Die Lutherische Kirche Sankt Martin zu Montbéliard

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Die Lutherische Kirche Sankt Martin
zu Montbéliard
Eglise protestante unie de France
Paroisse de Montbéliard
18 rue Viette 25200 Montbéliard
Die Lutherische Kirche Sankt Martin zu Montbéliard
Die Kirche Sankt Martin zu Montbéliard wurde zwischen 1601 und 1607
erbaut. Sie ist das älteste noch erhaltene Bauwerk Frankreichs, das aus
dem Gedankengut der Reformation hervorgangen ist. Freilich wurden in
der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts auch andere evangelischen Kirchen
in Frankreich gebaut, doch diese wurden später alle wieder zerstört.
Die Kirche Sankt Martin ist das Werk zweier Männer : des Prinzen
Friedrich I. und des Architekten Heinrich Schickhardt.
Prinz Friedrich wurde 1557 im Schloss zu Montbéliard geboren, nur
einige Monate vor dem Tode seines Vaters, des Grafen Georg. Nach
seinem Studium in Stuttgart und Tübingen kehrte Friedrich nach
Montbéliard zurück, wo er 1581 die Herrschaft übernahm.
Von hochmütigem und autoritärem Charakter, doch zugleich neugierig
und weltoffen, tat er viel für die Entwicklung der Grafschaft. Sein
absolutistischer Herrschaftsstil wurde lediglich vom Mömpelgarder
Magistrat etwas gedämpft, der in rechtlichen Angelegenheiten
Mitspracherecht hatte. Alle zivilen, militärischen und religiösen Fragen
hingegen fielen in den Machtbereich des Prinzen.
Während seiner 27jährigen Herrschaft erlebte unsere Region in vielen
Bereichen - vom Städtebau über Wissenschaft, Technik und
Landwirtschaft,
bis
hin
zu
sozialen
und
religiösen
Organisationsstrukturen - einen nie zuvor gekannten Aufschwung.
Heinrich Schickhardt wurde 1558 in Herrenberg (Württemberg) als
Sohn einer kleinbürgerlichen Familie geboren. Heinrich trat in die
Architekturwerkstatt der Herzöge zu Württemberg ein, wo schon bald
seine Begabung für Bauplanung und -gestaltung bemerkt wurde. Man
vertraute ihm immer wichtigere Aufgaben an, wie z.B. den Wiederaufbau
der abgebrannten Stadt Clerval.
Zu diesem Anlass traf er Prinz Friedrich. Die beiden Männer waren
gleich alt und teilten dieselbe Leidenschaft für Architektur. Friedrich
nahm Schickhardt, der 1600 nach Montbéliard zog, in seinen Dienst,
und beauftragte ihn im Jahr 1601 mit dem Bau einer lutherischen Kirche.
Hauptgrund der Errichtung der Kirche Sankt Martin, anstelle eines
kleineren Bauwerkes am selben Standort, war wohl das rasante
Bevölkerungswachstum der Stadt (1590 zählte die Stadt 2000
Einwohner, 1618 waren es bereits 3600), das vor allem auf den Zustrom
französischer Hugenotten zurückzuführen ist, die infolge der
Religionskriege in Montbéliard Zuflucht suchten.
Einige deutsche Historiker führen jedoch eine Legende an: so soll Prinz
Friedrich, als er einem fürchterlichen Sturm auf einer Englandreise
entkommen war, gelobt haben, sieben Kirchen zu Ehren Gottes
errichten zu lassen. Gelöbnisse entsprechen jedoch nicht lutherischem
Brauchtum, weshalb am Wahrheitsgehalt dieser Legende gezweifelt
werden kann.
Sicher hingegen ist, dass der Bau der Kirche Sankt Martin dem
Bedürfnis des Prinzen entsprang, nach aussen hin seine Macht zu
demonstrieren. Der Architekt Schickhardt konnte darüber hinaus auf
diese Weise seinem Bauherrn sein Talent beweisen.
Der Grundstein der jetzigen Kirche wurde am Donnerstag 5. März 1601
in Anwesenheit des Superintendenten der Kirche, der Pfarrerschaft, des
Schlossgouverneurs und aller
Obrigkeit der Stadt und des
Folgende Inschrift, im Original lateinisch, wurde in die
Fürstentums gelegt.
Gründungsmauer zum Rathaus hin verewigt :
Die
Rohbauarbeiten
erstreckten sich über 4 Jahre,
von 1601 bis 1605 (am
Südportal
ist
noch
die
Jahreszahl 1604 zu lesen).
Zwei
Arbeitergruppen
arbeiteten daran, eine aus
Montbéliard, die andere aus
Württemberg.
Die verwendeten Materialien
stammen
alle
aus
der
näheren
Umgebung
:
Kalkstein aus Vandoncourt,
Sandstein aus Chagey und
Champey, insgesamt mehr
als 20 000 geschnittene oder
behauene Steine. Der aus
Tanne aus Porrentruy und
Eiche aus Etobon hergestellte
IM JAHRE DES HEILS 1601, AM 3. DER
MÄRZNONEN, UNTER DEM
REGIERENDEN KAISER RUDOLF II.,
wurde der Grundstein dieses Tempels
gelegt, den, durch Gottes Gnade, der sehr
erlauchte Prinz und Herr Friedrich, Herzog
zu Württemberg und Teck, Graf von
Mömpelgard, durch seine fromme
Freigebigkeit, anstelle eines älteren und
engeren, hat wollen neu und weiträumig
machen.
Dies ist das Werk des sehr erlauchten
Architekten Heinrich Schickhardt aus
Herrenberg.
DASS DIESER ORT ZU LOB UND EHRE
CHRISTI, SOWIE DER ERBAUUNG
SEINER KIRCHE DIENEN MÖGE.
DAS WALTE GOTT, DER SEHR GUTE
UND SEHR GROSSE.
AMEN
Dachstuhl wurde innerhalb von 3 Wochen im August 1604
aufgeschlagen. Dieser besteht aus 500, teilweise bis zu 15 Meter langen
Balken. Hingegen zog sich die Dacheindeckung in die Länge : die 60 000
benötigten Ziegel kamen aus Montbéliard und Héricourt.
Das Kirchenschiff ist 37 Meter lang und 16 Meter breit, die 11 Meter hohe
Hängedecke ist nur am Dachstuhl befestigt, was eine bemerkenswerte
technische Leistung darstellt. Früher stellte das zentrale Rundbild das
Wappen der Württemberger dar, heute ist der gute Hirte abgebildet, das
Werk eines unbekannten Malers aus dem 17. Jahrhundert.
Die für die Gestaltung der Fassaden gewählte toskanische
Säulenordnung ist typisch für die italienische Renaissance.
Vierunddreißig flache Pilaster ruhen auf einem 2,45 Meter hohen
Säulenstuhl. In der Mitte der Chorhaube doppelt ausgeführt, teilen diese
Pilaster das Gebäude in sieben Zwischenräume der Länge nach, und in
drei Zwischenräume der Breite nach, jeder durch ein Fenster erleuchtet,
deren Giebel abwechselnd dreieckig oder gebogen sind. Die Portalgiebel
waren mit einem runden Fenster gekrönt und mit gemalten
Wappenschildern verziert, die (bis auf eins) zur Zeit der französischen
Revolution verschwanden.
Zwei Säulen mit toskanischen Kapitellen flankieren das Südportal auf der
Außenseite. Der Portalgiebel ist mit einer lateinischen Widmung
versehen, deren Übersetzung lautet :
Die festliche Einweihung fand am 18. Oktober 1607 in Anwesenheit der
Obrigkeiten, der neun Ratsherren, der Körperschaft der XVIII und einer
immensen Anzahl an Personen aus dem „Pays de Montbéliard" statt. Auf
die Predigt des Pfarrers Samuel Cucuel folgte das Abendmahl.
Die
innere
künstlerische
Ausgestaltung der Kirche und der
Fassadengiebel, sowie der von
Schickhardt
vorgesehene
Glockenturm
wurden
nie
fertiggestellt. Diese Unterbrechung
der Arbeiten sind wohl auf
Finanzprobleme, wahrscheinlicher
aber auf Friedrichs Tod im Jahre
1608 zurückzuführen. Seine Erben
waren bescheidener und liebten
Montbéliard nicht so wie Friedrich,
Der sehr erlauchte Prinz
Friedrich,Herzog zu Württemberg und
Teck, Graf von Mömpelgard, etc, hat in
seinem frommen Eifer diesen neuen,
an Gott dem sehr grossen und sehr
guten geweihten Tempel errichtet.
MDCIIII
Werk des Architekten Heinrich
Schickhardt 1604
Das Erkennungszeichen des Bildhauers Pierre
Aigner ist darunter zu sehen..
weswegen sie auf prächtige Vorhaben für die Stadt verzichteten. Die
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten dieser Zeit
werden auch eine Rolle gespielt haben.
Nach wiederholten Restaurierungen (besonders im Jahre 1837) zeigt die
Kirche Sankt Martin nicht mehr dasselbe Gesicht wie damals. Die Kanzel
befand sich auf der linken Seite, und das von der heutigen Kanzel
verdeckte Fenster stand offen.
Die Reformation in Montbéliard
1520 wurde dem seit 1498 amtierenden Graf von Württemberg, Ulrich,
durch Kaiser Karl V. die Reichsacht erklärt und er fand in Montbéliard
Zuflucht. Um seine Güter zurückzuerlangen, nahm er Kontakt mit
Bankleuten in Basel
auf, von denen er sich
provisorischer Glockenturm wurde 1677 errichtet.
die
nötigen
Gelder Ein
Ursprünglich mit drei aus dem Schloss stammenden Glocken
erhoffte.
versehen, beinhaltet er heute noch die Glocke des früheren
Klosters von Belchamp. Diese trägt folgende Inschrift :
In
Basel
traf
er
VOX MEA CONCTORUM SIT TERROR
Anhänger von Zwingli
DOEMONUM
und
Oekolampad
;
Meine Stimme sei aller Dämonen Entsetzen
durch die neuen Ideen
Bruder Jehan Vaucher, Abt 1517
angezogen, bekehrte er
sich im Jahre 1524 und
berief Wilhelm Farel,
einen in Gap geborenen Prediger, nach Montbéliard, um den Einwohnern
die Grundprinzipien der Reformation beizubringen.
Ab dem Jahr 1525 wurde durch den Druck von Außen (Erzbistum von
Besançon, katholische Prinzen in der Schweiz) Ulrichs Lage zusehends
schwieriger, denn ihm drohte der Verlust der Unterstützung, die er auf der
anderen Seite des Juragebirges bisher erhalten hatte. Er schickte Farel
weg, der sich dann später in Genf Calvin anschloss. Diese erste
Einführung der Reformation in Montbéliard kann als halber Rückschlag
angesehen werden.
1530 bekam Ulrich sein Eigentum in Württemberg zurück und vertraute
seinem Bruder Georg die Regierung in Montbéliard an. Dieser ließ 1535
einen neuen Reformator kommen, Pierre Toussain, einen ehemaligen
Domherrn aus Metz, der in Tübingen studiert hatte. Toussain begann
damit, die evangelische Gemeinde in Montbéliard zu organisieren. 1538
wurde die Messe abgeschafft, die Priester wurden vertrieben und die
Kirchen dem evangelischen Kult übergeben.
Im Jahre 1541 wurde Georg die Regierung Montbéliards entzogen, da
Ulrich sie seinem Sohn Christof anvertrauen wollte, der ein überzeugter
Lutheraner war. Man kann davon ausgehen, dass im Jahre 1541 die
wirkliche Einführung des Protestantismus in Montbéliard erfolgte.
1548 erlegte Karl V. den Katholizismus als Reichsreligion auf. Diese Zeit
des „Interims“ dauerte aber nur ein paar Monate. 1552 schrieb Christof
definitiv das Luthertum in Montbéliard vor. Durch Toussain beeinflusst,
veröffentlichte er 1559 eine Ordnung, die das religiöse Leben regelte.
Sie führte u. a. die Schulpflicht für Jungen wie Mädchen ein.
Ab 1562 fanden zahlreiche Hugenotten, Anhänger Calvins, die in den
Religionskriegen aus Frankreich vertrieben worden waren, in
Montbéliard Zuflucht. Sehr schnell rieben sie sich an den lutherischen
Prinzen. Im Jahre 1586 wurde ein Kolloquium nach Montbéliard gerufen,
in dem von Andreas geleitete württembergische Lutheraner und
französische Calvinisten, an deren Spitze Theodor Beza stand,
miteinander ins Gespräch kommen sollten. Das Kolloquium konnte sich
zu keinem Abkommen durchringen. Der Prinz entschied 1588 die
Sache : das Luthertum als Staatsreligion sollte nun die einzig
zugelassene Glaubensform in Montbéliard sein. Zahlreiche Calvinisten
verließen daraufhin die Stadt.
Im Jahre 1677 besetzten französische Truppen Montbéliard. Ludwig
XIV. befahl, sie dem Erdboden gleich zu machen. Doch angesichts der
Entschlossenheit der deutschen Fürsten beruhigte er sich wieder.
Lediglich die Zwingburg und die Festungsmauern wurden geschliffen.
Der katholische Kult wurde für einige Jahre wieder eingeführt.
Die Konsequenzen der Einführung der Reformation in die Grafschaft
waren vielfältig :
•
die zum Zweck des Bibellesens eingeführte allgemeine
Schulpflicht, zusammen mit der Entwicklung der Buchdruckerkunst
in Montbéliard, bewirkte bei der hiesigen Bevölkerung eine weit
größere geistige Öffnung, als es in der Umgebung der Fall war ;
•
die Einwanderung einer meist gut ausgebildeten Bevölkerung ließ
Handwerk und Handel einen Sprung nach vorne machen ;
•
die Grafschaft war von ihren Nachbarn durch eine meist
undurchdringliche Grenze getrennt. Die Mömpelgarder waren
deshalb gezwungen, den größten Teil ihrer Güter selber zu
produzieren ; ein unangenehmer Zustand, der jedoch das
Nachdenken und den Unternehmungsgeist förderte ;
•
die Mömpelgarder mussten ganz „unter sich“ leben, da die
Beziehungen zu den benachbarten Provinzen sehr eingeschränkt
waren. Dies brachte das Bewusstsein mit sich, zu einer Minderheit
zu gehören, was sowohl einen gewissen Stolz, nicht wie die
anderen zu sein, als auch ein Misstrauen den Nachbarn gegenüber
und den Wunsch, besonders hervorzutreten, zeitigte. Kurz, ein
wahrer „Mömpelgarder Gemeinschaftsgeist“ kam auf.
Eine Volkszählung im Jahre 1712 ergab folgende Zahlen : die Stadt
zählte 2507 Lutheraner, 44 Calvinisten, 34 Wiedertäufer und 59
Katholiken. Die Mömpelgarder hatten die Reformation anfangs ohne
Widerstand aber auch ohne Freudenausbruch angenommen ; nun waren
sie überzeugte Protestanten, stolz auf ihre Besonderheit.
Das XVIII. Jahrhundert bestätigte diese Entwicklung. Im Jahre 1793 belief
sich die Zahl der Bevölkerung der Grafschaft auf 27 000 Einwohner,
darunter 500 Katholiken bzw. weniger als 2% der Bevölkerung. Ab 1793
wurde das Gebiet französisch, weshalb der Prozentsatz der katholischen
Bevölkerung rapide anstieg : 1850 waren es 10% der christlichen
Bevölkerung, im Jahre 1920 dann bereits 50% ; heute sind es
schätzungsweise 85%.
Internet : www.temple-saint-martin.org
Mail : [email protected]
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