Wir erinnern an Wir erinnern an Ein großer Förderer der ophthalmologischen Wissenschaft Vor 150 Jahren wurde Allvar Gullstrand geboren Von Manfred P. Bläske O Zu den Pionieren und Förderern der modernen ophthalmologischen Wissenschaft gehört Allvar Gullstrand, der am 5. Juni 1862 als Sohn eines Medizinischen Offiziers in der südschwedischen Hafenstadt Landskrona geboren wurde. In Jönköping besuchte er das Gymnasium um danach an der Universität Uppsala Medizin zu studieren. 1884 legte Gullstrand das Kandidatenexamen ab, ging für ein Jahr an die Universität in Wien und erlangte 1888 an der Medizinischen Hochschule in Stockholm die Approbation. Er wurde Dozent für Augenheilkunde, und in den Jahren 1894 bis 1913 war er der erste Professor für Augenheilkunde an der Universität Uppsala. – Als hochbegabter Mathematiker befasste sich Gullstrand mit physiologischen und medizinisch-physikalischen Problemen auf dem Gebiet der Optik, wodurch die ophthalmologische Optik in einer derart umfassenden Weise erweitert bzw. neugestaltet wurde, dass er „für seine Arbeiten über die optischen Eigenschaften des Auges“ bereits im Jahre 1911 – als erster Augenarzt – mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. KVS-Mitteilungen Heft 6/2012 Qualität herstellte. Zwischen Abbes persönlichem Assistenten Archiv: M. P. Bläske Unsere Kenntnis über Augenkrankheiten reicht bis in das dritte Jahrtausend v. Chr. zurück, und wir kennen eine ägyptische Augenheilkunde dank der verschiedensten zahlreichen Quellen ziemlich genau. Wir wissen, dass Augenleiden sehr früh mit allgemeiner Ätiologie in Verbindung gebracht und äußerlich behandelt wurden, doch epochale Fortschritte blieben über Jahrhunderte aus. Zwar lieferte uns der Römer Aulus Cornelius Celsus in einer um 30 n. Chr. verfassten Schrift die erste Beschreibung einer Staroperation, sie wurde jedoch über 1.800 Jahre fast unverändert nach seiner Vorschrift ausgeführt. – Den im Verhältnis zu den anderen medizinischen Disziplinen späten, aber geradezu revolutionären Aufstieg der Augenheilkunde leitete in erster Linie die Erfindung des Augenspiegels durch Hermann von Helmholtz im Jahre 1850 ein, wodurch im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Innere des Auges gelangte. Allvar Gullstrand 1862 – 1930 Er begann seine Arbeiten mit einer „Untersuchung über Beobachtung und Messung des Hornhautastigmatismus“ und entwickelte daraus eine allgemeine Theorie, in der er auch die verschiedenen Formen des Astigmatismus am menschlichen Auge festlegte. Ein für ihn geschaffener persönlicher Lehrstuhl für physikalische und physiologische Optik ermöglichte ihm grundlegende Arbeiten auf allen Gebieten der ophthalmologischen Optik. Gullstrand befasste sich mit der Strahlenvereinigung, der optischen Projektion und mit den Abbildungsvorgängen. Er entwickelte eine Linsenformel, die in der Augenoptik als Gullstrandsche Gleichung eine bedeutende Rolle spielt. Mit seinem Namen ist das „Schematische Auge“ verbunden, ein Schema des Normalauges mit sphärischer Begrenzungsfläche des abbildenden Systems. Seine völlig neuen Erkenntnisse verlangten eine adäquate Technologie für die Herstellung von Brillengläsern, weshalb Gullstrand 1901 Verbindung mit der Firma Carl Zeiss in Jena aufnahm, wo deren genialer Leiter Ernst Abbe zusammen mit Friedrich Schott optische Gläser höchster Moritz von Rohr (1868 – 1940) und Gullstrand kam es nach Abbes Tod im Jahre 1905 zu enger, zunehmend freundschaftlicher Zusammenarbeit, die der Augenheilkunde nicht nur in Europa erhebliche Fortschritte brachte. Als wissenschaftlicher Leiter der Brillenabteilung entwickelte von Rohr mit Gullstrand Katralgläser für nach Staroperationen linsenlose Augen. 1912 folgten die berühmten Punktal-Brillengläser, die unabhängig von der Blickrichtung scharfe Bilder geben. Der 1913 von der Universität Jena zum außerordentlichen Professor für Optik in der Medizin berufene Mathematiker und Physiker war ein begnadeter Konstrukteur, der es verstand, von Gullstrand erfundenen Geräten nicht nur eine optimale praxistaugliche Form zu geben; er schuf auch die technologischen Voraussetzungen für eine Serienfertigung als Basis des weltweiten Vertriebs ZEISSscher augenärztlicher Standardgeräte. Zu ihnen gehört insbesondere die Gullstrandsche Spaltlampe, die über Jahrzehnte hinweg konkurrenzlos blieb; ihre Grundkonstruktion wurde später von allen Herstellern ophthalmologischer Geräte übernommen. 1909 entwarf Gullstrand ein Ophthaloskop, zu dem von Rohr die Linsen berechnete; bereits 1910 brachten die Jenaer Werkstätten das große Gullstrandsche Ophthalmoskop auf den Markt. Gullstrand betrieb in Uppsala eine instrumentell vorzüglich ausgestattete Augenklinik. Als geschickter Operateur entwickelte er neue Methoden der Fornixplastik. Von ihm stammen bedeutende, durch hohe Auszeichnungen geehrte Arbeiten über Keratokonus und Lentikonus sowie über objektive Methoden zur Diagnostik der Augenmuskellähmungen. Das Mitglied der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, der schwedischen, skandinavischen und deutschen ophthalmologischen Gesellschaften, erhielt die höchsten Ehrungen, die einem Wissenschaftler zuteil werden können. Allvar Gullstrand starb am 28. Juli 1930 im Alter von 68 Jahren in Stockholm. 15