwindigkeit in dem Gas, und G die Gravitationskonstante. • Solch ein Halo Dunkler Materie hat eine Masse von ~106 M. Er ist die Voraussetzung für die Bildung erster Sterne. • Bottom-up Szenario: Es bilden sich zuerst kleine Halos Dunkler Materie, die durch Vereinigung größere bilden. © Dr. R. Göhring [email protected] V-17 Millenium-Simulation • Numerische Simulation von „Teilchen Dunkler Materie“ für einen Ausschnitt des Universums 2005 durchgeführt am Max-PlanckInstitut für Astrophysik in Garching (V. Springel et.al.) – Kosmologisches Modell: LCDM mit m = 0,25, L = 0,75, Hubble-Konstante = 100·h mit h = 0,73. – Kantenlänge des Würfels = 500h-1 Mpc (= 685 Mpc). – Anzahl der „Teilchen“: (2160)3 ≈ 1010. – Masse der „Teilchen Dunkler Materie“: 8,6·108h-1 M. – Räumliche Auflösung ~5h-1 kpc (≈ 22.000 Lj ≈ 1/5 Durchmesser der Milchstraße) – Dauer: 28 Tage Rechenzeit auf einer IBM p690 mit 512 Prozessoren (~0,2 TFlops). • Das Ergebnis der Simulation sind die Positionen und die Geschwindigkeiten der ~109 „Teilchen“ in Abhängigkeit von der Rotverschiebung z; von z = 127 bis z = 0 (heute). • Die Analyse dieser gigantischen Datenmenge ist mindestens so aufwendig wie die Simulation selbst. © Dr. R. Göhring [email protected] V-18 Quelle: Springel, V. et al. 2005, astro-ph/0504097 Millenium-Simulation: Ergebnisse 1 • Die Anfangsbedingungen für die Simulation werden für sehr große „z“, d.h. große Rotverschiebungen, festgelegt. • Die „Teilchen“ der Dunklen Materie werden in dem zu simulierenden Raumausschnitt so verteilt, daß ihre Dichtefluktuation (oder das entsprechende Leistungsspektrum) dem theoretisch bekannten entspricht. 2 • Die sich aus der Simulation ergebenden Informationen über die Positionen und Geschwindigkeiten können dann z.B. nach den Gesichtspunkten ausgewertet werden: – Betrachtung unter dem Aspekt unterschiedlicher räumlicher Auflösung (zoom in; Film 1) oder – als Entwicklung der Strukturen in Abhängigkeit von der Zeit resp. der Rotverschiebung (Film 2). Quelle: http://www.mpa-garching.mpg.de/galform/data_vis/index.shtml © Dr. R. Göhring [email protected] V-20 Millenium-Simulation: Statistische Aussagen © Dr. R. Göhring • Mit den Auswertungen der Simulation lassen sich nur statistische Aussagen treffen. • Es kann demnach kein Ergebnis der Simulation sein, daß z.B. in genau 2,7 Mio. Lichtjahren Entfernung von unserer Galaxie sich eine andere befindet, die genau der AndromedaGalaxie entspricht. • Es sind nur statistische Aussagen in der Form der mittleren Dichtefluktuation sinnvoll [email protected] V-21 Quelle:http://www.mso.anu.edu.au/2dFGRS/ © Dr. R. Göhring [email protected] V-22 Bildung von Galaxien Baryonische Materie strömt in Halos Dunkler Materie ein; Galaxien können sich aber nur dort bilden, wo das Dichtefeld einen kritischen Wert dc überschreitet (blaue gepunktete Bereiche). d dc x Man kann daher erwarten, daß die Verteilung der Galaxien im Universum korreliert ist mit der Verteilung der Dunklen Materie. © Dr. R. Göhring [email protected] V-23 Gas und Dunkle Materie Quelle: http://www.mpa-garching.mpg.de/galform/data_vis/index.shtml • Die Simulation beschreibt die Entwicklung der Dunklen Materie in Abhängigkeit von der Zeit resp. der Rotverschiebung z. • Wesentlich ist dabei die Bildung der Halos Dunkler Materie und deren Verschmelzung. • Das Gas – die baryonische Materie – folgt zunächst der Dunklen Materie. Wenn aber das Gas dicht genug ist, spielen andere physikalische Prozesse eine Rolle – Heizung, Kühlung, Reibung etc. –, denen die Dunkle Materie nicht unterworfen ist. • Diese Prozesse müssen mit anderen Methoden simuliert werden. • Die Verteilung der „leuchtenden“ Materie folgt aber weitgehend der Verteilung der Dunklen Materie. © Dr. R. Göhring [email protected] V-24 Galaxien und Dunkle Materie • Linke Spalte der Abb. zeigt einen der massereichsten Halos der Millennium-Simulation zu verschiedenen Zeiten der Entwicklung – bei z = 6,2 und heute (z = 0). • In der rechten Spalte werden die zu diesen Zeiten vorhandenen Galaxien in diesem Halo dargestellt. • Im oberen – zu dem frühen Zeitpunkt – verdeutlichen die blauen Punkte Galaxien mit jungen, heißen Sternen der Population III. Quelle: Springel, V. et al. 2005, astro-ph/0504097 © Dr. R. Göhring [email protected] • Im unteren – heute – existieren zahlreiche Galaxien mit metallreichen Sternen der Population I und II, erkennbar an den roten Punkten. V-25 Statistische Befunde • Der Vergleich statistischer Untersuchungen von Beobachtungen und Ergebnisse der MillenniumSimulation zeigen überzeugende Übereinstimmungen. • Die roten Punkte zeigen die Messungen der 2-Punkt-Korrelation modellierter Galaxien zum heutigen Zeitpunkt (vergleichbar mit der mittleren Dichtefluktuation). • Die blauen Punkte sind die Ergebnisse an konkreten, beobachteten Galaxien (2dFGRS). Quelle: Springel, V. et al. 2005, astro-ph/0504097 © Dr. R. Göhring • Die gestrichelte Linie gibt die Korrelationsfunktion der Dunklen Materie wieder. [email protected] V-26 Erste Sterne • Die Entstehung erster kompakter Objekte in dem Gemisch aus im wesentlichen Wasserstoff, Helium sowie Halos Dunkler Materie ca. 30 Mio. Jahre nach dem Urknall (z ~ 65) bildete den entscheidenden Übergang von der ursprünglichen „Einförmigkeit“ zur heutigen komplexen Struktur dar. • Molekularer Wasserstoff – H2 – ermöglichte, daß die kollabierenden Wolken aus Gas (Masse 105 – 106 M) soweit abkühlen konnten, daß sich Sterne bilden konnten – bestehend fast ausschließlich aus Wasserstoff und Helium und – mit einer Masse von ~100 M und damit – eine extrem kurze Lebensdauer von 2 – 3 Millionen Jahren. • Die Strahlung des jungen Sterns bewirkt, daß der molekulare Wasserstoff in der Umgebung dissoziiert und der Wasserstoff ionisiert wird. • Die Supernova-Explosion sorgt dann dafür, daß das Gas in dem Halo mit höheren Elementen – z.B. Kohlenstoff und Sauerstoff – angereichert wurde und so Sterne der 2. Generation – Population III Sterne – gebildet wurden, langlebige Sterne, die ggf. heute noch beobachtet werden können. © Dr. R. Göhring [email protected] V-27 Reionisation Quelle: Loeb, A., 2008, astro-ph/0804.2258v1 Kühlung von atomarem Wasserstoff und Helium kann nur in Halos mit einer Masse über ~108 M erfolgen, wo das einfallende Gas aufgeheizt wird auf über 10.000 K. Diese bildeten sich bei einer Rotverschiebung um z = 45, entspr. einem Weltalter von ca. 50 Mio. Jahre. Damit beginnt die vollständige Reionisation und die weitere Aufheizung des intergalaktischen Mediums über 10.000 K. Bei diesen Temperaturen kann in dem Gas erst wieder in Halos mit einer Masse von mehr als ~109 M eine Sternbildung erfolgen. Erste Halos von der Größenordnung unserer Milchstraße M = 1012 M bilden sich dann bei einem Weltalter von 400 Mio. Jahren (z ≈ 12). © Dr. R. Göhring [email protected] V-28